Digitalisierung und Energieeffizienz - Institut der deutschen ...

Die Seite wird erstellt Michaela Heim
 
WEITER LESEN
Digitalisierung und Energieeffizienz - Institut der deutschen ...
Digitalisierung und Energieeffizienz

07.Juli 2020

  Desk
Research

Institut der deutschen Wirtschaft Köln Consult GmbH · Konrad-Adenauer-Ufer 21 · 50668 Köln
Postanschrift: Postfach 10 19 42 50459 Köln · Eingetragen im Handelsregister Köln HRB 30889
Geschäftsführer: Dr. Karl Lichtblau, Peter Schützdeller · Sitz der Gesellschaft ist Köln
Digitalisierung und Energieeffizienz - Institut der deutschen ...
Impressum

© 2020

Desk Research im Rahmen des BMWi-Projekts „Entwicklung und Messung der Digitalisierung der
Wirtschaft am Standort Deutschland“, Projekt Nr. 3/19

IW Consult GmbH
Konrad-Adenauer-Ufer 21
50668 Köln
Tel.: +49 221 49 81-758
www.iwconsult.de

Autoren
Thorsten Lang, Johannes Ewald

Bildnachweise
Titelseite: Shutterstock
Digitalisierung und Energieeffizienz - Institut der deutschen ...
Digitalisierung und Energieeffizienz

Inhalt
1     Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Digitalisierung .................................................. 3
      1.1    Ziele zur Steigerung der Energieeffizienz ............................................................................3
      1.2    Ansatzpunkte der Literaturanalyse ......................................................................................5

2     Steigerung der Energieeffizienz durch die Digitalisierung .......................................... 8
      2.1    Energieeffizienz im Gesamtsystem ......................................................................................8
      2.2    Ansatzpunkte zur Steigerung der Energieeffizienz ..............................................................9
      2.3    Technische Literatur und Beispiele für Forschungsaktivitäten an
             deutschen Hochschulen .................................................................................................... 18
      2.4    Umsetzung der Digitalisierung .......................................................................................... 19
      2.5    Geschäftsmodelle der Digitalisierung ............................................................................... 22
      2.6    Wirtschaftliche Effekte der Steigerung der Energieeffizienz ............................................ 25
      2.7    Messung der Nettoeffekte der Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz .......... 25
      2.8    Fazit zur Steigerung der Effizienz durch die Digitalisierung .............................................. 28

3     Energieeffizienz der Digitalisierung.......................................................................... 29
      3.1    Energieverbrauch der Digitalisierung ............................................................................... 29
      3.2    Energieverbrauch ausgewählter Digitalisierungstechnologien ........................................ 35
      3.3    Ansätze zur Steigerung der Energieeffizienz der Digitalisierung ...................................... 37
      3.4    Fazit zur Energieeffizienz der Digitalisierung .................................................................... 39

4     Literaturverzeichnis ................................................................................................ 40

                                                                                                                                        1
Digitalisierung und Energieeffizienz - Institut der deutschen ...
Digitalisierung und Energieeffizienz

Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2-1: Effekte der Digitalisierung .............................................................................................. 7
Abbildung 3-1: Energieflussbild 2018 für die Bundesrepublik Deutschland ........................................... 9
Abbildung 3-2: Auswirkungen der Digitalisierung auf Verkehr, Gebäude und Industrie ...................... 10
Abbildung 3-3: Digitalisierung in der traditionellen Struktur des Energiesektors ................................ 11
Abbildung 3-4: Stark vernetztes System der Energieerzeugung und -verwendung ............................. 12
Abbildung 3-5: Kombination verschiedener Technologien zur Steigerung der Energieeffizienz .......... 13
Abbildung 3-6: Auswirkungen der Digitalisierung auf die Energieeffizienz im Gesamtsystem ............ 13
Abbildung 3-7: Sektorkopplungsoptionen ............................................................................................ 17
Abbildung 3-8: Traditionelle Wertschöpfungskette in der Energiewirtschaft ...................................... 23
Abbildung 3-9: Geschäftsmodelle der Digitalisierung ........................................................................... 23
Abbildung 3-10: Klassifizierung der Effekte der Digitalisierung auf den Energieverbrauch ................. 26
Abbildung 4-1: Energieverbrauch von Servern und Rechenzentren in Deutschland 2010 bis 2017 .... 30
Abbildung 4-2: Energieverbrauch von Servern und Rechenzentren weltweit 2010 bis 2017 .............. 31
Abbildung 4-3: Energieverbrauch von Rechenzentren 2010 bis 2018 nach
               Komponenten, Typ und Region .................................................................................... 32
Abbildung 4-4: Energieverbrauch IKT weltweit..................................................................................... 34
Abbildung 4-5: Energieverbrauch IKT Deutschland............................................................................... 35
Abbildung 4-6: Annahmen zur Energieintensität von Rechenzentren, Netzwerken zur
               Datenübertragung und Nutzungsgeräten .................................................................... 37

2
Digitalisierung und Energieeffizienz - Institut der deutschen ...
Digitalisierung und Energieeffizienz

   1 Nachhaltigkeit,
     Energieeffizienz und
     Digitalisierung
1.1      Ziele zur Steigerung der Energieeffizienz
Im Juni 1992 bekannten sich auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung
über 170 Unterzeichnerstaaten in der „Agenda 21“ zum Leitbild der nachhaltigen Entwicklung. Sie
erklärten sich bereit, das Leitbild national in allen Politikbereichen unter Beteiligung von Gesellschaft
und Wirtschaft umzusetzen (Vereinte Nationen 1992). Im Jahr 2002 legte die Bundesregierung erst-
mals eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie vor (Deutscher Bundestag 2002). Die Digitalisierung war
darin noch kein Thema, wohl aber die Energieeffizienz. Dieser kommt im Rahmen einer Modernisie-
rungsstrategie für eine nachhaltige Entwicklung Deutschlands eine Schlüsselstellung zu: Einerseits
dient sie zum einen dem Schutz des Klimas und der Umwelt sowie der Schonung endlicher Energie-
ressourcen, andererseits ist sie der wirtschafts- und energiepolitische Schlüssel für eine zukunftsfä-
hige Entwicklung, da Verbesserungen der Energieeffizienz die Energiekostenbelastung der Unterneh-
men senken und so die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken.

Die Bundesregierung entwickelt die Nachhaltigkeitsstrategie ständig weiter. Zuletzt wurde sie im Jahr
2018 aktualisiert (Deutscher Bundestag 2018). Sie orientiert sich inzwischen an der „Agenda 2030“,
die die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen im September 2015 verabschiedeten (Vereinte
Nationen 2015) und die als Meilenstein der globalen Anstrengungen für einen weltweiten Wandel
hin zu einer inklusiven, verantwortlichen und emissionsarmen Lebens- und Wirtschaftsweise gilt.
Handlungsleitende Prinzipien der Agenda 2030 sind die „5Ps“: People, Planet, Prosperity, Peace,
Partnership (Mensch, Planet, Wohlstand, Frieden und Partnerschaft). So sollen nachhaltiger Konsum,
nachhaltige Produktion, nachhaltige Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen sowie Maßnahmen ge-
gen den Klimawandel dazu beitragen, dass die Erde die Bedürfnisse der heutigen und kommenden
Generationen decken kann. Zugleich soll ein von Wohlstand geprägtes und erfülltes Leben für alle
Menschen ermöglicht werden, wobei der wirtschaftliche, soziale und technische Fortschritt in Har-
monie mit der Natur erfolgen soll. Für die Umsetzung der Vision ist ein unteilbarer Katalog von 17
Zielen für nachhaltige Entwicklung mit 169 Zielvorgaben, die Sustainable Development Goals (SDGs),

                                                                                                            3
Digitalisierung und Energieeffizienz - Institut der deutschen ...
Digitalisierung und Energieeffizienz

vorgelegt worden. Die SDGs integrieren ökologische, soziale und ökonomische Aspekte nachhaltiger
Entwicklung.

In der aktuellen nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung kommt der Digitalisierung
eine erhebliche Bedeutung zu (Deutscher Bundestag 2018). Ihr werden erhebliche Potenziale zuge-
sprochen, die Ziele der Nachhaltigkeitsstrategie zu unterstützen. Die neuen digitalen Technologien
wie Künstliche Intelligenz, Big Data, Internet of Things, Robotik, Industrie 4.0 usw. sollen dazu beitra-
gen, effizienter zu wirtschaften und Ressourcen einzusparen. Dies reicht von der Dematerialisierung
von Produkten und nachhaltigerem Konsum bis hin zu Effizienzsteigerungen bei der Herstellung und
Nutzung. Auch im Verkehrsbereich werden durch eine vernetzte Mobilität Effizienzsteigerungen er-
wartet. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen zeigt auf,
dass die Digitalisierung Gesellschaften tiefgreifend verändern wird, weshalb auch das Nachhaltig-
keitsverständnis weiterentwickelt werden muss. Er fordert daher, Forschungsprogramme zu Nach-
haltigkeit und Digitalisierung wechselseitig zu verschränken und eine nachhaltige Digitalisierung im
Sinne einer sicheren, ressourcenschonenden und energieeffizienten Gestaltung zu gewährleisten
(Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, 2019). In der Bundes-
politik liegt die Verantwortung für die Nachhaltigkeitsstrategie bei mehreren Ministerien. Das Bun-
desumweltministerium möchte die Digitalisierung nutzen, um mit digitalen Innovationen Probleme
beim Klima- und Umweltschutz zu lösen. Dazu werden in der umweltpolitischen Digitalagenda ver-
schiedene Maßnahmenpakete aufgezeigt, die neben neuen Lösungen auch den Energieverbrauch der
Digitalisierung adressieren (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit,
2020). Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) trägt auf verschiedenen Poli-
tikfeldern zur Umsetzung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie bei, darunter der Ausbau der er-
neuerbaren Energien, die Steigerung der Energieeffizienz und die Förderung der Digitalisierung.

Die Bundesregierung hat zur Erreichung ihrer Nachhaltigkeitsziele die Energieeffizienzstrategie 2050
beschlossen (Deutscher Bundestag 2019). Ziel ist es, bis zum Jahr 2050 den Primärenergieverbrauch
gegenüber dem Jahr 2008 um die Hälfte zu senken. Dazu wurde der Nationale Aktionsplan Energieef-
fizienz (NAPE) aufgesetzt, der die strategische Ausrichtung der deutschen Effizienzpolitik definiert.
Die Weiterentwicklung zu NAPE 2.0 enthält Maßnahmen zur Senkung des Endenergieverbrauchs in
der Dekade 2021 bis 2030. Demnach werden drei Zielsetzungen verfolgt:

     die Energieeffizienz im Gebäudebereich steigern,
     Energieeffizienz als Rendite- und Geschäftsmodell etablieren und
     die Eigenverantwortlichkeit für Energieeffizienz zu erhöhen.

Andere Politikbereiche wie die Energiewende und die Klimaschutzpolitik mit dem Ziel der Verringe-
rung der Treibhausgasemissionen sind eng mit der Steigerung der Energieeffizienz verbunden. Es
wird davon ausgegangen, dass nur dann genügend erneuerbare und ressourcenschonende Energie-
mengen bereitgestellt werden können, wenn es einen deutlich verringerten Energiebedarf gibt. Eine
Senkung des Energieverbrauchs ohne Einbußen ist aber nur dann möglich, wenn die Energieeffizienz-
potenziale genutzt werden. Die Bundesregierung erhofft sich von einer Steigerung der Energieeffizi-
enz aber auch eine höhere Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit. Sie erwartet neue Märkte und Ex-
portchancen sowie die Sicherung von Beschäftigung in Deutschland.

Der Digitalisierung kommt in der Effizienzstrategie 2050 eine besondere Bedeutung zu. Dahinter
steht das Grünbuch Energieeffizienz (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2016), in dem
der Digitalisierung große Potenziale für die Steigerung der Energieeffizienz zugesprochen werden.
Erwartet werden durch die Digitalisierung neue Möglichkeiten der Analyse, Nutzerinformation und
neuer Dienstleistungen für Energieeffizienz, die in dieser Form zuvor technisch-organisatorisch un-
möglich oder (zu) teuer waren. Auch neue Formen der Organisation und Steuerung industrieller

4
Digitalisierung und Energieeffizienz - Institut der deutschen ...
Digitalisierung und Energieeffizienz

Produktionsprozesse (Industrie 4.0) werden gesehen. Im Verkehrssektor sollen Emissionsminderun-
gen durch die Vernetzung der Fahrzeuge untereinander und mit der Verkehrsinfrastruktur sowie die
intelligentere Kombination verschiedener Transportmittel erreicht werden. Eine wichtige Grundlage
sind die automatisierte Verbrauchserfassung und ein gerätescharfes Nutzer-Feedback, damit die indi-
viduellen Einsparpotenziale erschließbar oder kommerziell nutzbar gemacht werden können. Durch
den Ausbau erneuerbarer Energien und den Einsatz digitaler Steuerungstechnologien wird ein Wan-
del des Energiemarkts erwartet. So sei die Entwicklung von „Flatrate“-Geschäftsmodellen im Energie-
bereich denkbar, da die erneuerbaren Energien keine Brennstoffkosten verursachen. Angesichts des-
sen müsse es vermieden werden, dass es zu einem achtlosen Umgang mit Energie beim Endnutzer
komme. Des Weiteren soll die Digitalisierung dazu beitragen, die Effizienz des Energieeinsatzes zu
erhöhen. Intelligente Messsysteme sollen zum besseren Ausgleich von Erzeugung und Nachfrage bei-
tragen, so dass mehr volatile Erzeuger und Subsysteme mit eigenen Steuerungslogiken integriert
werden können. Dazu sind Vernetzungssysteme zu entwickeln, die sicher für unerwünschte Zugriffe
von außen sind.

Die im Grünbuch skizzierten Potenziale finden sich in der Effizienzstrategie 2050 und in der aktuellen
Diskussion wieder. Auf dem Digitalgipfel 2020 wird das Schwerpunktthema „Durch Digitalisierung zu
mehr Nachhaltigkeit“ lauten (www.Digital-Gipfel.de). Demnach kann die Digitalisierung die Entwick-
lung neuer Produkte und Geschäftsmodelle voranbringen, die der Verwirklichung von Nachhaltig-
keitszielen dienen, sowie zur Optimierung bestehender Prozesse beitragen. Zugleich rückt aber auch
der Energie- und Ressourcenverbrauch durch die IT selbst immer mehr ins Blickfeld. Auch hier sind
alle bestehenden und neuen Einspar- und Effizienzmöglichkeiten auszuschöpfen, damit die Digitali-
sierung ihren Beitrag zur Zielerreichung leistet.

Auf europäischer Ebene sieht der sogenannte European Green Deal Maßnahmen für Klima- und Um-
weltpolitik vor, um das Ziel, die EU-Wirtschaft zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft umzubauen,
zu erreichen (Europäische Kommission 2019a). Konkret sollen Netto-Treibhausgasemissionen bis
2050 auf null heruntergefahren und das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung entkop-
pelt werden. Die Digitalisierung wird auch in diesem Zusammenhang als ein entscheidender Punkt
genannt (Europäische Kommission 2019b). Digitalen Technologien wird eine wichtige unterstützende
Rolle zugesprochen. Die Überwachung und Optimierung der Energie- und Ressourcennutzung mit
neuen Mitteln könne vielerorts Effizienzpotentiale freisetzen. Beispielsweise ermögliche die Digitali-
sierung neue Wege im Verkehrssektor. Vernetzte Mobilität gewinne an Bedeutung. Ursprünglich ver-
folgte die EU das Ziel, bis zum Jahr 2030 die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 40 Prozent
zu senken. Dieses Einsparziel ist im Jahr 2020 von der EU-Kommission auf 55 Prozent erhöht worden,
wobei mit den vorgesehenen Investitionen eine „grüne und digitale“ Wende erreicht werden soll (Eu-
ropäische Kommission 2020). Damit finden sich Überschneidungen mit der Effizienzstrategie 2050
der Bundesregierung. Für Verbraucher müsse die Digitalisierung die Transparenz von Produkten und
Dienstleistungen und der dahinterstehenden Produktion erhöhen, damit diese nachhaltigere Konsu-
mentscheidungen treffen könnten. Andererseits weist die Europäische Kommission auch auf den
Energieverbrauch und die Energieeffizienz der Digitalisierung selbst hin. Die Digitalbranche müsse
sich ebenfalls nachhaltig entwickeln und am Prinzip der Kreislaufwirtschafts orientieren.

1.2      Ansatzpunkte der Literaturanalyse
Die Digitalisierung der Energiewirtschaft ist ein Thema, mit dem sich die Wissenschaft seit längerem
beschäftigt. Dabei wird verschiedenen Fragen nachgegangen:

  Was verändert sich durch die Digitalisierung?

                                                                                                         5
Digitalisierung und Energieeffizienz - Institut der deutschen ...
Digitalisierung und Energieeffizienz

     Welche Möglichkeiten bestehen, die Energieeffizienz durch die Digitalisierung zu steigern?
     Wie kann die Veränderung der Energieeffizienz gemessen werden?
     Was ökologischen und ökonomischen Effekte sind zu erwarten?

Mit dem Thema Digitalisierung und Energieeffizienz beschäftigen sich verschiedenste Wissenschafts-
bereiche. Technikaffine Wissenschaftler beschäftigen sich vor allem mit der Frage, welche (neuen)
Möglichkeiten zur Steigerung der Energieeffizienz durch die Digitalisierung bestehen. Oftmals wer-
den konkrete technische Lösungen für bestehende Probleme gesucht und deren direkten Einsparpo-
tenziale abgeschätzt. Andere Disziplinen wie die Gesellschaftswissenschaften beschäftigen sich mit
der Frage, ob sich die Maßnahmen der Energieeffizienz positiv auf die politischen Ziele und andere
gesellschaftliche auswirken und wie die Erreichung der Ziele gefördert werden kann.

Neben der wissenschaftlichen Literatur gibt es eine breite graue Literatur. Die Steigerung der Ener-
gieeffizienz (auch durch die Digitalisierung) ist ein Thema, das durch die Politik stark forciert wird.
Entsprechend beschäftigen sich staatlich finanzierte Einrichtungen wie die Deutsche Energieagentur
(dena) oder das Umweltbundesamt mit dem Thema, zudem werden viele Studien in Auftrag gege-
ben. Auch verschiedenste Interessenverbände haben Studien zur Digitalisierung der Energiewirt-
schaft beauftragt, um Impulse in der Diskussion zu leisten, aber auch, um eigene Positionen zu unter-
mauern.

In der politischen Diskussion werden meist die positiven Effekte betont. Bei der Bewertung ist zu be-
achten, dass es sich dabei nur um Bruttoeffekte handelt. In der Ökonomik gibt es seit langem Ent-
scheidungshilfen zur Planung staatlicher Programme. Letztlich werden Vor- und Nachteile verschie-
dener Maßnahmen bei der Zielerreichung abgewogen, um die Alternative mit dem größten Nettovor-
teil zu wählen. Dabei werden die Effektivität (Grad der Zielerreichung) und die Effizienz (kostengüns-
tigste Erreichung des Ziels) berücksichtigt (Zimmermann et al. 2017). Auch beim Thema Digitalisie-
rung und Nachhaltigkeit spielt diese Denkweise inzwischen eine erhebliche Rolle. So zeigen Hilty und
Aebischer (2015) auf, dass die Digitalisierung unterschiedliche Effekte auf die Nachhaltigkeit hat: Sie
ist einerseits Teil der Lösung, da sie zur Ressourceneinsparung beitragen kann, andererseits ist sie
Teil des Problems, da sie Ressourcen verbraucht (siehe Abbildung 1-1). Die Autoren organisierten im
Jahr 2013 die erste internationale Konferenz „ICT for Sustainability (ICT4S)“ ab. Zudem sehen sie ein
wachsendes Forschungsfeld „Digitalisierung und Nachhaltigkeit“ im Bereich der Informatik.

6
Digitalisierung und Energieeffizienz - Institut der deutschen ...
Digitalisierung und Energieeffizienz

Abbildung 1-1: Effekte der Digitalisierung

Quelle: Hilty und Aebischer (2015)

Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden bei der Literaturanalyse zwei Aspekte unterschieden:

  Die Steigerung der Energieeffizienz durch die Digitalisierung: Hier stehen Energieeinsparungen
   durch die Digitalisierung im Mittelpunkt. Wo und wie stark tragen digitale Technologien zu Ein-
   sparungen des Energieverbrauchs bei?
  Die Energieeffizienz der Digitalisierung: Hier steht der erforderliche Energieverbrauch der Digita-
   lisierung im Mittelpunkt. Wie stark tragen digitale Technologien und digitaler Konsum zum Ener-
   gieverbrauch bei? Kann der Verbrauch reduziert werden?

Beiden Aspekten wird im Folgenden nachgegangen. Bei der Literaturanalyse ist zwischen der wissen-
schaftlichen und der politischen Debatte zu unterscheiden. Die wissenschaftliche Literatur insbeson-
dere zur Steigerung der Energieeffizienz durch die Digitalisierung ist übersichtlich. Viele Artikel gibt es
hinsichtlich der Lösung spezifischer technischer Voraussetzungen in den verschiedenen Bereichen.
Inwieweit die Digitalisierung konkret zur Senkung des Energieverbrauchs beiträgt, ist dagegen bislang
kaum untersucht. Dagegen gibt es eine große Zahl grauer Literatur: In zahlreichen von der Politik in
Auftrag gegebenen Studien wird die Steigerung der Energieeffizienz durch die Digitalisierung behan-
delt. Diese Literatur wird dahingehend untersucht, wo, durch welche Maßnahmen, in welchem Maße
und unter welchen Voraussetzungen Energieeinsparungen durch die Digitalisierung erwartet werden.
Anders ist die Literatursituation beim Energieverbrauch durch die Digitalisierung. Hier gibt es inzwi-
schen eine breite wissenschaftliche Literatur, in der versucht wird abzuschätzen, wie hoch der Ver-
brauch durch die neuen digitalen Technologien ausfällt. Andere verbrauchserhöhende Effekte wie
Reboundeffekte sind dagegen eher selten Gegenstand der Literatur.

                                                                                                              7
Digitalisierung und Energieeffizienz - Institut der deutschen ...
Digitalisierung und Energieeffizienz

     2 Steigerung der
       Energieeffizienz durch die
       Digitalisierung
2.1        Energieeffizienz im Gesamtsystem
Als Kennziffer zur Messung der Energieeffizienz wird typischerweise der Verbrauch an Primär- oder
Endenergie in Relation zu ökonomischen Größen wie dem Bruttoinlandsprodukt betrachtet. Jede
Verringerung der so definierten Relation ist gleichbedeutend mit einer Erhöhung der Energieproduk-
tivität bzw. -effizienz (AG Energiebilanzen 2020b).

Zu Beginn der Literaturanalyse soll ein Überblick gegeben werden, wie das Gesamtsystem aufgebaut
ist. Dadurch wird ersichtlich, wo überall Ansatzpunkte zur Steigerung der Energieeffizienz durch die
Digitalisierung bestehen. Ausgangspunkt ist das Energieflussbild der Arbeitsgemeinschaft Energiebi-
lanzen, bei der die verschiedenen Energieträger in die Einheit Petajoule umgerechnet werden. Dabei
handelt es sich um ein vereinfachtes Bild (siehe Abbildung 2-1):

     Am Anfang steht die Herkunft der Energie. Diese wird in Deutschland nur zu gut einem Fünftel
      im Inland gewonnen, der Rest sind Importe oder Bestandsentnahmen. Ein Teil dieses Energie-
      aufkommens im Inland geht in den Export oder die Bunkerung für eine spätere Verwendung, der
      Rest bildet den Primärenergieverbrauch.
     Aus dem Primärenergieverbrauch wird der Endenergieverbrauch gespeist. Nur rund 68 Prozent
      des Primärenergieverbrauchs bilden den Endenergieverbrauch. Der Rest entfällt auf Umwand-
      lungsverluste, nichtenergetischen Verbrauch und den Verbrauch der Energiesektoren. Diesen
      Rest zu verringern, ist ein wichtiger Ansatzpunkt zur Steigerung der Energieeffizienz.
     Der Endenergieverbrauch fällt in den Sektoren Industrie, Verkehr, Haushalte sowie Ge-
      werbe/Handel/Dienstleistungen an. Der Endenergieverbrauch der Sektoren hängt auch davon
      ab, wie effizient die Energie in den einzelnen Sektoren genutzt wird. Hier bestehen weitere An-
      satzpunkte zur Steigerung der Energieeffizienz, beispielsweise bei der Umwandlung in die benö-
      tigte Prozess- und Bewegungsenergie oder dem Einsatz von Energieverbrauchern. Zudem sind
      die Sektoren nicht unabhängig voneinander. Ein Beispiel ist die Fernwärme, darüber hinaus gibt
      es viele neue Ansätze zur sogenannten Sektorkopplung (siehe unten).
     Der Primär- und Endenergieverbrauch sind nicht unabhängig voneinander. So ist Systemenergie
      erforderlich, um eine stabile Versorgung der Verbraucher zu gewährleisten. Hier kann mehr Fle-
      xibilität der Verbraucher den Bedarf an Systemenergie senken. Die Verbrauchssektoren sind
      ebenfalls nicht unabhängig, sondern können im Austausch stehen.

8
Digitalisierung und Energieeffizienz

Abbildung 2-1: Energieflussbild 2018 für die Bundesrepublik Deutschland
In Petajoule (PJ)

Quelle: AG Energiebilanzen (2020a)

Die Energieeffizienz ist die Relation des Verbrauchs an Primär- oder Endenergie zu ökonomischen
Größen wie dem Bruttoinlandsprodukt. Wird weniger Energie je Einheit verbraucht, ist dies gleichbe-
deutend mit einer Erhöhung der Energieeffizienz. Allerdings gibt es statistische Effekte, die die Ener-
gieeffizienzindikatoren beeinflussen, ohne dass sich etwas am Verbrauch geändert hätte. So können
Veränderungen in der Struktur des Primärenergieeinsatzes den Energieeffizienzindikator beeinflus-
sen, ohne dass sich beispielsweise der Endenergieverbrauch ändert. Dahinter stehen Annahmen zum
Wirkungsgrad der verschiedenen Primärenergieträger. Auch die Temperatur im Laufe eines Jahres
hat aufgrund der benötigten Heizenergie Einfluss auf den Energieverbrauch. Schließlich hat auch
wirtschaftlicher Strukturwandel Einfluss auf den Energieverbrauch, wenn beispielsweise energiein-
tensive Produkte zwar nicht mehr im Inland hergestellt, aber weiterhin im Inland konsumiert werden
(AG Energiebilanzen 2020b).

In der wissenschaftlichen Literatur wird seit einigen Jahren kontrovers diskutiert, ob die Digitalisie-
rung zur Steigerung der Energieeffizienz beitragen kann. Früh gab es Stimmen, die von positiven Aus-
wirkungen ausgingen (Kander et al. 2013) und ein „grünes Wachstum“ erwarteten (Perez 2013). Ge-
nauso früh wurde dieser Zusammenhang bestritten (Williams 2011), auf Nachfragesteigerungen
(Reboundeffekt) durch die höhere Energieeffizienz (Galvin 2015) und auf den Energiebedarf der Digi-
talisierung hingewiesen (der Energiebedarf wird im Kapitel „Energieeffizienz der Digitalisierung“ aus-
führlich behandelt).

2.2        Ansatzpunkte zur Steigerung der Energieeffizienz
Die Internationale Energieagentur (IEA) hat im Jahr 2017 einen umfassenden Technologiereport zum
Thema „Digitalisierung & Energie“ vorgelegt, nachdem sie sich in den Jahren zuvor schon intensiv mit
dem Thema in seinen verschiedenen Facetten befasst hat (International Energy Agency 2017). Die
Digitalisierung enthält demnach ein „great promise to help improve the safety, productivity,

                                                                                                          9
Digitalisierung und Energieeffizienz

efficiency and sustainability of energy systems worldwide“. Gleichwohl stellen sich auch Fragen zur
Sicherheit, zum Datenschutz und zu möglichen disruptiven Auswirkungen auf die Wirtschaft. Digitale
Technologien werden demnach bereits heute in vielen Sektoren des Endenergieverbrauchs genutzt.
Zudem gibt es viele potenzielle Technologien wie autonome Fahrzeuge, intelligente Häuser, Ma-
chine-Learning oder in der Industrie Maßnahmen außerhalb des eigenen Geländes (wie beispiels-
weise Remote-Betrieb von Maschinen, vernetzte Maschinen, vernetzte Lieferketten), die zur Effi-
zienzsteigerung beitragen können. Dabei weisen die einzelnen Technologien je Sektor unterschied-
lich hohe Hemmnisse bei der Einführung, aber auch unterschiedlich starke potenzielle Auswirkungen
auf den Energieverbrauch auf (siehe Abbildung 2-2).

Abbildung 2-2: Auswirkungen der Digitalisierung auf Verkehr, Gebäude und Industrie

Quelle: International Energy Agency (2017)

Nach Angaben der IEA wird die Digitalisierung sowohl die Art, wie wir Energie erzeugen, als auch die
Art, wie wir Energie verbrauchen, verändern. Bei der Digitalisierung wird zwischen der Nutzung von
Daten und der Vernetzung durch digitale Technologien unterschieden, die zu verschieden weitrei-
chenden Wirkungen auf die Energieeffizienz führen. Bereits ohne Vernetzung hat die Digitalisierung
insbesondere durch Datenanalyse das Potenzial, im bestehenden System der Energieerzeugung, -ver-
sorgung und des -verbrauchs Leistungen zu verbessern und Kosten einzusparen (siehe Abbildung
2-3).

10
Digitalisierung und Energieeffizienz

Abbildung 2-3: Digitalisierung in der traditionellen Struktur des Energiesektors

Quelle: International Energy Agency (2017)

Zentrales Element der Digitalisierung ist die Vernetzung der verschiedenen Bereiche. Darin liegt nach
Angaben der IEA, zusammen mit der Elektrifizierung (beispielsweise die Einführung von Elektrofahr-
zeugen im Verkehrssektor) und der Dezentralisierung (beispielsweise die Photovoltaik-Stromerzeu-
gung in privaten Haushalten), das Potenzial, ein stark vernetztes System zu schaffen, das die Art ver-
ändert, wie wir Energie erzeugen und verbrauchen (siehe Abbildung 2-4). Energie wird demnach
nicht mehr nur durch die klassischen Energieerzeuger bereitgestellt, sondern auch von den übrigen
Sektoren, die Energie ins Netz einspeisen und austauschen.

                                                                                                     11
Digitalisierung und Energieeffizienz

Abbildung 2-4: Stark vernetztes System der Energieerzeugung und -verwendung

Quelle: International Energy Agency (2017)

Zur Steigerung der Energieeffizienz durch die Digitalisierung ist nach Ansicht der IEA die Kombination
von drei Technologien erforderlich (siehe Abbildung 2-5):

  Das Sammeln von Daten: Technologien wie intelligente Zähler (Smart Metering) erfassen hoch-
   auflösende Energieverbrauchsdaten von Haushalten und Unternehmen. Weitere Sensoren sam-
   meln Daten im Zusammenhang mit dem Energieverbrauch, wie beispielsweise Lichtstärke, Tem-
   peratur oder den Standort.
  Das Analysieren von Daten: Technologien wie leistungsfähige Computer und intelligente Soft-
   ware-Algorithmen ermöglichen Erkenntnisse, wie Energie effizienter genutzt werden kann, bei-
   spielsweise durch Simulationen gewerblicher Gebäude, digitaler Zwillinge von Industrieanlagen
   und Bordcomputern in Autos.
  Steuerung der physischen Umgebung durch Daten: Die von Verbrauchern verwendeten Geräte
   und Anlagen sind mit Technologien ausgestattet, die den Energieverbrauch auf Grundlage digita-
   ler Signale sofort optimieren können. Beispielsweise können in Gebäuden Beleuchtungssysteme,
   Heizungs- und Klimaanlagen oder Warmwasserbereiter ihren Energieverbrauch je nach Tages-
   zeit und Belegungsgrad optimieren, in Industrieanlagen können intelligente Aktoren und An-
   triebe über fortschrittliche industrielle Energiemanagementsysteme gesteuert werden, um sub-
   tile Änderungen zur Optimierung des Energieverbrauchs bei gleichzeitiger Erhöhung der Sicher-
   heit und Senkung der Produktionskosten vorzunehmen.

12
Digitalisierung und Energieeffizienz

Abbildung 2-5: Kombination verschiedener Technologien zur Steigerung der Energieeffizi-
enz

Quelle: International Energy Agency (2019a)

Der Vorteil der Digitalisierung umfasst nach der IEA mehr als nur die Verringerung des Endenergie-
verbrauchs in den einzelnen Sektoren. Zugleich erhöht sich die Flexibilität der Verbraucher, was auch
Rückwirkungen auf die Energieerzeugung hat. Dort sind bei größerer Flexibilität der Verbraucher we-
niger Reserven vorzuhalten, um eine stabile Energieversorgung zu sichern. Damit steigt die Syste-
menergieeffizienz (siehe Abbildung 2-6).

Abbildung 2-6: Auswirkungen der Digitalisierung auf die Energieeffizienz im Gesamtsystem

Quelle: International Energy Agency (2019a)

Die Effekte der Digitalisierung auf den Energieverbrauch sind – basierend auf der Auswertung der Li-
teratur – nach Angaben der IEA nicht eindeutig. Einerseits bestehen große Potenziale zur Steigerung
der Energieeffizienz, andererseits weist die IEA auf mögliche Reboundeffekte hin, die zu einem insge-
samt höheren Energieverbrauch durch die Digitalisierung führen können. Daraus ergeben sich sehr
unterschiedliche Einschätzungen: So gibt es im Bereich Straßenverkehr Szenarien für die

                                                                                                    13
Digitalisierung und Energieeffizienz

Digitalisierung, die gegenüber dem Basisszenario eine Einsparung um die Hälfte des heutigen Ver-
brauchs erwarten. Zugleich gibt es pessimistische Szenarien mit einer Verdopplung des Energiever-
brauchs im Straßenverkehr, wenn sich hohe Reboundeffekte einstellen (International Energy Agency
2017).

Der IEA-Report enthält viele der wesentlichen Argumente und Hypothesen sowie wichtige begriffli-
che Definitionen:

  Digitalisierung bedeutet mehr als die Erhebung und Auswertung von Daten und das Verwenden
   der Ergebnisse zur Steuerung der physischen Welt. Es geht um mehr als die Optimierung in tra-
   ditionellen Wertschöpfungsketten, also der Energieerzeugung und der Verringerung des Ener-
   gieverbrauchs in einzelnen Sektoren. Letztlich geht es um die Vernetzung der verschiedensten
   Bereiche des Energiesystems. Durch die Vernetzung wirken die verschiedenen Bereiche zusam-
   men und vormals getrennte Systeme agieren miteinander.
  Es geht nicht nur um die Verringerung der Endenergieverbräuche, sondern auch um deren Flexi-
   bilisierung, da dadurch die Systemenergieeffizienz gesteigert werden kann.
  Zur Nutzung der Potenziale der Digitalisierung sind verschiedene Bereiche zu kombinieren, die
   bislang noch nicht ausreichend vernetzt sind: Datenerfassung (z. B. Sensoren, Zähler, Schnittstel-
   len), Datenauswertung (z. B. Algorithmen, künstliche Intelligenz, Simulationen) und Datennut-
   zung durch die physische Welt (z. B. Automatisierung, Steuerungen, Schnittstellen). Dabei ent-
   stehen technische Herausforderungen, aber auch Fragen zu Sicherheit, Datenschutz und mögli-
   chen disruptiven Auswirkungen auf die Wirtschaft sind in den Blick zu nehmen.
  Die Effekte der Digitalisierung auf die Energieeffizienz bzw. den Energieverbrauch sind nicht ein-
   deutig. Zwar gibt es erhebliche Einsparpotenziale, aber auch Mehrverbräuche aufgrund ver-
   schiedener Ursachen.

Die Literatur kann anhand dieser Punkte in verschiedene Stränge unterteilt werden:

  Es gibt eine umfangreiche technische Literatur, die sich mit der Optimierung in bestehenden
   Wertschöpfungsketten auseinandersetzt. Dabei geht es um die Frage, wie Daten erhoben und
   ausgewertet werden können, um Energieverbräuche zu optimieren.
  Es gibt eine umfangreiche technische Literatur, die sich damit befasst, wie die verschiedenen Be-
   reiche besser miteinander vernetzt werden können (Systemkopplung).
  Es gibt eine umfassende (vor allem graue) Literatur zur Frage, wie die Digitalisierung zur Steige-
   rung der Energieeffizienz beiträgt (wobei hier oftmals nur die positiven Effekte betrachtet wer-
   den und negative Effekte, wie beispielsweise höhere Verbräuche durch geändertes Verhalten
   (Reboundeffekte), vernachlässigt werden), wie die Voraussetzungen zur Hebung der Potenziale
   der Digitalisierung geschaffen werden können. Hier geht es meist um politische Handlungsemp-
   fehlungen, wie die Beschleunigung der Erfassung von Daten (Smart Metering), die Schaffung von
   sicheren Standards, die Regulierung der Verwendung der neuen Technologien, die Förderung
   des Einsatzes der neuen Technologien, die Information der Akteure usw.
  Es gibt eine überschaubare wissenschaftliche Literatur, wie die Geschäftsmodelle der Digitalisie-
   rung im Energiesektor aussehen und welche wirtschaftlichen Effekte zu erwarten sind.
  Es gibt eine wissenschaftliche Literatur, die sich mit der Frage auseinandersetzt, wie die Effekte
   der Digitalisierung auf den Energieverbrauch/die Energieeffizienz gemessen werden können.

Für Deutschland gibt es eine Reihe von Publikationen in der grauen Literatur, die auf die Potenziale
der Digitalisierung abzielen und beschreiben, in welchen Bereichen die Digitalisierung positive Ef-
fekte haben könnte. Die Deutsche Energieagentur (DENA), ein bundeseigenes Unternehmen, das sich
als Kompetenzzentrum für Energieeffizienz versteht und zum Erreichen der energie- und klimapoliti-
schen Ziele der Bundesregierung beitragen soll, hat eine Reihe von Analysen und anderen

14
Digitalisierung und Energieeffizienz

Untersuchungen vorgelegt, die einen Wirkungszusammenhang zwischen der Digitalisierung und der
Steigerung der Energieeffizienz sehen:

  Richard und Vogel (2017), Digitalisierung als Enabler für die Steigerung der Energieeffizienz: Die
   Studie sieht eine höhere Energieeffizienz und die verstärkte Nutzung erneuerbare Energien als
   Grundpfeiler der Energiewende. Beide Grundpfeiler stünden in Abhängigkeit zueinander. So
   könne nur durch weniger absolut genutzte Energie als Folge höherer Energieeffizienz ein stärke-
   rer Fokus auf erneuerbare Energie gelegt werden. Dabei sei die Digitalisierung als Megatrend
   allumfassend und beeinflusse nicht nur sämtliche Lebensbereiche, sondern auch Energieeffizi-
   enz und erneuerbare Energien. Durch die Digitalisierung entsteht „zukünftig ein Energiesystem,
   das durch eine vielfältige Nutzung vorhandener Infrastrukturen (z. B. Intelligente Messsysteme,
   Smart-Home-Anwendungen und Smartphones), durch die Verschiebung von Rollen (z. B. Prosu-
   mer, Aggregatoren, integrierte Plattformanbieter) und durch neuartige Geschäftsmodelle (z. B.
   Plattformlösungen, Nutzung von Gamification-Ansätzen) gekennzeichnet ist. Darüber hinaus
   zeigt sich ein stärkeres Verschmelzen mit anderen Sektoren im Ökosystem der Energiewirt-
   schaft, wie der Industrie, der Gebäudetechnik und dem Mobilitätsbereich, bis hin zu weiter ent-
   fernten Sektoren wie dem Gesundheitsbereich (z. B. Assistenzsysteme, die auf gleiche digitale
   Infrastrukturen zurückgreifen) oder dem Einzelhandel (z. B. Kopplung mit Verkaufs- und Service-
   welten im Haushaltsproduktbereich).“ Im Verlauf der Analyse werden neue digitale Lösungen
   und Geschäftsmodelle in der Energiewirtschaft identifiziert und klassifiziert. Anschließend sind
   diese neuen Modelle durch Experten bewertet worden. Die Bewertung erfolgt anhand einer Ge-
   genüberstellung von Nutzen und Aufwand. Der Nutzen gliedert sich in monetären Nutzen (z.B.
   Energieeinsparung) und Zusatznutzen (z.B. Beitrag zum Klimaschutz). Der Aufwand unterteilt
   sich in Kosten (z.B. Investitionen) und Zusatzaufwand (z.B. Risiko eines Hacking-Angriffs). Dem-
   nach bieten die digitalen Technologien großes Potenzial, um neue, bisher nicht genutzte klein-
   teilige Effizienzpotenziale zu heben. Allerdings bestehen Hemmnisse bei privaten Haushalten
   und Industrie/Gewerbe, vor allem die Kosten der neuen Technologien, da die Akteure den ge-
   genüberstehenden Nutzen nicht ausreichend erkennen. Auch bestehen aus Sicht der Experten
   Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und der Datensicherheit. Daher müsse der Staat ver-
   lässliche rechtliche Regelungen zur Erhebung, Bereitstellung und Nutzung von Kundendaten
   schaffen, Standards erarbeiten, um eine Interoperabilität unterschiedlicher Systeme sowie aus-
   tauschbare Kommunikationsschnittstellen zu gewährleisten, Lösungen, die nachweislich einen
   Beitrag zu mehr Energieeffizienz leisten, finanziell fördern sowie Informationskampagnen unter-
   halten, die die Potenziale digitaler Energiedienstleistungen „neutral“ darstellen.
  Limbacher und Richard (2018), Schnittstellen und Standards für die Digitalisierung der Energie-
   wende: Durch die Energiewende und die digitale Vernetzung steigt die Zahl der Schnittstellen.
   Damit nimmt die Notwendigkeit zu, dass sich einzelne Elemente über standardisierte Schnittstel-
   len ohne großen Aufwand in das Gesamtsystem integrieren lassen. Im Stromsektor existieren
   dazu bereits geeignete Standards, die jedoch nicht flächendeckend und einheitlich angewendet
   werden. Hier soll eine stärkere Vereinheitlichung stattfinden. Zudem soll die Grundlage für die
   Digitalisierung gestärkt werden, indem offene Fragen zur Verwendung der Smart Meter Infra-
   struktur geklärt und ihr Rollout beschleunigt werden.
  Bründlinger et al. (2018), Leitstudie Integrierte Energiewende: Die dena-Leitstudie schaut opti-
   mistisch auf die Digitalisierung: „Die Digitalisierung macht es möglich, verschiedene Komponen-
   ten in Erzeugung und Verbrauch zu steuern und aufeinander abzustimmen – auch über die
   Grenze des eigenen Betriebs oder Hauses hinweg. In allen Sektoren können Daten über Ver-
   brauchsmuster die Grundlage für neue Geschäftsmodelle schaffen. Algorithmen erlauben es,
   den Betrieb technischer Anlagen intelligent zu steuern, zum Nutzen der Eigentümer wie zur Ver-
   besserung der Stabilität und Effizienz des Gesamtsystems. Dadurch verändern sich die klassi-
   schen Wertschöpfungsketten der Energiewirtschaft, neue Wertschöpfungsnetzwerke entstehen
   – über Sektorgrenzen hinweg.“ Gleichwohl werden die in Deutschland gesetzten Effizienzziele

                                                                                                   15
Digitalisierung und Energieeffizienz

   nicht erreicht, weshalb die Möglichkeiten der Digitalisierung zur Erschließung von Energieeffi-
   zienzpotenzialen stärker systematisch genutzt werden sollten.
  Vogel et al. (2019), Künstliche Intelligenz für die integrierte Energiewende: Die Analyse zielt auf
   eine Versachlichung und Einordnung des Begriffs der Künstlichen Intelligenz. Zugleich sollen den
   Akteuren der Energiewelt die vielfältigen Potenziale und konkreten Anwendungsfelder dieser
   Technologie aufgezeigt werden. Die Chance von KI bestehe darin, die Komplexität einer dezent-
   ralen und integrierten Energiewende mit modernster Technologie zu beherrschen. KI-Anwen-
   dungen könnten über alle Wertschöpfungsstufen der Energiewirtschaft hinweg zum Einsatz
   kommen. In einer Befragung von Führungskräften der Energiewirtschaft wurde die KI näher be-
   leuchtet. Lediglich 7 Prozent gaben an, bereits in diese Technologien investiert zu haben. 75 Pro-
   zent der Befragten sahen die Chance, dass KI zur Steigerung der Energieeffizienz beitrage. So
   könne KI dazu beitragen, viele kleinteilige Potenziale zur Steigerung der Energieeffizienz zu ent-
   decken und verschiedene Gruppen mit Empfehlungen zur Steigerung der Energieeffizienz geziel-
   ter anzusprechen.

Das Umweltbundesamt hat sich umfassend mit der Frage beschäftigt, wie die Digitalisierung nachhal-
tig gestaltet werden kann. Die Digitalisierung kann demnach auf alle Verbrauchssektoren einwirken,
wie Industrie 4.0, Konsum 4.0, Nachhaltige Mobilität und Logistik 4.0, Energieinfrastruktur 4.0 oder
Landwirtschaft 4.0. Damit die Digitalisierung im Einklang mit dem Nachhaltigkeitsziel steht, ist das
Spannungsfeld von Einsparungen und Mehrverbräuchen durch die Digitalisierung zu berücksichtigen.
Daher müssen nach Ansicht des Umweltbundesamtes die Trends und Optionen der Digitalisierung
erkannt und die Chancen und Risiken in den einzelnen Bereichen identifiziert werden, wobei ambiva-
lente Effekte, das Zusammenwirken von Trends und deren Wechselwirkungen in den Blick genom-
men werden müssen (Umweltbundesamt 2019a).

Die Agora Energiewende sieht keinen Widerspruch zwischen wirtschaftlichem Erfolg und Klima-
schutz. Als Zieldreieck definiert sie Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicher-
heit. Durch mehr Energieeffizienz und den vermehrten Einsatz erneuerbarer Energien sieht sie die
Wirtschaftlichkeit gesichert, da die Energiekosten sinken. Als Erfolg sieht sie den Zubau erneuerbarer
Energien. Dadurch steht die Energiewende aber nun vor neuen Herausforderungen: War anfangs ein
Zuwachs der erneuerbaren Energien im bestehenden Energiesystem möglich, ist nun eine Transfor-
mation des Energiesystems erforderlich. Der Digitalisierung wird dabei eine zentrale Rolle zugespro-
chen. Die Digitalisierung und die mögliche Echtzeitverarbeitung gewaltiger Datenmengen machen
demnach die Nutzung von Strom, Wärme und Verkehr intelligenter und flexibler. Strom kann in Echt-
zeit gehandelt werden, Mobilitätsdienstleistungen und Wärmebedarf können je nach Bedarf flexibel
angepasst werden. Viele zentrale Geschäftsmodelle bauen auf der Digitalisierung auf, sei es bei der
Makrosteuerung einer Vielzahl von Erzeugern und Verbrauchern oder bei der Mikrooptimierung des
Einfamilienhauses, der Solardachanlage, des Heizungssystems, der Stromspeicher oder des Ladens
des E-Autos. Als Wertschöpfungselemente werden Smart Markets, Smart Home und Smart Mobility
gesehen. Einer hohen Bedeutung wird dabei dem angemessenen Schutz der persönlichen Energieda-
ten zugesprochen (Agora Energiewende 2017).

Der Vernetzung der verschiedenen Bereiche des Energiesystems, die bislang eher unabhängig vonei-
nander waren, kommt bei der Steigerung der Energieeffizienz eine besondere Rolle zu. Hier ist die
Sektorkopplung zu nennen. In einer engen Definition bedeutet Sektorkopplung die Verwendung von
Elektrizität in Verbrauchsbereichen, wo sie bislang kaum eine Rolle spielt (beispielsweise Elektromo-
bilität). In einer weiten Definition geht es um die Kopplung verschiedenster Verbrauchsbereiche un-
tereinander und die Speicherung von Energie im System (Appl Scorza et al. 2018). Bei der Sektor-
kopplung geht es im Prinzip um neue Anwendungen, bei denen fossile Energieträger durch Strom er-
setzt werden. Der Strom sollte dabei vorwiegend aus erneuerbaren Energien gewonnen werden
(siehe Abbildung 2-7). Die Sektorkopplung trägt zur höheren Flexibilität des Stromverbrauchs bei und

16
Digitalisierung und Energieeffizienz

erleichtert die Systemintegration von erneuerbaren Energien. Wird das Flexibilitätspotential durch
Sektorkopplung genutzt, bedarf es weniger ausschließlicher Flexibilisierungstechnologien wie Spei-
cher. Bei der Sektorkopplung gibt es verschiedene Technologien, wobei vor allem die Sektoren Ver-
kehr und Wärme wirtschaftliche und ökologische Anwendungen erlauben. Die Realisierung einer in-
telligenten Sektorkopplung bedarf der Digitalisierung, beispielsweise beim Demand Side Manage-
ment (Wietschel 2019).

Abbildung 2-7: Sektorkopplungsoptionen

Quelle: Wietschel et al. (2015)

Die Vernetzung durch die Digitalisierung ist relevant für die Sektorkopplung, da die Vernetzung sys-
temdienlich sein kann. Die Vernetzung kann helfen, die Abregelung von fluktuierenden EE-Anlagen zu
vermeiden, die Auslastung der Stromnetze zu optimieren sowie die Nachfrageseite zu flexibilisieren
und damit den Bedarf dedizierter Stromspeicher zu minimieren. Die Sektorkopplung erhöht die Kom-
plexität des Energiesystems, was nur mit einem hohen Automatisierungsgrad beherrschbar wird. Da-
rin wird die Chance der Digitalisierung gesehen. Ein Beispiel für IT-Anwendungen in der Sektorkopp-
lung sind virtuelle Kraftwerke, bei denen dezentrale Erzeugungsanlagen (wie Photovoltaik-, Biogas-,
Windenergieanlagen, Blockheizkraftwerke etc.) vernetzt und vom Betreiber des virtuellen Kraftwerks
zentral angesteuert werden können. Der so erzeugte Strom wird gebündelt am Regelenergiemarkt
bzw. im Rahmen der Direktvermarktung angeboten. In der Elektromobilität stellen die Ladeinfra-
struktur und die Umrichter Schnittstellen zwischen Batterie und Stromnetz dar. Ladevorgänge könn-
ten sowohl zur Vermeidung von Netzengpässen als auch zur Hebung der Flexibilität auf Verbrauchs-
seite steuerbar sein (Wietschel et al. 2018).

Um die Auswirkungen von digitalen Technologien auf die Umwelt zu analysieren unterscheidet man
direkte und indirekte Effekte (Bieser et al. 2020). Direkte Effekte äußerten sich in erhöhten

                                                                                                     17
Digitalisierung und Energieeffizienz

Emissionen und höherem Ressourcenverbrauch. Indirekte Effekte seien beispielsweise induzierte Än-
derungen von Konsum- und Produktionsmustern (sogenannte Reboundeffekte) sowie deren ökologi-
sche Auswirkungen. Aus Sicht des Klimaschutzes könnten indirekte Effekte positiv oder negativ aus-
fallen. Bieser et al. (2020) fassen die Ergebnisse von bestehenden Studien zu direkten und indirekten
Effekten sowie Einsparungspotentialen zusammen. Sie schlussfolgern, dass auf Herstellung, Betrieb
und Entsorgung digitaler Endgeräte und Infrastruktur (Rechenzentren und Telekommunikations-
netze) 1,8 bis 3,2 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen (THG) entfallen. Endgeräte hätten
dabei den deutlich größeren Anteil. Sie gehen davon aus, dass THG-Emissionen in Zukunft weiter stei-
gen, da die Nutzung von Endgeräten und Infrastruktur weiter stark zunehme. Die wichtigsten Hebel
zu einer möglichen Reduktion seien zum Beispiel die Nutzung von erneuerbaren Energien für den Be-
trieb der digitalen Infrastruktur und die Verlängerung der Nutzungsdauer von Endgeräten. Gerade für
Smartphones, eines der häufigsten digitalen Endgeräte, gilt, dass ein Großteil der Energie und Emissi-
onen bei der Produktion verbraucht werden bzw. entstehen (Belkhir und Elmeligi 2018). Für die Be-
trachtung von indirekten Effekten identifizieren sie sechs Sektoren (Elektrizität und Wärme, Trans-
port, Gebäude, Industrieproduktion, Landwirtschaft und Medien). Sie sehen in den Sektoren Elektrizi-
tät und Wärme, Transport und Gebäude die größten Potenziale, THG-Emissionen mittels digitaler
Technologien zu verringern. Als erfolgsversprechende Maßnahmen verweisen sie zum Beispiel auf
eine intelligente Gebäudeüberwachung und -steuerung zum Vermeiden von überflüssigem Heizen
und Kühlen, den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel oder die Reduktion der Verkehrsleistung in Per-
sonenkilometern (z.B. durch virtuelle Mobilität und intelligente Verkehrssteuerung).

2.3      Technische Literatur und Beispiele für Forschungsaktivitäten an
         deutschen Hochschulen
Für die einzelnen Verbrauchssektoren gibt es eine umfangreiche technische Literatur, wie die Ener-
gieeffizienz gesteigert werden kann. Diese befasst sich unter anderem mit technischen Maßnahmen
zum Netzausbau. Hier werden nur wenige Beispiele dargestellt:

  Für die Industrie werden im Sammelband „Industrielles Energiemanagement im Zeichen der Di-
   gitalisierung und der Energiewende“ Technologien, Methoden und Praxisbeispiele für die In-
   dustrie aufgezeigt (Amberg et al. 2017).
  Die Agora Energiewende zeigt auf, wie das Stromnetz künftig gestaltet werden kann. Die Digitali-
   sierung bietet demnach im Netzbetrieb völlig neue Möglichkeiten, Daten in Echtzeit zu erfassen
   und auszuwerten sowie Anpassungen in der Steuerung der Betriebsmittel, von Last und Erzeu-
   gung vorzunehmen, was Voraussetzung für die Entwicklung weitgehend automatisierter System-
   führungskonzepte ist. Die Möglichkeiten der Digitalisierung (Sensorik und Aktorik), die zu einer
   besseren Auslastung der Bestandsnetze führen, zählen allerdings eher zu den langfristigen Maß-
   nahmen mit Zeithorizont 2030 (Martensen et al. 2018). Als langfristige Handlungsempfehlung
   nennen die Autoren zum Beispiel die Einführung von Online-Assistenzsystemen für die Netzleit-
   stelle zur Beurteilung von Netzzuständen.
  Metzger et al. untersuchen, wie der Energiebedarf von Bestandsgebäuden flexibler werden
   kann. Dazu analysieren sie die Entwicklung passender Steuerungen und Automatisierungsdes-
   igns (Metzger et al. 2019).

Stiel et al. (2019) haben die Investitionen der Unternehmen der Energie-, Wasser- und Entsorgungs-
wirtschaft untersucht. Investitionen in immaterielle Güter hätten von 2009 bis 2017 deutlich zuge-
nommen. Seit 2014 sei jedoch eine Stagnation zu beobachten. Zu immateriellen Gütern zählten zum
Beispiel Software, Lizenzen und Patente. Diese seien in etwa nötig, um intelligente Systeme zur Steu-
erung von Anlagen einzusetzen oder dem Endkunden mehr Informationen zum Energieverbrauch

18
Digitalisierung und Energieeffizienz

und zur Energiekostenoptimierung zu liefern. Die Investitionen stiegen von 317 auf 439 Millionen
Euro. Fast zwei Drittel entfielen 2017 auf Software. Ein Großteil des Anstiegs seit 2009 sowie der Ge-
samtinvestitionen im Jahr 2017 werde im Bereich der Stromversorgung getätigt.

In der Forschung beschäftigten sich einschlägige Institute mit Fragestellungen für ein technisch lauf-
fähiges und nachhaltiges Elektrizitätssystem der Zukunft: Dabei sind unter anderem Fragen zu flexib-
len elektrischen Transport- und Verteilnetzen, zur Systemintegration regenerativer Energiequellen,
zur Automatisierung von Energiesystemen, zur effizienten Energieanwendung und zur Entwicklung
der Elektrizitätswirtschaft und -märkte zu beantworten (http://www.ie3.tu-dort-
mund.de/cms/de/Institut/).

In den einzelnen Verbrauchsbereichen gibt es ebenfalls viele Forschungsanstrengungen. Im Bereich
Industrie wird beispielsweise folgenden Themen nachgegangen: energieeffiziente Produktionsgestal-
tung, Energiemanagement in der Produktion, Energiesimulation in der Produktion, Entwicklung ener-
gieeffizienter Steuerungsstrategien auf Basis ereignisdiskreter Simulationen von Anlagenzuständen
unter energetischen Gesichtspunkten usw. Anhand von Beispielen aus der Pharma-, Papier-, Ziegelei,
Gießerei- und Kunststoff verarbeitenden Industrie wird im Sammelband von Köhler-Schute (2017)
aufgezeigt, wie ein Energie(daten-)management im digitalen Zeitalter aussehen kann.

2.4      Umsetzung der Digitalisierung
Die Digitalisierung der Energiewirtschaft steht eher noch am Anfang. Dies zeigt das Digitalbarometer
Digital@EVU, das acht Dimensionen (Wandlung der Wertschöpfung, Kundenzentrierung, digitales
Unternehmen, Data Analytics, Plattformen, interne Prozessdigitalisierung, Marktkommunikation und
Branchenstandards sowie IT-Architektur/-sicherheit) umfasst, die von der Energiewirtschaft als we-
sentlich erachtet werden (BDEW 2016). Bei der Digitalisierung wurde demnach einiges erreicht, vor
allem in den Bereichen IT-Sicherheit und Marktkommunikation. Gleichzeitig bleibt aber immer noch
viel zu tun (Arms und Lang 2018).

Dem oben vorgestellten IEA-Technologiereport zufolge sind drei Technologiebereiche entscheidend,
um durch die Digitalisierung die Energieeffizienz zu steigern, wobei das Sammeln von Daten an erster
Stelle steht. Hier hat es in Deutschland viele Weichenstellungen gegeben. Nach dem Gesetz zur Digi-
talisierung der Energiewende (Messstellenbetriebsgesetz) sollen bis zum Jahr 2032 95 Prozent aller
Messstellen mit modernen Messeinrichtungen bzw. intelligenten Messsystemen ausgestattet sein.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat in den letzten Jahren Schutzprofile
und technische Richtlinien für einen sicheren flächendeckenden Ausbau der Smart-Meter-Infrastruk-
tur in Deutschland entwickelt (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik 2020). Durch den
Rollout des Smart Metering entstehen zukünftig verschiedene Mehrwerte: Energie- und Energiekos-
teneinsparungen durch (freiwillige) Energieberatung, detaillierte Visualisierung des Verbrauchs,
Mehrspartenmessungen, Plausibilisierung und Ersatzwertbildung der Messungen, individuelle und
preisvariable Tarife sowie die Nachbildung des Netzzustands auch in der Niederspannung. Zudem
können Netzengpässe durch das Schalten einzelner Anlagen gezielter gelöst werden (Bogensperger
et al. 2018). Damit dies gelingt, müssen die Daten austauschbar sein, was über eine Standardisierung
erreicht wird. Dazu hat das BSI zusammen mit dem BMWi für Deutschland eine Strategie vorgelegt
(Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und Bundesministerium für Wirtschaft und
Energie 2019).

Die erneuerbaren Energien mit ihren schwankenden Produktionsmengen stellen das vorhandene
Stromnetz vor große Herausforderungen. Daher soll das Netz in ein aktives, sogenanntes „Smart

                                                                                                     19
Sie können auch lesen