Comeback Kids 2019 - Durchstarten nach der Finanzkrise - Zehn Jahre danach - eine Analyse - BCG

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Comeback Kids 2019 - Durchstarten nach der Finanzkrise - Zehn Jahre danach - eine Analyse - BCG
Comeback Kids 2019 –
Durchstarten nach der Finanzkrise
Zehn Jahre danach – eine Analyse
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im Bereich Unternehmensstrategie und verzahnt
die klassische Strategieberatung heute mit
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BCG unterstützt Firmen und Institutionen aus
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ist es, Wachstumschancen zu nutzen, nachhaltige
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Zusammenarbeit mit den Kunden. Das
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seiner Geschäftsführer. Weitere Informationen:
www.bcg.de
Comeback Kids 2019:
Durchstarten nach der Finanzkrise
Zehn Jahre danach – eine Analyse

Dr. Ralf Moldenhauer, Georg Beyer, Carolina von Ritter, Thomas Endter und
Laura Benning

Oktober 2019
ZUSAMMENFASSUNG

Die BCG-Studie „Comeback Kids 2019: Durchstarten nach der Finanzkrise“ untersucht, welche deutschen
Unternehmen die zehn Jahre nach der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 am erfolgreichsten gemeistert
haben. Sie analysiert, wie diese Unternehmen mit der durch die Rezession herbeigeführte schwierige
Geschäftslage umgegangen sind, welche Maßnahmen sie ergriffen und wie sie es geschafft haben, die Krise
als Chance zur strategischen Neuausrichtung zu nutzen. Dabei fällt auf: Die Comeback Kids der Finanzkrise
agierten schnell und nutzten die Konjunkturentwicklung stärker aus als andere Unternehmen. Die Kernergeb-
nisse auf einen Blick:

Aus einer Grundgesamtheit von 173 deutschen Unternehmen haben wir zehn Unternehmen identifiziert, die
nach den Turbulenzen der Krise am stärksten durchgestartet sind – die Comeback Kids 2019.

Auswahlkriterien sind die höchste absolute Verbesserung der operativen Marge (EBITDA) und die größte
Wertsteigerung im Sinne des Total Shareholder Return (TSR) zwischen dem Tiefpunkt in der Finanzkrise und
2018. Die Comeback Kids 2019 erzielen eine absolute Verbesserung der EBITDA-Marge von 14 Prozentpunkten
seit dem schwersten Krisenjahr der Realwirtschaft 2009 und eine siebenfach höhere absolute Wertsteigerung
im Sinne des Total Shareholder Return (TSR) als die Vergleichsunternehmen.

Die Konjunkturentwicklung seit der Finanzkrise 2008 lässt sich in vier Phasen einteilen. Die Comeback Kids
2019 erfüllen phasenspezifische Erfolgsfaktoren und treffen die richtigen strategischen Maßnahmen, um
Turbulenzen der Finanzkrise zu meistern, sich zu stabilisieren, im Konjunkturaufschwung durchzustarten und
den Wachstumskurs zu halten.

Die zehn Comeback Kids der Finanzkrise wenden dabei fünf archetypische Strategien der Wertschaffung
besonders erfolgreich an: Organische Expansion, anorganisches Wachstum, Desinvestition, Fokussierung des
Portfolios sowie Kosten- und Effizienzoptimierung.

Das Geheimnis ihres Erfolgs: Die zehn Comeback Kids 2019 tendieren phasenspezifisch zu dominanten
archetypischen Strategien. Eine fixe Kombination oder Abfolge von Maßnahmen existiert nicht – Ausgangs-
punkt und Entwicklung sind trotz Finanzkrise als kollektivem Nullpunkt unternehmens- und partiell
branchenspezifisch.

Die Comeback Kids 2019 kennzeichnet während der Finanzkrise eine stärkere Liquiditätserhöhung, an-
schließend ein deutlicherer Liquiditätsrückgang durch fokussierte Investition in margenstarke Segmente und
internationale Märkte. Sie richten sich so konsequent auf Wachstum aus und steigern ihren Umsatz ab 2013
um zwölf Prozent und ab 2016 um acht Prozent im Jahresdurchschnitt durch anorganische und organische
Expansion. Die Vergleichsbasis fällt mit jährlichen Wachstumsraten im niedrigen einstelligen Bereich dahinter
zurück.

Die Comeback Kids 2019 haben eine klare Vision für ihre unternehmischer Entwicklung. Sie setzen ihr strate-
gisches Zielbild flexibel und nutzen konjunkturelle Chancen aus, beispielsweise durch anorganisches oder
organisches Wachstum – abhängig von den Rahmenbedingungen.

                           2                             Comeback Kids 2019: Durchstarten nach der Finanzkrise
D    ie Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 stellte fast
     alle Unternehmen vor massive Herausforderungen. Für die Unternehmen
waren die grundsätzlichen Rahmenbedingungen gleich: Die wirtschaftlichen
Turbulenzen waren nicht hausgemacht. Die Finanzkrise traf die Unternehmen
unerwartet und oftmals unverschuldet, längst nicht alle konnten sie meistern. Doch
es gab auch Unternehmen, die aus diesen turbulenten Zeiten doppelt gestärkt
hervorgingen. Sie verstanden es, auf Veränderungen ihres Umfelds rechtzeitig zu
reagieren und krisenhafte Entwicklungen als Chance zu nutzen, sich neu aufzustel-
len. Für eine langfristige Wertschaffung sind dies entscheidende Faktoren.

Wie erreichen Unternehmen solche Erfolge? Welche Strategien wenden sie dabei
an? Und wie lässt sich der Unternehmenswert nicht nur sichern, sondern auch
nachhaltig steigern?

Die Boston Consulting Group (BCG) hat für die Studie „Comeback Kids 2019:
Durchstarten nach der Finanzkrise“ den Einsatz und Erfolg wertschaffender Strate-
gien in deutschen Unternehmen seit der Finanzkrise 2008 untersucht. Die Studie
geht der Frage nach, welche Unternehmen die Finanzkrise überwinden konnten
und welche zehn Jahre danach zu den erfolgreichsten in Deutschland gehören.

Die zehn Unternehmen, die am stärksten durchgestartet sind, identifiziert die Studie
als Comeback Kids der Finanzkrise. Dazu betrachten wir die Umsatz- und Ertrags-
entwicklung und die Wertsteigerung 138 deutscher Aktiengesellschaften von Beginn
der Finanzkrise 2008 bis zum Jahr 2018 und analysieren ihren Erfolgskurs aus der
Finanzkrise 2008 zehn Jahre danach.

Finanzkrise und Rezession – der gemeinsame Nullpunkt
Die Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 löste eine
Lawine aus: Viele Länder rutschten in die größte Rezession seit dem Zweiten Welt-
krieg, die globale Wirtschaftsleistung brach ein. „Die Krise hat die Grundpfeiler des
westlichen Finanzsystems erschüttert“, kommentierte der damalige Präsident der
Bundesbank Prof. Dr. Axel Weber. Um rund 50 Prozent brachen die Aktienindizes
weltweit zwischen September 2008 und Anfang 2009 ein.

Die Finanzkrise wirkte sich verheerend auf Handel und Industrie aus: Der Welt-
handel brach innerhalb weniger Wochen um mehr als 20 Prozent ein, die globale
Bruttowertschöpfung sank um 4,9 Prozent. Insbesondere die exportorientierte
deutsche Wirtschaft traf es hart: 2009 zählte Deutschland 34.300 Insolvenzen – ein
trauriger Rekord.

Boston Consulting Group                                                             3
Abbildung 1 | Signifikanter Rückgang von globalem Welthandel und Weltwirtschaftswachstum

Welthandel und Weltwirtschaftswachstum
Veränderung ggü. Vorjahr (%)                                                          • Massiv sinkende
20                                                                                      Endnachfrage und
                                                                                        Investitionsstopps
10
                                                                                      • Rückgang am stärksten
                                                2009                                    bei Investitionsgütern
 0                                                                                      (z. B. Maschinen)
                  2007              2008                  2010         2011
-10                                                                                   • Sinkende Wirtschafts-
                                                                                        leistung und Handels-
-20                                                                                     kollaps als „kollektiver
                                                                                        Nullpunkt“ der Welt-
                                                                                        wirtschaft
             Bruttoinlandsprodukt          Bruttohandel

Quelle: Deutsche Bundesbank.

                               Da die Nachfrage massiv nachgab, mussten viele Unternehmen Investitionen stop-
                               pen. Zudem wurde die Finanzierung schwieriger, sodass die Handlungsfähigkeit
                               stark eingeschränkt war. Von dieser Entwicklung waren nahezu alle Unternehmen
                               im deutschen Wirtschaftsraum betroffen. Eine Kettenreaktion setzte ein, die von
                               Industrie und Handel über Zulieferer, Zwischenhändler und schließlich bis zum
                               Konsumenten reichte. Viele Länder legten umfangreiche staatliche Maßnahmen
                               und Konjunkturprogramme auf. In Deutschland zum Beispiel wurden das Finanz-
                               marktstabilisierungsgesetz und die Konjunkturpakete I und II auf den Weg ge-
                               bracht. Gleichzeitig wurden die Möglichkeiten zur Kurzarbeit ausgeweitet.

                               Die deutsche Wirtschaft stand 2009 kollektiv an einem Nullpunkt. Zwar erholte
                               sich die Wirtschaftsleistung bereits im Laufe des Jahres wieder, viele Unternehmen
                               waren jedoch hart getroffen; der Weg aus der Talsohle war für sie schwierig.

                               Studiendesign
                               Für die Studie „Comeback Kids 2019: Durchstarten nach der Finanzkrise“ unter-
                               sucht die Boston Consulting Group, welche Unternehmen gestärkt aus der Finanz-
                               krise 2008 hervorgingen und welche Strategien sich dabei als besonders wertschaf-
                               fend erwiesen. 2018 jährte sich die Finanzkrise zum zehnten Mal. Der Unter-
                               suchungszeitraum umfasst genau diese Dekade.

                               Um eine vergleichbare Basis zu schaffen, wurden im ersten Schritt ausschließlich
                               börsennotierte Unternehmen mit Sitz in Deutschland ausgewählt, die 2018 einen
                               Umsatz von mindestens 500 Millionen Euro erwirtschafteten.

                               Aus dieser Grundgesamtheit von 173 Unternehmen waren 20 für die Untersuchung
                               nicht geeignet, da sie 2008 noch nicht existierten. Ebenfalls ausgenommen wurden
                               15 Unternehmen aus bilanzrelevanten Branchen wie Finanzdienstleister, Immobi-
                               lien- und Beteiligungsgesellschaften, da dort die Entwicklung der Gewinn-und-

                               4                             Comeback Kids 2019: Durchstarten nach der Finanzkrise
Verlustrechnung überwiegend durch bilanzielle Effekte und Transaktionen wie
Portfolioverkäufe und Kreditentscheidungen beeinflusst wurde. Mithilfe dieser Indi-
katoren ergab sich eine Untersuchungsbasis von 138 Unternehmen aus insgesamt
173 Unternehmen.

Ein Großteil von ihnen sind aus der Industriegüter- (45) und Gebrauchsgüterindus-
trie (25). Stark vertreten waren außerdem rohstoffverarbeitende Unternehmen (15)
und das Gesundheitswesen (14).

 Abbildung 2 | Studienumfang

                                     Grundgesamtheit   Untersuchungsbasis
                                     der Unternehmen     nach Industrie

                                           173
               Comeback Kids               10

                                                                 138

                                                                 45        Industriegüter

               Vergleichsbasis             128                             Energie
                                                                       2
                                                            15             Rohstoffverarbeitende
                                                                           Unternehmen
                                                                 12        Informationstechnologie
                                                                 10        Kommunikationsdienste
                                                                 14        Gesundheitswesen

          2008 noch nicht existent         20                    25        Gebrauchsgüter
                                                                       7   Verbrauchsgüter
    Geschäftsmodell nicht passend          15               8              Versorgungsunternehmen

 Quelle: S&P Capital IQ; BCG-Analyse.

So identifizierten wir die Comeback Kids 2019
Einige Unternehmen entwickelten sich nach der Finanzkrise besser als andere, ob-
wohl die Rahmenbedingungen im Jahr 2008 vergleichbar sind. BCG hat in der vor-
liegenden Studie untersucht, welche Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren
eine außerordentliche Erfolgsgeschichte geschrieben haben und welche Strategien
sie dabei verfolgten und immer noch verfolgen.

Um die Comeback Kids 2019 zu identifizieren, haben wir die Umsatz- und Ertrags-
entwicklung zwischen 2008 und 2018 analysiert. Dabei haben wir zwei quantitative
Kriterien erfasst und gemessen.

1. Signifikante Erhöhung des Ergebnisses: Ausgewählt wurden Unternehmen mit
   der höchsten Steigerung der EBITDA-Marge, gemessen von ihrem durch die
   Krise ausgelösten Tiefpunkt bis zum Jahr 2018. Die absolute Veränderung der
   EBITDA-Marge garantiert eine anhaltende Vergleichbarkeit der Ergebnisse vor
   Steuern, Zinsen und Abschreibungen. Die Höhe der Steigerung drückt die
   nachhaltige und kontinuierliche Verbesserung der Profitabilität aus und belegt
   damit, dass das jeweilige Unternehmen sich wettbewerbsfähig positioniert hat.

Boston Consulting Group                                                                             5
2. Langfristige Wertsteigerung für Investoren: Maßgeblich war hier der jeweils
   höchste Total Shareholder Return (TSR) seit dem Tiefpunkt der Jahre 2008 bis
   2011 beziehungsweise seit Erstnotierung der Aktie, sofern diese nach 2011
   erfolgte. Der TSR ist eine Renditekennzahl für Wertpapiere und berechnet sich
   aus dem Verhältnis der Summe von Kursgewinn und bezahlter Dividende am
   Ende der Periode zum Marktwert am Anfang der Periode.
   Der TSR bezogen auf die betrachtete Periode ist besonders geeignet, die
   Wertsteigerung für Investoren gesamtheitlich und über einen längeren Zeitraum
   darzustellen. Zudem ist die Kennzahl nicht von buchhalterischen Größen
   beeinflusst.

Zur quantitativen Validierung der Ergebnisse haben wir zusätzlich die EBITDA-
Margen aus dem ersten Quartal 2019 hinzugezogen. Signifikante Rückgänge bei die-
sen Kennzahlen hätten hier zum Ausschluss geführt. In einem weiteren Schritt ist
eine qualitative Validierung der ermittelten Unternehmen durch Branchenexperten
erfolgt. Ziel war es, unter anderem auszuschließen, dass beispielsweise Sondereffek-
te das Ergebnis beeinflussten oder das Wachstum rein konjunkturell begründet war.
Dies traf jedoch bei den untersuchten Unternehmen nicht zu.

Für das Ranking wurden die beiden Kriterien EBITDA-Marge und TSR jeweils hälf-
tig gewichtet und aus der Untersuchungsbasis (138 Unternehmen) die zehn besten
als Comeback Kids 2019 ermittelt. Die Studie stellt nachfolgend die zehn Comeback
Kids 2019 den restlichen 128 Unternehmen (Vergleichsbasis) gegenüber.

6                             Comeback Kids 2019: Durchstarten nach der Finanzkrise
So erfolgreich sind die Comeback Kids 2019
Die Comeback Kids 2019 kommen aus verschiedenen Branchen: Informationstech-
nologie, Industriegüter, Gesundheitswesen, Transport, Kommunikationsdienste. Sie
sind dabei diejenigen, die nach der Krise am stärksten durchstarten. Sie zeichnen
sich durch eine besonders deutliche Entwicklung der EBITDA-Marge und der Wert-
steigerung seit dem gemeinsamen Nullpunkt der Finanzkrise 2008 aus: Die Come-
back Kids 2019 verbessern ihre EBITDA-Marge gegenüber dem Tiefpunktjahr 2009
um 14 Prozentpunkte, während die Vergleichsbasis aus börsennotierten Großunter-
nehmen mit nur einem Prozentpunkt EBITDA-Margenverbesserung um 13 Prozent-
punkte deutlich zurückbleibt.

 Abbildung 3 | Comeback Kids 2019 – die 10 besten Entwicklungen seit der
 Finanzkrise
                                         Absolute Veränderung   P. a. im Zeitraum
                                         Tiefpunkt vs. 2018     Tiefpunkt¹ vs. 2018
  Rang     Comeback Kid 2019             EBITDA-Marge           Total Shareholder Return
    1      Siltronic AG                   56 %-Punkte                  48 %

    2      Infineon Technologies AG        15 %-Punkte                  37 %

    3      Sartorius AG                   14 %-Punkte                  29 %

    4      Jungheinrich AG                10 %-Punkte                  25 %

    5      Sixt SE                        9 %-Punkte                   33 %

    6      Jenoptik AG                    13 %-Punkte                  18 %

    7      VTG AG                         10 %-Punkte                  18 %

    8      Axel Springer SE               12 %-Punkte                  17 %

    9      CompuGroup Medical SE          13 %-Punkte                  12 %

   10      Grammer AG                     7 %-Punkte                   20 %

 1. Bzw. seit Erstnotierung der Aktie.
 Quelle: S&P Capital IQ; BCG-Analyse.

Boston Consulting Group                                                                   7
Abbildung 4 | EBITDA-Marge1 von Comeback Kids 2019 und Vergleichsbasis2

25 %
              Comeback Kids                                                                                    Comeback Kids 2019:
              Vergleichsbasis                                                                                     14 %-Punkte
20 %

15 %                                                                                                  Vergleichsbasis:
                                                                                                         1 %-Punkt

10 %

 5%
  2008        2009      2010    2011    2012    2013     2014     2015      2016    2017     2018

1. Gewichtete EBITDA-Marge aller Comeback Kids 2. n = 128: Relevante Grundgesamtheit von 153 Unternehmen minus Unternehmen in
Immobilienindustrie und Finanzbranche, da nicht passendes Geschäftsmodell bzw. Ergebnissteuerung, minus Comeback Kids.
Quelle: S&P Capital IQ; BCG-Analyse.

Abbildung 5 | Absolute Wertsteigerung (Total Shareholder Return; indexiert: 2009 = 100 %)

                                                                      1.149

  1.600                                                                  160

  1.200                                                                                                                         1.249
                     Comeback Kids
                     Vergleichsbasis
    800

    400

                                                                                                                                 260

       2008           2009       2010      2011         2012        2013        2014        2015        2016         2017        2018

1. n = 128: Relevante Grundgesamtheit von 153 Unternehmen minus Unternehmen in Immobilienindustrie und Finanzbranche, da nicht passendes
Geschäftsmodell bzw. Ergebnissteuerung, minus Comeback Kids.
Quelle: S&P Capital IQ; BCG-Analyse.

                                   In den zehn Jahren seit der Finanzkrise 2008 erwirtschaften die Comeback Kids
                                   2019 sogar eine siebenfach höhere absolute Wertsteigerung (= Total Shareholder
                                   Return) als die Vergleichsbasis: Sie erzielen eine Wertsteigerung im Sinne des TSR
                                   von 1.249 – die Vergleichsbasis lediglich 260.

                                   8                                      Comeback Kids 2019: Durchstarten nach der Finanzkrise
Die Comeback Kids 2019 sind zudem über die Finanzkrise 2008 hinaus durch-
gehend solide finanziert und weisen selbst in der Finanzkrise eine Eigenkapital-
quote von über 30 Prozent aus. So kann Jenoptik die Eigenkapitalquote von 40 Pro-
zent 2009 auf 61 Prozent im Jahr 2018 kontinuierlich steigern. Bei Infineon wächst
die Eigenkapitalquote von 31 Prozent im Jahr 2008 auf 65 Prozent im Jahr 2014. Die
Unternehmen der Vergleichsbasis liegen durchgehend mindestens 9 Prozentpunkte
darunter.

Die Strategien der Comeback Kids 2019
Zehn Jahre sind seit der Finanzkrise 2008 und der nachfolgenden Rezession vergan-
gen. Zehn Jahre, in denen die Wirtschaft in Deutschland wieder auf Wachstumskurs
kam. Nach dem kollektiven Nullpunkt 2009 erholte sich die Realwirtschaft ab 2011,
die Nachfrage und in der Folge auch die Investitionsbereitschaft der Unternehmen
stieg wieder an. Ab 2013 beschleunigte das steigende Vertrauen in den Euro die
positive Wirtschaftsentwicklung, in der Eurozone wuchs das Bruttoinlandsprodukt.
2013 erreicht der DAX erstmal wieder das Niveau von vor der Finanzkrise 2008. Mit
zunehmden Handelskonflikten und geopolitischen Auseinandersetzungen verstär-
ken sich seit 2016 Unsicherheiten für die Konjunkturentwicklung, das Wirtschafts-
wachstum flacht erneut ab.

 Abbildung 6 | Zehn Jahre Finanzkrise – die Konjunktur seit 2008 in vier Phasen

              Turbulenzen                                                                       Auf Kurs
                meistern                   Stabilisieren               Durchstarten              halten
       2008

                  2009

                               2010

                                           2011

                                                       2012

                                                                2013

                                                                       2014

                                                                                2015

                                                                                       2016

                                                                                              2017

                                                                                                       2018

      Schematische Bruttoinlandsproduktentwicklung (weltweit)

Boston Consulting Group                                                               9
Die Archetypen der Wertschaffung
                                 Warum sind die Comeback Kids der Finanzkrise erfolgreicher als die Vergleichs-
                                 basis? Welche Maßnahmen wendeten sie an?

                                 Die Analyse der BCG-Studie fußt auf fünf archetypischen Strategien der Wertschaf-
                                 fung:

                                 1. Organische Expansion des Kerngeschäfts oder von Teilen durch die Erschließung
                                    neuer Märkte und die Weiterentwicklung des Produktportfolios

                                 2. Anorganisches Wachstum durch den gezielten Zukauf von Unternehmen oder
                                    Geschäftsfeldern zur Ergänzung oder zum Ausbau des eigenen Geschäfts

                                 3. Desinvestition durch Veräußerung von Vermögensgegenständen, Geschäftsberei-
                                    chen oder Unternehmensteilen, um sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren

                                 4. Fokussierung des Geschäfts auf margenstarke Segmente, etwa durch Ausbau des
                                    Serviceportfolios

                                 5. Kosten- und Effizienzoptimierung mithilfe von Programmen, etwa durch Stand-
                                    ortkonsolidierung oder den Aufbau von Shared-Services-Centern

                                 Die vier Phasen seit 2008 und wie die Comeback Kids
                                 erfolgreich agieren
                                 Die Comeback Kids 2019 erfüllen phasenspezifische Erfolgsfaktoren. Ihr Erfolgs-
                                 geheimnis sind die richtigen strategischen Maßnahmen, um konjunkturelle Chan-
                                 cen besser zu nutzen.

Abbildung 7 | Verlauf der Cash-Quote
      2008

                  2009

                              2010

                                           2011

                                                       2012

                                                                   2013

                                                                                2014

                                                                                             2015

                                                                                                        2016

                                                                                                                    2017

                                                                                                                                2018

 20 %                                                                     Comeback Kids
                                                                          Vergleichsbasis
                  +63 % p. a.
                                     -56 % p. a.
 15 %

                  +41 % p. a.
 10 %
                            -13 % p. a.

   5%

1. n = 128: Relevante Grundgesamtheit von 153 Unternehmen minus Unternehmen in Immobilienindustrie und Finanzbranche, da nicht passendes
Geschäftsmodell bzw. Ergebnissteuerung, minus Comeback Kids.
Quelle: S&P Capital IQ; Jungheinrich Konzernpräsentation (05.2013); Jahresabschluss Jenoptik AG (2011); BCG-Analyse.

                                 10                                      Comeback Kids 2019: Durchstarten nach der Finanzkrise
Turbulenzen meistern (2008 bis 2010): Was als Banken- und Finanzkrise beginnt,
entwickelt sich zur Wirtschaftskrise, gleichzeitig wird die Euro- und Staatschulden-
krise ausgelöst. Weltweite Konjunkturprogramme verhindern den drohenden Zu-
sammenbruch der Ökonomie. In diesem Zeitraum nutzen die Comeback Kids 2019
vor allem die Strategie der Desinvestition sowie Kosten- und Effizienzoptimierung.

Schon sehr früh, zu Beginn der Krise, starten die Comeback Kids 2019 Kosten- und
Effizienzprogramme und desinvestieren. So passt beispielsweise Jungheinrich be-
reits 2008 seine Personalkapazitäten an, reduziert das Investitionsvolumen und ver-
handelt Verträge neu. Axel Springer beginnt 2009 damit, Beteiligungen an Regio-
nalzeitungen zu verkaufen, Infineon veräußert unter anderem das Mobilfunk-
geschäft für 1,02 Milliarden Euro an Intel. Die Liquiditätssicherung der Comeback
Kids zeigt sich im starken Anstieg der Cash-Quote von 2008 bis 2010. Jungheinrich
verzeichnet einen Anstieg von 8 auf 18 Prozent, Infineon von 11 auf 33 Prozent.

Mit diesem Vorgehen sichern die Unternehmen ihre Liquidität, senken ihre Netto-
verschuldung und bleiben handlungsfähig. Sichtbar werden diese Strategien durch
eine steigende Cash-Quote: Die Comeback Kids 2019 erhöhen ihre Cash-Quote wäh-
rend der turbulenten Phase der Finanzkrise von 2008 bis 2010 um 63 Prozent, die
Vergleichsbasis im selben Zeitraum um 41 Prozent.

Stabilisieren (2011 bis 2012): Die Nachfrage steigt wieder an, die Realwirtschaft er-
holt sich daraufhin. Die Comeback Kids 2019 setzen jetzt auf organische Expansion
und die Fokussierung des Geschäfts auf margenstarke Segmente. Begleitet werden
diese Strategien von weiteren Kosten- und Effizienzprogrammen.

Bei Jungheinrich zum Beispiel heißt das Motto „Investing in the Future“. Das Unter-
nehmen investiert unter anderem in die Region Asien-Pazifik mit Fokus auf China.
Jenoptik setzt ebenfalls auf die strategische Erschließung des asiatischen Marktes,
formt und bündelt das Asiengeschäft in Korea, Japan und China. Siltronic wiede-
rum fokussiert sein Geschäft auf margenstärkere Produkte und schließt Standorte
weniger nachgefragter Produkte in Japan und den USA. Die zunehmenden Investi-
tionen der Comeback Kids werden durch den Rückgang der Cash-Quote zwischen
2010 und 2012 um 56 Prozent deutlich, die Vergleichsbasis hält sich mit Investitio-
nen eher zurück. Die Stabilisierungsphase ist für die Comeback Kids 2019 geprägt
von Erholung und beginnendem Aufschwung.

Durchstarten (2013 bis 2016): Das Vertrauen in den Euro kehrt zurück, was die posi-
tive Wirtschaftsentwicklung beschleunigt, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der
Eurozone wächst wieder stärker. Die Niedrigzinspolitik schafft eine Grundlage für
attraktive Akquisitionen. 2013 erreicht der DAX schließlich wieder das Vorkrisen-
niveau. Die Comeback Kids 2019 setzen in diesem Zeitraum auf anorganisches
Wachstum. Sie nutzen die niedrigen Zinsen für Akquisitionstätigkeiten in entwi-
cklungs- und ertragsstarken Geschäftsfeldern, vor allem im Bereich der Digitalisie-
rung. Gleichzeitig entwickeln sie ihr jeweiliges Portfolio von einzelnen Produkten
zu ganzen Produktsystemen weiter. Sichtbar wird diese Strategie durch steigende
Umsätze: Die Umsätze der Comeback Kids 2019 wachsen zwischen 2013 und 2016
jährlich durchschnittlich mit einer zweistelligen Wachstumsrate.

Boston Consulting Group                                                           11
Abbildung 8 | Durchschnittliche Umsatzentwicklung (indexiert: 2009 = 100 %)
      2008

              2009

                       2010

                               2011

                                        2012

                                                 2013

                                                          2014

                                                                  2015

                                                                           2016

                                                                                    2017

                                                                                             2018
                                                                                                    Durchschnittliches jährliches
                                                                                  8,1 %             Wachstum: Comeback Kids 2019
               Comeback Kids
               Vergleichsbasis
                                                         12,0 %
250                                                                                                 Durchschnittliches jährliches
                                                         -0,6 %                   2,6 %             Wachstum: Vergleichsbasis

200

150

100

1. n = 128: Relevante Grundgesamtheit von 153 Unternehmen minus Unternehmen in Immobilienindustrie und Finanzbranche, da nicht passendes
Geschäftsmodell bzw. Ergebnissteuerung, minus Comeback Kids.
Quelle: S&P Capital IQ; CompuGroup Medical SE (03.12.2013)/Jahresabschluss 2018; BCG-Analyse.

                                  Sixt zum Beispiel fokussiert sich auf digitale Mobilitätsangebote, unter anderem mit
                                  dem Carsharing-Angebot DriveNow. VTG erweitert sein Portfolio durch digitale Ser-
                                  vices für stärkere Kundenorientierung und Produktivitätssteigerung, beispielsweise
                                  durch das Telematiksystem VTG Connect.

                                  Auf Kurs halten (2016 – 2018): Neue Unsicherheiten wie der Brexit, internationale
                                  Handelskonflikte und geopolitische Auseinandersetzungen sowie die Iran-Sanktio-
                                  nen bremsen das Wirtschaftswachstum. Die dominanten Strategien der Comeback
                                  Kids sind jetzt die organische Expansion sowie das anorganische Wachstum. Damit
                                  soll zum einen eine stabile Entwicklung geschaffen werden, zum anderen wollen
                                  die Unternehmen nicht nur an der Digitalisierung, Internationalisierung und der
                                  Integration von Produktinnovationen partizipieren, sondern diese innerhalb ihrer
                                  Branche fortlaufend vorantreiben.

                                  So investiert Siltronic 2017 und 2018 in seine 300 mm-Wafer-Produktion, baut Kapa-
                                  zitäten aus und verstärkt die Automatisierung. Jungheinrich startet im selben Zeit-
                                  raum seine Webshops in weiteren Ländern. Außerdem entwickelt das Unterneh-
                                  men seine Software im E-Mail-Marketing weiter und führt dort teilautomatisierte
                                  Prozesse ein, um den Direktvertrieb zu stärken.

                                  12                                     Comeback Kids 2019: Durchstarten nach der Finanzkrise
Siltronic: Roadmap aus der Finanzkrise und zu
technologischem Fokus
Smartphones, Computer, Navigationsgeräte und Displays – sie alle geben keinen
Ton von sich ohne Wafer. Aus den kreisrunden Siliziumscheiben werden Halbleiter-
bauelemente, mikromechanische Bauelemente oder photoelektrische Beschichtun-
gen produziert. Die in München beheimatete Siltronic AG zählt zu den weltweit
führenden Herstellern von Silizium-Wafern für die Halbleiterindustrie. Diese Schei-
ben haben einen Durchmesser von bis zu 300 Millimetern. Mit unter 4.000 Mitar-
beitern in Produktionsstätten in Europa, Asien und den USA beliefert Siltronic
unter anderem die führenden zwanzig Unternehmen der Halbleiterindustrie.
Insgesamt bedient die Firma in einem stark konzentrierten Markt zusammen mit
vier weiteren Herstellern rund 90 Prozent der globalen Nachfrage. Der Bedarf an
Halbleiterbausteinen wird zukünftig weiter steigen – allein durch die stetige Ver-
besserung und Neuentwicklung von Geräten im Consumer-Electronics- und im
Automobilbereich oder in der industriellen Automatisierungstechnik. Zudem ver-
spricht das „Internet der Dinge“ einen stetig wachsenden Bedarf an intelligenten
Alltagsgegenständen.

Finanzkrise – bereits geschwächt in die Rezession
Die Halbleiterindustrie zählte zu den Branchen, die in den Jahren 2008 und 2009
besonders schwere Umsatzeinbrüche verzeichnen mussten. Das lag an der weltweit
sinkenden Wirtschaftsleistung und dem entsprechend geringeren Bedarf an elek-
tronischen Bausteinen.

 Abbildung 9 | SILTRONIC AG: WELTWEITER UMSATZ MIT SILIZIUMWAFERN 2009 – 2018

                                                                                           )
                                                                                   (CAGR
                                                                          + 11 %

                                                                                   +6%

                                                                                                                                         11,40

                 9,70             9,90

                                                  8,70                                                                     8,70

                                                                7,50           7,60
                                                                                               7,20          7,20
   6,70
                                                                                                                                                 1,46
                                                                                                                    0,93          1,18
                        0,91             0,89            0,87          0,74           0,85            0,93
          0,55

     2009           2010            2011             2012         2013              2014         2015          2016          2017          2018

     Weltweiter Umsatz (Mrd. €)          Siltronic (Mrd. €)

 Quelle: Siltronic Roadshow Präsentation Mai/Juni 2018.

Boston Consulting Group                                                                                        13
Abbildung 10 | SILTRONIC AG: UMSATZ- UND ERGEBNISENTWICKLUNG 2008 – 20181
EBITDA-                                                                                                               TSR im
Marge        17        -16        0,1       7,0       1,0        3,6       15,6      13,3        15,6   30     40,5   Zeitraum
(%)                                                                                                                   von IPO bis
                                                                                                               0,59   2018 (%)

                                                                                                        0,35           48
EBITDA
           0,20
(Mrd. €)                                                                  0,13       0,12        0,15
                                           0,06                 0,03
                                0,00                0,01
                     -0,09                                                                                     1,46

             1,14                                                                                       1,18
Umsatz
(Mrd. €)                                                                              0,93       0,93
                                 0,91       0,89      0,87                 0,85
                                                                 0,74
                       0,55

            2008      2009       2010      2011       2012      2013      2014       2015        2016   2017   2018
1. Zahlen ohne Berücksichtigung der Veröffentlichungen der Wacker Chemie AG 2. Leicht positiv.
Quelle: Jahresabschlüsse Siltronic AG 2009 – 2018; BCG-Analyse.

                                  Die Halbleiterbranche litt bereits seit Mitte 2008 unter einem signifikanten Preis-
                                  verfall, bedingt durch in den Vorjahren aufgebaute Überkapazitäten. Diese Negativ-
                                  entwicklung schlug mit großer Intensität auf die Zulieferer der Halbleiterproduzen-
                                  ten durch: Im Jahr 2009 mussten die Hersteller von Silizium-Wafern einen Umsatz-
                                  rückgang von mehr als 50 Prozent verkraften. Nach kurzzeitiger Erholung im Um-
                                  satz litt die Branche weiterhin am anhaltenden Preisverfall, die Nachfrage ging
                                  2012 erneut zurück.

                                  Das gilt auch für die Siltronic AG: Die Erlöse im Jahr 2009 sanken im Vergleich zum
                                  Vorjahr um 52 Prozent von 1,14 Milliarden Euro auf 551 Millionen Euro. Betrug das
                                  EBITDA 2008 noch 200 Millionen Euro, verbuchte Siltronic 2009 einen Verlust vor
                                  Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 90 Millionen Euro.

                                  2018 im Allzeithoch
                                  Heute präsentiert sich die Siltronic AG als durch und durch gesundes Unternehmen
                                  mit überzeugenden Key-Performance-Indikatoren: Der Umsatz erreichte 2018 ein
                                  Allzeithoch von 1,46 Milliarden Euro. Das EBITDA betrug im abgelaufenen Ge-
                                  schäftsjahr 589 Millionen Euro, das ergibt eine EBITDA-Marge von 40,5 Prozent.
                                  Diese Zahlen sind nicht allein Ausdruck einer stabilen Branchenkonjunktur: Mit
                                  einem jährlichen Umsatzwachstum von im Schnitt elf Prozent seit 2009 liegt
                                  Siltronic deutlich über der durchschnittlichen Zuwachsrate der Wafer-Industrie
                                  (6 Prozent).

                                  Treiber dieser Wiedererstarkung bei Siltronic war eine konsequente Umsetzung
                                  wertschaffender Strategien seit 2008.

                                  Kosten- und Effizienzoptimierung: Roadmap zum Erfolg
                                  Seit dem Jahr 2010 dient dem Unternehmen eine Kosten-Roadmap als Leitlinie für

                                  14                                        Comeback Kids 2019: Durchstarten nach der Finanzkrise
die systematische Etablierung und konsequente Durchführung einer ganzen Reihe
einzelner Kostensenkungsprogramme. Im Zuge dieser Effizienzmaßnahmen wurde
die Belegschaft von rund 5.100 Vollzeitstellen im Jahr 2009 Ende 2018 reduziert.
Bei 300 Millimeter-Wafern zeigt sich der Erfolg der Roadmap an zwei zentralen
Kennzahlen: Die variablen Kosten sanken von 2010 bis 2017 um mehr als 40 Pro-
zent, die Produktivität der Mitarbeiter verdoppelte sich zwischen 2009 und 2018.
Ausdruck der Kosten- und Effizienzoptimierungen ist die Bruttomarge, die sich von
2009 bis 2018 nahezu verfünffachte – von 9,1 Prozent auf 43 Prozent, und dies bei
gleichzeitig unterproportionaler Entwicklung der Herstellungskosten. Die Pro-
gramme dürfen allerdings keine singulären Ereignisse darstellen – auch und insbe-
sondere im Halbleitersektor, in dem die Verkaufspreise fast schon notorisch unter
Druck geraten. In solch einem Umfeld stetig steigende Einsparungen zu realisieren,
zeugt vom strategischen Ansatz der Siltronic-Führung, hier nachhaltig wertschaf-
fend zu agieren.

Fokussierung auf margenstarkes Produktportfolio: Nachfrage
entscheidet
Wafer werden je nach Halbleiterwerkstoff und vorgesehenem Verwendungszweck
in unterschiedlichen Durchmessern zwischen 150 und 300 Millimeter produziert.
Das Siltronic-Management identifizierte schon früh die 200- und 300-Millimeter-
Wafer als zukunftsträchtig und richtete die weltweiten Produktionskapazitäten kon-
sequent darauf aus. So schloss das Unternehmen unter anderem Standorte für
150-Millimeter-Produktionen in Japan und den USA. 2012 entschloss sich Siltronic
zudem, die Entwicklung von 450-Millimeter-Wafern komplett aufzugeben. Zwar er-
möglichen große Scheiben deutlich mehr Platz für integrierte Schaltkreise und da-
mit günstigere Chip-Herstellungskosten, dennoch sah das Management keine aus-
reichende zukünftige Nachfrage nach 450-Millimeter-Wafern und entschied
konsequent, diesen Produktionszweig nicht weiterzuverfolgen.

Anorganisches Wachstum: Zukauf im Zukunftsmarkt
Die Fokussierung auf 300-Millimeter-Wafer bedeutete für das Siltronic-Management
in der Konsequenz auch, in diesem Bereich Produktionskapazitäten aufzubauen.
Die Tochtergesellschaft Siltronic Samsung Wafer Pte. Ltd. Singapur wurde Ende
2006 gemeinsam mit der koreanischen Samsung Electronic Cooperation im Rah-
men eines Joint Venture gegründet. Im Jahr 2014 entschloss sich Siltronic, die Ge-
sellschaft mehrheitlich zu übernehmen, und besitzt seitdem eine der weltweit fort-
schrittlichsten Produktionsanlagen für hochwertige 300-Millimeter-Wafer.

Organische Expansion: Wachsen aus eigener Kraft
Die Verdoppelung des EBITDA 2017 nutzt Siltronic auch, um Produktionskapazitä-
ten aus eigener Kraft auszubauen. 2017 und 2018 investierte Siltronic insgesamt
377 Millionen Euro in Sachanlagen, immaterielles Anlagevermögen und die Auto-
matisierung der Fertigung, um die Effizienz der Produktionsprozesse zu verbessern.
Mitte 2019 wurde auf Basis von langfristigen Verträgen mit Kunden der Ramp-up
für rund 70.000 zusätzliche 300-Millimeter-Wafer pro Monat abgeschlossen. Diese
Erhöhung der Produktion erlaubt es dem Unternehmen, das Marktwachstum ana-
log zum eigenen Marktanteil zu begleiten.

Boston Consulting Group                                                        15
Jungheinrich: „Investing in the Future“ – Erfolgskurs im
                                  Warehouse-Management
                                  Das Hamburger Unternehmen Jungheinrich AG zählt zu den weltweit führenden
                                  Lösungsanbietern für die Intralogistik. Klassische Gabelstapler sind zwar immer
                                  noch ein zentrales Produkt, das Firmenportfolio umfasst darüber hinaus aber auch
                                  alle Bereiche von Flurförderfahrzeugen, komplette Logistiksysteme und verbunde-
                                  ne Dienstleistungen. In diesen Segmenten rangiert das Unternehmen weltweit auf
                                  Platz drei, in Europa auf dem zweiten Platz. Rund 18.000 Mitarbeiter sind an zehn
                                  Produktionsstandorten in Deutschland, Ungarn und China sowie an 40 Direktver-
                                  triebs- und Servicestandorten weltweit für die Jungheinrich AG tätig.

                                  In den kommenden Jahren wird die Intralogistikbranche weiter wachsen. Markt-
                                  treiber sind die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung betriebsinterner
                                  Waren- und Materialströme. Unternehmen auf der ganzen Welt erkennen das Po-
                                  tenzial effizienter Produktions- und Logistikprozesse und sind bereit, in ihr Ware-
                                  house-Management zu investieren. Themen wie autonome Mobilität, Augmented-
                                  und Virtual-Reality-Software oder Digital Twins werden im Lager der Zukunft zu-
                                  nehmend eine Rolle spielen. Das global stetig zunehmende E-Commerce-Volumen
                                  bedingt zudem einen Ausbau der Intralogistikkapazitäten. Auch das Thema Elektro-
                                  mobilität gewinnt in der Intralogistikbranche immer mehr Bedeutung: Vor dem
                                  Hintergrund von Effizienz und Nachhaltigkeit wird die Nachfrage nach batterie-
                                  betriebenen Flurförderfahrzeugen entsprechend weiter zunehmen.

Abbildung 11 | JUNGHEINRICH AG: UMSATZ- UND ERGEBNISENTWICKLUNG 2008 – 2018
EBITDA-                                                                                                               TSR im
Marge      11,3       2,7      10,2      11,6       12,9      12,4      12,6      12,9       12,9      12,8   12,5   Zeitraum
(%)                                                                                                                   von IPO bis
                                                                                                               0,48   2018 (%)
                                                                                                        0,44
                                                                                              0,40
                                                                                   0,36
                                                                         0,31                                           25
                                                    0,29      0,28
EBITDA    0,24                           0,25
(Mrd. €)                       0,19

                     0,05

                                                                                                               3,80
                                                                                                        3,44
Umsatz                                                                                        3,08
(Mrd. €)                                                                           2,75
                                                                         2,50
            2,15                                     2,27      2,29
                                          2,12
                      1,68      1,82

            2008      2009      2010      2011      2012       2013      2014      2015      2016       2017   2018
1. Ausgewiesener Wert ist EBITDA bereinigt um Abschreibungen auf Leasinggeräte aus Finanzdienstleistungen.
Quelle: Jahresabschlüsse Jungheinrich AG 2008 – 2018; BCG-Analyse.

                                  16                                       Comeback Kids 2019: Durchstarten nach der Finanzkrise
Finanzkrise – im Sog des Handels
Die Intralogistikbranche wurde von der Finanzkrise und den damit einhergehen-
den weltweiten Rückgängen in Produktion und Handelsvolumina stark getroffen.
Die sektorenweiten Umsätze in der Flurfördertechnik beispielsweise gingen im
Krisenjahr 2009 global um 37 Prozent zurück, in Europa sogar um 46 Prozent. Jung-
heinrich konnte sich etwas besser behaupten als die Gesamtbranche, aber auch bei
den Hamburgern brach der Umsatz deutlich ein: um 22 Prozent von 2,15 Milliarden
Euro in 2008 auf 1,68 Milliarden in 2009. Das EBITDA reduzierte sich im selben
Zeitraum noch deutlicher um 81 Prozent auf 46 Millionen Euro. Entsprechend sank
auch die EBITDA-Marge auf den Talwert von 2,7 Prozent.

Expansion in Wachstumsmärkte
Aus diesem Tief arbeitete sich das Unternehmen wieder empor. Viele Konzerne
waren angesichts steigenden Kostendrucks bereit, in Prozessautomatisierung und
Standardisierung ihrer internen Waren- und Materialströme zu investieren. Jung-
heinrich erzielte 2018 einen Rekordumsatz von 3,8 Milliarden Euro und ein
EBITDA von 475 Millionen Euro – das entspricht einer Marge von 12,5 Prozent.
Auch in Zukunft wird die Konzernstrategie auf nachhaltiges und profitables Wachs-
tum ausgerichtet sein: Im Jahr 2020 soll der Umsatz die Vier-Milliarden-Euro-
Schwelle überschreiten. Ziel ist es, die Nummer-1-Marke für die Intralogistik in
allen europäischen Märkten zu werden und langfristig zu den Top 3 der globalen
Anbieter zu gehören.

Warum konnte die Jungheinrich AG den 2008er-Einbruch so schnell überwinden
und bereits wenige Jahre später viel stärker als zuvor dastehen? Das Management
verfolgte stringent und planmäßig Strategien zur Unternehmenswertschaffung.

Kosten- und Effizienzoptimierung: prompte Reaktion
Schon im Jahr 2009 – als viele andere Unternehmen das Ausmaß und die Dauer des
Rückgangs der weltweiten Nachfrage erst zu realisieren begannen – brachte das
Management von Jungheinrich konkrete Konsolidierungsmaßnahmen auf den Weg:
Durch Abbau von Leiharbeitsressourcen, Einführung von Arbeitszeitkonten, Kurz-
arbeit und auch Freistellungen wurden die Personalkapazitäten an die gesunkenen
Umsatzprognosen angepasst. Die Einkaufsorganisation wurde komplett restruktu-
riert und zentralisiert. Auch Neuverhandlungen von Verträgen und Rahmenverein-
barungen waren Bestandteil des Aktionsplans. Zur Stabilisierung der Liquidität
reduzierte das Management Working Capital, Investitionsvolumen und auch den
Bestand an Mietflottenfahrzeugen.

Als ergänzende Maßnahme zur Effizienzoptimierung folgte im Jahr 2010 die neue
IT-Strategie des Unternehmens: Ein zentrales IT-Board – besetzt mit Führungs-
kräften aus Technik, Finanzen, Vertrieb und IT – koordinierte fortan die bedeuten-
den Digitalprojekte. Zu den neu aufgesetzten Flagships zählten unter anderem ein
neues Flottenmanagementsystem, die Zusammenführung der SAP-Produktionssys-
teme sowie die Einführung des SAP-CRM-Systems in insgesamt 18 Ländern. Alle Ar-
beitsplätze weltweit erhielten neue Software und auch der Internetauftritt wurde
einem Relaunch unterzogen.

Boston Consulting Group                                                          17
Dieses Maßnahmenpaket trug – trotz ergebnisbelastender Einmalausgaben von
                                  rund 80 Millionen Euro – sicherlich mit dazu bei, dass die Jungheinrich AG den
                                  operativen Turnaround in solch rascher Zeit bewerkstelligen konnte.

                                  Fokussierung: thematisch und regional
                                  Jungheinrich verfügte als Hersteller einzelner Flurförderfahrzeuge wie Gabelstabler
                                  über das nötige Know-how, um die Lager und Warenströme seiner Kunden ge-
                                  schickt zu optimieren. Mithilfe der Automatisierung entwickelte Jungheinrich sein
                                  Produktportfolio zu Lagersystemen als ganzheitliche Logistiksystemlösung weiter.
                                  Dem Ausbau der strategischen Position im Bereich der Logistiksysteme räumte das
                                  Management durch die Schaffung eines eigenen Vorstandsressorts Priorität ein:
                                  2012 und 2013 entstand im bayerischen Degernpoint ein neues Werk für Lager- und
                                  Systemgeräte. Auch durch punktuelles anorganisches Wachstum forcierte Jung-
                                  heinrich die Stärkung des Bereichs komplexer Lagersysteme: 2013 baute das Unter-
                                  nehmen seine Beteiligung am österreichischen Softwarehaus für Lager- und Materi-
                                  alflusstechnik, ISA GmbH, von 25 auf 100 Prozent aus. 2015 folgte die Übernahme
                                  der Münchner MIAS Group, international tätiger Maschinenbauer im Bereich
                                  Lager- und Transporttechnik mit den Komponenten Regalbediengeräte und Last-
                                  aufnahmemittel.

                                  Der Umsatz- und Vertriebsfokus der Jungheinrich AG liegt klar in Europa. Doch
                                  besonders die außereuropäische Nachfrage für Flurfahrzeuge boomte in der letzten
                                  Dekade.

                                  Um künftig stärker auch regional zu diversifizieren, legte das Management von
                                  Jungheinrich seit 2009 einen Schwerpunkt auf die Stärkung der Märkte Nord-
                                  amerika und Asien-Pazifik: 2009 schloss das Unternehmen eine exklusive Vertriebs-
                                  partnerschaft mit der Mitsubishi Caterpillar Forklift America Inc. aus dem texani-
                                  schen Houston zur Belieferung der Märkte USA, Kanada und Mexiko. Aus dieser

Abbildung 12 | JUNGHEINRICH AG: MARKTVOLUMEN FÜR FLURFAHRZEUGE IN DEN REGIONEN
NORDAMERIKA UND ASIEN 2008 – 2018

                                                     Nordamerika +5,7 %                                          637

                                                           Asien +9,4 %

                                                                                                           277

                                                                                                                       Marktvolumen
                                                                                                                       (Tsd. Stück)

                                                                                                                          Nordamerika
                                                                                                                          Asien

   2008        2009       2010          2011     2012       2013          2014    2015     2016     2017    2018

Quelle: Jahresabschlüsse Jungheinrich AG 2008 – 2018; BCG-Analyse.

                                  18                                        Comeback Kids 2019: Durchstarten nach der Finanzkrise
Kooperation entstand 2017 ein Joint Venture für die Produktion von Industriekom-
ponenten sowie für den Direktvertrieb an Großkunden. Das Jungheinrich-Entwick-
lungszentrum in Houston wurde selbst im Krisenjahr 2009 ausgebaut– ein weiterer
Beleg für den starken USA-Fokus.

Im Raum Asien-Pazifik lag und liegt das Augenmerk des Managements auf dem
chinesischen Markt – unter anderem durch Steigerung der Vertriebskapazitäten
und den Ausbau der Mietflotte in der Region. Mit der chinesischen Heli Co. Ltd.
gründete Jungheinrich 2015 ein Joint Venture für die Vermietung von Flurförder-
zeugen. Heli, größter chinesischer Hersteller solcher Maschinen, verfügt über das
umfassendste Vertriebs- und Servicenetzwerk in China.

Organische Expansion: Produktion, Vertrieb und Webpräsenz
„Investing in the Future“ – mit dieser Vision betreibt die Jungheinrich AG seit 2011
systematisch organische Expansion. 2013 nahm das neue Ersatzteillager im schles-
wig-holsteinischen Kaltenkirchen den Betrieb auf. Auf einer Lagerfläche von über
26.500 m² mit rund 166.000 Stellplätzen werden die Lagerbestände aller regionalen
Lager weltweit mit einer Ersatzteilverfügbarkeit von über 98 Prozent gesteuert.
Auftragseingänge werden effizienter bearbeitet, sodass die Kunden in der After-
Sales-Betreuung schneller ihre bestellten Ersatzteile bekommen. Ebenfalls 2013
eröffnete ein neues Werk im chinesischen Qingpu (Shanghai). Es ermöglicht eine
noch bessere Versorgung der Absatzregion mit regionalspezifischen Produkten.
Daneben wurde in den Ausbau der inländischen Produktionswerke mit Schwer-
punkt am Standort Norderstedt sowie in neue Vertriebsstandorte in Deutschland
und Slowenien investiert.

Zudem entwickelt das Unternehmen konsequent den Direktvertrieb weiter, um die
jeweiligen regionalen Marktpotenziale umfassender nutzen und ausschöpfen zu
können. 2012 eröffnete die Repräsentanz in Indien, 2014 in Malaysia, 2015 in Süd-
afrika, Rumänien und Australien, 2016 in Chile. Auch durch Akquisitionen stärkte
das Management das globale Vertriebsnetz – 2015 beispielsweise durch den Kauf
von NTP Forklifts Australia. Heute ist Jungheinrich in 40 Ländern mit Direkt-
vertriebsgesellschaften vertreten.

Auch die Stärkung des Versandhandels zählt zu den systematischen wertschöpfen-
den Maßnahmen des Managements. 2016 startete die B2B-Verkaufsplattform Profi-
shop in der Schweiz mit einer eigenen Gesellschaft. Die Online-Präsenz wurde 2017
mit dem Schweizer Digital Commerce Award als „Bester Onlineshop“ in der Katego-
rie B2B ausgezeichnet. Im selben Jahr startete der Internetverkauf in fünf weiteren
europäischen Ländern. 2018 gab es einen umfassenden Relaunch des Shops,
zudem führte das Unternehmen automatisierte, kundenzentrierte E-Mail-Markting-
Prozesse ein.

Boston Consulting Group                                                            19
Sixt: Digitalisierung in der Mobilität –
                                 Wegweiser aus der Finanzkrise
                                 Der Sixt-Konzern ist ein internationaler Anbieter von Mobilitätslösungen in den Be-
                                 reichen Autovermietung, Carsharing, Ridehailing, Subscriptions und Leasing, wel-
                                 cher in mehr als 100 Ländern vertreten ist. Das Unternehmen vereint auf seiner
                                 Mobilitätsplattform „ONE“ in nur einer App die Mobilitätsangebote Autovermie-
                                 tung, Car- und neuerdings auch Scootersharing sowie Taxi- und Ridehailingdienste.
                                 Erklärtes Ziel des Unternehmens ist es, damit den Kunden eine echte Alternative
                                 zum eigenen Auto zu bieten. Zudem bietet Sixt im Geschäftsbereich Leasing über
                                 das Tochterunternehmen Sixt Leasing SE Flottenleasing und -management für
                                 Firmenkunden an. Privat- und Gewerbekunden können Fahrzeuge auch über die
                                 Online-Plattform von Sixt leasen oder kaufen.

                                 Sixt ist auf dem besten Weg, einer der erfolgreichsten und profitabelsten Mobilitäts-
                                 anbieter weltweit zu werden. 2018 war für das Unternehmen das erfolgreichste Jahr
                                 der Firmengeschichte. Das EBITDA lag bei 912 Millionen Euro, 9,2 Prozentpunkte
                                 über dem Vorjahreswert. Der Konzernumsatz stieg um 12,6 Prozent auf 2,93 Milli-
                                 arden Euro. Zwischen 2008 und 2018 steigerte Sixt seinen Umsatz um Faktor 1,7,
                                 während das EBT sogar um Faktor 3,9 anstieg (der Einmaleffekt durch den Verkauf
                                 von DriveNow in 2018 ist in diesen Zahlen exkludiert). Entsprechend stieg auch die
                                 Marktkapitalisierung von Sixt in diesem Zeitraum rasant von 0,3 Milliarden Euro in
                                 2008 auf zeitweise über 4 Milliarden Euro im Jahr 2018 an.

                                 Der Markt für Autovermietung befindet sich seit vielen Jahren in einem Konsoli-
                                 dierungsprozess. So reduzierte sich die Zahl der selbstständigen Autovermieter bei-
                                 spielsweise in Deutschland seit 2008 von 540 auf aktuell rund 300. Die Integration
                                 digitaler Services und ein breites Angebot an Carsharing-Angeboten veränderten

Abbildung 13 | Sixt SE: UMSATZ- UND ERGEBNISENTWICKLUNG 2008 – 2018
EBITDA-                                                                                                        TSR im
Marge      32,2      29,5     31,4       32,7      30,2      30,2     30,4    29,1    31,4    32,1    31,1    Zeitraum
(%)                                                                                                            von IPO bis
                                                                                                       0,91    2018 (%)
                                                                                               0,83
                                                                                       0,76
                                                                               0,63                              33
           0,57                                                        0,55
                    0,47      0,48      0,51       0,48      0,50
EBITDA
(Mrd. €)

                                                                                                       2,93
Umsatz                                                                                         2,60
                                                                                       2,41
(Mrd. €)                                                                       2,18
            1,77                                                       1,80
                     1,60      1,54      1,56      1,60      1,65

            2008     2009      2010      2011      2012      2013      2014    2015    2016    2017   2018
1. EBITDA und EBITDA-Marge auf Basis der Jahresabschlüsse berechnet.
Quelle: Jahresabschlüsse Sixt SE 2008 – 2018; BCG-Analyse.

                                 20                                      Comeback Kids 2019: Durchstarten nach der Finanzkrise
das Verbraucherverhalten. Der eigene Pkw ist für immer weniger Menschen erstre-
benswert. Noch ist der Carsharing-Markt in Deutschland fragmentiert und die rund
2,1 Millionen Nutzer verteilen sich auf 165 verschiedene Anbieter. Große Player wie
Sixt treiben die Konzentration jedoch voran.

Finanzkrise – Sixt trotz schwacher Konjunktur profitabel
Der Mietwagenmarkt ist grundsätzlich stark konjunkturabhängig. Schwankungen
wirken sich sofort auf das Buchungsverhalten der Kunden aus. Anders für Sixt:
Selbst die Finanzkrise, die ihren Höhepunkt Ende 2008 hatte, führte lediglich zu
einem 10,7-prozentigen Umsatzrückgang von 2008 auf 2009 und hinderte Sixt im Ge-
gensatz zu einigen anderen Autovermietern nicht daran, stets Gewinne auszuweisen.

Kosten- und Effizienzoptimierung
Der größte Kostenblock in der Autovermietung sind die Fuhrparkkosten. Um diese
zu reduzieren, verkleinerte Sixt 2009 im Zuge der internationalen Wirtschaftskrise
und der damit einhergehenden geringeren Nachfrage die globale Flottengröße um
2,8 Prozent auf 121.000 Fahrzeuge. Diese Maßnahme, zusammen mit anderen,
führte zu einem Rückgang der Flottenkosten um 7,4 Prozent. Da die Haltedauer der
Fahrzeuge durchschnittlich sechs Monate beträgt, wurden diese Effekte aber erst
zeitversetzt wirksam. Auch in den Folgejahren behielt Sixt die Optimierung der
Kosten weiter im Blick. Im Leasinggeschäft wurden vor allem die Konditionen ange-
passt. Nach dem Grundsatz „Ertrag vor Umsatz“ verringerte sich von 2008 auf 2009
auch die Zahl der Verträge.

Seit 2008 trug auch dieses effektive Kostenmanagement dazu bei, dass der Gewinn
vor Steuern um 289 Prozent auf 337 Millionen Euro im Jahr 2018 gesteigert werden
konnte, während der Umsatz um 65 Prozent zulegte. Der Markt honorierte diese
äußerst positive Entwicklung. Mit einer Marktkapitalisierung von zeitweise vier Mil-
liarden Euro im Jahr 2018 ist Sixt der höchstbewertete, an der Börse gelistete Auto-
vermieter weltweit.

Organisches Wachstum – den US-Markt im Visier
Sixt legt seinen Fokus auf organisches Wachstum und treibt dabei seine Internatio-
nalisierung stetig voran. Im Zentrum der Auslandsexpansion stehen die lukrativen
Märkte USA und Westeuropa. Der Umsatzanteil in der Autovermietung außerhalb
Deutschlands stieg kontinuierlich seit dem Jahr 2008 von 27 Prozent auf aktuell
60 Prozent. Sixt baut nicht nur das eigene Stationsnetz und die Fahrzeugflotte aus,
sondern erweitert auch zunehmend sein Franchise-Netzwerk. In strategisch wichti-
gen Märkten gibt es zudem seit 2015 dedizierte Partner-Vertriebsbüros.

Vor allem im US-Markt ist Sixt stark gewachsen. 2011 eröffnete der Autovermieter
erstmals in Florida eine eigene Vermietstation. Es folgte der Aufbau weiterer Statio-
nen sowie eines Franchise-Netzwerks mit Fokus auf Premiummarken. Vor allem
Touristen aus Europa sowie Nord- und Südamerika gehörten zu den Nutzern der
Sixt-Fahrzeuge. Bereits zwei Jahre nach dem Start in den USA arbeiteten die ersten
Stationen profitabel, sodass bis 2014 die Niederlassungen auf 50 Stationen erwei-
tert werden konnten. Im Jahr 2016 stellten einheimische Kunden (US-Bürger) erst-
mals die größte Kundengruppe in den USA dar; seit 2017 ist der US-Markt in den
schwarzen Zahlen. Heute ist Sixt bereits der viertgrößte Autovermieter in den USA.

Boston Consulting Group                                                           21
Auch in Westeuropa konnte der deutsche Marktführer Sixt seine Marktanteile
                                  immer weiter erhöhen – hier vor allem in den touristisch stark frequentierten Län-
                                  dern Frankreich, Spanien und Italien. Zur Steigerung der Markenbekanntheit, die in
                                  Deutschland bereits 95 Prozent beträgt und in seinen Corporate-Märkten zweistel-
                                  lig wächst, investiert Sixt in große und aufmerksamkeitsstarke Werbekampagnen.

Abbildung 14 | Sixt SE: ANTEIL DER RESERVIERUNGEN PER INTERNET UND MOBILESERVICES
(ONLINE) IM SEGMENT AUTOVERMIETUNG 2008 – 2018
                                                                                                                    100 %

                                                                                                                    80 %
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      2008         2009         2010         2011        2012   2013       2014      2015     2016      2017      2018
Quelle: Jahresabschlüsse Sixt SE 2008 – 2018; BCG-Analyse.

                                  Fokussierung – First Mover im Mobilitätsmarkt
                                  Die Chancen der Digitalisierung erkannte und nutzte Sixt bereits früh. Schon 2008
                                  bot das Unternehmen die Buchung über eine App an, seit 2017 kann man Sixt-
                                  Autos auch über Amazon Echo (Alexa) mieten. Seine Online-Aktivitäten verbesser-
                                  te Sixt seit der Finanzkrise stetig.

                                  Seit 2011 kooperierte Sixt beim Carsharing-Anbieter DriveNow mit BMW – beide
                                  Unternehmen hielten jeweils 50 Prozent. 2018 verkaufte Sixt die Anteile an Drive-
                                  Now bei einer Unternehmensbewertung von ca. 420 Millionen Euro und launchte
                                  im März 2019 seine eigene innovative Mobilitätsplattform „ONE“ samt der neuen
                                  Sixt-App, die die Produkte Autovermietung, Car- und Scootersharing sowie die Ver-
                                  mittlung von On-Demand und Pre-Booked Taxifahrten sowie Ridehailing-Services
                                  in nur einer App bündelt. Dafür schließt Sixt stetig neue strategische Partnerschaf-
                                  ten, beispielsweise mit dem US-amerikanischen Ridehailer Lyft oder dem jungen
                                  Scooter-Anbieter Tier. Mit Sixt share verschwimmen erstmals die Grenzen zwischen
                                  Carsharing und klassischer Autovermietung. Der Kunde kann sein Auto über einen
                                  Zeitraum von einer Minute bis zu 28 Tagen flexibel anmieten und dieses in allen
                                  Sixt-share Geschäftsgebieten sowie an über 500 deutschen Sixt-Stationen zurückge-
                                  ben.

                                  Mit einem vielfältigen und innovativen Mobilitätsangebot bindet Sixt immer mehr
                                  Kunden auf seiner Plattform. Die Mobilitätsplattform bietet den Kunden Zugang zu
                                  über 270.000 Fahrzeugen, 2.100 Stationen und 1,5 Millionen Fahrern in 250 Städten

                                  22                                  Comeback Kids 2019: Durchstarten nach der Finanzkrise
weltweit. Profitabler als andere Autovermieter und New-Mobility-Anbieter baut Sixt
seine Marktposition weiter aus. Das Unternehmen hat sich in den Jahren seit der
Finanzkrise von einem deutschen Autovermieter zu einem globalen Mobilitäts-
dienstleister entwickelt. Weiteres Wachstum wird sowohl durch die internationale
Expansion des Kerngeschäfts als auch durch den Ausbau und die Weiterentwick-
lung der digitalen Produkte erwartet.

Boston Consulting Group                                                        23
Axel Springer: Vom Zeitungshaus zum Medien- und
                                  Technologieunternehmen
                                  Die Axel Springer SE ist ein traditionsreicher Medienkonzern. Das Geschäft ist in
                                  drei Segmente unterteilt: Classifieds Media bündelt die digitalen Rubrikenangebote
                                  aus den Bereichen Immobilien mit AVIV (unter anderem Seloger Group in Frank-
                                  reich, Immowelt in Deutschland und Immonet in Belgien) und aus den Bereichen
                                  Jobs mit StepStone. Marketing Media bietet reichweitenbasierte Vermarktung wie
                                  idealo.de, Bonial oder finanzen.net. Der Bereich News Media umfasst vor allem die
                                  journalistischen Angebote wie BILD und WELT, aber auch die internationalen Mar-
                                  ken wie BUSINESS INSIDER oder POLITICO Europe.

                                  Seit der Finanzkrise setzt der Axel-Springer-Konzern konsequent auf den Ausbau
                                  digitaler Geschäftsaktivitäten. Durch die zahlreichen Engagements im Digitalmarkt
                                  ist Axel Springer sehr gut aufgestellt und hat mittlerweile langjährige Erfahrung in
                                  der Integration von Unternehmen und der Implementierung neuer Technologien.
                                  Zuletzt hat das Unternehmen seine Strategie neu fokussiert und setzt auf beschleu-
                                  nigtes Wachstum, um Weltmarktführer bei digitalem Journalismus und in den digi-
                                  talen Rubrikenangeboten zu werden. Springer nutzt dabei unter anderem gezielt
                                  Synergien, indem Synergien zwischen neuen Content-basierten digitalen Produkte
                                  und Printmedien gehoben werden. Beteiligungen an privaten Hörfunksendern
                                  erlauben es Axel Springer zudem, am stark wachsenden Podcast-Markt zu partizi-
                                  pieren. Bis zum Jahr 2023 werden hier bei den Werbeumsätzen Steigerungsraten
                                  von jährlich durchschnittlich 25 Prozent prognostiziert.

                                  Axel Springer gehört heute zu den erfolgreichsten Medienunternehmen Europas.
                                  2018 legten die Umsatzerlöse des Konzerns um 4,1 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro
                                  zu. Das bereinigte EBITDA stieg um 14 Prozent auf 738 Millionen Euro. 84 Prozent

Abbildung 15 | AXEL SPRINGER SE: UMSATZ- UND ERGEBNISENTWICKLUNG 2008 – 2018

EBITDA-                                                                                                          TSR im
Marge      17,8      12,8      17,7      18,6      18,2       16,2      16,7      17,0   18,1   21,1    23,2    Zeitraum
(%)                                                                                                              von IPO bis
                                                                                                         0,74    2018 (%)
                                                                                                 0,65
                                         0,59                                      0,56   0,60
           0,49                0,51                0,50                 0,51                                       17
                                                              0,45
EBITDA             0,33
(Mrd. €)

                                          3,19                                     3,30   3,29           3,18
                                                                         3,04                    3,06
Umsatz                          2,89                          2,80
            2,73      2,61                          2,74
(Mrd. €)

            2008     2009       2010      2011      2012      2013      2014       2015   2016   2017    2018

1. Ohne Berücksichtigung der Beiträge von sonstigen Services/Holding zum EBITDA.
Quelle: Jahresabschlüsse Axel Springer SE 2008 – 2018; BCG-Analyse.

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