Biologische Vielfalt im Garten - Das ehemalige Kapuzinerkloster in Laufen als Beispiel
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Stadtökologie Abbildung 1 Bernhard Hoiẞ, Hannes Krauss und Peter Sturm Panorama-Bild der Biologische Vielfalt im Garten Gartenanlage des Kapuzinerhofs in Laufen (Foto: Hannes Krauss). Das ehemalige Kapuzinerkloster in Laufen als Beispiel 2021 fanden wir mehrere besondere Arten in der rund 10.000 m² großen historischen Gartenanlage des Kapuzinerhofs in Laufen. Der Klostergarten zeigt exemplarisch, welches Potenzial für eine vielfältige Flora und Fauna in vielen Gärten steckt und wie dieses durch gezielte Entwicklung verwirklicht werden kann. Wir stellen hier den Klostergarten und seine Strukturen vor, wie die verschiedenen Magerrasentypen, eine Streuobstwiese, Spalierobstreihen, einen Tümpel mit feuchter Hochstaudenflur und Kräuterbeete. 2001 fand die ANL im historischen Kapu Pappeln und Weiden leben. Die Blattkäfer dürf zinerkloster in Laufen eine neue Heimat. ten sowohl im Garten als auch in den nahen Damals wurde auch der etwa 10.000 m² Salzachauen ihr Auskommen finden. Die Falten große Garten neu konzipiert. Ziel war unter wespe kommt natürlicherweise an warmen anderem, möglichst vielen Arten hier eine Waldrändern oder in feuchten Tallagen (Fluss Heimat zu bieten. tälern) vor und braucht lehmige Böden, um Substrat für den Nestbau zu finden. Besondere Artfunde im Klostergarten Bereits 2002 – ein Jahr nach Eröffnung des Die Faltenwespe Symmorphus murarius wird Kapuzinerhofs mit seiner Klostergartenanlage wiederum von mehreren Goldwespen parasi als Fortbildungsstätte der ANL – sorgten die tiert, darunter die vom Aussterben gefährdete Nachweise von Idas-Bläuling (Plebejus idas), Goldwespe Chrysis iris (Rote Liste Bayern 1/ Zwergbläuling sowie zwei weiterer Bläulings Deutschland 2; Mandery et al. 2003). Auch die arten für die erste Überraschung. Die jüngsten se Art konnten wir an den Nisthilfen nachwei Entdeckungen machten 2021 die Teilnehmen sen. Ein Hinweis darauf, dass von ihrem Wirt, der den zweier Wildbienenkurse, als sie neben ins Faltenwespe, im Garten des Kapuzinerklosters gesamt 17 Wildbienengattungen auch mehrere und dessen Umgebung eine relativ große Popu gefährdete Hautflügler-Arten fanden. Auch eine lation existiert. In der Natur kommt die Art an in Deutschland neue Art hat sich angesiedelt. Waldrändern und auf Lichtungen vor, sie wird aber auch immer öfter in Gärten mit sonnen Die Kontrolle von Schau-Nisthilfen sorgte für exponiertem Totholz nachgewiesen (Wiesbauer eine kleine Sensation: Hier fanden die Teilneh et al. 2020). Der rund 2.600 m² umfassende menden unter anderem die gefährdete Falten historische Baumbestand im Garten scheint wespenart Symmorphus murarius (Rote Liste eine gute Grundlage für die aus mindestens Bayern 2/Deutschland 2; Weber et al. 2003). Die vier Ebenen bestehende Nahrungskette zu Weibchen dieser Falten-Wespen-Art hatten in sein (Laubbäume – [Pappel-]Blattkäfer – ihren Nestern jede Menge Larven von Blattkä Symmorphus murarius – Chrysis iris). fern eingetragen und kunstgerecht gestapelt. Eine beliebte Blattkäferart ist wohl der Pappel Das kleine Wäldchen nutzen aber offensichtlich blattkäfer (Chrysomela populi; Witt 2009), des nicht nur die Blattkäfer und die Faltenwespe sen Larven wiederum von den Blättern von S. murarius. In einem Themenbeet fanden wir ANLIEGEN NATUR 44(1), 2022 61
Hoiẞ, Krauss & Sturm: Stadtökologie Biologische Vielfalt im Garten Das Garten-Konzept Bei der Neukonzeption des Gartens wurden bereits vorhandene Grundstrukturen des ehe maligen Klostergartens erhalten und wiederher gestellt, zugleich aber auch um neue Lebens raumstrukturen ergänzt. Der Leitgedanke war, dass die Artenvielfalt von Außenanlagen umso größer ausfällt, je höher der Struktur reichtum ist. Zudem sollte es Raum geben für eine gewisse Dynamik, aber natürlich auch für den Gastronomie-Betrieb. Bei der Konzeption wurde besonders darauf geachtet, dass der Garten ein kontinuierliches Angebot für blütenbesuchende Insekten bietet: - Die ersten Blütenwellen beginnen bereits im Februar mit Schneeheide (Erica her bacea), Nieswurz (Helleborus foetidus), Abbildung 2 Schneeglöckchen (Galanthus nivalis), Originalplan zur Neugestal- an einer offenen, kiesig-sandigen Stelle eine Hohler Lerchensporn (Corydalis cava), tung des Klostergartens. kleine Nistkolonie der großen Harzbiene Krokus (Crocus vernus) und Bärlauch Die im Artikel näher (Trachusa byssina). Dort konnten wir die Tiere (Allium ursinum). beschriebenen Bereiche sind farblich markiert: beobachten, wie sie Harzklümpchen eintrugen, die vermutlich an den Douglasien im Garten - Im Frühling bilden die Blüten von 36 a) Magerrasen- gesammelt wurden. Das Harz wird – zusammen verschiedenen Obstgehölzen (alte Apfel-, Beete mit Blattstücken von einigen Laub-Gehölzen Birnen- und Zwetschgensorten mit jeweils b) Wäldchen – verwendet, um das Nest auszukleiden. Die unterschiedlicher Blüh- und Fruchtzeit) ein c) Obstspalier große Harzbiene braucht für ihren Nachwuchs erstes Optimum. Ergänzt wird dieses durch d) Streuobstwiese außerdem den Pollen von Schmetterlingsblüt die Vollblüte der Streuobstwiese und der e) Extensivwiese lern, bevorzugt vom Horn-Klee (Lotus cornicu meisten Magerrasenflächen. f) Teich latus; Westrich 2018), der in größeren Mengen g) Hecke auf einer Freifläche zu finden ist. All diese - Im Früh- und Hochsommer blühen viele h) Kräuterbeete und Bedürfnisse findet sie auf der überschaubaren Arten, wie hohe Königskerzen (Verbascum Schotterrasen Fläche im Garten des Kapuzinerklosters erfüllt. spec.), Natternkopf (Echium vulgare) oder i) Nisthilfen Nachtkerzen (Oenothera) in den Kräuter Darüber hinaus wurden während der beiden beeten oder im Ruderalpflanzenbeet. Kurse insgesamt sechs Individuen der für Gerade in dieser eher blütenarmen Zeit Deutschland neuen Pelzbienen-Art (Anthopho ergänzen blühende Gehölz- und Stauden ra crinipes) gefunden. Die Art braucht Trocken säume rund um die Süd- und Westseite standorte mit vegetationsarmen Bodenstellen des Klosters das Blütenangebot. Hier fin oder Erdabbrüchen als Nistplatz (Wiesbauer den sich hitzeresistente, wärmeliebende 2017). Der Fund war der zweite Nachweis Arten wie Herzgespann (Leonurus cardiaca), dieser Pelzbienen-Art in Deutschland nach Zitronenduftendes Johanniskraut (Hype dem Erstfund bei Passau (Hopfenmüller et ricum hircinum) mit sehr langer Blütezeit al. 2021). Sie gehört wohl zu den Gewinnern und hohem Nektar- und Pollenangebot. des Klimawandels. - Im Herbst blühen Arten wie Ästige Gras Mit dem Zwergbläuling (Cupido minimus) findet lilie (Anthericum ramosum), Berg-Aster auch die kleinste Tagfalterart Bayerns ihr Aus (Aster amellus) oder die Bunte Kronwicke kommen im Garten. Er wurde wahrscheinlich (Securigera varia). mit in den Themenbeeten gepflanzten Exempla ren seiner Raupenfutterpflanze, dem Wundklee Wichtige Elemente für einen hohen Struktur (Anthyllis vulneraria), eingeschleppt. Der Zwerg reichtum im Garten sind: bläuling ist im Alpenvorland eine sehr seltene Art, kommt jedoch auch natürlich an wenigen a. Sechs 10 × 4 m große Themenbeete: Stellen auf Hochwasserdämmen der Salzach vor. Darin wurden Sonderstandorte mit unter 62 ANLIEGEN NATUR 44(1), 2022
Hoiẞ, Krauss & Sturm: Biologische Vielfalt im Garten Stadtökologie schiedlichen Vegetationstypen geschaffen. a b Mit Kalkschotter aus den heimischen nörd lichen Kalkalpen und Soden der entspre chenden Vegetation wurde ein alpines Beet angelegt. Daneben konnte mit Granitschot ter und Vegetationssoden aus dem Bayeri schen Wald ein Themenbeet aus Urgestein mit saurem Standort erstellt werden. In drei weiteren Beeten wurden mit Hilfe nährstoff c d armer Bodensubstrate die Themen Saum standort, Halbtrockenrasen und Magerwiese umgesetzt. Das sechste Themenbeet hatte Kiesbänke der Salzach zum Vorbild. Es wur de mit Findlingen aus Nagelfluh und Salz achkies gestaltet und mit Sträuchern und ausgewählten Stauden ruderal bepflanzt. b. Ein historisches Wäldchen mit rund 2.600 m² e f Größe: Der Baumbestand hat sich über die Jahrhunderte im Zuge der Pflege durch die Mönche permanent gewandelt. Aktuell besteht er vor allem aus Rotbuche, Ahorn, Robinie, Eibe und Douglasie. Die meisten Eschen mussten aufgrund des Eschentrieb sterbens und der damit einhergehenden Unfallgefahr entfernt werden. g h+i c. Historische Obstspalier-Laubengänge: Lückige Stellen werden mit alten Obst sorten ergänzt. Alte abgestorbene Äste und Bäume im Spalier bleiben als Lebens raum so lange wie möglich erhalten. d. Eine Streuobstwiese: Die Wiese unter den Obstbäumen wurde als extensiv genutzte Flachland-Mähwiese mit zweimaliger Mahd g. Eine Hecke mit heimischen, standortgerech Abbildung 3 Die wichtigsten Strukturen im angelegt. Die zweite Blütenwelle kann ten Gehölzen, die das Lebensraummosaik Garten des Kapuzinerhofes damit gezielt in die Sommermonate verlegt vervollständigt. Aufgrund des Grundstück auf einen Blick: werden. Hier haben sich unter anderem die zuschnitts musste sie im Schatten ange a) Magerrasen-Beete Knautie sowie die spezialisierte Knautien- legt werden und ist daher vergleichsweise b) Wäldchen Sandbiene (Andrena hattorfiana) etabliert. artenarm. c) Obstspalier d) Streuobstwiese e. Eine zentral liegende, extensiv genutzte h. Neue Kräuterbeete als wichtiges Bindeglied e) Extensivwiese Wiesenfläche: Sie wird 2 Mal jährlich gemäht zur historischen Nutzung. Neben einer gro und wurde inzwischen seit gut 20 Jahren ßen Palette an mediterranen Kräutern wie f) Teich nicht mehr gedüngt. Dadurch entwickel Salbei, Berg-Bohnenkraut oder Weinraute g) Hecke te sich eine lückige Vegetationsstruktur – sind auch hohe Doldenblütler wie Garten- h) + i) Kräuterbeete mit gute Nistgelegenheiten für bodennistende Fenchel (Raupenfutterpflanzen für die hier Schotterrasen und Nisthilfen Insekten. regelmäßig zu beobachtenden Schwalben (Fotos: Hannes Krauss). schwanzraupen, Nektarpflanze für viele f. Ein großzügiger Teich mit Verlandungs [Schweb-] Fliegen, Käfer und Feldwespen) zonen und angrenzenden Feuchtflächen oder Berg-Laserkraut vertreten. Besonders mit durchaus sehenswerten Beständen von gut lassen sich an hohen Lippenblütlern Fieberklee und Schlangenknöterich. Im wie Herzgespann die auffällig gefärbten Anschluss wurden größere Bestände von Männchen der Garten-Wollbienen beob feuchten Hochstaudenfluren mit Mädesüß achten, wenn sie über ihr Blüten-Revier und Wasserdost etabliert. patrouillieren. ANLIEGEN NATUR 44(1), 2022 63
Hoiẞ, Krauss & Sturm: Stadtökologie Biologische Vielfalt im Garten i. Nisthilfen für Hymenopteren. Diese Kleinstruk Fazit turen wurden im Laufe der Jahre an der Südsei Gut 20 Jahre nach der Neugestaltung des te eines historischen Gartenhäuschens ange Gartens im Kapuzinerkloster haben sich auf bracht. Zu den einfachen Baumscheiben kamen kleiner Fläche viele Arten mit lebensfähigen verschiedene Schaunisthilfen dazu, die in Kur Populationen angesiedelt. Eine wichtige Rolle sen einfach gezeigt werden können. Durch die spielt dabei sicher die enge Verzahnung von lange Verfügbarkeit sind sie sehr gut besiedelt. arten- und blütenreichen Wald- und Offenland lebensräumen inklusive Rohbodenstandorte. Pflege Wichtig sind auch verschiedene Blütenformen Die Außenanlagen werden vor allem per Hand (Scheibenblüten, stark nektarbildende Blüten, arbeit gepflegt. Die Wiesenflächen werden ma lange Blütenröhren und so weiter), die über ximal ein- oder zweimal pro Jahr per Balken einen möglichst langen Zeitraum verfügbar mäher gemäht, die Themenbeete werden sehr sind, um ein großes Spektrum an Bestäubern spät und nur einmalig im Jahr mit der Sense ge anzusprechen. Ebenso wichtig sind Überwinte schnitten, um sicherzustellen, dass die Blüten rungsplätze für viele Tiere. Dazu braucht es pflanzen aussamen können. Angeflogener Ge „wilde Ecken“. Viele heimische Pflanzenarten hölzaufwuchs wird entfernt, um die angestrebte bieten zur richtigen Jahreszeit für viele Tierar Vegetation zu erhalten und die gewünschten ten die nötigen Ressourcen. In diesem Sinne Rohbodenstandorte offen zu halten. Viel Zeit kann der Klostergarten sicher als Anschauungs fließt in den fachgerechten Obstbaumschnitt beispiel und Referenz für andere Grünanlagen von Spaliergängen und Streuobstbestand. Der dienen. Er kann ganzjährig kostenfrei besichtigt Baumbestand wird regelmäßig von Baumgut werden. achtern besichtigt und nach Bedarf beschnitten. Totholz wird – wann immer möglich – belassen Literatur und nur bei objektiver Gefahr entfernt. Hopfenmüller, S., Hoiẞ, B., Neumayer, J. et al. (2021): Zweitnachweis von Anthophora crinipes Smith, 1854 für Deutschland (Hymenoptera, Anthophila). – Nachrichtenblatt der Bayerischen Autoren Entomologen 70(3): 128–131. Mandery, K., Bausenwein, D., Voith, J. et al. (2003): Dr. Bernhard Hoiß, Rote Liste gefährdeter Goldwespen Jahrgang 1981. (Hymenoptera: Chrysididae) Bayerns. Studium der Biologie in Regensburg. Nach Weber, K., Voith, J., Mandery, K. et al. (2003): Rote Liste gefährdeter Faltenwespen kurzer Zeit in einem Planungsbüro Promo (Hymenoptera: Vespidae) Bayerns. tion und wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Universitäten Bayreuth und Würz Westrich, P. (2018): Die Wildbienen Deutschlands. – burg zu Pflanzen-Bestäuber-Interaktionen. First Edition, Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart: 821 S. Anschließend Biodiversitätsbeauftragter an Wiesbauer, H. (2017): Wilde Bienen: Biologie – Lebens der Regierung von Schwaben. Seit 2016 an raumdynamik am Beispiel Österreich – Artenport der ANL mit den Schwerpunkten Biodiversität räts. – First Edition, Eugen Ulmer Verlag, Stuttgart: 376 S. und Öffentlichkeitsarbeit. Wiesbauer, H., Rosa, P. & Zettel, H. (2020): Die Gold Bayerische Akademie für Naturschutz wespen Mitteleuropas – Biologie – Lebensräume – Artenportäts. – First Edition, Eugen Ulmer Verlag, und Landschaftspflege (ANL) Stuttgart. +49 8682 8963-53 bernhard.hoiss@anl.bayern.de Witt, R. (2009): Wespen. – Second Edition, Oldenburg, Vademecum Verlag. Hannes Krauss, Jahrgang 1972. +49 8682 8963-58 hannes.krauss@anl.bayern.de Zitiervorschlag Hoiẞ, B., Krauss, H. & Sturm, P. (2022): Peter Sturm, Biologische Vielfalt im Garten – Das ehemalige Jahrgang 1957. Kapuzinerkloster in Laufen als Beispiel. – +49 8682 8963-56 ANLiegen Natur 44(1): 61–64, Laufen; peter.sturm@anl.bayern.de www.anl.bayern.de/publikationen. 64 ANLIEGEN NATUR 44(1), 2022
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