Das Hochrangige Politische Forum für Nachhaltige Entwicklung 2018
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
August 2018 Das Hochrangige Politische Forum für Nachhaltige Entwicklung 2018 Drittes globales Treffen zur Umsetzung der Agenda 2030 und der SDGs von Jens Martens, Global Policy Forum Vom 9. bis 18. Juli 2018 tagte in New York das Hochrangi- 46 Länder haben beim HLPF 2018 nationale Umsetzungs- ge Politische Forum (High-Level Political Forum, HLPF) der berichte (sog. Voluntary National Reviews, VNRs) präsen- Vereinten Nationen. Es ist das zentrale UN-Gremium für tiert. Auch zivilgesellschaftliche Gruppen und Netzwerke nachhaltige Entwicklung und soll hauptsächlich die Umset- haben am Rande der Tagung ihre Schattenberichte bzw. zung der Agenda 2030 und ihrer globalen Nachhaltigkeits- Spotlight Reports vorgestellt. Das offizielle Ergebnis des ziele (Sustainable Development Goals, SDGs) überwachen. achttägigen Treffens ist eine Ministererklärung, die neben vielen diplomatischen Floskeln überwiegend Passagen aus Das HLPF ist ein zwischenstaatliches Forum, an dem alle der Agenda 2030 wiederholt. Dennoch wurde sie erstmals 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen teilnehmen nicht im Konsens, sondern gegen die Stimmen der USA und können. Zusätzlich haben Vertreter/innen gesellschaftli- Israels verabschiedet. cher Gruppen und Organisationen weitgehende Beteili- gungsmöglichkeiten. Das Forum hat allerdings weder kon- Trotz des mageren offiziellen Ergebnisses hat sich das krete Entscheidungskompetenzen noch eine direkte Koor- HLPF 2018 mit Delegierten von 189 Regierungen und mehr dinationsfunktion gegenüber Regierungen und UN-Organi- als 2.000 Vertreter/innen aus Zivilgesellschaft und Wirt- sationen. Es dient in erster Linie dem Erfahrungsaustausch schaft zu einem zentralen Forum zur Diskussion globaler über Strategien zur Umsetzung der Agenda 2030, der Prä- Zukunftsfragen entwickelt. 2019 wird das politische und sentation nationaler (Erfolgs-)Stories und der Analyse von mediale Interesse am HLPF sicher noch steigen. Dann tagt Hindernissen und Rückschritten bei der Verwirklichung der das Forum erstmals als globaler Nachhaltigkeitsgipfel auf SDGs. Ebene der Staats- und Regierungschefs. Die Entstehung des HLPF Hintergrund war die Unzufriedenheit mit der Kom- mission für nachhaltige Entwicklung (Commissi- Die Entscheidung, ein neues globales Gremium für on on Sustainable Development, CSD), die nach nachhaltige Entwicklung zu gründen, geht zurück der ersten Rio-Konferenz 1992 unter dem Dach des auf die UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung Wirtschafts- und Sozialrates der UN (ECOSOC) in Rio de Janeiro 2012. Im Abschlussdokument der gegründet worden war. Konferenz beschlossen die Regierungen, BRIEFING Sie blieb schwach, weil sie von den Regierungen „[…] ein universales, zwischenstaatliches politi- weder das Mandat noch das politische Instrumen- sches Forum auf hoher Ebene einzurichten, das auf den tarium erhielt, die notwendigen Entscheidungen an Stärken, den Erfahrungen, den Ressourcen und den der Schnittstelle globaler Wirtschafts-, Sozial- und Modalitäten der Kommission für nachhaltige Entwicklung Umweltpolitik zu fällen. für eine alle Seiten einschließende Beteiligung a ufbaut und die Kommission später ersetzen wird.“ 1 Um die internationale Zusammenarbeit in diesem Bereich institutionell zu stärken, standen im Vor- 1 UN Dok. A/RES/66/288, Pkt. 84. feld der Rio-Konferenz 2012 unterschiedliche Re-
2 Briefing August 2018 Das Hochrangige Politische Forum für Nachhaltige Entwicklung 2018 formvorschläge zur Diskussion. Das Spektrum reich- Weiterverfolgungs- und Überprüfungsprozessen auf te von der schrittweisen Stärkung der CSD über ihre globaler Ebene spielen und dabei mit der Generalver- Aufwertung zu einem Rat für nachhaltige Entwick- sammlung, dem Wirtschafts- und Sozialrat und den an- lung nach dem Vorbild des UN-Menschenrechtsrates deren zuständigen Organen und Foren im Einklang mit bis zur Gründung eines Weltnachhaltigkeitsrates als den bestehenden Mandaten kohärent zusammenarbeiten. Hauptorgan der UN, der dem Sicherheitsrat eben- Das Forum wird die Weitergabe von Erfahrungen erleich- bürtig wäre. Derart weitreichende Initiativen waren tern, einschließlich Erfolgen, Schwierigkeiten und gewon- jedoch politisch nicht konsensfähig. Als kleinster ge- nenen Erkenntnissen, eine politische Führungsrolle wahr- meinsamer Nenner blieb der Kompromissvorschlag, nehmen, Orientierungshilfe geben und Empfehlungen zur die CSD durch ein Hochrangiges Politisches Forum Weiterverfolgung erteilen. Es wird die systemweite Kohä- für nachhaltige Entwicklung zu ersetzen. renz und Koordinierung der Politik im Bereich der nach- haltigen Entwicklung fördern. Es soll dafür Sorge tragen, Format und Arbeitsweise des HLPF wurden von dass die Agenda relevant und ambitioniert bleibt, und sich den Regierungen nach einem mühevollen diploma- insbesondere mit der Bewertung der Fortschritte, der er- tischen Aushandlungsprozess im Juli 2013 beschlos- reichten Ergebnisse und der Herausforderungen, vor denen sen.2 Die Eröffnungssitzung des Forums fand am 24. die entwickelten Länder und die Entwicklungsländer ste- September 2013 in New York statt.3 hen, sowie mit neuen und aufkommenden Problemen befassen.“ 6 Wie funktioniert das HLPF? Die genaueren Arbeitsmodalitäten des HLPF wur- Seit 2014 tagt das HLPF jährlich für acht Tage unter den in einer gesonderten Resolution festgelegt, die der Schirmherrschaft des ECOSOC, davon drei die UN-Generalversammlung im Juli 2016 verab- Tage auf Ministerebene.4 Die Treffen fi nden im schiedete.7 Demnach wird die Arbeit des HLPF in Rahmen der regulären Arbeitstagung des E COSOC Vierjahreszyklen organisiert. Jedes Jahr steht unter jeweils im Juli eines Jahres statt. Zusätzlich soll das einem bestimmten, relativ allgemein gehaltenen HLPF alle vier Jahre für zwei Tage auf Ebene von Motto und soll sich auf das jeweils dazu passende Set Staats- und Regierungschefs unter der Schirmherr- von SDGs konzentrieren. Auf diese Weise steht jedes schaft der UN-Generalversammlung zusammentre- SDG im Laufe von vier Jahren zumindest einmal ten. Das erste Gipfeltreffen dieser Art findet im Sep- auf der Tagesordnung. Fortschritte bei der Verwirk- tember 2019 statt. lichung von SDG 17 (Umsetzungsmittel und glo- bale Partnerschaft stärken) werden jedes Jahr über- Das offizielle Ergebnis der Tagungen des HLPF ist prüft. Daneben finden jährlich eine Reihe themati- eine Ministererklärung, die der UN-Generalver- scher Reviews statt. sammlung übermittelt wird.5 Über eigene Entschei- dungsbefugnisse verfügt das Forum nicht. Nach dem Ende des ersten Vierjahreszyklus sollen Arbeits- und Funktionsweise des HLPF überprüft Beim UN-Nachhaltigkeitsgipfel 2015 hatten die und ggf. reformiert werden. Dieser „HLPF-Re- Regierungen die zentrale Rolle des HLPF im Um- view“ wird in den Jahren 2019–2020 erfolgen. setzungsprozess der SDGs unterstrichen. Die Agen- da 2030 enthält ein eigenes Kapitel zum Thema Die Themen des HLPF 2018 „Weiterverfolgung und Überprüfung“ („Follow-up and Review“), das auch Maßnahmen auf der globa- Jahresthema: Transformation zu nachhaltigen len Ebene vorsieht. Darin definieren die Regierun- und widerstandsfähigen Gesellschaften gen die Aufgaben des HLPF im typisch technischen Zu überprüfende SDGs: Jargon der UN folgendermaßen: 6 Wasser und Sanitärversorgung für Alle „Das hochrangige politische Forum wird eine zentrale 7 Nachhaltige und moderne Energie für Alle Rolle bei der Beaufsichtigung eines Netzwerks von 11 Nachhaltige Städte und Siedlungen 12 Nachhaltige Konsum- und Produktionsweisen 2 Vgl. UN Dok. A/RES/67/290. 3 Vgl. dazu die Zusammenfassung des Präsidenten der UN-Generalver- 15 Landökosysteme schützen sammlung in UN Dok. A/68/588. 17 Umsetzungsmittel und globale Partnerschaft 4 Deutschland war bisher lediglich durch Staatssekretäre des BMU und BMZ vertreten. Beim HLPF 2018 stand die BMU-Staatssekretarin Rita Schwarzelühr-Sutter allein an der Spitze der deutschen Delegation. 5 Vgl. die Erklärungen 2014 (UN Dok. E/2014/L.22 - E/HLPF/2014/L.3), 6 UN Dok. A/RES/69/315, Pkt. 82. 2015 (UN Dok. E/2015/L.19 - E/HLPF/2015/L.2), 2016 (UN Dok. E/ 7 Vgl. dazu UN Dok. A/RES/70/299 und https://sustainabledevelopment. HLS/2016/1) und 2017 (UN Dok. E/HLS/2017/1). un.org/hlpf/follow-up.
3 Briefing August 2018 Das Hochrangige Politische Forum für Nachhaltige Entwicklung 2018 Der SDG-Fortschrittsbericht 2018 Auf diese Weise kann der SDG-Fortschrittsbericht als Erfolg vermelden, dass in 60 von 94 Ländern Die Diskussionen im HLPF basieren u.a. auf einem mit verfügbaren Daten das Einkommen der ärms- jährlichen SDG-Fortschrittsbericht des UN-Gene- ten 40 Prozent der Bevölkerung zwischen 2010 und ralsekretärs. Der diesjährige Bericht erschien im Mai 2016 stärker gewachsen sei als das jeweilige Volks- 2018.8 Er gibt auf 19 Seiten einen groben Überblick einkommen. Aussagekräftigere Maße ökonomischer über die Fortschritte bei der Verwirklichung der Ungleichheit wie der Gini-Koeffizient oder das Pal- 17 SDGs. Etwas ausführlicher geht er auf die sechs ma-Verhältnis9 werden dagegen im Fortschrittsbe- SDGs ein, die im Jahr 2018 auf der HLPF-Agenda richt nicht erwähnt. Ergänzt wird der Fortschritts- standen. Er beschränkt sich allerdings überwiegend bericht durch einen separaten statistischen Anhang10 darauf, hochaggregierte Globalzahlen zu referieren sowie eine SDG-Datenbank (Global SDG Indicators und bleibt entsprechend oberflächlich. Database), die detailliertere, nach Ländern, Ge- schlecht, Altersgruppen etc. disaggregierte Daten Zudem weist der Bericht gegenüber dem Zielka- enthält.11 talog der Agenda 2030 zahlreiche Lücken auf. So stellt er zwar fest, dass die Zahl der Menschen, die Als öffentlichkeitswirksame Version des als ECO- in extremer Armut leben, d. h. von weniger als 1,90 SOC-Dokument herausgegebenen Fortschrittsbe- US-Dollar pro Tag (in Kauf kraftparitäten von 2011), richt veröffentlichte die UN zudem einen „bunte- auf 783 Millionen (2013) gesunken ist. Zu der weit ren“ Sustainable Development Goals Report 2018 in ge- größeren Zahl der Menschen, die nach der jeweili- druckter und elektronischer Fassung.12 gen nationalen Definition in Armut leben, äußert er sich dagegen nicht. Die freiwilligen nationalen Berichte … Der von der Weltbank festgelegte Schwellen- Um zu überprüfen, welche Fortschritte die einzel- wert für die extreme Armut ist ohnehin proble- nen Länder bei der Umsetzung der Agenda 2030 und matisch. Er basiert auf dem Durchschnitt der Ar- ihrer Ziele gemacht haben, sind die Regierungen mutsgrenzen von 15 der ärmsten Länder der Welt angehalten, dem HLPF auf freiwilliger Basis Umset- und ist selbst für viele Länder Afrikas, Asiens und zungsberichte vorzulegen. Sie werden als Voluntary Lateinamerikas zu niedrig angesetzt. Dies führt in National Reviews (VNRs) bezeichnet, um auf keinen dem SDG-Fortschrittsbericht zu der scheinbar pa- Fall den Anschein zu erwecken, dass es sich dabei um radoxen Aussage, dass die Zahl der Menschen, die verbindliche Rechenschaftsberichte handeln könnte. in extremer Armut leben, niedriger ist als die Zahl Nichtsdestotrotz gibt es inzwischen Leitlinien und derer, die unter Hunger und Unterernährung leiden. ein ausführliches Handbuch des UN-Sekretariats für die Erstellung solcher Berichte.13 Die Bundesregie- Welche Indikatoren im SDG-Fortschrittsbericht un- rung fördert seit 2016 unter dem Titel „Partners for tersucht werden, hängt auch von den exakten Ziel- Review“ mit Hilfe der GIZ ein Programm zum Er- vorgaben ab, die die Regierungen im Rahmen der fahrungsaustausch und Wissenstransfer über natio- SDGs formuliert haben. So haben sie sich in SDG nale Review-Prozesse.14 In der Agenda 2030 selbst 10 zur Verringerung von Ungleichheit darauf be- wurde die Erwartung formuliert, dass in die Über- schränkt, bis 2030 nach und nach ein über dem nati- prüfungen auch die Beiträge indigener Völker, der onalen Durchschnitt liegendes Einkommenswachs- Zivilgesellschaft, des Privatsektors und anderer In- tum der ärmsten 40 Prozent der Bevölkerung zu er- teressenträger einfließen sollen.15 Trotz aller Frei- reichen und aufrechtzuerhalten. Diese Zielvorgabe willigkeit besteht für die Regierungen daher ein ge- ist jedoch völlig ungeeignet, um die Einkommens- wisser Gruppenzwang (peer pressure), solche Berich- disparitäten substantiell zu verringern. Sie macht die te zu erstellen. Dem wird sich vermutlich kaum eine Reduzierung von Ungleichheit abhängig von steti- Regierung entziehen können. 2016 hatten 22 Län- gem Wirtschaftswachstum, betrachtet nur die Zu- wächse und rührt nicht am bestehenden Ausmaß 9 Das Palma-Verhältnis beschreibt die Relation des Anteils der einkom- der Ungleichheit. Sie zielt zudem nur auf die untere mensstärksten 10 Prozent am Gesamteinkommen einer Volkswirtschaft zum Anteil der einkommensschwächsten 40 Prozent. Hälfte der Ungleichheits-Skala, genauer gesagt die 10 Vgl. https://unstats.un.org/sdgs/files/report/2018/secretary-general- untersten 40 Prozent, und verliert kein Wort über sdg-report-2018--Statistical-Annex.pdf. die Einkommen der Reichen, vor allem des reichs- 11 Vgl. http://unstats.un.org/sdgs/indicators/database/. ten Prozent der Bevölkerung. 12 Vgl. United Nations (2018). 13 Vgl. https://sustainabledevelopment.un.org/content/documents/ 17354VNR_handbook_2018.pdf. 8 Vgl. UN Dok. E/2018/64 (https://unstats.un.org/sdgs/files/report/2018/ 14 Vgl. www.partners-for-review.de/. secretary-general-sdg-report-2018--EN.pdf). 15 Vgl. UN Dok. A/RES/70/1, Pkt. 79.
4 Briefing August 2018 Das Hochrangige Politische Forum für Nachhaltige Entwicklung 2018 der freiwillige Umsetzungsberichte präsentiert, 2017 werden sollten. In den meisten Fällen gelang es im- waren es 43 Länder und 2018 ist ihre Zahl auf 46 ge- merhin, von Seiten zivilgesellschaftlicher Organisa- stiegen. tionen koordinierte Fragen an die jeweilige Regie- rung zu richten. 46 Länder, die dem HLPF 2018 nationale Berichte vorgelegt haben 16 Häufig wurden durch die VNRs auf nationaler Ebene Diskussionsprozesse initiiert, an denen meist Ägypten, Albanien, Andorra, Armenien, Australien, auch zivilgesellschaftliche Gruppen aktiv beteiligt Bahamas, Bahrain, Benin, Bhutan, Dominikanische waren. Das heißt allerdings nicht, dass Ihr Positio- Republik, Ecuador, Griechenland, Guinea, Irland, nen und Forderungen auch in den jeweiligen Re- Jamaika, Kanada, Kap Verde, Katar, Kolumbien, Kiribati, port aufgenommen wurden. So kritisierten beispiels- Laos, Lettland, Libanon, Litauen, Mali, Malta, Mexiko, weise Schweizer Gruppen unter Führung der Alli- Namibia, Niger, Paraguay, Polen, Rumänien, Saudi ance Sud den „schöngefärbten Bericht des Bundes Arabien, Schweiz Senegal, Singapur, Slowakei, Spanien, rates“ und präsentierten in New York einen eigenen Sri Lanka, Staat Palästina, Sudan, Togo, Ungarn, Report zur Umsetzung der SDGs in der Schweiz.18 Uruguay, Vereinigte Arabische Emirate, Vietnam … und ihre zivilgesellschaftlichen Pendants Die Berichte unterscheiden sich erheblich in Um- fang und Detailliertheit, Qualität und thematischer Angesichts der mangelnden Selbstkritik vieler VNRs Breite, sowie dem Grad der gesellschaftlichen Betei- sind die unabhängigen Berichte zivilgesellschaftli- ligung bei ihrer Erstellung und Präsentation in New cher Organisationen umso wichtiger. Sie zeichnen York. Der Umfang reicht von 28 Seiten (Schweiz) eher ein ungeschminktes Bild der Lage in den ein- bis zu 300 Seiten (Irland). Viele Berichte thematisie- zelnen Ländern, benennen Hindernisse bei der Ver- ren alle 17 SDGs, einige konzentrieren sich auf die wirklichung der Agenda 2030 und formulieren po- Ziele, die 2018 auf der HLPF-Agenda standen. Bei litische Schlussfolgerungen an die Adresse der Re- aller Unterschiedlichkeit demonstrieren die Berich- gierungen. Zum HLPF 2018 wurden eine Vielzahl te durchweg die politische Bereitschaft der Regie- derartiger Schattenberichte bzw. Spotlight Reports rungen, die SDGs ernst zu nehmen. Zugleich sind erarbeitet, u.a. in Brasilien, Kolumbien, Indien und sie Selbstdarstellungen der Regierungen. Selbstkritik Finnland.19 Wie die Regierungsberichte unterschei- und das Eingeständnis von Schwächen und Hand- den auch sie sich in Umfang, Qualität und themati- lungsdefiziten findet man in ihnen kaum. Manche scher Ausrichtung erheblich. Präsentationen während des HLPF hatten eher den Charakter von Werbefilmen der heimischen Touris- Den umfassendsten Bericht auf globaler Ebene hat musbehörden. ein zivilgesellschaftliches Bündnis von rund 20 Um- welt-, Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisa- Deutschland hat seinen ersten VNR bereits 2016 in tionen sowie Gewerkschaften unter dem Titel Spot- New York präsentiert und wird erst im Jahr 2021 light on Sustainable Development 2018 veröffent- wieder berichten. 2018 fand allerdings ein unabhän- licht.20 Der Bericht befasst sich vor allem mit den giger Peer Review der Deutschen Nachhaltigkeits- strukturellen Hindernissen und politischen Inkohä- strategie statt.17 Seine Ergebnisse wurden am Rande renzen bei der Verwirklichung der SDGs auf inter- des HLPF im Rahmen eines Side Events vorgestellt. nationaler Ebene. Er plädiert für die Rückbesinnung Vertreter der Bundesregierung verbanden damit auf eine pro-aktive Politik, die die Menschenrech- auch das Ziel, andere Länder zu ähnlichen Peer Re- te als normativen Rahmen anerkennt, für die Stär- view-Prozessen zu motivieren. kung der öffentlichen Finanzen, die wirksame Re- gulierung und im Zweifelsfall Ablehnung öffent- Aufgrund der Fülle von Berichten und der engen lich-privater Partnerschaften (PPPs) und für den Zeitvorgaben war eine ausführliche inhaltliche Aus- Ausbau demokratischer Entscheidungsstrukturen auf einandersetzung mit den jeweiligen Länderberichten allen Ebenen. während des HLPF nicht möglich. Für jeden VNR war ein Zeitrahmen von 30 Minuten vorgesehen, in dem der Bericht präsentiert und Fragen von Regie- rungen und nichtstaatlichen Akteuren beantwortet 18 Vgl. https://plattformagenda2030.ch/news/. 19 Eine Reihe von zivilgesellschaftlichen Berichten 2018 findet sich (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) unter www.2030spotlight.org/en/ 16 Die Berichte sind im Internet zugänglich unter book/1730/national-reports. https://sustainabledevelopment.un.org/vnrs/. 20 Vgl. Civil Society Reflection Group on the 2030 Agenda for Sustainable 17 Vgl. www.nachhaltigkeitsrat.de/projekte/peer-review/. Development (2018).
5 Briefing August 2018 Das Hochrangige Politische Forum für Nachhaltige Entwicklung 2018 Das HLPF 2018 in Zahlen 15 Nordamerika 1 Europa 13 Asien und Pazifik Freiwillige 9 nationale Berichte Afrika 8 Lateinamerika und Karibik > > 8 46 125 130 260 2200 Tage Freiwillige Regierungschefs, Minister Redner bei Parallel Akkreditierte nationale und andere hochrangige Podiums veranstaltungen Teilnehmer/innen Berichte Regierungsvertreter diskussionen (Side Events) Quelle: https://sustainabledevelopment.un.org/hlpf/2018. Dass das HLPF den Anlass bietet, in vielen Ländern zeigt allerdings, wie isoliert die USA derzeit in den neue sektorübergreifende Allianzen von zivilgesell- Vereinten Nationen agieren.21 schaftlichen Gruppen und Netzwerken zu bilden, um gemeinsam Analysen und Handlungsempfehlun- Daran wird sich unter den gegenwärtigen politischen gen für die Verwirklichung der Agenda 2030 zu for- Rahmenbedingungen auch 2019 nichts ändern. Im mulieren, ist eine der wichtigsten (Neben-)Wirkun- kommenden Jahr wird das HLPF gleich zweimal gen des Forums. tagen: Voraussichtlich vom 8. bis 17. Juli 2019 findet die reguläre Tagung des HLPF unter dem Dach des Wie geht es weiter? ECOSOC statt. Auf der Agenda steht die Überprü- fung besonders kritischer, aber auch strittiger SDGs, Das HLPF 2018 hat einmal mehr die Potentiale, aber darunter der Ziele zu Klima (SDG 13) sowie Frie- auch die gegenwärtigen Grenzen globaler Nachhal- den und Sicherheit (SDG 16). Daneben werden min- tigkeitspolitik aufgezeigt. Auf der einen Seite haben die vielfältigen Beiträge und hunderte von Side Die Themen des HLPF 2019 Events staatlicher und nichtstaatlicher Akteure deut- lich gemacht, wie dynamisch sich in vielen Teilen Jahresthema: Empowerment der Menschen und der Welt die Diskussionen über die SDGs und ihre Gewährleistung von Inklusivität und Gleichheit Umsetzung entwickeln. Auf der anderen Seite haben Zu überprüfende SDGs: die mühseligen Verhandlungen über die Ministerer- klärung gezeigt, dass mit der gegenwärtigen US-Re- 4 Bildung für Alle gierung keine zukunftsweisenden UN-Beschlüs- 8 Nachhaltiges Wirtschaftswachstum und se über die Agenda 2030 hinaus zu erwarten sind. menschenwürdige Arbeit für Alle 10 Ungleichheit verringern Dass die USA am letzten Tag des HLPF eine nament- 13 Bekämpfung des Klimawandels und seiner liche Abstimmung über die ohnehin schwache Mi- Auswirkungen nistererklärung verlangten, war ein Novum. Stein 16 Friedliche und inklusive Gesellschaften des Anstoßes waren für sie Passagen zum Selbstbe- 17 Umsetzungsmittel und globale Partnerschaft stimmungsrecht der Menschen in besetzten Gebieten (gemeint ist vor allem Palästina) und zum multilate- ralen Handelssystem. Dass die Abstimmung mit 164 21 Vgl. https://sustainabledevelopment.un.org/content/documents/ zu 2 Stimmen gegen die USA (und Israel) ausging, 20419Advance_unedited_2018_Ministerial_declaration_.pdf.
6 Briefing August 2018 Das Hochrangige Politische Forum für Nachhaltige Entwicklung 2018 destens 39 Länder ihre VNRs präsentieren, darunter Dass die Länder des globalen Südens derzeit keine Frankreich und Großbritannien. Im September 2019 Hoffnung auf einvernehmliche Beschlüsse mit den findet dann ein zweitägiger Nachhaltigkeitsgipfel USA haben, zeigt ihre Ankündigung, dem Staat Pa- der Staats- und Regierungschefs im Rahmen der lästina für das Jahr 2019 den Vorsitz ihrer Verhand- UN-Generalversammlung statt. Unmittelbar vorge- lungsgruppe zu übertragen, der G77. Damit wird schaltet ist voraussichtlich ein weiterer Klimagipfel, Palästina, obwohl selbst kein ordentliches Mitglied mit dem der UN-Generalsekretär den Handlungs- der UN, das gesamte Jahr 2019 hindurch in allen druck auf die Regierungen erhöhen möchte. Ange- UN-Verhandlungen, und damit auch im HLPF, sichts der zu erwartenden Prominenz wird er das In- die Stimme der 134 Mitgliedsstaaten der G77 (ein- teresse der Medien an diesen Treffen sicherlich stei- schließlich Chinas) sein.22 gern. Das HLPF 2019 kann unter diesen Voraussetzungen Welche Ergebnisse von dem Nachhaltigkeitsgipfel auch zum Testfall werden für die Zukunft multilate- zu erwarten sind, ist noch völlig ungewiss. In jedem raler Zusammenarbeit in Zeiten nationalistischer Al- Fall wird es nicht sinnvoll sein, auf Konsensent- leingänge und neuer globaler Konfliktkonstellationen. scheidungen unter Zustimmung der USA zu hoffen. Fortschritte sind eher von „Konsens minus x“-Be- schlüssen zu erwarten. Aber auch diese müssen von 22 Für das HLPF 2018 hatten die USA der palästinensischen Delegation, die beim HLPF ihren VNR präsentieren wollte, die Einreise verweigert. Dies Vorreiterregierungen vorbereitet und aktiv unter- stieß auf Protest vieler zivilgesellschaftlicher Gruppen, siehe www.annd. stützt werden. org/english/itemId.php?itemId=629#sthash.ypQqrhc9.dpbs. Weitere Informationen Civil Society Reflection Group on the 2030 Agenda for Sustainable Development (2018): Spotlight on Sustainable Development 2018. Exploring new policy pathways. Beirut/Bonn/Ferney-Voltaire/Montevideo/New York/ Penang/Rome/Suva. www.2030spotlight.org United Nations (2018): The Sustainable Development Goals Report 2018. An overview of progress towards achieving the SDGs. New York. https://unstats.un.org/sdgs/report/2018 Websites High-Level Political Forum: https://sustainabledevelopment.un.org/hlpf Global SDG Indicators Database: http://unstats.un.org/sdgs/indicators/database/ Global Policy Watch: https://www.globalpolicywatch.org/ Website des Global Policy Forums zur Agenda 2030 (deutsch): https://www.2030agenda.de Website des Bundeskanzleramts zur deutschen Nachhaltigkeitspolitik: https://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Themen/Nachhaltigkeitsstrategie/_node.html Website des BMZ zur Agenda 2030: http://www.bmz.de/de/ministerium/ziele/ziele/2030_agenda/index.html Website des BMU zur Agenda 2030: https://www.bmu.de/themen/nachhaltigkeit-internationales/nachhaltige-entwicklung/2030-agenda/ Impressum Das Hochrangige Politische Forum für Nachhaltige Entwicklung 2018 Herausgeber Dieses Briefing ist Teil des Projekts „2030.de“ des Global Policy Forums Europe, gefördert von der Stiftung Global Policy Forum Europe e.V. Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen sowie von Engagement Global im Auftrag des BMZ. Königstraße 37a, 53115 Bonn Tel. 0228 96 50 510 europe@globalpolicy.org www.globalpolicy.org Kontakt: Jens Martens Autor: Jens Martens Für den Inhalt dieser Publikation ist allein Global Policy Forum Europe e.V. verantwortlich; Redaktion: Wolfgang Obenland die hier dargestellten Positionen geben nicht den Standpunkt von Engagement Global gGmbH, dem Gestaltung: www.kalinski.media Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der Stiftung Umwelt Bonn, August 2018 und Entwicklung Nordrhein-Westfalen wieder.
Sie können auch lesen