Corona-Tagebuch - Das Coronarchiv

Die Seite wird erstellt Yannik Brüggemann
 
WEITER LESEN
Corona-Tagebuch
Inhaltsverzeichnis
1. Einführende Worte……………………………………………………………….………1

2.a Corona-Tagebuch - Teil 1…………………………………………………………….....3

2.b Corona-Tagebuch - Teil 2…………………………………………………………..…...11

3. Schlussgedanken…….…………………………………………………………………..47

4. Literatur- und Quellenverzeichnis……………..………………………………………..51
1.) Einführende Worte:

Vor ziemlich genau einem Jahr, im Oktober 2019, begann ein ganz neuer Lebensabschnitt für
mich: das Studium der Sozialwissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Die
Zeit der Eingewöhnung verging, ich habe Spaß am Studieren gefunden. Auch sonst gestaltete
sich mein Leben zufriedenstellend, ohne große Besonderheiten: Ich war glücklich im
Zusammenleben mit meiner Familie, mit meinen Freunden, beim Sport oder bei politischen
Auseinandersetzungen. Ich konnte mich im Großen und Ganzen nicht beschweren und doch
tat ich es viel zu oft: Ich regte mich manchmal über andere Autofahrer, meinen
Handballtrainer bei aus meiner Sicht schlechten Entscheidungen, über mehr oder minder be-
absichtigtes Fehlverhalten meiner Freunde und Kollegen bei meinem Nebenjob oder das
Wetter auf. Und was aus heutiger Sicht noch viel gravierender ist: Ich wusste die kleinen
Freuden des Lebens, wie die Tatsache, dass wir in Deutschland in der Regel eine Menge indi-
vidueller Freiheiten genießen, viel zu wenig zu schätzen.
Ein Jahr später ist das Leben auf dem ganzen Globus ein ganz anderes: Die Corona-Pandemie
und die damit zusammenhängenden Einschränkungen und Maßnahmen haben einen enormen
Einfluss auf das alltägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger weltweit. Was vorher als
selbstverständlich gegolten hatte, brach Mitte März urplötzlich weg. Man durfte andere Men-
schen von einem auf den anderen Tag nur noch über Videokonferenzen „treffen“, wurde an-
gehalten, wochenlang zuhause zu bleiben und nicht arbeiten zu gehen. Selbst historische
Errungenschaften wie die Grundrechte, die am Anfang unseres Grundgesetzes stehen, wurden
zunächst fundamental eingeschränkt, in Teilen sogar außer Kraft gesetzt. Maßnahmen gigan-
tischen Ausmaßes wurden beschlossen und das gesellschaftliche Leben fast vollständig lahm-
gelegt.
Nachdem der Umgang mit dem Corona-Virus verständlicher gewesen war, die
Neuinfektionen deutlich gesenkt werden konnten, lockerte die Bundesregierung an einigen
Stellen: Das Leben kehrte in die Städte, in die Geschäfte zurück. Der Sport in Mannschaften
konnte wieder aufgenommen werden. Die Zuversicht stieg in weiten Teilen der Bevölkerung
und die Menschen stellten sich auf die neue, nie dagewesene Situation ein.
Sinnbilder der Krise sind mittlerweile das verpflichtende Tragen von Alltagsmasken z.B. in
Geschäften, eine breitere, gründlichere Hygiene und das Abstandhalten von mindestens
anderthalb Metern geworden. Diese Maßnahmen haben sich im weiteren Verlauf der Pande-
mie – zumindest in Deutschland – durchgesetzt und scheinen, eigenen Erfahrungen zufolge,

                                              1
weitgehend akzeptiert zu werden. Gleichzeitig hat sich aber auch eine Gegenbewegung ent-
wickelt, die die Einschränkungen als zu massiv ansah und –sieht und auch gegen diese pro-
testiert und friedlich einsteht.
Ich persönlich habe mich in meinem Denken entgegen der meisten Menschen in Deutschland
entwickelt. Ich hatte zu Beginn der Pandemie in unserem Land große Bedenken und fragte
mich Ende Februar, wie es sein konnte, dass die Bundesregierung trotz vieler auftretender
Fälle in Deutschland nichts unternahm, die Situation verharmloste und das Virus sich schein-
bar ungebremst ausbreiten konnte. Die gravierenden Maßnahmen Mitte März erschienen mir
dann als zu spät, aber zu diesem Zeitpunkt richtig. Je länger die Situation aber andauerte, je
besser wir sie auch unter Kontrolle hatten, desto größer wurde auch mein Unverständnis über
das aus meiner Sicht zu zögerliche Lockern und das Beibehalten vieler Beschränkungen und
Grundrechtseingriffe. Diese Überlegungen haben sich bei mir bis zum Verfassen dieses ein-
führenden Textes, den ich Anfang Oktober 2020 - im Übrigen in Quarantäne - schreibe, ver-
festigt. Ich verteufele die Maßnahmen nicht und finde es richtig, dass Menschen auch in
Regierungsverantwortung vorsichtig sind und nicht das Leben Tausender Menschen in
Deutschland unnötig aufs Spiel setzen. Der Blick auf die wirtschaftliche Lage, die voraus-
sichtlich Massenarbeitslosigkeit, Insolvenzen und sicherlich auch teilweise Armut mit sich
bringen wird, treibt mir aber tiefe Sorgenfalten in die Stirn. Deshalb ist ein Austausch
zwischen Gegnern und Befürwortern der Einschränkungen, zwischen Vertretern des
Gesundheitsschutzes und der Wirtschaft extrem wichtig.
Bei der nun folgenden Ausarbeitung habe ich mich für das Verfassen eines Tagebuches ent-
schieden. Meiner Meinung nach wird dadurch besonders deutlich, wie sich meine Einstellung
zu der Situation (leicht) verändert hat und wie ich einzelne persönliche Erlebnisse und politi-
sche Gegebenheiten an dem jeweiligen Tag und nicht in einer zusammenfassenden Rückschau
bewerte und einordne. Das Tagebuch untergliedert sich in zwei Teile: Im ersten Teil sind in
erster   Linie   Beobachtungen     über   Verhaltensweisen    der   Menschen     und    daraus
geschlussfolgerte Einstellungen dieser notiert. Gelegentlich greife ich in diesem Teil auch ein
politisches oder mediales Thema auf und gebe meine Einschätzung dazu ab. Der zweite Teil
ist geprägt von Kommentaren zur politischen Situation, von persönlichen Einordnungen und
kritischen Stellungnahmen. Zudem schildere ich hier meine Erfahrungen in der elftägigen
Quarantäne. Zwischen Mitte Mai und Mitte Juni ist bedauerlicherweise eine Lücke entstan-
den, da zunächst eine andere Aufgabenstellung im Seminar vorgesehen war, als das Tagebuch
fortzuführen. Abschließend formuliere ich ein Fazit zu den Geschehnissen und Erlebnissen
des letzten guten halben Jahres und gebe einen Ausblick auf die Zukunft.

                                              2
Es ist außerdem zu erwähnen, dass in den Texten farbliche Markierungen vorgenommen wur-
den. Diese stehen für folgende Kategorien und dienen der leichteren Einordnung in diese:
Verhaltensweisen, Einstellungen, Regeln und Beschränkungen, Kritik,. Einfluss der Medien,
Politik. Zudem sind eigene Kommentare und Beurteilungen kursiv dargestellt.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen und hoffe, dass dieses Zeitdokument auch in vielen
Jahrzehnten noch gelesen wird.

2.a) Corona-Tagebuch - Teil 1:

Samstag, 18.04.2020:
- Ärztlicher Bereitschaftsdienst (ÄBD) Braunfels aufgrund von starkem Nasenbluten
Durch starkes Nasenbluten sehe ich mich gezwungen, den ÄBD in Braunfels aufzusuchen. Da
auch das Personal scheinbar noch verunsichert ist, wie mit der neuen Situation umzugehen ist,
verhalten sich einige Mitarbeiter eigenartig. So reagiert die Leiterin der Station panisch und
hysterisch, weil sich zwei Menschen direkt begegnen könnten. Sie fordert Menschen dazu auf,
einen Raum nicht zu verlassen, damit andere am Raum vorbei auf dem Gang laufen können.

- Krankenhausaufenthalt Uni-Klinik Gießen aus gleichem Grund
Die Untersuchung ergibt, dass ich mich zu einer weiteren Behandlung ins Uni-Klinikum
Gießen begeben muss. Dort hindert das Sicherheitspersonal meine Mutter daran, das Kran-
kenhaus zu betreten, da eine Begleitung nur im äußersten Notfall (z.B. bei Kleinkindern)
möglich ist. Das Krankenhauspersonal trägt bereits ohne Maskenpflicht entsprechende
Schutzmasken, um Mund und Nase zu bedecken (d.h. auch Angestellte an der Rezeption): Die
Bediensteten an der Rezeption gefallen durch ruhiges und professionelles Auftreten.
Die Notaufnahme gestaltet sich gespenstisch leer: Menschen scheinen wirklich nur im
äußersten Notfall eine Einweisung ins Krankenhaus zu erhalten bzw. begeben sich nur in
Ausnahmefällen freiwillig dorthin. Diesbezüglich ergeben sich für mich einige kritische
Rückfragen: Werden alle medizinischen Notfälle behandelt? Wie viele Menschen sterben
durch ausbleibende Behandlungen, fehlende Krankheitserkennung, verschobene
Operationen, seelische Belastung in Folge von finanzieller Not und Arbeitslosigkeit, Einsam-
keit und Verzweiflung?
Auch wurde das Krankenhaus in Folge der Corona-Pandemie „umgestaltet“: Beispielsweise

                                              3
sind deutlich mehr Desinfektionsmittelspender als in normalen Zeiten aufgebaut.
Zudem sind Schilder auf einigen Sitzen angebracht, da sie aufgrund der bestehenden
Abstandsregelungen nicht besetzt werden dürfen. Auffällig sind auch zahlreiche Plexiglas-
scheiben zum Schutz der Mitarbeiter.

Montag, 20.04.2020:
- Besuch bei Oma
Ich habe schon häufig von anderen erzählt bekommen und es auch selbst beobachten können,
dass ältere Menschen, die besonders große Angst haben müssten, die drohende Gefahr nicht
richtig ernst- oder wahrnehmen. Meine Oma z.B. schaut ständig Nachrichten, um auf dem
Laufenden zu bleiben und erzählt, wie schrecklich sie all das findet, aber das eigene Leben
wird dem Umstand kaum angepasst. Hierzu ist ein anderes Beispiel zu nennen: Die Oma einer
Freundin geht fast jeden Tag in die Ortsmitte zum Reden oder Einkaufen. In einer Gegend,
die eher ländlich geprägt ist, so mein Eindruck, scheint das Leben halbwegs normal weiterzu-
gehen.

- Post in Empfang nehmen
Die meisten Postboten geben Päckchen aus, indem sie noch immer die Unterschrift auf einer
elektrischen Maschine einfordern. Dazu muss man einen Stift anfassen, den täglich wohl
Hunderte Menschen benutzen.

Dienstag, 21.04.2020:
- Spazierengehen mit einem Freund in einer ländlichen Region
„Auf dem Land“ lassen sich viele Personen, in dem Fall Spaziergänger, kaum etwas anmer-
ken und halten beim Passieren anderer Spaziergänger keinen außergewöhnlichen Sicherheits-
abstand ein. Viele lassen es sich auch nicht nehmen, freundlich zu grüßen. Es ist zu beobach-
ten, dass nicht wenige Menschen spazieren gehen und sich draußen aufhalten. Lediglich eine
Besonderheit ist an diesem Tag festzustellen: Als eine Joggerin mit einem Hund an uns vorbei
möchte, ruft sie: „Achtung! Ich würde gerne links vorbeilaufen.“ Daraufhin erwartet sie, dass
wir nach rechts zur Seite treten, um sie vorbeizulassen, was wir dann auch tun.

Mittwoch, 22.04.2020:
- Geburtstag einer Freundin, die trotz der Corona-Pandemie an ihrem Festtag nicht auf ihre
 Freunde verzichten möchte
Heute besuche ich eine sehr gute Freundin anlässlich ihres Geburtstages. Sie hat die Durch-
führung der Feier vorbildlich organisiert, damit sie stattfinden kann, ohne geltende Regeln zu
                                              4
verletzen. Die Organisation sieht folgendermaßen aus: Stündlich wird ein anderer Freund/eine
andere Freundin eingeladen, der/die dann jeweils nach einer Stunde die „Party“ wieder ver-
lassen muss. Darüber hinaus wird nur im Freien „gefeiert“. Ich beschreibe sowohl die Situa-
tion als auch die Stimmung als eigenartig. Auf das Abstandhalten wird (zumindest während
meiner Anwesenheit) weitestgehend geachtet.
Meine Schlussfolgerung diesbezüglich lautet, dass es insbesondere jüngeren Menschen
schwerfällt, sich dauerhaft an die gegenwärtigen Regeln zu halten, da gerade sie täglich
normalerweise ständig mit anderen Menschen zu tun haben; Skype o.Ä. dient oft nicht als
Ersatz.

Donnerstag, 23.04.2020:
- Erzählung einer Freundin
Diese berichtet mir davon, dass sie psychische Probleme entwickelt, da sie ihren Freund
schon lange nicht mehr treffen konnte, da dieser mit seinen Großeltern zusammenlebt und die
beiden kein Risiko eingehen wollen.
Dieses Verhalten ist vorbildlich, aber aus meiner Sicht doch maßgeblich auf die Panikmache
in Politik und Medien zurückzuführen. Treffen von Menschen, soziale Kontakte sollten nicht
unterbunden werden. Auch in einer Pandemie muss es möglich sein, seinen Partner
regelmäßig zu sehen. Diese Entscheidung haben die beiden zwar aus freien Stücken getroffen.
Fraglich ist aber, ob sie es auch gemacht hätten, wenn von vornherein kommuniziert worden
wäre, dass eigenverantwortliche Vorsicht zwar angebracht, übertriebene Panik aber nicht
notwendig ist. Somit entwickelt sich die Corona-Pandemie auch zu einer harten Belastungs-
probe für Paare, die nicht zusammenleben. Resultate dieser Situation könnten psychische
Probleme, Trennungen, Depressionen und Angst vor der Zukunft sein.

Freitag, 24.04.2020:
- Erzählung einer Bekannten
Diese Bekannte schildert mir die Situation, dass sie ein (aus ihrer Sicht) eigenartiges Mutter-
mal o.Ä. hat, aber dennoch keinen Termin bei der Hautärztin bekommt, da diese aktuell nur
Notfälle behandeln.
Dies ist ein „gutes“ Beispiel für die zuvor geäußerte Vermutung, dass wichtige Behandlungen
oder Untersuchungen, die Leben retten können, aufgrund der Corona-Pandemie möglicher-
weise nicht durchgeführt werden. In diesem konkreten Beispiel wird Hautkrebs vielleicht (zu)
spät diagnostiziert.

                                              5
Samstag, 25.04.2020:
- Einkaufen in einem Baumarkt in Wetzlar
Viele Menschen tragen eine Maske bereits ohne Maskenpflicht, halten sich aber gleichzeitig,
(was auch aufgrund der Menge an Menschen kaum möglich ist), häufig nicht an den Mindest-
abstand. Dies könnte darauf schließen, dass sich Menschen durch die Maske sicherer fühlen
und sich deshalb weniger auf den Mindestabstand konzentrieren, dennoch ist ein gewisses
Bemühen erkennbar. Teilweise rennen sie wie „aufgescheuchte Hühner“ umher, v.a. sobald
eine Ansammlung von mehreren Menschen droht. Verunsicherung und Panik sind zu
beobachten.
Um eine bessere Hygiene ermöglichen zu können, gibt es Desinfektionsmöglichkeiten für
Einkaufswagen, auf Pfand wird gleichzeitig verzichtet.
Jedoch ist auch festzuhalten, dass kein auffallend geringes Menschenaufkommen zu verzeich-
nen ist.

Montag, 27.04.2020:
- Radfahren
Einige Menschen halten selbst bei einer Begegnung auf dem Fahrrad weitestgehend Abstand
und fahren am äußersten Rand des Weges.
Ich vermute, dass ein solches Verhalten auf eine (große) Angst vor einer Infektion zurückzu-
führen ist. Ich beispielsweise mache mir im Alltag bzw. in der Freizeit nicht dauerhaft die
Maßnahmen bewusst und fahre deshalb normal, ohne groß darüber nachzudenken. Eine
Untersuchung wäre wünschenswert, ob die Menschen sich eher aufgrund der Angst vor
Ansteckung oder Bußgeldern, aufgrund eines Pflichtgefühls bzw. einer Verantwortung
anderen gegenüber oder wegen Obrigkeitshörigkeit an die Maßnahmen halten.

Dienstag, 28.04.2020:
- Einkaufen
Besonders ältere Menschen, die sich vermutlich kennen (Nachbarn, Freunde, Bekannte),
stehen dicht beieinander und reden.
Der Mindestabstand ist in den engen Gängen häufig nicht einzuhalten, dennoch bemühen sich
die meisten Kunden. Insbesondere in der Schlange an der Kasse wird darauf geachtet, was
durch die Markierungen auf dem Boden aber auch leichter erscheint. Die meisten Kunden
verhalten sich ruhig und rational, es herrscht keine Panik o.Ä. Es scheint, als würden sich die
Menschen an die „neue Normalität“ gewöhnen.

                                              6
Verstöße und Beschwerden gegen die Maskenpflicht kann ich nicht erkennen, auch wenn
nicht alle Personen die Maske dauerhaft und richtig tragen.

Donnerstag, 30.04.2020:
- Absage des Geburtstages eines Freundes
Dieser feiert lieber alleine mit seiner Familie, um die Regeln nicht zu verletzen.
Rechtlich gesehen ist dieser Vorgang richtig. Fraglich bleibt, ob hier der gesetzliche (d.h.
Angst vor Verstößen) oder der moralische Aspekt (Angst vor dem Virus, Verantwortung)
überwiegt.

Samstag, 02.05.2020:
- Abgabe von Materialien, die wir nicht mehr verwenden können, bei einer Firma, die die
 Produkte umgestaltet und dann zum Kauf anbietet
Auch hier sind keine Verstöße gegen die noch relativ neue Maskenpflicht zu beobachten.
Mir wird mitgeteilt, dass ich das Haus nicht betreten darf, da ich zu diesem Zeitpunkt noch
keine eigene Maske besitze. Auch gibt es nur wenige Verstöße gegen die Abstandsregeln.
Alle Menschen, die ich beobachte, sind sichtlich bemüht.
Dennoch ist auch heute den Menschen ihre Anspannung deutlich anzusehen. Keiner scheint
sich wirklich wohlzufühlen.
Zu dem Thema Maskenpflicht ergibt sich für mich folgende Überlegung: Ist die Masken-
pflicht für Menschen zu rechtfertigen, die gesundheitlich angeschlagen sind oder die ihn
rechtlich gesehen ihre ganze Schicht über tragen müssten (z.B. Verkäufer in Geschäften)?
Lediglich ein Bediensteter hält sich nicht an die Maskenpflicht. Hierbei handelt es sich um
einen ungepflegten, unsympathischen Mann, der nicht sonderlich gebildet spricht. Er macht
einen eher gleichgültigen Eindruck.

Montag, 04.05.2020:
- Friseurtermin
Über den heute stattfindenden Friseurtermin bin ich sehr glücklich, da er schon längst über-
fällig ist. Das Hygienekonzept des Friseursalons, das meiner Auffassung nach streng befolgt
wird, erscheint sinnvoll: Desinfektionsmittel im Eingangsbereich verwenden, verpflichtendes
Haarewaschen, Maskenpflicht, nur ein Kunde darf in den Salon, verpflichtende Angabe von
Kontaktdaten. Ich hoffe, dass mit diesen Kontaktdaten in allen Bereichen vertrauenswürdig
umgegangen wird.
Die Friseurin achtet besonders auf die Befestigung der Maske (z.B. Festhalten, wenn die

                                                7
Haare am Ohr geschnitten werden).
Im Gespräch wird jedoch die Panik erzeugende Berichterstattung der Medien spürbar.
Meine Friseurin spricht diesbezüglich davon, dass Menschen im hohen Alter, die sich
infizieren, keine Überlebenschance hätten. Dies ist eine eindeutig falsche Information, die
vermutlich durch die aus meiner Sicht irreführende Übermittlung von Informationen in den
Medien zustande kommt.
Im weiteren Verlauf wird auch über die „neue Normalität“ gesprochen. So vertritt die Dame
die Meinung, dass man sich wohl an Maske und Abstandsregelungen langfristig gewöhnen
muss.

Donnerstag, 07.05.2020:
- Radtour mit einem Freund u.a. durch Wetzlar, Colchester-Anlage
Sehr viele Menschen sind in der Stadt, aber auch auf dem Land mit dem Fahrrad oder zu Fuß
unterwegs (nach den ersten Lockerungen). In der Altstadt halten sich einige Menschen (teil-
weise mehr als 10 auf einem Platz) ohne Sicherheitsabstand, z.B. beim Eisessen, auf.
In der Colchester-Anlage gehen viele Personen (vergleichbar mit „normalen“ Zeiten)
größtenteils ohne Maske und nur teilweise mit Sicherheitsabstand spazieren, da der
Nachmittag sehr sonnig und warm ist (Menschen halten sich am Wasser, auf dem Spielplatz
mit ihren Kindern und auf den Bänken in größeren Gruppierungen auf). Möglicherweise
werden die Lockerungen als Zeichen gesehen, dass man sich jetzt wieder relativ normal ver-
halten könne oder es hat ein Umdenken bei vielen Menschen nach einem so langen Zeitraum
stattgefunden.

Freitag, 08.05.2020:
- Spieleabend mit Freunden
Auf dem Spieleabend herrscht eine gelöste, freudige Stimmung, da solche Treffen jetzt wie-
der erlaubt sind. Man hat sich viel zu erzählen, da man sich in letzter Zeit weniger häufig ge-
sehen hat. Zudem sind Erleichterung und eine Spur von Normalität spürbar.

Samstag, 09.05.2020:
- Blumenkaufen bei Rosenberger
Alle Menschen, die ich beobachte, halten sich an die Maskenpflicht. Die Verkäuferinnen an
der Kasse tragen sogar Handschuhe und sind durch eine Plexiglasscheibe „geschützt“.
Die Berater im Laden tragen nur teilweise eine Maske. Eine lässt ihre Maske über längere
Zeit nur über ein Ohr herunterhängen. Es bleibt unklar, ob dieses Verhalten beispielsweise aus
Protest gegen den Zwang oder aus anderen Gründen (z.B. Atemschwierigkeiten, die bei
                                              8
längerem Tragen entstehen können) resultiert.
Ich schildere in den folgenden Zeilen meine eigenen Erfahrungen mit dem Tragen der
Maske nach etwa einer Stunde: Auf Dauer ist es wirklich schwierig, gut Luft zu bekommen.
Ein veränderter Orientierungs- und Gleichgewichtssinn sowie erhöhtes Schwitzen und gene-
rell körperliches Unwohlsein sind die Folge. Aus meiner Sicht ist das Tragen einer Maske
über eine längere Dauer nicht zu empfehlen, auch wenn Folgen und Risiken für den Gesund-
heitsschutz in jeglicher Hinsicht berücksichtigt werden müssen. Ich kann aber in jedem Fall
nachvollziehen, dass Menschen den Umgang mit der Maske nach einiger Zeit
ununterbrochenen Tragens etwas lockerer handhaben, da es schlichtweg eine Belastung dar-
stellt. Auch hier sollte mit Maß und Verstand gehandelt werden. Wenn eine Person alleine an
ihrem Arbeitsplatz steht, ist es legitim, die Maske herunterzuziehen, um Luft zu holen,
solange man bei Kontakt zu anderen wieder Mund und Nase bedeckt.
Auf die Abstandsregelung wird weniger Wert aufgrund der Enge der Gänge und der Men-
schenansammlungen an einem Platz gelegt. Während meiner Erfahrung zufolge Menschen
mittleren Alters (40-60) am ehesten anderen aus dem Weg gehen oder Platz machen, sind es
insbesondere die Jüngeren und die Älteren, die auf Abstand weniger Rücksicht nehmen.
Kunden werden in diesem Blumengeschäft gebeten, einen Einkaufswagen mit sich zu führen,
damit sich im Geschäft nicht zu viele Menschen aufhalten und diese einen Sicherheitsabstand
zueinander besser einhalten können. Da Rosenberger aber nicht besonders viele
Einkaufswagen zur Verfügung hat, entsteht vor dem Unterstellplatz der Wagen eine
Menschenschlange, jedoch mit wenig Abstand zwischen den Menschen. Dies kann eigentlich
nicht Sinn der Sache sein.
Mein Fazit zu diesem Umstand lautet folgendermaßen: In der Krise sind Menschen sehr
obrigkeitshörig und scheinen alle Vorgaben erfüllen zu wollen. Verstöße selbst gegen soge-
nannte Empfehlungen oder Bitten scheinen aus Gründen der Solidarität und des
Selbstschutzes, möglicherweise sogar aus Angst vor rechtlichen oder gesellschaftlichen
Konsequenzen schwerzufallen. Der Selbsttest zeigt jedoch, dass es sehr einfach möglich ist,
das Geschäft ohne Wagen zu betreten und auch wieder zu verlassen. Dies spart Zeit und Ner-
ven. Selbst Kunden mit Wagen halten teilweise wenig Abstand, generell überfüllt ist das
Geschäft auch nicht.

- Bericht über Tausende Teilnehmer bei „Anti-Corona-Demos“ bzw. sogenannten
 „Hygienespaziergängen“ z.B. in Stuttgart in der Tagesschau um 20 Uhr
Menschen halten auf diesen Demonstrationen kaum Abstand und demonstrieren für den Er-

                                                9
halt ihrer Grundrechte. Viele Teilnehmer halten die Maßnahmen für nicht (mehr) verhältnis-
mäßig.
Die Polizisten greifen teilweise hart durch und nehmen einige Demonstrationsteilnehmer auch
in Teilen mit Gewalt fest.
Auch hier wird ersichtlich, dass sich viele Menschen nach Normalität sehnen. Die Stimmung
im Land könnte kippen. Es hat den Anschein, als würden zahlreiche Personen vermehrt nicht
(mehr) ihre Gesundheit, sondern vielmehr ihre finanzielle und substanzielle Existenz bedroht
sehen.
Erwähnenswert ist auch, dass sich hier Menschen aller politischen Lager und Anschauungen
vereinigen, um ihr Ziel erreichen zu können.

Montag, 11.05.2020:
- Essen bei Oma
Unter Beachtung der aktuellen Hygiene- und Abstandsregelungen besuche ich meine Oma,
die alleine lebt. Diese hat in letzter Zeit häufiger über Einsamkeit und Traurigkeit geklagt, mir
aber gleichzeitig vermittelt, dass sie sich selbst trotz ihres Alters und diverser
Vorerkrankungen sicher fühlt. Nichtsdestotrotz sieht sie häufig beängstigende Berichte im
Fernsehen.
Die Schwester meiner Oma betritt in der Zwischenzeit das Haus, um etwas abzugeben.
Sie stürmt mehr oder weniger herein, gibt es ab, sagt nicht viel und verschwindet mit der glei-
chen Geschwindigkeit. Meine Oma erzählt mir weiterhin, dass die Tochter ihrer anderen
Schwester dieser verboten hat, Besuch zu empfangen oder aus dem Haus zu gehen. Sie
scheint sich sehr um ihre Mutter zu sorgen, aber fraglich bleibt, ob Einsamkeit ihr nicht noch
mehr schadet.

Dienstag, 12.05.2020:
- Presbyteriumssitzung, um darüber zu beraten, ob wir die Kirchen in unserer Gemeinde
 bereits wieder öffnen oder aufgrund der niedrigen Kapazitäten noch etwas abwarten
Aufgrund der strengen Hygienebestimmungen der evangelischen Kirche im Rheinland (z.B.
kein Singen, kein „würdiges“ Abendmahl, möglicherweise Abweisungen,           da   nicht   mehr
Leute zugelassen werden können, usw.) entscheiden wir uns dazu, noch etwas abzuwarten
und an Pfingstsonntag und –montag jeweils zwei Gottesdienste im Freien in unseren beiden
Schwestergemeinden zu feiern.
Fast jeder Presbyter hat trotz weit voneinander entfernter Tische eine Maske dabei, keiner
setzt sie jedoch auf. Viele erzählen davon, wie die aktuelle Situation sie belastet, dass sie

                                               10
Angst um Familienangehörige haben, dass sie teilweise gar nicht mehr vor die Tür gehen.
Das gesellschaftliche Miteinander leidet sehr unter der aktuellen Lage. Man begrüßt sich nicht
richtig. Man führt kaum noch persönliche Gespräche. Man entfernt sich zunehmend
voneinander. Man weiß nichts mehr voneinander. Man sieht sich kaum noch. Jeder handelt
vorwiegend individuell, der Gemeinschaftsgedanke geht dabei verloren.
Sorge und Angst überlagern das gesamte Gespräch. Nur ab und zu kommt eine gewisse
Lockerheit auf, bei der man die Gesamtsituation vergisst.
Eine sehr häufig geäußerte Meinung ist, dass uns die Pandemie noch lange begleiten wird.
Viele Mitglieder sagen auch, dass die Vorbildfunktion der Kirche gewahrt bleiben soll und
deshalb besondere Vorsicht angebracht ist.
In manchen Partnergemeinden werden Gottesdienste wieder angeboten, was angeblich gut
angenommen wird. Jedoch sind deren Kirchen oftmals auch größer.

2.b) Corona-Tagebuch - Teil 2:

Freitag, 19.06.2020:
- Erstes Handballtraining der Vorbereitung
Heute findet das erste Training nach der langen Corona-Pause statt. Das Training an sich ist
logischerweise wieder erlaubt, wir verlagern es aktuell aber noch hauptsächlich nach draußen.
Für eine bessere Hygiene steht ein Desinfektionsmittelspender am Eingang bereit, das
Duschen bleibt in unserem Kreis bis auf Weiteres verboten. Vorgesehen ist Stand heute, dass
die Saison im September starten soll.
Beim Umgang miteinander ist eine gewisse Müdigkeit in Bezug auf die Maßnahmen erkenn-
bar: Kein Teamkamerad achtet auf Abstände oder sonstige Bestimmungen. In einigen
Gesprächen stelle ich fest, dass eine potenzielle Gefahr nicht mehr wahrgenommen und des-
halb auch die immer noch einzuhaltenden Bestimmungen kaum noch beachtet werden. So
erzählt mir bspw. ein Spieler, dass er bei einer nicht erhöhten Sterblichkeit in Deutschland
auch keine Gefahr für sich und seine Familie sieht.

- Essen bei Burger King
Nach dem Training bin ich mit zwei Freunden in einem Burger King – Restaurant verabredet.
Auch hier beobachte ich einige spannende und relevante Dinge für mein Tagebuch: In der
Küche tragen fast alle Mitarbeiter eine Maske, jedoch unter dem Kinn, was die Infektionsge-

                                              11
fahr natürlich nicht verringert. Eine Kontaktdatenliste wird zwar geführt, jedoch nicht
gewissenhaft (viele Rechtschreibfehler und andere Fehler bei Namen und Nummern).
Bestimmte Sitzgruppen, die einen Mindestabstand von 1,5m nicht gewährleisten würden,
sind zwar abgesperrt. Allerdings wird im täglichen Arbeitsalltag auf Abstände oder andere
Regelungen scheinbar höchstens zweitrangig Wert gelegt.
Meine Einschätzung dazu ist, dass sich Schnellrestaurants zwar Mühe geben, die
Bestimmungen aber tatsächlich nur halbherzig umsetzen und so zu Infektionsherden werden
könnten, da insbesondere die Mitarbeiter keine (schützende) Maske tragen. Vermutlich wird
ein Hygienekonzept vorgelegt, um wieder öffnen zu dürfen. Die Umsetzung erscheint jedoch
mehr als fragwürdig.

Samstag, 20.06.2020:
- Gottesdienst im Freien
Seit wenigen Wochen bieten wir wieder Gottesdienste im Freien an, da unsere Kirchen zu
klein sind, um alle Hygienebestimmungen vollständig umsetzen zu können. Aufgrund des
vorgeschriebenen Mindestabstandes könnten wir nur maximal 15 Personen zulassen, wollen
aber keine potenziellen Besucher wegschicken. Dazu sind folgende Regeln, die wir bisher
maximal gewissenhaft umsetzen, von höchster Bedeutung: Führen einer Kontaktdatenliste,
Desinfektionsmittelspender bereitstellen, Maskenpflicht, bis der Platz eingenommen wird, wo
sie dann abgelegt werden darf, Mindestabstand penibel genau einhalten. Das Singen ist ver-
boten und wäre nur bei einem Abstand von drei Metern in alle Richtungen erlaubt.
Die Pfarrer können selbst entscheiden, ob sie lieber ein Mikrofon nutzen oder besonders laut
reden möchten.
Ich persönlich habe den Eindruck, dass die Menschen froh sind, dass in gewissen Bereichen
wieder ein Stück Normalität einkehrt. Außerdem nehme ich eine große Solidarität wahr: Alle
beachten die bestehenden Regeln, auch wenn ich von einigen erfahre, dass sie besonders die
Maskenpflicht (im Freien), aber auch das Verbot des Singens für nicht gerechtfertigt halten.
Dazu muss man aber auch sagen, dass es trotzdem gemacht wird, um den Gottesdienst
ermöglichen zu können.

Dienstag, 23.06.2020:
- Kritik zu den Corona-Maßnahmen bei Gesprächen auf dem Geburtstag eines Freundes
Auf dem Geburtstag eines Freundes komme ich mit einer Person ins Gespräch, die umfas-
sende Kritik zu den bestehenden Corona-Maßnahmen der Bundesregierung äußert. Einige der
kritischen Fragen gebe ich hier wieder und lasse sie unkommentiert stehen, da sie zum Nach-
                                            12
denken anregen, ich selbst aber aktuell keine Antwort auf diese habe.
 Warum wird an der vollumfänglichen Maskenpflicht in Deutschland festgehalten,
    wenn sie in einigen Nachbarländern (z.B. Österreich) in Teilen wieder abgeschafft
    wurde?
 Warum werden die Maßnahmen trotz einer sehr geringen Anzahl von Neuerkrankungen
    in diesem Ausmaß deutschlandweit beibehalten?
 Warum kommt es teilweise zu (harten) Festnahmen auf „Anti-Corona-Demos“, während
   „BlackLivesMatter“-Demonstranten        in        Massen,   ohne   Abstand   und    Maske
   demonstrieren dürfen?
 Warum lassen die Medien keine Kritik an den Maßnahmen aufkommen bzw. hinterfragen
   das Verhalten und die Maßnahmen der Bundesregierung nicht stärker? Warum hat man
   stattdessen den Eindruck, dass die Medien (im Widersinne einer „vierten Gewalt“) eher
   im Sinne der Bundesregierung berichten?
Diesen Fragen ist noch hinzuzufügen, dass sich diese Person per Attest von der Maskenpflicht
aus Gewissensgründen befreien hat lassen. Er spricht von einem befreienden Gefühl und ist
bisher in keinem Markt o.Ä. angesprochen worden. Ob dieses Attest tatsächlich vor Gericht
Bestand hätte, wage ich zu bezweifeln. Auch wenn ich nicht vollständig hinter dem Anliegen
an sich stehe, so finde ich doch den Mut beeindruckend, mit dem die Person für ihre Über-
zeugungen einsteht.

Mittwoch, 24.06.2020:
- Kommentar zum Corona-Ausbruch bei „Tönnies-Fleisch“
Die massenhaften Infektionen in dem Fleischbetrieb Tönnies zeigen keine Verfehlung der
Bundesregierung bzw. der Politik auf. Bei Einhaltung aller vorgegebenen Hygieneregeln sind
solche Ausbrüche unwahrscheinlich. Nicht die getätigten Lockerungen haben diese Zustände
also hervorgerufen, sondern vielmehr menschenunwürdige Arbeits- und Wohnverhältnisse,
die schon viel früher in einer Debatte diskutiert und dann auch verboten hätten werden sollen.
Wer die Bilder, die nur exemplarisch für die Fleisch-Massenindustrie gelten können, gesehen
hat, der ist sicherlich betroffen und verspürt auch ein gewisses Unverständnis. Aber wenn wir
ehrlich sind, sind uns diese Zustände schon länger bekannt. Viele haben nur weggeschaut,
weil sie nicht auf das günstige Stück Fleisch am Sonntag oder besser noch täglich verzichten
wollen. Spätestens jetzt wird hoffentlich ein Umdenken stattfinden. Fleisch soll nicht nur ge-
nerell teurer werden, es wird auch in weiten Teilen der Gesellschaft angekündigt, bewusster
leben zu wollen und mehr auf die eigene Gesundheit, das Wohl der Tiere, aber v.a. auch der
                                                13
Arbeiter in den Betrieben zu achten. Jetzt muss sich zeigen, dass diese Worte nicht nur leere
Worthülsen sind, sondern dass diesen auch Taten folgen. Insofern hat der Corona-Ausbruch,
wenn es dabei bleibt, dass keiner der Arbeiter an den Folgen stirbt, auch etwas Positives. Die
gerade für Deutschland unwürdigen Arbeitsbedingungen kommen endlich, wenn auch deut-
lich zu spät, zur Sprache. Hoffentlich werden auch die dafür Verantwortlichen zur Rechen-
schaft gezogen. Sonderbar bleibt trotzdem, dass nach der Wiedereröffnung der Betriebe trotz
der aktuellen Infektionsgefahr zumindest vorübergehend keine Veränderungen vorgenommen
worden sind. Aber auch hier gilt vermutlich, dass das große Geld höher wiegt als die Würde
des kleinen Arbeiters.

Freitag, 26.06.2020:
- Handballtraining
Im Umkreis meiner Handballmannschaft finden Begrüßungen mit Handschlag wieder statt.
Auch wenn hierauf in der Theorie verzichtet werden sollte, so erscheint es doch als wenig
schlimm vor dem Hintergrund, dass man im Mannschaftssport ohnehin nicht dauerhaft auf
Abstandhalten Rücksicht nehmen kann.
Der Trainer desinfiziert benutzte Matten und Bälle und gibt sich Mühe, auf den Mindestab-
stand zu achten, jedoch nicht in letzter Konsequenz. Um dies bereits vorwegzunehmen:
Besonders die Hygienemaßnahmen werden im Laufe der Zeit deutlich abnehmen.
Desinfektionsmittel werden schon bald gar nicht mehr zum Einsatz kommen. Das Thema
„Corona“ steht bei Weitem nicht mehr im Zentrum der Gespräche, ist eher eine Randnotiz
und wird wenn, dann belustigend eingesetzt.

Samstag, 27.06.2020:
- Gemeinsames Essen mit Freunden in einer Bar in Gießen
Ich genieße es, mich wieder des Öfteren mit Freunden zu verabreden und freue mich sehr auf
das heutige gemeinsame Essen, das schon lange geplant war. Es ist spannend zu sehen, wie
viele Dinge einem auffallen, wenn man sich darauf konzentriert. Folgende Punkte sind an
diesem Abend zu nennen:
1) Der Kellner klärt uns direkt darüber auf, dass die Maske von den Gästen nicht
   verpflichtend getragen werden muss, sondern es sich lediglich um eine Empfehlung
   handelt. Diese Tatsache finden wir überraschend, aber nehmen sie dankend an, um auf
   die Maske zu verzichten. Generell vertrete ich die Auffassung, dass man den Unternehmen
   deutlich mehr Freiheiten bei der Umsetzung der Maßnahmen geben sollte.
2) Eine Speisekarte wird ungerne ausgegeben, vermutlich da darüber eine Infektion eher

                                              14
möglich ist. Es besteht die Möglichkeit, sich die Speisekarte über einen QR-Code
    anzuschauen. Nach dem zweiten Nachfragen bekommen wir aber die Speisekarte auch
    ausgehändigt. Hier verhält es sich wie mit dem Zahlen: Auf Bargeld soll verzichtet
    werden, ich nutze es aber trotzdem aus verschiedenen Gründen lieber und lasse mich
    deshalb auch nicht davon abhalten.
3) Ein Kontaktformular mit den persönlichen Daten ist auch hier auszufüllen, jedoch wird
    auch dies nicht konsequent verfolgt. Scheinbar stehen zu wenige Kugelschreiber zur
    Verfügung. Trotz mehrmaligem Nachfragen werden wir immer wieder auf später
    vertröstet, sodass wir letztlich unsere Daten nicht angeben können/müssen.
    Die Betriebe scheinen den Maßnahmen zuzustimmen, um wieder aufmachen zu können.
    Letztlich     werden      aber     einige     Bestimmungen         nicht     ernstgenommen         bzw.
    nicht in letzter Konsequenz umgesetzt.
4) Menschen sitzen wie in „normalen“ Zeiten eng beieinander, teilweise mit über fünf
    Personen an einem Tisch.

Mittwoch, 01.07.2020:
- Kommentar zum Umgang mit Menschen aus dem Kreis Gütersloh
In einer gesellschaftlichen Krise wie dieser pandemischen Situation wird häufig der
Zusammenhalt in einer Gesellschaft propagiert. In einer Pandemie, in der sich Menschen
gesundheitlich bedroht fühlen, stehen nicht mehr die täglichen „Spaltereien“ aufgrund aktuell
in den Hintergrund tretender Themen im Vordergrund, sondern hauptsächlich der Selbster-
halt. Sich gegenseitig Mut und Hoffnung zusprechen – eben zusammenhalten, ein „Wir-
Gefühl“ aufbauen – kann dabei mental unterstützend wirken: für jeden Einzelnen. Umso trau-
riger, dass Einwohner des Kreises Gütersloh, die beispielsweise durch ein entsprechendes
Autokennzeichnen „erkannt“ werden, aktuell gesellschaftlich unter Beschuss zu stehen
scheinen. Autos werden beschmiert, Menschen werden verbal angegriffen1 – lediglich auf-
grund der Tatsache, dass sie aus einem bestimmten Gebiet unseres Landes kommen. Diese
Menschen können weder etwas dafür, dass sie in diesem Landkreis wohnen, noch, dass es zu
dem Corona-Ausbruch bei Tönnies gekommen ist. Die negative Einstellung gegenüber diesen
Personen ist also vollkommen unbegründet und möglicherweise darauf zurückzuführen, dass
nicht nur Zusammenhalt, sondern auch Abgrenzung gegenüber (unbeliebten) „Minderheiten“

1
 Hildebrandt, Antje (2020): „Verpisst Euch, Ihr Dreckschlampen!“; in: Cicero; 01.07.2020;
https://www.cicero.de/innenpolitik/guetersloh-autokennzeichen-beate-bredenbals-stigmatisierung-toennies-nrw
[Stand: 01.07.2020].
                                                     15
das Durchstehen einer Krise einfacher erscheinen lässt. Selbstverständlich ist es falsch, die
Bewohner von Gütersloh skeptisch zu beäugen. Ich bin der Meinung, dass man ihnen deshalb
auch nicht ihren Urlaub verwehren sollte. Ja, aktuell treten vermehrt Infektionen in diesem
Gebiet auf. Deshalb müssen andere Regionen aber nicht überreagieren und die Bewohner
generell als Bedrohung einstufen. Hier wäre mehr gesellschaftliche, aber auch politische
Vernunft, aber vor allem ein gleicher Umgang mit allen Menschen durchaus angebracht.

Donnerstag, 02.07.2020:
- Überreaktion einer Bekannten in meiner Familie
Eine Bekannte sperrt ihre Mutter regelrecht in ihrer Wohnung ein und verbietet ihr, das Haus
zu verlassen bzw. Besuch zu empfangen. Die Schwester der Bekannten und somit die Tochter
der fast 80-jährigen Mutter hat eine schwere Krankheit und doch wird ihr der Besuch versagt,
sodass die beiden sich möglicherweise nicht mehr wiedersehen.
Trotz aller Gefahren, die von einer Erkrankung mit Covid-19 ausgehen, sollten wir nicht die
Menschlichkeit verlieren, Familienmitglieder trennen oder alle Entscheidungen lediglich auf
diese Krankheit ausrichten. Aus meiner Sicht ist es elementar, dass wir Entscheidungen, die
die Familie betreffen (wie gewöhnlich?) mit dem Herzen treffen und nicht ausschließlich von
Covid-19 abhängig machen. Ich persönlich würde lieber in der Nähe meiner Familie sterben,
als in Einsamkeit möglicherweise ein paar Monate länger leben zu können. Darüber hinaus
sollte nicht vergessen werden, dass Einsamkeit die Lebenslust und die Lebenserwartung in
der Regel senkt. Ich plädiere selbstverständlich dafür, seine Liebsten vor Gefahren zu
schützen, aber bitte mit Sinn und Verstand und v.a. im Sinne der Betroffenen, die im Leben
bestimmt noch mehr erleben wollen, als lediglich die eigenen vier Wände von innen zu be-
trachten.

Montag, 06.07.2020:
- Spahn will Maskenpflicht beibehalten2 – ein Kommentar
Auch wenn eine Zusammenarbeit zwischen Staaten im Interesse aller sein sollte, plädiere ich
doch dafür, dass jeder Staat seine eigenen Entscheidungen im Sinne des eigenen Volkes trifft.
Sollten sich jedoch Entscheidungen und Gesetze, die im nahegelegenen Ausland getroffen
werden und auf das eigene Land übertragbar sind, bewähren, kann es ratsam sein, diese
Überlegungen zumindest zur Debatte zu stellen. Konkret spreche ich davon, dass in einigen
Nachbarländern Deutschlands (z.B. Österreich) das Ende der Maskenpflicht in einigen

2
 Zeit (2020): Jens Spahn warnt vor Abschaffung der Maskenpflicht; 06.07.2020;
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-07/coronavirus-jens-spahn-maskenpflicht [Stand: 06.07.2020].
                                                     16
Bereichen beschlossen wurde.3 Dort scheint diese Maßnahme keine (weitreichenden)
negativen Konsequenzen mit sich zu bringen, weshalb es mir unerklärlich ist, wieso in
Deutschland führende Politiker (Spahn, Walter-Borjans, Merkel,…) trotz im Vergleich immer
noch niedriger Fallzahlen und Todesfälle vehement an dieser in unserem Land festhalten. Ich
bin der festen Überzeugung, dass irgendwann der Punkt erreicht ist, an dem man – auch in
der Krise – den Menschen eine gewisse Eigenverantwortlichkeit übertragen und ihnen zu-
trauen sollte, dass sie im eigenen Interesse und von sich aus in der Lage sind, auf sich und die
Mitmenschen achtzugeben. Viele Menschen sprechen sich mittlerweile gegen den von oben
auferlegten Zwang aus. Sollten der Widerstand und die Unruhe weiter zunehmen, wird es
bald schwierig werden, die Maskenpflicht weiter durchzusetzen.

Donnerstag, 09.07. – Sonntag, 12.07.2020:
- Kurzurlaub am Starnberger See
Auch in Bayern herrscht nach wie vor eine strenge Maskenpflicht in Gaststätten, Super-
märkten usw. Die Wirtin unseres Gasthauses ist am ersten Morgen sehr überrascht, dass ich
den Frühstücksraum ohne Maske betrete und weist mich forsch darauf hin, dass ich doch eine
zu tragen habe. In einem Gespräch an einem anderen Tag erklärt sie mir, dass sie das Virus
selbst für nicht sonderlich gefährlich hält, sich aber unbedingt an die vorgeschriebenen
Regelungen halten möchte, damit ihr Lokal nicht wieder geschlossen wird. Ihr persönliches
Verhalten ist also eher auf Angst vor Repressalien als auf Angst vor dem Virus
zurückzuführen.
Das Verhalten unterschiedlicher Restaurantleiter variiert stark. In einem Wirtshaus müssen
sich alle Menschen streng an Abstände halten. Alle sichtbaren Mitarbeiter (Kellner und
weiteres Personal) tragen dauerhaft eine Maske. Außerdem sind zahlreiche Markierungen auf
dem Boden angebracht. In einem italienischen Restaurant hingegen begrüßt der Chef einige
seiner Gäste innig. Abstandsregelungen werden hier kaum berücksichtigt. Die Stimmung ge-
nerell kann als freundschaftlich und gesellig beschrieben werden. Lediglich die Kellner tragen
zunächst eine Maske, die nach den eigentlichen Öffnungszeiten aber auch aus dem Gesicht
verschwindet.
Die Kontaktdaten müssen zu diesem Zeitpunkt in Restaurants in Bayern scheinbar nicht an-
gegeben werden. In Baden-Württemberg (auf der Heimreise) steht in einem MC Donalds ein
Karton, in den man seine Daten werfen muss, doch eine entsprechende Kontrolle findet nicht
statt.

3
 Tagesschau (2020): Österreich lässt Mitte Juni die Maske fallen; 29.05.2020;
https://www.tagesschau.de/ausland/oesterreich-coronavirus-lockerungen-101.html [Stand: 06.07.2020].
                                                    17
Beim Verhalten der Bürger sind keine weiteren Auffälligkeiten erkennbar. Menschen ver-
halten sich beim Spazierengehen, Sightseeing etc. ähnlich wie vor der Corona-Zeit. Sehr viele
Menschen sind in Bayern an der frischen Luft aktiv und fahren Rad oder joggen.
Dennoch erscheinen die Unterkünfte bei Weitem nicht ausgelastet. Dies kann verschiedene
Ursachen haben. Zum einen sind zu diesem Zeitpunkt noch keine Ferien in Bayern. Weitere
mögliche Ursachen könnten sein, dass viele Menschen sich (noch) nicht für einen Urlaub
begeistern oder sich diesen schlicht nicht leisten können.

Dienstag, 14.07.2020:
- Kommentar zu den Erfahrungen mit der Online-Lehre im Studium
Dieses Semester als ungewöhnlich zu bezeichnen, wäre wohl maßlos untertrieben. Die
Vorlesungszeit neigt sich dem Ende zu, doch ich habe keine einzige Vorlesung regulär in
einem Vorlesungssaal verbracht, ja war sogar kein einziges Mal in der Universität anwesend.
Das liegt jedoch nicht daran, dass ich besonders faul wäre. Es war schlicht nicht möglich,
alle mich betreffenden Veranstaltungen wurden online abgehalten. Doch das empfinde ich
keineswegs nur als negativ. Ich habe einen Weg von etwa 30 Minuten Fahrzeit zur Universität
zurückzulegen und konnte mir somit jeden Tag eine Stunde und hohe Fahrtkosten sparen.
Auch die Vorlesungen von zuhause aus zu verfolgen, gefiel mir durchaus, da man sich das
Anschauen dieser gut einplanen sowie diese auch pausieren konnte, um sich etwas zu notieren
oder nicht Verstandenes zu wiederholen. Die Woche konnte deutlich besser strukturiert wer-
den als zu normalen Zeiten bzw. als ich es vor dem Start des Online-Semesters erwartet hatte.
Nichtsdestotrotz hat der Kontakt zu den Kommilitonen und der „universitäre Flair“ gefehlt:
Diskussionen in Seminaren, Austausch mit Gleichaltrigen, Nachfragen an die Dozenten. All
das konnte nur sehr eingeschränkt stattfinden, was ich sehr schade finde, da nicht nur das
schlichte Lernen von Inhalten zum Studium gehört. Hervorheben möchte ich hier allerdings
das Seminar „Argumentieren im politischen Kontext“, bei dem über vier Tage auch online
überraschend gute Gespräche, Debatten und Diskussionen stattfinden konnten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir uns alle an die ungewöhnlichen Bedingungen
gewöhnen mussten. Doch dieses maximal ungewöhnliche Semester brachte nicht nur
Negatives mit sich, sondern ließ auch nach einigen Wochen der Eingewöhnung eine Struktur
zu und lehrte uns, flexibel zu lernen und sich auszutauschen. Durch die Erfahrungen dieses
Semesters lässt sich auch das nächste, das auch vorwiegend online stattfinden wird,
ordentlich organisieren und durchführen.

                                               18
Donnerstag, 16.07.2020:
- Tragen der Maske in Österreich
Ein Freund von mir ist aktuell auf Durchreise durch Österreich und berichtet mir von dem
Verhalten der Österreicher in einem MC Donalds. In Österreich muss laut ihm eine Maske nur
noch in öffentlichen Verkehrsmitteln und Apotheken getragen werden. Dennoch könnte man
vermuten, dass die Menschen aus Angst vor Ansteckung oder Gefährdung anderer trotzdem
eine solche tragen. Dies ist aber bei einem großen Teil der Menschen, die er beobachtet hat,
nicht der Fall.
Da die Österreicher den Deutschen charakterlich recht ähnlich sind, lässt dies darauf
schließen, dass die Maske auch hierzulande tatsächlich hauptsächlich aus dem Grund der
Verpflichtung getragen wird. Der Staat zwingt die Menschen dazu, weshalb es auch umgesetzt
wird. Welche Einstellung die Bevölkerung dazu hat, wird dabei nicht berücksichtigt.

Sonntag, 19.07.2020:
- Aufenthalt am Aartalsee
Der Strand am See ist relativ voll. Abstände werden kaum eingehalten. Normalität scheint
insbesondere bei Freizeitaktivitäten in vielen Bereichen eingekehrt zu sein. Schätzungsweise
sind die Besucherzahlen des Sees aktuell nicht wesentlich geringer als in den Vorjahren. Da
meine Freunde und ich keine großen Befürworter der Maskenpflicht sind, wagen wir ein Ex-
periment: Trotz Maskenpflicht verzichten wir beim Döneressen auf eine solche. Wir möchten
überprüfen, ob die Inhaber des Ladens diese Handlung akzeptieren.
    -> Ergebnis: Wir können ohne Probleme bestellen und bezahlen, die Inhaber sind sehr
       freundlich und verständnisvoll. Lediglich ein Mann im Eingangsbereich weist uns
       kritisch und überaus unfreundlich auf die bestehende Maskenpflicht hin. Weitere
       Maßnahmen ergreift er jedoch nicht.

Dienstag, 21.07.2020:
- „Der EU-Gipfel hat sich bei zwei großen Themen geeinigt: Corona-Hilfen für
    wirtschaftlich angeschlagene Staaten in einer Höhe von insgesamt 750 Milliarden Euro
    sowie den mehrjährigen Finanzrahmen des EU-Haushalts. Dabei geht es um die Mittel,
    die der EU von 2021 bis 2027 zur Verfügung stehen. Insgesamt ist dafür eine Summe von
    1074 Milliarden Euro eingeplant“ (Tagesschau 2020: 1)4.

4
 Tagesschau (2020): Was der EU-Gipfel beschlossen hat, Was wurde auf dem EU-Gipfel beschlossen?;
21.07.2020;
https://www.tagesschau.de/ausland/eu-gipfel-faq-101.html [Stand: 21.07.2020].
                                                  19
- Kommentar:
Solidarität ist in Zeiten wie diesen überaus wichtig: in Deutschland, in Europa und weltweit.
Da gibt es keine zwei Meinungen. Dieses verabschiedete Paket, für das Frau Merkel von der
deutschen Presse regelrecht gefeiert wird, sprengt allerdings jeden Rahmen. Das meiste Geld
muss wiedermal der deutsche Steuerzahler beisteuern. Das war nicht anders zu erwarten und
kann auch in der Theorie nachvollzogen werden. In der Krise helfen die Starken den
Schwachen. Dabei darf aber auch nicht vergessen werden, dass Deutschland zwar der
zentrale Wirtschaftsmotor in Europa ist, das Pro-Kopf-Vermögen des einzelnen Deutschen
jedoch im Durchschnitt in etwa so groß ist wie das des Italieners. 5 Ein „Weiter-So“ darf es
nicht geben. Ein solch hoher Geldbetrag, der insbesondere den Ländern, die schwer von der
Corona-Krise getroffen wurden, zugutekommt, kann aus meiner Sicht nur an Bedingungen
geknüpft werden. Dieses Geldpaket, das nun beschlossen wurde, fordert Länder wie Italien,
Spanien oder Griechenland nicht zu einer Reform des jeweiligen Wirtschaftssystems auf, im
Gegenteil: Es verleitet gerade dazu, nichts zu verändern. Nach dem Motto: Wir machen ganz
einfach so weiter. In der nächsten Krise wird uns Deutschland wieder retten.
Sebastian Kurz, Bundeskanzler Österreichs, schrieb dazu auf Twitter: „Unsere zentrale
Forderung ist, dass es nicht zu einer langfristigen Schuldenunion kommen darf. Natürlich
wollen wir solidarisch sein, aber wir haben auch die Interessen der österreichischen Steuer-
zahler im Blick“ (Kurz 2020: o. S.)6. Von einem solchen Statement unserer Bundeskanzlerin
kann man heute nur noch träumen.
Deutschland kann und soll ein Vorbild und ein Vorreiter der Solidarität sein, aber es muss
sich nicht zum Wohle anderer ausnutzen und ausbeuten lassen. Soforthilfen, ja! Aber mit Maß
und Ziel und gebunden an verpflichtende Bedingungen. Nur so lässt sich auf lange Sicht ein
stabiles und solidarisches Europa errichten.

Donnerstag, 23.07.2020:
- Beschluss der hessischen Landesregierung, dass Team- und Schulsport fortan ohne
    Anzahlbeschränkung möglich ist (vorher maximal zu zehnt)
Auf Hygienebestimmungen muss trotzdem weiter geachtet werden, dennoch kann im Mann-
schaftssport    nun     die    intensivere    Vorbereitung       auf    den    Saisonstart     beginnen.
Ich begrüße das sehr, auch wenn ich mir nur schwer vorstellen kann, Handball ohne Körper-
5
  Statista Research Department (2019): Pro-Kopf-Geldvermögen in ausgewählten Ländern weltweit im Jahr
2018; in: de.statista.com; 19.09.2019;
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/164626/umfrage/geldvermoegen-pro-kopf-2009/ [Stand:
21.07.2020].
6
  Kurz, Sebastian (2020): „Unsere zentrale Forderung ist,…“; in: Twitter; 17.07.2020;
https://twitter.com/sebastiankurz/status/1284230785151762433 [Stand: 21.07.2020].
                                                   20
kontakt zu spielen. Hier werden maximale Veränderungen nötig sein, um einen halbwegs ver-
nünftigen Mannschaftssport betreiben zu können.

Freitag, 24.07.2020:
- Kommentar zu den Fehlern der „Corona-Warn-App“
Am gestrigen Abend kamen erste Berichte heraus mit der Nachricht, dass die Corona-Warn-
App der Bundesregierung über Wochen nicht richtig funktioniert haben soll.7 So seien z.B.
Samsung- und Huawei-Handynutzer möglicherweise gar nicht oder zu spät gewarnt worden,
da sich die App bei Android-Nutzern bislang allem Anschein nach automatisch ausstellte,
wenn sie nicht geöffnet war.7 In meinem Umfeld nutzen kaum Menschen die App (inklusive
mir) mit den wichtigsten Begründungen, dass die Sinnhaftigkeit der App sehr anzuzweifeln ist
und die Skepsis gegenüber dem Umgang mit den preisgegebenen Daten überwiegt. Pannen
wie diese sind Wasser auf die Mühlen der Kritiker und werden die Nutzer der App ernsthaft
zum Nachdenken anregen. Die Bundesregierung (auch wenn sie möglicherweise keine direkte
Schuld trägt) schadet aber nicht nur dem Image der App, sondern auch ihrem eigenen. Zwei-
fel an den Maßnahmen scheinen sich weiter zu verfestigen. Wenn nun nicht mal die in großem
Umfang umworbene App einwandfrei funktioniert und die Nutzung zu einer Komödie ver-
kommt, kann sich die Akzeptanz der Bevölkerung ganz schnell in Unverständnis wandeln.

Montag, 27.07.2020:
- Kommentar zu dem „Herbeireden“ der zweiten Welle in Deutschland
Schon seit Beginn der Pandemie werden die Bürger unseres Landes gewarnt, dass, selbst
wenn die sogenannte „ erste Welle“ überstanden, die Pandemie bei Weitem nicht vorüber ist.
Selbstverständlich ist dies möglich, aber keineswegs immer der Fall. Vielmehr erscheinen
Aussagen in diese Richtung als Druckmittel für die Menschen, weiter achtsam zu sein und die
vorgeschriebenen Maßnahmen zu befolgen, ohne sie hinterfragen zu dürfen. Bis zum heutigen
Tag sind die Fallzahlen in Deutschland seit Monaten ähnlich und erleben keinen signifikanten
Anstieg. Ich prophezeie, dass es in den nächsten Wochen wieder mehr Corona-Fälle in
Deutschland geben wird, was sich dann aber auch mit einer Erhöhung der Tests und einem
allgemeinen Anstieg solcher Krankheiten, sobald es wieder kälter und herbstlicher wird, in
Verbindung bringen lässt. Ich finde es richtig, dass die Menschen aufgefordert werden, sich
und andere zu schützen und aufmerksam zu bleiben. Ob die Mittel der Angst und des

7
 RP-online (2020): Corona-Warn-App soll bei Millionen Nutzern nicht richtig funktioniert haben; 24.07.20;
https://rp-online.de/panorama/coronavirus/corona-app-warn-app-soll-ueber-wochen-nicht-richtig-funktioniert-
haben_aid-52371753 [Stand: 24.07.2020].
                                                     21
Sie können auch lesen