Bürger*innen entlasten! - energiepreise und inflation
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Ausbildungsreport 2022 +++ Antikriegstag Gewerkschaftlicher Info-Service Nr. 9 — September 2022 Energiepreise und Inflation – Bürger*innen entlasten! Im Supermarkt, beim Einkaufsbummel und beim Stromvertrag – überall sind die Preise spürbar gestiegen. Gerade für Energie müssen die Menschen deutlich tiefer ins Portemonnaie greifen. Damit niemand unverschuldet in Not gerät, fordern der DGB und die Gewerkschaften, geringe und mittlere Einkommen weiter zu entlasten. D ie steigenden Preise gehen nicht spurlos � Gerecht besteuern � an den Menschen vorbei. Das zeigt eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung: Nicht nur die Energiepreise steigen. Durch Lie- Über alle Einkommensgruppen hinweg wollen 39 ferkettenengpässe und den Ukraine-Krieg sind Prozent der Beschäftigten künftig weniger Nah- die Lebenshaltungskosten insgesamt gestiegen. rungs- und Genussmittel kaufen. Bei Bekleidung Lösungen zu finden, um die Inflation zu bekämp- und Schuhen wollen sich 53 Prozent einschrän- fen, ist Ziel der „konzertierten Aktion“ von Bundes- ken. Bei Menschen mit einem Netto-Einkommen kanzleramt, Gewerkschaften und Arbeitgebern. Für unter 2000 Euro wollen gar 52 Prozent bei Essen den DGB ist klar: Wachstum und Kaufkraft müssen und Trinken sparen. Besonders bitter: Nach zwei stabilisiert werden. Deswegen darf der Staat jetzt Pandemie-Jahren sind bei vielen die finanziellen nicht sparen, sondern muss gezielt investieren, um Reserven aufgebraucht. Nach Zahlen des Deut- das Land zukunftsfähig zu machen. schen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Grundbedarf für Strom und Gas festgelegt wer- Wie ein sozial gerechtes Steuersystem steht jeder dritte Haushalt ohne ersparte Rückla- den, für den eine Preisgarantie gilt. Für Energie, aussehen kann, das die breite Masse entlastet gen da. die darüber hinaus verbraucht wird, muss mehr und dennoch mehr Einnahmen generiert, hat der gezahlt werden. Dies würde vor allem Haushalte DGB bereits vor einiger Zeit durchgerechnet und � Gezielt entlasten � mit kleinen Einkommen deutlich entlasten. Darü- vorgeschlagen. Mit den Maßnahmen würden 95 Angesichts dieser Zahlen forderte die DGB-Vor- ber hinaus sollten Gas- und Stromsperren sowie Prozent der Menschen entlastet werden. So etwa sitzende Yasmin Fahimi weitere Entlastungen von die Kündigung von Mietverträgen aufgrund aus- durch einen Grundfreibetrag von 12 800 Euro, der Bundesregierung, um Arbeitsplätze zu schüt- bleibender Nebenkostenzahlungen zeitlich befris- einer sozial gerechten Reform der Entfernungs- zen sowie kleine und mittlere Einkommen zu ent- tet ausgesetzt werden. pauschale und einem deutlich höheren Kindergeld lasten. Für den DGB sind damit auch diejenigen Wirtschaftsminister Robert Habeck hat die statt Kinderfreibeträgen. Top-Verdiener*innen und gemeint, die bisher „hinten runter“ gefallen sind, Unternehmen zum Energiesparen aufgerufen. Superreiche hingegen würden ihren angemesse- wie Rentner*innen und Studierende. Für Firmen liegt die Lösung nah, die Beschäf- nen Beitrag zum Gemeinwesen leisten: mit einem Fahimi hat einen Energiepreisdeckel für tigten ins Home Office zu schicken, um Büroge- angehobenen Spitzensteuersatz, einer Vermögen- Privathaushalte in die Diskussion eingebracht: Für bäude weniger zu heizen und zu beleuchten. Den steuer und einer gerechten Besteuerung von Erb- jede*n Erwachsene*n und jedes Kind würde ein Beschäftigten entstehen dann jedoch zusätzliche schaften und Schenkungen. Strom- und Heizkosten in den eigenen vier Wän- den. Der DGB und die Gewerkschaften sehen hier � Tarifbindung stärken � Der DGB fordert die Arbeitgeber in der Pflicht, diese Kosten zu Angesichts der enormen gesellschaftlichen Her- Energiepreise deckeln tragen. Darüber hinaus sollte aus Sicht des DGB ausforderungen hat die DGB-Vorsitzende Yasmin zweite Energiepauschale die Home Office-Pauschale auf 1500 Euro im Jahr Fahimi eine „Zeitenwende in der Tarifbindung“ erhöht werden. Die Beschränkung auf 120 Tage gefordert. Die Gewerkschaften leisten ihren Bei- Rentner*innen und Studierende einbeziehen sollte entfallen. Nach aktuellem Stand läuft die trag mit verantwortungsvollen Tarifforderungen ein einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld Pauschale in Höhe von 600 Euro, die Beschäftigte und einer Tarifpolitik, die den aktuellen Heraus- ab dem ersten Kilometer bei der Lohnsteuererklärung absetzen und nur für forderungen gerecht wird. Die Sozialpartner Foto: DGB/calvste/123RF.com einen gerechteren Einkommensteuertarif höchstens 120 Tage geltend machen können, zum sorgen für Kaufkraft, Lohnentwicklung, sozialen Vermögensteuer, gerechte Erbschaftsteuer Ende des Jahres aus. Darüber hinaus sieht der DGB Frieden, Gesundheit und sichere Arbeitsplätze. Steuerfreiheit für Gewerkschaftsbeiträge beim Thema Home Office weiteren gesetzlichen Das alles entlastet die Politik. „Die Tarifbindung Tarifbindung stärken Regelungsbedarf, um es im Sinne der Arbeitneh- ist ein hohes Gut, das die Bundesregierung besser mer*innen zu gestalten. schützen muss“, so Fahimi.
BERUFSORIENTIERUNG Ausbildungsreport 2022: gute Ausbildung dringend gesucht Regelmäßige Überstunden, unklare Inhalte, unsichere Zukunftsperspektiven – viele Auszubildende kämpfen mit schwierigen Ausbildungsbedingungen. Ein schwerwiegendes Problem, auch angesichts des drohenden Fachkräftemangels. Der DGB fordert dringend Verbesserungen und Gute Ausbildung. Ausbildung ablaufen soll und welche „Die Jugendberufsagenturen müssen mit ihrer Inhalte sie zwingend lernen müssen? Arbeit sichtbarer und noch enger als bisher mit Wie sollen sie ausreichend auf ihren den Schulen zusammenarbeiten“, sagt dazu Kristof Abschluss vorbereitet werden? Becker. Zudem müsse die schulische Berufsorientie- rung in allen Schulformen gestärkt werden. � die zukunft: unsicher � Vor diesem Hintergrund ist es nicht � AusbildungsgArAntie Jetzt! � verwunderlich, dass nur etwas über die Angesichts der Lage auf dem Ausbildungsmarkt Hälfte der Auszubildenden im letzten fordert Kristof Becker eine gesetzliche Ausbil- Ausbildungsjahr die Ausbildung im eige- dungsgarantie, die durch eine Umlagefinanzierung nen Betrieb weiterempfehlen würde. aller Unternehmen gesichert wird: „Wir brauchen J unge Menschen, die einen Beruf erlernen wol- Schließlich mangelt es nicht nur an Ausbildungs- Lösungen für diejenigen, die keine Ausbildung len – von der Politik und in vielen Branchen qualität – sondern auch an Perspektiven: Mit 45,3 finden. Deshalb fordern wir eine umlagefinan- werden sie händeringend gesucht. Dennoch Prozent weiß fast die Hälfte der Auszubildenden im zierte Ausbildungsgarantie: Sie soll den Über- sind viele von ihnen unter widrigen Umständen letzten Ausbildungsjahr immer noch nicht, ob sie gangsbereich eindämmen, die Finanzierung der tätig. Der Ausbildungsreport der DGB-Jugend von ihrem Betrieb übernommen werden. Im Ver- Ausbildungskosten unter allen Unternehmen fair belegt weiterhin grundlegende Mängel in der gleich zu 2020 gab es hier den größten Zuwachs – verteilen und ein Auffangnetz außerbetrieblicher Ausbildung: Fast jede*r dritte Azubi macht Über- ein Plus von 6,2 Prozentpunkten. Doch auch die Ausbildungsplätze für alle schaffen, die keine stunden – im Schnitt sind es 3,6 Stunden mehr in Auszubildenden, die übernommen werden sollen, betriebliche Ausbildung finden konnten.“ der Woche. Mehr als jede*r Zehnte muss „immer“ haben nicht alle gefestigte Perspektiven: Weiterhin oder „häufig“ ausbildungsfremde Tätigkeiten wird jede*r Dritte nur befristet eingestellt, zumeist � der report 2022 � erledigen, die nicht Bestandteil der Ausbildung für höchstens ein Jahr. Der Ausbildungsreport befragt die Expert*innen sind und nicht dem Lernerfolg dienen. Außerdem Die Mängel in der Ausbildung sind besorg- für die Qualität der Ausbildung – die Auszubilden- ist die Betreuung durch die Ausbilder*innen oft niserregend. DGB-Bundesjugendsekretär Kristof den selbst. Schwerpunkt in diesem Jahr: Zugang mangelhaft: So stieg der Anteil von Auszubilden- Becker fordert deshalb, „bestehende Gesetze und zu Ausbildung und Berufsorientierung. Bereits den, deren Ausbilder*in „selten“ oder „nie“ am Regelungen einzuhalten – ohne Wenn und Aber. zum 16. Mal hat die DGB-Jugend Auszubildende Ausbildungsplatz verfügbar ist, mit 11,8 Prozent Azubis sind keine billigen Arbeitskräfte. Sie müs- aus der gesamten Republik gefragt, wie sie die auf den höchsten seit 2008 dokumentierten Wert. sen und wollen einen Beruf erlernen. Die Betriebe Qualität ihrer Ausbildung bewerten. Bundesweit Zudem gaben 13,2 Prozent an, dass ihnen Arbeits- müssen alles in ihrer Macht stehende tun, damit beteiligten sich 14 428 Auszubildende aus den 25 vorgänge nur „selten“ oder „nie“ zufriedenstel- dies auch möglich ist. Das heißt gute Ausbildung!“ am häufigsten gewählten Ausbildungsberufen an lend erklärt werden. Mehr als ein Drittel der Aus- der Befragung, die während der Berufsschultour zubildenden hat nicht einmal einen betrieblichen � orientierung fehlAnzeige � der DGB-Jugend durchgeführt wurde. Ausbildungsplan – wie sollen sie wissen, wie ihre Der Schwerpunkt des diesjährigen Ausbildungs- reports ist die Berufsorientierung. Die schuli- sche Berufsorientierung schnitt in der Befragung Auf einen blick der dgb fordert schlecht ab: Fast drei Viertel (72,2 Prozent) der Den Ausbildungsreport 2022 gibt es hier: https://jugend.dgb.de/ eine umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie Befragten gaben an, dass ihnen an der Schule kaum bei der Berufswahl geholfen wurde. Überdies bei fragen und problemen rund um gute Ausbildungsbedingungen die Ausbildung hilft Dr. Azubi: bessere Berufsorientierung in der Schule haben nicht einmal 29 Prozent der Befragten die https://jugend.dgb.de/-/iBO bessere Kooperation der Jugendberufs- Berufsberatung der Agentur für Arbeit genutzt. Von Alles zum thema Ausbildung bei der agenturen mit den Schulen ihnen gaben außerdem 40,5 Prozent an, dass sie DGB-Jugend: https://jugend.dgb.de/ausbildung ihnen „weniger“ oder „gar nicht“ geholfen hat. impressum herausgeber Deutscher Gewerkschaftsbund Anschrift DGB-Bundesvorstand, Abteilung Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, Redaktion einblick/ Gegenblende, Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin, Telefon: 030 / 240 60-615, E-Mail: einblick@dgb.de v.i.s.d.p. Manuela Conte redaktion Dr. Lena Clausen redaktionelle mitarbeit Luis Ledesma, Micha Steinwachs layout zang.design infografik Klaus Niesen druck und vertrieb DCM Druck Center Meckenheim GmbH Abonnements abo-einblick@dgb.de e-mail-newsletter www.dgb.de/einblicknewsletter Nachdruck frei für DGB und Mitgliedsgewerkschaften bei Quellenangabe und zwei Belegexemplaren. Alle anderen nur nach schriftlicher Genehmigung durch die Redaktion. Nachdruck von namentlich gezeichneten Artikeln nur nach Genehmigung durch Redaktion und Autor*in. 2 — einblick 9/2022
MEINUNG der wert der polizei Die Polizei ist fest in der Gesellschaft verankert. Als Bürgerpolizei sorgt sie für innere und soziale Sicherheit. Kritik und Selbstkritik an ihrem Vorgehen müssen sein; Respektlosigkeit und Gewalt ganz und gar nicht. Das schreibt der GDP-Vorsitzende oliver malchow. D er Wert polizeilicher Arbeit besitzt min- hAndeln hinterfrAgen destens zwei Perspektiven: die der Gesell- Es vergeht kein Tag, an dem polizeiliche Arbeit schaft auf die Polizei und die Sicht auf den nicht hinterfragt wird. Das ist prinzipiell gut so. Wert, den die oder der Einzelne für sich persönlich Eine transparente, auf dem Boden der Verfassung mit ihrem und seinen Beruf und Wirken verbindet stehende Polizei muss das abkönnen. Und oft und aus ihm entnimmt. Für die demokratische wird nicht auf die Außenkritik gewartet. Ich kenne oliver mAlchow Gesellschaft, letztlich für jede und jeden von uns die Polizei so, dass sie ihr eigenes Handeln hin- ist Polizeibeamter und hierzulande, bedeutet innere Sicherheit gleicher- terfragt. Warum? Weil sie verinnerlicht hat, dass seit dem 13. Mai 2013 Bundesvorsitzender der maßen soziale Sicherheit. Keine dieser Formen von das ihr verliehene Recht kein Freibrief für zügellose Gewerkschaft der Polizei Sicherheit kommt hier ohne die andere aus. Maßnahmen ist, sondern verantwortungsvoll und (GdP). verhältnismäßig angewendet werden muss. gegenseitige wertschätzung Bei der Polizei zu sein, heißt in vielen Fällen Die Polizei in diesem Land lässt keine Angsträume einen Konfliktberuf auszuüben. Der Konflikt spielt zu, und sie tut alles dafür, selbst keine Angst zu sich dann zwischen dem Staat, verkörpert unter die dinge müssen Auf verbreiten. Das liegt ihr aus eigenem Selbstver- anderem durch die Polizei, und den Bürger*innen den tisch ständnis fern. Sie schätzt innere Sicherheit wert, ab. Verfassungen und Gesetze bilden dabei den Um es noch einmal zu verdeutlichen: In Deutsch- weil sie weiß, wie sehr Bürgerinnen und land arbeitet eine Bürgerpolizei. Eine Polizei, die Bürger innere Sicherheit wertschätzen. Eine transparente, auf dem Boden Teil der Gesellschaft ist, und es auch sein will. Als Und sie wünscht sich Wertschätzung für Bürgerpolizei schützen unsere Kolleginnen und ihr Bemühen. der Verfassung stehende Polizei Kollegen den Rechtsstaat jeden Tag mit ihrem Welchen Wert zieht die Gesell- muss Kritik abkönnen. Leben. Dafür benötigten sie mehr Wertschätzung schaft aus der Arbeit ihrer Polizei? Ich sowie eine breitere Anerkennung und Respekt. zitiere einen niedersächsischen Kollegen, der die Rahmen. Wer ihn übertritt oder bricht, ist im Kon- Seit etwa zwei Jahrzehnten weisen wir als Initiative „Polizeischutz für die Demokratie“ ver- flikt und unterliegt gegebenenfalls justizieller Auf- Gewerkschaft auf die drastische Zunahme von antwortet und dessen Aktivitäten die GdP inten- arbeitung, Bewertung und Konsequenzen. Ganz Respektlosigkeiten gegenüber unseren Kollegin- siv unterstützt: „Ohne Polizei keine Freiheit“ – so gleich, ob Bürger*in oder Polizist*in. nen und Kollegen sowie Gewaltattacken gegen knapp und direkt bringt er es auf den Punkt. Das Heutzutage erfahren und spüren meine die Polizei hin. Diese Entwicklung als „polizeili- könnte die Frage aufwerfen, wie die Menschen in Kolleginnen und Kollegen eine mindestens ches Berufsrisiko“ abzutun, ist ein Unding. Die der Polizei welchen exakten Erwartungen gerecht latente Schuldvermutung angesichts ihres Han- zunehmende Brutalität gegenüber der Polizei werden sollen? Kompetenz, Autorität, Empathie, delns. Nicht der Sachverhalt steht an erster Stelle, darf nicht länger kleingeredet werden. Wir dürfen Stärke, Sicherheit, Ausgeglichenheit, Mut, Unpar- sondern „zu“ oft die Frage: Darf teilichkeit, Unvoreingenommenheit, Wachheit, Einsatzbereitschaft, Hilfsbereitschaft, Abwägen der das eigentlich? – Erst recht bei eigener Betroffenheit oder der Als Bürgerpolizei schützen unsere können, Entschlossenheit, Rückgrat, Ausstrahlung, eines vermeintlich Hilflosen. Der Kolleginnen und Kollegen den Rechts- Korrektheit, Vorbild sein, Freundlichkeit und sicher Staat, an erster Stelle die Polizei, staat jeden Tag mit ihrem Leben. einiges mehr. Was jedoch erwartet sie? Ein Pot- wird als Störenfried, von manchem pourri aus Gegensätzen, eine enorme Bandbreite sicherlich auch als Unterdrücker wahrgenommen. erwarten, dass politische Entscheider*innen poli- menschlichen Verhaltens zwischen Physis und Die Folge: Dann nimmt der eine oder die andere zeiliche Erkenntnisse und Wahrnehmungen ernst- Psyche, Gewalt und Zuneigung, Elend und Glück, das Recht eben in die eigene Hand. Das kann zu haft berücksichtigen. Ein „Was ich nicht sehe, ist Schicksal und Hoffnung, Routine und Risiko, fatalen Folgen führen. nicht da“ führt in die falsche Richtung. Die Dinge Erschütterung und Erleichterung, verletzen und Rund eine Woche nach den brutalen Mor- müssen auf den Tisch. verletzt werden, Dankbarkeit und Hass, Lob und den an zwei Polizist*innen im rheinland-pfälzi- Beleidigung und sicher einiges mehr. schen Ulmet hat die GdP in einer Resolution einen stärkeren gesellschaftlichen Rückhalt für die Poli- zei gefordert. Foto: GdP/Hagen Immel vom 12. – 14. september 2022 findet der gdp-vorsitzende oliver malchow kandidiert nicht für eine weitere der 27. ordentliche bundeskongress Amtsperiode. Als seinen nachfolger hat der gdp-bundesvorstand den der gdp in berlin unter dem motto 37-jährigen polizeioberrat Jochen kopelke vorgeschlagen. Auch weitere „für uns. für morgen“ statt. führungspositionen werden neu besetzt. einblick 9/2022 — 3
D I E S & DA S Gewerkschaft macht glücklich Mehr Geld, Job-Sicherheit, größere Zufrie- denheit im Beruf – Gewerkschaftsmitglie- der sind zufriedener, das zeigt eine aktuelle Studie. Dabei haben sich seit Beginn der Antikriegstag 2022: Für den Frieden! 2000er Jahre die Vorzeichen gedreht – zuvor waren Gewerkschaftsmitglieder eher „Nie wieder Krieg!“ – das ist und bleibt die Grund Seit 1957 unzufrieden mit ihrem Job und befürchteten überzeugung des DGB und seiner Mitgliedsgewerk- wird am 1. Sep- kscha eher, ihre Stelle zu verlieren. Dies hat sich schaften. Jeder Krieg ist ein Angriff auf die Mensch- tember an er Ge w im Zuge der Finanzkrise geändert, so dass heit und die Menschlichkeit. die Schre- ft en Gewerkschaftsmitglieder nun von einem Mit dem verbrecherischen Überfall der rus- cken des höheren Wohlbefinden berichten und weni- sischen Armee auf die Ukraine ist der Krieg zurück Ersten und ger Stress empfinden. in Europa. Im Nahen und Mittleren Osten, in Afrika Zweiten en https://t1p.de/xd3gr und anderswo wüten weiterhin, teilweise seit Jahr- Weltkriegs fü zehnten, Kriege und Bürgerkriege. Tod, Zerstörung sowie an de d n F ri e r und Flucht – so lautet ihre fürchterliche Bilanz. Die die schreck- Waffen müssen endlich schweigen – überall auf lichen Folgen der Welt! von Krieg, Gewalt Gute Beteiligung Um einen nachhaltigen Frieden zu schaffen, und Faschismus erin- Wahlbeteiligung bei setzen sich der DGB und die Gewerkschaften ein nert. An jedem 1. September machen der DGB und verschiedenen Wahlen für eine europäische und internationale Friedens- seine Mitgliedsgewerkschaften seitdem deutlich: in Deutschland ordnung basierend auf Menschenrechten, Freiheit, Sie stehen für Frieden, Demokratie und Freiheit. (in Prozent) Selbstbestimmung und sozialer Gerechtigkeit. Für Der DGB-Aufruf zum Antikriegstag 2022 steht eine kooperative Sicherheitspolitik, die über militä- unter dem Motto: „Für den Frieden! Gegen einen Bundestag rische Friedenssicherung hinausgeht, gegen einen neuen Rüstungswettlauf! Die Waffen müssen end- 2021 76,6 neuen Rüstungswettlauf und für die weltweite Äch- lich schweigen!“ Betriebsrats- tung von Atomwaffen. www.dgb.de/-/ltG wahl 2022 72,0 Europa 2019 61,4 Landtag NRW 2022 55,5 Quelle: Bundeswahlleiter, Europäisches Parlament, DGB Digitale Zugangsrechte vereinbart © DGB-einblick 09/2022 / CC BY 4.0 Arbeiten Beschäftigte im Home Office, bleiben die IG BCE-Vorstandsmitglied Karin Erhard. Sie lobt des- Hunderttausende Beschäftigte haben Gewerkschaften oft außen vor. Sie haben dann halb die Vereinbarung: „Sie ist ein wichtiger Türöff- ihre Stimme bei den Betriebsratswahlen kaum Möglichkeiten, mit den Beschäftigten in Kon- ner. Nur mit zeitgemäßer, digitaler Kommunikation abgegeben – und zeigen so auch ihre takt zu treten und sie zu informieren. Die IG BCE können wir Sozialpartnerschaft und Mitbestimmung Wertschätzung für die betrieblichen Interessenvertreter*innen. hat nun für die rund 580 000 Beschäftigten in der zukunftsfähig machen.“ Chemisch-Pharmazeutischen Industrie ein Abkom- In vielen anderen Branchen gibt es solche men mit den Arbeitgebern vereinbart, um digitale Vereinbarungen jedoch nicht. Deswegen fordern Zugangsrechte zu sichern. der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften, ein „Wir wollen als IG BCE allen Beschäftigten digitales Zugangsrecht bundesweit festzuschreiben. who is new in unseren Branchen ein Angebot machen. Bislang bleibt die digitale Tür aber oft verschlossen“, so Dies ist im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vorgesehen, aber noch nicht umgesetzt. Maria Dimcheva ist seit 1. August Referatsleiterin im Bereich Migration, Inte- gration und Antirassismuspolitik (MIA) in der DGB-Bundesvorstandsverwaltung. Die E-MAIL- Juristin hat ihre Schwerpunkte im Europa- Einblick im Internet NEWSLETTER recht sowie im Arbeits-, Sozial-, Migrations- Aktuelle News gibt es auf der einblick-Internetseite: Anmeldung unter: und Verwaltungsrecht. www.dgb.de/einblick www.dgb.de/einblicknewsletter 4 — einblick 9/2022
Wenig Schutz für Netflix und ver.di: Faire Whistleblower*innen Produktionsbedingungen Die Bundesregierung plant ein Gesetz zum Schutz von Ver.di und der Streamingdienst Hinweisgeber*innen. Damit will die Ampel-Koalition Netflix haben ihre Sozialpart- schaffen, was die Vorgängerregierung versäumte. nerschaft ausgebaut. Zum 1. Juli Der Entwurf bietet aber wenig neuen Schutz. einigten sich die Gewerkschaft und der Streaming-Riese auf Ob Wikileaks, die Enthüllungen über das Ausmaß globaler faire Vergütungen für an den Spionage- und Überwachungstechniken im NSA-Skandal Produktionen beteiligte oder der millionenschwere Steuerbetrug der Cum-Ex-Affäre Personen. – ohne Whistleblower*innen wären viele Missstände nie an die Öffentlichkeit geraten. Entspannt Fernsehen schauen ist nicht nur für die Konsu- ment*innen von Serien und Filmen von Netflix eine gute Potenzial noch nicht ausgeschöpft Sache. Auch Schauspieler*innen und Mitwirkende der Hinweisgeber*innen sind oftmals wichtige Quellen, um Produktionen des Entertainment-Riesen haben durch den Steuerhinterziehung und Korruption aufzudecken. Um sie Einsatz von ver.di faire Arbeitsbedingungen. Bereits seit besser zu schützen, hat das Bundeskabinett im Juli einen 2020 gibt es bei Netflix eine Gemeinsame Vergütungsregel Entwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz beschlossen. (GVR) für auf Produktionsdauer beschäftigte Film- und Fern- Damit will sie eine schon länger bestehende EU-Richtlinie sehschaffende, den die Gewerkschaft aushandelte. umsetzen. Das Gesetz soll Whistleblower*innen dabei un- terstützen, Hinweise zu Rechtsverstößen in Behörden und Neue Einigungen Unternehmen zu melden. Zum Juli 2022 haben sich Netflix und ver.di nun auf neue Bedingungen für die Film-Produktionen geeinigt. Sowohl Kritiker*innen betrachten den Schutz für Hinweisgebende die Anwendung des bestehenden Tarifvertrags als auch die in dem vorgeschlagenen Gesetzesentwurf aber als nicht Einhaltung des Gagentarifvertrags zwischen ver.di und der ausreichend genug. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen e.V. sind begrüßt, dass die Bundesregierung tätig wird, sieht aber nun Bedingung bei Serienproduktionen. Auch höhere Gagen deutliche Versäumnisse im Gesetzentwurf der Ampel. Die will Netflix künftig zahlen. Die Mindestgagen für an den EU-Whistleblower-Richtline böte „viel mehr Potenzial“. Produktionen beteiligte Filmschaffende werden um fünf Pro- Wenn das Gesetz in der Form käme, „verpasst die zent angehoben, wenn das Budget für eine Folge 1,2 Mio. Ampel-Koalition damit die große Chance, die strukturelle Euro übersteigt. Bei Folgenbudgets von über 2,5 Mio. Euro Unterlegenheit von Beschäftigten im Arbeitsverhältnis steigen die Gagen um sieben Prozent. Damit geht Netflix auszugleichen“, so Piel. über den bestehenden Gagentarifvertrag hinaus. DGB fordert Überarbeitung des Entwurfs Dem Fachkräftemangel entgegentreten Whistleblower*innen, die meist im Interesse der gesamten Der Leiter des Bereichs Medien, Journalismus und Film bei Gesellschaft handeln, sind nicht ausreichend geschützt. ver.di, Matthias von Fintel, zeigt sich erfreut über diese Zur eigenen Sicherheit reichen sie Informationen oft Neuerungen. Die Zugeständnisse von Netflix würden „ernst- anonym an Strafverfolgungsbehörden oder die Presse haftes Interesse“ signalisieren, Filmschaffende zuverlässig weiter. Für anonyme Meldewege an innerbetriebliche sowie an die Serienproduktionen zu binden. Auch Netflix betont staatliche Meldestellen fehlt im Gesetzesentwurf aber eine die gute Partnerschaft mit ver.di, die sie weiterentwickeln praktikable Lösung. Auch die Veröffentlichung von Hinwei- wollen. Man wolle „dem Fachkräftemangel begegnen“, sen in den Medien ist durch den Entwurf erschwert. Das indem auch an Aus- und Weiterbildungsprogrammen soll erst möglich sein, wenn vorherige Bemühungen über gearbeitet würde, heißt es seitens des Unternehmens in andere Kanäle erfolglos blieben. der gemeinsamen Pressemittelung von Netflix und ver.di. Die Ergebnisse der Verhandlungen seien ein „faires Gesamt- Anja Piel befürchtet, dass ein Gesetz nach der aktuellen paket aus Vergütungen und Arbeitsbedingungen“, das Vorlage keine wirkungsvolle Besserung bringen würde und fortan mit dem Entertainment-Unternehmen ausgebaut fordert den Bundestag auf, den Entwurf zu überarbeiten. werden soll, meint Matthias von Fintel. „Für uns ist klar: Wer den Mut hat, Missstände wie bei- Grafik: Unsplash/Alexander Shatov spielsweise Gammelfleisch oder mangelnden Arbeitsschutz „Die Filmschaffenden in ver.di profitieren von diesen kollek- zu melden, verdient Dank und Anerkennung, statt Repres- tivrechtlichen Verbesserungen und der globalen Verbreitung salien und Nachteile befürchten zu müssen.“ der hierzulande produzierten Serien.“ https://www.dgb.de/-/luR Mehr dazu bei ver.di: https://tinyurl.com/mws5njd9 einblick 9/22 einblick 9/22
urteile urteile Aktuelle Entscheidungen zum Arbeits- und Sozialrecht Aktuelle Entscheidungen zum Arbeits- und Sozialrecht KEIN SOMMERFEST OHNE 2G PLUS SUSPENDIERUNG BEI MISSACHTUNG VON CORONA-MASSNAHMEN Ein Krankenhaus kann frei bestimmen, dass an dem Som- merfest nur Geimpfte und Genesene mit einem zusätzlichen Der wiederholte Verstoß einer Lehrerin gegen vorgeschrie- negativen Schnelltest teilnehmen dürfen. Hierfür bedarf es bene Corona-Schutzmaßnahmen kann ihre Suspendierung keiner gesetzlichen Grundlage. rechtfertigen. Der Fall: Eine Klinik hatte für ihre Beschäftigten ein Som- Der Fall: Die Lehrerin einer Düsseldorfer Grundschule hatte merfest an einem auswärtigen Veranstaltungsort ausgerich- wiederholt gegen ihre Verpflichtung verstoßen, zweimal wö- tet. Als Zugangsregelungen legte die Klinik fest, es sei eine chentlich in ordnungsgemäßer Weise Corona-Tests in ihrer gültige, vollständige Impfung und/oder Genesung sowie Klasse durchzuführen. So hatte sie nicht die für die Selbst- eine Auffrischungsimpfung, falls sechs Monate seit Gene- tests vorgesehenen Test-, sondern gewöhnliche Wattestäb- sung/Grundimmunisierung vergangen sind, und ein tages- chen, die sie erst später an den Teststäbchen abstrich, ver- aktueller, negativer Antigen-Schnelltest erforderlich. wenden lassen. Außerdem wurde ihr vorgeworfen, dass sie Ein Mitarbeiter verlangte bei Gericht, auch ohne diese die Regelungen im Zusammenhang mit der Maskenpflicht Nachweise am Sommerfest teilnehmen zu dürfen. Sein in verschiedener Weise missachtet hatte. Trotz Weisung der Antrag hatte keinen Erfolg. Schulleitung hatte sie ihr Verhalten beibehalten. Daraufhin sprach ihr Dienstherr wegen Nichtbeachtung verschiedener Das Landesarbeitsgericht: Der Arbeitnehmer hat keinen An- Regeln zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ein Verbot spruch darauf, von den Zugangsvorgaben der Klinik befreit der Führung der Dienstgeschäfte aus. Der dagegen gerichte- zu werden. Für die Beschränkungen ist keine besondere te Antrag im Eilverfahren hatte keinen Erfolg. Rechtsgrundlage erforderlich, weil die Klinik in diesem Fall nicht hoheitlich handelt. Die sachliche Rechtfertigung ist Das Verwaltungsgericht: Die Lehrerin hat sich uneinsichtig hier schon angesichts der gesetzlichen Wertung im Infek- gezeigt. Dadurch bestehen hinreichende Anhaltspunkte für tionsschutzgesetz gegeben, das die einrichtungsbezogene eine zukünftige Gefährdung des Dienstbetriebs. Daher ist es Impfpflicht regelt. Für das Infektionsrisiko spielt keine Rolle, nach vorläufiger Bewertung im Eilverfahren voraussichtlich ob es um Zusammenkünfte bei der Arbeit oder anlässlich rechtmäßig, ihr die Führung der Dienstgeschäfte zu verbie- einer Betriebsfeier geht. ten. Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 1. Juli 2022 – 6 Ta 673/2 Beschluss vom 13. Juli 2022 – 2 L 490/22 MEDIZINISCHE MASKE: KEIN NEBENWIRKUNG IST KEIN ERSCHWERNISZUSCHLAG IMPFSCHADEN Eine medizinische Gesichtsmaske ist keine Atemschutzmaske Die Anerkennung eines Impfschadens setzt voraus, dass eine im Sinne des Rahmentarifvertrages für die Beschäftigten in Impfreaktion grundsätzlich ärztlich dokumentiert wird, diese der Gebäudereinigung (RTV). Deshalb besteht beim Tragen über eine bloße übliche Nebenwirkung des verwendeten einer medizinischen Gesichtsmaske kein Anspruch auf den Impfstoffes hinausgeht und es letztlich zu einer Funktions- tariflichen Erschwerniszuschlag nach dem RTV. störung kommt. Bundesarbeitsgericht, Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Juli 2022 – 10 AZR 41/22 Urteil vom 28. April 2022 – L 6 VJ 254/21 RAUCHERPAUSE NICHT TRINKGELD KEIN UNFALLVERSICHERT ERWERBSEINKOMMEN Ein Schüler, der in der Schulpause den an die Schule an- Trinkgeld mindert den Anspruch auf Arbeitslosengeld-II grenzenden Stadtpark zum Rauchen aufsucht, steht nicht grundsätzlich nur, wenn es 10 v.H. des maßgebenden Regel- unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. bedarfs übersteigt. Denn das Trinkgeld ist eine Zuwendung, die Dritte erbringen, ohne dass hierfür eine rechtliche oder Bundessozialgericht, sittliche Verpflichtung besteht. Urteil vom 28. Juni 2022 – B 2 U 20/20 R Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Juli 2022 – B 7/14 AS 75/20 R einblick 9/2022 Autor: Luis Ledesma, Kassel einblick 9/2022
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