Briefing Mappe Für die parlamentarische Behandlung des Klimavolksbegehrens - Inhalte, Forderungen & Hintergrundinfos

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Briefing Mappe Für die parlamentarische Behandlung des Klimavolksbegehrens - Inhalte, Forderungen & Hintergrundinfos
Briefing
Mappe
Für die parlamentarische
Behandlung des
Klimavolksbegehrens

Inhalte, Forderungen
& Hintergrundinfos
Briefing Mappe Für die parlamentarische Behandlung des Klimavolksbegehrens - Inhalte, Forderungen & Hintergrundinfos
BRIEFING-MAPPE

Sehr geehrte Abgeordnete, welche
Erwartungen tragen wir an Sie heran?
Das Klimavolksbegehren, stattgefunden Ende Juni 2020, wurde von knapp
400.000 Menschen unterschrieben, trotz erschwerender Bedingungen in der
Corona-Zeit. Diese vielen Unterschriften, zusammen mit einer breiten Klima-Al-
lianz hinter dem Volksbegehren zeigen: Die Bekämpfung der Klimakrise nimmt
einen hohen Stellenwert in der Bevölkerung ein.

Wir sind eine ehrenamtliche Bewegung besorgter BürgerInnen aus allen Be-
rufsgruppen und verschiedensten politischen Richtungen. Wir sind nun jenen
Menschen verpflichtet, die das Volksbegehren unterschrieben und unterstützt
haben.

Die breite Unterstützung für unsere Anliegen ist erfreulich, allerdings nutzen die
besten Forderungen nichts, wenn es dann an der Umsetzung scheitert – und
genau dafür sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen!

Diese Informations-Mappe soll Ihnen breite Informationen über unsere Anliegen
und Ziele näher bringen sowie Hintergrundinfos liefern.

Natürlich ist uns klar, dass Sie bereits umfangreiche Informationen zur Thematik
besitzen. Nutzen Sie Ihren Informationsvorsprung, um mit uns gemeinsam am
selben Ziel zu arbeiten: dem Erhalt eines lebenswerten Österreichs. Geben Sie
sich und uns die Chance auf einen unvoreingenommenen Austausch von Fakten
in der Hoffnung auf eine mehrheitsfähige Lösung. Klären Sie uns sachlich über
allfällige Schwächen unserer Argumente auf; wir sind gerne bereit, dazuzulernen.

Einige Aktive des Volksbegehrens haben im Bereich der Klimapolitik erhebliches
Spezialwissen angesammelt; nutzen Sie dieses für eine verantwortungsvolle
Arbeit: gegenüber Ihren Wählerinnen, dem Wirtschaftsstandort Österreich,
sowie Mensch und Umwelt.

Danke.
Das Team des Klimavolksbegehrens

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I.           Briefing-Mappe
1..          Über uns – der Verein Klimavolksbegehren.......................................................................... 7
             1.1   Der Verein................................................................................................................................... 7
             1.2   Das Volksbegehren............................................................................................................... 7
             1.3   Die treibenden Kräfte hinter dem Verein................................................................8

2..          Die Klimakrise – Chance und Herausforderung..................................................................9
             2.1    Steigende Temperaturen..................................................................................................9
             2.2    Das Pariser Klimaabkommen.........................................................................................9
             2.3    Eine mutige Klimapolitik – für Österreichs Zukunft........................................10

3..          Die Bevölkerung will Klimaschutz...............................................................................................12

4..          Forderungen und Ziele des Klimavolksbegehrens..........................................................15
             4.1.  Einleitung...................................................................................................................................15
             4.2. Forderungsübersicht..........................................................................................................15

5..          Hoffnungen und Erwartungen an Sie als politische
             EntscheidungsträgerInnen..............................................................................................................18

6..          Positive Konsequenzen einer ambitionierten Klimapolitik..........................................19
             6.1.   Wirtschaft..................................................................................................................................19
             6.2. Industrie....................................................................................................................................20
             6.3. Soziale Dimensionen...........................................................................................................21
             6.4. Wirkung – Europa und weltweit..................................................................................21
             6.5. Gesundheit...............................................................................................................................22
             6.6. Luftverschmutzung........................................................................................................... 24
             6.7.   Tourismus..................................................................................................................................25
             6.8. Land- und Forstwirtschaft............................................................................................ 26
             6.9. Migration...................................................................................................................................27
             6.10. Gewalt........................................................................................................................................ 28
             6.11. Mensch – Schöpfung – Verantwortung................................................................. 29

7..Verweise...................................................................................................................................................30

                                                                                       3
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II.          Offizieller Forderungskatalog

1..          Zukunft ermöglichen: Recht auf Klimaschutz in die Verfassung!......................... 33

2..          Zukunft sichern: Stopp klimaschädlicher Treibhausgase!..........................................34

3..          Zukunft fördern: Klimaschutz belohnen und niemanden zurücklassen!.......... 36

4..          Zukunft gestalten: Mobilität und Energie nachhaltig machen!............................... 38

5..Verweise ..................................................................................................................................................40

III. Klimaschutzgesetz für Österreich
1..          Klimaschutz braucht Grundrechtsschutz............................................................................45
             1.1   Verfassungsrechtlich verankertes Treibhausgasbudget.............................45
             1.2   Grundrecht auf Klimaschutz........................................................................................46
             1.3   Verbesserungsgebot.........................................................................................................47

2..          Klimaschutz braucht Aktion.........................................................................................................48
             2.1   Zentrale Steuerung durch das Klimaschutzministerium.............................48
             2.2   Einbindung der Öffentlichkeit....................................................................................50
             2.3   Wirksamkeit der Maßnahmenplanung....................................................................51
             2.4   Sektorspezifisches Sofortprogramm bei Zielverfehlungen.......................52
             2.5   Regelmäßige Evaluierung des Maßnahmenprogramms............................ 53
             2.6   Fortschreibung des Maßnahmenprogramms...................................................54
             2.7   Rechtsschutzmöglichkeiten..........................................................................................55

3..          Klimaschutz braucht Kontrolle................................................................................................... 56
             3.1   Allgemeines............................................................................................................................ 56
             3.2   Organisation des Klimarechnungshofs................................................................. 56
             3.3   Aufgaben des Klimarechnungshofs........................................................................ 58
             3.4   Kooperation mit der Umweltbundesamt GmbH............................................. 62

4..          Klimaschutz braucht Konsequenz........................................................................................... 63
             4.1.  Fiskalische Konsequenzen............................................................................................. 63
             4.2. Zusätzlicher Sanktionsmechanismus..................................................................... 63

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IV. Offene Briefe
1..   Offener Brief der Glaubensgemeinschaften......................................................................66

2..   Offener Brief von Wirtschaftstreibenden..............................................................................71

V.    UnterstützerInnenliste
1..   Unterstützerinnen und Unterstützer....................................................................................... 79
      1.1   Persönlichkeiten................................................................................................................... 79
      1.2   Unternehmen........................................................................................................................80
      1.3   Organisationen.....................................................................................................................86

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I.   Die Briefing-Mappe

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1.            Über uns – der Verein
              Klimavolksbegehren
1.1           Der Verein
Hinter dem Klimavolksbegehren stehen nicht nur über 1000 motivierte Ehren-
amtliche und mittlerweile auch zahlreiche Unternehmen, sondern ebenso NGOs,
zivilgesellschaftliche Initiativen und prominente Persönlichkeiten. Gemeinsam
setzen wir uns für eine mutige Klimapolitik ein, um ein zukunftsfähiges Österreich
zu sichern, in dem jeder und jede ein sozial gerechtes, ökologisch verträgliches
und ökonomisch abgesichertes Leben führen kann. Wir verstehen uns als über-
parteiliche BürgerInnenplattform.

1.2           Das Volksbegehren
Das Klimavolksbegehren wurde im Zeitraum zwischen 22.-29. Juni 2020 abge-
halten und von 380.590 Menschen unterzeichnet. Neben den vielen Österreiche-
rInnen, die sich mit ihrer Unterschrift hinter die Ziele des Volksbegehrens gestellt
haben, hat sich mittlerweile auch eine breite Klima-Allianz gebildet, die mit uns
zusammen eine mutige Klimapolitik fordert:

Freiwillige                              Über 1000 ehrenamtliche Freiwillige
                                         aus allen Bundesländern

Unternehmen                              Mehr als 200 Unternehmen und
                                         CEOs wie z.B. BILLA, ÖBB,
                                         VBV-Vorsorgekasse

Religionsgemeinschaften                  In einem noch nie dagewesenen
                                         Schulterschluss haben sich die 6
                                         großen ­Glaubensgemeinschaften
                                         Österreichs hinter unsere Ziele gestellt

Prominente                                Über 140 namhafte Persönlichkeiten

Organisationen                           Unzählige ehrenamtliche und Non-
                                         Profit Organisationen, z.B. der Alpen-
                                         verein, Greenpeace, Volkshilfe, Öst.
                                         Rotes Kreuz, WWF
                                         Die offenen Briefe der Glaubensgemeinschaften sowie der
                                         Wirtschaft befnden sich unter Kapitel IV. Die vollständigen
                                         Listen aller UnterstützerInnen befindet sich unter Kapitel V.

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1.3   Die treibenden Kräfte hinter dem Verein
–     Katharina Rogenhofer
      Sprecherin des Klimavolksbegehrens, 26 Jahre
      „Meine Eltern und Großeltern konnten immer sagen: alles wird
      besser. Ich kann das heute wegen der Klimakrise nicht mehr aus
      vollster Überzeugung. Aber ich möchte dafür kämpfen!“

–     Stefan Weiß-Fanzlau
      Leitung Marketing, 40 Jahre, Marketing Manager & CX Experte
      „[…], weil Raunzen uns nicht vorwärts bringt!“

–     Kathrin Resinger
      Leitung Presse, 31 Jahre, Digital Marketing Managerin
      „Weil ich anderen zeigen möchte, dass wir auch als Einzelperso-
      nen etwas bewirken können – dass wir als Einzelne, aber doch
      gemeinsam den Weg für eine Zukunft ohne Klimawandel
      bereiten können.“

–     Stephanie Kunisch
      Teamlead Aktionismus, 27 Jahre,
      Hortpädagogin & Englisch- und Biologie-Lehrerin
      „Ich habe lange genug gesagt, dass wir endlich etwas tun
      müssen – deswegen tu ich es jetzt!“

–     Daniela Nikolasch
      Teamlead Politischer Dialog, 27 Jahre,
      Technikerin & Masterstudentin Biomedical Engineering
      „Ich engagiere mich beim Klimavolksbegehren, weil der Zeit-
      punkt gekommen ist, Krisen als solche zu behandeln und endlich
      Maßnahmen für eine lebenswerte Zukunft umzusetzen.“

–     Susanne Stückler
      Teamlead Fundraising, 29 Jahre, Biologin
      „Damit endlich was passiert!“

–     Helmut Anka
      Teamlead IT, 52 Jahre, IT-Berater für CRM und ERP
      „Nicht nur reden – wir müssen was TUN!“

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2.          Die Klimakrise – Chance
            und Herausforderung
2.1          Steigende Temperaturen
Im Zuge der Klimakrise steigen die Temperaturen der Erde seit Beginn der
Menschheitsgeschichte in einem noch nie dagewesenen Tempo. Die letzten
fünf Jahre waren die wärmsten seit Aufzeichnungsbeginn und die Wissenschaft
ist sich dabei einig: die Ursache liegt einzig in von Menschen verursachten
Veränderungen der Umwelt und ihrer Atmosphäre. In die Atmosphäre einge-
brachte Treibhausgase – CO2 , Methan etc. – hauptsächlich stammend aus der
Verbrennung fossiler Rohstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas – erhöhen den
Treibhauseffekt und führen zu einer immer stärkeren Erhitzung des Planeten.

Seit der vorindustriellen Zeit hat sich die Atmosphäre global bereits um knapp
1°C erwärmt, mit zuletzt steigender Tendenz. Folgen dieser Veränderung sind
bereits heute weltweit spürbar, beispielsweise durch steigende Meeresspiegel,
zunehmende Extremwetterereignisse wie Hitzewellen, Überflutungen oder
Wirbelstürme und durch ein beginnendes Aussterben von Arten aufgrund ihres
Lebensraumverlusts – z.B. durch Waldbrände. Nicht nur die wirtschaftlichen
Folgen dieser Auswirkungen sind immens, auch Millionen von Menschen
werden aufgrund zunehmender Verluste ihrer Lebensräume zur Flucht
gezwungen. Diese Auswirkungen werden bei einer weiteren Temperatur-
Erhöhung intensiviert.

2.2         Das Pariser Klimaabkommen –
            raus aus der fossilen Vergangenheit
Obwohl die Ursachen der Erhitzung bereits seit über 30 Jahren genau bekannt
waren, sind die CO2 -Emissionen immer weiter gestiegen. Im Jahr 2015 hat
sich die internationale Staatengemeinschaft schließlich im Abkommen von
Paris darauf geeinigt, die Erhitzung des Planeten auf unter 2°C und mög-
lichst 1.5°C zu beschränken. Bei Erreichung dieses Ziels könnte sich das Klima
noch stabilisieren und die Schäden auf ein erträgliches Ausmaß beschränkt
werden. Um dieses Ziel zu erreichen, steht der Menschheit aber nur noch ein
begrenztes Budget (=Gesamtmenge) an Treibhausgasemissionen zur Verfügung,
das jedoch bei gleichbleibenden Emissionen innerhalb weniger Jahre aufge-
braucht sein wird.

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BRIEFING-MAPPE

Um die Folgen der Klimakrise in Grenzen zu halten und die Ziele des Ab-
kommens von Paris zu erreichen, gilt es den Ausstoß von Treibhausgasen so
schnell wie möglich zu reduzieren. Sprich: vor allem die Verbrennung fossiler
Rohstoffe wie Öl, Kohle und Erdgas zu stoppen. Ziel ist es, möglichst früh
Netto-Null Emissionen zu erreichen. Die Menschheit emittiert in diesem Fall nur
noch jene Menge an Treibhausgasen in die Atmosphäre, die auch direkt – z.B.
im Pflanzenwachstum – gebunden werden kann.

2.3          Eine mutige Klimapolitik
             – für Österreichs Zukunft
Auch in Österreich macht sich die Klimakrise immer stärker bemerkbar. Auf-
grund geographischer Gegebenheiten (alpiner Raum, Binnenland) hat sich die
Temperatur im globalen Durchschnitt hier bereits doppelt so stark erhöht (2°C).
Und das, mit bereits spürbaren Schäden in der Land- und Forstwirtschaft wie
z.B. dem Borkenkäfer, zunehmenden und längeren Hitzewellen, Dürreperioden
und stärkeren Unwetterereignissen.

Die Daten der folgenden Grafik zeigen, dass Österreichs Fortschritte im Bereich
Klimaschutz äußerst bescheiden sind. 2018 lagen die Treibhausgas-Emissionen
bei 79 Mio. Tonnen. Im Vergleich zum Jahr 1990 ist also keine Eindämmung der
Emissionen gelungen. Österreich ist damit eines von nur 5 EU-Ländern, denen
keine Reduktion der CO2 Emissionen gelungen ist.1

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BRIEFING-MAPPE

Im internationalen Vergleich hinkt Österreich damit massiv hinterher. Vergleicht
man außerdem die konsumbasierten Pro-Kopf-Emissionen verschiedener
Länder, wird klar, dass Österreich aktuell alles andere als ein Vorreiter ist (siehe
nachfolgende Grafik). Der Konsum eines durchschnittlichen Österreichers ver-
ursachte 2017 einen CO2 -Ausstoß von rund 10,7 Tonnen2 jährlich. Der EU-Schnitt
liegt allerdings deutlich darunter, bei 8,3 Tonnen CO2. Zum Vergleich: Klimaneu-
tralität würde bedeuten, ein jährliches Budget von 1 Tonne pro Person und Jahr
nicht zu überschreiten.3

Auch Österreich muss somit seinen Beitrag im Kampf gegen die Klimakrise
leisten und möglichst schnell klimaneutral werden. Eine aktuelle Berechnung
des Wegener Centers hat ergeben, dass Österreich ab 2020 nur noch ein
Treibhausgasbudget von 700 Mt CO2equ. zur Verfügung steht, um seinen
Beitrag zur Erfüllung der Pariser Klimaziele zu erfüllen.4 Dies bedeutet nicht
weniger, als dass Österreich bis 2030 über 55% seiner Emissionen verringern
muss, um letztendlich 2040 die Netto-Null – also Klimaneutralität – zu erreichen.

Viele der dafür notwendigen Maßnahmen können dabei nur politisch vorge-
geben werden und finden sich daher in den Forderungen des Klimavolks-
begehrens wieder (siehe Kapitel 4). Eine konsequente Umsetzung der
Forderungen ermöglicht dabei nicht nur die Erfüllung der Klimaziele von
Paris, sondern macht Österreich auch zum internationalen Vorreiter im Kli-
maschutz, ein starker Wirtschaftsstandort wird gesichert durch Arbeitsplät-
ze in Zukunfts-Technologien und heimische, erneuerbare Wertschöpfung.
Eine intakte und saubere Umwelt fördert Gesundheit, Lebensqualität und
Artenreichtum in der Natur.

                                            11
BRIEFING-MAPPE

3.          Die Bevölkerung will
            Klimaschutz – Wirtschaft und
            ­Industrie stehen bereit
Die Österreicherinnen und Österreicher wollen Klimaschutz und sind bereit
mitzugehen . Das zeigen nicht nur die knapp 400.000 Unterschriften für das
Klimavolksbegehren, sondern auch viele aktuelle Umfragen:

–           Eine große Mehrheit der Wahlberechtigten stimmt zu,
            dass Österreich eine Vorreiterrolle im Kampf gegen den
            Klimawandel einnehmen sollte. Nur 20 Prozent der Befragten
            einer repräsentativen Market-Erhebung stimmen dieser Aussage
            eher oder gar nicht zu.5

–           „Der Klimawandel wird von den Österreichern als größere Krise
            betrachtet als die Coronavirus-Pandemie und die jüngsten
            Flüchtlingsströme.“6

–           „Laut einer Befragung wünschen sich 60 Prozent den
            Klimaschutz als Staatsziel in der Verfassung. […] 57 Prozent sind
            für eine Ökologisierung des Steuersystems.“7

–           „Satte 93 Prozent der Befragten denken, die Politik müsse
            Rahmenbedingungen schaffen, die klimafreundliches und
            nachhaltiges Handeln einfach und kostengünstig machen.“8

                                         12
BRIEFING-MAPPE

–            80 Prozent der Befragten erwarten sich mehr Anstrengungen
             von der Regierung. Als vordringlich gewünschte Maßnahmen
             werden genannt: der Ausbau von Ökostrom, die Verdichtung
             des öffentlichen Verkehrs und eine Umgestaltung des
             Steuersystems, damit klimafreundliches Verhalten günstiger und
             klimaschädliches Verhalten teurer wird.9

Auch die heimische Wirtschaft und Industrie stehen in den Startlöchern .
Europa und im Speziellen Österreich haben die einmalige Chance, durch frühe
politische Weichenstellungen eine weltweite Führungsrolle in zukunftsfähigen
Branchen und Technologien zu übernehmen. Laut einer kürzlich durchgeführten
Umfrage bereitet der Klimawandel zwei Dritteln der österreichischen Unter-
nehmen Sorge und bei betriebswirtschaftlichen Veränderungen wird verstärkt
auf Nachhaltigkeit gesetzt. Eine Mehrheit wäre bereit, Mehrabgaben im Ener-
giebereich bei gleichzeitiger Senkung der Lohnnebenkosten zu akzeptieren.10

Klimaschutz zahlt sich wirtschaftlich gleich mehrfach aus:

Bereits heute kostet uns in Österreich Nicht-Handeln in der Klimakrise jährlich
15 Milliarden Euro11:

–            8 Mrd. Euro durch fossile (Netto-)Importe

–            4 Mrd. Euro für klimaschädliche Subventionen

–            2 Mrd. Euro für Klimaschäden
             könnten bis 2050 auf 12 Mrd. Euro ansteigen

–            1 Mrd. Euro für Klimawandelanpassung
             mind. Verdopplung bis 2050

Dazu kommen in Zukunft Kosten für EU-Emissionszertifikate bei Klima-
ziel-Verfehlungen: gerechnet wird mit Kosten von bis zu vier Milliarden Euro,
die bis 2030 auf die Republik zukommen, und das noch ohne der sich abzeich-
nenden Verbesserung der EU-Klimaziele.12

Anstatt Milliarden für fossile Importe und Zertifikate auszugeben, sichert eine
ambitionierte Klimapolitik heimische Wertschöpfung und unzählige regionale
Arbeitsplätze in nachhaltigen Branchen wie Erneuerbare Energien und Kreis-

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BRIEFING-MAPPE

laufwirtschaft oder in Zukunftsindustrien wie z.B. der Elektromobilität und
Wasserstoffwirtschaft. So liegen laut Studien in einem ambitionierten Pho-
tovoltaik-Ausbau 200.000 Arbeitsplätze13 und in einer umfassenden Sanie-
rungs-Offensive 136.000 Arbeitsplätze.14 Eine kürzlich veröffentlichte Studie des
Energieinstituts an der JKU Linz zu einer ambitionierten Energiewende beziffert
den Netto-Zuwachs an Arbeitsplätzen bis 2030 auf 100.000 – einhergehend mit
einem zusätzlichen Wachstum des BIPs von durchschnittlich 9,8 Milliarden
Euro pro Jahr.15

Eine kluge und faire Ausgestaltung einer ökosozialen Steuerreform beinhaltet
eine direkte Rückverteilung der Einnahmen an die Bevölkerung, beispielsweise
in Form eines Öko-Bonus und der Senkung der Arbeitgeberkosten, wie kürzlich
vom Ökobüro vorgeschlagen.16 Nach einer Studie des WIFO können dabei
insgesamt positive Beschäftigungseffekte erzielt werden, bei gleichzeitiger
Nicht-Beeinflussung des gesamtwirtschaftlichen Wachstums.17 Wie eine Anfrage
an den Budgetdienst ergeben hat, würde die Mehrheit der Bevölkerung von
einer direkten Rückvergütung sogar direkt finanziell profitieren.18

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BRIEFING-MAPPE

4.                 Forderungen und Ziele des
                   Klimavolksbegehrens
4.1                Einleitung
Unsere Forderungen bilden den notwendigen Rahmen an Maßnahmen, um
Österreichs Beitrag zum Klimaabkommen von Paris zu erfüllen und bis spä-
testens 2040 Klimaneutralität zu erreichen. Die Forderungen wurden in einem
breiten Prozess mit ExpertInnen und WissenschaftlerInnen, sowie Umweltorga-
nisationen und NGOs ausgearbeitet. Zusammen mit fachkundigen JuristInnen
haben wir für den Kern unserer Forderungen (Grundrecht, Treibhausgasbudget,
Reduktionspfad, Klimarechnungshof) auch Gesetzestexte ausgearbeitet, wie
die Ausgestaltung in einem Klimaschutzgesetz aussehen könnte. Die aus�     -
formulierten und detaillierten Forderungen befinden sich in dem Offiziellen
Forderungskatalog unter Kapitel II.

4.2                Forderungsübersicht
–                  Ein verbindliches, wissenschaftlich fundier-
                   tes CO2 -Budget im Klimaschutzgesetz
Um die Erderwärmung im Sinne des Pariser Klimaschutzabkommens auf 1,5°C
zu beschränken, steht Österreich ein begrenztes Treibhausgasbudget zur
Verfügung, welches von WissenschaftlerInnen des Wegener Centers kürzlich
mit 700 Mt. CO2 -Äquivalenten berechnet wurde.19 Da dieses Budget nicht
überschritten werden darf, soll es verbindlich gemacht werden. In Einklang mit
dem Treibhausgasbudget soll in einem Klimaschutzgesetz ein Reduktionspfad
(siehe nachfolgende Grafik) gesetzlich festgelegt werden, worin Österreich sich
verpflichtet, die Emissionen bis 2030 nach wissenschaftlichen Empfehlungen um
mindestens 57% zu reduzieren und bis 2040 national klimaneutral zu werden.
Die Verantwortung zur Einhaltung des Budgets soll auf Bund, Länder und
Sektoren aufgeteilt werden, um die Beiträge auf verschiedenen Ebenen kon-
sistent zu machen. Im Klimaschutzgesetz soll ein korrespondierendes Maßnah-
menpaket festgeschrieben werden, das die Einhaltung des Reduktionspfades
sicherstellt. Zusätzlich zu der gesetzlichen Verankerung des Reduktionspfades
samt Treibhausgasbudget, Maßnahmenpaket und Finanzierung müssen bei
Zielverfehlung zusätzliche Maßnahmen beschlossen werden.
Unsere Vorschläge zur Ausgestaltung dieser Mechanismen finden sich in den juristischen Ausarbeitungen in Kapitel III.

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BRIEFING-MAPPE

–                  Ein Klimarechnungshof, der die Einhaltung
                   des CO2 -Budgets prüft
Ein Klimarechnungshof, institutionell nach dem Vorbild des “Finanz”- Rech-
nungshofes, ist im Klimaschutzgesetz verfassungsrechtlich zu verankern, um
die Wichtigkeit dieses generationenübergreifenden Themas zu unterstreichen.
Regierungen wechseln – die Aufgabe unsere Zukunft zu sichern bleibt. Der
Klimarechnungshof soll sich aus einem unabhängigen Gremium universitärer
Fachleute und wissenschaftlicher ExpertInnen zusammensetzen und die Ein-
haltung des Treibhausgasbudgets prüfen, veröffentlichen und bei Verfehlung
Empfehlungen für zusätzliche Maßnahmen aussprechen. Bei allen neuen und
bestehenden klimarelevanten Gesetzen, Verordnungen und Projekten soll au-
ßerdem eine wissenschaftliche und transparente Folgenabschätzung für Klima-,
Umwelt- und Artenschutz durchgeführt werden.
Unsere Vorschläge zur Ausgestaltung dieser Institution, sowie detaillierte Aufgaben und Mechanismen finden sich in
den juristischen Ausarbeitungen in Kapitel III.

–                  Kostenwahrheit und eine ökosoziale
                   Steuerreform
Klimafreundliches Handeln muss allen möglich gemacht werden. Dazu müssen
Steuern und Förderungen zukunftsfähig werden. Klimaschädigendes Handeln
soll reduziert werden und muss daher den Preis haben, den es auch für die
Gesellschaft hat. Den Verbrauchern und Unternehmen sollen so die Kosten für
die verursachten Klimafolgen durch ein deutliches Preissignal mitgeteilt werden.
Gleichzeitig soll klimafreundliches Handeln günstiger und somit klimafreundliche
Energie, Mobilität etc. leistbar für alle werden. Einnahmen aus einer ökosozialen
Steuerreform sollen dazu verwendet werden, Menschen mit geringem oder gar

                                                              16
BRIEFING-MAPPE

keinem Einkommen durch einen Klimabonus zu entlasten und den Faktor Arbeit
geringer zu besteuern. Andererseits soll das Geld zweckgebunden in nachhaltige
Infrastruktur, Energie und Verkehr investiert und diese für alle zugänglich gemacht
werden. Vorschläge für eine detaillierte Ausgestaltung einer ökosozialen Steuerre-
form wurden kürzlich beispielsweise vom Ökobüro präsentiert.20

–                  Eine flächendeckende Versorgung mit
                   klimafreundlicher Mobilität und eine
                   garantierte Finanzierung der Energiewende
Es muss allen Menschen möglich sein, nachhaltig zu leben. Deshalb soll in ein
gut ausgebautes, breit leistbares öffentliches Nah- und Fernverkehrsnetz und
leistbare, regionale erneuerbare Energie für alle investiert werden. Emissions-
freie Mobilität braucht viele Lösungen: den Ausbau und die Vergünstigung
des öffentlichen Verkehrs, klimafreundliche Fortbewegungsmittel und leistbare
Alternativen für alle Regionen. Um den Energiesektor nachhaltig und natur-
verträglich zu gestalten, muss der Energieverbrauch zurückgeschraubt, die
Energieeffizienz erhöht und der verbleibende Energiebedarf vollständig aus
erneuerbaren Quellen gedeckt werden.

–                  Den vollständigen Abbau
                   klimaschädigender Subventionen
Derzeit besteht für klimaschädigendes Handeln nicht nur keine Kostenwahrheit,
sondern es fließen auch viele Förderungen (Subventionen) in klimaschädigende
Wirtschafts- und Handelsweisen. Hinzu kommen marktverzerrende Begünstigun-
gen (z.B. fehlende Besteuerung Flugverkehr). Das WIFO hat die Summe dieser
Förderungen und Begünstigungen auf jährlich etwa 4 Mrd. € geschätzt.21 Diese
Subventionen/Begünstigungen gehören abgeschafft und die so eingesparten bzw.
zusätzlich eingenommenen Gelder werden frei für eine Entlastung der Bevölkerung.

–                  Ein Recht auf Klimaschutz in der Verfassung
Im Klimaschutzgesetz soll das Grundrecht auf Klimaschutz verfassungsrechtlich
festgeschrieben wer-den. Um uns eine nachhaltige Zukunft zu sichern, muss
Österreich die Reduktion der Emissionen im Einklang mit dem Pariser Klima-
schutzabkommen gewährleisten und Klimaschutz bei allen Regelungsvorhaben
bedenken. Damit dieses grundlegende Recht auch eingefordert werden kann
und langfristig festgelegt wird, ist es in der Verfassung zu verankern.
Unsere Vorschläge, wie ein verfassungsrechtliches Grundrecht auf Klimaschutz ausgestaltet sein könnte, finden sich in
den juristischen Ausarbeitungen in Kapitel III.

                                                               17
BRIEFING-MAPPE

5.           Hoffnungen und Erwartungen an
             Sie als politische
             EntscheidungsträgerInnen
Wir erhoffen uns, dass Sie sich mit unseren Forderungen vollinhaltlich
auseinandersetzen und den ExpertInnen im Zuge der umfangreichen Erörte-
rung im Parlament ausreichend Gehör schenken. Der vorliegende Text und die
entsprechenden Anhänge bieten viele weitere Unterlagen und Informationen
zur Thematik.

Wir bitten Sie außerdem, dass Sie:

–            sich innerhalb Ihrer Fraktion für die Umsetzung unserer
             Forderungen einsetzen.

–            gemeinsam mit uns und Ihren UmweltsprecherInnen an einer
             möglichen Umsetzung arbeiten.

–            intern auch mit KollegInnen über die Klimakrise und das
             Klimavolksbegehren sprechen.

Weiters bitten wir Sie, die fraktionsübergreifende Zusammenarbeit zu suchen.
Die Bekämpfung der Klimakrise sollte über allen parteipolitischen Überlegungen
stehen, immerhin ist die gesamte Menschheit betroffen und breite Allianzen aus
Wissenschaft, Bevölkerung, Religion und Wirtschaft stehen bereit die ambitio-
nierte Umsetzung unserer Forderungen mitzutragen.

Die Behandlung des Klimavolksbegehrens im Umweltausschuss bietet nun die
einmalige Gelegenheit, einen ambitionierten Klimaschutz in Österreich auf Schie-
ne zu bringen. Wir bitten Sie deshalb, mit uns und den UmweltsprecherInnen
Ihrer Parteien einen gemeinsamen Entschließungsantrag zu entwerfen, diesen
im Parlament zu unterstützen und damit unseren Forderungen zur baldigen
Umsetzung zu verhelfen.

                                          18
BRIEFING-MAPPE

6.           Positive Konsequenzen
             einer ambitionierten Klimapolitik
Die Klimakrise betrifft so gut wie alle Aspekte unseres Lebens und verursacht
Probleme in vielerlei Hinsicht. Die Erfüllung der Forderungen des Klimavolksbe-
gehrens und somit eine mutige Klimapolitik zahlen sich damit mehrfach aus und
tragen dazu bei, uns ein gutes Leben in Österreich in allen Bereichen zu sichern.
Im Folgenden einige Beispiele, welche immensen Vorteile uns Klimaschutz –
abgesehen von einer intakten Umwelt und Natur – noch bringen wird.

6.1          Wirtschaft
Die volkswirtschaftlichen Kosten der Klimakrise belaufen sich in Österreich auf
15 Mrd. € jährlich. Über 8 Mrd. € werden jedes Jahr (netto) für den Import
fossiler Rohstoffe ausgegeben. In den nächsten Jahrzehnten könnte sich die
Summe klimawandelbedingter Schäden von 2 Mrd. € jährlich auf bis zu 12 Mrd. €
erhöhen.22 Auch im Risikobericht des Weltwirtschaftsforums (WEF) nehmen die
Risiken aus der Klimakrise mittlerweile alle fünf Top-Plätze ein:

Verfehlt Österreich seine innerhalb der EU vereinbarten Klimaziele, so kommen
laut Fiskalrat Milliardenkosten für Zertifikate auf uns zu,23 und das ohne Berück-
sichtigung der sich abzeichnenden Verschärfung der EU-Klimaziele.

Investitionen in klimafreundliche Technologien und Branchen sichern uns hin-
gegen regionale Wertschöpfung, heimische Arbeitsplätze und Unabhängigkeit
von Energie-Importen. Wird Österreich zum Klimaschutz-Vorreiter in Europa,
können mithilfe der eingesparten Milliarden aus Zertifikatskosten und fossilen
Importen innovative heimische Betriebe gefördert werden, die zukunftsträchtige
Produkte, Technologien und Dienstleistungen zum Exportschlager machen.

                                           19
BRIEFING-MAPPE

Gerade auch staatliche Hilfen, die jetzt in der Coronakrise zur Belebung der
Wirtschaft gezahlt werden, sollten den Klimaschutz zentral mitdenken. So hat
eine kürzlich erschienene Oxford-Studie ergeben, dass Klima-Konjunkturpakete
herkömmlichen Rettungspakten in Bezug auf Schaffung von Arbeitsplätzen,
Kosten, und der Generierung von Wertschöpfung deutlich überlegen sind.24
Sich anbietende Maßnahmen beinhalten die verstärkte Förderung erneuerba-
rer Energien, eine Sanierungsoffensive, Förderungen von Innovationen in der
Industrie, Ausbau der Infrastruktur für umweltfreundliche Mobilität oder die Aus-
bildung und Schaffung zukunftsfähiger Jobs (Studien zeigen, dass im Ausbau
erneuerbarer Energien25 oder auch in einer großen Sanierungsoffensive26
hunderttausende Jobs geschaffen werden können).

6.2          Industrie
Aufgrund langer Investitionszyklen (teilweise mehrere Jahrzehnte) stellt die
Umstellung auf Klimaneutralität den Industriesektor vor besondere Herausfor-
derungen. Werden jetzt falsche Erneuerungen getätigt, so drohen langfristige
“Lock-Ins” die am Ende durch frühzeitige Abschreibung erst recht noch höhere
Kosten verursachen, und auch kurzfristig aufgrund von Unsicherheiten zu einem
hemmenden Investitionsklima führen.27

Die Industrie benötigt daher passende Rahmenbedingungen, etwa eine klar
kommunizierte, gesetzlich verankerte Zielvorgabe der Klimaneutralität 2040
oder eine sinnvolle Bepreisung von CO2 , auch um Alternativen wettbewerbs-
fähig zu machen. Nur so können rechtzeitig die richtigen Weichen gestellt
werden, um auch den internationalen Anschluss nicht zu verlieren. Klimafreund-
liche Technologien sind klar die Zukunft, erneuerbare Energien werden immer
wettbewerbsfähiger, sogar gegenüber bereits bestehender fossiler Infrastruktur.28
Österreichische und europäische Betriebe müssen aufpassen, in Bezug auf
saubere Industrie und zunehmende Digitalisierung nicht ins Hintertreffen zu
gelangen. Dies gilt sowohl für etablierte Branchen wie die Automobilindus-
trie,29 als auch für Branchen in der Erneuerbaren Energieerzeugung, wie die
Solarindustrie oder Wasserstoffwirtschaft. Ein Vergleich mit der Handybran-
che: Das Schicksal von Nokia beispielsweise zeigt, dass ein Verpassen von
zukunftsträchtigen Trends einen langfristigen Niedergang einleiten kann.30

Dass sich Pioniergeist im Bereich von erneuerbaren Energien lohnt, zeigt
beispielsweise die Erfolgsgeschichte der österreichischen Produzenten von
Heizkesseln und Öfen. Der durch den frühen Markteintritt gewonnene Entwick-

                                          20
BRIEFING-MAPPE

lungsvorsprung sorgt im Ausland für eine starke Nachfrage nach österreichischen
Biomasse-Heizkesseln. Der Exportanteil der österreichischen Kesselhersteller
beträgt rund 80%.31

6.3          Soziale Dimensionen
Die Klimakrise ist zugleich auch immer eine soziale Krise. Ärmere Bevölkerungs-
schichten sind weltweit und auch in Österreich meist stärker von den Folgen der
Klimakrise und auch von Luftverschmutzung betroffen. Überschwemmungen,
Dürren und heftige Hurrikane bedrohen immer mehr Menschen nicht nur in Ent-
wicklungsländern, die zugleich auch am wenigsten zur Klimakrise beigetragen
haben.32 Reichere Haushalte hingegen verursachen auch in Österreich doppelt
so hohe Emissionen wie Durchschnitts-BürgerInnen.33

Ärmere Menschen können sich eine Umstellung auf klimafreundlichere Le-
bensweisen oft nicht leisten (z.B. SeniorInnen mit fossilen Heizungen, Pendler-
Innen, die auf ein Auto angewiesen sind). Menschen aus dem untersten Ein-
kommens-Quintil benutzen überdurchschnittlich oft kein Auto und sind auf den
öffentlichen Verkehr angewiesen.34 Bei der Setzung von Klimaschutz-Maßnah-
men ist ein sozialer Ausgleich daher unabdingbar und muss so gestaltet werden,
dass im Endeffekt alle davon profitieren können. Ein sozial gerechtes und ökolo-
gisches Steuersystem (z.B. CO2 -Bepreisung mit Klimabonus als Rückverteilung)
kann mehr Menschen entlasten als belasten.35 Förderungen zur Dämmung und
Renovierung von Gebäuden führen langfristig zu sinkenden Energiekosten für
die BewohnerInnen, wovon bei ausreichenden Förderungen gerade auch ärmere
Haushalte profitieren könnten. Ein ausgebauter, gut getakteter und leistbarer
öffentlicher Nah- und Fernverkehr schafft nicht nur viele Arbeitsplätze, er macht
es auch allen möglich, auf klimafreundliche Alternativen umzusteigen.

6.4          Wirkung – Europa und weltweit
Der Klimawandel zeigt in Europa schon jetzt deutliche Auswirkungen. Ext-
reme Wetterereignisse häufen sich. Während Süd- und Mitteleuropa inzwi-
schen immer häufiger mit Hitzewellen, Waldbränden und Dürren zu kämpfen
haben, ist Nordeuropa eher von starken Regenfällen und Überschwemmungen
betroffen.36 In der ganzen EU werden von Jahr zu Jahr immer neue Hitzerekorde
erreicht – 2019 war das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen.37

                                           21
BRIEFING-MAPPE

Weltweit zeigen immer mehr Länder Ambitionen, rasch Klimaneutralität zu
erreichen. Neben einigen europäischen Vorreitern (z.B. Norwegen, Dänemark,
Finnland) hat vor kurzem auch China, der weltweit größte CO2 -Emittent, ange-
kündigt, bis 2060 klimaneutral zu werden.38 Auch Kalifornien zeigt Ambitionen
und möchte beispielsweise bis 2035 Neuzulassungen von Autos mit Verbren-
nungsmotoren verbieten39 – unter einem Präsidenten Biden ist anzunehmen,
dass auch die restliche USA solche Ziele formulieren wird.

Das offizielle Ziel der EU sieht eine Senkung der Treibhausgasemissionen um
40% bis 2030 vor, allerdings wird dieses Ziel nach Plänen der EU-Kommissi-
on und des EU-Parlaments nächstes Jahr auf mindestens 55% angehoben.40
Spätestens bis 2050 soll die gesamte EU laut diesen Plänen Klimaneutralität
erreichen. Dazu müssen alle Mitgliedsstaaten mitziehen. Besonders Österreich
kann hier mit idealen Voraussetzungen eine Vorreiterrolle einnehmen: Mit einer
breiten Akzeptanz zu Klimaschutz in der Bevölkerung, einem bereits jetzt hohen
Anteil erneuerbarer Energien und einer stark exportorientierten Wirtschaft.
Mit klaren Zielen, wie der vom Klimavolksbegehren geforderten gesetzlich
verankerten Klimaneutralität 2040 kann so die Basis gelegt werden, in Zukunfts-
branchen und Technologien Marktführerschaft zu übernehmen und diese nicht
nur in die EU, sondern in die gesamte Welt zu exportieren.

6.5          Gesundheit
Die Klimakrise verursacht zunehmend starke gesundheitliche Risiken in Europa.
Vor allem die Hitze kann für Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen
oder Atemwegserkrankungen gefährlich werden. Neben der älteren Bevölke-
rung sind besonders auch Kinder bei starker Hitze gefährdet, da ihre Wärmere-
gulation noch nicht ganz ausgereift ist. Sie produzieren erst später und weniger
Schweiß als Erwachsene und neigen dadurch schneller zu einer Überhitzung.
Dies zeigt sich auch bei der Säuglingssterblichkeit, die an sehr heißen Tagen
um 25% steigt. 2003 führte das Hoch „Michaela“ zu einer Hitzewelle in Europa,
das in Westeuropa mehr als 40.000 Todesopfer forderte. In Österreich gibt
es schon mehr Hitzetote als Verkehrstote (siehe nachfolgende Grafik der AGES)41.
Im Durchschnitt sterben pro Jahr 529 Menschen in Österreich an der Hitze im
Sommer.

                                          22
BRIEFING-MAPPE

Allergien, Asthma sowie Atemwegserkrankungen haben in den west-eu-
ropäischen Ländern in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen –
mitverantwortlich waren die steigenden Temperaturen, welche das Wachstum
allergieauslösender Pflanzen fördern und gleichzeitig die Intensität von Sympto-
men verstärken und deren Häufigkeit erhöhen.42 Hinzu kommen starke gesund-
heitliche Auswirkungen durch die mit der fossilen Verbrennung einhergehende
Luftverschmutzung (siehe Kapitel 6.6).

Ebenso wird die Ausbreitung vieler Krankheiten (z.B. Malaria, Dengue-Fie-
ber, Borreliose) und ihrer Überträger, wie Stechmücken, Zecken, Flöhe oder
Nagetiere, durch die veränderten klimatischen Bedingungen stark beeinflusst.
Pathogene Erreger brauchen eine bestimmte Temperatur um zu überleben und
Wirkung zu entfalten. Das Japan-Encephalitis-Virus zum Beispiel benötigt eine
Temperatur von 25-26°C, um auf einen Wirt wie den Menschen übertragen
werden zu können. Steigende Temperaturen können auch die Reproduktionszeit
der Erreger verändern; zum Bespiel sinkt sie bei dem Plasmodium falciparum
mit steigender Temperatur und ermöglicht damit eine schnellere Vermehrung.
Häufigere Regenfälle und Überschwemmungen, wie sie vor allem in Nordeuropa
erwartet werden, steigern die Zahl fäkaler Erreger im Wasser, die Infektions-
krankheiten auslösen.

Der Einfluss des Klimawandels auf die psychische Gesundheit ist ein oft
unterschätztes, aber ernstzunehmendes Problem. Die wirtschaftliche Belas-
tung durch psychische Erkrankungen in der EU lagen 2010 schon bei 798
Milliarden Euro, mit einer erwarteten Verdoppelung bis 2030.43 Durch den Kli-

                                          23
BRIEFING-MAPPE

mawandel steigen extreme Wetterbedingungen, Naturkatastrophen, Migrations-
wellen, Hungersnöte und Konflikte. Viele Menschen sind sich der Konsequenzen
der Klimaveränderungen bewusst, was eine kürzlich veröffentlichte Studie des
Pew Research Center zeigt. Dabei wurde in der EU der Klimawandel als größte
globale Bedrohung der heutigen Zeit wahrgenommen.44 Die wachsende Bedro-
hung führt bei vielen Menschen zu Angst und Unsicherheit, die das psychische
Wohlbefinden stark beeinträchtigen.45

All diese Aspekte zeigen klar, dass mit einer ambitionierten Klimapolitik die
gesundheitsschädlichen Auswirkungen durch Folgen wie Hitze und Luftver-
schmutzung auf die Bevölkerung deutlich reduziert werden.

6.6          Luftverschmutzung
Luftverschmutzung entsteht durch verschiedene vom Menschen verursachte
und auch natürliche Quellen. Vor allem die Verbrennung fossiler Brennstoffe für
Stromerzeugung, Verkehr, Industrie und in Haushalten, industrielle Prozesse, der
Einsatz von Lösungsmitteln, die Landwirtschaft und Abfallbehandlung führen zu
Luftschadstoff-Emissionen.46 Somit sind vor allem jene Prozesse, die auch für
den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase verantwortlich sind, gleichzeitig für
die meiste Luftverschmutzung verantwortlich.

Laut einer neuen Studie der europäischen Umweltagentur stellt Luftverschmut-
zung in Europa das größte Risiko für die menschliche Gesundheit dar, mit jährlich
mehr als 400 000 vorzeitigen Todesfällen (Stand 2018). Vor allem Menschen die
in Armut leben, Kinder, schwangere Frauen, ältere Menschen und Personen mit
bereits bestehenden gesundheitlichen Problemen sind von den Gefahren der
Luftverschmutzung betroffen.47 Luftschadstoffe wie Feinstaub, Stickstoffdioxid
oder bodennahes Ozon wirken sich auf verschiedene Weise auf die menschliche
Gesundheit aus: sie können die durchschnittliche Lebensdauer beeinflussen,
Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Kurzzeiteffekte oder Langzeitschädigungen der
Atemwege und Husten verursachen, Entzündungsreaktionen auslösen oder die
Lungenfunktion beeinträchtigen.48

Doch nicht nur die Gesundheit ist durch Luftschadstoffe gefährdet, auch Ökosys-
teme sind betroffen: Schwefel- und Stickstoffverbindungen können durch den
Eintrag in die Umwelt zu Versauerung des Bodens und von Gewässern führen,
Stickstoffverbindungen überdüngend wirken.49

                                          24
BRIEFING-MAPPE

Obwohl die Luftverschmutzung in Österreich und Europa bereits deutlich
verringert werden konnte, braucht es weiterhin Maßnahmen. Die Belastung
durch manche Luftschadstoffe, besonders Feinstaub, Ozon und Stickoxide,
überschreitet oftmals weiterhin entsprechende Grenz- und Zielwerte.50

Die Umsetzung der Forderungen des Klimavolksbegehrens tragen dazu bei,
die Luftverschmutzung in vielen dieser Sektoren zu verringern . Die flächen-
deckende Versorgung mit klimafreundlicher Mobilität, die garantierte Finanzie-
rung der Energiewende und der Abbau klimaschädigender Subventionen führen
zu einer Verringerung der Luftschadstoff-Emissionen im Verkehrs-, Energie-
und Industriesektor sowie auch in Haushalten. Eine ökosoziale Steuerreform
entlastet vor allem sozial Schwache, die mitunter am Häufigsten von den Folgen
der Luftverschmutzung betroffen sind.

6.7          Tourismus
6.7.1        Sommertourismus
In Österreich muss der Alpintourismus mit Gletscherrückgängen (Attrakti-
onsverlust) und Instabilität der Permafrostböden und daraus resultierenden
Felsstürzen rechnen. Im Donautourismus sind Niedrigwasserstände im Sommer
und Frühherbst zu erwarten.51 Generell besteht eine erhöhte Dürre- und Wald-
brandgefahr, Niederschläge werden seltener, dafür umso heftiger und führen
zu einer steigenden Gefahr von Hochwasser und Muren.52 Vermehrte und
längere Hitzewellen werden zu einer zunehmenden Gefahr für die Gesundheit der
Touristen. Der Klimawandel führt u. a. zu einer Verschiebung der Vegetations-
zonen, zu einer Veränderung der Artenzusammensetzung und wahrscheinlich
auch zu einer Verringerung der Artenvielfalt. Kleinräumig dürften fehlende
Niederschläge vorhandene Wasserengpässe verstärke.53

Beispiel Neusiedler See: Die Austrocknung des Sees auf Grund steigender
Verdunstung in Folge höherer Temperaturen in den nächsten Jahrzehnten ist
äußerst wahrscheinlich.54 Repräsentative Befragungen von Gästen zeigen aber,
dass ein ansprechendes Bild des Sees für dessen Funktion als Tourismusmagnet
essentiell ist.55

6.7.2        Wintertourismus
Für den schneeabhängigen Wintersporttourismus werden die Risiken bzw.
Gefahren des Klimawandels als hoch bis sehr hoch eingestuft. Im gesamten
Alpenraum gelten heute 609 von 666 Skigebieten bzw. 90% als schneesicher.

                                         25
BRIEFING-MAPPE

Bei einer Erwärmung um 1 °C sinkt die Zahl auf 500, bei +2 °C auf 404 und bei
+4 °C auf 202, d.h. auf weniger als 30 Prozent.56 Ein Entgegenwirken mit ent-
sprechender Beschneiung ist teuer und schmälert somit die Profitabilität des
Wintertourismus. Zudem können knapp 30% der Pistenflächen gar nicht künst-
lich beschneit werden.57

Eine repräsentative Online-Befragung von über 800 österreichischen Urlaubsrei-
senden ergab, dass bei einer Abfolge von mehreren schneearmen Wintern mit
schlechten Schneebedingungen 61% das Ski-Fahren reduzieren würden; jeder
Zehnte würde mit dem Ski-Fahren sogar aufhören.58

Insgesamt übersteigen Einbußen im Wintertourismus leichte Zunahmen im
Sommertourismus deutlich: der jährliche Netto-Schaden liegt bei 35 bis 330 Mio.
Euro bis 2030 und bis zu 350 Mio. Euro 2050.59

Es ist im Interesse des österreichischen Fremdenverkehrs, tausender Be-
triebe und ArbeitnehmerInnen, den wachsenden Gefahren der Klimakrise
entgegenzutreten, um UrlauberInnen unbeschwerte Tage zu ermöglichen –
fernab von Hitze, Naturgefahren, Krankheitserregern oder Wassermangel.

6.8          Land- und Forstwirtschaft
Land- und Forstwirtschaft gehören ohne Zweifel zu den am stärksten vom
Klimawandel betroffenen Sektoren. Extremwetterereignisse, steigende Jahres-
durchschnittstemperaturen und ausgeprägte Niederschlagsdefizite treffen die
heimischen Betriebe hart. Die nachfolgende Abbildung zeigt, dass Unwetter und
Dürren in den letzten fünf Jahren allein in der Landwirtschaft Schäden in der
Höhe von 1,16 Mrd. Euro verursachten.60

                                         26
BRIEFING-MAPPE

Prognosen für die Forstwirtschaft quantifizieren die jährlichen durchschnittlichen
Nettoschäden durch die Klimakrise mit 300 Mio. Euro für 2030 und rechnen
mit einem Anstieg auf 470 Mio. Euro im Jahr 2050.61 Zusätzlich begünstigt
der Klimawandel die Vermehrung von Schädlingen (z.B. Borkenkäfer, Maikäfer,
Rübenderbrüssler, Erdfloh, Feldmaus, etc.) und erhöht die Gefahr von Waldbrän-
den massiv. Im Obstbau machen warme Winter und eine damit einhergehende
verfrühte Blüte die Kulturen anfälliger für Spätfrostschäden.

Mit einer regionalen und nachhaltigen Produktion von Lebensmitteln
kann nicht nur die heimische Landwirtschaft und Umwelt gestärkt werden,
sondern auch ein relevanter Beitrag fürs Klima geleistet werden. Zusätzlich
können Anreize für Aufforstung und Humusaufbau die Bindung von Kohlenstoff
erhöhen und damit zu einer Reduktion der Nettoemissionen von CO2 beitragen.

Weitere Chancen ergeben sich aus der verstärkten Nutzung von Biomasse als
Baustoff und Energiequelle. Holz und Stroh (in Kombination mit Lehm) können
energie-intensive Bauprodukte wie Beton und Stahl vielfach ersetzen.

6.9          Migration
Die Klimakrise, insbesondere der globale Temperaturanstieg, erhöht das Risiko
von Naturkatastrophen wie Dürren, Stürmen und Monsunen.62 Hinzu kommen
schleichende Prozesse wie der Meeresspiegelanstieg oder die Wüstenbildung. So
werden landwirtschaftliche Flächen oder sogar ganze Lebensräume zerstört.63
Diese Folgen der Klimakrise können regionale, ethnische und soziale Konflikte
verstärken und die Wahrscheinlichkeit von Gewaltausbrüchen steigt, vor allem
in Staaten, die die Einhaltung von Menschenrechten und sozialer Ordnung nicht
sicherstellen können. All diese Umstände können Fluchtbewegungen auslösen.64

Eine Untersuchung des Institute for Economics and Peace prognostiziert, dass
im Jahr 2040 mehr als 5 Milliarden Menschen in Ländern leben könnten, die mit
Wasserknappheit kämpfen – darunter auch Indien und China. Aufgrund von
Wassermangel, einer unsicheren Lebensmittelversorgung, Konflikten, sowie
Naturkatastrophen könnte der Lebensraum von mehr als einer Milliarde Men-
schen weltweit bedroht sein.65

Nach einer Statistik des Internen Monitoring Center sind von 2008 bis 2019
jährlich im Schnitt 26,4 Millionen Menschen zwangsweise wegen der Klimakrise
geflohen, bisher meistens innerhalb der jeweiligen Staatsgrenzen.66 Die Weltbank

                                           27
BRIEFING-MAPPE

prognostiziert für 2050, dass über 140 Millionen Menschen innerhalb der eigenen
Grenzen werden umsiedeln müssen.67 Betroffen sind vor allem Subsahara-Afrika,
Nord-Afrika, Süd-Asien und der Mittlere Osten.68 Die Weltbank geht davon aus,
dass in den kommenden Jahren 80 Millionen Menschen vom Afrikanischen
Kontinent aufgrund des Klimawandels in den Norden beziehungsweise nach
Europa auswandern werden.69

Eine ehrgeizige Klimapolitik ist die beste Hilfe vor Ort und ermöglicht vielen
Menschen ihre Heimat nicht verlassen zu müssen. Dadurch kann weiteres
Fluchtelend vermieden werden.

6.10         Gewalt
Die durch die Klimakrise verursachten höheren Temperaturen können entweder
direkte Mitverursacher für Gewalthandlungen sein oder zu Ressourcenknappheit
beitragen, die dann ihrerseits aggressive Handlungen auslöst.

WissenschaftlerInnen der Princeton University fanden bei einem Temperaturan-
stieg von lediglich zwei Grad Celsius in einigen Regionen der Welt bereits
einen Anstieg von Gruppenkonflikten (Aufständen oder Bürgerkriegen) um 50
Prozent.70 Eine andere Studie des PIK führt solche bewaffnete Konflikte auf
das Auftreten von Extremereignissen wie Hitzewellen oder Dürren, vor allem
in ethisch zersplitterten Ländern, zurück. Fast ein Viertel der in der Studie
untersuchten Gewaltkonflikte fielen mit dem gleichzeitigen Auftreten von Ex-
tremereignissen zusammen, die den Ausbruch der Konflikte zwar nicht direkt
auslösten, aber das Risiko deutlich erhöhten.71

Eine Studie unter Mitarbeit der WU und JKU Linz konkretisiert am Beispiel von
Syrien: „Langanhaltende Trockenheit und Wasserknappheit führten zum Ausfall
der Ernte. Bäuerliche Familien flohen in die Städte, wo eine Überbevölkerung
entstand. Viele Menschen waren ohne Arbeit, der Stein für politische Unru-
hen und Krieg war gelegt.“Was Mitte der 2000er-Jahre als vom Klimawandel
verursachte Dürreperiode losging, setzt sich bis heute in einem verheerenden
Bürgerkrieg fort.72

Schon heute haben zwei Milliarden Menschen laut UNO keinen Zugang zu
sauberem Wasser, der Klimawandel verschärft die Situation und könnte die
Wasserversorgung von vielen weiteren Milliarden Menschen gefährden.73 Ohne

                                         28
BRIEFING-MAPPE

eine globale Wasserwende mit neuen Wassermanagement-Methoden drohen
gewaltsame Auseinandersetzungen um Wasser, zumindest als zusätzlich ver-
stärkende Mechanismen.74

Die Bekämpfung der Klimakrise ist somit auch eine erfolgversprechende
Möglichkeit, friedenserhaltend tätig zu werden, Migrationsbewegungen
vorzubeugen und Elend zu verhindern.

6.11         Mensch – Schöpfung – Verantwortung
            “Willst du den Frieden fördern, so bewahre die Schöpfung”
              – Papst Benedikt XVI zum Weltfriedenstag 1.1.201075

Jeder Mensch entscheidet sich täglich, die Umwelt (positiv oder negativ) zu
verändern oder nichts zu tun. Für jede Veränderung (die auch durch die Unter-
lassung gebotener Handlungen bewirkt werden kann) ist der Mensch seinen
Mitmenschen, und insbesondere seinen Nachkommen gegenüber, verantwortlich.

Diese Überlegung ist in allen Weltreligionen anerkannt; nicht zufällig haben
sechs in Österreich anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften die
Forderungen des Klimavolksbegehrens unterstützt. Kardinal Schönborn appellier-
te dabei an die Verantwortung aller, sich für die Bewahrung der Schöpfung, mehr
Klimagerechtigkeit und eine nachhaltige Wirtschaft einzusetzen.76

Für das Christentum formulierte Papst Benedikt XVI diesen Gedanken folgen-
dermaßen: Der Mensch sei berufen, eine verantwortungsvolle Herrschaft über
die Schöpfung auszuüben, um sie zu schützen, zu nutzen und zu kultivieren und
so die notwendigen Ressourcen zu finden, damit alle würdig leben können.77

Die ethisch-religiösen Forderungen, die sich aus der Umweltkrise ergeben,
können wir (unter anderem) durch verstärkten Klimaschutz erfüllen. Damit
entsprechen wir unserem Selbstverständnis als moralische Wesen; zugleich
wird so das Ansehen und auch die Vorbildwirkung Österreichs in der Welt
weiter gefördert.

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