Bibliometrische Standardberichte für wissenschaftliche Einrichtungen und deren Einsatz an Bibliotheken
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Stahlschmidt | Donner | Jahn FACHBEITRÄGE 269 Bibliometrische Standardberichte für wissenschaftliche Einrichtungen und deren Einsatz an Bibliotheken Stephan Stahlschmidt, Paul Donner, Najko Jahn Stahlschmidt | Donner | Jahn Einleitung ❱ Ob bei strategischen Forschungsplanung oder der Leitungen von Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen verorten Open-Access-Transformation, Universitätsbibliothe- bibliometrische Expertise in Bibliotheken. Bibliometrische Kennzahlen der ken stehen unter verstärktem Druck bibliometrische eigenen Einrichtung sind allerdings aufgrund nicht-standardisierter Adress- und Einrichtungsangaben schwer zu erheben. Damit sich die Ergebnisse sinn- Kompetenzen und Erkenntnisse in die Beratungspro- voll interpretieren lassen, müssen sie zudem mit Vergleichsgruppen bezüg- zesse ihrer Hochschulen einzubringen. Insbesondere lich Disziplinen und wissenschaftlichen Einrichtungen abgeglichen werden. Hochschulleitungen möchten verstärkt auf bibliome- trische Expertise an ihren Einrichtungen zurückgrei- Im Beitrag werden die Bibliometrischen Standardberichte für wissenschaft- fen, um beispielsweise die Entwicklung der Zusam- liche Einrichtungen des Kompetenzzentrums Bibliometrie vorgestellt. Das Kompetenzzentrum bereitet die Web of Science (oder alternativ Scopus) menarbeit mit bundesdeutschen und internationalen Datenbank für die Analyse deutscher Wissenschaftseinrichtungen auf. Auf Partnereinrichtungen oder die Wirksamkeit von For- Basis dieser qualitätsgesicherten Datenbasis geben die Bibliometrischen schungsaktivitäten in einem Forschungsfeld datenge- Standardberichte einen Einblick in das Publikationsverhalten einer stützt zu erheben. Dabei verorten Hochschulleitungen Universität und die Rezeption dieser Publikationen durch die nationale und häufig entsprechende Expertise und Services in ihren internationale Wissenschaftsgemeinde. Zudem stellen die Berichte die Bibliotheken. Jedoch fehlt es vielen Bibliotheken an Vernetzung der eigenen Einrichtung mit der nationalen und internationalen Kompetenzen und Zugriff auf geeignete Berichtsinstru Wissenschaftsgemeinde mittels bibliometrischer Indikatoren dar. mente, um schnell und belastbar Auskunft zu geben. Am Beispiel der Universität Göttingen wird dargestellt, wie Bibliotheken die Die Bibliometrie steht damit als Geschäftsfeld hoch Bibliometrischen Standardberichte des Kompetenzzentrums zielgerichtet ein- auf der Agenda von Bibliotheken (Ball & Tunger, 2005). setzen können. Sie werden innerhalb der Bibliothek sowie bei Beratungen mit Während traditionell die Beratung über die Benut- der Hochschulleitung und ihrer Administration genutzt. Als besonders wert- zung bibliometrischer Datenbanken wie dem Web of voll haben sich bibliometrische Vergleichsindikatoren erwiesen, mit denen Science oder Scopus dominierten, stehen verstärkt die Stellung der Universität in der deutschen Hochschullandschaft und inter- wissenschaftspolitische Fragen im Mittelpunkt. Hier national erfahrbar wird. kommt es stark darauf an, einrichtungsspezifische Analysen durchzuführen, mit denen ein sinnvoller Bezug zu einer Vergleichsgruppe möglich ist. Dabei stehen Bibliotheken vor einer doppelten Herausfor- verantwortungsbewusst eingesetzt wird (Hicks et al., derung: Zunächst sind die analytischen Möglichkei- 2015). Herausforderungen liegen dabei insbesondere ten der webbasierten Bibliometriedatenbanken nur bei der Identifizierung der Publikationsaktivitäten der bedingt für institutionsspezifische Analysen geeignet. eigenen Einrichtungen, die sich aufgrund nicht-stan- Darauf aufbauende Analytics-Services wie InCites dardisierter Adress- und Einrichtungsangaben schwer oder SciVal, die solche Erhebungen unterstützen, sind erheben lassen. Damit sich die Ergebnisse sinnvoll in- dagegen häufig sehr kostspielig und finden daher terpretieren lassen, müssen sie zudem mit Vergleichs- nicht überall Anwendung. Zudem benötigen Bibliothe- gruppen bezüglich Disziplinen und wissenschaftlichen ken kompetentes Personal, um eigenständig biblio- Einrichtungen abgeglichen werden. metrische Untersuchungen durchführen zu können. Im Beitrag stellen wir die Bibliometrischen Standard- Insbesondere die uninformierte Verwendung biblio- berichte des Kompetenzzentrums Bibliometrie vor, in metrischer Methoden und Kennzahlen im Kontext der denen Entwicklung und Wirksamkeit von Publikations- Wissenschaftsevaluation führte zu einer gestiegenen aktivitäten einer Einrichtung quantitativ beschrieben Erwartungshaltung seitens der Wissenschaft, dass die sind. Am Beispiel der Universität Göttingen wird dar- Bibliometrie in Beratungskontexten professionell und gestellt, wie Bibliotheken die Bibliometrischen Stan- www.b-i-t-online.de 24 (2021) Nr. 3 online Bibliothek. Information. Technologie.
270 FACHBEITRÄGE Stahlschmidt | Donner | Jahn dardberichte des Kompetenzzentrums zielgerichtet heitlichungen in manchen Bereichen für die inten- einsetzen können. Die Niedersächsische Staats- und dierte Anwendung nicht ausreichend korrekt, de- Universitätsbibliothek (SUB Göttingen) beauftragt tailliert oder umfangreich sind, werden intern auch jährlich die Berichte. Sie werden innerhalb der Biblio- eigene Bereinigungsarbeiten durchgeführt. An erster thek sowie bei Beratungen mit der Hochschulleitung Stelle ist eine komplette Disambiguierung deutscher und ihrer Administration genutzt. Institutionendaten zu nennen. Die sehr heterogenen Schreibvarianten der Einrichtungen deutscher For- Kompetenzzentrum Bibliometrie scher werden mittels eines umfangreichen Musterka- Das Kompetenzzentrum Bibliometrie für Deutschland talogs auf eindeutig identifizierte Standarddatensätze (KB)1 ist ein durch das BMBF geförderter Zusammen- vereinheitlicht, inklusive Zuordnung der Einrichtun- schluss von unterschiedlichen deutschen Forschungs- gen zu Forschungssektoren und einer Historisie- einrichtungen, die in explorativer und evaluativer rung um z.B. Einrichtungzusammenschlüsse korrekt Bibliometrie aktiv sind. Das KB ist keine selbststän- in Auswertungen abbilden zu können (Winterhager, dige Einrichtung, sondern ein netzwerkartiges Kon- Schwechheimer, & Rimmert, 2014). Dass ein solcher sortium, in welcher eine gemeinsam genutzte Infra Aufwand lohnt bzw. gegenwärtig unverzichtbar ist, struktur für bibliometrische Forschung betrieben konnte in Donner, Rimmert, van Eck (2020) gezeigt wird2. Die Forschung mit den Daten findet bei den werden. Weitere Bereinigungen umfassen die Ver- einzelnen Partnereinrichtungen statt, welche auch einheitlichung von Zeitschriftentiteln, Verlagen und bibliometrische Dienstleistungen auf Grundlage der Forschungsförderern sowie eine selbst entwickelte KB-Infrastruktur anbieten. In seiner Arbeit wird das Zitationsprozessierung (Olensky, Schmidt, van Kompetenzzentrum von einem wissenschaftlichen Eck, 2015). Daneben werden die bibliometrischen Beirat beraten und unterstützt. Vom BMBF seit 2008 Daten auch durch Einbindung externer Daten ange- gefördert, lizenziert das KB die Rohdaten der Anbieter reichert, beispielsweise Daten zum Open Access- bibliometrischer Datenbanken (zurzeit Web of Science Status von Veröffentlichungen. Die Schemas der re- und Scopus) und bereitet diese flexibel für Forschung lationalen Datenbanken sind an die Anforderungen jenseits der Webplattformen der Anbieter auf. Diese bibliometrischer Abfragen angepasst und enthalten Aufbereitung umfasst das jährliche Laden in statische bereits vorberechnete Standardindikatoren. relationale Datenbanken und das spätere Archivieren dieser Datenbanken, was eine Reproduzierbarkeit und KB Standardberichte im Datenbankvergleich Replikation von Ergebnissen Bibliometrische Daten und Analysen unterstützen nach wissenschaftlichen Anforderungen erlaubt. Evaluationen, strategische Forschungsplanung, Qua- Während eine Öffnung der KB-Daten innerhalb der litätsmanagement und Berichtspflichten wissen- zugangsbeschränkten und gesicherten Infrastruktur schaftlicher Einrichtungen und Hochschulen. Die KB- aufgrund der Lizenzierungsbedingungen aktuell nicht Partner Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wis- umgesetzt werden kann, konnte in der Vergangenheit senschaftsforschung (DZHW) und Forschungszent- eine Nutzung der WoS-Daten durch Forschungspro- rum Jülich (FZJ) erstellen dafür im Auftrag des Kom- jekte der BMBF-Förderlinie Quantitative Wissen- petenzzentrum Bibliometrie standardisierte Analysen schaftsforschung3 über eine zusätzliche Vereinba- (KB Standardbericht)4, welche über die wichtigsten rung ermöglicht werden. Dieser erfolgreiche Ansatz bibliometrischen Kennzahlen einer Forschungsein- kann dabei auch als Modell für künftige Förderpro- richtung informieren. Der Bericht stellt damit einen gramme dienen und die Forschung zur Bibliometrie Einstieg in bibliometrische Analysen dar, bzw. dient entsprechend unterstützen. als Monitoring-Instrument wichtiger Kerngrößen. Die Tätigkeiten des KB erschöpfen sich nicht im Be- Spezifische Einzelfragen aus dem lokalen Kontext reitstellen der Daten. Aufgrund einschlägiger Erfah- der jeweiligen Einrichtung können bei Bedarf in ge- rung mit den Rohdaten werden diese mit beträcht- sonderten Analysen untersucht werden. Im Vergleich lichem Aufwand einer Qualitätsprüfung unterzogen zu diesen maßgeschneiderten Analysen kann der KB und gefundene Unstimmigkeiten mit den Anbietern Standardbericht durch ein automatisiertes Verfah- rückgekoppelt. Da die anbieterseitigen Datenverein- ren relativ kostengünstig und zeitnah bereitgestellt 1 https://bibliometrie.info/ 2 Siehe auch die KB Organisation unter https://bibliometrie.info/index.php?id=organisation 3 https://www.wihoforschung.de/de/quantitative-wissenschaftsforschung-1574.php 4 Ein Muster steht auf der KB Website zur Ansicht bereit: https://bibliometrie.info/index.php?id=standardbericht online Bibliothek. Information. Technologie. 24 (2021) Nr. 3 www.b-i-t-online.de
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272 FACHBEITRÄGE Stahlschmidt | Donner | Jahn rative Wissensproduktion, das Publikationsverhalten und die Rezeption dieser Publikationen durch die nationale und internationale scientific community. Hierfür werden in wissenschaftlichen Fachzeitschrif- ten publizierte Beiträge ausgewertet und Angaben ta- bellarisch und graphisch aufbereitet. Unterstützt wird die Auswertung der Angaben durch, da automatisiert erstellt, generische Interpretationshilfen in Textform und einen Anhang zur Methodik. Die jährliche Anzahl indexierter Publikationen der analysierten Forschungseinrichtung steht zu Anfang des Berichtes und dient der Abschätzung der Produk- Abbildung 1: Anzahl indexierter Publikationen einer musterhaften deutschen tivität der Institution. Sie ist dabei maßgeblich von Forschungseinrichtung der Größe der Einrichtung beeinflusst und muss ent- sprechend kontextualisiert werden. Die Zuordnung werden. Aktualisierungen erfolgen einmal jährlich im erfolgt dabei auf Basis der Adressangaben der Auto- September unter Einbezug der Daten des Vorjahres. ren und anschließenden Adressenaufbereitung durch Basierend auf der oben beschriebenen Institutionen- das Kompetenzzentrum Bibliometrie. Die Anzahl pro kodierung ist der Bericht für alle öffentlichen deut- Jahr wird dabei ganzzahlig und fraktioniert dargestellt schen Forschungseinrichtungen und eine Vielzahl (Abbildung 1). privatwirtschaftlicher Einrichtungen erstellbar. Während eine ganzzahlige Zählweise aufzeigt, an wie Alle Analysen basieren auf Daten aus der eigens auf- vielen Publikationen die untersuchte Forschungs- bereiteten, qualitätsgesicherten KB Inhouse Datenin- einrichtung beteiligt war, gibt die fraktionierte Zähl- frastruktur. Der Bericht kann dabei entweder auf der weise eine Abschätzung des Anteils der betreffenden Datenbank Web of Science (Clarivate Analytics) oder Institution an diesen Arbeiten unter Beachtung von Scopus (Elsevier) basieren. Diese Datenbanken verfü- Koautorenschaft wieder. Insbesondere ist ein gene- gen insbesondere in den Naturwissenschaften und in reller Anstieg kollaborativer Arbeitsformen in der Wis- der Medizin über eine sehr gute Abdeckung der Lite- sensproduktion zu beobachten, der in Konsequenz ratur, während ein wesentlicher Anteil an Arbeiten in zu einem Anstieg in der ganzzahligen Zählung führt. den Sozial- und Geisteswissenschaften in der Daten- Zusätzlich indexieren auch die Datenbankanbieter bank fehlt. Speziell nicht englischsprachige Arbeiten jedes Jahr neue Fachzeitschriften, was wiederum sind nur selektiv berücksichtigt. Auch Fachbücher die Vergleichbarkeit über die Zeit einschränkt. Um und Konferenzbeiträge können aufgrund unvollstän- daher das gemessene, absolute Wachstum auch kri- diger Indexierung bisher nicht umfassend in die Ana- tisch interpretieren zu können, wird das generelle lyse einbezogen werden. Nichtsdestotrotz stellen die Datenbankwachstum im Untersuchungszeitraum als Datenbanken die weltweit größten und bekanntesten Vergleichsperspektive aufgezeigt. Ebenfalls wird das Publikations- und Zitationsdatenbanken dar. Alterna- Publikationswachstum des Sektors und der selbst tive Datenquellen, wie beispielsweise vollständig of- gewählten Peer-Gruppe dargestellt und bietet weitere fene Daten von Crossref, verfügen aktuell über keine Ankerpunkte zur interpretativen Einordnung absolu- äquivalente, wenn auch ansteigende Datenqualität. ter Zuwächse im Publikationsoutput der untersuchten Der KB Standardbericht liefert Informationen zu den Forschungseinrichtung. Bereichen Publikationen, Fachgebiete, Kooperationen Der Publikationsoutput einer Einrichtung unterschei- und Impact und setzt die Kennzahlen in einen Ver- det sich dabei im jeweiligen Disziplinenprofil, da gleich zum jeweiligen Wissenschaftssektor, als auch Publikationskulturen (und Zitationskulturen) nach optional in Vergleich mit einer innerhalb der KB Insti- Disziplinen divergieren. Auch wirkt sich die fehlende tutionenkodierung frei wählbaren Peer-Gruppe weite- Abdeckung in den Geisteswissenschaften für eine rer Institutionen. Der Bericht gibt über einen mehrjäh- entsprechend aufgestellte Einrichtung aus. Im Stan- rigen Zeitraum einen quantitativen Überblick über die dardbericht wird daher eine Einteilung der Publikati- publizierten Forschungsergebnisse der Einrichtung onen in sechs große wissenschaftliche Fachgebiete (und Vergleichsgruppen) und ermöglicht somit einen (OECD FoS Fields) als auch 41 Disziplinen (OECD FoS Zeit-, als auch Gruppenvergleich. Disciplines) vorgenommen. Dadurch erlaubt er Aus- Der Bericht gibt somit für eine frei wählbare deutsche sagen beispielsweise zu fachgebietsspezifischem Forschungseinrichtung einen Einblick in die kollabo- Wachstum (Abbildung 2) oder dem fächerbasierten online Bibliothek. Information. Technologie. 24 (2021) Nr. 3 www.b-i-t-online.de
Stahlschmidt | Donner | Jahn FACHBEITRÄGE 273 Abbildung 2: Relatives Wachstum bezogen auf das Basisjahr 2007 ei ner musterhaften deut schen Forschungsein richtung (2007=100%) nach den OECD Fach gebieten Agricultural Sciences (Agri. Sci.), Humanities (Hum.), Natural Sciences (Nat. Sci.), Engineering and Technology (Engin. & Tech.), Medical and Health Sciences (Med. & H. Sci.) und Social Sciences (Soc. Sci.). Forschungsprofil der jeweiligen Einrichtung. Anzahlen der entsprechenden Publikationen nach Graphisch wird auch die Anzahl Publikationen nach Kooperationstyp dargestellt und zur Einordnung des den 41 Disziplinen aufgezeigt und ermöglicht Aussa- Wachstums auch die entsprechenden Werte des Sek- gen zum disziplinären Profil. Dies ist wiederum auch tors, der Peer-Gruppe und der Datenbank berichtet. durch das Datenbankwachstum in einzelnen Fach- Hierbei wird auch nach Kooperationsländern und Sek- gebieten beeinflusst, sodass die fachgebietsspezifi- torenkooperation innerhalb Deutschlands unterschie- schen Wachstumsraten des Sektors, der Peer-Gruppe den, um die internationale und nationale Vernetzung als auch der Datenbank eine kontextualisierte Einord- genauer analysieren zu können. Kooperationsländer nung des aufgezeigten Wachstums ermöglichen. werden dabei nach dem Anteil der analysierten For- Eine kollaborative Arbeitsweise ist heute in vielen, schungseinrichtung, dem Sektor, der selbst gewähl- insbesondere naturwissenschaftlich geprägten Dis- ten Peer-Gruppe und der gesamten Datenbank un- ziplinen mit ihrem hohen Grad der Spezialisierung terschieden, um die Ausrichtung der Kooperationen üblich und verbreitet sich auch zunehmend in den aufzuzeigen. Deutsche Einrichtungen verfügen dabei Sozialwissenschaften. Kooperationen werden bib- meist über überdurchschnittlich ausgeprägte Koope- liometrisch durch Koautorenschaft ermittelt und er- rationsbeziehungen zu angrenzenden Staaten, dabei möglichen einen Einblick in die Vernetzung der For- insbesondere zur Schweiz und Österreich aufgrund schungseinrichtung mit der nationalen und internati- der auch sprachlichen Nähe. Diese Fokussierung auf onalen Wissenschaftsgemeinschaft als Grundlage für Nachbarn zeigt mögliche Barrieren in internationa- die Wissensproduktion. Bibliometrische Kooperati- len Kooperationsbeziehungen auf und verdeutlicht onsindikatoren können jedoch nur als Approximation vielleicht auch bisher nicht vollständig erschöpfte der Kooperationsintensitivität verstanden werden, da Potentiale. Insbesondere das lokale Wissen über die nicht jede Form der wissenschaftlichen Zusammen- eigenen Strukturen kann mit den berichteten Zahlen arbeit zu gemeinsamen Publikationen führt und nicht in Zusammenhang gebracht werden, um mögliche jede gemeinsame Publikation Ausdruck einer Zusam- Konzentrationen in den Kooperationsbeziehungen, in menarbeit ist. Tabelle 1 beispielsweise Russland, zu erkennen und Im Standardbericht werden Kooperationen der ana- handlungsweisend nutzen zu können. lysierten Forschungseinrichtung gemäß dem Sitz der Abschließend bietet der Standardbericht eine Zitati- beteiligten Institutionen in drei Klassen eingeteilt: onsanalyse der analysierten Forschungseinrichtung, • International: Die Publikation wurde in Kooperation um neben der (kooperativen) Produktion neuer wis- mit ausländischen und gegebenenfalls nationalen senschaftlicher Erkenntnis und deren Dissemination Partnerinstitutionen erstellt. als Publikation auch den entstehenden Impact im • N ational: Eine Publikation beruht ausschließlich auf globalen Wissenschaftssystem zu approximieren. nationaler Kooperation. Der Impact einer Publikation bezeichnet hierbei die • O hne: Eine Publikation wurde ohne Kooperation Wahrnehmung und Nachnutzung der präsentierten allein von Autoren einer Einrichtung erstellt. Inhalte durch die scientific community. In der Biblio- Neben einer prozentual anteiligen Darstellung im metrie werden dafür Zitierungen der betreffenden Pu- Zeitverlauf (Abbildung 3) werden auch die absoluten blikationen durch wissenschaftliche Beiträge Dritter www.b-i-t-online.de 24 (2021) Nr. 3 online Bibliothek. Information. Technologie.
274 FACHBEITRÄGE Stahlschmidt | Donner | Jahn Abbildung 3: Prozentuale Verteilung der Publikationen nach Typ der Kooperation einer muster haften deutschen Forschungs einrichtung erhoben und ausgewertet. Diesem Vorgehen liegt die Anteil noch nicht zitierter Publikationen dar. Gezählt Prämisse zugrunde, dass relevante Forschungsbei- werden diese Publikationen in einem dreijährigen Zi- träge häufiger zitiert werden und eine geringere For- tationsfenster nach dem Publikationsdatum, um der schungsrelevanz mit einer niedrigeren Zitierhäufig- zeitverzögerten Nachnutzung Rechnung zu tragen. keit einhergeht. Trotz dieses Zusammenhangs kann Da diese Indikatoren bereits auf die Datenbank nor- der Impact nicht als unmittelbares und abschließen- miert sind und ein MNCS über 1, bzw. ein HC Wert des Maß der Forschungsqualität interpretiert wer- über 10% eine im Datenbankvergleich überdurch- den, sondern berichtet über die innerwissenschaft- schnittlichen Impact darstellen, ermöglicht ein zu- liche Resonanz in der international stark vernetzten sätzlicher Vergleich mit dem Sektor und der Peer- (Grundlagen-)Forschung. Der Impact weiterer wis- Gruppe eine genauere Einordnung des gemessenen senschaftlicher Outputs, als auch der entstehende Impacts. Insbesondere erfährt das deutsche Wis- Impact in weiteren Bereichen, wie Anwendungsfor- senschaftssystem im globalen Datenbankvergleich schung, lokaler Forschung oder (sozialer) Innovation einen überdurchschnittlichen Impact, sodass der in ist in entsprechenden Zitationsanalysen naturgemäß den Indikatoren angelegte Datenbankvergleich we- weniger stark abgebildet. Der innerwissenschaftliche niger handlungsleitend erscheint, als sie ein inner- Impact stellt jedoch auch für diese Bereiche eine deutscher Vergleich mit einer eigens gewählten Peer- Grundvoraussetzung dar. Gruppe darstellt. Wie auch bei der tabellarischen Dar- Da sich unterschiedliche Zitationskulturen (und Publi- stellung der Publikationen bietet der KB Standardbe- kationskulturen) unter den Disziplinen herausgebildet richt hierfür auch eine Darstellung in Perzentilen, die haben, werden die erhaltenen Zitierungen einer Pub- aufzeigen wie viel Prozent der jeweiligen Vergleichs- likation auf die Disziplin und Jahr normiert und somit gruppe einen geringeren Impact als die analysierte auch eine vergleichende Analyse von Forschungsein- Forschungseinrichtung ausgewiesen haben. richtungen mit einem heterogenen Disziplinenpro- Wie auch die Publikationstätigkeit variiert der Impact fil ermöglicht. Hierfür stellt der KB Standardbericht einer Forschungseinrichtung in den jeweiligen Diszi- die durchschnittliche feldnormalisierte Zitationsrate plinen. Auf Nachfrage einer Forschungseinrichtung (Englische Abkürzung: MNCS), die Anteile an den wurde daher zusätzlich eine graphische Darstellung hochzitierten (HC, oder auch PP(TOP10%)) und den des Anteils hochzitierter Publikationen nach den Tabelle 1: Kooperationsländer einer musterhaften deutschen Forschungseinrichtung im Zeitraum 2007–2018 geordnet nach Publikationsaufkommen online Bibliothek. Information. Technologie. 24 (2021) Nr. 3 www.b-i-t-online.de
Stahlschmidt | Donner | Jahn FACHBEITRÄGE 275 Abbildung 4: Anteil hochzitierter Publikationen einer musterhaften deutschen Forschungseinrichtung in den OECD FoS Disziplinen mit minde stens 30 Publikationen im jeweiligen Jahr. Disziplin-Publikationsjahr Kombinationen mit weniger als 30 Publikationen sind nicht dargestellt. OECD FoS Disciplines aufgenommen (Abbildung 4), Grundlage für den Einsatz in verschiedenen Bera- um neben publikationsstarken auch zitationsstarke tungskontexten mit der Universitätsleitung und ihrer Einheiten einer Forschungseinrichtung approximativ Verwaltung entwickelt. Die Berichte ermöglichen das zu identifizieren. Eine automatisierte Analyse von or- Nachschlagen wesentlicher Kennzahlen, welche Aus- ganisatorischen Untereinheiten, wie beispielsweise kunft geben über die Produktivität, Wirksamkeit und Fakultäten, ist aufgrund unzureichender Adress- Kooperationsbeziehungen der Georg-August Nieder- angaben nicht möglich. Geplant sind aber, auch in sächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttin- Rücksprache mit interessierten Einrichtungen, un- gen bezüglich organisationaler und disziplinärer Ver- terschiedliche Ergänzungen, welche übergreifende gleichsgruppen. Aufgrund der ausführlichen Erläute- Relevanz unter den Einrichtungen besitzen. Aufgrund rung der zugrunde liegenden Verfahren und Daten im seines Anspruchs als Standardinstrument kann der Methodenbericht kommt den KB Standardberichten Bericht jedoch nicht alle lokal relevanten Fragestel- innerhalb der Universität eine große Bedeutung zu. lungen adressieren, bzw. wird in einigen Fällen viel- Konkret werden die Berichte dem Präsidium zur Ver- leicht auch neue Fragen aufwerfen. In diesem Sinne fügung gestellt, sobald bibliometrische Expertise bei stellt er ein Werkzeug dar, welches die bibliometri- der Direktion der SUB Göttingen angefragt wird. Er- sche Analyse einer Forschungseinrichtung einleitend gänzt werden sie um ein zweiseitiges Executive Sum- strukturieren kann (oder einem grundständigen Mo- mary, das die bibliometrischen Kennzahlen vor dem nitoring dient) und notwendigerweise die Beantwor- Hintergrund der Fragestellungen des Präsidiums auf- tung sich anschließender Fragen an nachfolgende bereitet, und eine SWOT-Analyse, die die Ergebnisse Analyse dirigiert, bzw. eine partikulär tiefergehende einordnet. Der KB Standardbericht und das Begleit- Analyse motiviert. material bilden die Grundlage für eine Konsultation zwischen Direktion der SUB Göttingen und Präsidium. Anwendung an der SUB Göttingen Als besonders zielführend wurden insbesondere Die SUB Göttingen bezieht seit 2016 die KB Stan- Kennzahlen aufgegriffen, die die relative Stellung der dardberichte. Während sie zunächst bibliotheksin- Universität gegenüber einem organisationalen oder ternen Zwecken dienten, haben sie sich als wichtige fachlichen Vergleichsfeld veranschaulichen. Organi- www.b-i-t-online.de 24 (2021) Nr. 3 online Bibliothek. Information. Technologie.
276 FACHBEITRÄGE Stahlschmidt | Donner | Jahn sational von besonderem Interesse sind Kennzahlen Fazit zur Zusammenarbeit mit außeruniversitären For- Universitätsbibliotheken erfahren eine Zunahme der schungseinrichtungen und der Industrie. Im Ergebnis Nachfrage nach bibliometrischen Informationen sei- der Konsultation gibt es Spezifizierungswünsche, die tens der Universitätsleitung. Da der Aufbau lokaler durch eigene Analysen oder Folgeaufträge beant- bibliometrischer Kompetenzen mit hohem personel- wortet werden. Hilfreich ist hierbei, dass auf Wunsch len und finanziellen Aufwand verbunden ist und die Datenmaterialien als Supplemente durch das KB be- Bereitstellung inhaltlich anspruchsvoller und metho- reitgestellt werden, wenn die Bibliothek die bibliome- disch belastbarer bibliometrischer Studien für strate- trische Datenbank lizenziert hat. gische Planung gefordert wird, hat das Kompetenz- Ein weiteres Einsatzfeld ist die Unterstützung bei der zentrum Bibliometrie mit dem Standardbericht ein Darstellung internationaler Forschungsbeziehungen, Instrument entwickelt, das einen niedrigschwelligen die sich durch Koautorenschaften ausdrücken lassen. Einstieg in eine bibliometrisch unterstützte Aus Auch hier werden neben den absoluten auch die rela- einandersetzung mit der lokalen Forschungsleistung tiven Zahlen für die Universitätsverwaltung auf Grund- ermöglicht. Der Bericht baut auf einer qualitäts lage des Standardberichts aufbereitet. Insbesondere gesicherten und angereicherten Datenbasis auf und die relative Entwicklung der Zusammenarbeit mit wird im Austausch mit nutzenden Einrichtungen europäischen, nordamerikanischen und asiatischen schrittweise weiterentwickelt, um den Informations- Einrichtungen im Vergleich zum bundesweiten Trend bedarfen wissenschaftlicher Einrichtungen zu ent- liegt dabei im Fokus. sprechen. Die umfangreichen Zeitreihen und nach Innerhalb der SUB Göttingen werden die Berichte im Fachgebieten aufgeschlüsselten Daten können ein Kontext der datengestützten Open-Access-Transfor- Reihe von internen Fragestellungen bedienen und mation genutzt. Mit dem Open-Access-Monitor des weitere Analysen motivieren. ❙ FZ Jülich gibt es bereits ein belastbares Monitoringan- gebot, das an der SUB Göttingen umfangreich genutzt Literatur wird. Die Standardberichte des KB ermöglichen eine Ball, R.; Tunger, D. (2005). Bibliometrische Analysen – Da- ten, Fakten und Methoden: Grundwissen Bibliometrie für Einordnung der Daten des Monitors. Hierbei geht es Wissenschaftler, Wissenschaftsmanager, Forschungs- insbesondere darum, Prognosen zum Wachstum der einrichtungen und Hochschulen. Jülich: Eigenverlag der Zeitschriftenpublikationen der Angehörigen der Uni- Forschungszentrum Jülich GmbH. versität zu erweitern. Donner, P., Rimmert, C., & van Eck, N. J. (2020). Comparing institutional-level bibliometric research performance indi- Die Standardberichte sind somit eine Ergänzung der cator values based on different affiliation disambiguation grundständigen Aktivitäten der SUB Göttingen im Be- systems. Quantitative Science Studies, 1(1), 150-170. reich Datenanalysen Wissenschaftliche Information. Hicks, D., Wouters, P., Waltman, L., de Rijcke, S., & Rafols, I. Vergleichbare Analysen wären nur mit sehr großem (2015). Bibliometrics: The Leiden Manifesto for research metrics. Nature, 520(7548), 429-431. Zeit- und Personalaufwand und dem Zugriff auf Daten- Olensky, M., Schmidt, M., & van Eck, N. J. (2016). Evaluation infrastrukturen, die vergleichende Erhebungen gestat- of the citation matching algorithms of CWTS and iFQ in ten, möglich. Dadurch entsteht Raum, komplemen- comparison to the Web of Science. Journal of the Asso- ciation for Information Science and Technology, 67(10), täre Datenanalysen und -produkte innerhalb der SUB 2550-2564. Göttingen zu verfolgen. Zu ihnen zählt etwa die For- Winterhager, M., Schwechheimer, H., & Rimmert, C. (2014). schung über den Status-Quo der Adaption des Open Institutionenkodierung als Grundlage für bibliometrische Access, die Entwicklung von Data-Analytics-Tools Indikatoren. Bibliometrie – Praxis und Forschung, 3(14). oder den Aufbau und Betrieb eines hochschulweiten Publikationsmanagements als notwendige Ergänzung zu Bibliometriedatenbanken. Die Standardberichte Stephan Stahlschmidt folgen zudem professionellen Standards bezüglich Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissen- des verantwortungsbewussten Umgangs mit biblio- schaftsforschung metrischen Kennzahlen (Leiden Manifesto, DORA) und stahlschmidt@dzhw.eu stammen aus einem Kontext, in dem hauptsächlich bibliometrische Forschung betrieben wird, was beim Paul Donner Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissen- Einsatz innerhalb der Universität vertrauensfördernd schaftsforschung ist. Durch die Rückkopplung der Anforderungen und deren Aufgreifen durch das KB, war es zudem möglich, Najko Jahn als Bibliothek an der Weiterentwicklung der KB Stan- Universität Göttingen dardberichte als Bibliothek mitzuwirken. online Bibliothek. Information. Technologie. 24 (2021) Nr. 3 www.b-i-t-online.de
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