Willkommen im Baselbiet - BASELLAND - Pro Natura Baselland

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Willkommen im Baselbiet - BASELLAND - Pro Natura Baselland
BASELLAND

                                                lokal
                                         2/06

                         Willkommen im
                         Baselbiet
Karl Weber
Willkommen im Baselbiet - BASELLAND - Pro Natura Baselland
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                                                                   Willkommen im
                                                                   Baselbiet
                                                                   Mit dem Signet des Hochstamm-Obst-        unsere Region und breiten sich erfreu-
                                                                   baumes begrüsst das Baselbiet Gäste       licherweise in unseren Wäldern aus.
                                                                   von nah und fern. Sie sollen die schöne   Wussten Sie, dass in unseren Wäldern
                                                                   Landschaft geniessen und sich hier        neben verwilderten Katzen auch die
                                                                   wohl fühlen. Auch Menschen, die sich      einheimische Wildkatze lebt? Und was
                                                                   im Baselbiet dauernd niederlassen wol-    wissen Sie über Wildschweine, ausser
                                                                   len, sind willkommen. Und mit der         dass diese landwirtschaftlichen Scha-
                                                                   gleichen Haltung sollten wir einwan-      den anrichten?
                                                                   dernde Tiere begrüssen, vor allem,
                                                                   wenn sie eigentlich hier heimisch sind    Diese Spezialausgabe des Pro Natura
                                                                   und bloss ihren ursprünglichen Lebens-    lokal vermittelt viel Wissenswertes
                                                                   raum wieder in Anspruch nehmen.           über Tiere, die man kennt, aber über die
                                                                                                             man oft sehr wenig weiss. Halten Sie
Kai-Uwe Schneemann

                                                                   Luchs, Hirsch und Gämse sind              beim nächsten Spaziergang die Augen
                                                                   bekannte Tierarten, aber kaum jemand      offen, vielleicht finden Sie Spuren die-
                                                                   bringt sie mit dem Baselbiet in Zusam-    ser faszinierenden Tiere oder begegnen
                                                                   menhang. Doch sie gehören auch in         ihnen mit viel Glück sogar persönlich.

                     Impressum
                     Sektionsbeilage zum Pro Natura Magazin,
                     Mitgliederzeitschrift von Pro Natura
                     Baselland
                     Erscheint 4 mal jährlich
                     Herausgeberin:
                     Pro Natura Baselland                                                                     Quellen und Links
                     Geschäftsstelle:
                                                                                                              Gedruckt:
                     Kasernenstrasse 24, Postfach, 4410 Liestal,                                              1Säugetiere der Schweiz, Schweizerische

                     Tel. 061 921 62 62, Fax 061 923 86 51                                                    Akademie der Naturwissenschaften, Birkhäuser
                                                                                                              Verlag, 1995
                     e-mail: pronatura-bl@pronatura.ch,                                                       2Zeitschrift Wildbiologie (vierteljährlich),

                     PC 40-8028-8                                                                             c/o Wildtier Schweiz, Tel. 044 635 61 31,
                                                                                                              wild@wild.unizh.ch
                     Redaktion:                                                                               3Freizeitaktivitäten im Lebensraum der
                     Kai-Uwe Schneemann, Urs Chrétien,                                                        Alpentiere.
                     Urs Leugger, Regula Pulfer                                                               Paul Ingold (Hrsg). Haupt Verlag AG, 2005.
                                                                                                              4Thesen für einen zukunftsgerichteten
                     Text: Kai-Uwe Schneemann, Urs Chrétien                                                   Naturschutz Pro Natura Baselland, 2005
                     Fachliche Beratung: Ignaz Bloch, Oswald                                                  www.pronatura.ch/bl
                     Odermatt (Spuren), Urs Tester, Darius Weber
                     Titelbild: Rothirsch (Foto Karl Weber)                                                   Virtuell:
                     Gestaltung, Satz: Urs Chrétien                                                           Wildtier Schweiz: www.wild.unizh.ch
                     Druck: Steudler Press AG, Basel                                                          Wolf, Luchs, Bär: www.kora.ch
                                                                                                              Wildtierbiol. Arbeitskreis: www.wildark.ch
                     Auflage: 6000 Ex.
                                                                                                              Wildtierforschung Region Basel:
                     Pro Natura lokal ist auch im Internet unter                                              www.wildtierforschung.ch
                     www.pronatura.ch/bl abrufbar                                                             WSL: www.wsl.ch/programme/waldwild
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                                                                                     Der Luchs
                                                                                                                               Der Luchs war einst in der ganzen
                                                                                                                               Schweiz heimisch. Durch Bejagung
                                                                                                                               und die zunehmende Entwaldung ist er
                                                                                                                               aus dem Mittelland verschwunden,
                                                                                                                               später wurde er auch aus dem Jura und
                                                                                                                               den Alpen verdrängt. Die letzte histori-
                                                                                                                               sche Luchsbeobachtung erfolgte 1904
                                                                                                                               in der Gegend des Simplonpasses.

                                                                                                                               Seit den 70er Jahren laufen in einigen
                                                                                                                               Ländern West- und Mitteleuropas Wie-
                                                                                                                               deransiedlungsversuche. 1971 wurden,
                                                                                                                               vom Bundesrat bewilligt, die ersten
                                                                                                                               Luchspaare aus den Karpaten im Kan-
                   Karl Weber

                                                                                                                               ton Obwalden freigelassen. Seit dieser
                                                                                                                               Wiederansiedlung haben sich in der
                                                                                                                               Schweiz zwei Luchspopulationen ent-
                                                                                     Er ist nicht scheu, aber sehr heimlich.   wickelt, eine im Jura und eine in den
BL

                                                                                     Kaum einer wird ihn je zu Gesicht         Nordwestalpen.
eiwesen

                                                                                     bekommen, auch wenn der Luchs das
   Fischer

                                                                                     Baselbiet zunehmend durchstreift. Der     Von rund tausend Beutetieren, welche
                                                                                     Laie wird über seine Anwesenheit          in der Schweiz im Rahmen radiotele-
      gd und

                                                                                     allenfalls aus Zeitungsberichten erfah-   metrischer Untersuchungen bisher
                  är-, Ja

                                                                                     ren, wenn wieder einmal ein Tier in       gefundenen wurden, sind 88% Rehe
          Veterin

                                                                                     eine Fotofalle getappt oder dem Auto-     und Gämsen. Andere Wildtierarten bil-
                                                                                     verkehr zum Opfer gefallen ist. Aber      den bloss eine Gelegenheitsbeute. Ein
                                                                                     der Luchs ist tatsächlich in unserer      Luchs braucht pro Woche ungefähr ein
                                                                                     Region und dies seit Jahren! Im Rah-      Reh oder eine Gämse, das heisst gut
                                                                                     men des Programms KORA (Koordi-           50 Tiere pro Jahr. Verglichen mit dem
                                                                                     nierte Forschungsprojekte zur Erhal-      Autoverkehr, durch den im Kanton gut
                                Steckbrief                                           tung und zum Management der Raub-         200 Tiere pro Jahr verunfallen, gibt er
                                                                                     tiere in der Schweiz) ist man ihm mit     sich also mehr als bescheiden!
                                In der Schweiz kommt der eurasische Luchs
                                (Lynx lynx) vor. Der Luchs hat sehr gute Augen
                                                                                     Richtantennen und Fotofallen auf den
                                und ein sehr scharfes Gehör. Bei seiner Jagd         Fersen, um seine Verbreitung in der       Haustiere – vor allem Schafe – spielen
                                bedient er sich des Überraschungsangriffs. War       Schweiz zu untersuchen. Immerhin          nur lokal und zeitlich beschränkt eine
                                der Angriff erfolgreich, verschlingt der Luchs die   leben etwa 30 Luchse im Jura. Eine        Rolle. Luchse die sich ausschliesslich
                                Beute nicht in einem Mal, sondern kehrt während
                                                                                     zweite davon isolierte Population lebt    von Schafen ernähren, sind selten.
                                mehrerer Nächte an seinen Riss zurück.
                                Der Luchs lebt einzelgängerisch in Revieren,
                                                                                     in den Nordwestalpen.                     Solche Spezialisten dürfen mit Einwil-
                                deren Grösse stark schwankt. Im Durchschnitt                                                   ligung des BAFU abgeschossen wer-
                                beträgt sie bei Männchen im Jura etwa 300 km2,       Erstmals im Frühjahr 2005 ist bei Lan-    den. Nach der Schadensstatistik der
                                bei Weibchen 170 km2. Er kann 14 bis 16 Jahre        genbruck ein Luchs auf Baselbieter        KORA sind im Baselbiet bisher noch
                                alt werden. Männchen und Weibchen leben die
                                                                                     Boden in eine Fotofalle getappt.          keine Nutztiere von Luchsen gerissen
                                meiste Zeit getrennt. Nur während der Ranzzeit,
                                im März und Anfang April, verbringen sie län-
                                                                                     Wenige Monate später wurde im Raum        worden.
                                gere Zeit miteinander. Luchsweibchen werden          Diegten eine Luchsmutter mit ihren
                                mit zwei Jahren geschlechtsreif, Männchen meist      Jungen beobachtet. Als trauriger Nach-    Die Akzeptanz bei Jägern und Land-
                                erst mit drei Jahren. Nach einer Tragzeit von        weis ist Ende 2004 bei Muttenz ein        wirten ist denn auch gross. Viele Jäger
                                68–72 Tagen bringt die Luchsin Ende Mai bis
                                                                                     Luchs Opfer eines Verkehrsunfalls         sind sogar stolz darauf, dass es in unse-
                                Anfang Juni 1–4 Junge zur Welt. In den ersten
                                Lebenswochen werden sie an einem gut
                                                                                     geworden. Verschiedene Beobachtun-        rer Region wieder Luchse gibt und hof-
                                geschützten Ort von der Luchsin gesäugt, bis sie     gen von Jägern und Wanderern gab es       fen wie viele andere, dieses schöne Tier
                                der Mutter zu der erlegten Beute folgen können.      jedoch schon seit Jahren.                 doch einmal zu Gesicht zu bekommen.
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                                                                              Die Gämse
                                                                                                                        Gemäss Ignaz Bloch, dem Leiter des
                                                                                                                        Veterinär-, Jagd- und Fischereiwesens,
                                                                                                                        soll der Bestand aber eher zurückhal-
                                                                                                                        tend bejagt und der Gamsbestand so
                                                                                                                        moderat auf etwa 150 Tiere wachsen
                                                                                                                        können. Ausserdem haben die Kantone
                                                                                                                        Baselland und Solothurn vor, die Gäm-
                                                                                                                        sen und deren Wanderverhalten wis-
                                                                                                                        senschaftlich untersuchen zu lassen.

                                                                                                                        Mit ihren Hufen ist die Gämse hervor-
                                                                                                                        ragend für ihren Lebensraum im Fels-
                                                                                                                        gebiet gerüstet. Die harten Schalenrän-
       Claude Morerod

                                                                                                                        der und die elastische Sohle erleichtern
                                                                                                                        das Klettern. Im Sommer, wenn sich
                                                                                                                        die Schalenränder am Fels abschleifen,
                                                                                                                        findet die Gämse mit der weichen
                                                                              Die Gämse bringen wir spontan mit         Sohle guten Halt. Im Winter hingegen
                                                                              den Alpen in Verbindung. Doch auch        verhilft die scharfe Kante zu sicherem
                                                                              im Kanton Baselland kommt sie vor.        Tritt auf vereisten Flächen.
                                                                              Nach jüngsten Zählungen darf man im
                                                                              Kanton von etwa 110 Tieren ausgehen.      Geissen, Kitze und Jungtiere im zwei-
                                                                              Auch wenn die heutigen Gamsbestände       ten Lebensjahr leben in Rudeln, deren
       étien

                                                                              auf Aussetzungen in den 50er Jahren       Grösse und Zusammensetzung stark
Urs Chr

                                                                              zurückgehen, so ist die Gämse dennoch     wechseln. Böcke dagegen leben ein-
                                                                              eine einheimische Tierart. Dies belegen   zeln oder in Junggesellengruppen. Nur
                                                                              unter anderem Knochenfunde aus dem        zur Paarungszeit im Herbst schliessen
                                                                              Mittelalter.                              sie sich den Geissrudeln an.

                                                                              Im Gebirge leben Gämsen bevorzugt         Gämsen sind sehr empfindlich, was
                                                                              nahe der Waldgrenze. Im Winter, wenn      Störungen durch den erholungssuchen-
                            Steckbrief                                        die Nahrungssuche erschwert ist, stei-    den Menschen angeht3. Nähern sich
                            Die Gämse (Rupicapra rupicapra) hat eine
                                                                              gen sie auch in tiefere Lagen ab. Auch    ihnen beispielsweise Wanderer oder
                            schlanke, ziegenartige Statur, eine ausgeprägte   im Baselbiet kommen sie vornehmlich       Kletterer auf eine Distanz von 200
                            Gesichtsmaske und trägt kleine, an der Spitze     in höheren Lagen vor. Allein um den       Meter, flüchten sie je nach Beschaffen-
                            nach hinten gebogene Hörner. Gämsen sind Wie-     Blauen leben bis zu 40 Tiere. Daneben     heit des Geländes bis 250 Meter weit,
                            derkäuer. Im Sommer ernähren sich Gämsen vor
                                                                              haben sie die Gebiete Passwang-Lau-       bei Mountainbikern sogar doppelt so
                            allem von Gräsern und Kräutern, nebst Grüntei-
                            len von Stauden, Sträuchern und Bäumen. Im
                                                                              wil und Bölchen besiedelt. Vereinzelt     weit. Zudem reagieren sie im Winter
                            Winter gehören auch Moose und Farne zu ihrer      sind aber auch Tiere in tieferen Lagen,   viel empfindlicher als im Sommer.
                            Nahrung. Wasser trinken sie nur selten. Gele-     so beispielsweise bei Arlesheim beob-     Daher können beispielsweise naturver-
                            gentlich finden sich in ihrem Magen sogenannte    achtet worden. Gämsen brauchen zwar       bundene Schneeschuhläuferinnen und
                            Gamskugeln. Diese werden durch Zusammen-
                                                                              Felsen als Rückzugsgebiete, diese müs-    -läufer die Tiere im Winter empfindlich
                            ballungen von Pflanzenfasern, Harz, Haaren und
                            anderen unverdaulichen Bestandteilen gebildet
                                                                              sen aber offensichtlich nicht im Hoch-    stören, wenn sie sich quer durchs
                            und können einen Durchmesser von bis zu 15 cm     gebirge sein.                             Gelände bewegen. Umgekehrt gewöh-
                            erreichen.                                                                                  nen sich die Tiere gut an wiederkeh-
                            Gämsen sind Rudeltiere. Die Paarungszeit dauert   Seit den 70er Jahren hat der Gamsbe-      rende Störungen auf Wanderwegen und
                            von Oktober bis Dezember. Nach einer Tragzeit
                                                                              stand im Kanton – begünstigt durch        weichen diesen aus.
                            von etwa 6 Monaten bringen die Geissen im
                            Frühsommer in der Regel 1 Junges zur Welt.
                                                                              ein absolutes Abschussverbot – konti-
                            Gämsen können 14 bis 20 Jahre alt werden, ster-   nuierlich zugenommen. Seit 1993
                            ben in der Regel aber wesentlich früher.          besteht dieser Schutz nicht mehr.
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                                                                          Der Rothirsch
                                                                                                                    Ursprünglich      lebten      Rothirsche
                                                                                                                    flächendeckend vom Meeresniveau bis
                                                                                                                    in 2800 m Höhe. Heute ist ihre Verbrei-
                                                                                                                    tung aufgesplittet in kleine, oft isolierte
                                                                                                                    Restvorkommen. Die intensive Nut-
                                                                                                                    zung der offenen Landschaft (Agrar-
                                                                                                                    wirtschaft, Siedlungen, Verkehr u.a.)
                                                                                                                    hat zusammen mit einem starken Jagd-
                                                                                                                    druck fast überall dazu geführt, dass
                                                                                                                    die Tierart nur noch dort existieren
                                                                                                                    kann, wo sie genügend grosse Wälder
                                                                                                                    als Rückzugsgebiete vorfindet.

                                                                                                                    Nach einer vom Kanton in Auftrag
          Karl Weber

                                                                                                                    gegebenen Studie sind die Gebiete
                                                                                                                    Blauen und Bölchen für die Besiedlung
                                                                                                                    durch Rothirsche gut geeignet, dane-
                                                                          Hirschbrunft im Baselbiet als             ben gibt es mehrere kleinere bedingt
                                                                          Touristenattraktion? Vielleicht können    geeignete Gebiete, die aber immerhin
                                                                          wir dieses Naturspektakel tatsächlich     alle miteinander vernetzt sind.
                                                                          bald vor unserer Haustüre miterleben,
L
att, WS

                                                                          denn der «König der Wälder» hat das       Rothirsche leben in Rudeln, die fast
                                                                          Baselbiet wieder entdeckt. Aus dem        ganzjährig nach Geschlechtern ge-
   Oderm

                                                                          angrenzenden Frankreich und dem           trennt sind. Solche Rudel können selbst
     Oswald

                                                                          Kanton Jura wagt er sich allmählich in    optimale Nahrungsgebiete übernutzen.
                                                                          die Nordwestschweiz zurück.               Dies führt heute, insbesondere im
                                                                                                                    Wald, zu Konflikten mit der Forstwirt-
                                                                          Um 1850 galt der Rothirsch landesweit     schaft, während sich die Jäger über ihre
                                                                          als ausgerottet. Die Wiederbesiedlung     Anwesenheit freuen. Solche Konflikte
                                                                          setzte jedoch bereits ab 1870 von         lassen sich nur durch eine auf die
                                                                          Österreich her ein. Auch in der Nord-     Rothirschbiologie ausgerichtete Jagd-
                                                                          westschweiz erobert er sich nun einen     planung bei gleichzeitiger Verbesse-
                                                                          Lebensraum zurück, aus dem er einst       rung des Lebensraumes entschärfen.
                                                                          vom Menschen verdrängt wurde. Von
                                                                          einem festen Bestand kann zwar noch       Im September ist die einzige Phase im
                                                                          keine Rede sein, doch mit einer           Jahr, in der beide Geschlechter zusam-
                       Steckbrief                                         ganzjährigen Schonzeit wird der           menkommen. Nach der Brunft trennen
                       Der Rothirsch (Cervus elaphus) ist nach dem
                                                                          gesetzliche Auftrag umgesetzt, dem        sich die Geschlechter wieder, und die
                       Elch die grösste Hirschart Europas und das grös-   Hirsch Lebensraum zur Verfügung zu        Tiere beziehen ihre Überwinterungsge-
                       ste einheimische Säugetier. Männliche Rothir-      stellen, wenn er ins Kantonsgebiet vor-   biete. Rothirsche sind zwar ausgespro-
                       sche tragen ein grosses und vielverzweigtes        dringt. Und ein gewisser Druck ist da,    chen ortstreu. Dennoch wandern ein-
                       Geweih aus Knochensubstanz. Rothirsche sind
                                                                          wie Ignaz Bloch, Kantonstierarzt und      zelne Tiere – oft 2–3jährige – bis zu
                       Wiederkäuer. Das Nahrungsspektrum reicht von
                       saftigen Gräsern, Seggen, Kräutern und Knospen
                                                                          Leiter Veterinär-, Jagd- und Fischerei-   100 km weit und können so neue
                       bis hin zu Baumrinde, Tannennadeln, Zweigen        wesen, erklärt: Neben Beobachtungen       Lebensräume erschliessen. Vielleicht
                       und Flechten. Zwischen 8–20 kg frische Nah-        im Raum Aesch-Ettingen gibt es            gelingt dies ja auch in unserem Kan-
                       rung braucht ein Rothirsch täglich. Die Paa-       direkte Nachweise aus Giebenach, wo       tonsgebiet.
                       rungszeit (Brunft) dauert von September bis
                                                                          ein Tier leider überfahren wurde und
                       Oktober. Nach einer Tragzeit von etwa 8 Mona-
                       ten bringt die Hirschkuh meist ein Junges zur
                                                                          aus Kleinlützel, wo im Frühjahr 2005
                       Welt. Rothirsche können bis 30 Jahre alt werden,   knapp jenseits der Kantonsgrenze ein
                       sterben in der Regel aber wesentlich früher.       Hirsch abgeschossen wurde.
Willkommen im Baselbiet - BASELLAND - Pro Natura Baselland
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                                                                          Die Wildkatze
                                                                                                                    Heute ist die Wildkatze in der Schweiz
                                                                                                                    nur im Jura und seinen Ausläufern hei-
                                                                                                                    misch. Auch im Baselbiet kommt sie
                                                                                                                    vor. Sichere Belege gibt es aus dem
                                                                                                                    Gebiet der Blauen-Kette und aus dem
                                                                                                                    Lützeltal, sagt Darius Weber vom Büro
                                                                                                                    Hintermann & Weber AG, der zur Zeit
                                                                                                                    mit Unterstützung des Veterinär-, Jagd-
                                                                                                                    und Fischereiwesens Baselland das 12-
                                                                                                                    monatige Projekt «Wildkatze BL»
                                                                                                                    bearbeitet. Ein Hauptziel des Projekts
                                                                                                                    ist die Erhebung des Wildkatzenbe-
                                                                                                                    standes im Kanton.
    Karl Weber

                                                                                                                    Die Wildkatze bevorzugt warme und
                                                                                                                    sonnige und vor allem reich struktu-
                                                                                                                    rierte Laub- und Laubmischwälder und
                                                                          Auf leisen Pfoten schleicht sie durchs    gilt als Zeiger für ein weitgehend intak-
                                                                          Unterholz, die kleine, schwach geti-      tes Ökosystem. Entscheidend ist die
                                                                          gerte Wild- oder Waldkatze. Wer           Grösse der Waldgebiete – je grösser
                                                                          jemals das Glück hat, diesem scheuen      desto besser. Von grosser Bedeutung ist
                                                                          Räuber zu begegnen, dürfte ihn wohl       auch die winterliche Schneehöhe. Da
                                                                          für eine streunende Hauskatze halten.     ihre Hauptbeute Kleinsäuger, vor allem
Weber

                                                                                                                    verschiedene Mausarten sind, die sie
 Darius

                                                                          Tatsächlich ähneln Wildkatzen man-        bereits unter einer 20 cm dicken
                                                                          chen Hauskatzen auch sehr. Sie unter-     Schneedecke nicht mehr erbeuten
                                                                          scheiden sich von ähnlich gefärbten       kann, ist sie auf schneefreie Gebiete
                                                                          Hauskatzen durch den buschigen            angewiesen. «Alles, was die Wildkatze
                                                                          Schwanz, der in einer stumpfen Spitze     braucht, ist wenig Schnee und viele
                                                                          endet und dunkle Ringe trägt und einer    Mäuse», bringt es Darius Weber auf
                                                                          immer fleischfarbigen und hellen Nase.    den Punkt.
                                                                          Außerdem ist die Behaarung bei Wild-
                                                                          katzen länger, das Fellmuster nie deut-   Wildkatzen sind vornehmlich nacht-
                                                                          lich ausgeprägt, und die Beine sind       aktiv und leben weitgehend solitär.
                                                                          dicker als bei der Hauskatze.             Dies erschwert ihre Beobachtung und
                     Steckbrief                                                                                     verlangt nach besonderen Untersu-
                                                                          Früher war die Wildkatze in ganz          chungsmethoden. Mit Fotofallen kön-
                     Wildkatzen (Felis silvestris) sind vorwiegend
                     während der Nacht aktiv. Sie leben einzelgänge-      Europa verbreitet. Bejagung und Zer-      nen zwar Individuen anhand der Fell-
                     risch. Während weibliche Tiere bei einer durch-      schneidung oder gar Vernichtung ihres     merkmale wiedererkannt werden.
                     schnittlichen Streifgebietsgrösse von 3,7 km2        Lebensraums führten zu einem drasti-      Wirklich sicher können Wildkatzen
                     sehr standorttreu leben, liegt die mittlere Grösse   schen Bestandesrückgang. Am Ende          von Hauskatzen aber nur durch geneti-
                     der Reviere von Katern im Durchschnitt bei
                                                                          des 18. Jahrhunderts war sie in der       sche Untersuchungen, z.B. an Haaren
                     23 km2.
                     Etwa 66 Tage nach der Paarung im Februar bis         Schweiz praktisch ausgerottet.            unterschieden werden, wie sie im Rah-
                     März wirft die Katze 3 – 4 Junge, die anfangs                                                  men des Projektes «Wildkatze BL»
                     noch blind sind. Wildkatzen werden in der freien     Seit 1962 steht die Wildkatze in der      durchgeführt werden.
                     Natur etwa 3 Jahre alt. Übrigens stammt unsere       Schweiz unter Schutz. Die Gefahr, das
                     Hauskatze nicht von der Wildkatze sondern von
                                                                          Wildkatzen versehentlich von Jägern,
                     der nordafrikanischen Falbkatze ab, die die
                     Ägypter vor 4000 Jahren zähmten und die Römer        die sie für verwilderte Hauskatzen hal-
                     später in grosser Zahl nach Mitteleuropa brach-      ten, abgeschossen werden, ist aber
                     ten.                                                 recht gross.
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                                                                         Das Wildschwein
                                                                                                                    rinär-, Jagd- und Fischereiwesen. Die
                                                                                                                    Gründe dafür seien ein gutes Mastjahr
                                                                                                                    2004 und zu wenige Abschüsse von
                                                                                                                    Sauen. Aber man hat reagiert und ein
                                                                                                                    Jagdkonzept erarbeitet, das nun in die
                                                                                                                    Umsetzung geht. Hauptaspekte sind,
                                                                                                                    mehr Frischlinge und weniger adulte
                                                                                                                    Sauen zu schiessen und den Jagddruck
                                                                                                                    im Feld zu erhöhen. Dadurch sollen die
                                                                                                                    sehr lernfähigen Tiere veranlasst wer-
                                                                                                                    den, im Wald zu bleiben. Obwohl sie
                                                                                                                    das Offenland oft zur Nahrungssuche
                                                                                                                    aufsuchen, gelten sie als ausgespro-
                                                                                                                    chene Waldbewohner. Auch Urs Tester,
        Karl Weber

                                                                                                                    Säugetierexperte bei Pro Natura, ist
                                                                                                                    überzeugt, dass die Jagd angepasst
                                                                                                                    werden muss. Man muss ihre Lern-
                                                                         Imposant und furchterregend sehen sie      fähigkeit nutzen und sie durch gezielte
                                                                         aus, die grossen Keiler – und herzig       Jagd auf Feldern dazu bringen, im Wald
                                                                         sind umgekehrt die gestreiften Frisch-     zu bleiben. Erziehung statt Reduktion
                                                                         linge. Den einen bringen sie Glück –       um jeden Preis soll die Devise sein.
emann

                                                                         den anderen nichts als Ärger. Die Mei-
                                                                         nungen und Einschätzungen gehen bei        Denn Wildschweine kompensieren
  e Schne

                                                                         dieser faszinierenden Tierart denn auch    Reduktionen mit atemberaubender
    Kai-Uw

                                                                         stark auseinander. Weil sie bei der Nah-   Geschwindigkeit. Die Population kann
                                                                         rungssuche im Wald oft Raupen und          im Jahr um das Dreifache wachsen. Bei
                                                                         Puppen von Forstschädlingen fressen        einem Eingriff in die Natur, wenn zum
                                                                         und mit ihrem Wühlen überdies den          Beispiel eine Leitbache abgeschossen
                                                                         Waldboden durchlüften, sind sie im         wird, können Frischlinge schon mit
                                                                         Forst gern gesehen. Auf Wiesen und         neun Monaten geschlechtsreif werden,
                                                                         Feldern gelten sie dagegen als Schäd-      statt wie normal erst im Alter von zwei
                                                                         linge. Dank ihrer grossen Anpassungs-      Jahren. Dazu kommt, dass die Jagd auf
                                                                         fähigkeit nutzen Wildschweine zum          Wildschweine schwierig ist, da sie
                     Steckbrief                                          Leidwesen der Landwirte zusehends          weder nach einem bestimmten Zeitplan
                     Wildschweine (Sus scrofa) sind intelligente,        das Angebot moderner Agrarwirt-            noch auf bekannten Routen verkehren.
                     sozial hochentwickelte Tiere. Sie sehen nicht       schaft. In Getreide- und Maisfeldern       Die Jäger müssen also viel Zeit inve-
                     sehr gut, dafür riechen und hören sie umso bes-
                                                                         finden sie Nahrung und gleichzeitig        stieren. Aber auch die Landwirte müs-
                     ser. Die erwachsenen Weibchen (Bachen) leben
                     mit den Frischlingen und den älteren Töchtern
                                                                         Ruhe, wenn in angrenzenden Wäldern         sen ihre Verantwortung ernst nehmen
                     gesellig in Rotten. Angeführt wird die Rotte von    Jäger nach ihrem Leben trachten.           und ihre Felder schützen, um die Schä-
                     der Leitbache, dem ältesten und erfahrensten                                                   den zu begrenzen.
                     Tier. Die männlichen Tiere (Keiler) leben, ausser   In der Schweiz kamen Wildschweine
                     zur Paarungszeit, einzelgängerisch. Zur Brunft
                                                                         seit jeher vor. Zwischenzeitlich waren     Wildschweine sind Allesfresser: Von
                     (Rauschzeit), etwa November-Januar, finden
                     sich die Keiler bei den Rotten ein. Nach einer
                                                                         sie jedoch praktisch ausgerottet. In       pflanzlicher bis tierischer Nahrung,
                     Tragzeit von 16 – 20 Wochen bringen die Bachen      einigen Kantonen, darunter das Basel-      von Insektenlarven bis zu verendetem
                     4 bis 6 Frischlinge zur Welt. Wildschweine wer-     biet, ist die Population in den letzten    Wild nehmen sie alles zu sich. Frisch-
                     den in der freien Natur bis zu zehn Jahre alt und   Jahren stark gewachsen, und die Wild-      linge brauchen eiweissreiche Kost und
                     wiegen ausgewachsen weit über 150 Kilo. Da
                                                                         schweinschäden an Feld und Wiesen          fressen deshalb gerne Kleintiere.
                     Raubtiere als natürliche Feinde fehlen, sind die
                     häufigsten Todesursachen neben Krankheiten
                                                                         haben zugenommen. Im Baselbiet war
                     und mangelnder Nahrung im Winter die Jagd und       das Jahr 2005 ein Rekordjahr für Wild-
                     der Autoverkehr.                                    sauen, sagte Ignaz Bloch, Leiter Vete-
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                      Im Baselbieter Wald
                      lässt’s sich gut leben!
                                                                 Haselhühner und Waldschnepfen oder
                                                                 sogar Auerhühner bei uns wieder
                                                                 wohler fühlen. Es wäre zudem wünsch-
                                                                 bar, dass in den Ruhezonen vermehrt
                                                                 auch völlig auf die Jagd verzichtet wird
                                                                 und zusätzliche kommunale und kanto-
                                                                 nale Jagdbanngebiete ausgeschieden
                                                                 werden, um den Waldtieren wirklich
                                                                 ungestörte Rückzugsgebiete zu bieten.

                                                                 Grundsätzlich steht Pro Natura der
                                                                 Jagd jedoch positiv gegenüber, insbe-
                                                                 sondere dann, wenn sie nach den
                                                                 Regeln einer nachhaltigen Hegejagd
     Karl Weber

                                                                 erfolgt, d.h. einer Jagd auf der Basis
                                                                 gesicherter und gesunder Wildbe-
                                                                 stände. Es gibt keine tiergerechtere
                      Es ist ein gutes Zeichen für den           Haltung als die freie Wildbahn. Jagd-
                      Zustand unserer Wälder, wenn               lich genutzt wird dabei alljährlich nur
                      sich Tiere das Baselbiet als               ein Teil der natürlichen Vermehrung,
                      neuen Lebensraum aussuchen.                damit die Bestände nicht gefährdet
                      Die grösste Gefahr für alte und            werden. Dabei wird darauf geachtet,
                      neue Waldbewohner geht vom                 das Wild so wenig wie möglich zu
Bühler

                      Verkehr und von wildernden                 stören und zu verängstigen.
   Sarah

                      Hunden aus.
                                                                 Die grösste Bedrohung für die Wald-
                      Pro Natura Baselland begrüsst, dass        tiere stellt neben wildernden Hunden
                      Tiere, die ehemals einheimisch waren       der Verkehr dar. Jährlich werden Hun-
                      nun ins Baselbiet zurückkehren. Sie        derte von Wildtieren überfahren oder
                      haben ein Recht darauf, hier zu leben.     ernsthaft verletzt. Aber auch die Zer-
                      Schliesslich sind nicht sie, sondern wir   schneidung und Isolierung der Lebens-
                      die Eindringlinge. Der Mensch hat die      räume durch Strassen und Bahnlinien
                      Tiere einst vertrieben und ihnen den       sind langfristig eine grosse Bedrohung.
                      Lebensraum genommen.                       Eine natürliche Wanderung und der
                                                                 genetisch notwendige Austausch zwi-
                      Aber nun kehren sie zurück, und offen-     schen den Populationen ist in der
                      sichtlich lassen sie sich auch nicht       Schweiz stark erschwert. So wandern
                      durch die vielen Menschen im Wald          fast alle Tiere über den Jurabogen in
                      abhalten. Ein Mit- und Nebeneinander       unseren Kanton ein. Das Mittelland ist
                      von Natur, Erholungsnutzung und einer      für sie kaum zu durchqueren.
                      naturnahen Wald- und Landwirtschaft
                      ist möglich und sinnvoll. Wichtig sind     Pro Natura Baselland hat sich in ihren
                      jedoch Rücksicht und Respekt. Not-         Thesen für einen zukunftsgerichteten
                      wendige Einschränkungen wie bei-           Naturschutz4 zu einem dynamischen
                      spielsweise die Leinenpflicht für          Artenschutz sowie zu einem Miteinan-
                      Hunde während der Brut- und Setzzeit       der von Mensch und Tier bekannt. In
                      sowie die im neuen Jagdgesetz vorge-       dieser Richtung wollen wir weiterar-
                      sehenen Wildruhezonen sind einzuhal-       beiten. Auf dass sich Mensch und Tier
                      ten. So werden sich vielleicht auch        im Baselbiet wohl und willkommen
                      störungsanfälligere Tierarten wie          fühlen.
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