Bibermanagement im steirischen Ennstal - Diplomarbeit Julia Holzmüller, Alexandra Golesch - HBLFA Raumberg ...
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Diplomarbeit Bibermanagement im steirischen Ennstal Julia Holzmüller, Alexandra Golesch Eine Einrichtung des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus
Schule HBLFA Raumberg-Gumpenstein Schulart Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft Fachrichtung/Ausbildungsschwerpunkt Agrarmanagement Titel der Diplomarbeit Bibermanagement im steirischen Ennstal Verfasser/innen Julia Holzmüller, Alexandra Golesch Betreuer/innen Mag. rer. nat. Verena Mayer Projektpartner/innen apodemus – Privates Institut für Wildtierbiologie Dr. Stefan Resch, MA und Dr. Christine Resch, MA, MSc. Verfasst im Juli 2019 – März 2020
Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorgelegte Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und die den benutzten Quellen wörtlich und inhaltlich entnommenen Stellen als solche erkenntlich gemacht habe. Weiters stimme ich zu, dass die Inhalte der Arbeit von den Be- treuern der Diplomarbeit und von der HBLFA Raumberg-Gumpenstein für Publikationen und Vorträge uneingeschränkt verwendet werden dürfen. Raumberg-Gumpenstein, am 02. April 2020 …………………………………………………..…………………………. Alexandra Golesch …………………………………………………..…………………………. Julia Holzmüller III
Vorwort und Danksagung Vorwort und Danksagung Die Auseinandersetzung mit dem Bibermanagement wird künftig in jenen Regionen, wo der Biber stark angesiedelt ist, an Bedeutung gewinnen. Immer häufiger wird in den Me- dien die Biber-Problematik angesprochen. Zweifellos ist der Biber eine Wildtierart, die mitunter beträchtliche Schäden anrichten kann. Innerhalb von nur wenigen Tagen können Konfliktsituationen entstehen, welche durch ein gezieltes Bibermanagement vermindert werden können. Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, ob der Biber im steirischen Ennstal toleriert wird, beziehungsweise ob jene Menschen, die mit dem Biber in Berührung geraten dazu bereit wären, diverse Maßnah- men zu ergreifen, um ein harmonisches Miteinander gewährleisten zu können. In diesem Sinne haben wir uns an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein dazu entschieden, uns mit dem Bibermanagement im steirischen Ennstal auseinander zu setzen. Ein großer Dank gilt in erster Linie unserer Betreuerin Frau Mag. rer. nat. Verena Mayer, durch die wir auf dieses Thema aufmerksam gemacht wurden. Tatkräftig und voller Enga- gement unterstützte sie uns zu jeder Zeit bei der Diplomarbeit. Daher möchten wir uns für die erstklassige Betreuung recht herzlich bedanken. Ein weiterer Dank gilt unseren außerschulischen Partnern Herrn Dr. Stefan Resch, MA und Frau Dr. Christine Resch, MA, MSc. von apodemus, dem privaten Institut für Wildtierbio- logie, und Frau DI Renate Mayer von der Stabstelle Akquisition in Gumpenstein, welche uns bei diversen Fragen mit Informationen versorgt haben. Zusätzlich gebührt Herrn Dr. rer. nat. Albin Blaschka, Geschäftsführer des Österreichzentrums Bär, Wolf, Luchs, ein großer Dank, der uns bei der Erstellung der Kartierung unter die Arme gegriffen hat. Julia Holzmüller, Alexandra Golesch IV
Zusammenfassung Zusammenfassung Zielsetzung Um das immer häufiger diskutierte Thema „Der Biber im steirischen Ennstal“ genauer zu durchleuchten ist es wichtig, sich damit zu beschäftigen. Durch das zusehends steigende Vorkommen des Bibers in unseren Breitengraden ist es nicht unüblich, den Biber sowohl bei der Ausübung von Freizeitaktivitäten als auch bei landwirtschaftlichen Arbeiten anzu- treffen. Zielsetzung dieser Arbeit ist es, mittels Kartierungen das Bibervorkommen in ge- wissen Gebieten des Ennstals zu dokumentieren und zusätzlich anhand einer Umfrage das Wissen der Menschen über den Biber zu analysieren und mögliche Managementstrategien zu finden. Allgemeines Die steirische Enns stellt an so manchen Stellen einen optimalen Lebensraum für den Bi- ber dar, nicht nur aufgrund des Nahrungsangebotes, sondern auch durch die langsame Fließgeschwindigkeit. Somit ist es keine Überraschung, dass der Bestand an Bibern der- zeitig ansteigt. Mit der zunehmenden Verbreitung korreliert jedoch auch das Konfliktpo- tenzial, welches das Zusammenleben zwischen der Bevölkerung und dem Tier erschweren könnte. Umfrage und Kartierung Anhand einer Online-Umfrage, an welcher Personen aus allen Bundesländern Österreichs teilnahmen, wurde die Einstellung gegenüber dem Biber eruiert und dargestellt. Außer- dem gelang es einerseits mittels eines speziell dafür angefertigten Bibererhebungsbogens von apodemus und andererseits mit der GPS-App „Locus Map“, diverse Biberreviere auf neue Spuren zu untersuchen und zu dokumentieren. V
Zusammenfassung Ergebnis Wie die Ergebnisse der Umfrage zeigten, kann darauf geschlossen werden, dass einige Konflikte oftmals durch mangelndes Wissen der Menschen auftreten. Obwohl die Thema- tik rund um den Biber in der Region Ennstal derzeit noch nicht so weit verbreitet ist, wird in Zukunft das Eingehen von Kompromissen und das Anwenden von Managementstrate- gien an Bedeutung gewinnen, wobei die Aufklärung über das zunehmende Vorkommen der Bevölkerung gegenüber sich als ausbaufähig erweist. VI
Summary Summary Beaver Management in the Styrian Enns Valley Objective In order to shed more light on the topic of the beaver in the Styrian Enns Valley, which has recently been the subject of increasing discussion, it is important to take a closer look at it. Due to the increasing occurrence of the beaver in our region, it is not uncommon to encounter the beaver during leisure activities and agricultural activities. This makes it even more interesting to do research on this subject. The aim is to document the occurrence of beavers in certain areas of the Enns Valley through mapping techniques and, in addition, to analyse people's knowledge about the beaver through a survey and to find possible management strategies. General information The Styrian Enns river provides an optimal habitat for the beaver in many places, not only because of the food supply but also because of the slow flow rate. Therefore it is no sur- prise that the population of beavers is currently growing. However, the increasing distri- bution correlates with the potential of conflicts, which could make coexistence between the human population and the animal more difficult. Survey and mapping Based on an online survey in which people from all Austrian provinces took part, the atti- tude towards the beaver was determined and presented. In addition, it was possible to investigate and document various beaver territories for new tracks using a designed sur- vey form by apodemus and the GPS app "Locus Map". VII
Summary Result As the results of the survey showed, it can be concluded that some conflicts are often caused by people's lack of knowledge. Although the problem related to conflicts with bea- vers is not yet widespread in the Ennstal region, the ability to make compromises and ap- ply management strategies will become more important in the future. Awareness raising activities dealing with the increasing number of beavers in the region will gain more im- portance. VIII
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Eidesstattliche Erklärung ................................................................................................................... III Vorwort und Danksagung.................................................................................................................. IV Zusammenfassung.............................................................................................................................. V Summary .......................................................................................................................................... VII Inhaltsverzeichnis .............................................................................................................................. IX Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen...................................................................................... XII 1 Einleitung und Stand des Wissens ................................................................................................ 1 1.1 Allgemein ............................................................................................................................... 1 1.1.1 Familie ......................................................................................................................... 1 1.1.2 Körperbau und Merkmale ........................................................................................... 1 1.1.2.1 Gebiss............................................................................................................. 2 1.1.2.2 Kelle ............................................................................................................... 2 1.1.2.3 Vorder- und Hinterfüße ................................................................................. 2 1.1.2.4 Sinne .............................................................................................................. 2 1.1.2.5 Fell.................................................................................................................. 3 1.1.3 Lebensraum ................................................................................................................. 3 1.1.4 Lebensweise ................................................................................................................ 5 1.1.4.1 Familienverbände .......................................................................................... 5 1.1.4.2 Ernährung ...................................................................................................... 5 1.1.4.3 Tages- und Jahresverlauf ............................................................................... 7 1.2 Der Biber als Architekt........................................................................................................... 8 1.2.1 Fällungen und Nagespuren .......................................................................................... 8 1.2.2 Der Damm .................................................................................................................. 10 1.2.3 Baue und Burgen ....................................................................................................... 11 1.2.3.1 Wie entsteht ein Biberbau? ......................................................................... 12 1.2.3.2 Der Erdbau ................................................................................................... 12 1.2.3.3 Der Mittelbau............................................................................................... 13 1.2.3.4 Der Hochbau oder die Biberburg ................................................................. 13 1.2.4 Hochwasserschutz ..................................................................................................... 13 IX
Inhaltsverzeichnis 1.2.5 Gewässerreinigung .................................................................................................... 14 1.2.6 Ökologie des Biberteichs ........................................................................................... 14 1.3 Zusammenleben von Menschen und Bibern....................................................................... 16 1.3.1 Der Biber als gefährdetes Tier ................................................................................... 16 1.3.1.1 Fleischlieferanten ........................................................................................ 16 1.3.1.2 Pelzlieferanten ............................................................................................. 16 1.3.1.3 Bibergeil als Medizin .................................................................................... 17 1.3.1.4 Biber als Konkurrenten ................................................................................ 17 1.3.2 Wiederansiedlung und aktuelle Verbreitung in Europa ............................................ 17 1.3.3 Aktuelle Verbreitung in Österreich............................................................................ 18 1.3.4 Rechtliches ................................................................................................................. 18 1.3.5 Biberkonflikte ............................................................................................................ 19 1.3.6 Lösungsansätze für Konflikte ..................................................................................... 21 1.3.6.1 Uferstreifen.................................................................................................. 22 1.3.6.2 Einzelmaßnahmen ....................................................................................... 22 1.3.6.3 Entfernen von Bibern................................................................................... 23 1.3.6.4 Rohreinlauf .................................................................................................. 23 1.3.6.5 Schutzanstriche............................................................................................ 23 1.3.6.6 Chili-Öl ......................................................................................................... 24 1.3.6.7 Gehölzgruppen ............................................................................................ 24 1.3.7 Bibermanagement ..................................................................................................... 24 1.3.7.1 Wiederansiedlung ........................................................................................ 25 1.3.8 Kompensationszahlungen ......................................................................................... 26 1.3.9 Biberprämie ............................................................................................................... 27 1.3.10 Anlaufstellen ............................................................................................................. 28 2 Fragestellungen und Ziele ........................................................................................................... 29 3 Material und Methoden.............................................................................................................. 30 3.1 Kartierung ............................................................................................................................ 30 3.1.1 Ausstattung................................................................................................................ 36 3.2 Umfrage ............................................................................................................................... 38 4 Ergebnisse und Diskussion .......................................................................................................... 49 5 Schlussfolgerungen und Ausblick ................................................................................................ 50 6 Literaturverzeichnis..................................................................................................................... 51 7 Anhang ........................................................................................................................................ 53 X
Inhaltsverzeichnis 7.1 Steiermark ........................................................................................................................... 53 7.2 Oberösterreich .................................................................................................................... 53 7.3 Niederösterreich ................................................................................................................. 54 7.4 Burgenland .......................................................................................................................... 54 7.5 Wien .................................................................................................................................... 54 7.6 Salzburg ............................................................................................................................... 55 7.7 Kärnten ................................................................................................................................ 55 7.8 Tirol...................................................................................................................................... 55 7.9 Vorarlberg............................................................................................................................ 56 7.10 Bibererhebungsbogen ......................................................................................................... 57 7.11 Plakat ................................................................................................................................... 59 XI
Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen Abbildungen Abbildung 1: Lebensraum eines Bibers, St. Martin (GOLESCH, 2019) ........................... 4 Abbildung 2: Fraßplatz (GOLESCH, St. Martin, 2019) ..................................................... 4 Abbildung 3: Zusammengetragene Äste (GOLESCH, St. Martin, 2019) ......................... 6 Abbildung 4: Sanduhrförmig benagte Weide (GOLESCH, Gstatterboden, 2019) .......... 8 Abbildung 5: Schräge Schnittfläche (GOLESCH, Gstatterboden, 2019) ......................... 8 Abbildung 6: Bissspuren und Holzspäne Birke (GOLESCH, Gstatterboden, 2019) ......... 9 Abbildung 7: Nagespuren und Holzspäne (HOLZMÜLLER, Gstatterboden, 2019) ......... 9 Abbildung 8: Gefällter Baum (HOLZMÜLLER, Gstatterboden, 2019) ........................... 10 Abbildung 9: Bau eines Bibers (GOLESCH, St. Martin, 2019) ....................................... 12 Abbildung 10: Verbreitung des Bibers entlang der Enns (APODEMUS, 2018) ............. 31 Abbildung 11: Biberrevier St. Martin (APODEMUS, GOLESCH, HOLZMÜLLER, 2019) .. 32 Abbildung 12: Biberrevier St. Martin (ALBIN BLASCHKA, basemap.at, 2019).............. 33 Abbildung 13: Biberrevier Altenmarkt - St. Gallen (ALBIN BLASCHKA, basemap.at, 2019) ............................................................................................................................ 34 Abbildung 14: Biberrevier Gstatterboden (ALBIN BLASCHKA, basemap.at, 2019) ...... 35 Abbildung 15: Locus Map und Bibererhebungsbogen (GOLESCH, Gstatterboden, 2019) ............................................................................................................................ 37 Abbildung 16: Dokumentation von Spuren (GOLESCH, Gstatterboden, 2019) ........... 37 XII
Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen Abbildung 17: Frage nach dem Bundesland (ONLINE-UMFRAGE, GOLESCH, HOLZMÜLLER, 2019) .................................................................................................... 38 Abbildung 18: Frage nach der Nahrung des Bibers (ONLINE-UMFRAGE, GOLESCH, HOLZMÜLLER, 2019) .................................................................................................... 39 Abbildung 19: Wiederansiedlung und Einwanderung (ONLINE-UMFRAGE, GOLESCH, HOLZMÜLLER, 2019) .................................................................................................... 40 Abbildung 20: Bejagung oder Schutz (ONLINE-UMFRAGE, GOLESCH, HOLZMÜLLER, 2019) ............................................................................................................................ 41 Abbildung 21: Beeinträchtigung des Hochwasserschutzes (ONLINE-UMFRAGE, GOLESCH, HOLZMÜLLER, 2019) ................................................................................... 42 Abbildung 22: Überschwemmungen auf landwirtschaftlichen Flächen (ONLINE- UMFRAGE, GOLESCH, HOLZMÜLLER, 2019) ................................................................. 43 Abbildung 23: Konfliktverminderung durch Abstandhalten (ONLINE-UMFRAGE, GOLESCH, HOLZMÜLLER, 2019) ................................................................................... 44 Abbildung 24: Anzahl der Konflikte in Bezug auf die Entfernung zum Wasser, Mayer nach Schwab 2010........................................................................................................ 45 Abbildung 25: Schäden bzw. Konflikte in der Umgebung (ONLINE-UMFRAGE, GOLESCH, HOLZMÜLLER, 2019) ................................................................................... 46 Abbildung 26: Verbesserung der Konfliktsituation durch gezieltes Bibermanagement (ONLINE-UMFRAGE, GOLESCH, HOLZMÜLLER, 2019) .................................................. 47 Abbildung 27: Maßnahmen zur Verbesserung (ONLINE-UMFRAGE, GOLESCH, HOLZMÜLLER, 2019) .................................................................................................... 47 Tabellen Es konnten keine Einträge für ein Abbildungsverzeichnis gefunden werden. XIII
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Einleitung und Stand des Wissens 1 Einleitung und Stand des Wissens 1.1 Allgemein 1.1.1 Familie Biber (Castoridae) sind Säugetiere (Eutheria) und gehören zur Ordnung der Nagetiere (Ro- dentia). Nach dem südamerikanischen Wasserschwein (Capybara) ist er das zweitgrößte Nagetier weltweit. Die Familie besteht aus nur einer Gattung (Castor), hierbei gibt es je- doch zwei Arten zu unterscheiden: den Europäischen Biber (Castor fiber), welcher auch Eu- rasischer Biber genannt wird, und den Kanadischen Biber (Castor canadensis). In Europa ist der Europäische Biber durch die FFH-Richtlinie streng geschützt und darf weder gefangen noch getötet werden (vgl. ZAHNER et al., 2009, 11). 1.1.2 Körperbau und Merkmale An Land mögen Europas größten Nagetiere oft plump und unbeholfen wirken, im Wasser hingegen ist ihr Körper den Bedingungen hervorragend angepasst. Ausgewachsene euro- päische Biber können eine Gesamtlänge von bis zu 1,35 Meter und ein Gewicht von etwa 36 Kilogramm erreichen, wobei Weibchen in der Regel geringfügig größer werden als Männchen (vgl. SCHWAB, 2002, 1). Biber in freier Wildbahn erreichen ein Durchschnittsalter von zehn bis zwölf Jahren. In Ge- fangenschafft allerdings können sie sogar bis zu 20 Jahre alt werden (vgl. COLDITZ, 1994, 13). 1
Einleitung und Stand des Wissens 1.1.2.1 Gebiss Typisch für das aus 20 Zähnen bestehende Nagergebiss sind die großen Schneidezähne, welche durch Eiseneinlagerungen orange gefärbt sind und somit die Zähne besonders hart und widerstandsfähig machen. Die stark ausgeprägten Kiefermuskeln schaffen die not- wendige Beißkraft für das Fällen von Bäumen (vgl. ZAHNER et al., 2009, 13-14 & SCHWAB, 2002, 2). 1.1.2.2 Kelle Eines der auffälligsten Merkmale ist der breit abgeflachte und beschuppte Schwanz (auch Kelle genannt), dieser kann bis zu 35 Zentimeter lang werden. Als Multifunktionsorgan dient die Kelle nicht nur der Steuerung und Alarmierung von Familienmitgliedern, sondern auch als Stütze beim Sitzen und als Fettspeicher für die Winterszeit (vgl. ZAHNER et al., 2009, 16 & SCHWAB, 2002, 1). 1.1.2.3 Vorder- und Hinterfüße Mit fünf feingliedrigen Fingern an den Vorderpfoten können sie geschickt zugreifen und Feinarbeiten verrichten, einen Daumen besitzen sie nicht. Die mit ausgeprägten Schwimmhäuten ausgestatteten Hinterfüße sind wesentlich größer und kräftiger als die vorderen und dienen vorwiegend zur Fortbewegung im Wasser. Die Krallen werden vor allem beim Graben eingesetzt (vgl. ZAHNER et al., 2009, 16). 1.1.2.4 Sinne Nase, Augen und die kleinen Ohren befinden sich so hoch am Kopf, sodass sie beim Schwimmen in einer Linie über dem Wasser liegen, während der restliche Körper unterge- taucht ist. So können die Sinne weiterhin Informationen liefern und der Biber selbst bleibt aber unentdeckt. Beim Tauchen können Nase und Ohren geschlossen werden (vgl. SCHWAB, 2002, 2). 2
Einleitung und Stand des Wissens 1.1.2.5 Fell Das Fell des Bibers zählt zu einem der dichtesten unter allen Tieren und ist berühmt für seine Wärme. Weil Biber bei Temperaturen über 20°C leicht überhitzen können, spielt die Wärmeregulierung eine wichtige Rolle. Doch auch der Wärmeisolation wird viel Bedeu- tung zugetragen, denn der Biber hält keinen Winterschlaf und muss somit den eisigen Temperaturen standhalten. Gepflegt wird das Fell regelmäßig mit der sogenannten „Putz- kralle“, welche sich an den Hinterfüßen befindet. Eine große Rolle bei der Fellpflege spielt auch eine ölige Flüssigkeit, welche aus den sogenannten Ölsäcken, nahe der Biberkelle, stammt. Mit diesem Sekret wird der Pelz zum Schutz vor Nässe eingefettet (vgl. ZAHNER et al., 2009, 22-23 & SCHWAB, 2002, 2). 1.1.3 Lebensraum Im Zusammenhang mit der Ausbreitung der Biber hat sich aufgrund ihrer Fähigkeit, Standorte nach ihren Ansprüchen individuell gestalten zu können, vor allem seine Flexibi- lität bei der Wahl der Lebensräume gezeigt. Durch das Bauen von Burgen und Dämmen, Fällen von Bäumen und das Stauen von Gewässern schafft er außerdem nicht nur sich selbst, sondern auch vielen Pflanzen und Tieren einen geeigneten Lebensraum. Von den Bibern werden nicht nur große Flüsse und Stauseen in der Nähe von Wasserkraftwerken besiedelt, sondern auch kleine Bäche und Gräben, welche unter Umständen mittels Dämme aufgestaut werden müssen. Grundsätzlich stellen Biber keine hohen Ansprüche an den Standort. Zum einen sollte das Gewässer eine ausreichende Tiefe zum Schwimmen und Tauchen aufweisen können und im Sommer nicht austrocknen, zum anderen sollten die Ufer leicht zugänglich und vor allem erdig sein, um Baue und Röhren anlegen zu kön- nen. Für die Gründung eines Revieres ist das Angebot an Nahrung, sowohl im Sommer als auch im Winter, ebenfalls von großer Bedeutung. Da die Biber die Nähe der Menschen als nicht störend empfinden, siedeln sie auch gegebenenfalls in Ortschaften und Industriege- bieten (vgl. ZAHNER et al., 2009, s.p. & SCHWAB, 2002, s.p.). 3
Einleitung und Stand des Wissens Abbildung 1: Lebensraum eines Bibers, St. Martin (GOLESCH, 2019) Abbildung 2: Fraßplatz (GOLESCH, St. Martin, 2019) Abhängig von der Menge an vorhandenen Ufergehölzen, erstreckt sich ein Territorium bei ausreichendem Bestand über ein paar hundert Meter bis hin zu 5 km im Falle von Nah- rungsmängeln. Normalerweise besiedeln Biber nur einen ungefähr 20 Meter breiten Strei- fen entlang des Gewässers, für den Bau von Dämmen oder für naheliegende Feldfrüchte wie Zuckerrüben und Mais nehmen sie aber auch weitere Strecken auf sich (vgl. BAUM- GARTNER, 2007, 86 & SCHWAB, 2002, s.p.). 4
Einleitung und Stand des Wissens Jede Biberfamilie hat ihr eigenes Revier und sofern genügend Kapazitäten für Lebens- räume vorhanden sind, bevorzugen die jungen Biber, welche dann alt genug für eine ei- gene Familiengründung sind, sich in der Nähe des elterlichen Revieres anzusiedeln. An- dernfalls müssen sie oftmals viele Kilometer weit wandern, bis sie einen geeigneten Stand- ort finden. Zur Reviermarkierung und Revierverteidigung dient das „Bibergeil“ (Cas- toreum), ein Sekret stammend aus den Analdrüsen (vgl. SCHWAB, 2002, 6). 1.1.4 Lebensweise 1.1.4.1 Familienverbände Da Biber monogam sind, bleiben sie ein Leben lang bei einem Partner, es sei denn, einer der beiden verstirbt, dann sucht sich der überlebende Biber einen neuen. Sie leben in Fa- milienverbänden, welche aus den beiden Elterntieren und ihren ein- und zweijährigen Nachkommen besteht. Im Winter, vor allem in den Monaten Jänner und Februar, findet die Paarungszeit statt. Nach einer Tragzeit von ungefähr 105 – 109 Tagen werden dann zwischen Mai und Juni ein bis drei Junge pro Wurf, sehend und behaart, geboren. Zu dieser Zeit müssen die zweijährigen, bereits geschlechtsreifen Nachkommen das elterliche Re- vier verlassen und sich sowohl ein eigenes Territorium als auch einen Lebenspartner su- chen (vgl. SCHWAB, 2002, s.p.). 1.1.4.2 Ernährung Biber sind ausschließlich Pflanzenfresser. In der Vegetationsperiode bevorzugen sie krau- tige Pflanzen und Gräser, ebenso wie Jungtriebe und Blätter von Weichhölzern wie z.B. Weiden (Salix), Erlen (Alnus) und Pappeln (Populus). Es gelten über 300 verschiedene Pflanzenarten als Bibernahrung. Auch Feldfrüchte wie Mais (Zea mays), Getreide und Zu- ckerrüben (Beta vulgaris) werden dort gerne gefressen, wo landwirtschaftliche Flächen an- grenzen. Für diese sind sie sogar bereit, sich bis zu 100 Meter vom Gewässer zu entfernen, obwohl sie größere Distanzen eher meiden. Die Nahrung wird hauptsächlich entlang des Uferstreifens sowie am und im Gewässer gesucht. Da Biber keinen Winterschlaf halten, 5
Einleitung und Stand des Wissens müssen sie sich auch in den kalten Wintermonaten um ihr Futter kümmern. Zu dieser Zeit ist die Rinde der Bäume ein wesentlicher Bestandteil der Ernährung und um diese zu errei- chen, müssen die Bäume gefällt werden, denn klettern können sie nicht. Hierbei werden ebenfalls Weichhölzer favorisiert, es kann aber auch vorkommen, dass sie Buchen (Fagus), Eichen (Quercus) und Nadelhölzer fällen. Beim Fällen wird das Holz in Form einer Sanduhr benagt und somit zu Fall gebracht. Die Größen der Bäume variieren in Abhängigkeit der Härte sehr stark (vgl. SCHWAB, 2002, 6). Der Wintervorrat besteht aus Ästen und Zweigen und wird vor dem Eingang ihres Baues angelegt. Falls das Wasser gefrieren sollte, können sie den Vorrat auch tauchend errei- chen, denn das liegt in der Natur des Bibers. Für gewöhnlich liegt die Dauer eines Tauch- vorgangs bei etwa 2-5 Minuten, bei Gefahr jedoch kann sich diese auf bis zu 20 Minuten verlängern (vgl. SCHWAB, 2002, s.p.). Abbildung 3: Zusammengetragene Äste (GOLESCH, St. Martin, 2019) 6
Einleitung und Stand des Wissens 1.1.4.3 Tages- und Jahresverlauf Obwohl Biber dämmerungs- und nachtaktiv sind, geben sie sich manchmal auch tagsüber zu erkennen. Aktivitäten wie Nahrungsaufnahmen, Revierkontrollen und -markierungen, Bauen und Ausbessern der Burgen und Dämme sowie soziale Interaktionen erfolgen in der Nacht. Tagsüber sind sie mit gegenseitigem Putzen und Schlafen in der Burg beschäftigt (vgl. SCHWAB, 2002, 9). Sowohl im Herbst als auch im Frühjahr steigt die Aktivität des Bibers beträchtlich. Im Früh- jahr, wenn die Fettvorräte aufgebraucht sind und die Vegetation erst ihren Anfang macht, verbringen Biber ihre Zeit hauptsächlich mit Nahrungssuche. Zeitgleich werden die zwei- jährigen Nachkommen aus dem Revier vertrieben, um Platz für die neuen zu schaffen, die im Mai beziehungsweise Juni geboren werden. Nahrungsüberschuss besteht im Sommer, wenn sich die Eltern und die älteren Geschwister um die Aufzucht der Kleinen kümmern. Während der Säugezeit, welche ungefähr sechs bis acht Wochen dauert, verbringt das Muttertier mit den Jungen viel Zeit im Bau und ist nur selten im Freien. Im Herbst fangen sie mit dem Anlegen der Fett- und Nahrungsvorräte an, auch werden Dämme und Baue auf die kalten Monate vorbereitet und winterfest gemacht. Im Winter könnte man meinen, das Revier sei wie ausgestorben. Die Temperatur bestimmt die Tagesaktivität der Biber, so kommen bei niedrigen Temperaturen die Tiere nur hervor, um sich Nahrung aus dem Vorrat zu holen. Die Paarung der Männchen und Weibchen erfolgt ebenfalls im Winter (vgl. SCHWAB, 2002, 9-10). 7
Einleitung und Stand des Wissens 1.2 Der Biber als Architekt 1.2.1 Fällungen und Nagespuren Die bekanntesten Biberspuren sind angenagte Hölzer und gefällte Bäume. Ein bekanntes Merkmal hierbei ist die sanduhrförmige Benagung, welche aber nur bei größeren Bäumen zu finden ist. Hölzer mit kleinerem Durchmesser hingegen sind durch eine schräge Schnitt- spur gekennzeichnet. Bevorzugt werden Weiden und Pappeln. Abbildung 4: Sanduhrförmig benagte Weide (GOLESCH, Gstatterboden, 2019) Abbildung 5: Schräge Schnittfläche (GOLESCH, Gstatterboden, 2019) 8
Einleitung und Stand des Wissens Sowohl die auffällige Nagespur als auch die am Boden verstreuten Holzspäne geben Aus- kunft über die Anwesenheit des Bibers. Außerdem sind die Abdrücke der Schneidezähne deutlich erkennbar. Frische Bissstellen der gefällten oder benagten Hölzer können durch ihre helle Farbe leicht identifiziert werden. Ältere Spuren, welche aufgrund der Witterung bereits eine dunkelbraune bis graue Farbe aufweisen, können jedoch nur schwer bis gar nicht einem genauen Alter zugeordnet werden, das Alter muss somit geschätzt werden. Abbildung 6: Bissspuren und Holzspäne Birke (GOLESCH, Gstatterboden, 2019) Abbildung 7: Nagespuren und Holzspäne (HOLZMÜLLER, Gstatterboden, 2019) 9
Einleitung und Stand des Wissens Abbildung 8: Gefällter Baum (HOLZMÜLLER, Gstatterboden, 2019) 1.2.2 Der Damm Wenn das Gewässer keine ausreichende Tiefe, welche für den Biber für die Fortbewegung essenziell ist, aufweist, beginnt er Dämme zu bauen. Seine Stauwerke errichtet er auch aus anderen Gründen. Beispielsweise um den stark schwankenden Wasserstand zu regu- lieren oder seine Hauptnahrung am Gewässerrand zu sichern. Den Basispunkt eines Dam- mes stellen langsam fließende Gewässer und seichte Bachbette dar. Als ersten Schritt werden verzweigte Äste gesammelt, welche als Rechen fungieren und Material wie Laub anstauen. Sie werden kammartig zur Fließrichtung ausgelegt. Eine Ansammlung von Se- diment und Treibgut bietet den Biber einen perfekten Ausgangspunkt für einen Damm. Zudem werden kleinere Bäume und Zweige miteinander verkeilt. Zur zusätzlichen Befes- tigung wird Schlamm, welcher am Fuße des Dammes stromaufwärts abgetragen wird, auf die strömende Seite geschoben. Er hat die Fähigkeit Schlamm und anderes Baumaterial zwischen Vorderpfoten und Kinn eingeklemmt zu transportieren, dabei balanciert er das 10
Einleitung und Stand des Wissens Gewicht mit den Hinterfüßen. Neben der Nahrungsaufnahme in der Nacht beginnt der Bi- ber durch seine Nachaktivität mit den Ausbesserungsarbeiten des Damms. Außerdem fängt er im Herbst an, die Dämme winterfest zu machen. Es gibt zahlreiche weitere Gründe, warum der Biber beginnt Dämme zu bauen. Durch den Staueffekt kann das be- treffende Gewässer nicht austrocknen und im Winter zugleich nicht durchfrieren, ansons- ten würde sich die Nahrungsbeschaffung des Tieres sehr schwierig gestalten. Überdies dient der Damm auch der Feindvermeidung, da durch höhere Wasserstände das Abtau- chen bei Bedrohungen ermöglicht wird und somit auch ein sicherer Eingang unter Wasser geboten wird. Erstaunlich ist, dass Biber einen Damm innerhalb einer Nacht errichten kön- nen, wobei sie nur eine Höhe von 1 m erreichen. Jedoch können diese Bauwerke bis zu 3 m hoch werden (vgl. ZAHNER et al., 2009, 72-74). 1.2.3 Baue und Burgen Wenn es die Gegebenheiten zulassen und die Ufer grabbar sind, legen die Biber Röhren und Baue an. Den Mittelpunkt eines Biberterritoriums stellt ein Biberbau dar. Dort halten sich die Tiere die meiste Zeit ihres Lebens auf. Neben Schutz vor Hitze, Kälte und Feinden, bietet der Bau ebenso Platz für die Schlafstätte und ist gleichzeitig Geburtsort für die Jun- gen. Außerdem werden hier die Sozialkontakte gepflegt. Der Wohnkessel bildet die Mitte der Burg, dort kommt kein Wasser hin. Anschließend zum Wohnkessel folgt eine kleine Stufe, wo sich die sogenannte Flachwasserzone befindet, welche den Fraßplatz bildet. Nachfolgend befindet sich der isolierte Ausgang. Außerdem gibt es einen Uferbau, indem der Kessel in die Böschung gebaut wird, wohingegen die Burg aus aufgeschichteten Höl- zern besteht. Da Biber keinen Winterschlaf halten, müssen sie sich einen Vorrat an Ästen und Zweigen anlegen. Dieser wird oft im Wasser vor der Burg deponiert und in der kalten Jahreszeit dann die Rinde vom Vorrat verzehrt. Bei Bedarf kann die Biberfamilie das Nahrungsfloß unter Wasser vom Bau aus erreichen, damit im Falle auch ein zugefrorenes Gewässer die Familie bei der Futteraufnahme nicht behindert (vgl. ZAHNER et al., 2009, 96-97). 11
Einleitung und Stand des Wissens Abbildung 9: Bau eines Bibers (GOLESCH, St. Martin, 2019) 1.2.3.1 Wie entsteht ein Biberbau? Sehr häufig besteht der Bau des Bibers aus Röhren, welche unter Wasser beginnen und schräg nach oben über den Wasserspiegel hinausführen. Diese Röhren können mehrere Meter lang sein, wobei an deren Ende der sogenannte Wohnkessel liegt. Zudem ist der Wohnkessel mit den selbsterzeugten Holzspänen des Bibers ausgelegt. Meistens beste- hen ältere Biberbaue aus mehreren Kesseln, welche untereinander durch Röhren verbun- den sind. Außerdem bieten unterspülte Wurzelstöcke oft ein perfektes Grundgerüst, um mit den Grabungen zu starten (vgl. ZAHNER et al., 2009, 96-97). Es sind drei verschiedene Grundbautypen bekannt: Erdbau, Mittelbau und Hochbau. 1.2.3.2 Der Erdbau Dieser ist gewöhnlich von außen hin nicht zu erkennen. Namengebend dafür, ist der Kes- sel, welcher sich tief unten im Erdreich befindet und somit auch eine dicke Erdschicht das Dach bildet (vgl. ZAHNER et al., 2009, 96-97). 12
Einleitung und Stand des Wissens 1.2.3.3 Der Mittelbau Diese Art des Baues wird Landwirten oft zum Verhängnis. Er wird in der Regel an Ufern angelegt, deren Böschung über den Wasserspiegel weniger als einen Meter misst. Meist legt der Biber den Kessel dann noch im Erdreich an, jedoch ist die oben verbleibende De- cke sehr einsturzgefährdet. Bricht der Kessel ein, werden die Löcher mithilfe von Ästen und Wurzelstöcken zu massiven Dächern umgebaut (vgl. ZAHNER et al., 2009, 96-97). 1.2.3.4 Der Hochbau oder die Biberburg Besteht aufgrund eines zu niedrigen Ufers für den Biber gar keine Möglichkeit seinen Kes- sel im Erdreich zu errichten, so legt er seinen Wohnkessel im selbst errichteten Asthaufen an. Weiters kann es auch vorkommen, dass hinsichtlich einer Erhöhung des Wasserstan- des, die Notwendigkeit besteht aus einem Mittelbau einen Hochbau zu machen. Somit kann der Biber weiterhin im Trockenen schlafen (vgl. ZAHNER et al., 2009, 96-97). 1.2.4 Hochwasserschutz Durch die Ausrottung des Bibers folgten auch Verluste von Biberteichen und Lebensräu- men, so sind beispielsweise vermehrte Hochwasserereignisse die Ergebnisse von fehlen- den Biberteichen. Untersuchungen von Hochwasserregimen zeigen, dass Biberteiche sehr wohl einen Einfluss auf Grundwasserbildung und Gewässerreinigung haben. Es wird deut- lich mehr Wasser in den Oberläufen durch die Stauaktivitäten der Biber zurückgehalten, daher entstehen größere Wasserflächen, gleichzeitig verdunstet mehr und eine beachtli- che Menge an Wasser versickert langsam und wird zu Grundwasser. Obendrein vermeidet der Biber teilweise Hochwasserspitzen, denn das Wasser fließt stark verzögert ab. Somit bietet der Biber einen kostenlosen Hochwasserschutz für uns Menschen (vgl. ZAHNER et al., 2009, 86). 13
Einleitung und Stand des Wissens 1.2.5 Gewässerreinigung Durch das Bauen von Dämmen nimmt die Fließgeschwindigkeit des Gewässers erheblich ab und somit lagert sich angeschwemmtes Material vor den Damm ab, zugleich steigt der Grundwasserspiegel. Darüber hinaus werden Chemikalien wie Pflanzenschutzmittel, Nit- rat und Phosphor abgebaut. Der Biber könnte für den Menschen heutzutage ein wichtiger Verbündeter sein, wenn es darum geht, Wasser zu reinigen, zu speichern, Feuchtgebiete zu bilden und um Fließge- wässer zu renaturieren (vgl. ZAHNER et al., 2009, 87). 1.2.6 Ökologie des Biberteichs Immer wieder wird der Biber als Schlüsselart bezeichnet. Es zeigt sich, dass der Biber enorme Auswirkungen auf die Gewässerökosysteme hat. Viele Aspekte sprechen in Bezug auf Ökologie für den Biber. Unter anderem bietet er durch seine Tätigkeiten ein Refugium für die Artenvielfalt, was gleichzeitig zu einem Anstieg der Artenzahl auf Landschafts- ebene beiträgt. Außerdem gibt es durch den Biber Tier- und Pflanzenarten, welche genau auf seine Lebensweise und sein Verhalten angewiesen sind. Durch den Anstieg des Grund- wasserspiegels und das Sinken der Fließgeschwindigkeit, werden in Randbereichen neue Kleingewässer gebildet, welche beispielsweise Amphibien einen idealen Lebensraum bie- ten. Außerdem profitieren ebenso andere Lebewesen, wie der Fischotter (Lutra lutra), vom Dasein des Bibers. Sogenannte Übergangszonen stellen sich durch das Stauen ein, wobei zum Beispiel Rohrglanzgrasbestände reduziert werden. Auch die Pflanzenwelt wird geprägt, wie etwa die gelbe Teichrose (Nuphar lutea), die wiederum den Biber durch stär- kehaltige Rhizome als Nahrung dient. Somit entstehen verschiedene Synergien zwischen dem Tier und der Artenvielfalt. Darüber hinaus muss erwähnt werden, dass dort wo Biber lebten, keine Hochwasserkatastrophen zu vermelden waren. Denn seit Jahrtausenden hat das Tier Arbeit verrichtet, welche der Mensch nur mühsam mit Stauseen und Hochwasser- freilegung versucht hat zu bewältigen. Anstatt von reißenden Flüssen konnte das 14
Einleitung und Stand des Wissens Schmelzwasser mithilfe der Bauwerke des Bibers langsam abfließen. Außerdem muss an- gemerkt werden, dass Biber zu fruchtbaren Böden beitragen. Es findet eine sukzessive Auflichtung, welche vom Biber durch das Fällen der Bäume und Überflutungen hervorge- rufen wird, statt. Artenvielfalt und somit auch der Anteil der krautigen Pflanzen wachsen. Um an Nahrung und Baumaterial zu kommen, muss der Biber immer weitere Distanzen zurücklegen. Somit beginnt er Kanäle zu graben. Diese führen dazu, dass sich das Wasser in diesen Kanälen einen neuen Lauf sucht und das Gebiet folglich verlandet. Biber verlas- sen diese Lebensräume und zurück bleibt ein fruchtbarer Schlickboden, der für das Pflan- zenreich wiederum eine Lebensgrundlange bietet (vgl. ZAHNER et al., 2009, 76-77 & COL- DITZ, 1994, 34-35). 15
Einleitung und Stand des Wissens 1.3 Zusammenleben von Menschen und Bibern 1.3.1 Der Biber als gefährdetes Tier Damals waren nahezu alle geeigneten Gewässergebiete in den gemäßigten, subarkti- schen und teilweise subtropischen Zonen der Nordhalbkugel von Bibern besiedelt. Gänz- lich frei von Bibern waren in Europa nur Irland und Island. Die gezielte Verfolgung und Be- jagung der Biber fanden schon vor ca. tausend Jahren ihren Anfang, somit reduzierte sich der Bestand in Mitteleuropa bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts auf nur wenige Exemplare. Grund für diese Ausrottung war in erster Linie ihr schmackhaftes Fleisch, ihr wärmender Pelz und das „Bibergeil“ (Castoreum) (vgl. ZAHNER et al., 2009, 102-103 & COLDITZ, 1994, 39). 1.3.1.1 Fleischlieferanten Schon sehr früh, als sich die ersten Menschen in Europa niederließen, stand der Biber be- reits am Speiseplan. Aufgrund seines beschuppten Schwanzes erklärte die katholische Kir- che das Tier sogar zum Fisch und durfte daher auch in der Fastenzeit gegessen werden (vgl. ZAHNER et al., 2009, 103). 1.3.1.2 Pelzlieferanten Da sich der Biberpelz als ausgesprochen dicht und wasserabweisend bewährt, war er schon bei den Steinzeitmenschen sehr beliebt. Er wurde nicht nur zu Kleidung, sondern auch zu Mützen, Krägen und Besätzen von Pelzmänteln verarbeitet. Im 17. Jahrhundert galten Biberhüte, bestehend aus dem feinen Wollhaar, als modisches Highlight, vor allem in England (vgl. ZAHNER et al., 2009, 103). 16
Einleitung und Stand des Wissens 1.3.1.3 Bibergeil als Medizin Noch wertvoller als Fleisch und Pelz des Bibers war das Bibergeil, das sogar als Wunder- heilmittel galt. Aufgrund der darin enthaltenen Salicylsäure, welche eine antipyretische sowie analgetische Wirkung aufweist, war dieses Sekret als Schmerzmittel bekannt. Dass das Bibergeil wertvoller als Gold war, war ein plausibler Grund, auch noch den letzten Bi- ber dafür zu töten (vgl. ZAHNER et al., 2009, 105). 1.3.1.4 Biber als Konkurrenten Die Tiere wurden aber nicht nur zum Nutzen der Menschen getötet, sondern auch weil sie für Überflutungen und forstwirtschaftliche Schäden verantwortlich waren. Als Friedrich II. im Jahr 1765 eine Trockenlegung von Landschaften und Moorgebieten plante, war es so- gar der nicht jagdberechtigten Bevölkerung gestattet, Jagd auf Biber zu machen. Zur glei- chen Zeit wurde der Biber als „Forstschädling“ eingestuft, dies galt neben dem Irrglauben, Biber seien Fischfresser, als weiterer Verfolgungsgrund. Außerdem begannen die Men- schen durch Begradigungen von Flüssen und Trockenlegungen von Mooren erheblich in die Lebensräume der Tiere einzugreifen (vgl. ZAHNER et al., 2009, 105). Anfangs repräsentierte sich die Biberjagd als Nutzjagd, die eher dem Handwerk gleichge- stellt wurde. Erst als sich die Population schon stark reduzierte, weckte der Biber Interesse bei Vergnügungsjägern. Damalige Jagdmethoden beschränkten sich hauptsächlich auf Fallen, Fangeisen, Schlingen, Netze, Speere und Dreizack (vgl. ZAHNER et al., 2009, 106). 1.3.2 Wiederansiedlung und aktuelle Verbreitung in Europa Im 20. Jahrhundert kam es dann in Europa zur Wiederansiedlung und Unterschutzstellung der Biber. Die ersten Freilassungen erfolgten bereits um 1920 in Russland, Lettland, Schweden und Norwegen, in Mitteleuropa um 1960. Auch heute noch werden die Tiere wieder angesiedelt. Die heutzutage wichtigsten Gründe, den Biber wieder heimisch wer- den zu lassen, sind die Förderung der Artenvielfalt und die Wiederherstellung der von Bi- bern gestalteten Lebensräume (vgl. ZAHNER et al., 2009, 107). 17
Einleitung und Stand des Wissens 1.3.3 Aktuelle Verbreitung in Österreich Vor der Wiederansiedlung des Bibers wurde der letzte 1869 gesichtet. Nach anfänglichen Schwierigkeiten aufgrund des geringen Wachstums und einigen Versuchen, die Popula- tion wieder vermehrt zu verbreiten, gelang es, die Biber in Österreich wieder heimisch zu machen. Mittlerweile sind Biber in allen Bundesländern Österreichs zu finden, am meisten jedoch in Ober- und Niederösterreich entlang den Flüssen Donau, March, Thaya und Inn. Aufgrund ihrer territorialen Lebensweise verbreiteten sie sich von dort aus auf Neben- flüsse und Bäche aus, dies hatte somit eine steigende Populationszahl zur Folge. Außer- dem wurde der Bestand zusätzlich erhöht durch die Einwanderung von Ungarn ins Bur- genland und von Bayern nach Tirol (vgl. HAGENSTEIN, Winterausgabe Natur & Land, 2015). 1.3.4 Rechtliches Der Biber unterliegt in den meisten europäischen Staaten, in denen er heute wieder vor- kommt, einem strengen Schutz, welcher von der EU in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie versiegelt ist. Die Berner Konvention beinhaltet unter anderem auch diese Richtlinie und ist ein Vertrag zum Schutz der europäischen Wildtiere und –pflanzen und ihrer natürlichen Lebensräume. Dieser Schutz besagt ebenfalls, den Biber nicht nur zu schützen, sondern ihn und seine Lebensräume aktiv zu sichern und zu fördern. Dies kann beispielsweise im Rahmen von Natura 2000-Gebieten passieren. In Ländern mit hohen Biberpopulationen gibt es diesbezüglich Ausnahmen. Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie drückt die Erhaltung und die Wiederherstellung der bi- ologischen Vielfalt aus. Außerdem ist der Besitz, der Handel beziehungsweise der Aus- tausch sowie das Angebot zum Verkauf von Exemplaren aus der Natur durch die EU-Staa- ten untersagt. In Österreich unterliegen Biber, je nach Bundesland, dem Naturschutz oder, historisch bedingt, dem Jagdrecht. Es gelten aber auch dort die gleichen strengen europä- ischen Schutzvorschriften. Auch hier werden Ausnahmen nur im Zuge einer Einzelfallprü- fung genehmigt (vgl. ZAHNER et al., 2009, 117). 18
Einleitung und Stand des Wissens Um Biberkonflikte vermeidbar zu machen, haben einige Bundesländer wie zum Beispiel Oberösterreich spezielle Gesetze für das Biber-Management entwickelt. Liegen aufgrund von Biberdämmen erhebliche Schäden vor, kann eine Ausnahmeregelung genehmigt wer- den (Ansuchen bei der Naturschutzbehörde). Diese Ausnahme ist nur umsetzbar, wenn keine andere Lösung gefunden werden kann und die Biberpopulation und deren Erhalt dadurch nicht beeinträchtigt werden kann. Drohen Gefahren durch die Stautätigkeiten des Bibers wie Hochwasserschäden in besiedelten Gebieten, können nach fachlicher Be- gutachtung durch die Bibermanagerin rasch Maßnahmen eingeleitet werden. Gleichzeitig muss jedoch die Naturschutzbehörde verständigt werden. Besteht erhöhte Gefahr durch die Grabungstätigkeiten und drohen beispielsweise Einbrü- che in Ufernähe, so ist unverzüglich eine Bibermanagerin / ein Bibermanager zu informie- ren. Kann man bei der Einbruchsstelle erkennen, dass es sich bloß um einen unbewohnten Bau oder Röhre handelt, kann dieser sofort verfüllt werden. 1.3.5 Biberkonflikte Aufgrund der Lebensweise und Tätigkeit des Bibers kann es immer wieder zu Konfliktsitu- ationen zwischen dem Tier und verschiedenen Interessensgruppen, wie in der Land-, Forst- und Teichwirtschaft, kommen. Angefangen von umstürzenden Bäumen bis hin zur Gefährdung des Eigentums in besiedelten Gebieten. Heutzutage werden Flächen, welche sich unmittelbar neben Gewässern befinden, bis an den Uferrand bewirtschaftet. Es zeigt sich, dass dahinter sehr viel Konfliktpotenzial steckt, da bei der menschlichen Nutzung keine Lebensräume, wie für den Biber, berücksichtigt werden. Die meisten Probleme kann man daher in einem 10 Meter breiten Streifen entlang des Gewässers feststellen. Denn aufgrund ihrer Verhaltensweise begrenzen Biber ihre Aktivitäten auf einen relativ schma- len Streifen entlang des Gewässers. Nicht selten passiert es, dass es zu Einbrüchen von Untergrabungen kommt. Speziell in der Landwirtschaft mit schweren Zugmaschinen be- steht erhöhte Gefahr. Auch Personenschäden können in geraumer Zukunft zunehmen. 19
Einleitung und Stand des Wissens Durch eine steigende Population werden immer mehr kleinere Gewässer und Gräben be- siedelt. Durch Dämme werden diese besagten Gewässer und Gräben erst bewohnbar, da ansonsten das Wasser für den Biber zu seicht wäre. Auch in der Landwirtschaft werden teilweise durch Biberdämme die landwirtschaftlich ge- nutzten Flächen uninteressant, da auf überfluteten und durchnässten Flächen die Nutzung unmöglich erscheint. Die Gefährdung geht bis hin zu Unterbauen von Wegen, Straßen und Bahngleisen. Infolge von erhöhten Wasserständen drohen durchnässte Ufer zu brechen. Zudem kommt es zu einem erschwerten Wasserabfluss, da der Rückstau des Biberdamms keinen Abfluss ermöglicht. Die bereits erwähnte Stautätigkeit kann auch für den Landwirt folgenschwere Auswirkungen haben. Wenn Dämme in Reichweite von Entwässerungska- nälen errichtet werden, kann es zu Überflutungen auf benachbarten Flächen kommen. Ein Rückgang der Gewinne sowie Komplikationen im Anbau- und Ernteprozess sind somit nicht ausgeschlossen. Durch die nicht ausreichende Wasserzufuhr muss auch die Funktio- nalität von Systemen, wie bei Kläranlagen oder Fischteichen hinterfragt werden (vgl. Camaro-D Broschüre, 2019, 19). Es ist zwar eine falsche Behauptung, dass Biber Fische fressen, dennoch können sie Fische stören, indem sie mit ihren Aktivitäten Fischzuchtanlagen in ihrer Winterruhe beeinträch- tigen. Aus Sicht des Naturschutzes werden der Biber und seine Fähigkeit zur Landschafts- gestaltung äußerst positiv bewertet. Jedoch müssen auch jene negativen Aspekte be- leuchtet werden, welche in Bezug auf landwirtschaftliche Kulturflächen entstehen. Wenn im Bereich der Landwirtschaft die Möglichkeit einer freien Futtermittelwahl besteht, wer- den vorhandene Feldfrüchte vom Biber klar bevorzugt. Privilegierte Feldfrüchte wären beispielsweise Zuckerrüben, Mais, Getreide und Raps. Jedoch liegt der entstandene wirt- schaftliche Schaden meist nur unter 100€. Das liegt möglicherweise daran, dass der Biber nur das erntet, was er auch tatsächlich zu sich nimmt. Durch sein territoriales Verhalten sind Reviere auch begrenzt, was bedeutet, dass keine höheren Summen an Schäden mög- lich wären, da die Anzahl der Biber in einem Acker begrenzt ist. Dabei ist zu beachten, dass die möglich auftretenden Begleiterscheinungen meist viel gravierendere Auswirkungen haben. Häufig vom Biber genutzte Äcker werden schnell für Grabaktivitäten umfunktio- niert oder als Entwässerungsgräben als Anlage für Dämme genutzt. 20
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