Fahrplan für mehr Wettbewerb - Handlungsempfehlungen zur Zukunft der Berliner Daseinsvorsorge
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Inhalt I. Daseinsvorsorge – eine wichtige Aufgabe in der Sozialen Marktwirtschaft .................................. 3 II. Der Weg der Berliner Regierungskoalition zur Sicherung der Daseinsvorsorge: Staatlichen Einfluss durch Rekommunalisierung stärken...................................................................... 5 1. Wie soll der staatliche Einfluss in den einzelnen Bereichen der Daseinsvorsorge konkret ausgedehnt werden?.................................................................................................................. 5 2. Welche Risiken birgt die Ausweitung des staatlichen Einflusses in der Daseinsvorsorge?......................................................................................................................................... 6 III. Der ordnungspolitisch überzeugende Weg zur Sicherung der Daseinsvorsorge: Mehr Wettbewerb schaffen........................................................................................................................... 9 1. Welche guten Gründe sprechen für mehr Wettbewerb?................................................................. 9 2. Wettbewerb fördern, Effizienz steigern, Privatisierungen einleiten – Warum jetzt handeln?.............................................................................................................................10 3. Beispiele für die positiven Wirkungen von Wettbewerb...............................................................12 a. Beispiele aus Europa............................................................................................................................12 b. Beispiele auf Bundesebene................................................................................................................12 c. Beispiele aus Berlin..............................................................................................................................14 IV. Wie könnte der Fahrplan für mehr Wettbewerb in der Berliner Daseinsvorsorge aussehen?...15 1. Überblick über die Öffentlichen Unternehmen in Berlin .............................................................15 2. Vorschläge für Daseinsvorsorgebereiche mit Monopol-Strukturen...........................................17 a. Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV).....................................................................................17 b. Wasser / Abwasser...............................................................................................................................20 c. Abfallentsorgung..................................................................................................................................23 3. Vorschläge für bereits liberalisierte Daseinsvorsorgebereiche.....................................................25 a. Energie.....................................................................................................................................................25 b. Wohnungsbaugesellschaften ..........................................................................................................27 c. Gesundheitsversorgung......................................................................................................................29 V. Management Summary.................................................................................................................................31 2
I. Daseinsvorsorge – eine wichtige Aufgabe in der Sozialen Marktwirtschaft Daseinsvorsorge ist kein neues Thema. Schon seit Jahrhunderten hat sich die jeweilige Regierung mit der Frage beschäftigt, wie die notwendige Grundversorgung der Bevölkerung sichergestellt werden kann. Wie ist also das Verkehrs- und Beförderungswesen, die Gas-, Wasser-, und Elektrizitätsversorgung, die Müllabfuhr und die Abwasserbeseitigung zu organisieren, damit der Allgemeinheit eine Infrastruktur zur Verfügung steht, die ein sinnvolles menschliches Dasein ermöglicht? Diese Frage ist nicht nur auf Bundesebene oder in einzelnen deutschen Kommunen hoch aktuell, auch in Berlin ist die Diskussion um die Rolle des Staates in der Daseinsvorsorge voll entbrannt. Es vergeht kein Tag, an dem sich nicht ein Politiker dazu äußert, welche Aufgaben das Land Berlin im Bereich der Versorgung der Bevölkerung künftig in eigener Verantwortung wahrnehmen sollte oder welche sonstigen Leistungen von landeseigenen Unternehmen erbracht werden sollten. Sogar die in staatlicher Hand befindlichen öffentlichen Unternehmen bringen sich selbst in die Debatte ein und kündigen zum Teil die Ausweitung ihrer wirtschaftlichen Betätigungen an. Die aktuelle parteiübergreifende Debatte ist nicht nur als ein politisches Strohfeuer zu betrachten, sondern entwickelt sich vielmehr zu einem der zentralen Wahlkampfthemen der Abgeordnetenhauswahl 2011. Welche Rolle wird nun dem Staat in der Daseinsvorsorge zuteil? Grundsätzlich sollte sich jegliches staatliche Handeln in der Bundesrepublik Deutschland an den Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft orientieren. In der Sozialen Marktwirtschaft obliegt dem Staat vorrangig die Gewährleistungsverantwortung für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Der Gewährleistungsstaat stellt nur einen Rahmen bereit, innerhalb dessen die Gesellschaft ihre Angelegenheiten in möglichst gemeinwohlverträglicher Weise selbstverantwortlich erledigt. Der Gewährleistungsstaat garantiert mithin nicht die Erfüllung der Aufgaben in bestimmter Weise, steuert aber die Möglichkeit der Verfolgung und Erreichung gemeinwohlorientierter Ziele durch Rahmensetzung und strukturierende Vorgaben. Erst wenn die Ziele nicht durch Wettbewerb erreicht werden, greift der Staat korrigierend ein und erfüllt öffentliche Aufgaben in eigener Regie. Dies ist unstreitig immer bei den hoheitlichen Aufgaben der inneren und äußeren Sicherheit der Fall. Markt und Wettbewerb, der Vorrang von privater Initiative und privatem Eigentum vor staatlicher Zuständigkeit und staatlichem Eigentum bilden daher in einer funktionierenden Marktwirtschaft die obersten Handlungsmaxime. Nur so wird ein größtmöglicher Entfaltungsspielraum der Menschen gesichert und die Bildung eines leistungsfähigen Mittelstandes ermöglicht, der den Fortbestand einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung sichert. Zur Sicherstellung der Leistungen der Daseinsvorsorge genießen die Kommunen ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit. Gleichwohl steht der Berliner Senat wie alle anderen politisch Verantwortlichen in Deutschland vor der Aufgabe, die Rolle des Gewährleistungsstaates in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation richtig zu interpretieren. Dabei sind grundsätzlich zwei Wege denkbar, die sich vom Ansatz her deutlich unterscheiden und von denen nur einer mit dem Sinn und Zweck des Gewährleistungsstaates vereinbar ist. Zum Einen kann die Rolle des Gewährleistungsstaates dahingehend ausgestaltet werden, dass sich der Staat in allen Bereichen öffentlicher Aufgabenerfüllung zurückzieht und dem Wettbewerb die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung überlässt. Der Staat ist lediglich Schiedsrichter, der mit Hilfe von klaren rechtlichen Vorgaben einen fairen und funktionierenden Wettbewerb zwischen den Marktteilnehmern ermöglicht. Er tritt nur dann als Spieler in Erscheinung, wenn es keinen funktionierenden Wettbewerb gibt und dieser auch nicht durch die Veränderung von Rahmenbedingungen ermöglicht werden kann. Dieses Verständnis der eigentlichen Rolle des Staates mit Gewährleistungsverantwortung entspricht marktwirtschaftlicher Überzeugung. 3
Eine andere Interpretation des Gewährleistungsstaates ist die Rolle des teilnehmenden Staates, d.h. der Staat erfüllt Aufgaben der Daseinsvorsorge selbst durch eigene Unternehmen und Einrichtungen. Hierbei wird der Staat nicht nur in den Bereichen staatlicher Aufgabenerfüllung tätig, in denen kein Wettbewerb besteht, sondern tritt als Mitspieler auch in anderen Bereichen in Erscheinung. Er begibt sich damit bewusst in Konkurrenz zu den privaten Unternehmen und nimmt am Wettbewerb teil. 4
II. Der Weg der Berliner Regierungskoalition zur Sicherung der Daseinsvorsorge: Staatlichen Einfluss durch Rekommu- nalisierung stärken Die Regierungskoalition in Berlin sieht in der Neugestaltung der Daseinsvorsorge eine Haupt aufgabe für die nächste Legislaturperiode. Vorausgesetzt, die Koalition wird auch in den kommenden vier Jahren den Berliner Senat stellen, wird es nach den Ankündigungen der Koalitionspartner zu einer Neudefinition der Rolle des Staates in der Daseinsvorsorge kommen. Die Rolle des Gewährleistungsstaates soll in Zukunft deutlich extensiver interpretiert werden. Dies bedeutet, dass nicht mehr vorrangig Privatisierungschancen oder Möglichkeiten der Liberalisierung geprüft werden, sondern Rekommunalisierungsbestrebungen in verschiedenen Bereichen der Daseinsvorsorge umgesetzt werden sollen. Die Regierungskoalition möchte das Land Berlin künftig stärker als teilnehmenden Wettbewerber einsetzen, der sich bewusst in Konkurrenz zu privaten Unternehmen begibt. Obwohl Rekommunalisierung kein Selbstzweck sein soll, verfolgt die Koalition eine klare Linie der Stärkung oder auch angeblichen Rückgewinnung öffentlichen Einflusses durch die Verstaatlichung von Aufgaben im Wettbewerb. Dabei verspricht sich die Koalition die Einwirkung auf die Preisgestaltung im Markt und damit die Schaffung bezahlbarer Preise für die Bevölkerung, die Gewährleistung der Versorgungssicherheit, aber auch die Erzielung von Einnahmen für den Landeshaushalt durch die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Unternehmen. 1. Wie soll der staatliche Einfluss in den einzelnen Bereichen der Daseinsvorsorge konkret ausgedehnt werden? ... durch Rekommunalisierung der Wasserbetriebe Im Bereich der Wasserver- und Abwasserentsorgung beabsichtigt die Koalition nicht nur die Offenlegung der Privatisierungsverträge, sondern zieht die Rückgängigmachung der im Jahre 1999 vorgenommenen Teilprivatisierung durch den Rückkauf der Anteile der privaten Anteilseigner RWE und Veolia ernsthaft in Erwägung. ... durch Verstärkung des Monopols im Öffentlichen Personennahverkehr Auch im Öffentlichen Personennahverkehr besteht ein Monopol des Landes Berlin. Das landeseigene Unternehmen BVG betreibt nahezu allein den Bus-, U-Bahn- und Straßenbahn-Verkehr in Berlin. Nun wird in der Koalition wegen der Probleme des S-Bahn-Verkehrs in den letzten Jahren eine Übernahme der S-Bahn Berlin GmbH favorisiert, die das bisherige Monopol des Landes Berlin weiter verfestigen würde. Alternativ dazu wird eine Direktvergabe des Betriebs eines Teils des S-Bahn-Netzes an eine Tochtergesellschaft der BVG diskutiert. ... durch Übernahme der Strom- und Fernwärmenetze Die Energieversorgung Berlins wird ebenfalls in der Koalition als ein wichtiges Betätigungsfeld der Öffentlichen Hand angesehen. Daher wird die Übernahme des Strom- und Fernwärmenetzes durch das Land Berlin nach Auslaufen des Konzessionsvertrages geprüft. ... durch Schaffung eines kommunalen Energieversorgers Die Koalition möchte sich aber nicht nur mit der Übernahme der Netze begnügen, sondern erwägt auch die Gründung eines landeseigenen Unternehmens zum Vertrieb und zur Erzeugung von Energie. 5
... durch Integration der GASAG in einen kommunalen Verbund Auch bei der Gasversorgung soll es nach den Vorstellungen der Koalition zu Veränderungen kommen. So wird die Integration der GASAG – nach Erwerb von landeseigenen Anteilen – in einen kommunalen Verbund in Erwägung gezogen. ... durch Ausbau des Wohnungsbestandes der Öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften Nicht zuletzt gibt es auch Tendenzen in der Koalition, den Wohnungsbestand der Öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften durch Neubau von öffentlichen Wohnungen oder aber durch den Kauf von Wohnungen weiter aufzubauen. So wird der Kauf von 20.000 Wohnungen der landeseigenen Berliner Immobilien Holding (BIH) durch das Land Berlin geprüft, das einen Stillstand der Vertragsverhandlungen der BIH mit privaten Investoren bedeuten wird. 2. Welche Risiken birgt die Ausweitung des staatlichen Einflusses in der Daseinsvorsorge? Die Regierungskoalition verbindet verschiedene Ziele mit der Neugestaltung der Berliner Daseinsvorsorge. Dabei birgt der Weg der Verstärkung von Rekommunalisierungsbestrebungen zahlreiche Risiken. Haushaltskonsolidierung gefährdet durch Finanzierung der Rückkäufe Die extrem angespannte Haushaltslage in Berlin lässt keine Finanzierungen für Rückkäufe von privatisierten Unternehmen zu. Schon jetzt ist der Landeshaushalt von einem hohen Schuldenstand von 63 Mrd. EUR gekennzeichnet. Der immense Schuldenstand hat im Vergleich zu anderen Bundesländern außerordentlich hohe Zinszahlungen zur Folge (2010: ca. 2,4 Mrd. EUR). Nach der aktuellen Finanzplanung 2009 bis 2013 wird die Schuldenlast auf fast 70 Mrd. EUR anwachsen. Eine Entspannung der Situation ist nicht erkennbar. Bereits im Jahr 2009 hat Berlin nach dem vorläufigen Jahresabschluss (Stand: 31. Januar 2010) neue Schulden von 2,8 Mrd. EUR aufgenommen. Die finanzielle Schieflage des Berliner Landeshaushalts veranschaulicht auch die folgende Grafik: 23000 22.582 20.860 21.970 22000 Schuldentilgung 21000 20.539 21.840 Finanzierungs- 20000 defizite 19.232 19000 Finanzierungsdefizite 18000 17.339 17000 17.570 16000 15000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 bereinigte Ausgaben bereinigte Einnahmen Quelle: Senatsverwaltung für Finanzen 6
Der finanziellen Schieflage des Berliner Landeshaushalts kann nur mit einer strikten Politik der Konsolidierung und Senkung der Ausgaben begegnet werden. Zusätzliche Milliardenbelastungen gefährden diesen Kurs. Auch die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse verbietet entsprechende Finanzierungen. Wo also sollen die erforderlichen Milliarden Euro herkommen? Der Senat könnte eine Finanzierung lediglich über Kredite sicherstellen. Doch dann dürfen nicht nur die Zinszahlungen betrachtet werden, der Kredit muss auch getilgt werden. Eine Finanzierung über Schulden birgt also ein hohes Risiko, dass die Preise sogar ansteigen werden, da Raten bedient werden müssen. Niedrigere Preise zu Lasten der Steuerzahler Wenn aber die Koalition niedrigere Preise für die Bevölkerung gewährleisten möchte, kann dies nur zu Lasten der Steuerzahler geschehen. Denn in nahezu allen Fällen bedeuten niedrige Preise eine Abkehr vom marktüblichen Preis. Denn im Wettbewerb ist der Preis einer Leistung immer der marktübliche, angemessene Preis. Will die Koalition in die Preisgestaltung eingreifen, muss sie es mit Quersubventionierungen erreichen. Die Folge ist nicht nur, dass die Quersubventionierung vom Steuerzahler getragen werden muss, sondern auch, dass die Anreize der öffentlichen Unternehmen zur wirtschaftlichen Führung ihrer Geschäfte sinken. Denn nur marktgerechte Preise ermöglichen Gewinne und damit eine Weiterentwicklung von Unternehmen. Finanzielle Verluste trägt das Land Berlin, also der Steuerzahler Private Unternehmen tragen die Konsequenzen bei unternehmerischen Fehlentscheidungen selbst und müssen für eventuelle Verluste selbst aufkommen. Dagegen werden in öffentlichen Unternehmen verursachte Verluste vom Staat und damit vom Steuerzahler ausgeglichen. Rekommunalisierungen erhöhen damit das finanzielle Risiko für den Landeshaushalt. Geringere Steuereinnahmen zu erwarten Das stärkere Engagement öffentlicher Unternehmen im Wettbewerb geht zu Lasten privater Unternehmen, denen Marktanteile verloren gehen. Damit verliert das Land Berlin Steuereinnahmen, denn geringere Gewinne privater Unternehmen bedeuten auch geringere Steuereinnahmen für den Staat. Diese Verluste werden auch nicht durch die Gewinne der öffentlichen Unternehmen aufgefangen, da wiederum hier die besondere Preisgestaltung eine Kompensation verhindert. Zudem ist mehr als fraglich, ob öffentliche Unternehmen genauso wirtschaftlich geführt werden wie private Unternehmen. Daher können auch aus diesem Grund keine kompensierenden Einnahmen der öffentlichen Unternehmen erwartet werden. Fehlende Anreizwirkungen der öffentlichen Unternehmen Anreizwirkungen sind für öffentliche Unternehmen nur bedingt vorhanden. Gewinne sind an das Land abzuführen und mögliche Verluste werden ebenfalls vom Land als Gewährträger aufgefangen. Damit kommen die belebenden Wirkungen des Marktes kaum zur Entfaltung. Noch mehr ungelöste Probleme in den öffentlichen Unternehmen Schon jetzt gibt es zahlreiche Probleme in den öffentlichen Unternehmen. So haben die Berliner Landesbeteiligungen in der Vergangenheit mehrfach für negative Schlagzeilen gesorgt. Zu erwähnen sind unter anderem der Streik bei der BVG im Winter 2007/2008 sowie die riskanten Cross-Border-Leasing-Geschäfte der BVG, die zu einem finanziellen Risiko für das Land Berlin in Höhe von 200 Mio. US-Dollar geführt haben. Ein weiteres Beispiel ist der zwischen der Messe Berlin und der Berliner Immobilienmanagement GmbH bestehende Wettbewerb um die Akquisition von Messen. Es schadet dem Messestandort Berlin, wenn zwei landeseigene Unternehmen beim Messegeschäft um die selben Kunden buhlen. Dem zuständigen Senat ist es bis heute nicht gelungen, die Einhaltung des verabredeten Abstimmungsprozedere sicher zu stellen. Zudem gab es 2010 erhebliche Mängel in der Vergabepraxis der HOWOGE. Schließlich ist die Zukunft von 7
Charité und Vivantes mit einem Investitionsstau von mehr als 1 Mrd. EUR bis zum Jahr 2015 immer noch ungeklärt. Durch die Übernahmen weiterer Aufgaben könnten sich die Probleme mit den landeseigenen Unternehmen noch vervielfachen. Schattenhaushalte werden aufgebläht Schon jetzt gibt der Haushaltsplan oftmals nur ein unzutreffendes Bild der finanziellen Wirklichkeit in den Berliner Landesbeteiligungen wieder. Die Wirtschaftspläne der kommunalen Betriebe gehören zwar zum Haushaltsplan. Die finanzwirtschaftlichen Daten der ausgegliederten Aufgabenbereiche sind allerdings in den Anlagen abgebildet und werden nicht im zentralen Haushalt verbucht. Mit der Gründung oder Aufgabenerweiterung von landeseigenen Unternehmen wird eine Aussage über die gesamte Finanzsituation von Berlin weiter erschwert, obwohl zugleich das Land Berlin für Verluste der öffentlichen Unternehmen verantwortlich ist. Effizienzverluste drohen Werden Leistungen der Daseinsvorsorge nicht mittels Ausschreibung in den Wettbewerb gegeben, sondern öffentliche Unternehmen direkt beauftragt, unterbleibt ein Preis- und Kostenvergleich zwischen potenziellen Anbietern. Vergibt der Senat also ohne Ausschreibung z. B. ÖPNV-Aufträge – wie 2008 mit der Vergabe der Nahverkehrsdienstleistungen an die BVG geschehen, dann verzichtet er langfristig auf einen Preis- und Qualitätswettbewerb. 8
III. Der ordnungspolitisch überzeugende Weg zur Sicherung der Daseinsvorsorge: Mehr Wettbewerb schaffen Der Wettbewerb ist ein tragendes ökonomisches Prinzip der freiheitlichen Gesellschaftsordnung. Führt der „freie“ Wettbewerb zunächst nicht zu den gewünschten gesellschaftlichen Ergebnissen, so können diese bevorzugt durch Steuerung des Wettbewerbs und nicht erst durch dessen gänzliche Beseitigung erreicht werden. Es ist ein Irrtum zu glauben, die Stärkung staatlichen Einflusses im Bereich der Daseinsvorsorge kann nur über eine Teilnahme am oder eine Ausschaltung von Wettbewerb erfolgen. Dabei werden die wahren Gründe für die unbefriedigende Situation in einigen Bereichen der Berliner Daseinsvorsorge verkannt und die positiven Effekte von Markt und Wettbewerb für den Bürger und die Wirtschaft unterschätzt. Denn nicht der Staat treibt den Wandel zu mehr Wohlstand voran, sondern die Innovationskraft der Unternehmen. Die Schaffung von mehr Wettbewerb ist daher eine Investition in Innovation und Effizienz zum Wohle der Unternehmer und Bürger. 1. Welche guten Gründe sprechen für mehr Wettbewerb? Wettbewerb schafft faire Preise Nur der Wettbewerb ermöglicht die Herausbildung eines angemessenen, marktgerechten Preises. Quersubventionierungen sind ausgeschlossen, da sonst der wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens gefährdet wäre. Wettbewerb gewährleistet auch Versorgungssicherheit Auch die Aufgabenerfüllung in privater Trägerschaft gewährleistet die Versorgungssicherheit in der Daseinsvorsorge. Denn im Wettbewerb ist der Auftragnehmer darauf bedacht, den Auftrag anforderungsgemäß zu erfüllen, da er anderenfalls durch ein anderes Unternehmen ersetzt werden würde. Versorgungssicherheit ist auch eine Frage der richtigen Vertragsgestaltung. Wettbewerb entlastet den Landeshaushalt Werden staatliche Aufgaben der Daseinsvorsorge in einem Vergabeverfahren ausgeschrieben, mit dessen Hilfe sich der Anbieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot durchsetzt, reduzieren sich die notwendigen Zuwendungen des Staates. Zugleich trägt das private Unternehmen das unternehmerische Risiko. Wettbewerb zwingt zu Innovationen Freier Wettbewerb bedingt, dass nur konkurrenzfähige Unternehmen langfristig am Markt überleben. Sie haben effiziente Strukturen und die Fähigkeit, sich ständig zu erneuern und mit Innovationen neuen Gegebenheiten anzupassen. Damit leisten Sie einen enormen Beitrag zum wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt. Dieser Prozess findet auch auf Märkten mit natürlichen Monopolen statt, sofern es zu wiederkehrenden Ausschreibungen und damit zu einem Wettbewerb um den Markt kommt. Spätestens im Moment der Ausschreibung setzt sich jenes Unternehmen durch, das im Vorfeld Innovationen hervorgebracht hat, da ihm diese ein überlegenes Angebot ermöglichen. Öffentliche Unternehmen, die sich nicht dem Wettbewerb stellen müssen, sind einem derartigen Innovationsdruck dagegen nicht ausgesetzt, was ihre Innovationsfähigkeit langfristig erlahmen lässt. Damit werden Potenziale zur besseren Verwendung knapper Ressourcen verschenkt und der Fortschritt verlangsamt. 9
Wettbewerb birgt weniger Gefahren von Interessenkollisionen In über 50% aller Landesbeteiligungen werden Aufsichtsratsmandate von Senatoren oder Staatssekretären wahrgenommen, denen die fachliche Zuständigkeit für den jeweiligen Landesbetrieb obliegt. In einigen Fällen ist sogar das fachlich zuständige Senatsmitglied im Aufsichtsrat vertreten, das gleichzeitig die Rechts- oder Staatsaufsicht über das betreffende Landesunternehmen ausübt. Nach § 6 des Berliner Senatorengesetzes dürfen Senatoren nur in vom Senat ausdrücklich zugelassenen Ausnahmefällen überhaupt einem Organ oder Gremium eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören. Dieser Rechtsgedanke der Vermeidung von Interessenkollisionen aufgrund einer Verflechtung von Aufsichtsratsmandat und politischem Mandat findet sich auch im Berliner Corporate Governance Kodex (BCGK) wieder. Dieser enthält detaillierte Regelungen darüber, wann eine solche Interessenkollision anzunehmen ist und der Amtsinhaber daher nicht einem (Aufsichts-)Organ eines landeseigenen Unternehmens angehören darf. Die gegenläufige Praxis in den Berliner Landesbeteiligungen widerspricht dem Sinn und Zweck des BCGK. Zudem besteht die Gefahr, dass die fachliche Kompetenz eines Bewerbers für ein Aufsichtsgremium wegen politischer „Besetzungsabsprachen“ in den Hintergrund tritt, was gegebenenfalls zu Lasten des Unternehmenserfolgs gehen könnte. 2. Wettbewerb fördern, Effizienz steigern, Privatisierungen einleiten – Warum jetzt handeln? Jetzt handeln, weil der Berliner Landeshaushalt dazu zwingt. Die kritische Haushaltslage in Berlin zwingt zum Handeln. Berlin hat jährliche Einnahmen und Ausgaben von jeweils ca. 20 Mrd. EUR. Zudem ist der Aktionsspielraum durch den gewaltigen Schuldenstand von 63 Mrd. EUR äußerst klein und wird sich noch weiter verkleinern, da nach der aktuellen Finanzplanung 2009 bis 2013 der Schuldenberg auf fast 70 Mrd. EUR anwachsen wird. Die hohe Schuldenlast bedingt überdies sehr hohe Zinszahlungen (2010: ca. 2,4 Mrd. EUR). Auch weil der Landeshaushalt wenig Spielraum lässt, ist eine kritische Überprüfung aller nicht hoheitlichen Aufgaben, die bisher vom Land wahrgenommen werden, unentbehrlich und muss über alternative Finanzierungsstrategien der öffentlichen Aufgaben nachgedacht werden. Jetzt handeln, weil die Schuldenbremse greift und der Solidarpakt endet. Eine weitere Herausforderung für Berlin ist die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse. Berlin steht vor der schweren Aufgabe, trotz der schwierigen Haushaltslage seine künftige Haushaltspolitik so auszurichten, dass es vom Jahr 2020 an in der Lage ist, den Vorgaben der neuen Schuldenregeln des Grundgesetzes zu entsprechen und ohne Kreditaufnahmen auszukommen. Berlin soll zwar Konsolidierungshilfen in Höhe von 80 Mio. EUR erhalten. Voraussetzung für die Zahlung der Konsolidierungshilfen ist aber, dass die Länder bis zum Jahr 2020 ihr im Jahr 2010 gemessenes strukturelles Defizit in gleichmäßigen Schritten abbauen. Zudem muss Berlin 1,7 Mrd. EUR kompensieren, die durch den schrittweisen Verlust der Mittel aus dem Solidarpakt Ost bis 2020 wegfallen. Privatisierungserlöse können einen erheblichen Beitrag zur Einhaltung des Konsolidierungspfades leisten. Jetzt handeln, weil die Staatsquote in Berlin überdurchschnittlich hoch ist. Berlin hat im Vergleich zu anderen Bundesländern eine überdurchschnittlich hohe Staatsquote von ca. 60%. Die durchschnittliche Staatsquote in Deutschland beträgt derzeit 48%. Auch aus diesem Grund fordert die IHK Berlin seit jeher, dass der Senat in Bereichen, die nicht zu den staatlichen Kernaufgaben zählen, notwendige Privatisierungsmaßnahmen einleitet. In vielen Städten und Gemeinden setzt man bereits erfolgreich auf Kenntnisse und Fähigkeiten der privaten Unternehmer. Berlin sollte dieser Entwicklung nicht hinterher schauen, sondern die Gestaltung seiner Zukunft selbst aktiv in Angriff nehmen. 10
Jetzt handeln, weil das Bundesverfassungsgericht unzureichende Konsolidierungsmaßnahmen bestätigt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat die Haushaltsnotlagenklage mit einstimmigem Urteil vom 19. Oktober 2006 abgewiesen. Die Richter sahen eine extreme Haushaltsnotlage als nicht gegeben an, weil das Land Berlin noch nicht alle Potenziale für eigene Konsolidierungsanstrengungen genutzt habe. Berlin wird im Urteil vorgehalten, noch längst nicht alle Möglichkeiten zur Steigerung seiner Einnahmen – etwa durch Vermögensveräußerungen (Wohnungen) – und zur Reduzierung seiner Ausgaben (öffentliche Sicherheit, Wissenschaft, Kultur, Soziales, Gesundheit) ausgeschöpft zu haben. Damit hat auch das Bundesverfassungsgericht dem Berliner Senat bescheinigt, dass im Rahmen der Haushaltssanierung auch an den Verkauf von Berliner Landesbeteiligungen gedacht werden muss. Jetzt handeln, weil die Probleme der öffentlichen Unternehmen weiter zunehmen. Die öffentlichen Unternehmen Berlins haben in der Vergangenheit mehrfach für negative Schlagzeilen (BVG-Streik im Winter 2007/2008, riskante Cross-Border-Leasing-Geschäfte der BVG, Mängel in der Vergabepraxis der HOWOGE, etc.) gesorgt. Zu erwähnen sind auch die hohen Schulden der öffentlichen Unternehmen. Zwar hat sich der Schuldenstand der Landesbeteiligungen im Zeitraum von 2006 bis 2008 von 11,384 Mrd. EUR auf 10,389 Mrd. EUR verringert. Im Jahr 2009 sind die Schulden jedoch wieder um über 100 Mio. EUR auf 10,483 Mrd. EUR angestiegen. Die akuten Probleme in den Landesunternehmen sind daher mehr als Anlass genug, um über alternative Strategien der Sicherung der Daseinsvorsorge nachzudenken. Dabei sollte vorrangig geprüft werden, ob Aufgaben der Daseinsvorsorge risikoärmer und effizienter durch private Unternehmen erledigt werden können. Als Alternative kommt zumindest die Vergabe öffentlicher Aufträge an private Unternehmen in Betracht. Jetzt handeln, weil die Konjunktur an Fahrt gewinnt. Überall in Deutschland ist eine positive Konjunkturentwicklung zu beobachten. Es wird mit einem BIP-Wachstum von über 3% in 2010 gerechnet. Der Aufwärtstrend beim Abbau der Arbeitslosigkeit ist ungebrochen. Auch in Berlin hat sich die Konjunktur erholt, wenngleich die Stadt strukturbedingt nicht so stark von der Finanzmarktkrise betroffen war. Für 2010 ist in Berlin ein Absinken des Arbeitslosenzahlen auf unter 230.000 (-3,0%) zu erwarten – der niedrigste Wert seit 1995. Das positive Konjunkturklima lockt Investoren an. Daher werden sich mit weiteren Veräußerungen der öffentlichen Beteiligungen gute Preise erzielen lassen, die zur Sanierung des maroden Landeshaushalts genutzt werden können. Jetzt handeln, weil die neue Legislaturperiode eine Chance für neue Wege bietet. Im Herbst 2011 beginnt eine neue Legislaturperiode des Berliner Senats. Deshalb ist jetzt die Gelegenheit, über eine Neuordnung der Daseinsvorsorge in Berlin und damit der Berliner Landesbeteiligungen nachzudenken und damit gleich den Beginn der Legislaturperiode für wichtige Strukturveränderungen zu nutzen. Jetzt können die Weichen gestellt werden für mehr Wettbewerb in diesem Bereich. Das Handlungspotenzial für die neue Landesregierung ist groß, da demnächst einige Konzessionsverträge auslaufen. So endet der Konzessionsvertrag für das Gasnetz bereits Ende 2013 und der für das Stromnetz Ende 2014. Die Möglichkeit, neue Akzente bei der Ausgestaltung der neuen Konzessionsverträge zu setzen, ist daher jetzt gegeben. 11
3. Beispiele für die positiven Wirkungen von Wettbewerb Liberalisierungsbestrebungen auf dem Energiemarkt und im Telekommunikationsbereich haben gezeigt, dass das Aufbrechen staatlicher Monopole und die Einführung eines marktwirtschaftlichen Wettbewerbs zu niedrigeren Preisen und besserer Qualität der vormals staatlichen bzw. monopolartig angebotenen Dienstleistungen und Güter führen kann. Nie war Telefonieren und Fliegen so günstig wie heute. Die zahlreichen Unternehmen stellen innovative Produkte her und schaffen eine hohe Anzahl neuer Arbeitsplätze. Es gibt zahlreiche Beispiele für erfolgreiche Privatisierungen in Europa sowie in Deutschland auf Bundes- und Landesebene, die belegen, dass der Weg des Wettbewerbes nicht nur ordnungspolitisch richtig ist, sondern sich auch in der Praxis bewährt hat. a. Beispiele aus Europa Mit der europaweiten Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte, der Post und Bahn sowie der Energie-, Wärme- und Wasserversorgung sind in ganz Europa zahlreiche neue Unternehmen und Arbeitsplätze entstanden. Italien Ein Beispiel für eine erfolgreiche Privatisierung ist die Fluggesellschaft Alitalia. Das Unternehmen ist von einem Bündnis aus italienischen Banken und Unternehmen übernommen worden. Der Umsatz kletterte im ersten Quartal 2010 von 515 Mio. EUR auf 639 Mio. EUR. Der operative Verlust sank von 210 Mio. EUR auf 125 Mio. EUR. Im zweiten Quartal setzte sich dieser Trend fort. Weitere Beispiele erfolgreicher Privatisierungen sind im Bereich Energie die ENEL SpA, im Bereich Telekommunikation die Telecom Italia SpA und im Bereich Verkehr die Autostrade per l’Italia SpA. Polen Auch Polen folgt dem Privatisierungstrend und hat im Jahr 2010 umfangreiche Privatisierungsprojekte mit einem klaren Schwerpunkt auf dem Energiesektor in Angriff genommen bzw. zu Ende geführt. Daneben sollen auch Telekommunikationsunternehmen, Banken und Messegesellschaften privatisiert werden. Frankreich Zwar ist der Bahn- und Flugverkehr in Frankreich noch in staatlicher Hand. Allerdings wurden auch in Frankreich im Bereich der Energieversorgung (Gaz de France, EdF) und den Fernsprechnetzen (France Telecom, SFR) bereits Privatisierungen vorgenommen. Weiter zu nennen sind Aérospatiale / Matra, die Fluggesellschaft Air France und der Pharma- und Chemiekonzern Rhône-Poulenc. b. Beispiele auf Bundesebene Auch auf Bundesebene gibt es zahlreiche Beispiele, die den Erfolg von Privatisierungen ehemaliger Staatsunternehmen belegen. Der dadurch entstandene Wettbewerb hat in vielen Fällen zu deutlich höherer Leistungsqualität und stark gesunkenen Preisen geführt. Deutsche Post – Postbank Die Privatisierung der ehemaligen Deutschen Bundespost gilt als eine der größten Reformen der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Die Bundespost wurde zunächst organisatorisch in die Postdienste, die Telekommunikationsdienste und die Postbankdienste getrennt. Einige Jahre später wurden diese drei Bereiche in eigenständige Aktiengesellschaften umgewandelt. Die Deutsche Post AG ist heute das größte Logistik- und Postunternehmen weltweit sowie – gemessen an der Zahl der Mitarbeiter von über 500.000 – das größte Unternehmen Europas. Im Geschäftsjahr 2009 erzielte der Konzern einen Gewinn von 231 Mio. EUR. Die Postbank Gruppe verzeichnete im Geschäftsjahr einen Gewinn von 131 Mio. EUR und beschäftigt rund 209.000 Mitarbeiter. 12
Dabei muss Liberalisierung weder zum Verlust der Versorgungsqualität noch zum Abbau von Arbeitsplätzen führen. Neben der Deutschen Post AG sind zahlreiche weitere Post- und Paketdienstleistungsunternehmern entstanden wie beispielsweise TNT Post Deutschland oder die PIN Mail AG, mit der Berliner Behörden ihre Post versenden. Seit dem 1. Juli 2010 sind auch die Universaldienstleistungen, welche durch Wettbewerber der Deutschen Post AG erbracht werden, von der Umsatzsteuer befreit. Damit kann es hier zu einem echten und uneingeschränkten Wettbewerb im Bereich der Universaldienstleistungen kommen. Telekom Als derzeit größter Aktionär der Telekom erhält der Bund jährlich beachtliche Dividenden. Zudem entfallen dadurch für den Staat die Beamtenbesoldungen, weil diese faktisch nun von dem Unternehmen getragen werden müssen. Die Deutsche Telekom AG gilt als Europas größtes Unternehmen im Bereich der Telekommunikation. Im Geschäftsjahr 2009 erwirtschaftete die Deutsche Telekom AG einen Umsatz von 64,6 Mrd. EUR. Das Unternehmen beschäftigt weltweit 258.000 Mitarbeiter. Daneben können sich zahlreiche weitere Telekommunikationsunternehmen wie z. B. Vodafone, O2, E-Plus etc. erfolgreich auf dem deutschen Markt behaupten. Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Privatisierungen keinesfalls zum Abbau von Arbeitsplätzen führen. In kaum einem Sektor sind in den vergangenen Jahrzehnten so viele neue Arbeitplätze und innovative Produkte entstanden wie im Telekommunikationsbereich – und das bei steigender Qualität zu ständig sinkenden Preisen. Lufthansa Die Deutsche Lufthansa AG ist seit 1997 vollständig privatisiert. Das Unternehmen erhielt dadurch deutlich mehr Freiraum und konnte expandieren. Die Lufthansa AG ist heute einer der größten weltweit agierenden Konzerne in der Zivilluftfahrtbranche, beschäftigt derzeit ca. 118.000 Mitarbeiter und erzielte im Jahr 2009 einen Gewinn von 130 Mio. EUR. Die Lufthansa kann sich trotz der starken Konkurrenz durch andere Fluggesellschaften nach wie vor hervorragend am Markt behaupten. Trotz der Vorrangstellung der Lufthansa konnte sich mit Air Berlin ein weiteres Unternehmen als ernste Konkurrenz im nationalen und europäischen Flugverkehr etablieren. Air Berlin ist mittlerweile die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft. Bahnverkehr – ÖPNV Mit der Bahnreform wurden 1994 die Deutsche Bahn AG gegründet und die Schienenwege für private Eisenbahnunternehmen geöffnet. Im Güterverkehr gibt es bereits zahlreiche Konkurrenz unternehmen. Im Personenschienenfernverkehr hat die Deutsche Bahn dagegen bislang wenig Konkurrenz. Dennoch konnte sich überregional beispielsweise der zwischen Leipzig, Berlin und Rostock fahrende InterConnex des französischen Unternehmens Veolia etablieren. Demnächst will auch das Berliner Unternehmen Locomore der Deutschen Bahn im Fernverkehr Konkurrenz machen. Ab Mitte nächsten Jahres soll der private Hamburg-Köln-Express dreimal täglich fahren. Im Personenschienennahverkehr gibt es mittlerweile in zahlreichen Städten und Gemeinden im gesamten Bundesgebiet erfolgreiche private Nahverkehrsunternehmen. Die Trennung von Netz und Betrieb im Schienenverkehr und die Ausschreibung von Verkehrsleistungen haben dort wesentlich zur Verbesserung der Kostendeckung beigetragen. Energie Auch die Liberalisierung des Energiemarktes war sinnvoll. Der Wettbewerb auf den Energiemärkten funktioniert im Grundsatz. Eine Erfolgsgeschichte hat die Privatisierung von VIAG und VEBA geschrieben. Im Jahr 1988 verkaufte der Bund seine letzten Aktien an der VIAG. Beide Unternehmen wurden in den Deutschen Aktienindex (DAX) aufgenommen. Im Juni 2000 entstand aus der Fusion dieser beiden großen Industrieunternehmen der E.ON-Konzern, heute eines der weltweit größten Strom- und Gasunternehmen. Der jährliche Umsatz liegt bei ca. 82 Mrd. EUR, weltweit werden rund 88.000 Mitarbeiter beschäftigt. 13
c. Beispiele aus Berlin Berlin hat in der Vergangenheit ebenfalls einige landeseigene Betriebe erfolgreich privatisiert. Besonders im Bereich der Energieversorgung ist Berlin dem bundesweiten Liberalisierungstrend bereits gefolgt. Landesbank Berlin Als Erfolgsgeschichte ist auch der Verkauf der Landesbank Berlin zu bezeichnen. Nach der Bankenkrise stark existenzgefährdet, konnten die Anteile des Landes Berlin an der LBB im Jahr 2007 für 4,62 Mrd. EUR an den Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) veräußert werden. Daneben hat sich der DSGV zur Übernahme einer Stillen Einlage des Landes Berlin in Höhe von 723 Mio. EUR verpflichtet. Trotz der anhaltenden schwierigen wirtschaftlichen Lage konnte die Landesbank Berlin Holding im vergangenen Geschäftsjahr einen Gewinn von 339 Mio. EUR und damit erneut einen deutlichen Gewinnzuwachs erzielen. Die Privatisierung minimierte gleichzeitig das Risiko für den Berliner Landeshaushalt, das für viele Banken im Rahmen der Finanzmarktkrise zur Existenzbedrohung wurde. Bewag In den 90er Jahren wurde die Bewag vollständig privatisiert. Laut Presseberichten betrug der Erlös 1,7 Mrd. EUR. Dies war die bis dahin größte Privatisierungsmaßnahme in der Berliner Geschichte. Ordnungspolitische Gründe standen beim damaligen Verkauf nicht im Vordergrund. Es ging vorrangig darum, einen möglichst hohen Erlös zu erzielen. Diese Privatisierungsmaßnahme kann als Erfolg bezeichnet werden. Die Stromversorgung funktioniert reibungslos in Berlin. Versorgungsengpässe gab es bislang nicht. GASAG Die GASAG wurde in den 90er Jahren in mehreren Schritten privatisiert. Der Gesamterlös betrug 1,41 Mrd. EUR. Die negativen Folgen eines öffentlichen Monopols wurden besonders am Beispiel der GASAG deutlich: Die GASAG war ein höchst ineffizientes Unternehmen, das von seinen Kunden im bundesweiten Vergleich Höchstpreise verlangte. Erst mit der Privatisierung und der Liberalisierung der Energiemärkte senkte die GASAG ihre Preise. Berliner Wasserbetriebe Die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe war ein richtiger und wichtiger Schritt. Es zeigt sich, dass auch die Zusammenarbeit der öffentlichen Hand mit privaten Unternehmen funktionieren kann. Die Qualität des Berliner Wassers sowie die Versorgungssicherheit sprechen für sich. Oftmals wird die Teilprivatisierung als Ursache für die hohen Berliner Wasserpreise angeführt und damit die Privatisierung als gescheitert betrachtet. Ursächlich für den hohen Wasserpreis sind aber im Wesentlichen das in Berlin immer noch zu zahlende Grundwasserentnahmeentgelt sowie die mit den Investoren vertraglich vereinbarten Renditezusagen, von denen auch das Land als Mehrheitseigentümer profitiert. Berlin hätte es also allein in der Hand, durch den Verzicht auf das Grundwasserentnahmeentgelt und Gewinnausschüttungen eine Preissenkung zu bewirken. Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin KPM Überaus erfolgreich war die Veräußerung der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin. Der Bankier Jörg Wollmann erwarb 2006 das historische Berliner Unternehmen, nachdem es aufgrund jahrelanger Verluste und Zuschüsse aus dem Berliner Landeshaushalt in Millionenhöhe bereits als unverkäuflich galt. Seit dem Verkauf arbeitet die KPM ohne staatliche Hilfe und konnte – insbesondere durch den Export und Positionierung der Marke im obersten Luxussegment – ihren Umsatz stetig steigern. Der Inhaber Jörg Woltmann wurde 2007 zum Unternehmer des Jahres gekürt. 14
IV. Wie könnte der Fahrplan für mehr Wettbewerb in der Berliner Daseinsvorsorge aussehen? Da Wettbewerb zu mehr Wachstum und damit zu mehr Wohlstand für Bürger und Wirtschaft führt, hat die Berliner Wirtschaft eine Vielzahl von Vorschlägen entwickelt, wie Wettbewerb und Effizienz in den wesentlichen Bereichen der Daseinsvorsorge gesteigert werden können. Bevor die wichtigsten Felder der Berliner Daseinsvorsorge aufgezeigt und die Einzelvorschläge näher vorgestellt werden, ist ein Blick auf die derzeitige Ausgestaltung der Landesbeteiligungen empfehlenswert. 1. Überblick über die Öffentlichen Unternehmen in Berlin Viele der landeseigenen Unternehmen nehmen keine Aufgaben der staatlichen Kernverantwortung wahr und stellen daher ein erhebliches Privatisierungspotenzial dar. Insgesamt war das Land Berlin am 31. Dezember 2009 an 48 Unternehmen privaten Rechts und neun Anstalten öffentlichen Rechts unmittelbar beteiligt, davon an 37 Gesellschaften mehrheitlich. Dabei ist das Aufgabenspektrum der Öffentlichen Unternehmen sehr vielfältig. So hat Berlin beispielsweise Beratungsfirmen in Feldern wie Energieberatung und -planung, die in öffentlicher Hand sind. Insgesamt sechs städtische Wohnungsbaugesellschaften verwalten und verwerten Wohnungen. Darüber hinaus existieren landeseigene Dienstleistungsgesellschaften, die beispielsweise IT- Dienstleistungen (IT-Dienstleistungszentrum Berlin AöR), Messedienstleistungen (Messe Berlin GmbH), Gebäudeverwaltung (BIM Berliner Immobilien Holding GmbH) oder gar den Betrieb von Häfen (BEHALA Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH) und die Verwaltung von Großmärkten (Berliner Großmarkt GmbH) anbieten. Die Rechtfertigung dafür, dass diese wirtschaftlichen Aktivitäten zwingend von der öffentlichen Hand erledigt werden, fehlt, obwohl es zahlreiche private Anbieter für die genannten Leistungen gibt. 15
Kredit- und Ver- und Gesundheit und Landesentwicklung und Wissenschaft und Verkehr Dienstleistungen Wohnungswirtschaft Kultur und Freizeit Versicherungswirtschaft Entsorgungswirtschaft Soziales Grundstücksverwaltung Ausbildung BF Rückversicherung BEHALA GmbH Amt für Statistik Berliner Berliner Werkstatt für DEGEWO AG BCIA GmbH BBB Infrastrukt. Verw. Dt. Film-u. Fernsehakad. Gewährträger: Berlin-Brandenburg Stadtreinigungsbetriebe Behinderte GmbH GmbH GmbH Berlin Brandenburg 100% Gewährträger: Berlin Gewährträger: Berlin 70% 100% 100% 100% 100% Investitionsbank Berlin Berliner Verkehrsbetr. Berlin Tourismus Berliner Wasserbetriebe Vivantes GmbH GESOBAU AG BIH Berl.Immob.Holding BBB Infrastrukt. Fachinf.-zentrum Chemie Gewährträger: Berlin Gewährträger: Berlin Marketing GmbH Gewährträger: Berlin GmbH GmbH & Co. KG GmbH 15% 100% 100% 100% Kommanditist Berlin 100% 40% Flghfn.Bln-Schönef. Berliner Energieagentur Berlinwasser Holding AG Charité* GEWOBAG AG BIM GmbH Berliner Bäder-Betriebe Fachinf.zentr. Karlsruhe GmbH GmbH 50 Universitätsmedizin Berlin Gewährträger: Berlin GmbH 37% 25% 10% 96,695% 100% 2,17% VBB GmbH Berliner Großmarkt GmbH MEAB GmbH HOWOGE GmbH Betriebsgesellschaft Friedrichstadtpalast GmbH FWU Institut für Stadtgüter mbH Film GmbH 33,34% 100% 50% 100% 100% 100% 6,25% BGZ GmbH SBB Sonderabfall GmbH STADT U. LAND GmbH Liegenschaftsfonds GmbH Grün Berlin GmbH Helmholz-Zentrum-Berlin GmbH *** 60% 25% 100% 100% 100% 10% Deutsche Klassenlotterie WBM GmbH Liegenschaftsfonds KG Hebbel-Theater GmbH HIS Hochschul-Inf.- Gewährträger: Berlin Kommanditist Berlin System GmbH 100% 100% 100% 4,17% ekz.bibliothekservice Liegenschaftsfonds KuJ Wuhlheide GmbH IWF Wissen und Medien GmbH Projekt KG GmbH 4,69% Kommanditist Berlin 100% 100% 10% INPRO GmbH Olympiastadion Berlin Kulturprojekte Berlin Wissenschaftszentrum GmbH GmbH GmbH 14,29% 100% 100% 25% IT-Dienstleistungszentrum WISTA-Management Kunsthalle BR Deutschl. Berlin GmbH GmbH Gewährträger: Berlin 97,86% 2,44% Messe Berlin GmbH Rundfunk-Orchester GmbH 99,70% 20% Zoologischer Garten Berlin AG 0,03% (Quelle: Senatsverwaltung für Finanzen) 16
2. Vorschläge für Daseinsvorsorgebereiche mit Monopol-Strukturen In der öffentlichen Daseinsvorsorge in Berlin gibt es Bereiche, in denen nach wie vor Monopole der öffentlichen Hand vorherrschen. Dies sind in Berlin der öffentliche Personennahverkehr, die Wasserver- und Abwasserentsorgung sowie die Hausmüllentsorgung. a. Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) Berlin verfügt über ein hervorragendes öffentliches Nahverkehrsnetz aus S-Bahn, U-Bahn, Straßenbahn und Bus mit einer Streckenlänge von 1.772 km. Hinzu kommen die Züge des Regionalverkehrs, die das Berliner Stadtgebiet durchqueren und es mit andern Städten verbinden, sowie die Binnenschifffahrt. Der öffentliche Personennahverkehr ist ein unverzichtbarer Bestandteil im Berliner Verkehrsnetz. Auch aus Sicht der Wirtschaft ist ein funktionstüchtiges, zuverlässiges und bezahlbares Nahverkehrsnetz ein wesentlicher Standortfaktor. (1) Daten und Fakten Der öffentliche Personennahverkehr wird in Berlin im Wesentlichen von zwei Unternehmen betrieben. Die Berliner S-Bahn Berlin GmbH, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG, betreibt derzeit das gesamte S-Bahn-Streckennetz. Die Berliner Verkehrsbetriebe Anstalt des öffentlichen Rechts (BVG) betreibt den Bus-, U-Bahn- und Straßenbahn-Verkehr in Berlin. Lediglich 8% der Buslinien werden von der BVG an private Unternehmen vergeben. Unternehmen Berliner Verkehrsbetriebe Rechtsform Anstalt des öffentlichen Rechts Eigentümer 100% Land Berlin Vertragslaufzeit Verkehrsvertrag von 2008 bis 2020 Mitarbeiter 2009 10.597 Umsatz 2009 0,6 Mrd. EUR Unternehmen S-Bahn Berlin Rechtsform Gesellschaft mit beschränkter Haftung Eigentümer Deutsche Bahn AG Vertragslaufzeit Verkehrsvertrag bis 2017 Mitarbeiter 2009 2.765 Umsatz 2009 0,5 Mrd. EUR (2) Warum besteht Handlungsbedarf? Die Wirtschaftsregion Berlin-Brandenburg benötigt einen attraktiven und leistungsfähigen, aber auch einen bezahlbaren öffentlichen Personennahverkehr. Eine wettbewerbsorientierte Umstrukturierung des Nahverkehrs in Berlin ist daher aus Sicht der Berliner Wirtschaft dringend notwendig, um dauerhaft einen finanzierbaren ÖPNV gewährleisten zu können. Durch Ausschreibungen und Wettbewerb wird eine signifikante Kostenreduzierung möglich sein. Quersubventionierungen aus anderen öffentlichen Bereichen müssen jedoch unterbleiben, da dies sonst zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Verkehrsverträge laufen 2017 bzw. 2020 aus Der Verkehrsvertrag der Berliner S-Bahn läuft noch bis 2017. Der mit der BVG abgeschlossene Verkehrsvertrag läuft erst 2020 aus, Weichenstellungen müssen aber schon jetzt vorgenommen werden. Denn um privaten Investoren eine reelle Chance zu geben, sich am Wettbewerb um die öffentlichen Nahverkehrsnetze in Berlin zu beteiligen, muss die Ausschreibung der Netze insbesondere wegen der langen Bestell- und Lieferfrist von Schienenfahrzeugen bereits frühzeitig 17
vorbereitet werden. Es ist daher nicht zu früh, wenn man von den positiven Wirkungen des Wettbewerbs profitieren will. Ausfälle zwingen zum Handeln Berlin befindet sich derzeit in einer starken Abhängigkeit von nur zwei großen Verkehrsunternehmen. Dies wurde besonders deutlich während des BVG-Streiks im Winter 2007/2008 und der S-Bahn- Krise im Winter 2009/2010. Die S-Bahn Berlin GmbH ist bis heute noch nicht in der Lage, die vom Land bestellte Verkehrsleistung zu erbringen. Der BVG ist es nur teilweise gelungen, die ausgefallenen Verkehrsleistungen der S-Bahn zu kompensieren. Spätestens ein gleichzeitiger Leistungsausfall beider Verkehrsunternehmen könnte zum Total-Zusammenbruch des ÖPNV in Berlin führen. Gerade deshalb sollte zumindest mittelfristig im Interesse eines zuverlässigen und stabilen ÖPNV die Möglichkeit für mehr Wettbewerb geschaffen werden. ÖPNV ist Zuschussgeschäft Der öffentliche Personennahverkehr ist in weiten Teilen ein Zuschussgeschäft. Insbesondere bei der S-Bahn sind die öffentlichen Zuschüsse in den vergangenen Jahren wieder leicht gestiegen. Bei der BVG sind sie leicht gesunken (siehe Tabelle unten). Auf der BVG lastet aber hoher Schuldenberg in Höhe von rund 750 Mio. EUR. Dieser Schuldenberg steigt aufgrund der erforderlichen Neuaufnahme von Krediten ständig an und dürfte in einigen Jahren die Milliardengrenze überschritten haben. Daher muss dringend über alternative Finanzierungsstrategien nachgedacht werden. 2001 2003 2004 2005 2006 2007 BVG 420,3 420,3 420,3 420,3 364,5 307,3 S-Bahn 221,4 190,6 193,8 217,5 220,5 225,1 Zuschüsse für den ÖPNV in Mio. EUR (Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung) (3) Was ist zu tun? Der Wettbewerb auf der Schiene ist in der Region Berlin-Brandenburg schon weiter vorangekommen. Im Jahr 2008 gingen in Berlin und Brandenburg insgesamt 16 Regionalexpress- und Regionalbahnstrecken in den Wettbewerb. Dabei konnte ein Kosteneinsparungsvolumen in Höhe von 45% erzielt werden. Mit einer weiteren und bis dahin größten Ausschreibung von Bahnstrecken in Deutschland wurden 2009 der DB Regio AG und der Ostdeutschen Eisenbahn GmbH (ODEG) weitere Zuschläge erteilt. Allein Brandenburg spart damit über 40 Mio. EUR pro Jahr. Für die Fahrgäste bedeutet dies dennoch kein Qualitätsverlust, sondern mehr Qualität durch moderne Fahrzeuge, mehr Sitzplätze und mehr Personal in den Zügen. Auch der Busverkehr wurde in Teilen Brandenburgs bereits im Genehmigungswettbewerb vergeben. Der Berliner öffentliche Personennahverkehr wäre für eine Privatisierung durch Vergabe von sinnvollen Teillosen bestens geeignet. Erfahrungen aus Vergaben von Verkehrsleistungen in ganz Deutschland belegen, dass die Kosten für die Besteller im Durchschnitt um 30% sinken, wenn die Leistungen in einem fairen Verfahren mit mehreren Bewerbern ausgeschrieben werden. Mehr Wettbewerb durch schrittweise Liberalisierung des Nahverkehrs Um den ÖPNV in Berlin zu liberalisieren, sollten die hierfür geeigneten Fahrtdienste des bundesweit größten kommunalen Verkehrsunternehmens (BVG) schrittweise ausgeschrieben werden. Auch die S-Bahn Berlin GmbH verfügt derzeit über eine Monopolstellung. Künftig muss es auch anderen Unternehmen als der S-Bahn Berlin GmbH möglich sein, Verkehrsleistungen im Berliner S-Bahn-Netz zu erbringen. Grundlage für Ausschreibungen könnte der rechtlich verbindliche Nahverkehrsplan sein, der klare Vorgaben – beispielweise für ein Busliniennetz – 18
enthält. Dabei müssen Ausschreibungen für bestimmte Linien oder Gebiete so erfolgen, dass auch mittelständische private Unternehmen eine reale Chance haben, diese Verkehrsleistungen zu erbringen. Dies ist dann möglich, wenn der Nahverkehrsplan mehrere Teilräume für Berlin definiert, die dann wiederum in Teilnetze untergliedert werden. Diese Teilnetze können dann ausgeschrieben werden. Mehr Wettbewerb durch mehrere Anbieter hat zur Folge, dass auf Veränderungen am Markt schneller reagiert werden kann. Bei Ausfällen, wie beispielsweise während des BVG-Streiks im Winter 2007/2008, kann dann auf andere Anbieter ausgewichen werden. Mehr Wettbewerb durch Ausschreibung des S-Bahn-Betriebes in mehrere Teilstücke Der S-Bahn-Betrieb in Berlin muss dem Wettbewerb ausgesetzt und deshalb ausgeschrieben werden. Dabei ist zu prüfen, ob die Ausschreibung des Gesamtnetzbetriebes oder des Betriebes einzelner Netzteile sinnvoll ist. Für die Ausschreibung des Betriebes einzelner Teilnetze spricht unter anderem, dass die Fahrzeugbeschaffung zeitlich gestaffelt erfolgen kann. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Betreiber jeweils über unabhängige Strukturen zur Wartung und Instandhaltung der Züge verfügen. Keinesfalls darf es eine kommunale S-Bahn, beispielsweise unter der Regie der BVG, geben. 19
b. Wasser / Abwasser Der Bereich der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung stellt einen Kernbereich der öffentlichen Daseinsvorsorge dar. Bezahlbares Wasser in guter Qualität ist für die Bevölkerung in Berlin eine unabdingbare Voraussetzung, aber auch für den Wirtschaftsstandort ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Die Besonderheit in diesem Bereich der Daseinsvorsorge ist darin zu sehen, dass ein natürliches Monopol am Wasser besteht. Eine wettbewerbliche Vielfalt ist daher kaum realisierbar. Trotzdem sind wettbewerbsfördernde Maßnahmen denkbar und auch umsetzbar. (1) Daten und Fakten Die flächendeckende Wasserver- und Abwasserentsorgung wird in Berlin durch die Berliner Wasserbetriebe (BWB) sichergestellt. Um Mittel für den Landeshaushalt zu erzielen, hat der Senat 1999 die Berliner Wasserbetriebe teilprivatisiert. Den 49,9%-Anteil ließ sich das Land damals mit 1,7 Mrd. EUR von den privaten Investoren bezahlen. Im Gegenzug erhielten diese u.a. eine Renditezusage unabhängig vom Betriebsergebnis, d.h. wird ein entsprechendes Betriebsergebnis nicht erwirtschaftet, so müssen Mittel aus dem Landeshaushalt aufgewendet werden. Letztlich kommt dies einer Kreditaufnahme gleich. Die Belastungen tragen die Kunden der BWB. Unternehmen Berliner Wasserbetriebe Rechtsform Anstalt des öffentlichen Rechts Nominalkapital 1.315 Mio. EUR 50,10% Land Berlin Eigentümer 24,95% RWE 24,95% Veolia Vertragslaufzeit 1999 – 2028 Mitarbeiter 2009 4.712 Umsatz 2009 1,2 Mrd. EUR (2) Warum besteht Handlungsbedarf? Seit Anfang der 90er Jahre ist das Berliner Wasser immer teurer geworden. Hat 1990 ein Kubikmeter Trinkwasser noch 0,69 EUR gekostet, so kostet er im Jahr 2010 mit 2,09 EUR inzwischen das 3-fache. Bundesweit Spitzenplatz beim Wasserpreis Damit nimmt Berlin seit Jahren einen „Spitzenplatz“ im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten ein, wie der nachfolgende Preisvergleich zeigt. Auch die Abwasserpreise sind überdurchschnittlich hoch. Preisvergleich Wasserpreise Berlin München Hamburg Potsdam Leipzig BWB Stadtwerke HHW Wasserbetriebe Wasserwerke Durchschnittspreise 2,09** 1,47 1,50 2,08 1,96 Mittelwert in €/m³ * Durchschnittspreise +0,03 €/m³ +0,05 €/m³ +0,04 €/m³ +0,13€/m3 0,0 €/m³ Differenz zu 2009 (+0,9%) (+3,7%) (+2,4%) (+7,4 %) Preisstand 01.01.2010 (Quelle: VEA-Wasser- und Abwasser Preisvergleich 2010) 20
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