Biovision - Gemeinsam unterwegs gegen Malaria - Stiftung für ökologische Entwicklung

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Biovision - Gemeinsam unterwegs gegen Malaria - Stiftung für ökologische Entwicklung
Magazin Nr. 73, Dezember 2022

Biovision
Stiftung für ökologische Entwicklung

Gemeinsam unterwegs
gegen Malaria
Wie sich in Kenia Dorfbewohnerinnen
und Dorfbewohner aktiv an der Entwicklung
einer innovativen Lösung beteiligen
Biovision - Gemeinsam unterwegs gegen Malaria - Stiftung für ökologische Entwicklung
Liebe Leserin, lieber Leser
Für Dr. Margaret Mendi Njoroge, Forscherin
bei unserem Projektpartner icipe in Kenia,
gibt es keinen Zweifel: «Partizipation ist der
Weg der Zukunft.» Sie leitet ein pionier­
haftes Forschungsprojekt, unterstützt von
Biovision, in welchem ein für Afrika neu­-
artiger Ansatz zur Reduktion von potenziell
tödlichen Krankheiten wie Malaria oder
Dengue-Fieber in der Realität getestet wird.
Der Clou: Die Menschen, die von der
Lösung profitieren sollen, werden nicht nur
regelmässig informiert und um Rück­
meldungen und Inputs gebeten, sondern
auch gleich direkt in die Arbeit mitein­
bezogen. Lesen Sie in unserer Reportage
aus dem Süden Kenias, wie das funktioniert
– und wie auf diese Weise Dorfbewoh­
ner:innen und Forschende gleichermassen
profitieren.

Pionierhaft und partizipativ ist auch das
Projekt Bürger:innenrat in der Schweiz,
an dessen Planung und Durch­führung
Biovision massgeblich beteiligt war. Dabei
haben zufällig ausgewählte Menschen
aus der Schweiz gemeinsam Massnahmen
für ein Ernährungssystem mit Zukunft
erarbeitet. Nach einem halben Jahr intensiver
Auseinandersetzung mit dem Thema liegen
nun die Vorschläge zuhanden der Politik
vor. Lesen Sie auf den Seiten 8 und 9, wie
Teilnehmende den Prozess erlebt und
                                                 Gesunde Tiere –
welche Erkenntnisse sie gewonnen haben.

Auf Seite 11 schliesslich erfahren Sie,
                                                 gesunde Menschen
wie Sie selbst mit einer Prise Pioniergeist      Im südlichen Kenia wird ein neuer Ansatz zur Reduktion von Malaria
bei Ihrem Weihnachtsessen einen                  und anderen Tropenkrankheiten getestet, unter starkem Einbezug
Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten           der Dorfbevölkerung. Die ersten Erkenntnisse sind vielversprechend.
können.
                                                 Von Florian Blumer, Biovision (Text) und Al-Amin Mutunga (Bilder)
Prost! Und gute Lektüre,

                                                 Blütenweisse Sandstrände gesäumt von                 Lehmhaus, die drei Monate alte Tochter auf
                                                 Kokos­palmen, Lehmhüttensiedlungen in­               dem Schoss. Jeder Stich und jeder Biss birgt
                                                 mitten üppiger tropischer Vegetation – die           das Risiko einer Infektion. Insbesondere für
                                                 Szenerie in Kwale am südlichsten Zipfel von          Kinder und ältere Menschen stellen Tropen­
                                                 Kenia ist atemberaubend. Doch die Idylle             krankheiten wie Malaria, Rift-Valley- oder
                                                 trügt: Das Bundesland ist eine der ärmsten           Dengue-Fieber eine tödliche Gefahr dar.
                                                 Regionen des Landes. Verdienstmöglich­
                                                 keiten sind rar für die Dorfbewohner:innen,          Mehrstündiger Marsch ins Spital
               Florian Blumer
              Redaktor Biovision                 der Zugang zu Gesundheitsdiensten ist                Hinzu kommt ein ökonomisches Risiko für
                                                 beschränkt, die Fallzahlen von Malaria und           die Menschen, die derzeit mit der ausser­
                                                 anderen von Vektoren – Insekten und Zecken           gewöhnlichen Trockenheit und den gestiege­
                                                 – über­tragenen Krankheiten sind hoch.               nen Lebensmittelpreisen zu kämpfen haben.
                                                                                                      Asha Ali, 68, zum Beispiel lebt vom Mais und
                                                 «Wir werden jeden Tag gestochen», sagt               den Cassava-Wurzeln, die sie anbaut, sowie
                                                 Mariam Shee Mwabami. Sie sitzt vor ihrem             dem kargen Einkommen, das sie mit Korb-

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Biovision - Gemeinsam unterwegs gegen Malaria - Stiftung für ökologische Entwicklung
Innovative Krankheits­
                                                                                                   prävention für Mensch
                                                                                                   und Tier
                                                                                                   In den kenianischen Bundesländern Kwale
                                                                                                   im Süden sowie Busia am Viktoriasee
                                                                                                   führt die Biovision-Partnerorganisation
                                                                                                   icipe ein partizipatives Forschungsprojekt
                                                                                                   durch. Dabei wird ein neu entwickeltes
                                                                                                   Bio-Pestizid in der Anwendung auf Kühen
                                                                                                   getestet, das nachhaltig Mücken, Stech­
                                                                                                   fliegen und Zecken eliminiert, die Krank­
                                                                                                   heiten wie Malaria, Schlafkrankheit oder
                                                                                Gewusst wie:       Dengue-Fieber übertragen. Zusammen
                                                    Fatuma Suleiman Hamisi wurde instruiert,       mit weiteren Massnahmen (Integrated
                                                            wie sie die biologische Pilzlösung     Vector Management) soll so die Anste­­
                                                        mischt und ihre Kühe damit besprayt –      ckungs­gefahr für Menschen verringert
                                                                und macht es nun selbständig.
                                                                                                   werden.

                                                                                                   Wirkung
                                                                                                   •	Mehr als 450 Menschen (32 % Frauen)
flechten erwirtschaftet. Als sie letztes Jahr     anzugehen, nennt sich «One Health» – ein            in 32 Dörfern nehmen aktiv an der
an Malaria erkrankte, geriet ihr Haushalt         Ansatz, den Biovision in immer mehr Projekten       Durchführung der Studie und der
aus dem Gleichgewicht: Die Behandlung von         verfolgt.                                           Entwicklung der Lösung teil.
500 Kenianischen Schilling KES (4 Fr.) pro                                                         •	26 CORP (Forschungsassistent:innen
Tag überstieg ihr Budget, den mehrstündigen       Forschende aus dem Dorf                             aus den Dorfgemeinschaften) wurden
Weg ins Spital nahm sie zu Fuss auf sich. «Bis    Montagmorgen früh vor Mariam Shee Mwaba­            angestellt.
ich wieder zu Hause war, war der Tag um»,         mis Lehmhütte. Zwei junge Männer in beigen       •	16 Dorfoberhäupter und vier lokale
erzählt sie. «Und danach dauerte es noch          Westen mit icipe-Schriftzug und Biovision-          Regierungsvertreter wurden als aktive
mehrere Tage, bis ich wieder arbeiten konnte.»    Logo untersuchen eine Insektenfalle hinter          Unterstützer:innen gewonnen.
                                                  dem Haus. Akiba Bakari Mvumoni, 23, tropft
Eine zusätzliche Ansteckungsgefahr stellen        eine Lösung auf eine Mücke, die auf der          Projektbudget 2022
die Kühe dar, mit denen die Menschen eng          Klebfalle gefangen ist, sein Partner Majaliwa    310 618 Franken
zusammenleben, denn sie ziehen Vektoren           Bakari Zengwa, 26, löst sie vorsichtig mit
an. Genau hier setzt das Insektenforschungs­      einer Pinzette ab. Danach lässt er sie in ein
institut icipe, langjähriger Projektpartner von   Plastikfläschchen fallen, das mit Watte und
Biovision in Kenia, mit einem innovativen         einer Lösung gefüllt ist, welche die Insekten
Lösungsansatz an: Die Tiere ziehen als eine       in Sekundenschnelle tötet und konserviert.
Art Lockvogel die Insekten auf sich, wo sie
mithilfe eines neu entwickelten Bio-Pestizids     Mvumoni und Zengwa sind sogenannte CORP
eliminiert werden – zum Nutzen von Tier und       – «Community-own Resource Persons». Sie
Mensch.                                           sind dafür zuständig, die verschiedenen Fallen
                                                  aufzustellen und die Insekten zu sammeln,        Das Projekt leistet Beiträge u. a. zu folgen­
Weniger Vektoren bedeutet ein geringeres          die dann im Labor von icipe-Insekten­forscher    den UNO-Nachhaltigkeitszielen:
Ansteckungsrisiko für die Menschen. Und dass      Paul Ouma bestimmt und gezählt werden.
die Tiere gesünder sind, wirkt sich wiederum      So soll sich nach Abschluss der Studie im
positiv auf das Einkommen der Kleinbauern­        Frühling 2023 zeigen, ob das Besprühen der
familien aus. Das Prinzip, Mensch-, Tier-,        Kühe mit dem Bio-Pestizid tatsächlich zu
Pflanzen- und Umweltgesundheit in einem           einer Abnahme der Vektoren führt.

                                                                                                                                                      3
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Vierbeiniger Lockvogel:
                                                  Das Rind wird die Nacht unter dem
                                                    Netz verbringen. Seine Mission:
                                                      Insekten anziehen, die im Netz
                                                                  gefangen werden.

                               Im Labor:
               icipe-Forscher Paul Ouma
                          zählt, wie viele
                   Überträgerinsekten in
                         der Falle waren.

                         Auf Augenhöhe:
           «Intervention Attendant» Rizik
       Athuman Muaganyama befragt das               Wissenschaftlicher Mitarbeiter:
          Ehepaar Hamisi Swaleke Hamisi      Dorfbewohner Salim Athman Mwinyihaji
       und Mariam Chikuzi Athumani zum                  sammelt die Insekten ein, die
                   Besprayen ihrer Kühe.          über Nacht ins Netz gegangen sind.

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Dass die Studie von Menschen aus den Dorf­        Mücken im Frühstadium handelt – und nicht
gemeinschaften selbst – also denjenigen,          etwa, wie einige meinten, um eine andere
die von der Massnahme profitieren sollen –        Insektenart, von der kein Ansteckungsrisiko
durchgeführt wird, ist Teil eines neuen parti­    ausgehe.
zipativen Ansatzes. Das icipe wendet ihn hier
zum ersten Mal in grossem Rahmen an, wie          Pestizid ohne Nebenwirkungen
Projektleiterin Dr. Margaret Mendi Njoroge        Einen weiteren zentralen Job in der Studie
betont. Sie ist begeistert von der Reaktion der   übernehmen die sogenannten «Intervention
                                                                                                                      Dr. Margaret Mendi Njoroge,
Dorfbewohner:innen und deren Engagement           attendants»: Sie unterstützen die Viehhalter:
                                                                                                                  Projektverantwortliche beim icipe
und zieht schon jetzt den Schluss: «Partizi­      innen dabei, Kühe und Rinder korrekt zu
pative Forschung ist der Weg der Zukunft.»        besprühen. Dies geschieht mit einer pilz­
(siehe Interview rechts)                          basierten Lösung, die von einer kenianischen
                                                  Firma in Zusammenarbeit mit dem icipe            Drei Fragen an Dr. Margaret Mendi Njoroge
Einkommen und Wissen                              entwickelt und hergestellt wurde. Sie hat
Auch Salim Athman Mwinyihaji ist begeistert.      gegenüber synthetischen Pestiziden mehrere
                                                                                                   Wie sind Ihre Erfahrungen
Der 32-Jährige ist Vater zweier Kinder und        entscheidende Vorteile: Die Vektoren entwi­      mit der partizipativen
Ernährer eines siebenköpfigen Haushalts,          ckeln kaum Resistenzen, sie sind unschädlich     Forschung?
inklusive seiner Mutter und jüngeren Ver­         für Mensch, Tier und Umwelt und bieten dazu
wandten. Der Job als CORP, für den er vom         die Aussicht, die Vektorpopulationen nach­       Eng mit den Dorfgemeinschaften
Dorfoberhaupt vorschlagen wurde und den           haltig zu dezimieren (siehe Hintergrund S. 6).   zusammen­zuarbeiten bedeutete zuerst
er nach einem Bewerbungsgespräch bekam,                                                            einmal, dass wir besser kommunizieren
bedeutet ihm viel. Er erzählt, dass er ihn        Wie gut funktioniert die im Labor erfolgreiche   lernen mussten. Die involvierten Menschen
erhalten habe, obwohl er – im Gegensatz zu        Krankheits-Prophylaxe also in der Praxis?        haben noch nie in ihrem Leben Wissen­
anderen aus dem Dorf – nur die Grundschule        Margaret Mendi Njoroge ist optimistisch          schaft betrieben, dennoch erwarten
absolvieren konnte, weil zu Hause das Geld        aufgrund der bisherigen Erfahrungen im           wir von ihnen, dass sie zentrale Aufgaben
fehlte. Der Job, das betont auch seine Mutter,    Projekt, verweist aber für ein abschliessendes   in einem Forschungsprojekt ausführen.
verleiht ihm Stolz und Würde. Dazu verdient       Urteil auf die Veröffent­lichung der Resultate   Überraschenderweise tun sie das
er damit mehr als mit seinem vorigen Job          nächsten Frühling. Auch CORP Salim Athman        aber viel besser, als ich je für möglich
Motorradtaxi-Fahren.                              Mwinyihaji, ganz Wissenschaftler, sagt das­      gehalten hätte.
                                                  selbe, wenn ihn Dorfbewohner:innen danach
Ganz ähnlich klingt es beim 23-jährigen           fragen. Wer aber Bäuerinnen und Bauern           Wie profitieren die involvierten
Mohammed Rashid. Auch für ihn ist das Ein­        fragt, die ihre Tiere besprühen, bekommt         Menschen vom Projekt?
kommen durch den Assistenzjob im Projekt          eine eindeutige Antwort: Nach einigen Tagen
wichtig. Er ist Waise und baut an seinem          fallen die Zecken von den Kühen ab. Und          Zuallererst in Form von Bildung: Sie lernen,
eigenen Haus, in dem er auch schon wohnt.         der Befall beginnt auch nicht – wie beim         was es alles braucht, um eine Lösung
Das Dach besteht erst in Ansätzen, wenn es        Besprühen mit Gift – nach kurzer Zeit wieder     zu finden. Zweitens fühlen sie sich gehört.
regnet, drückt er sich in eine Ecke des Hauses,   von Neuem.                                       Das klingt vielleicht nach einem abstrakten
in die der Regen nicht hinkommt. Wie für                                                           Gewinn, aber er ist wichtig. Und schliesslich
Salim Athman Mwinyihaji ist der Job auch          Die Zuversicht ist also gross, dass das icipe-   schafft das Projekt dringend benötigte
für ihn aber noch auf einer anderen Ebene         Team hier als Forschungspioniere tatsächlich     Jobs. Ich würde diesen Punkt aber weniger
wichtig. Das wird am Community Meeting in         eine Lösung entdeckt haben, die das Leben        stark gewichten als die Bildung, weil
Zigira deutlich – einer Zusammenkunft der         der Menschen im landschaftlich paradie­          diese die Menschen mehr stärkt. Geld ist
Bewohnenden seines Dorfs mit den Projekt­         sischen Kwale County – und anderswo –            flüchtig, Wissen aber bleibt, fürs Leben.
verantwortlichen von icipe.                       nachhaltig verbessern wird.
                                                                                                   Wie blicken Sie in die
Rashid steht in einer Reihe mit den Forschen­
den und beantwortet gemeinsam mit ihnen
                                                                                                   Zukunft?
                                                   Die abschliessenden Ergebnisse des
die Fragen der Dorfbewohner:innen. Wie             Forschungsprojekts werden im Frühling           Für die Forschung ist der partizipative
funktioniert diese Falle, wie jene? Entsteht       2023 publiziert, wir werden über unsere         Ansatz schlicht der Weg der Zukunft. Dass
Malaria in den Mücken selbst oder sind sie         Kanäle informieren. Folgen Sie uns auf          die betroffenen Menschen stark einge­
nur Überträgerinnen? Die Menschen haben            LinkedIn, Instagram und Facebook,               bunden werden, wird von ihnen einerseits
viele Fragen. Projektleiterin Margaret Mendi       besuchen Sie unsere Website oder                sehr geschätzt, andererseits ist es
Njoroge sagt deshalb: «Ganz zentral im             abonnieren Sie unseren Newsletter auf           für den Erfolg einer erarbeiteten Lösung
Projekt ist der Bildungsaspekt. Wir vermit­        biovision.ch/newsletter.                        zentral. Denn sie sind es, die sie am
teln den Projektteilnehmenden elementares                                                          Schluss anwenden werden.
Wissen über durch Vektoren übertragene             Mehr Bilder und Informa­
Krank­heiten.» So hätten sie an einem Commu­       tionen zum Projekt finden
nity Meeting Dorfbewohner:innen darüber            Sie auf biovision.ch/kwale
auf­geklärt, dass es sich bei Larven um

                                                                                                                                                  5
Biovision - Gemeinsam unterwegs gegen Malaria - Stiftung für ökologische Entwicklung
Mit Pilzen gegen Insekten
    Synthetische Pestizide stellen eine Gefahr für Mensch, Tier und Umwelt dar –
    und ihre Wirkung nimmt immer mehr ab. Eine auf Pilzen basierende Lösung verspricht,
    beide Probleme zu lösen.
    Von Dr. Margaret Mendi Njoroge, icipe

    Krankheiten, die von Vektoren wie Insekten      zu verwenden, das spezifisch und schon          Wirkungsweise relativ langsam, da sie nicht
    und Zecken übertragen werden, sind in Ost­      bei sehr niedrigen Dosierungen wirksam ist      unmittelbar zu toxischen Effekten führt,
    afrika – wie in allen tropischen und sub­       und es erschwert bis verunmöglicht, dass        sodass die Endnutzer nicht in der Lage sind,
    tropischen Ländern – nach wie vor ein grosses   die Zielinsekten eine Resistenz entwickeln      die Auswirkungen auf Insekten und Zecken
    Problem für die öffentliche Gesundheit          können.                                         sofort zu beobachten.
    von Mensch und Vieh. Dazu stellen sie eine
    konstante Bedrohung für die Wirtschaft dar.     Als erfolgsversprechender Lösungsansatz –       Da es sich um ein biologisches Bekämpfungs­
                                                    in Rahmen einer integrierten Strategie,         mittel mit langsamer Wirkungsweise handelt,
    Zur Bekämpfung von Schädlingen, ob sie nun      also zusammen mit weiteren Massnahmen           wirkt es sich nur dann auf die Populations­
    Krankheiten übertragen oder Nutzpflanzen        (siehe auch Infografik) – werden zunehmend      dichte von Insektenvektoren aus, wenn es
    befallen, werden in aller Regel synthetische    entomopathogene Pilze gesehen, also Pilze,      regelmässig, flächendeckend und über einen
    Insektizide eingesetzt, deren Wirkmecha­        die spezifisch Insekten infizieren und schä­    längeren Zeitraum angewendet wird. Die
    nismus hauptsächlich auf das Nervengewebe       digen. Während der Infektion eines Insekts      Produktion ist zwar relativ einfach, doch
    der Insekten abzielt. Wir sehen uns heute       produzieren sie verschiedene Toxine, die        müssten kosteneffiziente Wege gefunden
    aber mit dem Problem konfrontiert, dass die     für die Zielinsekten tödlich sind und den       werden, um die Wirksamkeit und die
    Wirksamkeit synthetischer Pestizide immer       Selektionsdruck für Resistenzen im Vergleich    Dauerhaftigkeit weiter zu verbessern und
    mehr nachgelassen hat, da die Insekten          zu den schnell abtötenden, synthetischen        gleichzeitig die Empfindlichkeit gegenüber
    zunehmend Resistenzen entwickelten. Dies        Insektiziden gering halten.                     Temperaturschwankungen und ultravioletter
    geschieht, wenn ein kleiner Teil der Popula­                                                    Strahlung in den Griff zu bekommen.
    tion in der Lage ist, ein schnell wirkendes     Die Pilze infizieren ihre Wirte wie Stech­
    Insektizid zu überleben, sich dann vermehrt     mücken, Zecken und Tsetsefliegen, indem         Wirksamkeit im Labor bewiesen
    und seine Resistenz an die Nachkommen           sich die Sporen an der Kutikula, also der       Rinder sind Wirte sowohl für viele blut­
    weitergibt.                                     Aussenhaut, des Insekts festsetzen. Nach        saugende Insekten wie Stechmücken, die
                                                    der Anheftung erfolgen die Keimung und das      Malaria und Dengue-Fieber verbreiten, sowie
    Darüber hinaus wurde in Studien gezeigt,        Wachstum des Pilzes im Insekt, indem dieser     Tsetsefliegen und andere Stechfliegen, die
    dass der hohe Einsatz von Insektiziden zur      artspezifische Proteine produziert, um die      Schlafkrankheit übertragen, als auch für
    Bekämpfung von Krankheitsüberträgern und        Kutikula zu verdauen und abzubauen. Der         viele Zeckenarten, die eine Vielzahl von
    Schädlingen zu negativen Auswirkungen           Pilz unterdrückt dann die Immunreaktionen       Zoonosekrankheiten übertragen. In wissen­
    auf die Gesundheit von Mensch und Tier          des Wirts und beginnt ein schnelles Wachs­      schaftlichen Arbeiten wurde verschiedentlich
    führt und die Umwelt durch die Zunahme von      tum im Inneren des Insekts, das schliesslich    darauf hingewiesen, dass Massnahmen,
    Pestizidrückständen und die Anhäufung           zu dessen Tod führt. Interessanterweise         die auf Rinder abzielen, erhebliche Aus­
    giftiger Chemikalien beeinträchtigt.            kommen entomopathogene Pilzarten in der         wirkungen auf die Übertragung von Malaria
                                                    Natur in einer grossen Anzahl von Stämmen       haben und die Kontrolle verbessern könnten.
    Umweltfreundlicher – und wirkungsvoller         vor – einige davon sind Generalisten, das       Im Rahmen des Projekts, welches das
    In den letzten Jahren ist das Interesse –       heisst, sie töten ein breites Spektrum von      Forschungsinstitut icipe in Zusammen­arbeit
    von Geldgebern, Forscherinnen, politischen      Insektenwirten, andere wiederum sind            mit Biovision in Kenia durchführt (siehe
    Entscheidungsträgern wie Endverbrauche­         Spezialisten mit engem Wirtsspektrum, die       Reportage S. 2–5), wird dieser Ansatz nun
    rinnen – an der Entwicklung wirksamer,          sich ideal für eine gezielte Vektorkontrolle    zum ersten Mal im Rahmen einer Feldstudie
    umweltfreundlicher Lösungen gestiegen,          eignen.                                         in Afrika getestet.
    die an unterschiedliche lokale Ökosysteme
    angepasst werden können und sich gleich­        Grosse Vorteile, kleine Einschränkungen
    zeitig gegen die für Menschen und für Nutz­     Bio-Pestizide auf Pilzbasis sind sicher und
    tiere relevanten Vektoren richten. Solche       stellen ein minimales Risiko für den Menschen
    Ansätze zielen darauf ab, die Menge der         und andere Wirbeltiere sowie für die Umwelt
    eingesetzten Insektizide zu reduzieren und      dar, wie in verschiedenen Studien gezeigt
    die potenziellen toxischen Auswirkungen auf     werden konnte. Die Vorteile des Einsatzes
    Mensch, Tier und Umwelt zu verringern. Die      entomopathogener Pilze sind gross, es
    Idee ist, ein Schädlingsbekämpfungsmittel       gibt aber auch Einschränkungen. So ist die

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Biovision - Gemeinsam unterwegs gegen Malaria - Stiftung für ökologische Entwicklung
IVM: Umfassende Krankheitsprävention
Das Projekt «Innovative Krankheitsprävention für Mensch und Tier» setzt auf Integriertes
Vektormanagement (IVM), also verschiedene, sich ergänzende Massnahmen zur Reduktion
von Überträgerinsekten und -zecken (Vektoren) – denn weniger Überträger bedeutet weniger
Ansteckungen mit potenziell tödlichen Krankheiten wie Malaria oder Dengue-Fieber.
                                                                                                                   Toilettenhaus und Küche extern:
                                                                                                                   Verbesserung der Hygiene und
Krankheitserreger (Vektoren):                                                                                      Reduktion der Mücken im Wohnhaus
           Stechmücken                                Stechfliegen      Zecken
           übertragen Malaria                         übertragen die    übertragen
           und Denguefieber                           Schlafkrankheit   Zoonosekrankheiten

                                                                                                         Keine Lücke zwischen Dach und
                                                                                                         Wänden: Sicherstellung Insekten­
                                                                                                         schutz und gute Durchlüftung
                                       Pilzbefall: Nach drei bis vier
                                       Tagen sterben die infizierten
                                       Insekten und Zecken ab.

                                                                                                       Glatte Wände:
                                                                                                       Keine Möglich­
                                                                                                       keit für Larven,
                                                                                                       sich einzunisten
                                                                                                                                      Vergitterte
                                                                                                                                      Fenster und Tür:
                                                                                                                                      Hindert Insekten
                                                                                                                                      am Eindringen
                                                                                                    Versiegelter Boden: Schützt
                                                                                                    vor Parasiten und Bakterien

 Bekämpfung von Vektoren mit pilzbasierter Lösung                                       Modellhaus «Healthy Home»
Prinzip «One Health»: Beim Kontakt mit besprayten Kühen                                 Zusammen mit einem lokalen Hausbauer wurde ein Modellhaus
infizieren sich Krankheitsüberträger mit Pilzen, die für                                erstellt, mit lokal erhältlichen, erschwinglichen Materialien.
sie tödlich, für Mensch und Umwelt aber unbedenklich sind.                              Das Haus enthält zahlreiche Optimierungen, mit denen
Dies vermindert das Ansteckungsrisiko nicht nur für Kühe,                               die Zahl der Krankheitserreger im Haus deutlich minimiert
sondern auch für die in der Nähe lebenden Menschen.                                     werden kann – davon profitieren insbesondere die Risiko­
                                                                                        gruppen Kleinkinder und ältere Personen.

 Ausbildung                                                                             Politik
Bei regelmässigen Treffen werden Dorfbewohner:innen                                     Durch das aktive Einbinden von Polikter:innen vom Dorf­
über Zusammenhänge und Risiken bei Infektionskrankheiten                                oberhaupt bis zum Distriktleiter wird Akzeptanz,
aufgeklärt und ihre Fragen beantwortet. Sie werden so                                   Breite und Nachhaltigkeit der Massnahmen sichergestellt.
befähigt, sich selber besser zu schützen.

Infografik: Michael Stünzi, infografik.ch Quellen: Biovision

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Biovision - Gemeinsam unterwegs gegen Malaria - Stiftung für ökologische Entwicklung
Empfehlungen für die Ernährungszukunft
       – aus der Mitte der Gesellschaft
       Im Rahmen des Projekts Bürger:innenrat, von Biovision mitinitiiert, haben zufällig ausgewählte
       Menschen in der Schweiz Lösungen für ein zukunftsfähiges Ernährungssystem entwickelt. Und, so zeigen
       Stimmen nach Abschluss des Projekts: Sie haben dabei viel gelernt.
       Von Martin Grossenbacher, Redaktor (Text) und Filippo «Sketchy» Buzzini, Collaboratio Helvetica (Grafik)

       Am Sonntag, 6. November, nach zwei letzten            der Massentierhaltungsinitiative auf Hoch­           Die Empfehlungen für ein nachhaltiges
       intensiven Arbeitstagen mit lebhaften Diskus­         touren. Mit dem Bürger:innenrat wollten              Schweizer Ernährungssystem haben die
       sionen und Beratungen, war es endlich soweit:         wir deshalb von der Bevölkerung wissen, was          80 Mitglieder des Rats von Juni bis Novem­
       In einer demokratischen Abstimmung gefolgt            es aus ihrer Sicht für ein nachhaltigeres            ber gemeinsam erarbeitet. An den von
       von lang anhaltendem Applaus verabschie­              Ernährungssystem braucht.»                           der Organisation «Collaboratio Helvetica»
       deten die Mitglieder des ersten nationalen                                                                 organi­sierten und durchgeführten Anlässen
       Bürger:innenrats in Zürich ihre Empfehlungen          Komplexe Materie – vielfältige                       erhielten die Teilnehmenden Informationen
       an die Politik für ein nachhaltiges Ernährungs­       Herangehensweise                                     von führenden Wissenschaftlern und lernten
       system.                                               Mit den Empfehlungen des Bürger:innenrats            Standpunkte von verschiedenen Akteurinnen
                                                             liegt die Antwort jetzt auf dem Tisch. Diese         im Ernährungssystem kennen wie etwa
       «Wir haben in der Schweiz ein grundsätz­              beinhaltet Massnahmen, die auf unterschied­          dem Schweizer Bauernverband (SBV), der
       liches Interesse daran herauszufinden, wie            lichen Ebenen ansetzen: bei der Aufklärung           IG Detailhandel oder der Umweltallianz. In
       die Transformation unserer Ernährungs­                der Konsumierenden, bei Veränderungen in             Arbeitsgruppen zu den Themen Umwelt,
       systeme hin zu mehr Nachhaltigkeit gelingen           der Preispolitik, beim Detailhandel sowie            Gesundheit, Soziales, Wirtschaft und Pro­
       kann», sagt Daniel Langmeier, Leiter des              beim Schaffen von Kostenwahrheit bei den             duktion vertieften sich die Mitglieder in
       Projekts «Ernährungszukunft Schweiz» von              unterschiedlichen Produktionsmethoden                die Materie und tauschten sich acht Mal
       Biovision. «Die Diskussionen dazu laufen in           oder einer verstärkten Förderung nachhaltiger        an Online-Sitzungen dazu aus. Die Praxis
       der Schweiz nicht erst seit der Pestizid- oder        Landwirtschaft.                                      lernten sie an Ort und Stelle auf Lernreisen

8   
Biovision - Gemeinsam unterwegs gegen Malaria - Stiftung für ökologische Entwicklung
kennen, wo sie Einblick in funktionierende       Daniel Langmeier hat es ähnlich erlebt: «Im       Kommentar
nachhaltige Modelle erhielten: vom parti­        Laufe der Treffen wurde aus der anfänglich
zipativem Bauernsupermarkt La Fève in            losen Versammlung aus bunt zusammen­              Für die Transformation
Meyrin (GE) bis zur Solidarischen Berg­          gewürfelten Einzelpersonen eine Gruppe, die       braucht es alle
landwirtschaft in Sumvitg (GR), vom Lebens­      nun zum Schluss als Schweizer Bürger:innen­
mittel­hersteller Tigusto in Cugnasco-Gerra      rat für Ernährungspolitik ihre gemeinsamen        Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist
(TI) bis zum mehr als regionalen Restaurant      Ideen und Empfehlungen verabschiedet und          es gelungen, mehr Menschen als je zuvor
Werkhof in Köniz (BE).                           an die Politik gerichtet hat.»                    zu ernähren, obwohl sich die Welt­
                                                                                                   bevölkerung verdreifacht hat. Dies ist eine
Während des ganzen Prozesses wurde beson­        Der Ball liegt bei der Politik                    grosse Errungenschaft der Ernährungs­
ders darauf geachtet, dass alle Teilnehmen­      Entsprechend klar sind die Erwartungen der        systeme. Gleichzeitig leiden heute so
                                                                                                   viele Menschen an Fehlernährung wie nie
den zu Wort kommen, sie unterschiedliche         Mitglieder des Bürger:innenrats jetzt auch
                                                                                                   zuvor. Die Ernährungssysteme, und
Ansätze und Sichtweisen kennenlernen             an die Politik. Sie wollen, dass ihre Stimme
                                                                                                   mit ihnen die Landwirtschaft, sind auch
und sich unabhängig eine Meinung bilden          gehört und ihre Arbeit wahrgenommen wird:
                                                                                                   von der globalen Erwärmung, dem Verlust
konnten. «Ich erlebte den Austausch im           «Ich finde, unsere Empfehlungen richten sich
                                                                                                   der biologischen Vielfalt, der Wasser­
Bürger:innenrat als sehr interessiert, lebhaft   nicht ausschliesslich an die nationale Politik,
                                                                                                   knappheit und der Bodendegradation
und inspirierend. Es kamen die unterschied­      sie sollten auf allen Ebenen Gehör finden,
                                                                                                   betroffen, deren Mitverursacher und Opfer
lichsten Meinungen zu Wort und man hörte         auch bei den Kantonen und Gemeinden sowie
                                                                                                   sie zugleich sind.
einander aufmerksam zu. Die Gespräche            bei öffentlichen Institutionen», meint dazu
wurden sehr tolerant und respektvoll geführt»,   Jasmin Fischer.
                                                                                                   Im Juni 2021 hat der Bundesrat die
blickt etwa Fabrice Kaspar (45) aus Petit-
                                                                                                   Schweizer Strategie für nachhaltige
Lancy GE auf die Zusammenarbeit mit den          Bei einem Treffen mit National- und Stände­
                                                                                                   Entwicklung 2030 verabschiedet. Darin
anderen Mitgliedern im Rat zurück.               rät:innen während der Wintersession der
                                                                                                   wird die Transformation der Ernährungs­
                                                 Eidgenössischen Räte wurden die Empfeh­
                                                                                                   systeme als einer der wichtigen Wege
«Die Diskussionen an unseren Treffen fand        lungen des Bürger:innenrats ein erstes Mal
                                                                                                   in eine nachhaltigere Zukunft bezeichnet.
ich immer sehr lebhaft und offen – aber auch     präsentiert und besprochen. Die offizielle
                                                                                                   Um die Strategie umzusetzen, kündigte
sehr menschlich», schildert Jasmin Fischer       Übergabe an die Politik und Verwaltung
                                                                                                   der Bundesrat an, diese Transformation mit
(23) aus Wallisellen ZH ihre Eindrücke. «Bei     sowie weitere Akteure im Ernährungssystem
                                                                                                   Dialogen begleiten zu wollen. Im Rahmen
den Gesprächen in den Arbeitsgruppen, in         aus Produktion, Verarbeitung oder Handel,
                                                                                                   der Vorbereitung des UN-Ernährungs­
den Kaffeepausen oder bei den gemeinsamen        die den Prozess begleitet haben, findet dann
                                                                                                   systemgipfels organisierte die Bundes­
Essen erfuhren wir nicht nur die Sichtweisen     am 2. Februar 2023 anlässlich des ersten
                                                                                                   verwaltung bereits Dialoge auf nationaler
der anderen Mitglieder, sondern lernten uns      nationalen Ernährungssystemgipfels in Bern
                                                                                                   und lokaler Ebene. Diese brachten
auch auf der persönlichen Ebene näher            statt. Dieser wird gleichzeitig Höhepunkt
                                                                                                   Akteur:innen aus der Schweizer Land- und
kennen und sind zusammengewachsen.»              und Abschluss des Projekts «Ernährungs­
                                                                                                   Ernährungswirtschaft zusammen. Der
                                                 zukunft Schweiz» sein.
                                                                                                   Bürger:innenrat führte jetzt diese Dialoge
                                                                                                   in anderer Form und Beteiligung weiter.

                                                                                                   Die Transformation der Ernährungs­
 Der Schweizer Bürger:innen­                     Wie soll eine Ernährungspolitik für die
                                                                                                   systeme kann nur gelingen, wenn
                                                 Schweiz aussehen, die bis 2030 allen
 rat für Ernährungspolitik                       Menschen gesunde, nachhaltige, tierfreund­
                                                                                                   alle Akteur:innen beteiligt sind. Deshalb
                                                                                                   begrüssen wir diesen Dialog unter
 Die 80 Mitglieder des ersten Schweizer          liche und fair produzierte Lebensmittel zur
                                                                                                   Bürger:innen und schätzen die geleistete
 Bürger:innenrats für Ernährungspolitik          Verfügung stellt?
                                                                                                   Arbeit sehr.
 wurden nach einem Zufallsverfahren
 gesucht und anhand von repräsentativen          Die Empfehlungen
 Kriterien ausgewählt. Der Rat ist Teil des      Das finale Dokument mit den Empfehlungen
 Projekts «Ernährungszukunft Schweiz»,           wurde erst nach Redaktionsschluss dieser
 das von der Stiftung Biovision, dem Netz­       Ausgabe fertiggestellt. Sie finden die
 werk für Nachhaltigkeitslösungen (SDSN          Empfehlungen des Schweizer Bürger:in­
 Schweiz) und Landwirtschaft mit Zukunft         nenrats für Ernährungspolitik auf dessen
 getragen und unter anderem vom Bundes­          Website auf Deutsch, Französisch und
 amt für Landwirtschaft begleitet und unter­     Italienisch:
 stützt wird.                                                                                                       Alwin Kopše
                                                 buergerinnenrat.ch/empfehlungen                          Fachbereichsleiter Internationales
                                                                                                     und Ernährungssysteme im Eidg. Bundesamt
 Die Teilnehmenden erarbeiteten Empfeh­
                                                                                                              für Landwirtschaft (BLW)
 lungen zu folgender Leitfrage:

                                                                                                                                              9
Biovision - Gemeinsam unterwegs gegen Malaria - Stiftung für ökologische Entwicklung
Biovision-News                                                                                   Organic Now! – mehr Bio
                                                                                                         für Tansania
        Von der Sensibilisierung Schweiz über die Entwicklungsprojekte
        bis zur politischen Arbeit – Aktuelles aus der Welt von Biovision.                               Um die Konsument:innen für Nachhal­
                                                                                                         tigkeit zu begeistern, braucht es mehr
                                                                                                         Bioprodukte in den Lebensmittelläden.
                                                                                                         Gemäss dieser Erkenntnis lancierte unser
         ABCD: Das Glas ist halb voll                   für «Asset-based community-driven                langjähriger Projektpartner SAT (Sustain­
                                                        Development». Das Prinzip dahinter: Die          able Agriculture Tanzania) gemeinsam mit
                                                        Teilnehmenden finden heraus, wo sie über         zwei weiteren tansanischen Organisatio­
                                                        Ressourcen verfügen und wie sie diese aus­       nen die Initiative «Organic Now!». Die
                                                        bauen können – ohne auf weitere externe          Idee: KMUs im Land zusammen­zubringen
                                                        Unterstützung angewiesen zu sein. Zum            und zu schulen, um so das Bio-Angebot in
                                                        Beispiel Jennifer Atieno, Kleinbäuerin und       Tansania zu vergrössern. Die drei Grün­
                                                        Mitglied einer Frauengruppe in Homa Bay          der:innen sind sich sicher: Das Angebot an
                                                        County, Westkenia: Aus der Not, dass auf         attraktiven, gut gelabelten Bioprodukten
                                                        ihrem Land viele Steine liegen, machte           zu steigern, ist der überzeugendere Weg,
         Das Projekt ABCD unseres Projektpartners       sie eine Tugend. Sie begann, die Steine          als eine aufwendige Kampagne zu führen.
         CIFOR-ICRAF, einer internationalen Orga­       einzusammeln und zu verkaufen. Weitere
         nisation für Forschung und Entwicklung         Beispiele finden Sie in einem Video über
         spezialisiert auf Agroforstwirtschaft, zielt   das Projekt (in Englisch):
         auf die Ressourcen von Kleinbäuerinnen
         und Kleinbauern. Die Abkürzung steht           bit.ly/abcd-ke

         Tage der Agrarökologie                         Dass Agrarökologie längst kein Nischen­

         2022 mit Rekordbeteiligung
                                                        phänomen mehr ist, zeigte die zweite Durch­    Impressum
                                                        führung der «Tage der Agrarökologie» im        Biovision Magazin 73, Dezember 2022, 22. Jahrgang
                                                        Oktober 2022 eindrücklich: Sie fanden mit
                                                                                                       Das Magazin erscheint 4 Mal jährlich und ist in
                                                        einer Rekordbeteiligung von fast 90 Organi­
                                                                                                       Spenden ab 5 Franken als Abonnement enthalten.
                                                        sationen und mehr als 75 Veranstaltungen
                                                                                                       Auflage (WEMF-beglaubigt) 32 400
                                                        statt. Das waren mehr als doppelt so viele
                                                                                                       (Deutsch und Französisch)
                                                        Anlässe als im Vorjahr, die neu nicht nur in
                                                                                                       © Stiftung Biovision, Heinrichstrasse 147,
                                                        der Deutschschweiz, sondern auch in der
                                                                                                       8005 Zürich
                                                        Romandie und im Tessin stattfanden. Einen
                                                        Rückblick finden Sie unter:                    Redaktion
                                                                                                       Florian Blumer

                                                        agroecologyworks.ch                            Produktion
                                                                                                       Florian Blumer und Sabrina Wüthrich
                                                                                                       Bilder Titelbild: CORP Akiba Bakari Mvumoni
                                                                                                       (links) und Majaliwa Bakari Zengwa unterwegs,
                                                                                                       um Insekten in den Fallen einzusammeln.
         Symposium 22 nacherleben                         Freiwillige gesucht!                         Bilder S. 1–5: Al-Amin Mutunga; S. 2 unten links:
                                                                                                       Laura Angelstorf / Biovision. Infografik S. 7:
         Die Teilnehmer:innen unseres dies­jäh­           Möchten Sie in Form von freiwilliger         Michael Stünzi / infografik.ch; S. 8: Filippo
         rigen Jahresanlasses unter dem Titel             Mit­arbeit zum Erfolg von Biovision bei­     «Sketchy» Buzzini, Collaboratio Helvetica; S. 9
         «Ernährung bewegt!» haben ermutigende            tragen und für eine befristete Zeit Teil     unten: Mike Muzurakis / IISD/ENB; S. 11; S. 10 oben
         Initiativen und Lösungen für ein Ernäh­          unseres Teams werden? Anlässlich unse­       links: CIFOR-ICRAF, S. 10 mitte links: ZGV, S. 10
         rungssystem der Zukunft in Ostafrika             res 25-Jahr-Jubiläums vom nächsten Jahr      mitte rechts: Florian Blumer / Biovision; S. 11 oben
                                                                                                       links: iStock; S. 11 oben rechts: Laura Angelstorf /
         und der Schweiz kennen gelernt, von              suchen wir motivierte Menschen, die für
                                                                                                       Biovision; S. 12: Christophe Carisey.
         einem Ausbildungszentrum in Malawi bis           und mit uns das Biovision-Archiv nach
         zum Bürger:innenrat in der Schweiz. Sie          Perlen durchforsten.                         Gestaltung Binkert Partnerinnen, Zürich
         konnten nicht dabei sein? Kein Problem!                                                       Druck Koprint AG, Alpnach
         Auf unserer Website können Sie das               Interessiert? Melden Sie sich auf            Papier Nautilus Classic (100 % Recycling)
         Biovision Symposium 2022 in Bildern              community@biovsion.ch. Wir freuen uns,
                                                          Ihnen in einem Gespräch mehr über die        Biovision ist offizielle Partnerorganisation der
         und Filmen nacherleben.                                                                       Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit
                                                          Aufgabe zu verraten.
                                                                                                       DEZA, Eidgenössisches Departement für aus­
         biovision.ch/symposium22                                                                      wärtige Angelegenheiten EDA. Die internationalen
                                                                                                       Projekte von Biovision werden von der DEZA
                                                                                                       finanziell unterstützt.

10   
Anna Schöpfer
                                                                                                                      Programmverantwortliche
                                                                                                              Nach­haltiger Konsum bei Biovision

                                                                                                  Mein Lieblingswein: der Naturaplan
                                                                                                  Nussbaumer, ein Ostschweizer
                                                                                                  Bio-Wein aus pilzresistenten Reb­

Zum Fest ein PIWI statt                                                                           sorten. Dieser Cuvée Barrique ist
                                                                                                  unter anderem bei Coop erhältlich.

ein gespritzter Weisser?
                                                                                                  Aber auch die Bio-Weine von
                                                                                                  Roland Lenz in Iselisberg sind preis­
                                                                                                  gekrönt und zu empfehlen. Mein
Bei der Wahl des Weins lohnt es sich, die Nachhaltigkeit einzubeziehen.                           Motto beim Weintrinken: im
Denn beim konventionellen Rebbau werden grosse Mengen an Pestiziden                               Zweifelsfall ein Gläschen weniger,
eingesetzt.                                                                                       dafür bewusst geniessen!

Von Anna Schöpfer, Biovision

Gespritzer Weisser? Kaum jemand wird                                                                 Zahlen und Fakten
dabei an Pestizide denken. Doch im
                                                                                                    Nur gerade 1 % des Schweizer
                                                                     Klima
Weinbau werden hierzulande neben dem
Obstbau, pro Fläche gerechnet, deutlich           Lebens-                                                 Weins wird exportiert.
                                                 grundlage                        Verschmutzung
am meisten Fungizide, Herbizide und                                                                       In der Schweiz werden rund
Pestizide eingesetzt.                                                                                  250 Rebsorten angebaut.
Die grossen Mengen an chemisch-synthe­                                                             60 % der verkauften Weine
tischen Pestiziden und Düngemitteln kom­                                                          in der Schweiz werden importiert, vorwie­
men durch das Regenwasser in den Boden                                                             gend aus Italien, Frankreich und Spanien.
und reichern sich dort an. Auch im Wein sind
                                                  Sozialver-                        Ressourcen-       Schweizer:innen trinken im Schnitt
die Pestizide nachweisbar, die Auswirkun­      träglichkeit und                      verbrauch

gen auf den Menschen sind jedoch noch
                                                 Tierhaltung                                            35 Liter Wein im Jahr.
nicht ausreichend erforscht. Untersuchun­                                                              Auf 2 % der Fläche werden
                                                                  Biodiversität

gen der Eawag, des Wasserforschungs­                                                                        PIWI-Sorten angebaut.
                                                   Bio-PIWI-Weisswein
instituts der ETH, zeigen aber, dass unter         (KOO KUU Edelweiss, Delinat)
anderem die sensiblen Wasserorganismen              Konventioneller Weisswein (Compleo                  Weinreben werden in allen
unter der Pestizidbelastung leiden.                Cuvée Blanc, Chardonnay, Mövenpick)                  Regionen der Schweiz
                                               Je grösser die Fläche,                             angebaut, am grössten ist die Anbaufläche
Besonders nachhaltig sind pilzresistente       desto besser schneidet das Produkt ab.                        im Kanton Wallis.
Traubensorten (PIWI), die kaum oder gar
nicht gespritzt werden müssen – beim
Bio-Anbau ist immer noch das Versprühen        Vergleich Bio-PIWI- und konventioneller Weisswein aus der Schweiz
einer geringen Menge Kupfer erlaubt (siehe
Boxtext). Noch vor ein paar Jahren wegen       Bio-Wein wird ohne chemisch-syntheti­              vorgeschriebene aktive Förderung der Bio­
ihres oft vom Gewohnten abweichenden           sche Pflanzenschutzmittel und Kunstdünger          diversität, z. B. durch Blühstreifen zwischen
Geschmacks verpönt, gelten diese heute         hergestellt. Insbesondere die Düngerpro­           den Reben. Auch im Bio-Anbau wird aber
auch bei Weinkenner:innen als echte            duktion ist CO2-intensiv in der Herstellung        noch immer Kupfer gegen den falschen
Alternative zu Beaujolais, Dôle und Co.        wie in der Anwendung, die synthetischen            und den echten Mehltau eingesetzt, jedoch
                                               Pestizide belasten Böden und Grundwasser.          in geringen Mengen, Tendenz abnehmend.
Mehr clevere Tipps:                            Ein weiterer Vorteil von Bio-Wein ist die
biovision.ch/konsum

                                                                                                                                                      11
«An den Pflanzen liebe ich, wie verschieden
                                                                                                        sie von uns Menschen sind. Wir brauchen
                                                                                                        sie – sie brauchen uns nicht», sagt sie. «Wir
                                                                                                        reissen sie aus, schneiden sie in Stücke,
                                                                                                        essen sie – sie lassen es mit sich geschehen.»

                                                                                                        Im Garten des Hauses, in dem ihr Partner lebt,
                                                                                                        hat sie sich ein kleines Paradies erschaffen.
                                                                                                        «Ich würde nicht so weit gehen und für
                                                                                                        Pflanzen das Wort glücklich verwenden»,
                                                                                                        sagt sie. «Aber ich schaue, dass ich ein
                                                                                                        diverses, gutes Umfeld schaffen kann, in
                                                                                                        welchem sie gedeihen können.» Und doch
                                                                                                        sieht sie die Lebewesen in ihnen: «Wenn ich
                                                                                                        Pflanzen porträtiere, stelle ich sie dar, wie ich
                                                                                                        Menschen darstelle: in ihrer Individualität,
                                                                                                        um ihren wahren Charakter zu zeigen.»

                                                                                                        Die Klimakrise und ihre Folgen für Mensch
                                                                                                        und Umwelt beschäftigen Françoise Sergy

«Wir brauchen die Pflanzen
                                                                                                        stark. Eines Tages beschloss sie, die keine
                                                                                                        eigenen Nachkommen hat und auch kein
                                                                                                        Vermögen, ihr Haus in der Schweiz in Form

– sie brauchen uns nicht.»
                                                                                                        eines Legats einer NGO zu vermachen. Im
                                                                                                        Internet stiess sie auf Biovision und fand
                                                                                                        gleich eine zentrale Gemeinsamkeit zu ihrer
                                                                                                        Arbeit: «Auch ich nähere mich Pflanzen in
Françoise Sergy ist Künstlerin und Gärtnerin, Pflanzen sind ihre Passion.                               meiner Arbeit auf eine ganzheitliche Art.»
Alles, was sie besitzt, ist ein Haus im jurassischen Sainte-Croix. Sie hat
beschlossen, dass sie es Biovision vermachen wird.                                                      Sie schätze, so Sergy, dass Biovision sowohl
                                                                                                        Projekte in Subsahara-Afrika unterhält wie
Von Florian Blumer, Biovision (Text) und Christophe Carisey (Bild)
                                                                                                        auch hier ansetzt, bei unserem Konsum. «Ich
                                                                                                        bin voll und ganz überzeugt vom Ansatz der
«In meinem Berufsleben habe ich mich zwei­             Die zweite Liebe traf sie dann mit 40. «Als      Agrarökologie, wie ihn Biovision propagiert.
mal so richtig verliebt», sagt Françoise Sergy.        Tänzerin bekommst du mit dem Älterwerden         Denn es ist offensichtlich: Wir müssen unser
Dafür, dass sie kurz vor der Pensionierung             immer mehr Verletzungen», sagt sie. «In          Ernährungsverhalten ändern.»
steht, versprüht sie noch viel jugendliche             diesem Alter musst du dir etwas überlegen.»
Energie – dazu eine grosse Portion britischen          Fotografie und Kunst hatte sie bereits für       Über ihre Kunst wird Françoise Sergy weiter
Charme.                                                sich entdeckt als eine alternative Ausdrucks­    schon zu Lebzeiten ihren Teil beitragen,
                                                       form zum Tanz. Doch damit konnte sie ihre        die Transformation der Ernährungssysteme
Geboren wurde die Künstlerin und Gärtnerin             Rechnungen nicht bezahlen.                       voranzutreiben. Daneben wird sie auch nach
in der Schweiz, in Sainte-Croix im Waadtländer                                                          ihrer Pensionierung einen Tag die Woche
Jura. Dort besitzt sie ein Häuschen, das sie           Sie hatte bemerkt, dass viele in ihrem Um­       als Gärtnerin arbeiten, denn die Pension
einst dank einer Erbschaft kaufen konnte.              feld einen Garten besassen, aber keine Zeit      reicht nicht zum Leben. Doch, so sagt sie
Bereits mit 18 ist sie von zu Hause wegge­             hatten, ihn zu unterhalten. Also bot sie sich    gut gelaunt: «Es fühlt sich ja nicht wie eine
zogen, nach London, zu ihrer ersten grossen            als Gärtnerin an. Sie realisierte jedoch: «Ich   Pflicht an – eher wie Liebe.»
Liebe: dem Tanz. Sie absolvierte die London            weiss nichts über Pflanzen.» Also begann sie
School of Contemporary Dance. In der eng­              eine Ausbildung in Gartenbau. Und je mehr        Mehr über Françoise Sergys Kunst:
lischen Hauptstadt lebt sie noch heute.                sie lernte, desto mehr verliebte sie sich.       francoisesergy.uk

                                                                                         Stiftung für ökologische Entwicklung
www.biovision.ch, www.facebook.com/biovision                                     Fondation pour un développement écologique
Spenden an: PC 87-193093-4                                                             Foundation for ecological development
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