Was kommt nach der Abwrackprämie? - Vorschlag für eine zukunftsfähige Ausrichtung der Automobilindustrie

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Was kommt nach der Abwrackprämie?
Vorschlag für eine zukunftsfähige Ausrichtung der Automobilindustrie

HERMANN SCHEER

Die Abwrackprämie (offiziell: Umweltprämie)          ausschließlich mit Strom aus Erneuerbaren Ener-
war ein Erfolg, weil sie geholfen hat in einer       gien betrieben wird. Denn nur dann ist sie ökono-
Wirtschaftskrise Arbeitsplätze zu sichern. Viele     misch und ökologisch ein wirklicher Fortschritt.
auf absehbare Zeit ohnehin geplante Autokäufe
wurden vorgezogen und die Zahl der Neuzulas-         In diesem Papier soll kurz dargestellt werden, wel-
sungen stieg demgemäß spürbar an. Allerdings         che Herausforderungen und Chancen sich der
hat die Prämie nicht dazu beigetragen, die           Fahrzeugindustrie im Bereich der Elektromobilität
Fahrzeugindustrie zukunftsfähig auszurichten –       bieten, wie sich diese zuverlässig mit Erneuerbaren
sie hatte keinen Innovations- und Strukturef-        Energien verbinden lässt und welche staatlichen
fekt. Der Name „Umweltprämie“ ist deshalb            Maßnahmen dafür notwendig sind.
unangebracht, denn über ein reines Konjunk-
turprogramm für die Autohersteller ist das Kon-
zept nicht hinausgekommen. Wenn man die              Die Unentschlossenheit von
Prämie auf neue und umweltfreundliche Fahr-          Politik und Industrie
zeugkonzepte – wie Hybrid- oder Voll-Elektro-
fahrzeuge – ausgerichtet hätte, wäre dies kurz-      Seit vielen Jahren werden auf Automobilmessen
fristig kaum möglich gewesen: Die deutschen          und Konferenzen Prototypen für Elektromobile
Hersteller hatten bis jetzt solche Fahrzeuge         vorgestellt (Hinweis: in den Medien werden gele-
nicht im Angebot. Erst in diesem Sommer sind         gentlich auch Hybridfahrzeuge als „Elektrofahr-
die ersten Hybridfahrzeuge (sog. Voll- und           zeuge“ bezeichnet. In diesem Papier sind mit den
Mild-Hybride) auf den Markt gekommen.                Begriffen Elektromobil/Elektrofahrzeug aus-
                                                     schließlich Fahrzeuge umschrieben, die nur über
      nsofern kann die Abwrackprämie nur ein         einen Elektromotor angetrieben werden und keinen

I     erster Schritt gewesen sein, der den Automo-
      bilproduzenten geholfen hat ein Konjunktur-
tief zu überwinden. Nun müssen sie in einem zwei-
                                                     Verbrennungsmotor mehr besitzen – Zitate sind
                                                     davon ausgenommen). In den Verkaufsräumen der
                                                     großen Autohersteller finden sich aber nach wie
ten Schritt zukunftsfähig ausgerichtet werden.       vor nur Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Was
Hierzu ist ein Folgeprogramm nötig, das die breite   man allerhöchstens erwerben kann, sind sogenannte
Markteinführung der Elektromobilität unterstützt.    Hybridfahrzeuge, also Pkw, die Verbrennungs- und
Die Technologie dafür ist vorhanden, der Bedarf      Elektromotor kombinieren. Wer ein Elektromobil
auch und die wirtschafts- und umweltpolitische       kaufen möchte, hat es schwer: Als Kunde muss er
Notwendigkeit ebenso. Die Elektromobilität kann      sich mühsam auf die Suche nach einem Hersteller
und muss sozusagen in einem fliegenden Start jetzt   machen, statt umworbener Käufer zu sein. Vor die-
in den Markt gebracht werden. Zusätzlich muss        sem Hintergrund erscheint es als sachlich zwar
dafür gesorgt werden, dass die Elektromobilität      richtig, politisch aber gewagt, wenn das Bundes-

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verkehrsministerium optimistisch verkündet:             D i e Te c h n o l o g i e i s t v e r f ü g b a r
„Elektrofahrzeugen gehört die Zukunft. Sie wer-
den vor allem im Stadtverkehr bald zum Alltag           Von der Batterie, die ein Elektrofahrzeug mit sich
gehören.“ So klar diese Zukunft formuliert wird,        führt, hängt zum großen Teil die erzielbare Reich-
begonnen hat sie in Deutschland noch nicht. Das         weite ab. Diese wiederum ist entscheidend für die
kann auch daran liegen, dass die Bundesregierung        Kundenakzeptanz. Die Schlüsseltechnologie hier-
bis dato im Bereich der Elektromobilität einen eher     für sind Lithium-Ionen Batterien. Evonik, dessen
planwirtschaftlich anmutenden Ansatz verfolgt.          Tochter Li-Tec (Mitgesellschafter: Daimler)
Anstatt Marktanreize zu bieten und gesetzliche          Lithium-Ionen Batterien herstellt, wirbt auf seiner
Rahmenbedingungen für die Schaffung neuer               Homepage mit der Aussage „Der Elektroantrieb
Märkte zu setzen (so wie bei den Erneuerbaren           für alle – alltagstauglich, sicher bezahlbar – ist in
Energien), werden Forschungsprogramme und Ent-          greifbare Nähe gerückt.“ Damit wird umschrieben,
wicklungspläne aufgesetzt, so der „Nationale Ent-       welcher Technologiesprung bei den Speicherein-
wicklungsplan Elektromobilität“, der kürzlich ver-      heiten in den letzten Jahren vollzogen wurde und
öffentlicht wurde.                                      was die Hersteller, nicht nur Li-Tec alleine, jetzt
                                                        anzubieten in der Lage sind. Die Speichertechnolo-
Während hierzulande noch am großen, allumfas-           gie für alltagstaugliche, konkurrenzfähige Elektro-
senden Plan gearbeitet wird, produzieren in den         mobile steht heute in der Tat zur Verfügung.
USA und Japan bereits erste Firmen Elektromobile
für den Alltagseinsatz und ist in Israel der flächen-   Lithium-Ionen Batterien sind kleiner und lei-
deckende Aufbau einer Elektromobil-Infrastruktur        stungsfähiger als andere Akku-Varianten. Sie las-
bereits beschlossen. Während Deutschland noch           sen sich deshalb ohne größeren Stauraumverlust in
am Reißbrett sitzt, liefern andere schon Fahrzeuge      den Fahrzeugen unterbringen und ermöglichen
aus. Schlimmer noch: Es besteht durchaus die            zudem größere Reichweiten. Unter allen wieder-
Gefahr, dass auch diesmal die großen Vorhaben           aufladbaren Batterien weisen sie die höchste Ener-
einfach wieder versickern. Das war schon einmal         giedichte auf. Zudem wiegen sie nur nahezu die
so, als von 1992 bis 1995 ein Elektroauto-Großver-      Hälfte gegenüber den bislang gebräuchlichen
such auf der Insel Rügen durchgeführt wurde.            Nickel-Metallhybrid-Akkus (NiMH). Für ein
Namhafte Unternehmen und Entscheider aus der            20 kWh Batterie-System in einem Fahrzeug müss-
Politik übertrafen sich damals in den Ankündi-          ten NiMH-Batterien mit einem Gewicht von
gungen.                                                 300 kg eingebaut werden, während es bei Lithium-
                                                        Ionen Batterien nur 180 kg sind.
So ließen Mitglieder der Bundesregierung verlau-
ten, man habe das Ziel, dass im Jahr 2000 minde-
stens zehn Prozent aller neu zugelassenen Kraft-        Te c h n o l o g i e v o r s p r u n g d e r
fahrzeuge Elektroautos sein sollten. Daraus ist         heimischen Autoindustrie wieder
bekanntermaßen nichts geworden. Im Gegenteil:           herstellen
Die deutsche Automobilindustrie hat nach Beendi-
gung des Großversuches die Elektromobilität nur         Abgehängt beim Hybridantrieb
noch stiefmütterlich behandelt und so ihre Techno-
logieführerschaft für Stromspeicherung im Auto          Bei den Hybridantrieben hat sich die deutsche
leichtfertig verspielt. Die ADAC-Motorwelt              Autoindustrie eindeutig von der japanischen
schrieb anlässlich des Großversuches, das Thema         abhängen lassen. Der Toyota Prius (Voll-Hybrid)
sei durch. Heute müssen selbst Großkonzerne wie         beispielsweise, der das erste in Großserie produ-
BMW die Batterietechnik für neue Flottenversuche        zierte Benzin-Elektro-Hybrid-Fahrzeug der Welt
aus dem Ausland einkaufen.                              war, wurde seit seiner Markteinführung 1997 welt-

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weit mehr als eine Million Mal verkauft. Zusam-        Bremsenergierückgewinnung). Ein elektrischer
men mit Honda (Modelle Insight, seit 1999 und          Vortrieb findet nicht statt.
Civic, seit 2001, beide Mild-Hybride) ergeben sich
1,25 Millionen weltweit verkaufte Hybridfahrzeu-       Im Bereich der Mild- und Voll-Hybride ist die
ge. Toyota hat Anfang des Jahres auf der Automes-      deutsche Industrie schlecht aufgestellt. Volkswa-
se in Detroit die dritte Generation des Prius vorge-   gen beispielsweise hat erst im Juni 2008 mit Flot-
stellt und bietet zudem in der Konzernmarke Lexus      tenversuchen zum Golf twinDrive begonnen und
bald Modelle mit Hybridantrieb an. Die Produk-         eine Serienproduktion vorsichtig für 2015 ange-
tion der Plug-in-Version des Prius soll noch in die-   kündigt. Bei diesem Modell handelt es sich aller-
sem Jahr in kleinen Stückzahlen beginnen. Auch         dings, im Gegensatz zum aktuellen Toyota Prius,
Nissan bietet seit wenigen Jahren ein Hybrid-          um einen sogenannten Plug-in-Hybrid, also ein
Modell an (Altima, Voll-Hybrid), das hauptsäch-        Fahrzeug, in dem die Batterien für den Elektromo-
lich in Nordamerika verkauft wird. Selbst die US-      tor eine eigene Lademöglichkeit über das Netz
Autoindustrie, von der deutschen als rückständig       besitzen. Andere Hybridvarianten stellen den
belächelt, hat die Nase vorn. Ford verkauft in den     Strom für den Elektromotor ausschließlich im
USA beispielsweise schon seit 2004 das Modell          Fahrzeug her, also über den Verbrennungsmotor
Escape Hybrid und seit 2005 den baugleichen Mer-       und beim Bremsen und im Schubbetrieb. Vom VW-
cury Mariner Hybrid (Voll-Hybride), wenngleich         Geländewagen Touareg wird derzeit eine Hybrid-
auch mit weniger Erfolg als Toyota (vom Escape         version entwickelt, deren Markteinführung für
Hybrid wurden im Jahr 2007 genau 21.386 Fahr-          2010 geplant ist. Etwas schneller als VW ist Daim-
zeuge verkauft). Chrysler bietet sein Modell Aspen     ler: der Konzern hat bereits diesen Sommer eine S-
und Chevrolet (GM) den Tahoe als Voll-Hybrid an.       Klasse mit Hybridantrieb (Mild-Hybrid) auf den
Besonders peinlich: Im Jahr 1997 ging auch in          Markt gebracht und das sogar mit der aktuellsten
Deutschland das erste Hybridfahrzeug in Serie: der     verfügbaren Batterietechnik (Lithium-Ionen).
Audi A4 Avant duo (Voll-Hybrid). Das Fahrzeug          BMW hat die Markteinführung von Hybridversio-
war aber nur ein Jahr lang erhältlich und brachte es   nen des X6 (Voll-Hybrid) und des neuen 7er (Mild-
gerade einmal auf 100 verkaufte Exemplare. Die         Hybrid) für April 2010 angekündigt.
deutsche Autoindustrie hatte ganz offensichtlich
weder die Weitsicht noch den Atem, um diese            Elektrofahrzeuge: Andere sind schneller und
Technologie in ihre Produktpalette aufzunehmen.        ambitionierter

Während japanische Hersteller mit Hybridantrie-        In Israel plant der Unternehmer Shai Agassi nicht
ben längst Verkaufserfolge feiern, beginnen die        nur die Einführung von Elektromobilen, sondern
deutschen Produzenten erst jetzt (wieder) damit        die Infrastruktur gleich noch dazu. Über 500.000
ernst zu machen. Professor Ferdinand Dudenhöffer       Ladestationen sollen errichtet werden und für län-
vom Center Automotive Research (Recklinghau-           gere Fahrtstrecken 100 Stationen, an denen leere
sen) hat das wie folgt kommentiert: „Das sind nette    Batterien gegen volle ausgetauscht werden können.
Ansätze. Aber Toyota hat heute schon fünf Jahre        Die Aufladung der Batterien erfolgt ausschließlich
Vorsprung.“ Tatsächlich verkauft werden bisher         über Strom aus Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer
nur einige Fahrzeuge als sogenannte Micro-Hybri-       Energien. In Israel werden dazu 5 Mrd. US-$ für
de, so die BMW 1er-Modelle oder der Smart for-         den Bau von Solarkraftwerken investiert. Für die
two. Dabei handelt es sich jedoch nur um eine          Produktion der Elektroautos, die den Kunden in
Stopp/Start-Automatik mit einem riemengetriebe-        Verbindung mit einem längerfristigen Stromliefer-
nen Starter-Generator, die zum schnellen An- und       vertrag zur Verfügung gestellt werden (möglicher-
Abschalten des Verbrennungsmotors beispiels-           weise verbilligt oder kostenlos), zeichnet Renault-
weise an der Ampel dient (beim BMW noch mit            Nissan verantwortlich. Agassi übrigens sieht mit

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seinem Partner vor, 2009 insgesamt 500 Elektro-        genau das Gegenteil von dem, was Bundesver-
autos zu produzieren und 2011 dann endgültig in        kehrsminister Wolfgang Tiefensee zu Elektromobi-
die Massenproduktion überzugehen. Weitere Pläne        lität gesagt hat: „Wir wollen diese Technologien
für das System bestehen unter anderem für Däne-        exportieren und nicht etwa von woanders ein-
mark und Kanada (Provinz Ontario).                     kaufen.“

In den USA bietet der kalifornische Hersteller AC      Mitsubishi Motors wird mit seinem Elektrofahr-
Propulsion seit Anfang 2007 die sogenannte eBox        zeug „i MiEV“ der erste Volumenhersteller sein,
an. Dabei handelt es sich um einen Toyota              der mit einer Kleinserie in die Serienproduktion
Scion xB, der zum Elektrofahrzeug umgebaut             geht. Der Wagen, der zunächst in Japan angeboten
wird. Verwendet werden in dem Fahrzeug, das            wird, soll in diesem Jahr 2.000-mal und im näch-
zwischenzeitlich quasi in Serie hergestellt wird,      sten 4.000-mal hergestellt werden. Die Kapazität
Lithium-Ionen Akkus, die ihm zu einer Reichweite       der Produktion kann auf bis zu 10.000 Fahrzeuge
zwischen 193 und 240 km pro Akkuladung verhel-         pro Jahr ausgedehnt werden. Der Verkaufsbeginn
fen. Wie sehr die deutsche Autoindustrie hinterher-    für Europa ist Ende 2010 oder Anfang 2011 vorge-
hinkt, lässt sich daran ablesen, dass BMW für          sehen.
einen Flottenversuch mit 50 Elektro-Mini Coopern
(Beginn: Frühjahr 2009 in Berlin) die komplette        Die Beispiele machen klar: Auch beim reinen
Antriebs- und Akkueinheit von AC Propulsion ein-       Elektroantrieb droht die deutsche Autoindustrie
kaufen musste. Ganz ähnliche Zustände bisher           wieder, so wie schon beim Hybrid, ins Hintertref-
auch bei Daimler: Einer der größten Autohersteller     fen zu geraten. Deshalb muss sie jetzt besondere
der Welt hat für sein Elektro-Versuchsmobil Smart      Anstrengungen unternehmen, um ihre Technolo-
EV Batterien bei dem kleinen und mutigen Start up      gieführerschaft bei Fahrzeugen mit Verbrennungs-
Tesla in Kalifornien geordert und danach sogar         motor ins Elektrozeitalter hinüberzuretten.
eine zehnprozentige Beteiligung an der Firma
gezeichnet. Tesla ist dadurch bekannt geworden,
dass es im März 2008 mit der Serienproduktion          D i e Ve r b i n d u n g v o n E l e k t r o m o b i -
(Kleinserie) des Tesla Roadster, eines voll elektro-   lität und Erneuerbaren Energien
getriebenen Sportwagens, begonnen hat. Immer-
hin: die Zulieferung von Tesla soll Daimler dazu       Es muss hierfür ein Ansatz gewählt werden, der auf
dienen, eine Kleinserie des Elektro-Smart aufzule-     bereits eingeführte ordnungspolitische Instrumente
gen, die mit insgesamt 2.000 Wagen in den Jahren       und Infrastruktur zurückgreift und für die öffentli-
2009 und 2010 angelegt ist. Später kann dann der       che Hand keine Zusatzkosten verursacht. Es geht
eigentliche Daimler-Partner Evonik zum Zuge            darum, die vorhandene Strom-Infrastruktur neu zu
kommen. Das Tesla-eigene Produkt übrigens, der         nutzen für den Energieverbraucher Straßenverkehr,
Roadster, ist zwischenzeitlich 150-mal ausgeliefert    der die Elektrizität bisher nicht genutzt hat.
worden, trotz des hohen Preises von 120.000 US-$.
Das Fahrzeug erreicht eine Höchstgeschwindigkeit       Die einzig sichere und praktikable Möglichkeit der
von 200 km/h und hat mit voll geladenen Akkus          Verbindung von Elektromobilität und Erneuerba-
eine Reichweite von 350 km (Herstellerangaben).        ren Energien ist, die Fahrzeuge schon beim Kauf
                                                       untrennbar an Erneuerbare Energien zu koppeln
Insgesamt lässt sich angesichts dieser Verhältnisse    und bereits zu diesem Zeitpunkt die EE-Erzeu-
sagen, dass Deutschland noch weit davon entfernt       gungskapazitäten zur Verfügung zu stellen, die es
ist, so wie von der Bundesregierung beabsichtigt,      für den Rest des Autolebens braucht. Es muss des-
zu „einem Leitmarkt für Elektromobilität“ zu wer-      halb eine Verpflichtung der Autoindustrie geben,
den. Die deutschen Autohersteller tun momentan         für jedes (in Deutschland) verkaufte Elektrofahr-

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zeug, das über einen Anschluss für das Stromnetz       ten Elektrofahrzeuge nicht der derzeit vorhandene
verfügt (Elektrofahrzeuge, Plug-in-Hybride) die        Strommix in Deutschland zur Berechnung der
Jahresproduktion an Strom aus Erneuerbaren Ener-       CO2-Emissionen herangezogen wird. Das würde
gien in das Netz einzuspeisen, die für ein durch-      bedeuten, dass auch Kohlekraftwerke und deren
schnittlich gefahrenes Fahrzeug benötigt wird. Die     Emissionen hinzugezählt würden. Vielmehr muss
Industrie kann dieser Verpflichtung entweder nach-     die Berechnung berücksichtigen, dass für das ver-
kommen, indem sie eigene Anlagen errichtet oder        kaufte Elektrofahrzeug Erneuerbare Energien
aber Verträge mit Anlagenbetreibern schließt, die      bereitgestellt werden und deshalb deren (sehr nie-
sich verpflichten, diese Kapazitäten zusätzlich (!)    drige) CO2-Emissionen zum Tragen kommen. Eine
aufzubauen.                                            solche Herangehensweise entspräche auch den aus-
                                                       drücklichen Zielen der beschlossenen EU-Rege-
Die Angaben für den Jahresstromverbrauch eines         lung, denn im entsprechenden Text des Parlaments
durchschnittlichen Elektro-Pkw bei ebenso durch-       heißt es „The development of innovative propul-
schnittlicher Nutzung schwanken. Sie reichen von       sion technologies should particularly be promotet,
2.000 bis 3.000 kWh pro Jahr. Geht man von             as they cause significantly lower emissions than
2.500 kWh aus, so müsste für 4.000 verkaufte           traditional passenger cars.“.
Fahrzeuge eine Windkraftanlage mit der Leistung
von 4,5 MW errichtet werden. Damit verbunden ist       Auf diese Weise erhält die Autoindustrie die Mög-
ein Investitionsvolumen von rund 4 Mio. €. Dies        lichkeit mit jedem verkauften Elektrofahrzeug ihre
würde sich jedoch nicht (!) als Aufpreis auf den       Flotten-Emissionswerte massiv abzusenken und so
Fahrzeugpreis niederschlagen, da sich die Anlage       die EU-Ziele leichter zu erreichen. Denn in der
über die durch das EEG garantierten Einnahmen          EU-Regelung ist vorgesehen, dass jeder neue Pkw,
aus dem von ihr produzierten Strom finanziert und      der weniger als 50 g CO2 pro km emittiert, dreiein-
somit nicht über den Fahrzeugpreis abgedeckt wer-      halbfach zu zählen ist (der Faktor wird abge-
den muss.                                              schmolzen bis auf 1,5 im Jahr 2015 und schließlich
                                                       1 im Jahr 2016).
Diese Regelung muss eingepasst werden in das von
EU-Rat und -Parlament beschlossene Regelwerk           Von diesem Modell würden alle Beteiligten profi-
zu den CO2-Grenzwerten für Neufahrzeuge. In vier       tieren: Die Fahrzeugindustrie würde den Erneuer-
Schritten wird von 2012 (65 % aller Neuwagen) bis      baren Energien einen weiteren Wachstumsschub
2015 (100 % aller Neuwagen) die Emissions-Ober-        verschaffen, während diese der Fahrzeugindustrie
grenze von 120 g CO2 pro Kilometer (Durchschnitt       helfen könnten, die Klimaschutzziele zu erreichen.
Neuwagenflotte) verbindlich werden. Ab 2020 gel-       Die Kunden würden profitieren, weil dieses
ten dann 95 g. Ein Elektrofahrzeug, das beispiels-     Modell mit dem wenigsten Zusatzaufwand für sie
weise ausschließlich mit Strom aus Windkraftanla-      verbunden ist. Sie müssen sich schlicht keine
gen fährt, reduziert seine CO2-Emission je zurück-     Gedanken um die Versorgung ihres Fahrzeuges mit
gelegtem Kilometer auf 3 bis 4 g. In diesem spe-       Erneuerbaren Energien machen, weil schon beim
ziellen Fall gilt sogar, dass der Windstrom durch      Kauf für das gesamte Autoleben sichergestellt ist,
den Einsatz in der Mobilität mehr CO2 einspart, als    dass das entsprechende Stromäquivalent einge-
wenn er nur im Stromnetz verwendet würde.              speist wird. Das Auto bringt bereits seine Fahrener-
                                                       gie mit.
Die Emissionswerte von Elektrofahrzeugen sollten
deshalb danach berechnet werden, welchen Strom         Die Notwendigkeit, Elektroantriebe unbedingt mit
sie beziehen. Das bedeutet auch, dass sichergestellt   regenerativ erzeugtem Strom zu verbinden, wird
werden müsste, dass für die von der Autoindustrie      auch in der Automobilbranche selbst bestätigt. So
unter der oben vorgeschlagenen Regelung verkauf-       hat Daimler Entwicklungsvorstand Thomas Weber

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in einem Interview Mitte 2008 in Bezug auf die         fahrzeug ergeben sich bei einem Durchschnittsver-
Elektro- und Wasserstofftechnologie gesagt: „Bei       brauch von 2.500 kWh pro Jahr und Bezug des
der Erzeugung von Strom und Wasserstoff entsteht       Stroms über einen Anbieter, der ausschließlich aus
auch CO2. Beide Energieformen sollten daher            Erneuerbaren Energien erzeugt, Kosten von
regenerativ erzeugt werden.“                           4.743,20 €. Dies ergibt eine Ersparnis bei den
                                                       Treibstoffkosten von 4.112,80 €, die mit dem
                                                       Preisaufschlag von 5.300 € beim Kauf zu verrech-
Investitionsvolumen                                    nen ist. Die übrigen Mehrkosten von rund 1.200 €
                                                       sollten dem Autokäufer über ein Marktanreizpro-
Ausgehend von der Annahme, dass die Umstellung         gramm (analog zum bestehenden Marktanreizpro-
der Pkw-Flotte auf Rein-Elektroantrieb 17 %            gramm für die Nutzung Erneuerbarer Energien im
Mehrverbrauch an Strom verursacht, die aus-            Wärmemarkt) als Zuschuss der öffentlichen Hand
schließlich aus heimischen Erneuerbaren Energien       beim Kauf eines Elektrofahrzeuges ausbezahlt
erzeugt werden sollen, müssten 1.344 Kleinwasser-      werden. Nimmt man das Ziel der Bundesregierung,
kraftanlagen (alternativ zehn Großwasserkraftwer-      wonach bis 2020 insgesamt eine Million Elektro-
ke), 5.712 Windenergieanlagen, 2.592 Solarparks,       fahrzeuge in Deutschland zugelassen sein sollen,
4.197 Biogasanlagen und 445 industrielle Geother-      und definiert man diese als Rein-Elektrofahrzeuge
miekraftwerke errichtet werden. Damit wäre ein         (keine Hybride), so ergäbe sich ein Subventionsbe-
Investitionsvolumen von 78,7 Mrd. € (heutige Prei-     darf der öffentlichen Hand von 1,2 Mrd. € verteilt
se) verbunden.                                         auf rund 10 Jahre, also 120 Mio. € pro Jahr. Frank-
                                                       reich übrigens gewährt im Rahmen eines
                                                       Bonus/Malus Systems, das an die CO2-Emissionen
Maßnahmenprogramm                                      gekoppelt ist, für Elektrofahrzeuge sogar einen
                                                       Zuschuss von 5.000 €.
Marktanreizprogramm
                                                       Die Gewährung eines Zuschusses ist kundenorien-
Die Anschaffungskosten für Elektrofahrzeuge wer-       tierter und marktwirtschaftlicher als direkte
den noch für längere Zeit über denen für vergleich-    Forschungszuwendungen an die Industrie. Die
bare Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor liegen. Für       Abwrackprämie (die übrigens 5 Mrd. € innerhalb
ein Stadtfahrzeug geht man im Jahr 2030 von            eines Jahres gekostet hat) hat deutlich gezeigt, wie
einem Preisaufschlag von 5.300 € aus. Dies relati-     attraktiv direkte Zuschüsse für Autokäufer sind.
viert sich durch die geringeren Unterhaltskosten,      Forschungszuwendungen sind tendenziell immer
vor allem im Hinblick auf die Treibstoffkosten. Um     mit planwirtschaftlich anmutenden Strukturen aus-
welche Summen es sich dabei handelt, soll hier in      gestaltet und bergen deshalb die Gefahr, wenig
einer groben Berechnung (ohne Inflation und            kundenorientiert zu sein und an den Märkten vor-
Preissteigerung) dargestellt werden. Der Durch-        bei zu planen. Deshalb kann durchaus erwogen
schnittsverbrauch eines Pkw mit Otto-Motor liegt       werden, das hier vorgeschlagene Marktanreizpro-
heute bei 8,3 l pro 100 km und seine durchschnitt-     gramm über eine Reduzierung der Forschungsaus-
liche Fahrleistung bei 10.500 km pro Jahr. Daraus      gaben des Bundes für die Elektromobilität teilzufi-
ergibt sich ein jährlicher Kraftstoffbedarf von rund   nanzieren.
872 Litern. Bei Kosten von 1,27 € pro Liter (Stand
2006) ergeben sich pro Jahr Kraftstoffausgaben         Entfernungspauschale
von 1.107 €. Das Durchschnittsalter eines Pkw
beträgt derzeit 8 Jahre, womit von Gesamttreib-        Es ist zu prüfen, auch vor dem Hintergrund des
stoffkosten von 8.856 € für die durchschnittliche      Urteils des Bundesverfassungsgerichtes vom 9.
Nutzungsdauer auszugehen ist. Für ein Elektro-         Dezember 2008, ob die Entfernungspauschale

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E L E K T R O M O B I L I TÄT

dahingehend weiterentwickelt werden kann, dass       fahrzeug, das mit Strom aus Erneuerbaren Ener-
sie bei allen Neuwagen nur noch dann in Anspruch     gien versorgt wird.
genommen werden kann, wenn diese einen CO2-
Grenzwert von 140 g pro Kilometer einhalten.
Damit wäre sichergestellt, dass sie nur bei Neu-     Die vollständige Umstellung ist
fahrzeugen mit vergleichsweise niedrigen Emissio-    möglich
nen und Elektroneufahrzeugen in Anspruch
genommen werden kann, was ein weiterer Kaufan-       Ernst zu nehmende Szenarien besagen, dass eine
reiz für solche Fahrzeuge wäre.                      fast vollständige Substitution des konventionellen
                                                     Pkw-Fuhrparks durch Hybrid- und Elektrofahrzeu-
                                                     ge bis 2050 denkbar und möglich ist. Beachtet wer-
Kredite                                              den muss und kann, dass auch Biotreibstoffe als
                                                     weitere, zusätzliche Mobilitätsbasis (z.B. auch in
Über die KfW sollten zinsverbilligte Kredite für     Hybridfahrzeugen und in Lkw eingesetzt) eine
die Anschaffung von Elektrofahrzeugen zur Verfü-     Rolle spielen können, so dass ein weitgehend kli-
gung gestellt werden.                                maneutraler Fuhrpark im Jahr 2050 möglich ist.
                                                     Bei erfolgreicher Umsetzung des „Better Place“-
Steuerliche Behandlung                               Projektes in Israel kann sogar auf Hybridfahrzeuge
                                                     als Übergangstechnologie verzichtet werden. Dies
Die Steuerbefreiung für Elektrofahrzeuge von der     deshalb, weil dann bewiesen wäre, dass Batterie-
Kraftfahrzeugsteuer muss noch auf längere Frist      tauschstationen, wie von Better Place vorgesehen,
beibehalten werden. Es darf nicht derselbe Fehler    die Reichweite von Elektrofahrzeugen genauso
wie bei den Biokraftstoffen gemacht werden, wo       komfortabel erhöhen, wie es Hybridfahrzeuge
die Steuerbefreiung just zu dem Zeitpunkt aufge-     durch ihren zusätzlichen Verbrennungsmotor tun.
hoben wurde, als sich ein relevanter Markt zu ent-   Voraussetzung für alle Umstellungsszenarien ist
wickeln begann.                                      selbstverständlich ein entsprechendes Engage-
                                                     ment von Politik und Wirtschaft. Übrigens ist die
Die derzeit geltende Regelung stellt Elektrofahr-    Zielmarke 2050 nicht nur möglich, sondern auch
zeuge fünf Jahre vollständig von der Kfz-            nötig, angesichts der Tatsache, dass die statistische
Steuer frei und gewährt danach einen ermäßigten      Reichweite der Reserven des sogenannten konven-
Steuersatz. Der ermäßigte Steuersatz muss jedoch     tionellen Erdöls noch lediglich 42 Jahre beträgt.
überprüft werden, da es nach Verbandsangaben
Fälle gibt, in denen ein Pkw mit konventionellem     Ein Quellenverzeichnis zum vorliegenden Artikel
Antrieb weniger Steuern bezahlt als ein Elektro-     kann bei EUROSOLAR angefordert werden.

                                                                            SOLARZEITALTER 3 2009               89
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