Carsten Interview: www.vbw-bayern.de Schutzgebühr 6,- Euro

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Carsten Interview: www.vbw-bayern.de Schutzgebühr 6,- Euro
www.vbw-bayern.de
             Schutzgebühr 6,– Euro

                05
Interview:
Carsten
Spohr           2021         1
Carsten Interview: www.vbw-bayern.de Schutzgebühr 6,- Euro
Buch
                                   Verlag

                            Farbe
     Herausgeber                   Magazine Lektor

           Broschüre       Druck
Urheberrecht          Akquise         Cellophanierung                                                      Autor

      Schriftmuster
Tageszeitung                                                                           Hardcover Papier

                                   Fotos
           Klammerheftung                                                              Workflow
                    Bildband

                                                                                        Nr. 1 & 2 | 2020

                                                    MAGAZIN FÜR GESUNDHEIT UND LEBEN

                                                              Landkreis Passau
                                                          Gesundheitseinrichtungen

                                      Tiefer
                                     geblickt.
                                      Neues aus den
                                     Landkreiskliniken

    PNP Sales GmbH
Medienstraße 5      94036 Passau
Tel. 0851/802-594    www.pnp.de
Carsten Interview: www.vbw-bayern.de Schutzgebühr 6,- Euro
EDITORIAL

Deutschlands Demokratie steht offensichtlich vor
einer Zeitenwende. Die Zeit der Volksparteien, de-
ren großer Vorteil es immer war, dass sie den Aus-
gleich zwischen unterschiedlichen Interessen zu ei-
nem ­guten Teil bereits innerparteilich organisieren,
neigt sich erkennbar ihrem Ende zu. Vieles muss
sich noch sortieren und zurechtrütteln, ehe wir kla-
rer sehen, wie unsere politische Zukunft aussieht.
Vor einem warne ich allerdings schon jetzt aus-
drücklich: Marktwirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten
gelten auch in Zukunft – unabhängig davon, wer
­regiert. Ideologische Experimente können nur allzu
 schnell Standort und Wohlstand gefährden.
 Ein Beispiel ist das Gesetz des abnehmenden Grenz-
 nutzens. Bezogen auf den Klimaschutz besagt diese
 Regel, dass sich eine Zeit lang durch einen gestei-
 gerten Mitteleinsatz ein Mehr beim Klimaschutz
 ­erreichen lässt. Irgendwann allerdings beginnt jedes
  weitere kleine Mehr an Klimaschutz Unsummen zu
  verschlingen – die nichts anderes wären als Wohl-
  standsverluste ohne angemessenen Nutzen.
  Konkret heißt das: Deutschland ist für zwei Prozent
  des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Es
  bringt nichts, wenn wir nur unseren Anteil verrin-
  gern – der CO2-Ausstoß weltweit muss sinken. Es
  gibt vieles, das wir tun müssen, zum Beispiel unsere
  Umwelttechnologien weiterentwickeln und in die
  Welt bringen. Wirtschaftlich vernünftig muss es
  sein. Lufthansa-CEO Carsten Spohr etwa weist in
  unserem Interview (Seite 14) auf nachhaltige Kraft-
  stoffe hin, deren Einsatz mehr bringt als die Diskus-
  sionen über (nationale) Flugverbote. Deshalb weist
  der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Michael
  Hüther zu Recht darauf hin, dass Klimaschutz nicht
  nur globaler Ziele, sondern auch globaler Maßnah-
  men bedarf (Seite 10).
  Wohlstand kann man nicht leihen und er ist nicht
  dauerhaft – er muss Tag für Tag aufs Neue erwirt-
  schaftet werden. Dafür werbe ich.

BERTRAM BROSSARDT, Herausgeber
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INHALT

6PORTRÄT
                                        14
                                        INTERVIEW
                                                                                 20
                                                                                 MANAGEMENT

 Tradition und                          „Die schwierigste Zeit                   Delegieren und
 neue Ideen                             liegt hinter uns“                        vertrauen
 Mit dem Allesschneider ist die Firma   Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzen-       Führungskräfte sollten ihre
 ritterwerk groß geworden. Heute        der der Lufthansa AG, spricht über       Assistenz und ihr Team
 ergänzt die Firma in Gröbenzell die    die Transformation im Unternehmen        professionell einbinden,
 Produktpalette mit weiteren prakti-    und fordert staatliche Investitionen     Aufgaben verteilen und sich
 schen Artikeln in zeitlosem Design.    in synthetische Kraftstoffe. Wer etwas   auf die Kompetenz der Mitar-
                                        für nachhaltigen Flugverkehr tut,        beiter verlassen.
                                        sollte keine Nachteile haben.
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INHALT

STANDPUNKT10                      EINE FRAGE NOCH ...          38
                                                                                  IMPRESSUM
MACH(T)RAUM12
                                                                           vbw Unternehmermagazin 05/2021
                                                                                   HERAUSGEBER
                                                                                vbw – Vereinigung der
                                                                             Bayerischen Wirtschaft e. V.
                                                                           VR 15888 Amtsgericht München

24                                 28
                                                                        Hauptgeschäftsführer: Bertram Brossardt
                                                                          Max-Joseph-Str. 5, 80333 München
                                                                      Büro des Herausgebers: Andreas Ebersperger
                                                                      E-Mail: unternehmermagazin@vbw-bayern.de
                                                                                 HERAUSGEBERBEIRAT
                                                                                   Bertram Brossardt
                                                                                     Holger Busch
                                                                                  Anna Engel-Köhler
 BILDUNG                            MODE                                            Michael Forster
                                                                                     Klaus Lindner
                                                                                    Thomas Schmid
                                                                                   Dr. Peter J. Thelen

 Digitaler                          Gründergeist in                                   Walter Vogg
                                                                              GESAMTKOORDINATION

 Perspektiven-                      sechster Generation                             Dr. Peter J. Thelen
                                                                                   Tel.: 089-551 78-333,
                                                                           E-Mail: peter.thelen@vbw-bayern.de
 wechsel                            Annette Roeckl hat aus dem                    CHEFREDAKTEUR
                                    einst königlich-bayerischen                Alexander Kain (V.i.S.d.P.)
 Wie eine Datenbrille soziale                                                  REDAKTION: Sandra Hatz
                                    Hoflieferanten und Handschuh-­      AUTOREN: Alexander Kain, Sandra Hatz,
 Kompetenzen von Auszubilden-                                            Lisa Plank, Christiane Habrich-Böcker
                                    Hersteller eine Marke für
 den fördern, Konflikten vorbeu-                                       GRAFIK: Johanna Geier, Silvia Niedermeier
                                    ­Accessoires gemacht.
 gen und zu besserer Motivation                                              KORRESPONDENTENBÜROS
                                                                        D – 10117 Berlin, Charlottenstraße 35/36,
 beitragen kann.                                                                   Dr. Peter J. Thelen
                                                                      B – 1000 Brüssel, Rue Marie de Bourgogne 58,
                                                                                  Volker Pitts-Thurm
                                                                      USA – 10174 New York, The Chrysler Building,
                                                                       405 Lexington Ave, 37th Fl., Christoph Kolle
                                                                                       VERLAG
                                                                      vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft
                                                                                Projektgesellschaft mbH
                                                                           HRB 106556 Amtsgericht München
                                                                            Geschäftsführer: Klaus Kornitzer
                                                                              KOOPERATIONSPARTNER ·
                                                                        GESAMTABWICKLUNG · ANZEIGEN
                                                                             Reiner Fürst, PNP Sales GmbH
                                                                              Medienstraße 5, 94036 Passau
                                                                         Tel.: 0851-802-237, Fax: 0851-802-772
                                                                      Anzeigentechnik E-Mail: josef.feucht@vgp.de
                                                                            TITELFOTO: Astrid Schmidhuber
                                                                                       DRUCK
                                                                        PASSAVIA Druckservice GmbH & Co. KG
                                                                                  Medienstraße 5b
                                                                                    94036 Passau
                                                                                Tel.: 0851-966 180-0
                                                                         Das vbw Unternehmermagazin erscheint
                                                                         sechsmal im Jahr mit einer Auflage von
                                                                                  70.000 Exemplaren.
                                                                                    ISSN 1866-4989
                                                                         Nachdruck oder Vervielfältigung, auch
                                                                        auszugsweise, nur mit Genehmigung des
                                                                      Herausgebers. Für die ­Zusendung unverlangter
                                                                       Manuskripte oder Bilder wird keine Gewähr
                                                                                     übernommen.
                                                                                  www.vbw-bayern.de
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XXX

                                       Fotos: ritterwerk GmbH

      Aus der Kurbelmechanik der
      einstigen Messerputzmaschine
      entwickelte Franz Ritter 1932
      die erste Brotschneidemaschi-
      ne der Welt. Seit 1968 gibt es
      sie auch mit Elektromotor.
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PORTRÄT

                                                                                             MITTELSTAND

           „Die größte
 Herausforderung ist es,
 neue Ideen zu haben“
Vor 116 Jahren produzierte ritterwerk noch Messerputzmaschinen, heute ist es
Marktführer für Allesschneider. Das Unternehmen hat seine Produktpalette immer
wieder dem Zeitgeist angepasst – mit Erfolg

Die Geschichte der Firma ritterwerk       maschine und entwickelte daraus eine      wie vor 116 Jahren. „Michael Cawley
beginnt bereits im Jahr 1905. Franz       der ersten Brotschneidemaschinen          hat einmal gesagt: ‚In einem Geschäft,
Ritter, der Firmengründer, konstru-       der Welt. Im Jahr 1968 folgte der erste   in dem alle das Gleiche bieten, über-
ierte und produzierte Messerputzma-       elektrische Allesschneider – als Stand-   leben diejenigen mit den niedrigsten
schinen im Münchner Stadtteil Send-       gerät für die Küchentheke und als         Preisen.‘ Wir haben uns gefragt: Wie
ling. 30 Jahre lang hatte er damit        platzsparendes Einbaugerät zum Ver-       kann das ritterwerk in einem solchen
Erfolg. Das änderte sich jedoch mit       stauen in der Schublade. Das Unter-       Umfeld überleben?“, so Schüller.
der Einführung rostfreien Stahls. Wer     nehmen hatte eine Nische gefunden.        Das ritterwerk überlebt nicht nur, es
Messer aus rostfreiem Edelstahl be-       Heute ist es Michael Schüllers Aufga-     hat Erfolg – jedoch nicht wegen be-
saß, benötigte die Messerputzmaschi-      be, das Unternehmen konkurrenzfä-         sonders niedriger Preise. Stattdessen
ne nicht mehr – der Absatz der Firma      hig zu halten. Er leitet das Unterneh-    setzt das mittelständische Unterneh-
ritterwerk ging zurück. Um das Un-        men seit 2005; mittlerweile arbeiten      men auf innovative Produkte, zeitlo-
ternehmen zu erhalten, waren neue         mit ihm rund 90 Mitarbeiter. Die He-      sen Bauhaus-Stil und außergewöhnli-
Ideen nötig.                              rausforderungen von damals, rele-         chen Service. Es hat über die Jahre
Franz Ritter hatte eine Idee: Er nutzte   vante und innovative Produkte zu          seine Produktpalette immer wieder
die Kurbelmechanik der Messerputz-        entwickeln, gilt heute noch genauso       erweitert und neue Märkte erschlos-

                                                                                                                             7
Carsten Interview: www.vbw-bayern.de Schutzgebühr 6,- Euro
PORTRÄT

                                                       stammen größtenteils aus der Region.      Produkte, sondern auch beim Vertrieb.
                    Michael Schüller
                                                       Lediglich die Motoren der Küchenge-       Bis in die Neunzigerjahre lieferte das
                                                       räte müssen aus Asien importiert          Unternehmen ausschließlich in den
                                  sen, ohne dabei      werden. „Das ginge aber nicht an-         deutschsprachigen Raum. Heute ist die
                                   seine Kern-         ders, solche Motoren werden in Euro-      Situation eine andere. „Der Mauerfall
                                    kompetenzen        pa nämlich gar nicht mehr produ-          hat viele Perspektiven eröffnet. Da­
                                     zu vernachläs-    ziert“, verrät Schüller.                  raufhin haben wir begonnen, unseren
                                     sigen. Durch      Obwohl das ritterwerk nahezu in die       Markt auszuweiten“, erzählt Schüller.
                                     diese Strategie   ganze Welt exportiert, konnte es den      Zu Beginn der Expansionsphase lag
                                     schafft es das    Charme eines mittelständischen Un-        der Fokus vor allem auf Osteuropa.
                                    Unternehmen,       ternehmens erhalten. Wenn Michael         „Die Essgewohnheiten dort sind den
                                   sich qualitativ     Schüller durch die Produktions- und       deutschen sehr ähnlich. Auch in Ost-
                                  und preislich mit    Lagerhallen läuft, grüßt er jeden sei-    europa wird viel Brot gegessen, dort
                                internationalen        ner Mitarbeiter beim Namen. Die           gab und gibt es also auch Nachfrage
                              Hausgeräteherstel-       Stimmung ist entspannt, die Mitar-        nach unseren Allesschneidern.“
                           lern zu messen.             beiter sind gut gelaunt.                  Mittlerweile wird auch der Markt in
                        Mittlerweile umfasst das       Im Werk in Gröbenzell werden nicht        Asien und Südamerika immer größer.
                  Sortiment des ritterwerks alle       nur neue Produkte entwickelt und          Der Grund hierfür liege in den sich
            Arten von Küchenkleingeräten: Toas-        produziert, sondern auch alte Geräte      verändernden Essgewohnheiten. „In
            ter, Wasserkocher, einen kabellosen        repariert. „Wir legen großen Wert auf     Asien gibt es immer mehr deutsche
            Stabmixer und sogar Einbau-Sockel-         Nachhaltigkeit. Deshalb wollen wir,       Bäckereien. Deshalb wird dort auch
            sauger. Zum ritter-Sortiment gehören       dass unsere Kunden auch ihre Altge-       immer häufiger Brot gegessen“, so
            sowohl Standgeräte als auch Ein-           räte reparieren lassen können, statt      Schüller. Dadurch entsteht ein stetig
            bau-Lösungen, die – je nach indivi-        ein neues Gerät kaufen zu müssen“,        wachsendes Absatzpotenzial für den
            duellem Bedarf – in den Küchen-            sagt er. „Manchmal bringen uns Kun-       Allesschneider. „Ich habe immer ge-
            schubladen verbaut werden können.          den ihre Schätze, die schon 30 Jahre      sagt: Sobald man in Asien Interesse
            „Durch die Montage in der Schubla-         alt sind und längst nicht mehr produ-     an Brot hat, müssen wir vor Ort sein“,
            de sind unsere Einbaugeräte beson-         ziert werden. Wenn es irgendwie           erinnert sich Schüller. Diese Strategie
            ders platzsparend und dabei doch           geht, reparieren wir aber auch diese.“    ging auf.
            immer griffbereit“, erklärt Schüller.      An den Fließbändern in der Produkti-      Heute wird lediglich Nordamerika als
            Ein Handgriff genügt, um die in            onshalle sitzen vor allem Frauen. Jeder   potenzieller Markt ausgespart. „Dort
            Schubläden versteckten Küchenhelfer        Handgriff sitzt, in Rekordgeschwindig-    lauern Gefahren aufgrund der
            hervorzuholen. Genauso schnell kön-        keit bauen sie die Geräte zusammen        US-spezifischen Produkthaftung. Wir
            nen sie wieder zusammengeklappt            und verpacken sie. Die Handarbeit         haben auf TTIP gehofft, das hätte uns
            und verstaut werden.                       und der kritische Blick der Mitarbeite-   den Export in die USA ermöglicht.
            Die ritter-Produkte werden aus-            rinnen garantieren die hohe Qualität.     Allerdings ist dieses geplante Abkom-
            schließlich in Gröbenzell bei Mün-         Besonderes Augenmaß gilt nicht nur        men gescheitert, sodass die USA für
            chen produziert, selbst die Zulieferer     bei der Entwicklung und Fertigung der     uns vorerst keine Option darstellen.“

      Zeitloser Stil prägt heute
     weitere Produkte aus der
    Allesschneider-Manufaktur.

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Carsten Interview: www.vbw-bayern.de Schutzgebühr 6,- Euro
Michael Schüller möchte zukünftig
jedoch nicht nur den Exportmarkt
weiter ausbauen, die Produktpalette
des Unternehmens soll weiterhin ver-
größert werden. „Die größte Heraus-
forderung ist es, neue Ideen zu haben.
Die liegen ja nicht einfach auf der
Straße rum“, scherzt er.
Vor dieser Herausforderung schreckt
er jedoch nicht zurück. Im vergange-
nen Jahr erhielt er von Werner Braun,
dem damaligen Gesellschafter des
­ritterwerks, den Auftrag, das Unter-
 nehmen zu verkaufen. „Als ich das
 meiner Familie erzählt habe, schlugen
 meine Söhne vor, ritterwerk zu über-
 nehmen“, sagt Schüller. Lorin und
                                                 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäf-
 ­Moritz Schüller werden das Unter-             tigt ritterwerk in Gröbenzell. Handwerkliches
  nehmen in Kürze aktiv unterstützen           Geschick und ein kritischer Blick garantieren die
  und als Jungunternehmer für frischen                               Qualität der Küchenhelfer.
  Wind sorgen. „Wir haben jetzt zwei
  junge Leute an der Spitze des Unter-
  nehmens, die ihr ganzes Berufsleben
  noch vor sich haben“, berichtet
  ­Michael Schüller.
   Die Entscheidung, das Unternehmen
   zu erwerben, trafen die Schüllers im
   April vergangenen Jahres. „Wir haben
   uns natürlich gefragt, ob es Sinn
   macht, zu Beginn einer Pandemie
   solch eine Transaktion durchzufüh-
   ren“, sagt Schüller. „Aber uns war im-
   mer klar: Corona ist temporär, das
   werden wir überstehen.“ Wenige Wo-
   chen später bewahrheitete sich seine
   Einschätzung. Als der internationale
   Handel eingeschränkt und der Ein-
   zelhandel geschlossen worden waren,
   fiel auch der Absatz des ritterwerks.
   Einige Wochen später verzeichnete
   das Unternehmen jedoch wieder ei-
   nen deutlichen Aufschwung. „Die
   Leute haben es sich zu Hause gemüt-
   lich gemacht und in Haushaltsgeräte
   investiert. Davon haben wir profi-
   tiert“, führt Schüller aus.
   Damit die Kunden weiterhin in
   ­ritter-Haushaltsgeräte investieren, will
    Schüller nun wieder neue Produkte
    auf den Markt bringen. „Wir wollen                                                   Die Zulieferer befinden sich vor allem in
                                                                                         der Region, die kleinen Elektromotoren
    Nischenprodukte einführen, die eine                                                  müssen aus Asien importiert werden.
    Innovation beinhalten. Solche inno-
    vativen Ideen fallen aber nicht einfach
    vom Himmel, das braucht Zeit.“  

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Carsten Interview: www.vbw-bayern.de Schutzgebühr 6,- Euro
STANDPUNKT

     „Mut braucht es“
                                                        Egal, welche Regierungskoalition sich am Ende findet:
                                     An vier großen Themen kommt die nächste Bundesregierung nicht vorbei

     Vier Megatrends bestimmen die politi-      geteilte Rolle. Einerseits werden mehr    kräfte, deren Bedarf über das inländi-
     sche Agenda: Demographische Alte-          Investitionen in zukunftsfähige Klima-    sche Arbeitskräftepotenzial kaum noch
     rung, De-Globalisierung, Dekarboni-        technologien notwendig, von denen ge-     zu decken ist. Firmen bauen auf mehr
     sierung und digitale Transformation.       rade die deutsche Industrie profitieren   Vorleistungen des Staates in Bildung
     Das sind schon für sich genommen ge-       kann. Andererseits stehen Teile der       sowie Forschung und Entwicklung, was
     waltige Aufgaben, durch ihre starke        Wirtschaft vor erheblichem Anpas-         angesichts der schrumpfenden und al-
     Verschränkung verstärken und bedin-        sungsdruck und müssen teils schmerz-      ternden Gesellschaft neue Fragen nach
     gen sie sich gegenseitig. Analytisch       hafte Transformationsleistungen er-       der adäquaten Finanzierung aufwirft.
     muss ein besonderes Augenmerk auf          bringen. Erfolgreich sind wir aber nur,   Gleichzeitig bedarf es endlich eines agi-
     die Schnittstellen der disruptiven Ver-    wenn es global gelingt, wirksam auf       len digitalisierten Staates.
     änderungen gelegt werden, politisch        Klimaneutralität zu setzen, was wieder-   Die Modernisierung der Infrastruktur,
     verlangt es eine umfassende und kohä-      um in Zeiten erschöpfter Globalisie-      der staatlichen Bildungsangebote und
     rente Wachstums­politik.                   rung nicht gerade leichterfällt.          der öffentlichen Verwaltung sind fun-
     (1) Der DEMOGRAPHISCHE ­                   (4) Die DIGITALISIERUNG birgt mit         damentale Voraussetzung für die viel-
     WANDEL wird in der nächsten Dekade         ihren Steuerungsoptionen in Echtzeit      fältigen Innovationsanstrengungen und
     das Arbeitsangebot empfindlich ver-        nicht nur neue Optionen (Industrie        Investitionen der Unternehmen. Neben
     knappen und die Stabilität der sozialen    4.0), sondern auch das Potenzial, die     einer Staatsreform für eine wirksame
     Sicherungssysteme herausfordern.           für den Klimaschutz so bedeutsame         Politikumsetzung sollten die Spielräu-
     Schon heute reichen die gesetzlichen       Ressour­ceneffizienz zu steigern. Das     me der Schuldenbremse für einen
     Rentenbeiträge nicht mehr aus, um die      erfordert eine flächendeckend digitale    mehrjährigen Investitionsfonds in eige-
     Rentenansprüche zu decken. Bis 2030        Infrastruktur auf modernstem Stan-        ner Rechtsperson genutzt werden. Die
     schrumpft das Erwerbspersonenpoten-        dard; hier stehen wir mit dem 5G-Netz     Tilgung der Corona-Schulden sollte
     zial um über drei Millionen Arbeitskräf-   erst am Anfang. Offensichtliche Hand-     dabei so gestreckt werden, dass neue
     te im erwerbsfähigen Alter zwischen 20
     und 66 Jahren. Dabei wirken Fachkräf-
     teengpässe schon heute wie ein Klotz
     am Bein der deutschen Wirtschaft.                    „ES BEDARF ENDLICH EINES AGILEN
     (2) Die ERSCHÖPFUNG DER GLO-
     BALISIERUNG bedroht unseren Wohl-                           DIGITALISIERTEN STAATES“
     stand. Denn keine Volkswirtschaft ist
     international so vernetzt wie die deut-
     sche. Unser exportgetriebenes Ge-
     schäftsmodell, das durch Hidden            lungsbedarfe zeigen sich ebenso im        Belastungen der privaten Akteure ver-
     Champions mit ihren Spezialisierungen      Kontext der digitalen Transformation      mieden werden.
     und besonders die Automobilwirtschaft      in der öffentlichen Verwaltung sowie      Die Stärkung unternehmerischer Wett-
     mit ihrer Premiumstrategie getragen        bei Schulen.                              bewerbsfähigkeit verlangt auch eine
     wird, ist durch den Systemwettbewerb       Aus den vier Themenfeldern ergeben        Steuerreform, die Personengesellschaf-
     infrage gestellt, der zuletzt zu einem     sich eng verwobene Handlungsbedarfe,      ten und Kapitalgesellschaften gleichbe-
     profilierten Systemkonflikt im Wett-       die erst bei erfolgreicher Verknüpfung    handelt sowie die Steuerlast im interna-
     streit der großen Mächte („Great Power     einen wachstumswirksamen Transfor-        tionalen Vergleich neu justiert. Eine
     Competition“) mutierte.                    mationsprozess ermöglichen. Es            vollständige Abschaffung des zur Un-
     (3) Als säkularer Megatrend spielt         braucht für die Entwicklung klima­        ternehmensreststeuer verkommenen
     die DEKARBONISIERUNG eine zwei-            freundlicher Technologien IT-Fach-        Solidaritätszuschlags wäre dafür

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schnell und einfach möglich. Überdies      Des Weiteren können Unternehmen             ständlich. Deutschland muss dafür in-
verschafft eine Expansion der Beschäf-     strategische Neuausrichtungen im un-        ternational breiter seiner Rolle
tigung neue Spielräume für die Finan-      sicheren Fahrwasser multipler Verän-        entsprechend Verantwortung überneh-
zierung wirksamer Staatstätigkeit.         derungen nur bei verlässlichen interna-     men. Das erfordert auch, das seit länge-
Doch die absehbaren Fachkräfteeng-         tionalen Rahmenbedingungen                  rem akzeptierte NATO-Ziel für die
pässe haben hingegen das Potenzial,        erfolgreich umsetzen. Gerade in der         Verteidigungsausgaben endlich zu er-
die deutsche Wirtschaft auszubremsen.      Klimapolitik braucht es eine supra-­        füllen. Nur wer für seine Verteidigung
                                                                                       angemessen selbst sorgt, der wird auch
                                                                                       insgesamt auf der Weltbühne ernst ge-
                                                                                       nommen.
      „IN DER KLIMAPOLITIK BRAUCHT ES EINE                                             Kurzum: Die Herausforderungen der
                                                                                       neuen Regierung liegen nicht in den
             SUPRA-NATIONALE HIERARCHIE“                                               einzelnen Themen, sondern in der Ge-
                                                                                       samtschau ihrer Wirkungen und einer
                                                                                       dafür schlüssigen Strategie. Das ist
                                                                                       nicht einfach, aber möglich und ertrag-
Das seit 2020 geltende Einwanderungs-      nationale Hierarchie, die langfristig Er-   reich. Mut braucht es.
gesetz gibt den Rahmen für eine ziel­      wartungen stabilisiert. Als ökonomisch
orientierte Zuwanderung an Fachkräf-       optimale Lösung am Ende des Hori-
ten, der nun genutzt werden muss.          zonts steht damit ein weltweit einheitli-
Zudem sollte das inländische Arbeits-      cher CO2-Preis. Die Idee eines Kli-
kräftepotenzial stärker mobilisiert wer-   maclubs der transatlantischen Welt,
den, beispielsweise durch die Auswei-      der neben dem Preis für CO2 einen ef-
tung der Jahresarbeitszeit auf das         fektiven Grenzausgleich etabliert, wäre
Niveau der Schweiz oder Schwedens.         ein starkes Signal an andere Staaten.
Das traut sich jedoch keine Partei zu      Ein klimapolitischer Vorlauf der
adressieren. Mittelfristig – ab 2030 –     Europäischen Union mit den
wäre das Rentenzugangsalter systema-       USA und ­Kanada ist trotz
tisch an die Erhöhung der Lebenser-        der Biden-Administra-
wartung zu koppeln.                        tion nicht selbstver-

                              Professor Dr. Michael Hüther
                                ist der Direktor des Instituts
                            der deutschen Wirtschaft in Köln.
                                                                                                                                  Foto: IW

                                                                                                                                  11
Mach(t)Raum

                                                                                                                                      Fotos: Astrid Schmidhuber
                   Der Drache, der auf Fürackers Schreib-
                    tisch seinen Platz hat, ist dem „Further          „Der bayerische Finanzminister
                   Drachen“ nachempfunden – „Fanny“, wie               ist auch Großadmiral“, scherzt
                 ihn die Einheimischen nennen. Füracker ist               ­Füracker mit Blick auf das
                 Oberpfälzer – und als solcher natürlich stolz      ­hölzerne Steuerrad – und spielt
                   auf den „Further Drachenstich“ als ältes-         damit auf den Umstand an, dass
                  tes Volksschauspiel Deutschlands und den         zahlreiche weiß-blaue Besitztümer
                 Hightech-Drachen-Darsteller, dem größten             im Finanzministerium verwaltet
                     vierbeinigen Schreitroboter der Welt.           werden. Etwa die Seenschifffahrt
                                                                     auf dem Königssee, dem Tegern-
                                                                        see, dem Ammersee und dem
                                                                     Starnberger See – mit insgesamt
                                                                         immerhin 33 Motorschiffen.

               Ein Schnappschuss, ein kurzer Moment während
                                                                                                         Für einen, der das Bargeld
                einer CSU-Klausurtagung in Kloster Banz. Dass
                                                                                                          auf gar keinen Fall abge-
                Markus Söder und Albert Füracker einen außer­
                                                                                                          schafft sehen will, haben
              gewöhnlich kurzen Draht zueinander pflegen, zeigte
                                                                                                         die Euro-Prägungen der
                 sich schon, als Söder noch Finanzminister und
                                                                                                          weiß-blauen Münzanstalt
                        Füracker sein Staatssekretär war.
                                                                                                        ganz besondere Bedeutung.

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                                                                                               Anzeige
       71,2 Milliarden Euro – so hoch ist der weiß-blaue Staatshaushalt in ­
       diesem Jahr. Verwaltet wird dieser nicht unbeträchtliche Etat von
                                                                                                             für Sie
                                                                                                          in Bestform
       ALBERT FÜRACKER : Der Oberpfälzer ist BAYERNS FINANZMINISTER
       – und damit einer der mächtigsten Politiker im Freistaat. Ministerkolle-
       gen, die mit der Bitte um mehr Geld für ihr Ressort bei Füracker vorstellig
       geworden sind, berichten, dass sie sich selten so ein charmantes Nein ab-
       geholt hätten: Füracker lehne nicht einfach ab, sondern zeige vielmehr die
       fiskalischen Folgen (und die womöglich niedrige Begeisterung des Regie-
                                                                                                                                                             e
                                                                                                                                           www.vbw-bayern.d
                                                                                                                                         Schutzgebühr 6,– Euro

       rungschefs) durch die Mehrausgaben auf. Viele Forderungen lösten sich
       so von selbst in Luft auf, ist zu vernehmen.
       Zugleich fungiert der gelernte Landwirt und staatlich geprüfte Techniker
       für Landbau auch noch als Heimatminister, zuständig unter anderem für
       die Förderprogramme zum schnellen Ausbau des Internets. Sein Vorgän-
       ger in beiden Ämtern: Markus Söder. Ihm stand Füracker lange Jahre als
       Staatssekretär zur Seite, lernte so das Ministerium und seine politischen
       Potenziale in- und auswändig kennen. Dass das Ministerium seit Jahren
       eine Dependance in Söders Heimatstadt Nürnberg hat – natürlich kein
       Zufall. Dass der Ministerpräsident das Haus bisweilen als Dependance der
       Staatskanzlei nutzt – gegessen.
       Füracker selbst: unprätentiös. Sein Büro im Münchner Finanz- und Hei-
       matministerium: Seit Jahrzehnten nicht umgebaut. Neu? Nur die Gerät-
                                                                                                            Interview :
                                                                                                            Siegfried
                                                                                                                                                        020321           www.vbw-bayern.d
                                                                                                                                                                                           e
                                                                                                                                                                       Schutzgebühr 6,– Euro

       schaft für Videokonferenzen. Computer? Er nutzt lieber ein Tablet. Söder                             Russwurm
                                                                                                                                                                 1

       weiß, dass er sich auf Füracker blind verlassen kann. Und andersherum.
       Als Söder vorübergehend als Kanzler nach Berlin zu entschwinden schien,
       hatten nicht wenige Füracker als Nachfolger auf dem Zettel.

                                                          Das Schild mit dem Demut
                                                            gebietenden Spruch hat
                                                          Füracker von einem Freund
                                                           geschenkt bekommen, als
                                                           er 2013 als Staatssekretär
                                                          erstmals ins Bayern­kabinett
                                                            berufen wurde: „Teil der                                      Interview :

                                                                                                                                                                     020 4
                                                          bayerischen Staatsregierung                                 Katja
                                                         zu sein, stand nicht in meiner                               Wildermuth
                                                             ­Geburtsurkunde“, sagt                                                                                    21  1

                                                                    Füracker.

                                                                                                         Das vbw Unternehmermagazin ist die Premium-
    Der 3-D-Druck einer Landschaft
                                                                                                         Publikation für Menschen aus der bayerischen
 steckt unter einer Plexiglasabdeckung
  – und zeigt Lupburg, die Heimatge-                                                                     Wirtschaft und Politik. Das sind Unternehmer,
 meinde Fürackers, wo er zudem lange                                                                     Führungskräfte in den Betrieben, politische Mei-
als 2. Bürgermeister selbst gewirkt hat.                                                                 nungsbildner, Entscheider aus den Verbänden sowie
                                                                                                         Multiplikatoren gesellschaftlich relevanter Gruppen.
                                                                                                         Wir wollen Ihnen mit dem vbw Unternehmer-
                                                                                                         magazin alle zwei Monate nutzwertorientierte
                                                                                                         Inhalte geben, darunter Best-Practice-Beispiele aus
                                                                                                         bayerischen Unternehmen, Wirtschaftspolitik,
                                                                                                         Recht, Soziales, Forschung und Technik, Bildung
                                                                                                         und Lifestyle.
                                                                                                         Wenn Sie auch zu diesem Leserkreis gehören wollen,
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                                                                                          13             DS-GVO finden Sie unter www.vbw-bayern.de/01dsv
INTERVIEW

 „Das ist unsere Mission.
 Wir verbinden die Welt“
Corona hat die Airlines als Erste und am härtesten getroffen, sagt Lufthansa-CEO
CARSTEN SPOHR im Interview mit dem vbw Unternehmermagazin, und die Airlines
werden unter den Letzten sein, die das Vorkrisen-Niveau erreichen. Aber der Nachhol­
bedarf an Flugreisen sei riesig. Dabei kann das Fliegen deutlich ökologischer werden. Und
übrigens: Die dritte Startbahn in München hat er wohl noch nicht ganz abgeschrieben

Es gab eine Lufthansa vor Coro-           kundenorientierter und auch nach-        ser gesamtes Streckennetz an, fast
na: viele Verbindungen, viele             haltiger. Über 30.000 Menschen von       300 Ziele in aller Welt. Für die kom-
Flugzeuge, viele Mitarbeiter, vie-        140.000 haben das Unternehmen            menden Jahre erwarten wir einen re-
le Lounges. Wie ist der Zustand           verlassen. Das schmerzt – aber ich       gelrechten Nachfrageboom für die
der Lufthansa heute?                      bin glücklich, sagen zu können, dass     USA und Kanada. Geschäftsreisende
Die schwierigste Zeit liegt hinter uns.   wir 100.000 Lufthanseaten nachhaltig     aus Europa werden sich zunehmend
Unsere Passagier- und Buchungszah-        sichere Arbeitsplätze bieten können.     wieder auch um die globale Entwick-
len sind zuletzt kontinuierlich gestie-   Trotz dieser einmaligen Zäsur.           lung ihrer Firmen kümmern. Und
gen. Und dennoch – unsere Branche                                                  die Privatreisenden haben einen
ist als eine der Ersten in die Corona-­   Was wird sich bei Lufthansa wie-         enormen Nachholbedarf was Reisen
Krise hineingeraten, wurde am här-        der erholen? Und was wird nie            angeht. Ich schaue optimistisch nach
testen von ihr getroffen und wir wer-     mehr so werden wie zuvor?                vorne.
den unter den Letzten sein, die           Wir rechnen damit, dass sich die
wieder Vorkrisenniveau erreichen.         globale Luftfahrt erst Mitte des Jahr-   Und doch sind Videokonferenzen
Für Lufthansa ist diese Pandemie          zehnts wieder gänzlich erholen und       wahrscheinlich zu einem ernst-
aber auch eine Chance: Wir h   ­ aben     auf das Niveau von vor der Pande-        zunehmenden Konkurrenten für
unsere begonnene Transformation           mie kommen wird. Dennoch bieten          Lufthansa geworden. Dass sich
beschleunigt, sind heute effizienter,     wir schon heute wieder nahezu un-        Fliegen sozusagen mal digitalisie-

                                                                                                                           15
INTERVIEW

      ren lässt, hätte auch niemand er-          Wir verbinden die Welt. Ohne Luft-          fung von EU-Impfzertifikaten digitali-
      wartet, oder?                              verkehr ist das nicht vorstellbar. Und      siert und automatisiert. So können
      Direkter, menschlicher, persönlicher       wir wissen sehr genau, dass die Men-        unsere Kunden aus Nichtrisikogebie-
      Kontakt lässt sich nicht digitalisieren.   schen endlich wieder reisen wollen –        ten im Schengenraum wieder den mo-
      Ja, es wird Treffen geben, die auch        gerade nach den Erfahrungen in der          bilen Check-in nutzen und müssen
      künftig per Videokonferenz stattfin-       Pandemie.                                   nicht mehr zum Dokumenten-Check
      den werden. Aber nicht die, bei                                                        an den Schalter. Gleichermaßen ist
      ­denen es um Geschäftsanbahnung,           Wie sieht denn aus Ihrer Sicht              zentral für uns, Flugverkehr noch
       Kreativität und ehrlichen Austausch       die Zukunft des Fliegens aus?               nachhaltiger zu gestalten. Zum Bei-
                                                                                             spiel, indem wir trotz der pandemie-
                                                                                             bedingten Verluste in neue, sparsame
                                                                                             Flugzeuge investieren. Diese verbrau-
                                                                                             chen rund 25 Prozent Treibstoff weni-
                                                                                             ger als ihre Vorgängermodelle. Das ist
     „DIREKTER, MENSCHLICHER, PERSÖNLICHER
                                                                                             ein großer Schritt in die richtige Rich-
     KONTAKT LÄSST SICH NICHT D
                              ­ IGITALISIEREN“                                               tung. Aber nur einer von vielen.

                                                                                             Setzt Ihnen die Klimadiskussion
                                                                                             zu?
                                                                                             Ich bin mehr denn je davon über-
      geht. Corona hat gezeigt, welch große      Individualisierter, digitaler, einfacher.   zeugt, dass Mobilität und damit auch
      Bedeutung Luftfahrt für eine globali-      Und vor allem nachhaltiger. Wir in-         der Luftverkehr ein wichtiger Teil der
      sierte Gesellschaft hat, die darauf an-    vestieren massiv in den Ausbau unse-        Lösung bei der Bekämpfung des Kli-
      gewiesen ist, Menschen, Kulturen           rer digitalen Plattformen. Auch hier        mawandels ist. Denn die weltweite Re-
      und Volkswirtschaften zusammenzu-          war die Krise Beschleuniger: Ganz ak-       duzierung von CO₂-Emissionen ist
      führen. Exakt das ist unsere Mission.      tuell haben wir beispielsweise die Prü-     eine globale Aufgabe. Ohne globalen

16
INTERVIEW

Wohlstand, der unter anderem auch         CO₂-neutral zu ermöglichen. Schon          investiert werden. Wir als Airline leis-
vom Luftverkehr angetrieben wird, ist     heute sind die Airlines der Lufthansa      ten hier einen wichtigen Beitrag. Elek-
dieses Ziel nicht zu erreichen. Damit     Group mit 11.000 Tonnen pro Jahr der       troantriebe oder Wasserstofftechnik
sind wir ein größerer Teil der Lösung     größte Abnehmer von Sustainable            werden in absehbarer Zeit keine Ver-
als des Problems. Aktuell gibt es für     Aviation Fuel – kurz SAF – in ganz         kehrsflugzeuge antreiben können, die
die Luftfahrt drei große Handlungsfel-                                               mehr als 100 Menschen über eine län-
der. Erstens: Innovative Technologien,                                               gere Strecke transportieren. Die Ge-
also zum Beispiel neue, noch effizien-                                               setze der Physik lassen dies mit der
tere Triebwerke. Zweitens: Bessere Inf-                                              heute verfügbaren und absehbaren
rastruktur, mit effizient organisierten
                                               „EIN GRÖSSERER                        Technologie nicht zu. Deshalb brau-
Lufträumen, dem Ausbau von                    TEIL DER LÖSUNG                        chen wir kurz- und mittelfristig mehr
Bahn-Anschlüssen an Flughäfen oder                                                   nachhaltigen Kraftstoff.
besserer Verfügbarkeit von nachhalti-                  ALS DES
gen Kraftstoffen. Und drittens: Kom-               PROBLEMS“                         Eine Idee ist ja: Die Fluggesell-
pensation. Schon heute können unsere                                                 schaften bieten nur noch Fernflü-
Kunden über unser Portal Compens­                                                    ge an – das Inlandsgeschäft hin-
aid CO₂-neutral fliegen. Leider nutzt                                                gegen macht die Bahn oder es
dieses Angebot aktuell nicht einmal                                                  findet, ganz moderne Zukunfts-
ein Prozent unserer Kunden.               Europa. Es gibt aktuell aber leider viel   musik, in Vakuumröhren statt, in
                                          zu wenig davon. Diese 11.000 Tonnen        denen Kabinen mit Überschall-
Glauben Sie ernsthaft an synthe-          reichen gerade mal für 100 Langstre-       geschwindigkeit dahinsausen.
tische Kraftstoffe? Oder Elekt-           ckenflüge. So viele haben wir in nor-      Könnte eine solche Arbeitstei-
roflieger, die transatlantisch un-        malen Zeiten an einem einzigen Tag         lung ökonomisch Zukunft haben?
terwegs sind?                             in die USA und zurück. Es muss also        Deutschlands zweitgrößter Flughafen
Synthetische Kraftstoffe sind aktuell     hier gemeinsam mit der Politik und         in München hat noch nicht mal ei-
die einzige Chance, Luftverkehr           der Energiewirtschaft deutlich mehr        nen Fernbahnhof – da fehlt mir offen

                                                                                                                                17
INTERVIEW

          gestanden die Phantasie für Vakuum-     dann lieber in Frankfurt oder Zürich     Ärgert es Sie, wenn Sie andau-
          röhren quer durch Deutschland. Im       um.                                      ernd gegen allzu viele politische
          Ernst: Noch nie haben wir intensiver                                             Regulatorien zu kämpfen haben
          mit der Bahn zusammengearbeitet.        Die Bahnstreiks zuletzt haben            – und zeitgleich sehen Sie, wie
          Dort, wo die Bahn konkurrenzfähig       immerhin gezeigt, dass es jeden-         Regionen von der Türkei bis in
          ist, verzichten wir auf den Flug. Da-   falls derzeit nicht ohne Inlands-        die Emirate zum Dreh- und An-
          mit ist die Lufthansa Gruppe sogar      flüge geht …                             gelpunkt des Flugverkehrs zwi-
          „Modalitätsweltmeister“. Solange es     Der Streik war eine Ausnahmesituati-     schen Europa und Asien aufge-
          diese intermodale Anbindung aber        on. Und ich bin froh, dass wir viele     päppelt werden?
          nicht überall gibt, brauchen wir In-    Gäste in dieser Zeit durch zusätzliche   Es geht weniger um meine Emotion
          landsflüge vor allem als Zubringer      Flüge an ihr Ziel bringen konnten.       als vielmehr um den Wohlstand unse-
          für die Langstrecken. Manager, die      Das ändert aber nichts daran, dass       rer Heimatländer. Flugverkehr ist glo-
          aus der Region Nürnberg nach Los        wir auf intermodale Angebote setzen.     bal, und entsprechend müssen auch
          Angeles wollen, fahren nur zum klei-    Das ist gut für unsere Kunden und        die Wettbewerbsbedingungen fair
          nen Teil vorher drei Stunden mit        die Umwelt. Intelligente Lösungen        sein. Es darf nicht sein, dass europäi-
          dem Bus an den Flughafen München,       und vernetzte Verkehrswelten schaf-      sche Airlines gegenüber nichteuropäi-
          um dort umzusteigen, sie steigen        fen einen echten Mehrwert.               schen Airlines deutlich benachteiligt
                                                                                           werden. Wenn Tickets in Europa teu-
                                                                                           rer werden und dann die Menschen
                                                                                           den Umweg über Istanbul oder Dubai
                                                                                           nehmen, steigt der CO₂-Ausstoß und
    „DORT, WO DIE BAHN KONKURRENZFÄHIG IST,                                                der Wirtschaftsstandort Deutschland
                VERZICHTEN WIR AUF DEN FLUG“                                               wird geschwächt. Ein „Level-Play-
                                                                                           ing-Field“ mit unseren Hauptwettbe-

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                 LfA Förderbank Bayern

                 70 JAHRE
                 Rückenwind für Bayerns Mittelstand
                                                                                Seit 70 Jahren prägt die LfA Bayerns wirtschaftliche
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                                                                                den Weg in die Selbstständigkeit, unterstützen Wachs-
                                                                                tumsvorhaben, nachhaltige und innovative Investitionen
                                                                                und stehen Bayerns Mittelstand auch in schwierigen
                                                                                Situationen tatkräftig zur Seite. Gerne beraten wir Sie
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werbern aus dem Nahen Osten, Chi-        dies der Ausbau des nachhaltigen
na, den USA und aus der Türkei muss      Satellitenterminals ein wichtiges Ziel.
sichergestellt sein. Damit die, die am   Und natürlich braucht der Flughafen
meisten für Nachhaltigkeit im Luft-      wie erwähnt endlich eine ICE-Anbin-
verkehr tun, keine zusätzlichen Nach-    dung. Da gibt es zunächst genug zu
teile haben.                             tun – bis zur dritten Bahn.

Entsprechende Versuche, aus              Die Menschen in der Flughafen-
dem Flughafen München einen              region, so war es der letzte
ganz großen Player zu machen,            Stand vor Corona, wollen nicht
sind ja an der Frage gescheitert,        mehr Flugverkehr. Warum soll-
ob eine dritte Startbahn gebaut          ten sie ihre Meinung ändern?
wird. Bedauern Sie, dass Minister-       Ich bin sicher, dass die Menschen in
präsident und CSU-Chef M  ­ arkus        ganz Bayern um die Bedeutung des
Söder das Projekt beerdigt hat?          Flughafens München wissen. Als
München ist seit Jahren für unsere       Wirtschaftsfaktor, der über die letz-
Kunden Europas bester Airport. Das       ten Jahrzehnte wesentlich zu Wohl-
soll auch in Zukunft so bleiben. Des-    stand und Vollbeschäftigung in der
halb wollen wir möglichst schnell zu     Region beigetragen hat. Und als Bay-
alter Stärke mit rund 30 modernen        erns Tor zur Welt. Der Flughafen
Langstreckenflugzeugen, mit einem        „MUC“ ist als einer der weltweit bes-     Carsten Spohr ist seit 2014 CEO der Luft-
First-Class-Angebot und einem ent-       ten Airports zudem ein Aushänge-          hansa AG. Der studierte Wirtschaftsinge-
sprechenden Europanetzwerk zu-           schild für München, Bayern und für        nieur (Universität Karlsruhe) ist Inhaber
rückkehren. Langfristig bleibt über-     ganz Deutschland.                       einer Verkehrspiloten-Lizenz.

     „ICH BIN SICHER,
           DASS DIE
       MENSCHEN IN
   GANZ BAYERN UM
    DIE BEDEUTUNG
   DES FLUGHAFENS
          MÜNCHEN
            WISSEN“
MANAGEMENT
Foto: Jacob Lund - stock.adobe.com

                                          FÜHRUNG MACHT DEN MEISTER

                                          Mitarbeiterorientierung
                                          gefragt
                                     20
MANAGEMENT

                 Führungskräfte sollten ihrem Team Visionen     Führungskräfte sind gut ausgebildet
                    und Erkenntnisse vermitteln, aber auf die   und könnten Großes leisten. Warum
                administrativen Fähigkeiten ihrer Assistenzen
                                                                tun sie es in manchen Fällen nicht?
                         vertrauen und Aufgaben delegieren.
                                                                Weil sie die Ressourcen und Fähig-
                                                                keiten ihrer Mitarbeiter falsch einset-
                                                                zen und ihre eigenen überschätzen.
                                                                Delegieren und priorisieren fällt vie-
                                                                len schwer. So liegt das Potenzial vor
                                                                ihrer Bürotür brach. Das gilt vor al-
                                                                lem für ihre engsten Mitarbeiter, die
                                                                Assistenzen. „In dieser Hinsicht erle-
                                                                ben wir so einiges“, sagt Christine
                                                                Walker, deren Unternehmen PLU seit
                                                                vielen Jahren Top-Assistenten ausbil-
                                                                det und vermittelt.
                                                                Beispiele gefällig? Ein Manager sen-
                                                                dete an seine Assistentin eine E-Mail
                                                                mit dem Screenshot eines Fluges, den
                                                                sie buchen sollte. „Oder sie bitten ihre
                                                                Assistenzen, sie in eine Telefonkonfe-
                                                                renz mit den USA einzuwählen und
                                                                das lange nach der offiziellen Arbeits-
                                                                zeit“, erzählt Walker. Sitzen sie in der
                                                                Bahn und rufen ihre Assistenzen an,
                                                                leiten sie das Gespräch mit den Wor-
                                                                ten ein: „Ich sitze im Zug nach …“
                                                                und vergessen, dass die/der Ge-
                                                                sprächspartner*in für das Ticket ge-
                                                                sorgt hat. Oder sie führen ihren eige-
                                                                nen Kalender und den soll die
                                                                Assistenz dann im Teamkalender
                                                                synchronisieren. Ein anderes Exem-
                                                                pel: Der Chef geht mit der Assistenz
                                                                die Buffetauswahl zum Firmenjubilä-
                                                                um durch. Das bezeichnet Walker als
                                                                echtes Mikromanagement. „Wenn
                                                                seine Assistenz das nicht beherrscht,
                                                                ist sie die Falsche.“ Ein weiteres The-
                                                                ma, für das Manager mitunter ihre
                                                                Zeit vergeuden, ist der E-Mail-Ein-
                                                                gang. Viele E-Mails landen im Ein-
                                                                gangspostfach, weil ein wohlmeinen-
                                                                der Mitarbeiter meint, den Vorgang
Wissenschaftler der Harvard Business School unter-              gegenüber seinem Vorgesetzten do-
suchten in einer Studie, wie 27 Führungskräfte großer           kumentieren zu müssen. Würden die
                                                                Bosse ihren Assistenzen im wahrsten
Unternehmen ihre Arbeitszeit planen. Das Ergebnis:              Sinne des Wortes die Arbeit eines
Die, die ihren Kalender selbst führen, haben ein                „Vorzimmers“ überlassen, könnten
                                                                diese die Flut an unnötigen Nachrich-
katastrophales Zeitmanagement. Die Manager, die                 ten rausfiltern. Voraussetzung ist na-
delegieren und auf die Kompetenzen ihrer Mitarbeiter            türlich eine anfängliche „Trainings-
                                                                phase“ und vor allem Vertrauen.
bauen, schneiden da wesentlich besser ab                        Führungskräfte sollten sich bewusst
                                                                machen: Sie sind nicht dafür einge-

                                                                                                           21
MANAGEMENT

        stellt worden, um passende Flugver-       vermitteln, desto höher ist die Chan-     Redeentwürfe, Aufgabenverteilung so-
        bindungen zu suchen, Termine zu           ce, als Erster die Zielflagge zu sehen.   wie -koordination oder Event-Organi-
        koordinieren, das Catering fürs Event     Für das Administrative haben Füh-         sationen sind durchaus Tätigkeiten,
        auszuwählen oder zu Meetings einzu-       rungskräfte in ihrem Team jemand,         für die Assistenzen ausgebildet sind.
        laden. Das frisst nicht nur nachweis-     der das besser kann – die Assistenz.      Doch das scheint vielen nicht bewusst
        lich Arbeits-, sondern Lebenszeit der     Gerade wenn sie diese Position beset-     zu sein. „Wir erleben es fast täglich,
        Führungskraft und ihrer Mitarbeiter.      zen, sind Manager beim Einstellungs-      dass so manch überkommene Vorstel-
        „Die Tätigkeit eines leitenden Mana-      prozess sehr anspruchsvoll. Wer also      lungen aufseiten des Vorgesetzten ein
        gers kann man mit der eines For-          am Ende eingestellt wird, hat etwas       effizientes Miteinander blockieren.
        mel-1-Piloten vergleichen“, sagt          vorzuweisen. Die „Ausgewählte“ oder       Dabei haben Spitzenleute Spitzenchefs
        ­Walker. Die Hauptaufgabe eines           der „Ausgewählte“ verfügt über Po-        verdient“, so Walker.
         „Lenkers“ ist es, das Team zu briefen,   tenzial und Ressourcen, um ihren          Nicht ­jeder, der eine Führungspositi-
         welche Stellschrauben zu drehen sind,    Chef zu entlasten. Das geht weit über     on bekleidet, ist für seine unmittelba-
         um so das Beste aus dem Rennboli-        die täglichen Standardaufgaben wie        re Umgebung allerdings eine gute
         den rauszuholen. Je besser der Steu-     Terminplan führen oder E-Mails fil-       Führungskraft. Das kann Mitarbeiter
         ernde es beherrscht, Visionen und Er-    tern hinaus. Projektmanagement, Vor-      demotivieren. Ist das so, hat das nicht
         kenntnisse an seine Mannschaft zu        verhandlungen, Präsentationen und         nur wirtschaftlich negative Auswir-
                                                                                            kungen, sondern ebenso menschliche.
                                                                                            Laut aktuellem „Gallup Engagement
                                                                                            Index 2020“ zeigten sich während der
       „WERTSCHÄTZENDE UND ANERKENNENDE                                                     akuten Pandemiephase solcherart De-
                                                                                            fizite bei den Führungskräften. In
        FÜHRUNG WIRKT WIE EIN BOOST-EFFEKT,                                                 dem Fall „kündigen Mitarbeiter in-
                      AUCH WIRTSCHAFTLICH“                                                  nerlich, sind bereit für einen Jobwech-
                                                                                            sel oder schauen sich bereits nach ei-

                                                                                                                           Anzeige

Die Druckerei der Fotografen.
PASSAVIA ist die Qualitätsadresse internationaler Verlage, weltbekannter Museen und der
besten Fotografen für Kunst- und Fotodruck „Made in Germany“. Als besonderes Privileg
sehen wir die Bezeichnung „Die Druckerei der Fotografen“. In den vergangenen Jahren
durften wir zahlreiche international renommierte Fotografen zum Andruck begrüßen – von
den „Jägern des Lichts“ Ingo Arndt und Bernd Römmelt über Sebastião Salgado, Michael
Martin, Stefan Moses (†) bis hin zu Anton Corbijn und Annie Leibovitz.

„KUNST KOMMT
   VON KÖNNEN.“
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                                                      MANAGEMENT                        Kuratorium der
                                                                                        Bayerischen Wirtschaft

                                            delt, versteht das“, meint auch Walker.
                                            Darum bietet ihr Unternehmen seit
                                            kurzem an, das Führungsverhalten
                                            von Managern zu prüfen, um sie bei
                                            Mankos zu coachen. Im Kern glei-
                                            chen die Berater Selbst- und Fremd-
                                            wahrnehmung des Chefs ab und
                                            ­arbeiten danach mit ihm an den
                                                                                        Ehrenmedaille
                                             Schwachpunkten. Am Ende gibt es            für vorbildlichen
                                             ein Top-Boss-Zertifikat.
                                             Viele Chef-und-Assistenz-Tandems           Einsatz
                                             haben das rund sechs Monate dau-
      Christine Walker bildet seit vielen    ernde Training absolviert und mit
            Jahren Top-Assistenten aus.      Bravour bestanden. Dass sich das für
                                             Chefs und Unternehmen wirtschaft-
                                             lich rechnet, zeigt die Reduzierung
nem neuen Arbeitgeber um“, erklärt           der durchschnittlichen Arbeitszeit:
Marco Nink von Gallup.                       „Die der Vorgesetzten von 59 auf 54
„Wertschätzende und anerkennende             Stunden, bei den Assistenzen von 42
Führung“ wirkt wie ein „Boost-Ef-            auf 39 Stunden die Woche“, erklärt
fekt“, auch wirtschaftlich. Die jüngste      Sophie Descollaz-Dunkel, verant-
Analyse von Gallup hat gezeigt, dass         wortlich für die Ausbildung zum
das Engagement der Mitarbeiter eine          „Top Boss“. Die gewonnene Zeit soll-
Vielzahl positiver Unternehmenser-           ten sie aber nicht für neue Aufgaben
gebnisse steigert, darunter Mitarbei-        im Beruf, sondern für sich selbst nut-
terbindung, Sicherheit, Umsatz, Pro-         zen. „Das lädt den Speicher für krea-
duktivität und Rentabilität. In              tive Ideen auf “, sagt Walker und er-
schwierigen Zeiten wie der Pandemie          zählt, dass sie in ihrem Unternehmen
ist dieser Zusammenhang noch aus-            den Beschäftigten ein „Tut-nix-Tag“
geprägter, schreibt Gallup im Studi-         auf Wunsch des Teams eingeführt
enkommentar. Dies erklärt, warum             hat. An diesem Tag kann der Mitar-
das Engagement für Unternehmens-             beiter, befreit vom Tagesgeschäft, an
führer in ganz Europa immer mehr             weitergehenden Ideen oder Verbesse-
Priorität hat.                               rungen arbeiten.
In dieselbe Richtung geht auch das           Was aber bei der Bilanz des bisheri-
Ergebnis der Expertise „Digitalisie-
rung und mitarbeiterorientierte Füh-
                                             gen Top-Boss-Trainings noch viel in-
                                             teressanter ist: Sage und schreibe         Sagen
                                                                                        Sie „Danke!“
rung“ des Instituts der deutschen            neun Führungskräfte sind durchge-
Wirtschaft. Vor allem in der aktuellen       fallen. Das zeigt, dass bei vielen hin-
Transformationsphase hinsichtlich KI         sichtlich Führungsstil noch Luft nach
und New Work. „Bei der Suche nach            oben ist. Führungskräfte mit Perso-        Mit der neuen Ehrenmedaille für vorbildlichen
Orientierung erlebt die Debatte um           nalverantwortung müssen lernen, mit        Einsatz können Sie Arbeitnehmer*innen für he-
‚gute‘ Führung eine Renaissance“,            und nicht vor der Assistenz zu arbei-      rausragende Leistungen in besonders schwieri-
schreiben die Studienautoren. „Tradi-        ten, ihr Entscheidungsfreiräume ge-        gen Situationen wie z. B. der Corona-Pandemie
tionelle Führungsmodelle und -stile          ben und vor allem mit ihr klar zu          ehren. Zeigen Sie Ihre Anerkennung und moti-
werden stärker hinterfragt und schei-        kommunizieren. Sie müssen sie er-          vieren Sie für die Zukunft. Die Medaille wird zu-
                                                                                        sammen mit der Ehrennadel im Etui und mit
nen nicht mehr in die volatilen und          mutigen, Fragen zu stellen und ihre
                                                                                        einer Urkunde geliefert.
von Unsicherheit geprägten digitalen         Fähigkeiten einzuschätzen. Dann gilt:
Zeiten zu passen.“                           Ein effizientes Team leistet entspre-
„Wenn Unternehmen im Wettbewerb              chend effiziente Arbeit. Wie sagte
um die Besten vorne sein wollen,             Henry Ford so richtig: „Zusammen-
muss der Vorgesetzte den Mitarbeiter         kommen ist ein Beginn. Zusammen-
                                                                                                  Einfach online bestellen
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                                                                                                  ehrung@kuratorium-bayern.de

                                                                                  23
BILDUNG

           Um Konflikte in der Aus- und Weiterbildung besser lösen
          zu lernen, setzt das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung
                  (f-bb) modernste Virtual-Reality-Anwendungen ein.

                                                                         Fotos: bbw

24
BILDUNG

                                                                         FORSCHUNGSINSTITUT
                                                                         BETRIEBLICHE BILDUNG

               Perspektivwechsel
 durch die Datenbrille
Konflikte gibt es überall. Auch in der Aus- und Weiterbildung. Vor allem dann, wenn unter-
schiedliche Vorstellungen von Arbeit aufeinanderprallen. Um sie zu lösen, haben die
­Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungs­instituts Betriebliche Bildung (f-bb)
 ein besonderes Konzept entwickelt: Mithilfe modernster Virtual-Reality-Anwendungen sollen
 Betroffene lernen, besser mit solchen Auseinandersetzungen umzugehen

Eine Szene aus dem Berufsleben: In       che Bildung (f-bb) mit seiner Virtual-­   „VR-Technik ermöglicht einen Pers-
einer Kfz-Werkstatt stehen ein Aus-      Reality-(VR)-Brille betrachtet, steht     pektivwechsel. Daher bietet sich ihr
zubildender, ein Geselle und eine        mitten in einem authentischen Ge-         Einsatz an, um soziale Kompetenzen
Ausbildungsleiterin an einem Fahr-       schehen und kann verschiedene Posi-       zu verbessern“, erklärt Dr. Iris Pfeiffer,
zeug. Der Auszubildende soll die         tionen einnehmen: die des hilflosen       Geschäftsführerin des f-bb – ein Un-
Bremsen wechseln, weiß jedoch            Auszubildenden, die des ungeduldi-        ternehmen des Bildungswerks der
nicht, wie das geht. Es kommt zu ei-     gen Gesellen oder die der schlichten-     Bayerischen Wirtschaft (bbw). Übli-
nem Konflikt mit dem Gesellen und        den Ausbildungsleiterin. So entsteht      cherweise werden VR-Anwendungen
zu einer Grundsatzdiskussion.            ein Verständnis für unterschiedliche      in der beruflichen Aus- und Weiter-
Wer diesen Auszug aus einem Lernvi-      Standpunkte und mögliche Lösungs-         bildung eingesetzt, um Arbeitsumge-
deo des Forschungsinstituts Betriebli-   wege aus dem Konflikt.                   bungen virtuell darzustellen und da-

                                                                                                                                25
BILDUNG

                                                                                         geht es um ein Gesamtkonzept zur
                                                                                         Förderung von Sozialkompetenz.“
                                                                                         Früher musste er immer wieder fest-
                                                                                         stellen, dass bisherige Ansätze nicht
                                                                                         ausreichen. „Besonders diese Softskills
                                                                                         sind für die Motivation der Schülerin-
                                                                                         nen und Schüler aber sehr wichtig.“
                                                                                         Um die neuen VR-Filme in der Praxis
                                                                                         zu erproben, nutzten 16 Schülerinnen
                                                                                         und Schüler sowie zwei Lehrkräfte ei-
                                                                                         ner 10. Klasse der Berufsfachschule
                                                                                         Fertigungstechnik die Konflikt-Vi-
                                                                                         deos erstmals im Fach Sozialkunde –
                                                                                         und waren begeistert. „Die Lernvi-
                                                                                         deos kamen gut an. Unsere
                                                                                         Schülerinnen und Schüler sind sehr
                                                Die SoKo-VR-Lernmaterialien              offen und technikaffin. Sie finden
                                                unterstützen die Förderung sozialer      VR-Brillen faszinierend, weil sie diese
                                                Kompetenzen in der Ausbildung.
                                                                                         Technik vom Gaming kennen“, sagt
                                                                                         Schumann.
                                                                                         Dominique Dauser und dem f-bb ha-
     mit schwierige oder sogar gefährliche     Auszubildenden oder über den sorg-        ben das positive Feedback bei Pro-
     Situationen zu simulieren. „Mit dem       fältigen Umgang mit Werkzeugen.           duktpräsentationen und die Erfah-
     Einsatz der SoKo-VR-Brille zur För-       „Wir mussten realistische und au-         rungen aus der Erprobung gezeigt:
     derung sozialer Kompetenzen haben         thentische Drehbücher entwickeln“,        Jugendliche können durch den Ein-
     wir zusammen mit Unternehmen,             sagt Dauser. Gemeinsam mit einem          satz von VR-Technik zu sozialem
     Berufsschulen und überbetrieblichen       Mediengestalter wurde an verschie-        Lernen motiviert werden. „Unsere
     Einrichtungen ein neues Anwen-            denen Schauplätzen gedreht. Mitar-        Rolle als f-bb ist, dass wir Innovation
     dungsfeld für die künstlichen Realitä-    beiterinnen und Mitarbeiter der Part-     anstoßen und neue Themen aufgrei-
     ten erschlossen“, so Pfeiffer.            ner-Unternehmen fungierten als            fen.“ Zwar habe Corona den Einsatz
     „Wir haben uns beim Konzept auf au-       Laiendarsteller. Danach mussten die       des VR-Projekts in den Betrieben ge-
     thentische Konflikte in der Ausbil-       Filme in der Praxis erprobt werden.       bremst. Aber das Interesse sei da.
     dung fokussiert“, erzählt f-bb-Mitar-     Dafür fand sich die „Berufliche Schu-     „Wir erhalten viele Anfragen zu dem
     beiterin Dominique Dauser, die das        le 2“ in Nürnberg als Kooperations-       Thema. Die SoKo-VR-Brille wird
     Projekt initiierte. „Dafür haben wir      partner.                                  wahrgenommen“, sagt Dauser. Sie ist
     vorab zahlreiche Experteninterviews       Schulleiter Karl Schumann erläutert,      davon überzeugt: Das Thema soziale
     mit einer Reihe von Betrieben ge-         warum seine Schule sich beteiligt:        Kompetenz wird in den nächsten Jah-
     führt, um typische Konfliktsituatio-      „Wir haben uns von Anfang an für das      ren wieder an Gewicht zunehmen.
     nen herauszufinden.“ Mit dabei wa-        Projekt interessiert. Überfachliche Fä-
     ren der Handelskonzern Rewe und           higkeiten sind wichtig in der Berufs-     Die Filme sind kostenfrei unter
     der Automobilhersteller Audi. Auch        ausbildung – und bei diesem Projekt       https://lms-sokovr.f-bb.de abrufbar.
     die vbw – Vereinigung der Bayeri-                                                                                       
     schen Wirtschaft unterstützte das
     f-bb-Team.
     Anschließend entwickelten die                       Das Projekt SoKo-VR-Brille
     f-bb-Wissenschaftlerinnen und -Wis-                wurde in der Förderbekannt-
     senschaftler spezielle Lernmaterialien.            machung „Förderung sozialer
     Die VR-Filme sind Teil davon. Sie                      Kompetenz in der dualen
     greifen typische Szenarien auf, die aus            Ausbildung, insbesondere zur
                                                        Integration von Flüchtlingen“
     dem Alltag in Unternehmen aus                     unter dem Förderkennzeichen
     ­Handel, Handwerk und Industrie                  01NN19011 durch das Bundes-
      stammen: darunter unter anderem                 ministerium für Wirtschaft und
      Konflikte über unterschiedliche Rol-                Energie (BMWi) gefördert.
      lenvorstellungen von Ausbildern und

26
MODE

                                               Fotos: Roeckl

         Passgenaue Handschuhe stehen im
       Mittelpunkt des Unternehmergeists
       der Familie Roeckl – seit 180 Jahren.

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MODE

                                                                        FAMILIENUNTERNEHMEN

    „Tradition entsteht
        nur, wenn man
 wandlungsfähig bleibt“
Annette Roeckl ist Gesellschafterin in sechster Generation. Sie erzählt von ­
ihrer Leidenschaft und von den Herausforderungen. Existenzielle Krisen haben
den Gründergeist immer wieder neu entfacht

„Als Jugendliche hielt ich Tradition       der Münchner Kaufingerstraße, nach     Blick auf Tradition. „Es fiel mir wie
für total verstaubt“, sagt Annette         und nach vergrößerte er sein Unter-    Schuppen von den Augen. Tradition
Roeckl und lacht. Mit dem väterli-         nehmen. Innerhalb der nächsten         kann nur entstehen, wenn man
chen Betrieb und seiner traditionsrei-     sechs Jahrzehnte stieg die Mitarbei-   wandlungsfähig bleibt“, sagt sie. Diese
chen Geschichte konnte sie damals          terzahl auf rund 1000.                 Wandlungsfähigkeit haben
wenig anfangen. Das ist heute anders,      Mit Annette Roeckl als Leiterin ist    die Roeckls be-
Tradition steht im Zentrum ihrer Ar-       das Unternehmen nun seit sechs Ge-     wiesen.  ▶
beit. Seit 2003 leitet sie das Unterneh-   nerationen im Familienbesitz. Trotz-
men Roeckl in sechster Generation.         dem war es für sie eine pragmatische
Damit ist sie in große Fußstapfen ge-      Entscheidung, in den väterlichen Be-
treten: Das 1839 gegründete Unter-         trieb einzusteigen. „Ich wurde schon
nehmen war einst königlicher Hoflie-       mit 21 Mutter. Damals wollte ich
ferant und zweitgrößter Arbeitgeber        meiner Rolle als Mutter gerecht wer-
in München. Zu den Kunden des Fa-          den, aber gleichzeitig meine Ausbil-
milienunternehmens gehörten unter          dung nicht vernachlässigen“, erzählt
anderem König Ludwig II. und Kaise-        sie. Durch die Ausbildung zur Han-
rin Sisi.                                  delsfachwirtin im Unternehmen ihrer
Gegründet wurde das Unternehmen            Familie gelang ihr beides.
von Jakob Roeckl. Der gelernte Säck-       Durch die Arbeit im Familienunter-
lermeister eröffnete einen Laden in        nehmen veränderte sich auch ihr

                                                                                   29
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