BRÜCHE EDITORIAL - CONTRALEGEM

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Editorial

Brüche
Editorial

Am Montagabend, den 28. Februar 2022, er-                     Ungeachtet der medialen Resonanz und mit
strahlt das Zürcher Grossmünster in blau-gelb,                einem weniger oberflächlichen Blick lässt sich
als Zeichen der Solidarität mit der von russi-                allerdings die Ankündigung des Bundesrates
schen Truppen angegriffenen Ukraine. Medien-                  vom 28. Februar 2022 als der grösste aussen-
berichten zufolge bewegen sich 20’000 Menschen                politische Bruch der Schweizer Politik verstehen
friedlich mit Kerzen und Plakaten durch die                   sowie als Paradigma für (Aussen-)Politik im
Stadt; sie protestieren gegen den Einmarsch                   Zeitalter der Mediengesellschaft.
der russischen Truppen, man hört in den
Gassen des Niederdorfs immer wieder Parolen.                  Die Übernahme der EU Sanktionen stützt der
                                                              Bundesrat materiell auf Art. 185 BV (Äussere
Einige Stunden zuvor hat der Bundesrat be-                    und innere Sicherheit):
kanntgegeben, dass er nun die Sanktionspake-
te der EU vom 23. und 25. Februar übernehmen                     1 Der Bundesrat trifft Massnahmen zur Wah-
würde. Die Vermögen der von der EU gelisteten                    rung der äusseren Sicherheit, der Unabhängig-
Personen und Unternehmen sind auch in der                        keit und der Neutralität der Schweiz.
Schweiz ab sofort gesperrt und es erfolgt der
Vollzug der Finanzsanktionen gegen den rus-                      2 Er trifft Massnahmen zur Wahrung der in-
sischen Präsidenten Vladimir Putin, Premier-                     neren Sicherheit.
minister Mikhail Mishustin und Aussenminis-
ter Sergey Lavrov. Als Grundlage dieser                          3 Er kann, unmittelbar gestützt auf diesen
Entscheidung erklärt der Bundesrat das Be-                       Artikel, Verordnungen und Verfügungen er-
streben, die Wirkung der Sanktionen der EU                       lassen, um eingetretenen oder unmittelbar
gegen Russland zu verstärken, und entschliesst                   drohenden schweren Störungen der öffentlichen
sich damit auch, das Abkommen von 2009 über                      Ordnung oder der inneren oder äusseren Sicher-
die Visaerleichterung für Russinnen und                          heit zu begegnen. Solche Verordnungen sind zu
Russen teilweise zu suspendieren und den                         befristen.
Schweizer Luftraum für alle Flugbewegungen
von Luftfahrzeugen mit russischer Kenn-                          4 In dringlichen Fällen kann er Truppen auf-
zeichnung zu sperren. In der gleichen An-                        bieten. Bietet er mehr als 4000 Angehörige der
kündigung bekräftigt der Bundesrat zudem die                     Armee für den Aktivdienst auf oder dauert
Solidarität der Schweiz mit der Ukraine. Die                     dieser Einsatz voraussichtlich länger als drei
Medien goutieren in der grossen Mehrheit                         Wochen, so ist unverzüglich die Bundesversamm-
diese Ankündigung am späten Nachmittag und                       lung einzuberufen.
unterstützen die eingeleiteten Massnahmen,
nachdem Tage zuvor der Bundesrat wegen                        Der Bundesrat darf also Massnahmen treffen,
seiner zurückhaltenden Haltung im Hinblick                    sofern sie die äussere Sicherheit, die Unabhän-
auf Sanktionen gegen Russland eben von dieser                 gigkeit und die Neutralität der Schweiz be-
grossen Mehrheit der Medien stark kritisiert                  treffen.
worden war.

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Editorial

Durch die Übernahme der EU-Sanktionen wird                    Die Schweizer Neutralität ist in der Vergangen-
nicht nur fremdes Recht übernommen, sondern                   heit – nicht immer zu Unrecht – kritisiert
eine Art von Recht, das eine klare aussenpoli-                worden, vor allem beim Umgang mit durch das
tische Positionierung der Schweiz bewirkt.                    nationalsozialistische Regime in Deutschland
Diese klare aussenpolitische Positionierung                   Verfolgten (e.g. Fall Spring). Zu Recht haben
steht konträr zur Unabhängigkeit und Neutra-                  Kritiker darauf hingewiesen, dass die Weige-
lität und liesse sich – am Wortlaut des Gesetzes              rung, verfolgten Individuen Schutz zu ge-
orientiert – nur durch die äussere Sicherheit                 währen, nur schwer erträglich mit aussenpoli-
rechtfertigen. Wird jedoch äussere Sicherheit                 tischen Idealen zu rechtfertigen ist. Nicht
durch eine klare aussenpolitische Positionie-                 zuletzt deshalb hat die Schweiz seit dem Ende
rung bezweckt, so führt das zu einem – nicht                  des 2. Weltkrieges die Neutralität nicht als ein
nur semantischen – Widerspruch: klare poli-                   «Wegschauen» oder «eine Delegation von Ver-
tische Positionierung ist das Gegenteil von                   antwortung» definiert, sondern hat sich leiten
Unabhängigkeit und Neutralität, so dass sich                  lassen von der Erkenntnis, dass internationale
äussere Sicherheit einerseits und Unabhängig-                 Konflikte komplex sind und dass für deren
keit und Neutralität andererseits gegenseitig                 Lösung die beteiligten Konfliktparteien auf
zwingend ausschliessen. Dieser Befund, so                     einen unabhängigen Mediator zurückgreifen
banal er daherkommt, ist ein epochaler Bruch                  können sollen.
der Schweizer Aussenpolitik, gar der Schweizer
Staatsräson, welche die Unabhängigkeit und                    A nzuerkennen, dass internationale Konflikte
Neutralität der Schweiz nicht als Gegensatz,                  komplex sind, ist die Grundlage, um diese
Einschränkung oder gar Gefährdung der äus-                    Konflikte verstehen und beenden zu können.
seren Sicherheit, sondern als deren Grundlage                 Die Wahrheit ist in allen Kriegen das erste
verstanden haben.                                             Opfer (so schon Hiram Johnson) und eine
                                                              klare Gut-Böse-Einteilung der Akteure mag für
Direkt mit der Verkündung der Sanktion begann                 die Erreichung politischer Ziele notwendig sein,
eine öffentliche Debatte über diese Entscheidung              trägt aber nicht dazu bei, den Konflikt zu
des Bundesrates und ob durch sie die Neutrali-                verstehen. Vielmehr stellt die Klassifikation
tät der Schweiz begraben wurde. So wurde zu                   der Akteure als gut und böse zu Beginn eines
Recht darauf hingewiesen (cf. Marco Jorio in                  Konfliktes ein moralisches und politisches
der NZZ vom 14. März 2022), dass es eine Unter-               Urteil dar, bevor die Fakten vorliegen und – hier
scheidung gibt zwischen Neutralitätsrecht, das                wird es schwierig für die Konfliktbeilegung –
keine Teilnahme an Kriegen, kein Durchqueren                  kommt einer Vorverurteilung der Akteure
des Territoriums durch kriegführende Truppen,                 gleich. Man verstehe mich nicht falsch: Die
keine staatlichen Waffenlieferungen an Kriegs-                Verurteilung von Handlungen (e.g. Bombarde-
parteien, und keine Bildung von kombattanten                  ment der Zivilbevölkerung, illegale Invasion
Truppen für eine Kriegspartei vorsieht, sowie                 etc.) ist nicht gleichzusetzen mit der Verurtei-
die Neutralitätspolitik, die alle Massnahmen                  lung der Akteure und deren Überlegungen und
umfasst, die ein Staat über seine neutralitäts-               Motive, die solchen Handlungen zugrunde
rechtlichen Verpflichtungen hinaus trifft, um                 liegen, man denke da an die unterschiedliche
die Glaubwürdigkeit seiner Neutralität im                     moralische Bewertung der Bombardements
Kriegsfall zu sichern. Durch die Übernahme                    Londons und Leipzigs während des 2. Welt-
der EU-Sanktionen ist nach herrschender                       krieges. Die Verurteilung von Handlungen ist
Meinung das Neutralitätsrecht nicht verletzt                  ein Zeichen, dass klare Wertvorstellungen
worden. Ob hingegen weiterhin überhaupt von                   existieren, was (nicht nur rechtlich) zu tun
einer Neutralitätspolitik der Schweiz gespro-                 (oder unterlassen) akzeptabel ist und zwar
chen werden kann, ist äusserst fraglich.                      unabhängig vom Akteur. Die Verurteilung der

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Editorial

Akteure hingegen ist eine klare Positionierung,               weiter Transaktionen in USD und EURO ab-
eine Parteiergreifung, welche die Konfliktlösung              wickeln zu können und nicht ins Visier aus-
erschwert. Nur wenn die Akteure nicht a prio-                 ländischer Behörden zu geraten. Die Ankündi-
ri «neutral» behandelt werden, kann man sie                   gungen des Bundesrates, die EU-Sanktionen zu
gemeinsam an einen Tisch bringen. Niemand                     übernehmen, machen die Arbeit der Schweizer
wird sich an einen Verhandlungstisch begeben,                 Banken leichter, sie beeinflussen sie aber nicht.
wenn das Urteil über ihn schon gefällt ist.                   Der Bundesrat hat damit den Schwerpunkt
                                                              nicht auf die wirkliche Umsetzung der Sank-
Durch die Übernahme der EU-Sanktionen gegen                   tionen gelegt – sie erfolgten im Finanzsektor
Russland hat sich die Schweiz aussenpolitisch                 nämlich durch die Banken autonom und aus
klar positioniert und ihre Neutralitätspolitik                deren Interessen heraus – sondern auf die
weitestgehend aufgegeben. Das kann man                        Aussendarstellung der Schweiz. Politik in der
wollen, aber man muss sich dann auch von der                  Mediengesellschaft ist immer, oder vor allem,
Idee verabschieden, dass die Schweiz nun zur                  auch Wahrnehmung. In diesem Lichte ist auch
Beendigung dieses Konfliktes einen essentiellen               der mehr als fragwürdige Auftritt des Bundes-
Beitrag wird leisten können. Und während es                   ratspräsidenten Cassis zu werten, der bei einer
zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz klar ist,                 pro-ukrainischen Demonstration mit einer
wie die äussere Sicherheit der Schweiz durch                  Live-Schaltung mit dem ukrainischen Präsi-
die Übernahme der Sanktionen genau geschützt                  denten Selenskyj diesem nicht nur bescheinig-
wird, lässt sich sagen, dass dadurch das Leid                 te, die Werte der Schweiz zu verteidigen, sondern
der Zivilbevölkerung in der Ukraine nicht                     ihn danach auf Twitter auch als Freund («my
vermindert wird, sondern durch die Erschwe-                   friend») bezeichnete. Selenskyj wiederum war
rung einer diplomatischen Mediation zwischen                  mehr Realpolitiker und nutzte diese mediale
den Konfliktparteien unter der Federführung                   Aufmerksamkeit, um die Sperrung russischer
der Schweiz wohl noch verlängert wird. Dieser                 Gelder in der Schweiz zu verlangen und mit
Bruch bedingt auch, dass die Schweiz anfangen                 Nestlé einen der grössten Schweizer Arbeitgeber
muss, ihre Rolle in der Weltpolitik neu zu de-                und Steuerzahler zu kritisieren, da Nestlé noch
finieren. Ihre Rolle als Mediatorin in inter-                 Produkte nach Russland liefere. In der Essenz
nationalen Konflikten hat nämlich starke                      wurde ein ausländisches Staatsoberhaupt vom
Kratzer bekommen.                                             Bundespräsidenten hofiert, das ihm vorzu-
                                                              schreiben versuchte, wie es regieren solle. Der
Der geschilderte Bruch der Schweiz mit den                    Bundespräsident bedankte sich dafür sogar.
Leitgedanken ihrer bisherigen Aussenpolitik                   Was rechtlich und politisch ein sehr fragwür-
dient aber auch als Paradigma der Mediengesell-               diger Auftritt von Cassis gewesen ist, wurde
schaft, ohne die er nicht zu verstehen ist.                   von den meisten Medien grösstenteils gefeiert,
                                                              die eine klare Parteinahme der Schweiz ver-
Die – auch moralische – Parteinahme auf                       langten.
Kosten der Unabhängigkeit und Neutralität
erfolgte auf Druck der Medien. Von Druck                      Dieser «Schrei» nach Parteinahme durch die
anderer Staaten ist nichts bekannt und vom                    Medien war aber auch Drang nach vermeint-
Bundesrat auch nicht so kommuniziert worden.                  licher Klarheit: hier die gute Seite (Ukraine,
Die klare Parteinahme des Bundesrates ver-                    der Westen), da die böse Seite (Russland).
wundert umso mehr, als die Erfahrung – auch                   Dieses Narrativ erlaubt nicht nur schnelle und
in casu – zeigt, dass die Schweizer Banken                    einfache Antworten auf schwierige Fragen,
völlig unabhängig von bundesrätlichen Ent-                    sondern schafft den Eindruck, die Komplexität
scheiden Sanktionen – z.B. der USA und der                    des Konflikts, der Welt aufzulösen. Der Yale
EU – in der Regel für sich übernehmen, um                     Professor Jeffrey Sonnenfeld erlangte in kurzer

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Editorial

Zeit Berühmtheit, indem er eine fortwährend                   russischen Präsidenten zu erklären wäre. Dies
aktualisierte Liste von westlichen Unternehmen                dürfte weniger mit einer wahren Sorge um
führt, die sich nach dem Kriegsbeginn aus                     seine Gesundheit zusammenhängen, als viel-
Russland zurückgezogen haben und gleich-                      mehr mit dem Bestreben, dem «Bösen» ein
zeitig diejenigen anprangert, die noch auf dem                Gesicht zu geben. Die Personifizierung von
russischen Mark tätig sind. Angesprochen auf                  staatlichen Handlungen erfolgt vor allem, um
die negativen Folgen für einige noch immer in                 weiter Komplexität zu reduzieren.
Russland tätige westliche Unternehmen ant-
wortete Sonnenfeld, dass es in der «Russland-                 Der Politik kommt diese klare Parteinahme
frage» keinen Graubereich, sondern nur Schwarz                nicht ungelegen, denn gleichzeitig mit ihr und
oder Weiss gebe. Listen, die Personen (auch                   der weiteren Eskalation des Konfliktes ver-
juristische) auf Grundlage eines moralischen                  schwinden Fragen nach der Verantwortung des
/ ideellen Urteils klassifizierten, gab es schon              Westens in diesem Krieg, nach der Rechtsstaat-
seit Sullas Proskriptionen und kaum ein Terror-               lichkeit und der Korruption in der Ukraine,
regime ist ohne sie ausgekommen. Die naming-                  Fragen nach dem Umgang der Ukraine mit
and-shaming Liste aus Yale, so sehr sie «Gutes»               ihrer pro-russischen Bevölkerung und nach
erreichen will, ist in ihrer Vereinfachung und                diplomatischen Verfehlungen westlicher Poli-
Klarheit sehr ansprechend, verfehlt aber, die                 tiker, Fragen nach energiepolitischen Fehlent-
Komplexität zu spiegeln. Eine solche Verein-                  scheiden und weshalb vor einigen Monaten
fachung, ja Infantilisierung des Konflikts geht               afrikanische Flüchtlinge an den genau gleichen
an der Realität vorbei, erlaubt aber Polarisie-               europäischen Grenzposten abgewiesen worden
rung und dient damit als Grundlage für reis-                  sind, während nun diese Grenzposten für
serische Überschriften. Es ist bezeichnend für                Ukrainer offen sind. Diese selbstkritischen
die Mediengesellschaft, dass ein grosser Teil                 Fragen brauchen nicht mehr beantwortet zu
ihrer Mitglieder Komplexität und Widersprüch-                 werden, denn Gut und Böse sind definiert und
lichkeit nicht mehr aushalten will. Begehrt sind              die Idee, dass die «Guten» eine Teilverantwor-
klare Positionierungen, klare «Ansagen», klare                tung für Handlungen der «Bösen» tragen
Richtlinien, eine klare Unterscheidung von                    könnten, wird auf schon fast religiöse Art gar
Weiss und Schwarz. Die detaillierte Auseinan-                 nicht mehr gestellt. Und so sehr die immer
dersetzung mit der Gegenseite und ihren Argu-                 schrecklicheren Berichte über den Krieg in der
menten erscheint mühsam und taugt per se                      Ukraine nach einer Parteinahme verlangen, so
nicht für das Funktionieren der Mediengesell-                 sehr muss man sich darauf besinnen, dass die
schaft, weil es zeitraubend ist, während                      Parteinahme eine persönliche, individuelle
gleichzeitig immer mehr Schlagzeilen produziert               Entscheidung ist und bleiben muss und auf
werden müssen.                                                staatlicher Ebene erst zu erfolgen hat, wenn
                                                              die Interessen der Schweiz dies wirklich ver-
So spielte etwa die Frage, weshalb Russland in                langen. Eine Parteinahme, um dem medialen
die Ukraine einmarschiert ist, schon wenige                   Druck nachzugeben, mag für einzelne Politiker
Tage nach dem Einmarsch fast keine grosse                     opportun sein, Realpolitik mit einer neutralen
Rolle mehr. Dabei wäre diese Frage zur Konflikt-              Schweiz als Akteur aber spielt sich ausserhalb
beilegung essentiell. Russland – respektive                   dieser Sphären ab. Ein genauer Blick auf ge-
Putin – ist böse. Dazu passt auch, dass häufig                wisse Vorgänge wirft freilich andere, unange-
nicht von «Russlands» Krieg gesprochen wird,                  nehme Fragen auf: Was genau unterscheidet
sondern von demjenigen Putins. Die zahlreichen                Russlands Angriffskrieg und den erstrebten
Artikel, die sich mit seiner mentalen Gesundheit              Regimewechsel von den Handlungen des Wes-
beschäftigen, zeugen von einer Annahme, dass                  tens im Irak oder in Libyen? Wie kann das eine
der Konflikt durch die Geistesschwäche des                    richtig und das andere falsch sein, wenn es sich

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Editorial

in beiden Fällen um eine ausländische Inter-                  Wochen undenkbar gewesen wären: Die Auf-
vention handelt. Bezeichnenderweise führte                    stockung der Militäretats in vielen Ländern
der Westen im Irak und Libyen, die gleichen                   um mehrere hundert Milliarden Euro oder
Argumente an wie Russland nun in der Uk-                      Dollar. Bei der Rettung verschuldeter Länder
raine: die Verhinderung eines Genozids, der                   in der Eurozone wurde gefühlt auf jeden Euro
Schutz bestimmter Bevölkerungsgruppen, die                    geachtet, nun rüstet Europa auf, als ob die
Stabilität der Region. Die Ergebnisse sind be-                Ausgaben auch für zukünftige Generationen
kannt und dürften auch im Falle der Ukraine                   kein Problem wären. Es ist noch zu früh zu
nicht anders ausfallen. Und um zu den Sank-                   sagen, wie der Krieg ausgeht, aber die Verlierer
tionen zurückzukehren: Was genau unter-                       – die leidende ukrainische Bevölkerung und
scheidet den jetzigen Konflikt von anderen, bei               die zukünftigen Steuerzahler – und die Gewin-
denen die Schweiz nicht bereit war, Sanktionen                ner – die Rüstungsindustrie – stehen jetzt schon
auszusprechen? Gibt es tatsächlich objektive                  fest.
Gründe oder ist die medial gestaltbare Welle
inzwischen so gross, dass die Politik sich vor                Durch eine klare Parteinahme entsteht der
ihr ducken muss? Und ja, es herrscht Krieg in                 Eindruck einer klaren Sachlage, doch der Blick
Europa, aber das tat es schon in den 90er                     für Nuancen geht dabei verloren. Die Covid-19
Jahren im Balkan und in den 70er Jahren auf                   Pandemie hat gezeigt, wie die Bevölkerung sich
Zypern. Doch die vermeintliche «Einzigartig-                  in nur wenigen Monaten in Impf befürworter
keit» dieses Konfliktes erlaubt heftigere Schlag-             und Impfgegner separiert hat, die kaum mehr
zeilen als die Auseinandersetzung mit der                     miteinander einen gemeinsamen Kommunika-
Tatsache, dass Europa viele ungelöste Konflikt-               tionsnenner finden konnten. Eine solche Politik,
herde (z.B. Irland, Baskenland, etc.) hat, seine              eine solche Medienberichterstattung, die nur
Nachbarn teils repressive Regimes (z.B. Weiss-                wenig Raum für Nuancen bietet, ebnet aber den
russland, Türkei) sind und, vor allem Russland,               Weg für eine Radikalisierung und die medial
regelmässig Kriege angezettelt haben, für die                 geforderte Positionierung der Politik in diesem
Europa und der Westen nur vage Konsequenzen                   Krieg öffnet die Büchse der Pandora für ein
vorsahen. Auch die Fragen, weshalb der Import                 anderes Übel, das bereits aus ihr zu entweichen
von Gas und Öl aus Staaten aus dem Nahen                      scheint: Gesinnung und eine Politik, die sich
Osten problemlos sein soll und weshalb Ge-                    auf Gesinnung und eben nicht auf Recht stützt.
schäfte mit China, das die Uiguren verfolgt,                  Supermärkte nehmen russische Produkte vom
weiterhin in Ordnung sind, müssen irgendwann                  Markt, russische Sportler und Sportvereine
gestellt werden. Diese Fragen können nicht mit                werden von internationalen Wettbewerben
einer moralistischen Parteinahme beantwortet                  ausgeschlossen, Darbietungen russischer
werden, sondern nur mit Verweis auf Realpoli-                 Künstler werden abgesagt, russische Vermögen
tik. Das kann man stossend finden, aber es                    werden – weil sie einer Person mit russischem
deshalb zu verneinen, ist eine Verklärung der                 Pass gehören – gesperrt. Diese Massnahmen
Realität, in der sich die internationale Staaten-             sind nur möglich, wenn man von einer Kollek-
ordnung bewegt.                                               tivschuld ausgeht. Eine Kollektivschuld bedingt
                                                              aber, dass man eine klare Gesinnung hat, dass
Und doch, diese Verklärung der Realität und                   man der einen Konfliktpartei nicht nur die
das Pochen auf eine Parteinahme auf Grund-                    eindeutige Schuld gibt, sondern auch den In-
lage der Moral schafft einen gefährlichen                     dividuen, die durch Geburt, Zufall oder freie
Windschatten der Empörung über das vermeint-                  Wahl dieser Partei angehören. Nicht die
liche einzigartige «Ereignis» der russischen                  Handlungen eines Menschen dient als Grad-
Invasion. In diesem Windschatten werden                       messer seiner Be- und Verurteilung, sondern
Massnahmen erlassen, die noch vor einigen                     seine Eigenschaften, in casu die Nationalität.

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Editorial

Das trägt notwendigerweise zur Eskalation des                 fizierung der Politik – stützend auf ihm
Konfliktes bei und von dieser Gesinnung hin                   genehme Medien – die Blaupause für die jetzi-
zum Hass ist es nicht weit, spätestens dann,                  ge Gesinnungspolitik des Westens geliefert hat.
wenn die hiesige angestachelte Bevölkerung in                 Es trifft natürlich nicht zu, dass der Westen
Form von höheren Steuern und Energiepreisen                   sich und seine Interessen nicht verteidigen
die Kosten der Eskalation wird mittragen                      sollte. Man muss aber daran erinnern, dass
müssen. Zudem erschwert eine solche Gesin-                    dies in den letzten drei Jahrzehnten arg ver-
nung die Rückkehr zu einer friedlichen Nor-                   nachlässigt worden ist. Die Verteidigung
malität, denn im Gegensatz zu Zeitungsartikeln                westlicher Interessen darf nicht durch die
können Emotionen nicht einfach überschrieben                  Pflicht von Individuen erfolgen, eine vermeint-
werden. Eine Kollektivschuld anzunehmen und                   lich moralisch höherwertige – im schlimmsten
basierend darauf Entscheidungen zu fällen,                    Fall sogar staatlich propagierte – Gesinnung
wird einem Rechtsstaat nicht gerecht. Das                     zu adaptieren. Dass Individuen – auch staat-
Ultimatum der Stadt München durch ihren                       liche – Moralvorstellungen übernehmen
Oberbürgermeister an den russischen Dirigen-                  müssen, um Repressalien zu umgehen, ist ein
ten der Münchener Philharmoniker Gergiev,                     Tabubruch. Die grössten Verdienste für die
sich nicht nur vom Konflikt, sondern auch von                 Westlichen Werte haben sich stets die Mahner
Putin zu distanzieren, ist verstörend, denn es                und Kritiker erworben. Das verlangen, deutlich
setzt eine bestimme individuelle vom Staat                    Position zu beziehen, ist politisch zwar nach-
genehmigte Gesinnung voraus, um einen Beruf,                  vollziehbar, rechtstaatlich aber falsch. Politik
um Kunst ausüben zu können. Politisch                         kommt ohne moralische Gesinnung, ohne
dürfte dieses Ultimatum und die darauffolgen-                 klare Ideen nicht aus und die Medien brauchen
de Entlassung Gergievs durchaus Unterstützung                 für ihre Schlagzeilen einfache, klare Sachver-
gefunden haben, ist aber kaum mit einem auf                   halte. Das Problem und die Gefahr dabei sind
Recht und eben nicht der Gesinnung basierten                  jedoch, dass rechtsstaatliche Prinzipien ver-
Rechtsstaat vereinbar. Das Zürcher Opernhaus                  nachlässigt oder gar über Bord geworfen werden.
hat anfänglich rechtsstaatlich vorbildhaft                    Gesinnung darf und kann nicht der Grad-
darauf hingewiesen, dass es von seinen Künst-                 messer sein, an dem Individuen rechtlich be-
lern mangels rechtlicher Grundlage keine In-                  wertet werden. Auch vom Mainstream abwei-
formationen über politische Positionen ein-                   chende Meinungen verdienen Schutz. Gedanken,
holen kann. Wenige Tage danach hat es aber                    so verstörend sie im Einzelfall sein mögen, sind
– zumindest einvernehmlich mit der Künst-                     und dürfen weder straf bar sein noch andere
lerin, aber unter schwerem medialem Druck                     repressive Konsequenzen haben. Innerhalb des
– Auftritte von Anna Netrebko abgesagt. Einen                 rechtlich Zulässigen muss das Individuum – um
derartigen Rechtfertigungsdruck für Individu-                 überhaupt ein solches sein zu können – in der
en kennt man eigentlich nur von totalitären                   Lage sein, sich frei und ohne Angst vor staat-
Staaten. Vergleiche mit der McCarthy-Ära sind                 lichen Konsequenzen moralisch zu positionie-
verfrüht, aber die Parallelen erscheinen immer                ren und seine Gesinnung – wie immer sie ge-
deutlicher. Heute sind es die Russen, morgen                  artet sei – zu äussern. Ist dies nicht möglich,
kann es jeden treffen.                                        ist die Schwelle zum Totalitären überschritten.
                                                              Erschreckenderweise sind wir inzwischen so
Die Empörungskultur als inhärenter Teil der                   weit, dass ernsthaft vorgeschlagen wird, eine
Mediengesellschaft fördert freilich eine Politik,             der massgeblichsten Säule der Rechtstaatlich-
die auf Gesinnung basiert. Man kann, man                      keit zu stürzen: das Anwaltsgeheimnis soll
muss vielleicht sogar, Donald Trumps Populis-                 nicht für Personen gelten, die auf (Sanktions-)
mus kritisieren, aber man muss sich gleich-                   Listen stehen. Dass man (wohlgemerkt aus
zeitig bewusst sein, dass er durch seine Simpli-              politischen Gründen) bestimmte Personen auf

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Editorial

Listen setzt und ihnen dann den Rechtsschutz                  Russlandsanktionen die «Besten weltweit»
verweigert, muss für einen Rechtsstaat ein                    evaluiert werden sollten, offenbart es eine Poli-
absolutes Tabu sein. Nicht anders verhält es                  tik, die sich vom medialen «was sein soll»
sich mit dem kürzlich ausgearbeiteten Vorschlag               treiben lässt. Der deutsche Journalist Nikolaus
einiger Politiker, dass blockierte Vermögen von               Blome warf dem deutschen Bundeskanzler Olaf
«Putin-nahen» Oligarchen nicht nur eingefro-                  Scholz in einem Artikel direkt vor, sich von den
ren, sondern auch eingezogen und einem be-                    Medien nicht treiben lassen zu wollen, nachdem
stimmten Zweck zugeführt werden sollen, wie                   er im Ukrainekrieg aus Sicht von Blome zu
zum Beispiel dem Wiederauf bau der Ukraine.                   zurückhaltend agiert hatte. Der Bundeskanzler,
So sehr man in diesem Vorschlag die gute In-                  so Blome, lasse sich «auch nicht von Vernunft
tention sehen mag, so gefährlich ist er, bricht               oder zum Richtigen» treiben und das sei kin-
er doch mit der Eigentumsgarantie und erlaubt                 disch und koste Zeit. Nicht nur, dass hier der
die staatliche Enteignung von Personen auf-                   Journalist für sich schon propagiert, was
grund politischer Überlegungen. Bricht man                    richtig und vernünftig sei – das könnte man
mit diesen rechtstaatlichen Prinzipien, bricht                immerhin als Meinung qualifizieren – sondern
man auch mit dem Rechtsstaat als solchen, das                 die Tatsache, dass die vierte Gewalt nunmehr
muss nicht nur der Politik und der Verwaltung,                nicht nur beschreiben, kritisieren und kont-
sondern auch den Medien und jedem Einzelnen                   rollieren will, sondern für sich die Vernunft
klar bewusst werden. Einer fraglos schwierigen                und – fast schon mit religiösem Tenor – das
politischen Situation mit solchen rechtsstaatlich             Richtige in Anspruch nimmt, ist problematisch
mehr als fragwürdigen Mittel zu begegnen,                     und – das muss man klar sagen – gefährlich.
wird die (aussen-)politischen Probleme nicht                  Die Gewaltenteilung gilt auch für die Medien,
lösen, aber ultimativ zur Erosion des Rechts-                 auch wenn dies von ihren Vertretern immer
taates führen.                                                mehr unter dem aktivistischen Dunst des
                                                              «Schreibens, was sein soll» vergessen wird.
Freilich, und das ist die Erkenntnis, die immer
mehr durchsickert, entfernen sich die Medien                  In die gleiche Kerbe schlagen nun auch die
von dem augstein’schen «Schreiben, was ist» hin               Politiker und «Experten», welche der Schweiz
zu einem «Schreiben, was sein soll». Nachdem                  attestieren, zu wenig gegen Russland und gegen
Anfang April die ersten Meldungen über ein                    die Vermögen russischer Staatsbürger zu tun,
mögliches Massaker russischer Soldaten an                     und die die USA und die EU offen dazu auf-
ukrainischen Zivilisten in der Ortschaft But-                 fordern, Druck auf die Schweiz auszuüben. Sie
scha auf kamen, reagierte das EDA – wohl auch                 propagieren dabei die faktische Ausserkraft-
noch Cassis’ Malheur im Hinterkopf – indem                    setzung der hiesigen Bank- und Anwaltsgeheim-
es eine unabhängige Untersuchung verlangte                    nisse und ein direktes Vorgehen der US-Behör-
und die Verstösse gegen das Völkerrecht kriti-                den gegen Schweizer Anwältinnen und
sierte. Die Schweiz at its best: Ein Beharren auf             Anwälte, falls Hinweise vorlägen, dass sie im
Regeln, selbst wenn andere sie brechen. Die                   Auftrag ihrer russischen Klienten mit US-Sank-
Reaktion des Blick war, Cassis, den Vorsteher                 tionen brechen. Das dabei immer wieder vor-
des EDA, als Weichspüler zu bezeichnen, weil                  getragene Argument lautet, dass die Schweiz
er nicht klarer Partei ergriffen habe und er                  sich durch die (angeblich vom Ausland so
gegen Russland nicht ausreichend Härte zeige.                 wahrgenommene, jedenfalls aber medial so
Cassis reagierte darauf: Er lobte, dass die                   dargelegte) «Zurückhaltung» ihren «guten Ruf»
Schweiz bei der Umsetzung der Sanktionen                      zerstöre. Die ausländische öffentliche Meinung
nicht nur auf Kurs sei, sondern zu den Besten                 als Gradmesser politischen Handelns zu defi-
weltweit gehöre. Abgesehen von der Frage, wie                 nieren, ist schon per se befremdlich und zeugt
und mit welchem Sinn und Zweck denn bei den                   von einem Minderwertigkeitskomplex, auf

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Editorial

diesem Altar aber den Rechtstaat opfern zu                    einer Kriminellen Organisation nachgewiesen
wollen ist – das sei klar gesagt – ein Bruch, der             worden ist. Ambühl, Meier und Thürer aber
das Ende der liberalen, freiheitlichen Ordnung                übergehen diese Komplexität, ebenso wie völker-
der Schweiz zur Folge haben wird. Der Ende                    rechtliche Fragen und verlangen von einer
Mai in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung                    näher nicht definierten Gruppe (sanktionierte
erschienene gemeinsame Beitrag von Michael                    russische Oligarchen) eine öffentliche politische
Ambühl, emeritierter Professor an der ETH                     Stellungnahme (in casu gegen Russlands Vor-
Zürich und vormaliger Staatssekretär des                      gehen), um der Einziehung von Vermögen zu
Schweizer Aussenministeriums, Nora Meier,                     entgehen: «Eine explizite öffentliche Distanzierung
Geschäftsführerin der Swiss School of Public                  vom Kreml wäre entlastend. Ansonsten würde,
Governance an der ETH Zürich, und Daniel                      nach einem solchen Ansatz, eine Unterstützung
Thürer, emeritierter Professor an der Univer-                 angenommen werden». Mit ihrem Artikel kata-
sität Zürich und ehemaliger Vorsitzender der                  pultieren uns die Autoren zurück in Zeiten, in
Deutschen Gesellschaft für Internationales                    denen die Gesinnung einer Person darüber
Recht und ehemaliges Mitglied des OSZE                        entschied, ob sie staatlichen Repressionen
Schieds- und Vergleichsgerichtshofs, lässt tief               ausgesetzt sein würde, in Zeiten, in denen
blicken, wie sehr der politische Gestaltungs-                 politische und moralische Vorstellungen das
wille dazu verführt, elementare Rechtsprinzi-                 Recht ausser Kraft setzten, in Zeiten, in denen
pien ausser Kraft zu setzen. Die drei Autoren                 von der staatlichen Doktrin abweichende
schlagen in ihrem – nota bene nur in einem                    Meinungen direkt sanktioniert wurden, in
ausländischen Medium erschienenen – Artikel                   Zeiten, in denen fundamentale Prinzipien des
vor, russische Vermögen «sanktionierter rus-                  Rechtsstaates wie Meinungsfreiheit, Eigentums-
sischer Oligarchen» zwecks Wiederauf baus der                 garantie, Unschuldsvermutung, Kausalität
Ukraine einzuziehen und bemühen als «Inspi-                   zwischen Handlung und Sanktion, Legalitäts-
ration» Art. 72 StGB. Diese Norm sieht die                    prinzip, Rückwirkungsverbot und Analogie-
Einziehung von Vermögen krimineller Organi-                   verbot – um nur einige zu nennen – jederzeit
sationen vor. Für Vermögenswerte einer Person,                zur Verfolgung politischer Ziele ausgehöhlt
die sich an einer solchen Organisation beteiligt              werden konnten oder gar nicht erst existierten.
oder sie unterstützt hat, wird nach Art. 72 StGB              Ein politisches Ziel, sei es noch so nobel, bleibt
die Verfügungsmacht der Organisation bis zum                  ein politisches Ziel und muss sich dem Recht
Beweis des Gegenteils vermutet. Daran anleh-                  beugen. Eine Umkehrung, in der das politische
nend, so die Autoren, «könnten so grundsätzlich               Ziel das Recht beugt, öffnet (politischer)
alle Vermögenswerte eingezogen werden, ausser                 Willkür Tür und Tor. Und wer so Politik machen
die Personen könnten beweisen, dass sie an dem                will, macht Politik, die der Radikalisierung der
von Putin provozierten Angriffskrieg nicht beteiligt          Bevölkerung, der Oberflächlichkeit und Simp-
sind oder diesen unterstützen». Ambühl, Meier                 lifizierung von komplexen Problemen, der
und Thürer verschweigen dabei, dass Art. 72                   Produktion von Denkverboten, der Nibelungen-
StGB keine allgemeine Beweislastumkehr vor-                   treue gegenüber staatlichen Moralvorstellungen
sieht – eine solche wäre auch nicht rechtens                  und der Abhängigkeit von den Medien Vorschub
und weder mit dem Schweizerischen Recht noch                  leistet und trägt damit den Rechtstaat zu
mit der EMRK vereinbar. Vielmehr findet Art.                  Grabe.
72 StGB nur Anwendung auf die Vermögens-
werte von Personen, denen durch richterliches                                          Dimitrios Karathanassis
und unabhängiges Urteil die Mitgliedschaft in

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