DAS DIGITALE MUSS VORFAHRT HABEN - BZFE

 
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DAS DIGITALE MUSS VORFAHRT HABEN - BZFE
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  DIGITALE TRANSFORMATION – INTERVIEW DR. MARGARETA BÜNING-FESEL

  Das Digitale muss Vorfahrt haben
  Ihr Büro passt in die Handtasche. Dr. Margareta Büning-Fesel trägt es immer bei sich:        sie die Arbeit erleichtern und vieles effi-
  Auf dienstlichen Reisen, zu Hause, wenn‘s sein muss, auch mal im Urlaub – überall            zienter machen. Papier gibt es bei mir
  ist ihr Büro nur ein paar Klicks entfernt. Genauer genommen steckt es in einem Tool,         kaum noch. Mein Laptop ist mein ständi-
  das jedem Laptop oder Rechner den Eingang ins virtuelle Office ebnet. Das Virtual            ger Begleiter, der mir mithilfe des VPN den
  Private Network (VPN) – so die Bezeichnung für den Dienst – erlaubt ihr den Aufbau           Zugang zu allen Daten und Laufwerken
  eines sicheren und verschlüsselten Zugangs zu allen digitalen Ressourcen auf den             und meinem Mailsystem möglich macht.
  Rechnern in ihrem BZfE-Büro. Als Geschäftsführerin des ehemaligen aid Infodienst             Wenn ich mit dem System verbunden bin,
  hat die Oecotrophologin bereits Anfang der 2000er-Jahre erkannt, dass sich der               dann kann ich auch sehen, wer von mei-
  damals altbackene Broschürenproduzent zum modernen Kompetenz- und                            nen Mitarbeitern gerade am Schreibtisch
  Kommunikationszentrum für Ernährungsfragen entwickeln muss. Auf dem Weg                      sitzt, kann Nachrichten hin- und her-
  dahin hat sie Enormes geleistet. Nun hat sie noch Größeres vor. Nach dem Übergang            schicken und zum Beispiel mein Berliner
  des aid Infodienst e. V. in das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) und die damit             Team per Videokonferenzsystem in die
  verbundene Eingliederung in die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung               Meetings einbeziehen. Das ist fantastisch.
  (BLE) plant sie nichts Geringeres als die permanente und kontinuierliche digitale            Ganz egal, wo ich bin, ich kann überall
  Transformation des Bundeszentrums nach innen und nach außen. Denn wenn es ums                arbeiten – und das finde ich super. Mein
  Digitale geht, so Büning-Fesel, ist Stillstand gleichbedeutend mit Rückschritt. Was          Umgang mit dem Digitalen ist auch des-
  das im Einzelnen bedeutet, darüber sprach sie mit Dr. Friedhelm Mühleib im folgen-           wegen hilfreich und wichtig, weil digitale
  den Interview für die VDOE POSITION.                                                         Transformation in Behörden wie zum
                                                                                               Beispiel im BZfE, aber auch in der BLE, als
  POSITION: Heute schon getwittert?              tale Transformation muss vorgelebt wer-       Ganzes nur gelingen kann, wenn die nö-
                                                 den. Man kann schließlich keinen dazu         tige Motivation von oben, aus der Füh-
  Büning-Fesel: Selbstverständlich! Twitter      zwingen. Meine Erfahrung ist, dass es sehr    rungsetage kommt. Wenn die Spitze nicht
  ist inzwischen fester Bestandteil meines       wichtig ist, ein Vorbild zu sein – indem      mitmacht, dann ist es ganz schwer, die
  Arbeitsalltags und der wichtigste Social-      man als Vorgesetzter selber aktiv, präsent    Basis zu überzeugen.
  Media-Kanal für mich, der sich zudem           und transparent ist und sich traut, ein
  leicht bedienen lässt. Twitter hilft mir zum   Beispiel zu geben. Dann fällt es den ande-    POSITION: Digitale Transformation des
  einen, den groben Überblick über das zu        ren viel leichter, selbst nachzuziehen. Ich   BZfE – was bedeutet das konkret in der
  behalten, was im Umfeld des Themas             halte das für enorm wichtig. Ich selbst bin   Praxis?
  Ernährung in den sozialen Medien gerade        tatsächlich begeistert von den Möglich-
  passiert. Zum anderen kann ich mit mei-        keiten, die zum Beispiel die Entwicklung      Büning-Fesel: Im BZfE müssen wir zwei
  nen Tweets nach außen Präsenz zeigen           im Bereich Digital Workplace bietet, weil     Richtungen der digitalen Transformation
  und damit das BZfE direkt oder indirekt
  positionieren. Über Twitter bin ich mit vie-   Foto: © BLE
  len wichtigen Akteuren vernetzt, denen
  ich folge und die umgekehrt als meine
  Follower erfahren, womit sich das BZfE
  gerade beschäftigt.

  POSITION: … und Ihre Mitarbeiter wis-
  sen, dass die Chefin außer Haus ist, wann
  immer Sie auf Veranstaltungen verweilen
  und von dort aus twittern.

  Büning-Fesel: (lacht) Ich habe meinen
  Mitarbeitern sogar geraten: „Wenn ihr
  wissen wollt, was ich gerade mache, dann
  müsst ihr mir auf Twitter folgen, und ihr
  seht immer, wo ich bin.” Schließlich ver-
  binde ich mit meinen Aktivitäten bei
  Twitter nicht zuletzt auch das Ziel, meinen
  Mitarbeitern ein Vorbild zu sein. Die digi-     Dr. Margareta Büning-Fesel: online in (fast) jeder Lebenslage

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unterscheiden: zum einen bezüglich der         Foto: © BLE
Kommunikation mit unseren Zielgruppen
und zum anderen bezüglich der internen
Prozesse in der Behörde. Beginnen wir mit
dem Blick auf die Veränderungen nach
außen. Unser zentraler Anspruch ist, als
eigenständiger Akteur im Bereich Ernäh-
rung wahrgenommen zu werden, auf den
Verlass ist, wenn es um Inhalte zu aktuel-
len und teils kontroversen Ernährungsfra-
gen geht. Wir wollen Menschen bei der
Entwicklung gesundheitsförderlicher und
nachhaltiger Lebensstile begleiten und
unterstützen. Wir möchten ihnen dabei
helfen, Alltagskompetenzen zu erwerben
und sicherer mit den Aussagen aus
Medien und Werbung umzugehen. Was
die Art der Vermittlung betrifft, wird und
muss es mehr in Richtung digital gehen.         Können immer noch ganz analog lachen (v. l.): Dr. Hanns-Christoph Eiden (Präsident
Das fängt mit der kontinuierlichen Ent-         der BLE), Bundesministerin Julia Klöckner und Dr. Margareta Büning-Fesel (Leiterin
wicklung unserer Website an, die immer          BZfE) beim BZfE-Forum im September in Bonn.
wieder an die Bedürfnisse der Nutzer
angepasst werden muss. Um dem geän-
derten Informationsverhalten gerecht zu        gewährleisten und mussten die Seite letzt-     kann, was ich esse und trinke, oder die mir
werden, müssen unsere Infos noch knap-         lich schließen. Eine ähnliche Frage-Ant-       beim Lebensmitteleinkauf hilft und mir
per, plakativer und einfacher werden. Wir      wort-Plattform zur onlinebasierten Ver-        ausgewogenere Alternativen vorschlägt.
verabschieden uns von umfassenden              braucherkommunikation künftig wieder-          Das niederländische Ernährungszentrum
Informationsschriften und gehen mehr in        aufzubauen, ist eines unserer Anliegen.        hat bereits eine solche App entwickelt.
Richtung „Infos für den Ernährungsalltag“      Sie könnte einen wichtigen Beitrag zur         Wenn das methodisch gut aufbereitet ist,
– definitiv keine 90-Seiten-Hefte mehr         Qualitätssicherung und Weiterentwick-          kann das Anstöße zur Änderung des
                                               lung von Inhalten und Kommunikations-          Verhaltens geben und viel bewirken – in
                                               strategien des BZfE leisten. Vor dem Hin-      jedem Fall eher als der erhobene Zeige-
   >> Wenn es ums Digitale                     tergrund, dass es zu den Aufgaben des          finger von gestern mit Belehrungen: „Das
   geht, ist Stillstand gleich                 BZfE gehört, Verbrauchern entsprechen-         ist gesund und das ist ungesund!“ Leider
        Rückschritt.
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                                                                                              digital unterwegs sind, überhaupt noch zu
                                                                                              erreichen. Zum anderen, um die Service-
                                                                                              qualität zu gewährleisten, die in einer digi-
                                                                                              talen Welt inzwischen auch von Behörden
                                                                                              und Institutionen erwartet wird. Dazu
                                                                                              braucht es natürlich viel persönliches En-
                                                                                              gagement von allen Beteiligten. Denn sol-
                                                                                              che Prozesse können nicht funktionieren,
                                                                                              wenn man in technischen Fragen und der
                                                                                              Software hängen bleibt, aber nichts an
                                                                                              der Struktur verändert. Soll die digitale
                                                                                              Transformation gelingen, muss zwingend
                                                                                              auch die Unternehmenskultur verändert
                                                                                              werden, insbesondere auch hinsichtlich
                                                                                              der Organisation von Abläufen und Struk-
                                                                                              turen. Voraussetzung für das Gelingen
                                                                                              sind hier unter anderem Organisations-
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                                                                                              strukturen mit teamorientierter Führung
   Digitale Transformation braucht teamorientierte Führung: Dr. Margareta Büning-Fesel        sowie Durchlässigkeit und Übertragung
   in einer Stuhlkreisrunde mit ihrem Führungsteam im Rahmen der BZfE Organisa-
                                                                                              von Verantwortung auf die Mitarbeiter.
   tionsentwicklung.
                                                                                              POSITION: Jenseits des BZfE tun sich
  Die professionelle Bedienung unserer          im Moment nur die Bereitstellung der          andere Institutionen und Behörden rund
  Twitter-Accounts können wir nur leisten,      Technik. War die Bewilligung von Tele-        um das Thema Ernährung offensichtlich
  weil wir einen externen Social-Media-         arbeit bisher von persönlichen Gründen        noch immer schwer mit der digitalen
  Manager engagiert haben. Darüber hin-         (Kinderbetreuung, Pflegefall in der Familie   Transformation – vor allem auch im wis-
  aus fehlen uns zum Beispiel auch die          etc.) abhängig, bietet das neue Modell        senschaftlichen Bereich. Wie stehen die
  Mittel für bezahlte Kampagnen in den          nun grundsätzlich allen Mitarbeitern die      Chancen, dass sich das ändert?
  sozialen Medien.                              Möglichkeit. Für viele, die weiter weg oder
                                                in ländlichen Gebieten leben, bedeutet        Büning-Fesel: Ganz langsam merken sie
  POSITION: Wie weit ist die digitale Trans-    das ein Mehr an Lebensqualität. Schon         alle, dass sie nicht mehr vorbeikommen
  formation „nach innen” fortgeschritten?       heute werden Zeiterfassung, Urlaubs- und      daran und mitspielen müssen. Das lässt
                                                Dienstreiseanträge oder die Bearbeitung       sich vor allem bei Twitter verfolgen. Wis-
  Büning-Fesel: Nach innen ist die Digitali-    von Rechnungen komplett digital abge-         senschaftliche Behörden und Institutionen
  sierung auf einem guten Weg, verbunden        wickelt. Für die BLE mit circa 1.400 Mitar-   wie das Max-Rubner-Institut (MRI), das
  mit neuen Modellen der Arbeitsorgani-         beitern geht das weit über das hinaus,        Bundesinstitut für Risikoforschung (BFR)
  sation. Der Digital Workplace ist für viele   was andere Behörden in dieser Größen-         oder das Deutsche Institut für Ernäh-
  unserer Mitarbeiter zumindest schon teil-     ordnung ihren Mitarbeitern anbieten.          rungsforschung (DIfE) – nach und nach
  weise Realität. Die BLE insgesamt hat sich    Dabei bringen wir als BZfE viele Erfahrun-    tauchen sie alle dort auf, und seit Kurzem
  das strategische Ziel gesetzt, bis 2022 zu    gen aus dem aid mit ein, wo viele Mitar-
  einer digital aufgestellten Behörde zu wer-   beiter schon vor der Eingliederung in die
  den. Dazu werden wir Schritt für Schritt      BLE die Möglichkeit zur mobilen Arbeit         >> Die Motivation für die
  Arbeitsplätze, Prozesse und Abläufe digi-     nutzen konnten.                                 digitale Transformation
  talisieren. Entsprechend der neuen Be-                                                        muss von oben, aus der
  triebsvereinbarung zur mobilen Arbeit         POSITION: Behörden und Social Media –         Führungsetage, kommen.
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auch bei Twitter oder Facebook, was übri-     um schnell und klar auf irreführende In-      informieren will oder eine Dienstleistung
gens auch von den Studierenden erwartet       formationen in den Medien zu reagieren.       sucht, geht heute als Erstes ins Netz. Um
wird! Der Fachbereich Oecotrophologie         Dann müssen wir uns die Bälle zuspielen,      sich ein Urteil zu bilden, schaut man sich
der Hochschule Mönchengladbach zum            um wahrgenommen zu werden und unse-           Webseiten und Bewertungen an – auch
Beispiel hat immerhin schon 1.200 Follo-      rer Stimme Gewicht zu verleihen. Kürzlich     auf der Suche nach Ernährungsfach-
wer auf Twitter, obwohl die erst seit Kur-    gab es in Anlehnung an die „Pure“-Studie      kräften. Im Grunde sollte die Vernetzung
zem dabei sind. Insbesondere das Engage-      die Nachricht, dass Salz für unsere Ge-       mit der eigenen Community über die eige-
                                              sundheit vielleicht doch nicht so kritisch    ne Website hinaus in den sozialen Medien
                                              ist. Wir haben dazu mit dem MRI Kontakt       Standard sein – zum Beispiel über Face-
 >> Ernährungsfachkräfte,                     aufgenommen. Die hatten gerade eine           book, Twitter und Xing –, um an aktuellen
   die im Netz und in den                     korrigierende Stellungnahme vorbereitet,      Diskussionen teilzunehmen, sich eventuell
sozialen Medien nicht dabei                   die wir dann breit kommunizieren konn-        aktiv einzubringen und um im Rahmen
sind, werden den Anschluss                    ten. So muss das laufen!                      der eigenen Informationsbeschaffung
                                                                                            etwa zu wissen, welches Thema gerade
         verlieren.
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