Burnout, psychische Erkrankungen und Gesundheitsförderung- eine Handreichung für Arbeitgeber

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Burnout, psychische Erkrankungen und Gesundheitsförderung- eine Handreichung für Arbeitgeber
Burnout, psychische Erkrankungen
     und Gesundheitsförderung
– eine Handreichung für Arbeitgeber –

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Impressum
Herausgeber        Kreis Unna – Der Landrat
Redaktion          Bündnis für Familie Kreis Unna
                   Handlungsfeld Familie und Beruf
Autoren            Tina Riedel | Jobcenter Kreis Unna | Verantwortliche für Entwicklung und
                   Koordination von Eingliederungsleistungen
                   Ulrike Schatto | Jobcenter Kreis Unna | Beauftragte für Chancengleichheit
                   am Arbeitsmarkt
                   Katja Sträde | Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Unna mbH |
                   Kompetenzzentrum Frau und Beruf Westfälisches Ruhrgebiet
Organisation       Dirk Brewedell | Kreis Unna | Planung und Mobilität |
                   Friedrich-Ebert-Straße 17 | 59425 Unna | Fon 02303 27-2361
Gestaltung | Druck Kreis Unna | Hausdruckerei
Stand              Juni 2014

Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Handreichung ausschließlich die
männliche Form verwendet.
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Inhalt

Vorwort .......................................................................................................4

1. Einleitung.................................................................................................. 5

2. Psychische Belastung.............................................................................. 6

3. Burnout..................................................................................................... 8

4. Leistung fordern - Gesundheit fördern...................................................10
   4.1 Betriebliche Gesundheitsförderung.................................................. 11
   4.2 Ein Gewinn für alle........................................................................... 12

5. Fürsorgegespräche – Ansprache der Betroffenen................................. 12

6. Führungsverantwortung......................................................................... 15

Servicestellen, Ansprechpartner im Kreis Unna.......................................... 17

Literatur .....................................................................................................18

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Vorwort

Es brennt. Denn immer mehr Menschen sind ausgebrannt.

Das belastet Familien und Betriebe. Zunehmend ist das auch ein Thema in der
Öffentlichkeit. Leben wir gar in einer »ausgebrannten« Gesellschaft?

Das Bündnis für Familie Kreis Unna hat sich dem Thema »Gesundheit« zuge-
wandt und ist dabei auf das Phänomen »Burnout« gestoßen. Es ist nicht ein-
deutig zu umreißen, kommt in vielfältiger Form daher. Nicht jede Depression
ist ein Burnout und nicht jedes Burnout zeigt sich in Form einer psychischen
Erkrankung. Es gibt Alarmzeichen. Wenn sie früh genug erkannt werden, kann
den Betroffenen geholfen werden.

Das zu sehen, braucht ein geschultes Auge und eine Kultur der Aufmerksam-
keit. Arbeitgebern ist daran gelegen, dass es ihren Mitarbeitenden gut geht.
Sie können viel dazu beitragen, dass Belastungssituationen aufgedeckt und
bearbeitet werden. Ein Burnout hat vielfältige Ursachen, aber ein Unterneh-
men, das sensibel ist für das Thema »Gesundheit«, kann auch helfen, Burnout
zu vermeiden.

Dazu leistet diese Handreichung einen wichtigen Beitrag. Sie wurde im Zu-
sammenhang mit dem Fachtag »Burnout-Prophylaxe – Gesund arbeiten und
leben« herausgegeben.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern viel Erfolg bei der Umsetzung in die
Praxis.

Unna, 6.Juni 2014

Annette Muhr-Nelson
Superintendentin des ev. Kirchenkreises Unna
Vorsitzende des Bündnisses für Familie Kreis Unna

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1. Einleitung

Nichts geht mehr: Wenn der Druck im Job zu groß wird, Angestellte sich ih-
ren Aufgaben nicht mehr gewachsen fühlen, unter Angstzuständen leiden, nicht
mehr schlafen können und weniger leistungsfähig sind, folgt meist die Diagnose:
Burnout-Syndrom.

Die Anzahl der Krankschreibungen aufgrund Burnout, die »pathologische Mu-
tation von Stress, stieg in Deutschland nach Angaben der Bundespsychothera-
peutenkammer zwischen 2004 und 2012 um 700 Prozent. Millionen Menschen
fühlen sich heute schon ruhelos und ausgebrannt. Ein Zustand, der zur Volks-
krankheit zu werden droht.«1

Aktuelle Studien verschiedener Krankenkassen belegen, dass die Zahl der
arbeitsbedingten psychischen Erkrankungen in den letzten Jahren rasant an-
gestiegen ist. Ein Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen, insbesondere
vielfältige, komplexe und dynamische Anforderungen in der Arbeitswelt haben
zugenommen. Burnout ist längst keine Managerkrankheit mehr. Besonders ge-
fährdet sind die, die sich im Job stark engagieren.

In dieser Broschüre erhalten Sie als Personalverantwortlicher folgende Informationen:

         Was sind psychische Belastungen?
         Burnout, was ist das eigentlich?
         Welche Möglichkeiten habe ich im Rahmen meiner Fürsorgepflicht?
         Welche örtlichen Ansprechpartner helfen mir weiter?

Die vorliegende Handreichung soll eine Anregung des Bündnisses für Familie
Kreis Unna sein, sich mit dem Thema auch in Ihrem Unternehmen zu befassen.

1
    Groh-Kontio (2014).

                                                                                 |5|
2. Psychische Belastung

Studien haben ergeben, dass Ängste im Arbeitsumfeld und die individuelle
Gesundheit ein wichtiger Aspekt zur Analyse von Einstellungen und Verhalten
von Arbeitnehmern im Umgang mit einer Krankheit darstellen. Psychische Be-
einträchtigungen hemmen den Arbeitsalltag.

Psychische Belastungen werden als die Summe aus Beanspruchung der Sin-
nesorgane und Wahrnehmung bei der Arbeit, Anforderung an das Gedächtnis
und das Denken sowie Beanspruchung der Gefühle und Antriebe verstanden. 2

2012 wurden psychische und Verhaltensstörungen erstmals auf Rang zwei der
nach Arbeitsunfähigkeits-Tagen gewichteten Diagnosen aufgelistet (angeführt
von Krankheiten des Muskel-Skelettsystems und gefolgt von Krankheiten des
Atmungssystems). Zu den bedeutendsten psychischen Erkrankungen gehören:
    depressive Episoden,
    neurotische Störungen (z. B. Reaktionen auf schwere Belastungen,
     Angststörungen),
    Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen.3

Psychische Erkrankungen kommen in den letzten Jahren immer häufiger vor
und ziehen lange Arbeitsunfähigkeitszeiten nach sich. Unter den psychischen
Erkrankungen ist die Depression die am häufigsten gestellte Diagnose. Ne-
ben dem großen persönlichen Leid, das die Betroffenen ertragen, verursachen
psychische Erkrankungen hohe volkswirtschaftliche Kosten.
Arbeitnehmer, die eine höhere subjektiv wahrgenommene wie auch objektiv
vorhandene Arbeitsintensität erleben, haben eher das Risiko, eine Depression
zu erleiden. Daneben treten neue Krankheitsbilder wie das Burnout-Syndrom
immer häufiger auf.

Besonders Frauen sind von dem Phänomen arbeitsbedingten Stresses be-
troffen. Psychisch erkrankte Mitarbeiter bleiben jedoch in der Regel länger ar-
beitsunfähig. Die Zunahme an psychischen Erkrankungen wird begründet mit
     Angst, den Job zu verlieren,
     Fehler bei der Arbeit machen zu können,
     Angst vor Mobbing am Arbeitsplatz,
2
    Oppolzer (2010: 85).
3
    BKK Gesundheitsreport 2013 (2014: 37).

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   Konflikten mit dem Vorgesetzten,
   Konkurrenz mit Kollegen,
   Angst vor neuen Technologien,
   mangelnder sozialer Unterstützung,
   weniger Handlungsspielräumen,
   mangelnder Wertschätzung,
   Privatleben.

Zudem sorgen Unsicherheit und potenzieller Personalabbau immer wieder für
neue Belastungen in der Mitarbeiterschaft.

So können Sie Mitarbeiter erkennen, die psychisch belastet sind:

   offensichtlicher Leidensdruck: bedrückte Stimmung über längere Zeit,
    ständiges Klagen und allgemeine Negativ-Sicht der Dinge bis hin zum
    Sarkasmus. Ständiges Klagen über körperliche Beschwerden (Schmerz-
    attacken, Schlafprobleme, Dauerinfekte etc.), für die der Arzt keine Ursa-
    che findet.
   Äußerungen von starken Angstgefühlen oder von Lebensüberdruss
   verändertes Sozialverhalten: Verunsicherung, sozialer Rückzug, über-
    mäßige Gereiztheit und Ungeduld
   auffällige Leistungseinbußen: verlangsamtes Arbeiten, sinkende Effekti-
    vität (z. B. überflüssige Überstunden) oder nachlassendes Engagement,
    auffällige Kontrolle der eigenen Arbeit, mehr Fehler
   hohe Ausfallzeiten: häufige Fehlzeiten, wiederholtes Zuspätkommen

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3. Burnout

Burnout ist ein Begriff, der für alle möglichen Arten von Stress, Antriebslosig-
keit und Formen der Depression verwendet wird. Dabei gibt es bisher keine
allgemeingültige Definition.

Allgemein gilt die Annahme, dass es sich bei Burnout um einen Erschöpfungs-
zustand handelt, der arbeitsassoziiert entstanden ist. Es gibt viele Überlappun-
gen zur Depression, so dass viele Mediziner in den Symptomen des Burnouts
auch eine Vorstufe oder einen Sonderfall der Depression sehen.

Burnout trifft häufig Personen, die eine hohe Leistungsbereitschaft mitbringen,
d. h. sie sind »Feuer und Flamme für ihre Arbeit«, können »brennen«, sich für
Aufgaben begeistern, engagieren und darin aufgehen.

Dieses Verhalten führt dazu, dass der Beginn des Burnout-Prozesses von den
Betroffenen oftmals nicht als unangenehm empfunden wird. Am Anfang ste-
hen Freude und Stolz an der eigenen Schaffenskraft im Vordergrund. Häufig
fühlen sich die Betroffenen in dieser Phase unentbehrlich und als die einzige
Person, die weiß, »wie´s geht«.

Hier wird jedoch ein anderes Risiko deutlich: viele Arbeitnehmer gehen trotz
Krankheit arbeiten! Der so genannte »Präsentismus« ist die Anwesenheit am
Arbeitsplatz trotz Krankheit oder eingeschränkter Arbeitsfähigkeit. Die Auswir-
kungen des Präsentismus auf die Arbeitsproduktivität und die dabei entste-
henden Produktivitätsverluste sowie die damit einhergehenden Kosten für die
Betriebe sind enorm. Unterlassene und verschobene Krankmeldungen führen
zu potenziell längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten und verringerten die Chance
auf eine schnelle Genesung der betroffenen Mitarbeiter.

Die Grenze der persönlichen Belastbarkeit wird zunächst nur kurzfristig über-
schritten. Misserfolge werden ignoriert. Im Verlauf werden Müdigkeit, Konzent-
rationsstörungen, Schlafstörungen, unspezifische körperliche Symptome erste
Boten der nahenden Erkrankung.

Daraus entwickelt sich eine gewohnheitsmäßige Überschreitung der Belast-
barkeitsgrenze. Dabei werden die eigenen Bedürfnisse nicht mehr bewusst
wahrgenommen und Ansprüche an die eigene, persönliche Lebensqualität
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kontinuierlich hinter die Anforderungen aus Berufstätigkeit und privaten Ver-
pflichtungen gestellt. Es treten auch gereizte Verstimmungszustände auf.
Begünstigende Faktoren für die Erkrankung sind Persönlichkeitszüge mit
Perfektionsstreben und ein Helfersyndrom, objektive Überforderung, organi-
sationspsychologische Ursachen und gesellschaftliche Faktoren.

Die eigene Person wird als nicht so wichtig eingeschätzt und der scheinbare
Erfolg liegt im Durchhalten bzw. in der Illusion des Durchhaltens – ein ele-
mentarer Aspekt im Burnout-Prozess. Um diese Illusion aufrechterhalten zu
können, verändern die Betroffenen oftmals ihre Wertvorstellung und gewohnte
Verhaltensmuster. Diese Tatsache erklärt die Veränderungen im Bereich der
sozialen Beziehungen: wurde früher Freunden und Hobbys ein hoher Stellen-
wert beigemessen, nimmt die Bedeutung im Burnout-Prozess immer mehr ab.
Stressempfindungen werden ständig unterdrückt und Gefühle der Unlust nicht
mehr zugelassen, so dass die betroffenen Menschen ihre eigene Balance ver-
lieren und weder mit sich, noch im Kontakt mit ihnen nahestehenden Personen
im Einklang sind. Rückzug ist eine deutlich sichtbare Verhaltensweise von Per-
sonen, die sich in einem Burnout-Prozess befinden. Oftmals geht der soziale
Rückzug mit einer Reduktion der Leistungsbereitschaft einher.

Nach dem starken Engagement der Eingangsphase ist nun eine Abnahme
der Merkfähigkeit, der Motivation und der Kreativität zu verzeichnen. Die Be-
troffenen nehmen diese Leistungsabnahme deutlich wahr und versuchen alle
Kraft zu bündeln, um den gerade noch leistbaren »Dienst nach Vorschrift«
zu verbessern. Die Erkenntnis, keine überdurchschnittlichen Leistungen mehr
erbringen zu können, kann je nach psychologischer Disposition zu einer zu-
sätzlichen Verstärkung der Krise führen. Der Kraftmangel, der sich durch feh-
lende Energie bemerkbar macht, lässt Betroffene nur noch in »Schwarz-Weiß-
Kategorien« denken. Dieser Kraftmangel führt im fortgeschrittenen Stadium
des Burnouts dazu, dass alle Veränderungen im Umfeld des Betroffenen als
Belastung empfunden werden. Aus diesem Grund versuchen betroffene Per-
sonen ihr Umfeld möglichst von Veränderungen abzuschirmen und unverän-
dert zu halten.

Der Burnout-Prozess verläuft oftmals nicht linear. Das bedeutet, dass z. B.
nach einem schnellen Anstieg rückläufige Tendenzen auftreten, dann aber
nach einem gewissen Zeitraum wiederum ein Anstieg zu verzeichnen ist. Dies
ist nicht nur für die Betroffenen ein schwieriger Prozess, auch das berufliche
                                                                          |9|
und soziale Umfeld muss sich darauf einstellen, dass eine als verbessert wahr-
genommene Situation nicht automatisch auch der Weg aus dem Burnout ist.
In welcher Geschwindigkeit der Burnout-Prozess durchschritten wird und wie
schnell der Betroffene von einer Phase in die nächste kommt, ist unabhängig
von den physischen, psychischen und sozialen Ausgangslagen.

Stufen des Burnout-Prozesses:

1. Stufe: 		       Körperliche Beschwerden wie Schmerzen, Schlafstö-
                   rungen, Energieverlust
2. Stufe: 		       Rückzug von Familie und Freunden, unangemessene
                   Reaktionen, wie z. B. »Ausrasten«, sich ständig ge-
                   kränkt fühlen
3. Stufe: 		       Völlig am Ende sein, Frustration, Lebensmut verlieren,
                   »emotionale Achterbahnfahrt«
4. Stufe/Endpunkt: Apathie, Depression, Suizidgedanken

Entsprechend der Vielzahl von Faktoren, die das Entstehen der Erkrankung
beeinflussen, muss die Behandlung verschiedene Ansatzpunkte umfassen:
Arbeit am Selbstbild, Veränderung der beruflichen Situation und des Freizeit-
verhaltens, Entspannungstechniken, gegebenenfalls medikamentöse Unter-
stützung.

4. Leistung fordern – Gesundheit fördern

Grundsätzlich sind Gespräche mit Beschäftigten auch über ihren Gesund-
heitszustand jederzeit möglich. Gerade bei Mitarbeitern, die unter Stress und
hohen Belastungen leiden, ist es hilfreich, dies frühzeitig anzusprechen. Dies
ist sicher keine einfache Aufgabe, da niemand seine Beschäftigten gerne da-
rauf anspricht, dass er oder sie leicht »angeschlagen« wirkt. Ein zeitnahes
Gespräch kann allerdings Möglichkeiten eröffnen, einen gemeinsamen Weg
zu finden, um die Krise abzuwenden (vgl. hierzu 5. Fürsorgegespräche – An-
sprache der Betroffenen).

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4.1		 Betriebliche Gesundheitsförderung

Die Aufgabenfelder betrieblicher Gesundheitsförderung umfassen vor allem
die Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit und der Unternehmensbindung,
die Verringerung von Über- und Unterforderung sowie psychischer Erkrankun-
gen, die Reduzierung von Absentismus bzw. Präsentismus und schließlich die
Vermeidung von Arbeitsunfällen. Diese zahlreichen Aufgaben lassen sich in
einer Pyramide nach Relevanz sortiert darstellen:

                                          Vermeidung von
                                         Arbeitsunfällen und
                                         Berufskrankheiten

                                          Reduzierung von
                                      Absentismus/Präsentismus
                                       und Wiedereingliedung

                              Verringerung von Über- und Unterforderung,
                                  medizinischen Risikofaktoren sowie
                                      psychischen Erkrankungen

                   Erhöhung von Humankapital, Mitarbeiterzufriedenheit und
                  Wohlbefinden, Unternehmensbindung, Beschäftigungsfähigkeit

         Abbildung 2: Aufgabenfelder betrieblicher Gesundheitsförderung4

Betriebliche Gesundheitsförderung hat die Aufgabe die Optimierung der Ar-
beitsorganisation und Arbeitsumgebung, die Förderung aktiver Teilnahme aller
Beteiligten sowie die Unterstützung der Personal- und Organisationsentwick-
lung bei der Realisierung dieser Ziele zu begleiten. Betriebe mit einer vorhan-
denen betrieblichen Gesundheitsförderung erzielen eine höhere Attraktivität
bei Arbeitnehmern. Beschäftigte, die sich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren,
sind nicht nur gesünder, sondern leisten auch mehr.

Obendrein zeichnet sich eine »familiensensible Gesundheitsförderung« als
ein weiteres nicht zu unterschätzendes Kriterium aus. Hierbei gilt es die Ver-
einbarkeit von Familie und Beruf als einen integralen Bestandteil von betrieb-
licher Gesundheitsförderung zu erkennen.5 Kann ein Mitarbeiter auf flexible
4
    Riedel (2011: 5).
5
    DGB Bundesverband (2010: 8).
                                                                               | 11 |
Arbeitszeitmodelle zurückgreifen, ist er entspannter und weniger gestresst. Er
kann Kinderbetreuung oder die Pflege der Angehörigen besser organisieren.
Er kann mehr Zeit damit verbringen, seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen.

4.2		 Ein Gewinn für alle

Eine gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung ist notwendig und ergibt einen
Gewinn für alle Beteiligte.

Dazu ist es notwendig, folgende Punkte gegenseitig einzuhalten:

1.       Anerkennung und Wertschätzung
2.       Interesse und Kontakt
3.       Einbeziehung und Partizipation
4.       Transparenz und Offenheit
5.       Stimmung und Betriebsklima
6.       Belastungsabbau und Ressourcenaufbau
7.       Änderung durch Partnerschaft
8.       Organisatorische Ausrichtung
9.       Reflexibilität
10.      Gesundheit und Wohlbefinden
11.      Ausrichtung auf Lernen und Entwicklung
12.      Kreatives Denken

5.       Fürsorgegespräche – Ansprache der Betroffenen

Wird es notwendig, ein Fürsorgegespräch mit seinem Mitarbeiter zu führen, ist
es wichtig, dass Sie sich auf das Mitarbeitergespräch gut vorbereiten. Einen
Mitarbeiter/Kollegen auf eine Erkrankung aufmerksam zu machen, die dieser
wahrscheinlich ignoriert, stellt zunächst einmal einen Tabubruch dar.

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Das so genannte HILFE-System kann ein guter Leitfaden für Ihre Unterstüt-
zung sein:
1. Hinsehen
2. Initiative ergreifen
3. Leitungsfunktion wahrnehmen
4. Führungsverantwortung: Fördern – Fordern
5. Experten hinzuziehen

Vermeiden Sie im direkten Gespräch Vorwürfe. Suchen Sie einen ruhigen,
stress- und störungsfreien Moment, möglichst ohne Zeugen.

Schildern Sie Ihre Wahrnehmung und Ihre Sorge: »Ich beobachte seit länge-
rem, dass mit Ihnen eine Veränderung passiert ist, die mir Sorgen macht. – Ich
habe an Ihnen immer Ihren Optimismus und Ihre Tatkraft geschätzt, wenn es
galt, ein Problem anzugehen. Jetzt nehme ich Sie müde und kraftlos wahr.«

Machen Sie das Ziel des Gespräches deutlich. »Es geht mir um Sie, um einen
wertvollen Mitarbeiter, auf den wir nicht verzichten wollen und den wir brau-
chen.«

Stellen Sie Fragen: »Liege ich mit meiner Wahrnehmung richtig? Können Sie
nachvollziehen, dass ich mir darüber Sorgen mache?« Fassen Sie das Gehör-
te mit eigenen Worten zusammen und fragen Sie nach, ob Sie Ihr Gegenüber
richtig verstanden haben. »Ich habe verstanden, dass Sie oft das Gefühl ha-
ben, die gesamte Verantwortung in der Abteilung zu tragen, ist das richtig so?«

Fragen Sie nach, bis Sie selbst sicher sind, richtig verstanden zu haben.

Bleiben Sie freundlich, ruhig und wertschätzend, aber in professioneller Dis-
tanz. Sie können die Problematik nicht lösen. »Ich denke nicht, dass ich Sie
unterstützen kann, indem ich die Abläufe im Betrieb verändere/Frau xy verset-
ze/mich von dem Kunden trenne.«

Sprechen Sie Ihre Vermutung – möglicherweise liegt ein Burnout vor – aus.
»Ich habe mich mit der Erkrankung Burnout beschäftigt und befürchte, dass
Sie darauf zusteuern/darunter leiden.«

                                                                            | 13 |
Verweisen Sie auf Profis und den Anspruch auf Hilfe. »Wenn Sie sich ein Bein
gebrochen haben, suchen Sie doch auch den Arzt auf und akzeptieren Hilfe,
wenn es eine Zeit mit dem Laufen nicht so klappt.«

Vermeiden Sie es, Druck aufzubauen, sondern eröffnen Sie Perspektiven: »Ich
wünsche mir, dass Sie über unser Gespräch nachdenken und würde mich ger-
ne in einer Woche erneut mit Ihnen treffen, um Ihre Gedanken dazu zu hören.«
In dieser Phase ist Verschwiegenheit und Vertrauen besonders wichtig. Der
Mitarbeiter hat im Burnout sowieso eine negative Selbstwahrnehmung und
wäre sicher überfordert, wenn er seine Situation mit anderen Kollegen disku-
tieren sollte.

Zeigen Sie Perspektiven auf, indem Sie Hilfsangebote im näheren Umfeld be-
nennen.

Und zu guter Letzt: zeigen Sie Zuversicht, dass die Erkrankung mit der richti-
gen Therapie überwunden werden kann und ein Wiedereinstieg in den Beruf
keine Utopie ist.

| 14 |
6. Führungsverantwortung

Die Verantwortung obliegt der Führung. Ein betriebliches Gesundheitsma-
nagement hingegen ist Teamaufgabe.

                                              Präambel:
                                            Grundsätzliches

                                               klären

                          Schritt 5:                              Schritt 1:
                       Wirkung prüfen                             Initiative
                                                                  ergreifen

                         Schritt 4:                               Schritt 2:
                     Gemeinsam nach                           Strukturen schaf-
                       Ursachen und                           fen und Prozess
                     Lösungen suchen                               planen

                                             Schritt 3:
                                            Belastungen
                                              eruieren

Abbildung 3: Schritte zu einem gesunden Unternehmen6

Betriebliche Gesundheitsförderung ist stets ein ganzheitliches aber dynami-
sches Instrument und bedarf einer kontinuierlichen Weiterentwicklung. Ziel
ist es, eine offene Kommunikation, Förderung der Führung durch Zielverein-
barung, flache Hierarchien, Delegation der Verantwortung und Eigeninitiati-
ve, gegenseitigen Respekt und Vertrauen zu schaffen. Darüber hinaus sollen
Teamgeist sowie hohe, aber realistische Leistungsanforderungen im Unter-
nehmen implementiert werden.

Im Arbeitsschutzgesetz wird ein umfassender, dynamischer, präventiver und
ganzheitlicher Arbeitsschutz geregelt, der auf der humanen Ausgestaltung der
Arbeit beruht. Obendrein wird dabei der Gesundheitsschutz eingeschlossen,
der sich auf alle physischen und psychischen Aspekte der Gesundheit bezieht
und den Gesundheitsbegriff der WHO inkludiert.7
6
    Riedel (2011: 38).
7
    DGB Bundesverband (2010: 8).

                                                                                  | 15 |
Der Arbeitgeber hat vor allem folgende Grundsätze zu berücksichtigten:
    Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie weitere gesicherte
     arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse (§ 4 Abs. 3 Arbeitsschutzgesetz),
    Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Be-
     ziehungen und den Einfluss der Umwelt auf den Arbeitsplatz (§ 4 Abs. 4
     Arbeitsschutzgesetz).

Ausdrücklich gilt, dass von einem weit zu fassenden Gesundheitsbegriff des
Arbeitsschutzes auszugehen ist. Hierbei wird ebenfalls das psychische Wohl-
befinden einbezogen.

Überdies wurde 1989 § 20 im Sozialgesetzbuch V (Prävention und Selbst-
hilfe) eingeführt. Krankenkassen haben seitdem die Aufgabe, Leistungen zur
Prävention zu erbringen und ergänzende Maßnahmen, zur betrieblichen Ge-
sundheitsförderung durchzuführen. Im § 20 a Sozialgesetzbuch V wird die be-
triebliche Gesundheitsförderung geregelt.

Ferner kann es Arbeitgebern ermöglicht werden, den Mitarbeitern Präven-
tions- und Gesundheitsförderungsleistungen im Umfang von maximal 500
EUR jährlich einkommensteuerfrei zukommen zu lassen. Diese Leistungen
müssen jedoch hinsichtlich der Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit
den Anforderungen der §§ 20 und 20a Sozialgesetzbuch V entsprechen.

Die deutschen Krankenkassen haben gemeinschaftlich entschieden, dass die-
ser Betrag in vier so genannte Handlungsfelder umgesetzt werden kann:

1. Arbeitsbedingte körperliche Belastungen: Vorbeugung und Reduzierung
   arbeitsbedingter Belastungen des Bewegungsapparates
2. Betriebsverpflegung: Gesundheitsgerechte Verpflegung am Arbeitsplatz
3. Psychosoziale Belastung (Stress): Förderung individueller Kompetenzen
   zur Stressbewältigung am Arbeitsplatz; gesundheitsgerechte Mitarbeiter-
   führung
4. Suchtmittelkonsum: Rauchfrei im Betrieb; Punktnüchternheit (Null Promille
   am Arbeitsplatz) bei der Arbeit8

Es ist zu beachten, dass Arbeitgeber seit Mai 2004 die gesetzlich veranker-
te Präventionspflicht gemäß § 84 Sozialgesetzbuch IX gegenüber allen Be-
schäftigten mit krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als 30 Kalendertagen
haben.
8
    GKV Spitzenverband (2010: 15).

| 16 |
Servicestellen | Ansprechpartner im Kreis Unna

Der Gesundheitswegweiser des Kreises Unna ist eine umfassende Bera-
tungsstellenübersicht aus den Bereichen Gesundheit und Soziales und ist un-
ter folgendem Link aufzurufen:
https://security.kreis-unna.de/geshtwweiser/mysql/geshtwwthemen.php

PME Familienservice
www.familienservice.de/web/pme-assistance/homecare-eldercare

Psychologische Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche bis
27 Jahre, Eltern:
www.kreis-unna.de/fileadmin/user_upload/Kreishaus/51/pdf/51237.pdf

Beratungsstellen | Gesundheit
»Nicht alle kommen in ungewohnten oder schwierigen Lebenssituation wie
einer körperlichen Einschränkung, einer seelischen Erkrankung oder einer ein-
schneidenden sozialen Veränderung ganz allein zurecht. Für sie alle hat der
Kreis ein engmaschiges Beratungsnetz geknüpft.«
www.kreis-unna.de/hauptnavigation/kreis-region/leben-im-kreis/gesundheit/
beratungsstellen.html

Gesundheitshäuser | Selbsthilfe
www.kreis-unna.de/nc/hauptnavigation/kreis-region/leben-im-kreis/gesund-
heit/gesundheitshaeuser.html

Frauen- und Mädchenberatungsstelle im Kreis Unna
Fon   02303 82202

Patientenberatung
Mit der Patientenberatung bieten Ihnen die Ärztekammer und Kassenärztli-
che Vereinigung Westfalen-Lippe Informationen zur Arztwahl und Auskünfte
zu medizinischen Fragen für den Bereich Westfalen-Lippe.
Hier erhalten Sie gesicherte Daten und Informationen zu Qualifikationen, Ge-
nehmigungen, Aus- und Fortbildung aller Ärzte, über ambulante und stationä-
re ärztliche Behandlungsmöglichkeiten und zu verschiedenen medizinischen
Sachthemen, sowie zu Diagnose- und Therapieverfahren.
Fon 0251 92 99 00 0 (Servicetelefon)
www.patientenberatung-wl.de

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Therapieplatz-Vermittlung
Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe hilft bei der Suche nach
einem psychotherapeuti-schen Therapieplatz. Die Therapieplatz-Vermittlung
nennt Ihnen anhand vorliegender Daten den Therapeuten mit der kürzesten
Wartezeit, dem gewünschten Schwerpunkt (z.B. Essstörungen) oder mit spe-
ziellen Sprachkenntnissen.
Fon 0231 94 32 96 00

Die allgemeinpsychiatrische Ambulanz der LWL-Klinik
Dortmund
LWL-Klinik Dortmund
Marsbruchstraße 179 | 44287 Dortmund
Fon 0231 4503-01

Allgemeinpsychiatrische und suchtmedizinische
Fachambulanzen:
Fon      0231 4503-2773

Beratungshotline für psychische Erkrankungen
Fon      0180 5 950 951 (14 ct./ Min. aus dem dt. Festnetz)

Telefonseelsorge
Fon      0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 (kostenlose Hotline aus
		       dem deutschen Festnetz)

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Nützliche Links

www.deutsche-depressionshilfe.de
Jeder fünfte Deutsche erkrankt einmal im Leben an einer Depression. Auf die-
ser Website kann man einen Selbsttest machen, sich über Depression infor-
mieren und entsprechendes Material anfordern.

www.psychotherapiesuche.de
In der Online-Datenbank auf dieser Website kann man selber nach Psycho-
therapeutinnen bzw. -therapeuten suchen; und man kann sich in der telefoni-
schen Hotline hinsichtlich der Suche beraten lassen. Auch Tipps, Fragen und
Antworten rund ums Thema Psychotherapie finden sich hier.

BKK Bundesverband und Familien-Selbsthilfe Psychiatrie (BApKe.V.)
(Hrsg.): »Psychisch krank im Job – was tun?«:
http://www.dnbgf.de/fileadmin/texte/Downloads/uploads/dokumente/2007/
Psychisch_krank_im_Job_.pdf

Links Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA):
http://www.baua.de/de/Informationen-fuer-die-Praxis/Handlungshilfen-und-
Praxisbeispiele/ChEF.html
http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Gefaehrdungsbeurteilung/Gefaehr-
dungsbeurteilung.html

Broschüren
http://psyga.info/ueber-psyga/materialien/psyga-material/handlungshilfe-fuer-
fuehrungskraefte/

E-Learning Tool
http://psyga.info/ueber-psyga/materialien/psyga-material/elearning-tool/

Hörbuch
http://psyga.info/ueber-psyga/materialien/psyga-material/hoerbuch/

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Literatur

Augusta, Renate (2008): Aus dem Burnout führen. In: Personalmanager. Zeitschrift für
Human Resources, Heft 4, S. 34-37.

Badura, Bernhard | Walter, Uta | Hehlmann, Thomas (2010, 2. Aufl.: Betriebliche Ge-
sundheitspolitik, Der Weg zur gesunden Organisation. Heidelberg.

BAuA: Psychische Fehlbelastung vermeiden. Dortmund.

BKK Bundesverband: BKK Gesundheitsreport 2013 (2014): Gesundheit in Bewegung
– Schwerpunkt Muskel- und Skeletterkrankungen. Berlin.

DGB Bundesvorstand: Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Handlungsfeld der be-
trieblichen Gesundheitsförderung, Ein modulares Schulungskonzept für Bildungsan-
bieter, Berlin.

GKV Spitzenverband: Leitfaden Prävention, Handlungsfelder und Kriterien des GKV-
Spitzenverbandes zur Umsetzung von §§ 20 und 20a SGB V vom 21. Juni 2000 in der
Fassung vom 27. August 2010.

Groh-Kontio, Carina: Qualmender Kopf und hohe Drehzahl – Arbeitsverdichtung und
Arbeitsdruck, Handelsblatt, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/buero-special/
arbeitsverdichtung-und-arbeitsdruck-qualmender-kopf-und-hohe-drehzahl/9792946.
html (Stand: 19.05.2014).

Initiative Neue Qualität der Arbeit (2008): Gute Mitarbeiterführung.

Matyssek Anne Katrin (2012, 3. Aufl.): Führung und Gesundheit. Ein praktischer Ratge-
ber zur Förderung der psychosozialen Gesundheit im Betrieb. Norderstedt.

Oppolzer, Alfred (2010): Gesundheitsmanagement im Betrieb – Integration und Koordi-
nation menschengerechter Gestaltung der Arbeit, erweiterte und aktualisierte Neuauf-
lage. Hamburg.

Riechert, Ina (2011): Psychische Störungen bei Mitarbeitern. Ein Leitfaden für Füh-
rungskräfte und Personalverantwortliche. Berlin.

Riedel, Tina (2011): Masterarbeit: Betriebliche Gesundheitsförderung in öffentlichen
Verwaltungen im Rahmen organisatorischen Wandels – dargestellt am Beispiel des
Jobcenters Kreis Unna.

Sträde, Katja | Hellert, Ulrike (2010): Lebensphasengerechte Prävention bei Arbeit in
kleinen und mittelständischen IT-Unternehmen. Broschüre im Rahmen des Projektes
DIWA-IT, S. 11-12.

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