Vor Ort - 60 Jahre Einsatz für die Ärmsten FAIRMED feiert Geburtstag
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vor Ort Spezialausgabe Nr. 227 | Juli 2019 FAIRMED feiert Geburtstag 60 Jahre Einsatz für die Ärmsten
«Was mit leprakranken Menschen geschieht, denen der Zugang zu medizinischer Versorgung fehlt, habe ich vor Jahren mit eigenen Augen gesehen. Es hat bewirkt, dass ich mich an der Seite von FAIRMED für die Gesundheit der Ärmsten engagiere. Denn die Ver- nachlässigung von Kranken lässt sich durch nichts rechtfertigen.» Ruth Dreifuss, Alt-Bundesrätin
Inhalt Liebe Leserin, lieber Leser FAIRMED wird dieses Jahr 60 – dazu möchten 3 | Editorial wir Ihnen ganz herzlich gratulieren! Denn nur dank Menschen wie Ihnen können wir uns seit 4 | Zurück in die Zukunft über einem halben Jahrhundert für die Ärms- ten der Welt engagieren. Ein Grund zum Feiern 6 | Niemanden zurücklassen ist unser Geburtstag aber nicht. Denn noch immer sind über 8 | 110 % Einsatz gefragt eine Milliarde Menschen von vernachlässigten Tropenkrankheiten wie Lepra, 11 | FAIRMED damals Buruli oder Elephantiasis betroffen. und heute Trotzdem blicken wir optimistisch in die Zukunft und 12 | Ein neues Kleid für eine glauben, dass der Kampf für die Ärmsten der Welt in den zeitlose Vision nächsten Jahren entscheidende Erfolge feiern wird. Ein Grund dafür sind die siebzehn nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. Bis 14 | «Mein Vater brachte die 2030 wollen die UNO-Mitgliedsstaaten unter anderem die Armut und den Welt nach Bern» Hunger auf der Welt beenden und jedem Menschen ein gesundes Leben gewährleisten. 16 | Ihr Einsatz hilft: Gönnerschaft, Spende In dieser Spezialausgabe lesen Sie, welchen Beitrag FAIRMED zur Errei- oder Erbschaft chung dieser Ziele leistet und welche Herausforderungen es dabei zu über- winden gilt. Denn als Organisation, die den Blick seit ihrer Gründung immer nach vorne gerichtet hat, wollen wir auch diese Spezialausgabe dazu nut- zen, zuerst nach vorne zu blicken. Unser Geschäftsleiter René Stäheli und unser Programmleiter Bart Vander Plaetse geben dazu einen Einblick in die strategische Fahrtrichtung von FAIRMED. Danach schildern unsere ehe- malige Marketingchefin Anna Opladen und unser ehemaliger Stiftungsrats- präsident Rolf Lehmann, wie der Wandel weg von der reinen Leprahilfe gemeistert wurde. Unser ehemaliges Stiftungsratsmitglied Richard Hehl berichtet dann über seine Zeit als Chirurg in verschiedenen Lepraspitälern in Indien und der Türkei in den 60er Jahren. Zudem offenbart der Berner Schriftsteller Pierre Farine, weshalb FAIRMED seine Kindheit und Jugend entscheidend geprägt hat und welche Rolle eine behaarte Riesenspinne in seinen Erinnerungen spielt. Impressum Viel Spass bei der Reise und herzlichen Dank! Arno Meili Aarbergergasse 29 Postfach, CH-3001 Bern Kommunikation und Fundraising FAIRMED Telefon +41 (0)31 311 77 97 info@fairmed.ch www.fairmed.ch Redaktion: Arno Meili, Saskia van Wijnkoop, René Stäheli, Bart Vander Plaetse Fotos: Peter Käser, Simon Huber, Sarthak Karki, FAIRMED Gestaltung: graphicarts, Bern-Liebefeld Druck: Bruhin Spühler AG, Rüti ZH Sonderausgabe zum vierteljährlichen Magazin von FAIRMED. Abonnement in Spenden ab 5 Franken erhalten.
Zurück in die Zukunft Die Organisation wird 60! Trotz- dem schauen wir nicht zurück, Die «Leprahilfe Emmaus sondern nach vorne. Denn ge- Schweiz» beginnt den Kampf meinsam mit Ihnen wollen wir gegen Buruli in Kamerun. Dies ist auch in Zukunft weiter an unserer Als letzte Konsequenz ihrer ein Schritt weg vom reinen Fokus Vision arbeiten, dass niemand an Weiterentwicklung ändert die auf Lepra hin zur Bekämpfung einer heilbaren Krankheit leiden «Leprahilfe Emmaus Schweiz» verschiedener vernachlässigter oder sterben darf. ihren Namen zu FAIRMED. Tropenkrankheiten. 2030 2019 2017 2009 2006 2001 Unter dem Motto «niemanden Gründung von FAIRMED India als Die Zahl der Menschen, bei zurücklassen» – das FAIRMED eigenständige Organisation. Dies denen weltweit Lepra diag- schon seit 60 Jahren hat – sollen ist ein Schritt auf dem Weg, die nostiziert wird, sinkt auf knapp die siebzehn nachhaltigen Ent- FAIRMED-Büros in den Projekt- 250 000 pro Jahr. Zudem wur- wicklungsziele der Vereinten Nati- ländern unabhängiger zu machen. den bereits über zwölf Millio- onen erreicht werden. Unter nen Menschen von der Krank- anderem soll eine gute Gesund- heit geheilt. Die «Leprahilfe heitsversorgung für jeden Men- Emmaus Schweiz» intensiviert schen gewährleistet werden. deshalb ihre thematische Wei- terentwicklung. 4
Die WHO empfiehlt die Verwen- dung der Kombinationstherapie Mittlerweile unter dem Namen (MDT) zur Behandlung von Lepra. «Aussätzigenhilfe Emmaus Durch die MDT wurde die Resis- Schweiz» unterstützt die Organi tenzentwicklung eingedämmt sation bereits 60 Lepra-Stationen und die Behandlungszeit verkürzt. in 28 Ländern mit Zuwendun- Ein Meilenstein im Kampf gegen gen im Wert von 1,4 Millionen die Krankheit. Franken. 2000 1981 1976 1964 1959 Die «Aussätzigenhilfe Emmaus Eröffnung des Länderbüros in Mitglieder der «Freunde Emmaus Schweiz» ändert ihren Namen zu Indien und Bau von mehreren Bern» gründen das Nationale «Leprahilfe Emmaus Schweiz». Lepraspitälern, unter anderem in Komitee für die Aussätzigen. Sie den südindischen Städten Hubli engagieren sich für die Ärms- und Palamaner. Vier Jahre spä- ten der Welt, die für sie damals ter wird auch das Länderbüro im die 12 Millionen Betroffenen von kamerunischen Yaoundé eröffnet. Lepra sind. Über 50 Jahre vor den nachhaltigen Entwicklungs- zielen folgten sie bereits dem Moto, niemanden zurückzulassen. 5
Niemanden zurücklassen FAIRMED-Geschäftsleiter René Stäheli glaubt an eine Welt mit weniger Armut und Krankheit. Woher diese Einschätzung kommt und welche Rolle FAIRMED dabei spielen soll? Ein Gespräch über Chancen, Pflichten und Herausforderungen. «Die Welt entwickelt sich immer endlich die Menschen in den Fokus rasanter, die Menschen vernetzen gerückt, für die sich FAIRMED schon sich immer mehr. Distanzen werden seit 60 Jahren einsetzt - nämlich die einfacher zu überwinden, technische Ärmsten der Welt», so der Geschäfts- Innovationen und medizinische Fort- leiter. Unter dem Motto «Niemanden schritte bringen Veränderung», zeigt zurücklassen» hat sich die Weltge- sich Stäheli optimistisch. «Zudem meinschaft dazu verpflichtet, bis 2030 René Stäheli ist seit 1999 wurden mit den nachhaltigen Entwick- unter anderem die extreme Armut auf Geschäftsleiter von FAIRMED. lungszielen der Vereinten Nationen der Welt zu beenden und jedem Men- 2030 2020 Bis zu diesem Jahr sollen die siebzehn Mit der Londoner Deklaration über ver- nachhaltigen Entwicklungsziele der Ver- nachlässigte Tropenkrankheiten (NTDs) einten Nationen erreicht werden. Unter hat sich die internationale Gemeinschaft dem Motto «Niemanden zurücklassen» dazu verpflichtet, zehn NTDs bis 2020 zu haben es sich die UNO-Länder unter kontrollieren, zu eliminieren oder aus- anderem zum Ziel gesetzt, die weltweite zurotten. Zu diesen NTDs gehören unter Armut zu beenden und jedem Menschen anderem die Flussblindheit, Lepra oder ein gesundes Leben zu gewährleisten. Elephantiasis. 6
schen eine gute Gesundheitsversor- wo es an medizinischer Versorgung, lernfähig sein und bleiben muss – die gung zu ermöglichen. Hygiene sowie sauberem Trinkwas- bescheidene Grösse der Organisation ser fehlt», erklärt der Geschäftsleiter. sieht er dabei als Vorteil: «Ich rechne Gleichzeitig mahnt Stäheli aber, dass «Hier setzen wir an und versuchen in den nächsten zehn Jahren mit vie- trotz grossen Fortschritten noch gros- sicherzustellen, dass die lokalen len Veränderungen, Fortschritten und se Herausforderungen warten. Kann Gesundheitsangebote den Bedürf- Innovationen im Bereich der Medizin, der Fortschritt mit dem Bevölkerungs- nissen der Bevölkerung gerecht wer- der Digitalisierung und der Technik, wachstum in Afrika rechtzeitig fertig- den», erklärt Stäheli. welche auch für unsere Projektländer werden? Können diejenigen, die vom positive Effekte haben können.» Dafür Fortschritt bisher links liegen gelas- Bedürfnisorientierte Partner- müsse man gewappnet sein. sen wurden, aufholen und aus der schaften Verelendung befreit werden? Hand in Hand damit geht für ihn eine Und auch vor der eigenen Haustür gilt Verbesserung der sanitären und hygi- es für Stäheli stets am Ball zu blei- «Ob es die internationale Gemein- enischen Bedingungen und die Bewäl- ben: «Als Schweizer Organisation wol- schaft tatsächlich packt, die nötigen tigung von vielfältigen sozioökono- len wir bei unseren Mitbürgerinnen Veränderungen rechtzeitig einzulei- mischen Herausforderungen. «Es und Mitbürgern das Bewusstsein för- ten, ist einzig eine Frage des politi- bringt nichts, wenn Menschen Medi- dern, dass die Lebensbedingungen schen Willens. Im Moment scheinen kamente zur Behandlung von Krank- der Ärmsten auf der Welt nicht gott- den Politikern die nationalen Interes- heiten erhalten und diese aus tradi- gewollt sind und dass das Bauen von sen aber wichtiger tionellen Gründen Mauern um den eigenen Tellerrand zu sein als die Ret- «Lebensbedingungen nicht einnehmen keine Lösung für die globalen Prob- tung des Planeten», oder sie sich kurze leme sein kann. Wir müssen Lösun- befürchtet Stäheli. der Ärmsten sind nicht Zeit nach der Ein- gen anstreben, die alle Menschen «Die nachhaltigen gottgewollt.» nahme wegen man- miteinbeziehen. Das Wissen und die Entwicklungsziele gelnder Hygiene in Mittel dazu existieren und werden kon- sind aber nur zu erreichen, wenn in den Dörfern oder verseuchtem Was- stant weiterentwickelt. Just do it», so Zukunft alle am selben Strang zie- ser wieder anstecken. Deshalb ist die der Geschäftsleiter abschliessend. hen», ist er überzeugt. Zusammenarbeit mit anderen Organi- sationen aus verschiedenen Sektoren Und welche Rolle soll FAIRMED dabei notwendig», erklärt er. spielen? «FAIRMED setzt sich dafür ein, dass auch die am meisten Zurück- Diesen partnerschaftlichen Ansatz gelassenen Zugang zu Gesundheits- verfolgt FAIRMED zwar bereits dienstleistungen erhalten», erklärt heute, Stäheli sieht aber die Möglich- Stäheli. Ein Indikator dafür, wo sich keit einer Intensivierung. «Ich wün- diese Menschen finden lassen, sind sche mir, dass FAIRMED in Zukunft vernachlässigte Tropenkrankheiten so vernetzt ist, dass wir bei unseren wie Lepra, Flussblindheit oder Wur- Projekten immer die passenden Part- merkrankungen. «Denn diese Krank- ner finden, welche die Bedürfnisse heiten treten vor allem in Regionen abdecken, die nicht Teil der Kernkom- auf, wo das Gesundheitssystem petenz von FAIRMED sind.» Darüber besonders schwach ist. Also dort, hinaus fordert Stäheli, dass FAIRMED 2019 2018 FAIRMED feiert unter dem neuen Namen Adrian Hehl löst Rolf Lehmann den zehnten Geburtstag, die Organisa- als Stiftungsratspräsident ab. tion bereits den sechszigsten. Unser Ein- satz gilt heute wie auch schon bei unse- rer Gründung den Ärmsten der Welt. Adrian Hehl 7
«110 Prozent Einsatz gefragt» Den Ärmsten der Welt ein gesundes Leben ermöglichen, das ist unser Ziel. Doch genau diese «radikale Fokussierung» auf die Ärmsten ist mit vielen Herausforderungen verbunden. Unser Programmleiter Bart Vander Plaetse erklärt, welche Herausforderungen dies sind und was ihn jeden Tag motiviert, diese anzugehen. Bart Vander Plaetse hat einen Ungerechtigkeit vor Augen führen anspruchsvollen Job, der ihm körper- Solche Schicksale seien es dann auch, lich wie auch mental einiges abverlangt. die ihn jeden Tag zum Arbeiten moti- Denn neben den vielen Reisestrapazen vierten, fährt Bart Vander Plaetse und zahlreichen Überstunden sind es fort. «FAIRMED unterstützt diejeni- vor allem die Begegnungen mit Krank- gen, die es am nötigsten haben, die heit und Armut in unseren Projektlän- in der grössten Armut leben. Und ich dern, die an ihm zehren. Nach seinem sehe, dass wir hier etwas verändern intensivsten Moment während seinen können – das treibt mich an», sagt bisherigen drei Jahren bei FAIRMED Vander Plaetse. In der laut ihm «radi- gefragt, erzählt er von der Begegnung kalen Fokussierung» auf die ärmsten mit einem 13-jährigen Mädchen in der und vernachlässigten Menschen der Zentralafrikanischen Republik: «Durch Welt liegt aber auch eine grosse Her- Bart Vander Plaetse ist als Leiter die Lepraerkrankung hatten die Fin- ausforderung: «Es ist nicht einfach, der Programmabteilung für die ger des Mädchens bei unserem Tref- diejenigen zu finden, die am meis- Projekte von FAIRMED verant- wortlich. Er und sein Team in Bern fen bereits Teile ihrer Funktionsfähig- ten Hilfe benötigen. Denn sie wer- arbeiten dafür eng mit unseren keit verloren. Es war klar, dass sie nie den oft an den Rand gedrängt, ver- ausschliesslich lokalen Mitarbei- voll arbeiten und deshalb wohl auch gessen von der eigenen Regierung tenden vor Ort zusammen. nie heiraten und eine Familie gründen und der eigenen Gesellschaft. Oft- wird», erzählt er. «Sie hat ihr Leben mals führen sie ein beinahe unsichtba- noch nicht einmal angefangen und ist res Leben, weitab vom Interesse der bereits beeinträchtigt. Das macht mich Öffentlichkeit.» Umso nötiger sei es, traurig, aber gleichzeitig auch wütend, dass sie von FAIRMED und den Men- denn ein solches Schicksal wäre dem schen in der Schweiz nicht vergessen Mädchen erspart worden, wenn Lepra werden. «Wir müssen der Schwei- bei ihr rechtzeitig erkannt und behan- zer Bevölkerung diese Ungerechtig- delt worden wäre.» keit vor Augen führen.» Eine schwie- 2009 2006 Die «Leprahilfe Emmaus Schweiz» Über zwölf Millionen Menschen wur- ändert ihren Namen zu FAIRMED. Die den von Lepra geheilt. Bei weniger als Weiterentwicklung der Organisation 250 000 Menschen pro Jahr wurde neu wird in ihrem Namen sichtbar. Lepra diagnostiziert. Die «Leprahilfe Emmaus Schweiz» treibt ihre themati- sche Weiterentwicklung mit dem Fokus auf verschiedene vernachlässigte Tro- 8 penkrankheiten deshalb weiter voran.
Unabhängigkeit als Ziel «Die Idee, ein öffentliches Fundrai- sing zu initiieren, bestand darin, In- derinnen und Inder mit mittlerem bis hohem Einkommen zu erreichen. Dieses Segment ist gut ausgebil- det und hat genug Geld, Gesund- heitsprogramme wie die Leprabe- kämpfung zu unterstützen», erklärt John Kurian George, Landesver- antwortlicher von FAIRMED in In- dien. Deshalb wurde im Mai 2017 «FAIRMED India» gegründet. Das Ziel: Das FAIRMED-Programm zur Eliminierung der Lepra soll voll- ständig aus indischem Geld finan- ziert werden. Und die bisherigen Spendenaufrufe zeigen erfreuliche Resultate, sagt George und fügt an: «All unsere Bemühungen wer- den dazu führen, dass FAIRMED India in naher Zukunft unabhängig operieren kann.» 2001 2000 Die «Leprahilfe Emmaus Schweiz» Die «Aussätzigenhilfe Emmaus Schweiz» beginnt in Kamerun ihren Kampf gegen ändert ihren Namen zu «Leprahilfe Emmaus Buruli. Damit engagiert sich die Orga- Schweiz». Das WHO-Ziel der globalen Elimi- nisation auch erstmals in Projekten, bei nierung von Lepra wird erreicht. Das heisst, denen Lepra nicht im Zentrum steht. dass die Zahl der Patienten auf weniger als ein Patient pro 10 000 Einwohner gesunken ist. Die Milleniums-Entwicklungsziele der Ver- einten Nationen werden beschlossen. 9
rige Aufgabe, sagt Vander Plaetse: leben, muss FAIRMED sein», ist Van- Auf zukünftige Entwicklungen ange- «Unsere Projektgebiete liegen oft in der Plaetse überzeugt, «egal ob es sprochen, sagt Vander Plaetse, dass schwer zugänglichen Regionen und auf dem Weg dahin Hürden zu über- FAIRMED eine schwierige Entwick- den Menschen dort fehlt es an vie- winden gibt.» lung bevorsteht: «Um unsere Vision lem. Unsere Arbeit ist deshalb mit besser umzusetzen, wollen wir uns grossem Aufwand verbunden. Zwar «Geschichte vor Ort erzählen» in noch grösseren Projekten enga- ist der Einfluss auf das Leben von Einen Weg, um diese Hürden in gieren. Dafür müssen wir aber insti- Einzelnen enorm, es benötigt aber Zukunft einfacher zu überwinden, tutionelle Geldgeber wie Stiftungen verhältnismässig viel Aufwand, um sieht er in der Stärkung der Mitarbei- oder Kantone überzeugen, die oft- relativ wenige zu unterstützen. Diese tenden vor Ort. «Die Teams in den mals hohe Ansprüche an die Durch- Botschaft ist bei potentiellen Spen- Ländern werden in Zukunft mehr Ver- führung und Dokumentation der Pro- derinnen und Spendern nicht ein- antwortung übernehmen und noch jekte stellen.» Diese Ansprüche zu fach rüberzubringen.» Exemplarisch eigenständiger arbeiten», so Van- erfüllen sei für eine kleine Organisa- dafür steht für Bart Vander Plaetse der Plaetse. Unter anderem sollen tion wie FAIRMED nur durch einen das Engagement in der Zentralafrika- sie dazu befähigt werden, zukünftig hohen Grad an Effizienz und Professi- nischen Republik, wo FAIRMED als selbst Spenden zu sammeln. «Die onalisierung möglich - und damit ver- eine von wenigen NGOs noch präsent Geschichte der Ärmsten muss auch bunden mit viel Arbeit. «Damit wir ist. Die angespannte politische Lage vor Ort und nicht nur in der Schweiz mit den grösseren und internationa- und die kaum vorhandene Infrastruk- erzählt werden. So können wir unsere len NGOs mithalten können, braucht tur gestalten die Arbeit in der Repub- Arbeit besonders nachhaltig gestal- es von allen 110 Prozent Einsatz», so lik im Herzen Afrikas extrem heraus- ten», ist der Programmleiter über- der Programmleiter. «Und ich weiss, fordernd, Projekte in anderen Ländern zeugt. Einen ersten Versuch in diese dass jeder bei FAIRMED bereit ist, wären einfacher umzusetzen. «Doch Richtung hat FAIRMED in Indien diesen Einsatz zu leisten.» genau hier, wo die Ärmsten der Welt bereits gestartet. 1999 1995 René Stäheli wird Geschäftsleiter der Rolf Lehmann löst Walter Rosenfeld als Präsi- «Aussätzigenhilfe Emmaus Schweiz». dent der «Aussätzigenhilfe Emmaus Schweiz» ab. Die WHO verteilt gratis die Kombinations- therapie (MDT) zur Behandlung von Lepra. René Stäheli Rolf Lehmann 10
FAIRMED damals und heute «Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit»: Nach dieser Devise arbeiten die Marketingverantwortlichen von FAIRMED schon seit der Gründung vor 60 Jahren. Als Folge davon haben wir unser Aussehen stets verändert, was sich unter anderem an der Gestaltung unserer Werbemittel nur unschwer erkennen lässt. 1999: Broschüre vor Ort 1960: Wurfblatt 1965: Erste Broschüre 1994: Broschüre Ausgabe Nr. 225 | März 2019 vor Ort Ausgabe Nr. 185 | Juni 2009 Sri Lanka Knifflige Suche Elfenbeinküste Leben retten Seite 3 FAIRMED nach Lepra Jubiläum Seite 8 Kamerun Geigy-Preis Seite 10 2000: Broschüre 2007: Kampagnen- 2009: Erste Broschüre 2019: FAIRMED vor Ort Broschüre FAIRMED vor Ort heute, im Magazin-Format 1991 1989 Die Weltgesundheitsversammlung der Marcel Farine übergibt die Präsident- WHO beschliesst, Lepra als Volkskrank- schaft der «Aussätzigenhilfe Emmaus heit zu eliminieren. Dies bedeutet, dass Schweiz» nach 30 Jahren Amtszeit an die Zahl der Patienten weltweit auf Walter Rosenfeld. weniger als einen pro 10 000 Einwohner gesenkt werden soll. Marcel Farine Walter Rosenfeld 11
Ein neues Kleid für eine zeitlose Vision Seit 60 Jahren arbeitet FAIRMED dort, wo sich Krankheit und Armut über- schneiden. Am Anfang lag der Fokus innerhalb dieser Schnittmenge auf den rund 12 Millionen Menschen, die zu dieser Zeit weltweit von Lepra betroffen waren. Durch die globalen Erfolge in der Leprabekämpfung – zu denen auch FAIRMED beigetragen hat – wurde dieser Fokus nach der Jahrtausendwende neu ausgerichtet. Ein strategisches Facelift, das mit einigen Risiken verbunden war. «Wir standen an einem Wendepunkt», Vernachlässigte Tropenkrankhei- erinnert sich der damalige Präsident ten im Fokus Rolf Lehmann ist Rechtsanwalt und heutige Vize unseres Stiftungs- Doch waren mit dem Abrücken vom und Notar und war von 1995 bis rats, Rolf Lehmann. «Uns war zwar Lepra-Fokus nicht auch Risiken ver- 2018 Präsident der «Leprahilfe klar, dass wir uns weiterhin für die bunden? «Na klar war das zu einem Emmaus Schweiz» und Stiftungs- ratspräsident von FAIRMED. Ärmsten der Welt einsetzen wollen. gewissen Grad auch riskant», sagt Da sich die Zahl der Lepra-Betroffe- unsere damalige Marketing-Che- Anna Opladen leitete von 2003 nen aber erheblich vermindert hatte, fin Anna Opladen rückblickend. «Die bis 2017 die Marketingabteilung von FAIRMED und ist aktuell als wussten wir, dass eine Konzentration Leute in der Schweiz haben uns mit Senior Partnership Manager bei nur auf die tückische Krankheit nicht Lepra in Verbindung gebracht. Plötz- Amnesty tätig. mehr zeitgemäss war.» lich engagierten wir uns für vernach- 1981 1966 Die WHO empfiehlt die Verwendung Die «Aussätzigenhilfe Emmaus Schweiz» der Kombinationstherapie (MDT) zur gehört zu den Gründungsmitgliedern der Behandlung von Lepra. Durch die MDT Internationalen Vereinigung der Lepra- wurde die Resistenzentwicklung ein Hilfswerke ILEP. Die Statuten hat Marcel gedämmt und die Behandlungszeit Farine geschrieben, der auch als ihr ers- verkürzt. ter Präsident fungiert. 12
lässigte Menschen in entlegenen besten gefällt. Um an Sicherheit zu konnten», so Lehmann. Gleichzeitig Gebieten, in denen nicht nur Lepra gewinnen, machten wir auch noch ist er sich aber auch sicher, dass das ein Problem war. Zudem sprachen eine Umfrage bei der Bevölkerung. Ende der FAIRMED-Fahnenstange wir neuerdings von vernachlässigten Die Resultate der noch lange nicht Tropenkrankheiten – ein Begriff, den beiden Tests zeig- «Die Namensfindung erreicht ist: «Ich die meisten Menschen noch nie ten uns klar auf, wünsche mir, dass gehört hatten.» welcher Name war zäh.» unsere Botschaft in zu uns passt», so 20 Jahren in der gan- Wandel als einzige Konstante Opladen weiter. «Seit da heissen wir zen Schweiz bekannt ist. Wir werden Ein Beispiel dieser Transformation FAIRMED.» hoffentlich auf viele erfolgreiche Pro- war das 2001 beginnende Engage- jekte zurückblicken können, die wie ment gegen die Hautkrankheit Buruli Dies war vor zehn Jahren. «Eine Zeit, Keimzellen zum Start von vielen neuen in Kamerun, in dem FAIRMED eine in der wir unseren neuen Namen und Projekten in möglichst vielen verschie- Pionierrolle einnahm. «Zudem war unseren neuen Auftritt in der Schwei- denen Ländern geführt haben.» unsere Organisation lange geprägt zer Bevölkerung bekannt machen von ehrenamtlicher Arbeit, wenigen Mitarbeitenden im Feld, einer kleine- ren Geschäftsstelle und einer starken Ausrichtung auf Indien», erzählt Rolf FAIRMEDs Engagement gegen Buruli schaffte es in die Medien Lehmann. Mit dem Wandel in den 2000er Jahren sei auch eine strake Professionalisierung einhergegangen. 26 | Magazin Montag, 28. August 2017 | BZ «Es herrschte Aufbruchsstimmung», so Lehmann. Die Zahl der Mitarbei- Kampf gegen die «Geister-Krankheit» Bei der Ersten Hilfe tenden in Bern und in den Ländern hapert es stieg schnell an. SCHWEIZ Einer Mehrheit der Bevölkerung täte eine Auffri- schung der Erste-Hilfe-Kennt- nisse gut, ergab eine Umfrage. Denn nur eine kleine Zahl der Befragten kennt die Grundre- geln, die es an einem Unfallort Was jedoch noch fehlte, war ein pas- zu beachten gilt. Zwei von drei befragten Personen sender Name. «Wir wussten, dass (65 Prozent) fühlen sich zwar in der Lage, Erste Hilfe zu leisten, wie die Umfrage von Touring- der Name «Leprahilfe Emmaus Club Schweiz (TCS) und Schwei- zerischem Samariterbund zeigt. Doch die eigenen Kenntnisse Schweiz» nicht mehr zu uns passte. werden offenbar überschätzt. Im Umgang mit einer konkreten Un- fallsituation wären die meisten überfordert. Denn nur gerade 7 Gepaart damit war aber auch die Prozent der Befragten konnten spontan die vier Grundregeln nennen, die bei einem Unfall gel- Angst, die Identifikation der Spende- ten. Und nur ein Drittel war in der Lage, drei dieser vier Mass- nahmen aufzulisten. Die Regeln rinnen und Spender mit unserer Orga- schreiben vor, für die eigene Si- cherheit zu sorgen, den Unfallort zu sichern, die Sanität zu rufen nisation mit einem neuen Namen zu Rätselhafte Tropenkrankheit: Fairmed-Mitarbeiter Fidel Gaetan behandelt in Kamerun einen 10-jährigen Knaben, der an Buruli erkrankt ist. Simon Huber / zvg und Erste Hilfe zu leisten. Ebenso kennt nur ein Drittel der Befragten (32 Prozent) die gefährden», erzählt Anna Opladen. drei Kriterien, anhand derer man den Zustand einer verletzten Per- FORSCHUNG Die Entwick- ‹Körperwelten›», sagt Fairmed- Boock fast zur Verzweiflung son einschätzt. Dazu gehört zu lungsorganisation Fairmed Geschäftsführer Stäheli. Buruli bringt: «Noch heute haben die prüfen, ob diese bei Bewusstsein «Entsprechend zäh war die Namens- in Bern setzt sich dafür ein, dass die Tropenkrankheit Bu- an sich ist zwar nicht tödlich, aber wer an derartigen Wunden leidet traditionellen Heiler in den Dör- fern unglaublich viel Macht», ist, ob sie atmet und ob sie stark blutet oder schwerwiegende Ver- ruli erforscht wird. Das Ziel: sie und in ärmlichen Gebieten unter sagt er. Lange Zeit hatten sich die letzungen hat. findung», schmunzelt sie. «Wir haben möglichst rasch auszurotten. Das ist nicht einfach bei einer mangelhaften Hygienebedingun- gen lebt, riskiert, sich eine tödli- Spitalärzte gewundert, warum al- le Buruli-Patienten, die sie tags- Gelernt und wieder vergessen so geheimnisvollen Krankheit. che Blutvergiftung zuzuziehen. über betreut hatten, abends wie- Geht es um eine bewusstlose Per- mit Hilfe einer Agentur verschiedene Alphonse Um Boock und René Die einzige wirklich wirkungs- volle Therapiemöglichkeit be- der weg waren. Die Erklärung sei sehr einfach gewesen, sagt Um son, die nicht atmet, wissen zwar über zwei Drittel der Umfrage- Stäheli haben hart gearbeitet die- stand lange Zeit in der gross- Boock: «Die Heiler, die glaubten, teilnehmer, dass eine Herzmas- Vorschläge erarbeitet und unsere ser Tage. Aber es hat sich gelohnt, und sie haben wichtige Fort- schritte gemacht im Kampf gegen flächigen Entfernung des be- fallenen Gewebes. «Ein Riesen- problem für die Menschen in in den Beulen sässen starke Geis- ter, wollten diese für sich haben.» Deshalb hatten sie «ihre» Patien- sage angezeigt wäre. Allerdings gibt mehr als die Hälfte an, dass sie sich der Praktik nicht sicher die tropische Krankheit Buruli: Afrika, die oft Stunden von einem ten kurzerhand wieder einge- sei, und nur rund ein Fünftel der bestehenden Spender und Spende- Zusammen mit Länderkoordina- toren aus zwei afrikanischen Spital entfernt wohnen und das Geld für eine Operation und die sammelt und ihnen eingeredet, sie könnten ihnen besser helfen. Befragten konnte die Vorgehens- weise präzise beschreiben. und drei asiatischen Ländern ha- monatelange Behandlungszeit Hier hilft keine vernünftige Ar- Das Problem sei, dass die einst rinnen befragt, welcher ihnen am ben der Arzt aus Kamerun und der Geschäftsleiter der Ent- Gemeinsam gegen Buruli: nicht aufbringen können», sagt René Stäheli. gumentation: Wer endlich doch im Spital landete, weil Hühner- im Erste-Hilfe-Kurs erlernten Praktiken zeitlich oft weit zu- wicklungsorganisation Fairmed Fairmed- Seit 2008 setzen Ärzte zur mist und -federn nicht geholfen rücklägen, hält der TCS in einer in Bern eine Woche daran ge- Geschäftsführer Therapie ein sehr starkes Anti- hatten, musste schlimmstenfalls Mitteilung fest. Die meisten der tüftelt, wie sie für jedes Land die René Stäheli (l.) biotikum ein. Dieses muss aber mit einer Amputation rechnen. befragten Personen hätten zwar angepasste Strategie finden. und der regelmässig gespritzt werden, Wasser auf die Mühlen der tradi- einen Nothelferkurs für den Füh- Diese Zusammenarbeit ist Kameruner Arzt ausserdem kann es starke Neben- tionellen Heiler: «Bei mir müsst rerschein gemacht, das Gelernte wichtig: Nur so kann es gelingen, Alphonse Um wirkungen von Hörschädigung bis ihr so etwas nicht befürchten», seither aber nicht mehr auf- die Tropenkrankheit möglichst Boock in der Nierenversagen auslösen. Gegen- sagten sie ihren Patienten. Solche gefrischt. sda rasch auszurotten – und so nach Geschäftsstelle wärtig werden weniger happige Vorkommnisse stellten eine dem Motto «Leave no one be- von Fairmed in Antibiotika getestet, die auch in grosse Hürde dar für die Schul- hind» (Niemanden zurücklas- Bern. Beat Mathys Tablettenform verabreicht wer- medizin. sen) der Vereinten Nationen den können. «Wahrscheinlich Genau deshalb treffen sich die Falsche 1965 1964 auch jenen zu helfen, die arm sind lässt sich diese Therapie einfacher Länderkoordinatoren regelmäs- und unter mangelhaften hygieni- der Übertragungsweg nicht Krankheit ungehindert ausbrei- durchführen», hofft René Stäheli. sig. Und weil die afrikanischen schen Bedingungen leben. schon Rätsel genug, ist auch die Früherkennung alles andere als ten, und ungefähr nach vier Wo- chen brechen flache Geschwüre Bereits seit ein paar Jahren wird zudem eine Methode getestet, Ärzte die Mentalität ihrer Lands- leute kennen, finden sie manch- Rezepte Frauen und Kinder betroffen einfach: Die Krankheit beginnt auf. bei der die Buruli-Bazillen durch mal äusserst raffinierte Lösun- ARZTPRAXEN Das falsche Me- Das ist eine ziemliche Heraus- mit einer schmerzlosen Schwel- ständige Wärme von mindestens gen, beispielsweise eine Zusam- dikament oder eine falsche Dosis forderung, denn Buruli ist äus- lung der Haut. Noch bevor sie «Zerfressene Bäuche» 38 Grad Celsius absterben sollen. menarbeit mit den traditionellen können gravierende Folgen ha- serst eigenartig. Bisher tappen richtig erkennbar ist, richtet sie Diese fressen sich in die Tiefe Auch hier gilt es, etliche logisti- Heilern: Fairmed vereinbarte mit ben. Eine Studie der Uni Zürich Tropenärzte weltweit im Dun- im Unterhautgewebe schwere und können ganze Muskeln und sche Fragen zu lösen. ihnen, dass sie die Kranken eine zeigt, wie oft solche Zwischenfäl- keln: Sie wissen weder, woher die Zerstörungen an, und zwar, weil Knochen zerstören. Mit ver- Woche lang bei sich behandeln le in Schweizer Hausarzt- und Heiler und Aberglauben Dapson, das zur Behandlung Krankheit kommt, noch, wie sie sich ausbreitet. Den Erreger, das Die Organisation unterstützt die Bazillen ein einzigartiges Gift namens Mycolacton ausschei- bereits heerenden Folgen. «Ich habe Und das ist nur die medizinische schon Kinder gesehen, deren und die ausgetriebenen Geister für sich behalten könnten. «Da- Kinderarztpraxen vorkommen. Besonders häufig sind demnach Mycobacterium ulcerans, konn- den. Dieses zerstört das Gewebe Seite. Dann gibt es noch die ande- Bäuche derart zerfressen waren, nach», sagten die Fairmed-Mit- ältere Patienten betroffen. von Lepra eingesetzt wird, führt ten sie zwar isolieren und als Ver- wandten des Tuberkel- und des 60 Lepra-Stationenre, und verhindert erst noch eine Immunreaktion. So kann sich die in 28 Ländern die «afrikanische» Seite, die den modernen Arzt Alphonse Um nierten Körper der Ausstellung mit dass sie aussahen wie die plasti- arbeitenden, «bleibt nur noch die Krankheit übrig, und um die kön- Ein Jahr lang sollten 148 Haus- ärzte und 32 Kinderärzte in der zu Resistenzentwicklungen. Leprabazillus identifizieren. Aber ob er von Mücken übertragen EHRGEIZIGES ZIEL Zuwendungen im Wert von 1,4 Millionen nen wir uns im Spital kümmern.» Schweiz Fehler bei der Medika- tion ihrer Patienten melden. Aus wird oder über kleine Wunden Hoffen auf ein Wunder diesen Angaben haben Forscher in den menschlichen Organismus Gesundheit auchFranken. für die Ärmsten Eine solche Zusammenarbeit ist des Instituts für Hausarztmedi- gelangt oder irgendwie, via Tröpf- ausschlaggebend: Die traditio- zin der Uni Zürich eine Schät- chen beispielsweise, von Mensch Bis ins Jahr 2030 wollen die Ver heiten. Sie kommt vor allem in troffenen Kinder unter 15 Jahre nellen Heiler sind eine wichtige zung errechnet, wie oft und wel- zu Mensch weitergegeben wer- einten Nationen respektive ihre Zentral- und Westafrika vor, sel- sind, während in Australien Anlaufstelle für die Menschen, che Fehler sich ereignen. Dem- den kann – bisher ist das Rätsel Koordinationsbehörde WHO tener in Australien. Im Jahr 2009 neun von zehn betroffenen Per- und dank dieser Vereinbarung nach geschehen im Schnitt pro nicht gelöst. «Die Vermutung, im (Weltgesundheitsorganisation) wurde bei rund 5000 Menschen sonen älter sind als 15 Jahre. kann die Krankheit in viel frühe- Hausarzt 2 Fehler pro Jahr oder Wasser lebende und stechende verschiedene Ziele für eine nach- Buruli entdeckt, 2014 meldeten Dank dem Einsatz von Fair ren Stadien behandelt werden. 47 pro 100 000 Patienten. Bei Insekten könnten die Überträger haltige Entwicklung erreichen, zwölf der meistbetroffenen med (ehemals Leprahilfe Em- Das heisst, die Auswirkungen Kinderärzten liegt die Fehlerrate sein, liess sich ebenfalls nicht darunter auch Gesundheit für afrikanischen Länder nur noch maus) haben die Regierungen sind weit weniger schlimm. Fair- tiefer, bei 0,15 Fehlern pro Arzt bestätigen», sagt Alphonse Um alle Menschen weltweit und 2400 neue Fälle. Die Zahl der Zentralafrikas das Problem med-Chef René Stäheli hofft, und Jahr oder knapp 3 pro Boock. «So sind etwa Fischer ausgeglichenere Wohlstands- Neuerkrankungen scheint laut wahrgenommen. In Kamerun dass Buruli mit vereinten Kräften 100 000 Patienten. Die meisten kaum betroffen, dafür Frauen und unterschiede. Das Motto lautet WHO vor allem in Zentral- und wurden die Spitäler für die Be- besiegt werden kann. «Falls es Fälle hingen mit einer falschen Kinder umso mehr.» «Leave no one behind» (Nie- Westafrika abzunehmen, wäh- handlung von Buruli ausge- uns gelingt, Buruli auszurotten, Dosierung zusammen. Auf Platz manden zurücklassen), also auch rend sie in Australien seit 2010 rüstet und das Personal ent- hätten wir eine Krankheit zu Gra- zwei folgte die Wahl des falschen Noch keine Impfung Eine Impfung gibt es bisher auch jene nicht, die an unbehandelten Armenkrankheiten leiden. eher zunimmt. Warum das so ist, ist eines der Rätsel rund um Bu- sprechend geschult. Sensibi- lisierungskampagnen haben be getragen, ohne ihren Ursprung zu kennen.» Vielleicht gelingt 13 Medikaments. Im Vergleich zu Spitälern stünden die Hausärzte nicht, gegen einen derart ge- Buruli ist nebst Lepra oder ruli. Ebenso die Frage, warum geholfen, das Tabu um die dieses Wunder – bei einer so ge- mit dieser Fehlerrate aber gut da, heimnisvollen Erreger lässt sich Tuberkulose eine dieser Krank- in Afrika fast die Hälfte der Be- Krankheit zu lockern. clw heimnisvollen Krankheit scheint sagte Studienautor und Hausarzt kein Stoff entwickeln. Als wäre alles möglich. Claudia Weiss Markus Gnädinger. sda
«Mein Vater brachte die Welt nach Bern» Die ersten Jahre der «Aussätzigenhilfe Emmaus Schweiz» waren eine Zeit des Aufbruchs. Miterlebt haben diese Periode sowohl der Berner Schrift- steller Pierre Farine als auch unser ehemaliger Stiftungsrat Richard Hehl. Der eine als Kind eines engagierten, berühmten Vaters und der andere in Operationssälen in Indien und der Türkei. Zwei Zeitzeugen erzählen. «Ich habe im Herbst 1963 mit mei- wohnte Herausforderungen gege- ner Frau und zwei kleinen Söhnen in ben, mit denen er und seine Familie Venedig ein Schiff bestiegen und eine zurechtkommen mussten. «Die drü- Reise ins Ungewisse angetreten», ckende Hitze in einem Haus ohne Pierre Farine ist seit 2006 beginnt Richard Hehl seine Erzählun- Fensterscheiben war schon belas- Geschäftsführer der Kinderhilfe gen. Der pensionierte Facharzt für tend, zudem war auch die Sprach- Emmaus in Bern. Unter dem Pseu- Orthopädische Chirurgie und Hand- barriere schwierig. Und meine erste donym Peter Fahr veröffentlicht chirurgie operierte jahrelang von Lepra Begegnung mit indischem Curry hat er Gedichte, Essays, Erzählungen und Kinderbilderbücher. betroffene Menschen an damals noch mir echt die Sprache verschlagen», exotischen Orten. «Nach zwölf Tagen erinnert er sich. Der pensionierte Facharzt für sind wir in Bombay angekommen, von Orthopädische Chirurgie und Handchirurgie Richard Hehl wo die Reise nach Südindien in eine Ungebetene Gäste praktizierte lange in Bern und komplett andere Welt weiterging.» Er Auch war die Arbeit nicht mit den war bis Herbst 2018 Mitglied habe sich auf dieses Unternehmen Bedingungen in der Schweiz zu verglei- des FAIRMED Stiftungsrates. gefreut, es habe aber auch viele unge- chen. «Die Einheit für Leprachirurgie, 1960 1959 Die Aussätzigenhilfe kann unter ihrem Mitglieder der «Freunde Emmaus Bern» Präsidenten Marcel Farine bereits erste beschliessen, etwas gegen Lepra und Projekte in Kamerun, Tanganjika und für die Betroffenen zu unternehmen. Im Indien unterstützen. Dies deshalb, weil Sinne der Devise «Hilf zuerst den Ärms- zahlreiche Bernerinnen und Berner einem ten» gründen sie das Nationale Komitee Spendenaufruf folgen. für die Aussätzigen, aus dem kurze Zeit später die «Aussätzigenhilfe Emmaus Schweiz» entsteht. 14
wo die Patienten ambulant vor- und in Bern alle Konkurrenten im Quartier mir, dass er ein Lepradorf in Kamerun nachbehandelt wurden, war in einem terrorisierte», lacht er. besuchte, in dem viele der Bewoh- kleinen Nebengebäude des grossen ner von einer weit fortgeschrittenen Missionsspitals untergebracht, in «Brachte die Welt in mein Kinder- Erkrankung gezeichnet waren. Trotz- dem wir die Wiederherstellungsope- zimmer» dem hat er viel Zeit mit den Betrof- rationen ausführten. Und manchmal Ebenfalls viele Geschichten aus der fenen verbracht und das Risiko einer operierte ich auch in einer winzigen Anfangszeit der «Aussätzigenhilfe Ansteckung in Kauf genommen.» Aussenstation mit primitivstem Ope- Emmaus Schweiz» hat Pierre Farine rationsraum, dessen vergitterte Fens- zu erzählen. Sein Vater Marcel grün- Ein Risiko, auf das er hingegen gerne ter zwar die Krähen fernhielten, nicht dete Ende der 50er Jahre die Organisa- verzichtet hätte, sei sein Vater aber aber die zahlreichen Küchenschaben», tion, aus der später FAIRMED wurde in einer der einfachen Dorfhütten ein- erzählt er mit einem Schmunzeln. und war jahrzehntelang ihr erster Prä- gegangen, so Pierre Farine weiter. sident. Später präsidierte er sowohl «Da er auf dem kalten Boden näch- Ärzte mieden Patienten die Schweizerische Emmaus-Vereini- tigen musste, lag er die halbe Nacht Operiert wurde neben den Vor- und gung als auch Emmaus International. wach. Morgens sah er im Halbdunkel Nachbehandlungen an drei Tagen pro an der Wand über seinem Lager die Woche und zwar möglichst zügig, da «Seine Tätigkeit führte meinen Vater Umrisse einer kunstvoll gestalteten viele Patienten mit gelähmten Händen überall hin auf der Welt – er traf sogar Handwerksarbeit, eine Spinne mit lan- und Füssen darauf warteten dranzu- Papst Johannes Paul gen Bastbeinen dar- kommen. Dadurch habe er sich eine II », berichtet Pierre stellend. Als er das grosse Routine erwerben können, so Farine, «mit seinen «Vergittertes Fenster Kunstwerk herun- Hehl. Insgesamt blieb die kleine Fami- Souvenirs brachte er hielt Krähen, nicht aber ternehmen wollte, lie ein Jahr in Indien, bevor man mit die Welt in mein klei- um es genauer zu Sack und Pack für drei Jahre in die Tür- nes Kinderzimmer Küchenschaben fern.» betrachten, nahm kei überschiffte. Dort baute er am Uni- nach Bern». Manch- es krabbelnd Reiss- versitätsspital von Ankara eine Opera- mal habe der Vater auch internationale aus. Da wurde ihm bewusst, dass tions- und Rehabilitationsabteilung für Gäste ins Elternhaus eingeladen. «In er die Nacht unter einer behaarten, von Lepra betroffene Menschen auf, den 60er Jahren dunkelhäutige Afrika- afrikanischen Riesenspinne verbracht die damals noch zahlreich waren, aber ner und Afrikanerinnen zu Besuch zu hatte. An Schlafen war jetzt natürlich von den einheimischen Ärzten ängst- haben, war aussergewöhnlich», sagt nicht mehr zu denken», lacht Farine. lich gemieden wurden. er mit einem Schmunzeln. «In einer Zeit der kollektiven Kleinkariertheit war Ende 1967 endete auch dieser sehr es sehr speziell, einen so weltoffenen befriedigende Einsatz und die Fami- Vater zu haben.» lie, durch eine Tochter vergrössert, zog zurück nach Bern, wo Hehl eine Risiko einer Ansteckung in Kauf Stelle am Inselspital antrat. «Mitge- genommen bracht habe ich wichtige Erfahrungen Speziell sei es auch gewesen, Ge- zur Entwicklungsarbeit, spezialisierte schichten von damals fremden Orten operative Fertigkeiten, ein reiches zu hören, die einem der Vater nicht Mass an schönen Erinnerungen und aus Büchern, sondern aus der eige- einen Angora-Kater aus Ankara, der nen Erinnerung vortrug. «Er erzählte 1956 Marcel Farine trifft Abbé Pierre. In diesem kalten Winter von Temperaturen von bis zu minus 20 Grad beginnt sich Farine mit anderen Freiwilligen für die Armen in der Stadt Bern zu engagieren. Abbé Pierre 15
r en E in s at z f ür die Sie machen unse e r s t m ög li c h! s un dheit der Ä r ms t e n G e Mit Ihrer Spende Mit einer Gönnerschaft mit einem Jahresbeitrag ab 75 Franken Jeder Beitrag, unabhängig von seiner Höhe, hilft mit, vernachlässigte Tropen- krankheiten zu bekämpfen und die Gesundheitsbedingungen benachteiligter Menschen zu verbessern. Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung! Mit einer Erbschaft Aarbergergasse 29 Postfach CH-3001 Bern Telefon +41 (0)31 311 77 97 info@fairmed.ch www.fairmed.ch
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