Caritas Konkret - Caritas Köln
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caritas Konkret Nr. 01 / Mai 2021 DAS MAGAZIN DES CARITASVERBANDES FÜR DIE STADT KÖLN E.V. #Das machen wir gemeinsam 02 04 10 #corona #mütend #solidarität Kirche in der Krise Gemeinsam Gast-Editorial von ZDF-Moderatorin Dunja Hayali Und die Caritas? für eine rassismusarme Welt
Editorial das Wir freuen uns über DF-Moderatorin Gast-Editorial von Z Dunja Hayali: #corona #mütend #nutztjanix #solidarität #lichtamendedestunnels I ch bin es auch leid - und dennoch versuche ich weiterhin Leid zu vermeiden, Kapazitäten zu schonen, Regeln einzuhalten (auch wenn ich sie nicht alle verstehe), auf meine Mitmenschen und mich zu achten... Warum? Weil das Virus sich weiterhin nicht dafür interessiert, ob ich genervt, erschöpft, besorgt, frustriert, mütend oder sonst was bin. Manchmal von allem, manchmal von nix. Oder von der Maske, vom Abstand, von Maßnahmen, von Regel-Brechern, von Zahlen (ohne Gesichter), vom Auf-Zu-Ping-Pong, von mangelnden Konzepten/Perspektiven, von zu wenig Impfstoff bzw. Tests, von „die eine sagt hü, andere machen aber hott“, usw. Es liegt also weiterhin auch an und in jedem von uns, wie es weitergeht... Fast jeder von uns hat die Wahl, solidarisch oder unsolidarisch zu sein. You choose. Dunja Hayali, ZDF-Moderatorin Caritas Köln ist ab sofort bei Instagram Gemeinsam stark www.instagram.com/carijobs.koeln #Das machen wir gemeinsam ist Menschen, die auf Jobsuche sind oder ihre Stel- die aktuelle Jahreskampagne der bun- le wechseln möchten, finden hier immer wieder desweiten Caritas für mehr Solidarität neue spannende Einblicke hinter die Kulissen. (www.dasmachenwirgemeinsam.de). Caritas-Mitarbeitende aus der Pflege, den Kitas, Im vorliegenden Magazin Caritas der Sozialarbeit posten mehrmals wöchentlich aus ihrem Arbeitsalltag. Neben diesen „Insider- Konkret lesen Sie zu unterschiedlichen News“ gibt es noch jede Menge interessante In- Bereichen, in denen Solidarität gelebt fos, von unseren „Sahnehäubchen“, den Extras wird, wo sie fehlt und dringend einge- für Caritas-Mitarbeitende, bis hin zu Tipps „Wie fordert werden muss. bewerbe ich mich richtig.“ Also vorbeischauen, abonnieren und unbedingt weitersagen!! Impressum Herausgeber, V.i.S.d.P.: Gesamtredaktion: Autor*innen dieser Ausgabe: Fotos: Gestaltung: Caritasverband für die Stadt Köln e.V. Stab Öffentlichkeitsarbeit, Chiara Battaglia, Andrea Domke, Caritasverband Köln, privat, www.mareilebusse.de Peter Krücker, Marianne Jürgens (jü), Nils Freund, Dunja Hayali, Marianne Jo Schwartz Sprecher des Vorstandes Tel: 0221 95570-237, Jürgens, Julius Lang, Berthold Lensing, Covermotiv: StreetArt, gefunden in Die nächste Caritas Konkret Bartholomäus-Schink-Str. 6, marianne.juergens@caritas-koeln.de Pfarrer Jürgen Martin, Jasmin Mouissi, Köln-Ehrenfeld, Körnerstraße erscheint August/September 50825 Köln Nikola Plettenstein, Susanne Rabe- Auflage: 4000 2021. www.caritas-koeln.de Redaktionsteam: Rahman, Karin Wolf, Clemens Zahn, www.facebook.com/caritaskoeln/ Nils Freund, Matthias Grote, Nikola Thomas Zumstrull Druck: cariprint, Redaktionsschluss: Plettenstein, Susanne Rabe-Rahman Tel: 0221 379549-02 01. August 2021 2
Schwerpunktthema #Das impfen wir gemeinsam Corona-Schutzimpfungen in der Caritas I m Dezember 2020: Endlich! Es gibt einen Impfstoff. Am 30. Dezember konnte bereits die erste Impfaktion im Caritas-Al- tenzentrum St. Josef-Elisabeth starten, vier weitere Altenzentren den der Stationären und Ambulanten Pflege wurden Caritas- Mitarbeitende aus unterschiedlichen Arbeitsbereichen, die nah am Menschen sind, wie Erzieher*innen, Sozialarbeiter*innen, folgten kurze Zeit später. Der Hoffnung auf ein schnelles Ende Kolleg*innen aus der Jugendarbeit geimpft. Auch der Pandemie folgte bald Ernüchterung. Im Februar stockten die Bewohner*innen und Mitarbeitenden aus den Wohnhäusern für Impfaktionen wegen Lieferschwierigkeiten des Impfstoffes – mit Menschen mit Behinderung und in den Werkstätten der Caritas fatalen Folgen. Die Impfungen im sechsten Caritas-Altenzentrum Wertarbeit konnte ein Impfangebot gemacht werden, mit dem wurden verschoben, Corona-Infektionen unter Bewohner*innen sie jetzt etwas entspannter in die Zukunft blicken. Es bleibt zu Illustration: freepik.com und Mitarbeitenden traten dort in größerer Zahl auf. Nach der hoffen, dass andere gefährdete Gruppen, darunter auch hoffnungsvollen Erwartung war das ein schwerer Schlag. Menschen in beengten Wohnverhältnissen, Flüchtlinge in Unter- Inzwischen haben die Impfungen in der Caritas wieder Fahrt künften und Wohnungslose ebenfalls zügig geimpft werden. aufgenommen. Nach den Bewohner*innen und Mitarbeiten- Geflüchtete in Deutschland nicht ausreichend vor Corona-Pandemie geschützt G eflüchtete waren und sind von Ausgrenzung und Ungleichbe- handlungen auf vielen Ebenen be- von Asylanträgen oder Familienzu- sammenführungen. Bis heute fehlen mehrsprachige In- I mpfaktion in der Betriebsstätte Gut Frohnhof im März mit insgesamt 245 Impfungen. troffen - und werden auch jetzt in der Krise nicht ausreichend wahrgenom- men: formationen in einfacher Sprache, die Risiken und Maßnahmen der Pande- mie einfach und deutlich beschreiben – am besten auch gesprochen. Die Termine wurden äußerst kurzfris- In Gemeinschaftsunterkünften müs- Obwohl die Geflüchteten in Unter- tig angesetzt. Dies bedeutete, innerhalb sen sie sanitäre Einrichtungen und künften die Impfpriorität 2 haben, kürzester Zeit die Beschäftigten und deren Aufenthalts-/ Essräume mit vielen wurde ihre Impfung in Köln gerade gesetzliche Vertreter*innen zu informieren weiteren Personen teilen. Das Infek- wegen angeblich fehlendem Impfstoff und alle Unterlagen sachgerecht ausgefüllt tionsrisiko steigt. Ganze Unterkünfte bis Ende Mai ausgesetzt… vor dem Impftermin zu verschaffen. Geimpft wurden mehrfach zwei Wochen unter wurden Beschäftigte, Mitarbeitende und Quarantäne gestellt. Geflüchtete in Die Kölner Beratungsstellen für Ge- Fahrer*innen und Begleitpersonen des Arbeitsverhältnissen liefen dadurch flüchtete sind voll ausgelastet. Zubringerdienstes. Gefahr, den Job zu verlieren. Die Sie haben sich gemeinschaftlich im Situation wird von Asylsuchenden als Februar mit einem Forderungska- Hier einige Rückmeldungen: retraumatisierend erlebt: Sie fühlen talog öffentlich zu Wort gemeldet, Beschäftigte M. B.: „Das Impfen finde ich sehr sich erneut isoliert, eingesperrt und um eine deutliche Verbesserung der gut, ich bedanke mich von ganzem Herzen.“ ausgegrenzt, Depressionen und Ag- Situation für Geflüchtete anzuregen. gressionen steigen an. Die Einschrän- Als Beratungsstellen der Caritas Beschäftgte Ch. B.: „Mega toll, dass wir in der kungen der Bildungsangebote incl. arbeiten wir weiter daran, der Diskri- Caritas Wertarbeit geimpft worden sind. Und Sprachförderung führen zu negativen minierung und Ausgrenzung dieser nicht extra ins Impfzentrum nach Deutz fahren Konsequenzen bei der Berufsfindung, Personengruppe entgegen zu wirken müssen. Ich finde es ganz große Klasse, wie ihr das alles organisiert.“ insbesondere für Analphabet*innen, – und sowohl für die Betroffenen wie die bereits im Herkunftsland von auch für die präventiven Maßnahmen Mitarbeiter J.K.: „Ich bin froh, dass ich die Bildung ausgegrenzt waren. Die mehr Verständnis zu schaffen. Chance zum Impfen heute erhalten habe, und Reduzierung von Kontakten zu hoffe dann nach der 2. Impfung damit etwas Behörden oder Rechtskundigen führt Aber: Es gibt viel zu tun für eine beruhigter arbeiten und leben zu können. Ich zu erheblichen Problemen mit der Chancengerechtigkeit – Unterstüt- hoffe, dass wir durch die Impfungen auch Arbeitserlaubnis, zur Unterbrechung zung ist gefragt! schneller wieder unsere sozialen Kontakte von Sozialleistungen, zur Ablehnung // Susanne Rabe-Rahman pflegen können.“ 3
Kirche in der Krise Katholische Kirche in der Krise – Und die Caritas? D er Eindruck, den die katholische Kirche gegenwärtig öf- fentlich hinterlässt, ist traurig, ja zum Teil verheerend.“ Mit diesem Satz leitete der katholische Publizist Johannes Röser vor scheidungen um die Aufklärung des sexuellen Missbrauchs, die Segensverweigerung für gleichgeschlechtliche Partnerschaften und die weiterhin verweigerte Gleichstellung von Frauen vor al- einigen Jahren in der Zeitschrift Christ in der Gegenwart einen lem die Menschen in ihrem Selbstverständnis, die sich aus Über- Kommentar ein, der sich mit der Krise der katholischen Kirche zeugung und mit großem Engagement in unserem Verband oder befasste. Angesichts der jüngsten Entwicklungen ist zu fragen, in unseren Kirchengemeinden engagieren. wie und mit welchen Begriffen sich der gegenwärtige Zustand der // Clemens Zahn Kirche noch zutreffend beschreiben ließe. Von „Kernschmelze“ ist da die Rede, treffen doch die desaströsen Vorgänge und Ent- Wir haben dazu einige Stimmen gesammelt: Ohne Segen? Was sagen Caritas-Kolleg*innen zur Ablehnung der kath. Amtskirche, „Man kann nicht segnen, worauf kein homosexuelle Paare zu segnen? Segen ruht!“ Wieder einmal wurde dieses alte Argument undifferenziert in Bezug auf gleichgeschlechtliche Beziehungen bemüht. Aber stimmt es „Das hat bei mir viele Fragen aufgeworfen: Was mag eine wirklich? Organisation bewegen, eine derart ausgrenzende Ent- Für die Kirche gilt, was Gott schon scheidung zu treffen? Ausgerechnet gegenüber Menschen, an Abraham tat (vgl. Gen 12,1-3): die ihre Liebe und ihren gemeinsamen Lebensweg unter das Sie segnet Menschen, damit diese Zeichen Gottes stellen wollen? Handelt diese Organisation damit noch im zum Segen für andere werden. Sie Auftrag Jesu? Welche Gemeinschaft ist von dieser Kirche gewollt? segnet Menschen und Dinge, Kinder, Als Psychologin frage ich mich auch, welche eigenen Verwicklungen und Eheleute, aber auch Brot und Wein, Ängste hinter einer solchen Segensverweigerung stecken könnten.“ Krankenwagen, Caritasstationen. //Andrea Domke/Diplom-Psychologin und Leiterin Leistungsbereich Gesegnet werden Menschen, die in Therapie und Beratung - Caritas Köln Verantwortung vor ihrem Schöpfer und voreinander, ihr Leben, ein- schließlich ihrer Sexualität, leben und gestalten wollen, um einander gut zu tun, und das muss auch für Menschen gelten, die ein anderes „Vor Gott sind alle Menschen gleich. So lautet die Grundmelodie sexuelles Empfinden als die Mehrheit unserer Religion, entstanden aus einer christlich-jüdischen haben. Das heiligt nicht alles, was Tradition vor über 2000 Jahren. durch diese Segensmittler geschehen Ich selbst bin bewusst Teil dieser Glaubensgemeinschaft, kann, wie auch ein Ehesegen keine deren Motiv und Auftrag die Nächstenliebe ist. In und mit Heiligsprechung von allem ist, was in dieser Kirche mache auch ich sowohl ermutigende wie einer Ehe geschieht. Auch Abraham auch schmerzhafte Erfahrungen. und Sarah waren übrigens nicht das Deshalb ist es mir wichtig, diese Arbeit zusammen mit perfekte Ehepaar. Gleichgesinnten in einem Verband zu tun, der sich in aller Zum Segen werden wir nicht nur Vielfalt zusammen für die gemeinsamen Werte engagiert und als einzelne, sondern gerade auch dies auch selbst lebt. So geht die Grundmelodie nicht verloren, weil wir in Beziehungen mit anderen dass alle Menschen gleich wichtig und wertvoll sind.“ leben. Wer kennt nicht homosexuelle //Thomas Zumstrull/Stab Christliche Identität und Seelsorge - Paare, die füreinander, für Kinder, Caritas Köln die sie erziehen, für Eltern, um die sie sich kümmern, für Nachbarn und nicht selten auch in unseren Gemein- Vielfalt ist eine den, in Kirchenchören oder caritati- ven Projekten ein Segen sind? Wer will da ernsthaft behaupten, dass auf Bereicherung! diesen Paaren kein Segen ruht? Nein, auch sie sollte die Kirche segnen, damit sie zum Segen für unsere oft so lieblose Welt werden. Illustration: freepik.com //Pfarrer Jürgen Martin/Pfarrvikar Katholische Kirche Dellbrück- Holweide Wir leben Vielfalt – Wofür wir stehen 4
Kirche in der Krise Drei Fragen an … Berthold Lensing Rund 20 Jahre sind Sie bereits in un- Und was ist mit den anderen aufrechten Katholisch sozi- Priestern, männlichen und weiblichen alisiert in einem terschiedlichen Arbeitsbereichen der Pastoral- und Gemeindereferent*innen, wertekonserva- Caritas tätig. Was sind Ihre Gedanken und Ordensleuten, und den vielen in der Kirche tiven Elternhaus, Gefühle zur Ablehnung der kath. Kirche, engagierten Menschen, die sich nur noch katholischen homosexuelle Paare zu segnen? schämen? Wer denkt an die? Was ist mit Schulen und Hoch- Es war mal wieder ein Schlag ins Gesicht. den vielen „Gläubigen“, die ihre Kinder und schule die wirklichen Wenn dieser nicht voraussehbar gewesen Werte, wie die Mutter- wäre, wie schon viele Male zuvor, hätte er „Es geht um milch eingesaugt: So war es für mich kein mich und meinen Partner arg getroffen. Widerspruch, sondern nur konsequent. Nie Was mich nun umtreibt, sind die zum habe ich einen Hehl aus meiner Homose- Teil originellen Zeichen der Solidarität, die Botschaft! xualität gemacht, mich engagiert und auch die wir aus unseren Familien, aus der beim Caritasverband offen schwul gelebt. Nachbarschaft, im Kölner und weltweiten Gegenwind im negativen Sinne, habe ich Und die ist Freundeskreis und sogar aus dem direkten nicht erlebt. Denn was hat meine Profes- beruflichen Umfeld erhalten: Vielen Dank sion mit meiner sexuellen Orientierung zu dafür, das tut gut! Aber es geht nicht tun – GAR NICHTS! Dennoch habe ich unschlagbar!“ nur um uns. Wir lassen weder uns noch nicht selten gehadert mit mir und meiner unsere Beziehung als Sünder oder sünd- Entscheidung, nicht selten gab es vorbe- haft abwerten von Verantwortlichen, die haltlos Kommentare von Freunden: „Wie Verbrecher in den eigenen Reihen nicht zur Enkel nicht mehr als Messdiener am Altar kannst du nur …?“ Doch ich kann, weil für Rechenschaft ziehen und damit traumati- stehen sehen möchten, oder deren Kinder mich Kirche nicht allein das bedeutet, was sierten Opfern die Gerechtigkeit versagen, und Enkel sich von der Kirche abgewandt Papst und Kardinäle in Rom oder andere die sie zur Aufarbeitung brauchen. Von haben? Wer denkt an die? Die Kirche das konservative Vertreter vorgeben. Kirche denselben Personen, die noch lernen sind WIR, das ganze Volk Gottes, ob ein- ist für mich vielfältig und da fühle ich mich müssen, ICH statt WIR zu sagen! Selbst getreten oder ausgetreten. Es geht um die durch den Caritasverband Köln, abhängig der wertkonservativste Mensch der Welt Botschaft! Und die ist unschlagbar! seiner eigenen Möglichkeiten, unterstützt. kann das nicht gutheißen oder gar vertei- digen. Das ist schlimm, kriminell, ein völlig Erleben Sie es als einen Widerspruch, für Welche Kirche wünschen Sie sich? Was überhöhtes Selbstbild, Versagen der Ver- einen kath. Wohlfahrtsverband zu arbei- erwarten Sie von Kirche heute? antwortlichen am eigenen Anspruch und ten, wenn die Institution Kirche in seiner Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit, Authen- unübersehbar im Bemühen, den eigenen Positionierung in so einen persönlichen, tizität, Vorbildfunktion, vorbehaltloses Kopf zu retten. Im Gängeln anderer groß, privaten Bereich eingreift und diesen soziales Engagement, Offenheit gegenüber im Eingestehen klein. missbilligt? Was hält Sie bei der Caritas allen Gotteskindern: gleich welcher Ethnie, Religion, Hautfarbe, Sexualität etc. bzw. in der Kirche? // Die Fragen stellte Marianne Jürgens „Diskriminierung beginnt mit Abgrenzung und Unterscheidung, sie ist ein performativer Akt, d.h. egal ob gewollt oder nicht, eine bestimmte Wirkung tritt z.B. auf Gesagtes und durch Gesagtes tatsächlich ein. Entschei- dend ist das subjektive Empfinden der diskriminierten Person. Sie entscheidet, ob eine Diskriminierung vorliegt oder nicht. Wenn wir also bestimmten Menschen z.B. die Segnung verweigern, ist das Motiv für unsere Entschei- dung unerheblich. Einzig die Wirkung bei den Betroffenen Regenbogenfahnen vor Caritas-Einrichtungen ist entscheidend.“ symbolisieren Offenheit gegenüber gleichge- // Chiara Battaglia und Nils Freund/ Integrationsbeauf- schlechtlichen Partnerschaften. tragte der Aktion Neue Nachbarn im Erzbistum Köln 5
Schwerpunktthema #Das machen wir gemeinsam Blick zurück auf ein Jahr Corona: Wie geht es älteren Menschen, die alleine zuhause leben? R und 600 Ehrenamtliche engagieren sich bei den Nachbarschaftshilfen Kölsch Hätz für Menschen in ihrem Vee- Wie blickt sie auf das Corona-Jahr zu- rück? Weil Margot Heinen aufgrund ihrer Sehbehinderung ohnehin nicht mehr allein del. Auch Karin Wolf ist dabei, sie berich- vor die Tür gehen kann, fühlt sie sich in der tet von ihren wöchentlichen Treffen mit Corona-Krise nur wenig zusätzlich einge- einer älteren Dame im letzten „Corona- schränkt. Ihre Erblindung macht ihr sehr Jahr“: viel mehr zu schaffen. „Im Sommer 2018 habe ich mich bei der Nachbarschaftshilfe Kölsch Hätz in Sülz Was ihr aber fehlt: Seit der Corona- angemeldet, um ehrenamtlich tätig zu Pandemie kann sie nicht mehr in ihrem werden und alleinstehende Personen Lieblings-Café essen gehen. Mit einer zu unterstützen. Es wurde von Kölsch guten Freundin ist sie vorher regelmäßig Hätz ein Kontakt in der Nachbarschaft dorthin gegangen, weil sie sich alleine gesucht, der zu mir passen könnte. So nichts mehr kochen kann. Im Café ist sie habe ich Margot Heinen kennengelernt, bekannt, sie wird dort immer gut umsorgt eine kontaktfreudige und positive und zuvorkommend bedient. Jetzt holt sie Dame, die über 80-jährig allein lebt und das Essen (in Begleitung) dort ab und isst durch eine unheilbare Augenerkran- alleine zuhause. Sie vermisst den Kontakt kung im Laufe der Jahre erblindet ist. und das Plaudern in der vertrauten Café- Umgebung. Karin Wolf, ehrenamtlich engagiert bei Kölsch Auf die Frage, wie sie zu Kölsch Hätz Auf einem Spaziergang erzählt sie, wie sie Hätz, geht in der Corona-Zeit regelmäßig mit ihrer gekommen ist, erinnert sie sich: Ihrer 80-jährigen Nachbarin am Rautenstrauch-Kanal gemeinsam mit ihrer guten Freundin den Augenärztin erzählte sie, den Weg zu spazieren. Altweiberdonnerstag 2020 in einer Kölsch- ihr nicht mehr alleine zu schaffen. Die Kneipe in ihrem Veedel verbracht hat. Sie Augenarztpraxis hat ihr die Kontaktda- war begeistert, wie nett die „jungen Leute“ ten von Kölsch Hätz gegeben, und so ist die Begegnung zwischen zu ihnen waren. Leider musste die Verabredung in diesem Jahr Margot Heinen und mir vermittelt worden. Im Sommer sind es wieder in der gleichen Kneipe Corona-bedingt ausfallen. Ihre nun drei Jahre. Hoffnung ist, das nächstes Jahr nachholen zu können. In ihrem Veedel fühlt sie sich mit einer tollen Nachbarschaft mit Was der älteren Dame fehlt: Jung und Alt gut beheimatet. Die Weihnachts- und Osterfeiertage hat Margot Heinen mit Toch- Seit der Corona-Pandemie muss ter, Schwiegersohn und drei Enkelkindern verbringen können, sie auf ihr tägliches Mittagessen die sich alle vorher testen ließen. Inzwischen ist Frau Heinen bereits zweimal geimpft und blickt dadurch entspannter auf die in ihrem Lieblings-Café und den Corona-Situation. Die Impforganisation sowie die Freundlichkeit netten Plausch dort verzichten. und Hilfsbereitschaft der Mitarbeitenden im Impfzentrum haben sie sehr beeindruckt. Unsere Treffen sind für mich eine Bereicherung. Auch wenn ich In der Regel treffen wir uns zu Spaziergängen, da wir uns beide seit 2019 wieder voll berufstätig bin, hat der wöchentliche Kon- gern an der frischen Luft bewegen. Es ist eine kleine gemein- takt mit Frau Heinen einen festen Platz in meinem Kalender. Sie same Verschnaufpause im Alltag, wir reden über Gott und die hat mir einen anderen Blick auf viele Dinge eröffnet und ist mir Welt. Die Gespräche mit ihr genieße ich sehr, und ich freue mich ans Herz gewachsen.“ immer auf unsere wöchentlichen Treffen. Seit der Corona-Pan- // Karin Wolf demie tragen wir beide immer eine Maske. Der Mindestabstand ist nicht einzuhalten, da der Körperkontakt über die Arme beim Spaziergang dauernd erforderlich ist. weitere Infos zu Kölsch Hätz Nachbarschaftshilfen: www.koelschhaetz-im-veedel.de 6
Schwerpunktthema: Gemeinsam arbeiten im Inklusionsbetrieb „Wir sind eine laute, lustige Truppe“ Inklusionsbetrieb CariClean auf Wachstumskurs n noch Bilder fehle Bilder fehlen noch cke und sagen Ernestine Hö te, lustige Truppe“ Betriebsklima. „Wir sind eine lau he rrscht ein gutes . Bei CariClean Alexander Schmidt Zielgruppen“-M itarbeiter Cetin Korkmaz D ie CariClean gGmbH ist ein klassisches Gebäudereinigungs- Unternehmen auf dem 1. Arbeitsmarkt und anerkannter Inklu- sionsbetrieb. Von den 80 Mitarbeitenden sind aktuell 18 sogenannte Zielgruppen-Mitarbeitende, also Menschen mit Behinderung. In rund 65 Objekten in Köln und Umgebung kommt CariClean zum Einsatz. Das vergangene Corona-Jahr hatte für den Betrieb unterschiedliche Seiten. Zunächst gab es die Notwendigkeit, den Mitarbeitenden die Wirtschaftlich gesehen Hygiene-Maßnahmen zu vermitteln und zu erklären, warum so viel Abstand eingehalten werden muss. Kolleg*innen, die bis dahin im war es ein richtig gutes Jahr, Team gearbeitet hatten, mussten getrennt werden. Inzwischen haben denn der Bedarf an Reinigung sich aber alle gut daran gewöhnt. Zum Beispiel Miriam Ahmat und Cetin Korkmaz, die wir während ihrer täglichen Arbeit im Clara- ist durch die Pandemie stark Fey Haus begleitet haben. Beide schätzen es inzwischen, jetzt einen gestiegen. eigenen Bereich zu haben, um den sie sich täglich kümmern. Was alle Mitarbeitenden aber am meisten vermissen, ist das fehlende Teambuilding. „Wir sind eigentlich eine laute, lustige Truppe“, sagen Betriebsleiter Alexander Schmidt und Vorabeiterin Ernestine Höcke. Normalerweise haben alle Mitarbeitenden von CariClean ein sehr DIE CARICLEAN enges Verhältnis und es gibt oft Schulungen oder gesellige Treffen bei Kaffee und Kuchen. Eine positive Seite hat die Corona-Krise für Die CariClean gGmbH betreut aktuell mit 80 Mitar- CariClean jedoch: Wirtschaftlich gesehen war es ein richtig gutes beitenden rund 65 Objekte in Köln und Umgebung, Jahr, denn der Bedarf an Reinigung ist durch die Pandemie stark das Portfolio reicht von klassischer Unterhaltsrei- gestiegen. Die Auftragslage ist sehr gut und das Unternehmen hat die nigung über Grundreinigung bis hin zur Glas- und Teppichreinigung. Rund 50% der Kunden kommen Anzahl der Mitarbeitenden fast verdoppeln können. aus dem Caritasverband Köln. Das sind vor allem // Nikola Plettenstein Wohnhäuser, Kindertagesstätten, Caritas-Zentren und nicht zuletzt die Geschäftsstelle in Ehrenfeld. Die anderen 50% sind externe Kunden. 7
Schwerpunktthema: Tandems in der Kita #Das machen wir gemeinsam Ein starkes Team: In der Kita Heilig Geist wird in „Tandems“ gearbeitet I n der CariKids-Kita Heilig Geist in Longerich arbeiten Kolleginnen in Tandems aus je einer Erzieherin und einer Kollegin mit Behinderung als Ergänzungskraft. Manuela Mischker und Maike Becker können auf Basis eines Betriebsintegrierten Arbeits- platzes (BiAp) hier eingesetzt werden. Ende 2021 soll es erstmals eine Päd- agogische Fortbildung geben, maßge- schneidert für die BiAp-Kolleginnen. Ein starkes Konzept! Frau Mischker, Sie arbeiten seit No- Die „Tandems“ aus der vember 2020 in der Kita Heilig Geist, wie ist Ihr Werdegang? CariKids Kita Heilig Ich habe vorher bei der Caritas Wertarbeit in der Werkstatt Geist: li. Maike Becker, Barbara Felix-Iasi, gearbeitet. Im Kindergarten zu arbeiten, war schon immer re. Manuela Mischker, mein Traum. Ich wusste aber nicht, ob es möglich ist. Jetzt bin Karolin Kanzler ich Ergänzungskraft und konnte über einen Berufsintegrierten Arbeitsplatz (BiAp) ohne Ausbildung einsteigen. In der CariKids-Kita Heilig Geist Barbara Felix-Iasi: Wir vertrauen einander. Schwierigkeiten gibt in Longerich arbeiten Kolleginnen es kaum. Maike entlastet uns sehr, weil sie die meisten Aufgaben allein übernehmen kann. Ihre Besonderheit ist, dass sie immer in Tandems aus je einer Erzieherin ruhig bleibt, das gibt den Kindern Sicherheit. Ich nenne Maike und einer Kollegin mit Behinderung immer mein „Brainy“: Sie weiß ganz genau, wem zum Beispiel welche Kleidungsstücke gehören und kann den Eltern sagen, als Ergänzungskraft. wenn etwas für ihr Kind fehlt. Anne Becker ist seit Januar 2021 Leiterin der Kita Heilig Geist, Frau Mischker, Frau Kanzler, Sie arbeiten als sogenanntes sie arbeitet seit 2010 bei den CariKids. „Tandem“. Wie funktioniert Ihre Zusammenarbeit? Frau Becker, seit wann gibt es das Modell der Betriebsintegrier- Ela Mischker: Wir kommen sehr gut zusammen aus. Karolin ist ten Arbeitsplätze in den Kindertagesstätten und wie funktioniert sehr hilfsbereit, hat auch ein Ohr für private Gespräche und hilft es aus Ihrer Sicht? mir, wenn es Probleme gibt. Becker: Das BiAp-Modell gibt es bei CariKids seit über 10 Jahren. Karolin Kanzler: Ela kam zu uns, als wir händeringend neue Wir haben die „Tandems“ hier in der Kita Heilig Geist seit 2015 Kolleg*innen gesucht haben. Sie musste kaum eingearbeitet wer- im Einsatz und die BiAps sind eine tolle Unterstützung. Die Kin- den und arbeitete von Anfang an total souverän und intuitiv mit der haben zu ihnen genau dasselbe gute Verhältnis wie zu den den Kindern. Sie hat uns echt gerettet! Probleme gab es bisher anderen Erzieherinnen. Die Stellen müssen leider jährlich neu nicht. Und die Eltern sind sehr offen, es war nie jemand komisch bewilligt werden, aber bisher hat das immer gut geklappt und gegenüber ihr oder unserer anderen BiAp-Mitarbeiterin. wir werden alles dafür tun, dass es weiterhin funktioniert. Frau Becker, sie sind seit 2015 als BiAp-Mitarbeiterin hier in der Was ist das Besondere an ihren beiden BiAp-Mitarbeiterinnen? Kita tätig. Wie haben Sie den Weg hierher gefunden? Sie sind total engagiert, was jetzt dazu geführt hat, dass die Maike Becker: Ich habe zuerst in der Druckerei CariPrint gear- Caritas Wertarbeit Ende des Jahres das allererste Mal eine beitet und hatte dann den Wunsch nach Veränderung. Nach einem Fortbildung für sie anbieten kann. Es wird einen mehrtägigen pä- Praktikum in der CariKids Kita Porz arbeite ich seit 2015 hier. dagogischen Workshop geben, zugeschnitten auf die Bedürfnisse der BiAp-Mitarbeiterinnen. Dass sie sich fachlich weiterbilden Frau Felix-Iasi, Sie arbeiten seit über 5 Jahren mit Frau Becker im können, ist völlig neu. Wir sind schon sehr gespannt! Tandem, wie ist Ihr Verhältnis? Was schätzen Sie aneinander? // Interview: Nikola Plettenstein 8
Schwerpunktthema: Neue Wege im Ehrenamt In der Pandemie sind neue Wege im Ehrenamt gefragt D ie derzeitige Pandemie-Situation hat viele Gesichter. Zum einen hat sich die soziale Isolation älterer Menschen ver- schärft, zum anderen erfreut sich flexibles Ehrenamt einer stei- genden Nachfrage. Daher ist es notwendig, kreative Wege für ehrenamtliches Engagement zu schaffen, die eine Teilhabe von Senior*innen zum Ziel haben. Diese Beobachtung bestätigt das von der Stiftung Wohlfahrts- pflege NRW geförderte Modellprojekt „Ehrenamt der Zukunft – Förderung der Selbstbestimmung und Teilhabe Älterer im Stadtteil“, das von der Caritas Köln zusammen mit der Hoch- schule Düsseldorf seit März 2019 umgesetzt wird. Das Interesse an innovativen Formen von Ehrenämtern spiegelte sich auch auf der digitalen Fachtagung des Projektes wider. Am 15. März tauschten sich über 100 Akteur*innen aus der Ehrenamtsarbeit und der offenen Altenhilfe über aktuelle Wissenschafts- und Praxisbefunde der Corona-Pandemie aus. Auf der Veranstaltung wurden vielfältige Ehrenamtsprojekte vorgestellt, die nach über der Hälfte der dreijährigen Projektlaufzeit, basierend auf wis- senschaftlichen Befragungen und Bedarfserhebungen, entstan- den sind. Die E-Rikscha wird von motivierten und geschulten Ehrenamtlichen gefahren, die ein zeitlich flexibles Ehrenamt für Dank dieser Senior*innen-Rikscha sind in der Pandemie Begegnungen von sich entdecken und im Kontakt älteren Menschen und Ehrenamtlichen in Deutz und Poll möglich. viel Freude haben. Eines dieser Projekte ist eine Senior*innen-Rikscha, die in Deutz und Poll älteren Menschen kostenlose Ausflüge an der frischen EHRENAMT DER ZUKUNFT Luft ermöglicht. So lernen ältere Menschen ihre Umgebung näher kennen und haben über einen kreativen Weg Kontakt zu Interessierte, die bei Projekten von „Ehrenamt der Mitmenschen. Die E-Rikscha wird von motivierten und geschul- Zukunft“ mitwirken möchten, können sich melden ten Ehrenamtlichen gefahren, die ein zeitlich flexibles Ehrenamt bei Projektmitarbeiter Julius Lang, Tel.: 0221 für sich entdecken und im Kontakt viel Freude haben. 569578 28, E-Mail: julius.lang@caritas-koeln.de. Ein weiteres Projekt ist die Digitalisierung des persönlichen Kontaktes. Senior*innen tauschen sich mit Ehrenamtlichen und Angehörigen per Videotelefonie über ein senior*innengerechtes Tablet aus. Auch das Telefonieren selbst erfreut sich im Rah- men der ehrenamtlichen Nachbarschaftshilfe einer steigenden Beliebtheit. Flexibel engagieren können sich Interessierte auch beim Insta- gram-Kanal der Kölsch Hätz Nachbarschaftshilfen (_koelsch_ha- etz_). Ein Team von Ehrenamtlichen hält regelmäßig über 350 Kölner*innen zu Möglichkeiten ehrenamtlichen Engagements in der Nachbarschaft auf dem Laufenden. In diesem Jahr wird es auch einen Podcast für Senior*innen geben. Außerdem ist die Anschaffung eines Kaffee-Begegnungsrads in Planung. // Julius Lang 9
Schwerpunktthema: Gemeinsam gegen Rassismus „Wir können alle gemeinsam daran arbeiten, dass die Welt rassismusärmer wird.“ J asmin Mouissi, 31, arbeitet seit Februar in einem Modellprojekt der Caritas Köln, das die Quali- fizierung und Vernetzung der 42 Empowerment von Menschen mit Rassismuser- fahrung ist der zweite Schwerpunkt meiner politischen Bildungsarbeit. Eine Herzens- Servicestellen für Antidiskrimierungsarbeit angelegenheit für mich als Mensch, der in NRW fördert. Im Gespräch mit Caritas weiß, was es bedeutet, als Schwarzes Konkret schildert sie, was sie in ihrer Kind in Deutschland aufzuwachsen, als Arbeit antreibt: Mutter von drei Schwarzen Kindern, „Ein Schwerpunkt meiner Arbeit ist die sind vor allem die Workshops mit Sensibilisierung und Aufklärung über Eltern. Dabei liegt der Fokus auf den Rassismus und andere Diskriminie- Kindern. Für die Teilnehmenden rungsformen. Rassismus äußert sich sehr meiner Kurse ist es oftmals eine sehr häufig in offener Form. Rassismus passiert schmerzhafte Erkenntnis, dass wir un- aber auch oft subtil und ist dann schwerer sere Kinder vor Rassismus nicht schützen zu erkennen. Ich meine damit beispielsweise können. Aber wir können sie vorbereiten. Jasmin Mouissi Aussagen, die Menschen Fremdheit zuschreiben. Wir können ihnen Werkzeug an die Hand geben Aussagen, die Betroffene verletzen und tiefe Wun- und sie stärken. Die Menschen sollen aus meinen den hinterlassen. Und Rassismus ist systematisch, er steckt in Empowerment-Workshops gestärkt und ein Stück heiler heraus- allen Bereichen unserer Gesellschaft. Hinzu kommt, dass ein An- gehen. sprechen von Rassismus in vielen Fällen schwer ist, weil gängige Reaktionen Abwehr, Widerspruch und Relativierung sind. Eine Rassismus existiert weltweit jeden Tag und dennoch bin ich fest kritische Auseinandersetzung wird dadurch unmöglich und die davon überzeugt, wir können alle gemeinsam daran arbeiten, Betroffenen werden mit ihren Erfahrungen weder gesehen noch dass die Welt rassismusärmer wird. Dafür setze ich mich ein. gehört oder gefühlt. Im Rahmen meiner Forschung konnte ich feststellen, dass sehr prägende, signifikante Rassismuserfahrungen im Kontext Schule Es braucht unbedingt geschehen. Die betroffenen Kinder und Jugendlichen stehen dem verpflichtende Schulungen, oft ohnmächtig gegenüber. Es braucht unbedingt verpflichten- de Schulungen, durchgeführt von kompetenten Expert*innen durchgeführt von kompetenten für Lehrkräfte und pädagogisches Fachpersonal zu Themen Expert*innen für Lehrkräfte und pädagogisches Fachpersonal zu wie Rassismus- und Diskriminierungskritik. Das passiert gegenwärtig nur punktuell und viel zu vereinzelt. Angehende Lehrer*innen können ihr Studium absolvieren, ohne mit diesen Themen wie Rassismus- und Themen in Berührung zu kommen. Ich arbeite bereits seit Jahren mit angehenden und praktizierenden Lehrkräften mit dem Ziel Diskriminierungskritik. Das passiert deren Professionskompetenzen zu erweitern. Wichtig wäre es aber, dass dieses Wissen fest in der Ausbildung verankert ist und gegenwärtig nur punktuell und sich so auch im Bildungssystem etablieren kann. Die Zielgrup- viel zu vereinzelt. pen meiner Veranstaltungen waren aber nicht nur auf Lehrkräfte begrenzt, sondern sind sehr vielfältig. Zielsetzung dieser Work- shops für weiße Menschen ist es, einen Lernprozess anzustoßen. Ich freue mich, all diese beruflichen Erfahrungen in meiner Im Vordergrund steht dabei die Auseinandersetzung mit der neuen Aufgabe beim Caritasverband Köln für die NRW- weite Frage „Was hat Rassismus eigentlich mit mir zu tun?“. Planung und Durchführung von Schulungen für Fachkräfte der Antidiskriminierungsarbeit einbringen zu können.“ Bereits während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitar- // Jasmin Mouissi beiterin und Doktorandin an der Uni Siegen waren Rassismus und Diskriminierung meine Forschungs- und Lehrschwerpunk- te. Ich habe zahlreiche Lehrveranstaltungen zu diesen Themen angeboten und mich zudem für meine Promotionsforschung mit KONTAKT Empowerment beschäftigt, versucht zu analysieren, wie Eltern Antidiskriminierungsbüro/Caritas-Servicestelle ihre Schwarzen Kinder in einer weißen Dominanzgesellschaft Antidiskriminierungsarbeit bestärken. Bertramstr. 12-22, 51103 Köln Tel.: 0221 98577-137 und 0221 98577-618 E-Mail: adb@caritas-koeln.de 10
Gemeinsam - am Kölnberg Mein ganz „normaler“ Tag am Kölnberg: Veedelslotsin Katja Hendrichs gibt Einblick in ihre Arbeit. S ie sind ganz nah dran an den Menschen, die in der Hoch- haussiedlung am Kölnberg in Meschenich leben – rund 4000 an der Zahl. Die Wohnungen sind beengt und in schlechtem der Menschen hier vor Ort spreche ich aktiv Themen an wie Kindergesundheit, Ernährungsfragen, Bewegung und rege dazu an, Aktivitäten außerhalb dieses Umfeldes hier wahrzunehmen.“ Zustand, die Fahrwege zu Behörden durch schlechte Anbindung Wenn eine Verständigung auf Deutsch, Englisch oder Rumänisch, mit Öffentlichem Nahverkehr sehr lang, zum Teil unerreichbar. (Veedelslotse Cristian Roiban spricht rumänisch) nicht möglich Die Caritas-Veedelslotsen Katja Hendrichs und Cristian Roiban ist, werden bei Bedarf Übersetzer*innen hinzugezogen. sind Anlaufstelle für die vielen existenziellen Probleme der Men- Auch im nahe gelegenen Caritas-Zentrum Meschenich fin- schen vor Ort. In Pandemiezeiten sind weitere Aufgaben hinzu- det Beratung statt. „In der Corona-Pandemie beobachten wir gekommen. Bei Rundgängen informieren sie über Coronaschutz, allerdings, dass sich die Menschen immer mehr verkriechen, verteilen FFP2-Masken, veranlassen Aushänge der AHA-Regeln niedergeschlagen sind und resignieren.“ in mehreren Sprachen und motivieren zu Impfungen. Gesundheitskompetenz ist ein weiteres wichtiges Thema im Nach Hilfe wird meistens dann gefragt, wenn sich bereits viele Kontakt mit den Bewohner*innen. Die Sorge um die Gesundheit wird allerdings oft überdeckt durch andere Probleme, die mehr im Vordergrund stehen, zum Beispiel Arbeitslosigkeit. Einige haben keine Schulen besucht und sind vom deutschen Bildungssystem weit entfernt. „Wir zeigen den Eltern, was Kinder in der Schule lernen, damit sie auf den regelmäßigen Schulbesuch achten. Wir üben zum Beispiel auch mit ihnen die Uhrzeit ein. Das hilft ihnen, Termine einzuhalten und an ihren Problemen zu arbeiten.“ Hochhaussiedlung am Kölnberg in Meschenich Probleme aufgebaut haben: Energieschulden, Kontopfändun- gen, Miete, die nicht mehr gezahlt wird. „Wir zeigen Wege auf, wo es Hilfe gibt, wir vermitteln und verhandeln auch immer wieder selbst mit Behörden, mit Wohnungsbaugesellschaften, per Telefon und Mail. Eine Familie, mit der ich Kontakt habe, lebt zu viert in zwei kleinen Zimmern, wovon eins von schwar- zem Schimmel befallen ist. Der Familienvater ist daraufhin krank geworden. Ich helfe, einen Wohnberechtigungsschein zu beantragen, aktiviere alle Kontakte, um ihnen zu einer neuen Veedelslots*innen v.r. Katja Hendrichs und Cristian Roiban in einem Fernsehinterview am Kölnberg Wohnung zu verhelfen, was natürlich unglaublich schwer ist.“ beschreibt Katja Hendrichs ihre alltägliche Arbeit. Die beiden Veedelslotsen sind gut vernetzt und arbeiten in zahlreichen Was bringt die Arbeit vor Ort noch mit sich? Arbeitskreisen, wie zum Beispiel dem AK Kinder- und Jugend- „Viele kämpfen sehr darum, ihre eigene Lebenssituation zu gesundheit in Meschenich, mit. Dieser Austausch und gute Kon- verbessern und setzen sich auch für andere Nachbarn ein. Ver- takte, auch zu Fachdiensten innerhalb der Caritas und anderer einzelt kommt es schon mal vor, dass der Hilfeweg, der mit viel Träger, machen eine wirkungsvolle Hilfe erst möglich, da diese Mühe und Unterstützung von Fachdiensten organisiert werden bei vielen Problemlagen übernehmen können. konnte, im letzten Moment doch noch von einer Person ausge- „Vor Corona sind wir durch die Hochhäuser gegangen, haben an schlagen wird. Da ist es wichtig, mit Frust umgehen zu können. den Türen geklingelt, uns vorgestellt und sind ins Gespräch ge- Was mich aber manchmal tatsächlich etwas verzweifeln lässt, kommen. Wir wollen Menschen erreichen, die durch die „Raster“ ist die Zusammenarbeit mit Behörden, wenn wir auf Nein-Sager fallen und oft nicht mehr die Kraft haben, sich Hilfe zu suchen.“ treffen. Bewilligungen oder Genehmigungen von behördlicher In der Corona-Zeit knüpft Katja Hendrichs auf andere Weise Seite, sind aber oft das Nadelöhr, durch das wir müssen, um den Kontakt. Um die Mittagszeit und am späten Nachmittag tummeln Menschen helfen zu können. Entlastung finde ich in vertrauens- sich viele Frauen und Kinder am Bolzplatz. Sie ist bei vielen vollen Gesprächen mit Kolleg*innen. bekannt, Neuankömmlinge gesellen sich dazu und beteiligen Ich tue meine Arbeit in der Gewissheit, dass ich das tue, was ich sich an den Gesprächen. „So kann ich Verbindung zu Unterstüt- kann und schätze die Vielseitigkeit. Kein Tag ist wie der andere.“ zungsangeboten herstellen, damit die Menschen nicht so lange fasst Katja Hendrichs zusammen. auf Termine warten müssen. In meiner Beratung und Begleitung // Marianne Jürgens 11
Zum Schluss Endlich selbstständig arbeiten. Mit Roboter-Unterstützung. Bei den Tests heute haben wir gesehen, dass die Roboter ein D as hat es so bisher noch nicht gegeben: gutes Hilfsmittel für Menschen mit Roboter werden an die Zusammenarbeit mit Behinderung auf dem Weg zum Menschen angepasst, die 1. Arbeitsmarkt sind.“ Elodie Hüsing zu 90 bis 100% schwer- behindert und besonders Elodie Hüsing in ihrer Feinmotorik stark beeinträchtigt sind. Jetzt trafen Mensch und Roboter erstmals zu Musteranwendun- gen in der Caritas Wertarbeit zusammen. Der Roboter ergänzt und erweitert die physischen und kognitiven Fähigkeiten der schwermehrfachbehinderten Personen und nimmt belastende Mit einem Roboter Arbeiten ab. Mensch und Roboter arbeiten dabei gleichzeitig am kann ich mehr machen selben Objekt. So lässt sich das Spannungsfeld zwischen einer als bisher, das bringt mich wirtschaftlichen Produktivität weiter. Daniel I. und der Inklusion von Menschen Daniel I. beim Testen der Roboter mit Behinderung auflösen. Das Ziel: In Zukunft selbstbestimmt über eine Tätigkeit auf dem ersten Arbeits- vorstellen, später mit Robotern zusammen markt entscheiden zu können. Eine von drei unterschiedlichen Mus- zu arbeiten. Das Wichtigste für mich ist teranwendungen heute besteht in der dabei, dass ich selbstständig arbeiten kann. 12 Menschen mit Behinderung der Caritas Prüfung fehlerhafter Bauteile. Dabei sind Ich will nicht immer auf Hilfe angewiesen Wertarbeit nehmen an dem auf drei Jah- zwei der Roboter mit Gelenkarm und sein.“ re angelegten Projekt „next generation“ Greifzange so programmiert, dass sie Nach dem heutigen Tag und den Rückmel- mit der Kölner Caritas als Projektträger in Bauteile auf Anforderung anreichen. Da- dungen der Teilnehmenden wird entschie- Kooperation mit der RWTH Aachen und der niel I. entscheidet mittels verschiedener den, welcher der drei Roboter auf dem Fachhochschule des Mittelstands (FHM) Bedienelemente, Knöpfe, Touchscreen fertigen Arbeitsplatz verwendet wird. Der teil. Zugeschnitten auf die Fähigkeiten der oder Joystick, ob ein Bauteil als schadhaft nächste Schritt ist die Einrichtung von Ar- Teilnehmenden wählten die Doktoranden der aussortiert oder weiterverwendet wird. beitsplätzen auch in den kooperierenden RWTH Aachen, Carlo Weidemann und Elodie Schnell hat er die Anwendungen erfasst Unternehmen. Nach intensiven Schulungen Hüsing, vorgefertigte Robotertypen aus und und arbeitet in der maximalen Geschwin- kann dann die gemeinsame Arbeit von programmierten sie entsprechend realer An- digkeit mit den Robotern zusammen. Mensch und Roboter beginnen. wendungen aus der Industrie. An drei Tagen // Marianne Jürgens konnten die Teilnehmenden jetzt die Roboter Ein dritter Roboter ist als verlängerter testen. Die Projektpartner der FHM und der Arm für Alltagsanwendungen gedacht Caritas Wertarbeit beobachteten die Zusam- und lässt sich auch am Rollstuhl befesti- menarbeit mit den Robotern und befragten gen. „Das müsste ich noch etwas länger alle Beteiligten nach ihrer Einschätzung. trainieren, um alle Anwendungen nutzen WEITERE INFORMATIONEN Der 31-jährige Daniel I. kann es kaum er- zu können. Diese Bedienung ist auf jeden warten, die drei unterschiedlichen Roboter Fall komplexer.“ meint Daniel I. Sein Fazit unter www.nextgeneration-mrk.de und auszuprobieren. Durch seine körperliche Be- nach der einstündigen Testphase mit bei Projektleitung Tina Niedziella/ hinderung kann er nur einen Arm einsetzen, den Robotern: „Es hat mir großen Spaß Caritas Wertarbeit, Tel.: 0173 1647050, das schränkt seine Tätigkeiten bei der Caritas gemacht und ich bin gut mit den Anwen- tina.niedziella@caritas-koeln.de Wertarbeit bisher ein: Seine Aufgabe zurzeit dungen zurechtgekommen. Zusätzlich Das Projekt wird gefördert durch den ist das Scannen von Rechnungen. Mit Robo- sollten die Roboter noch mit Sprache LVR Rheinland/Integrationsamt und die Stiftung Wohlfahrtspflege. terunterstützung möchte er sein Tätigkeits- und Tonsignalen ausgestattet werden,“ feld weiterentwickeln. ist seine Anregung. „Ich kann mir gut
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