Das polyzystische Ovarsyndrom im Jugendalter - von Thomas Reinehr - Zomacton
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Endokrinologische Therapien Das polyzystische Ovarsyndrom im Jugendalter von Thomas Reinehr Herausgeber: P. M. Holterhus
Mit freundlicher Unterstützung von FERRING Arzneimittel GmbH. Auf die Inhalte und Gestaltung dieses Buches hat die FERRING Arznei mittel GmbH keinen Einfluss und trägt dafür keine Verantwortung. Impressum Herausgeber: Prof. Dr. P. M. Holterhus Copyright: Herausgeber, alle Rechte vorbehalten Gesamtherstellung: biomedpark Medien GmbH Schneidmühlstr. 21, 69115 Heidelberg Tel. 06221/ 13 747 0 www.biomedpark.de ISBN-Nr.: 978-3-9816544-1-7 1. Auflage, Heidelberg 2014
Endokrinologische Therapien Das polyzystische Ovarsyndrom im Jugendalter Thomas Reinehr Herausgeber: P. M. Holterhus
Vorwort zum achten Band der Reihe „Endokrinologische Therapien“ Das polyzystische Ovarsyndrom, PCOS, ist ein äu- ßerst komplexes und in seinen pathophysiologischen Mechanismen weiterhin nicht vollständig aufgeklärtes endokrines Störungsbild mit z.T. extremer Adipositas, Zyklusunregelmäßigkeiten, Hyperandrogenismus mit Hirsutismus und möglicher späterer Infertilität. Das Krankheitsbild beginnt bereits bei jugendlichen Mäd- chen und ist vor dem Hintergrund der ungebremsten weltweiten Zunahme der Adipositas bei Jugendlichen ein zunehmender Vorstellungsgrund in der kinderen- dokrinologischen Sprechstunde. Das vorliegende Buch der Reihe „Endokrinologische Therapien“ soll der zu- nehmenden Relevanz des PCOS für die Pädiatrische Endokrinologie Rechnung tragen. Die Herausgeber sind sehr dankbar, mit Herrn Prof. Dr. med. Thomas Reinehr einen der führenden deut- schen Fachexperten auf dem Gebiet der Adipositas bei Kindern und Jugendlichen und des PCOS mit he- rausragender internationaler Anerkennung gewonnen zu haben. Nach seinem Medizinstudium und der Pro- motion an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und einer kurzen Assistenzzeit an der Kinderklinik in Frankfurt-Höchst ist Thomas Reinehr seit 1996 an der Vestischen Kinderklinik der Universität Witten-Herde- cke tätig, seit 2003 als Chefarzt der Adipositasklinik, seit 2010 als Chefarzt der Klinik für Pädiatrische Endo- krinologie, Diabetologie und Ernährungsmedizin. Seine wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema Adipositas und Ernährung sind durch hochkarätige Drittmittel (BMBF, DFG, EU) gefördert, in hochrangigen internationalen Journalen veröffentlicht und durch eine Vielzahl an nati- 3
onalen und internationalen Preisen ausgezeichnet wor- den. Das von Prof. Reinehr entwickelte Obeldicks-Pro- gramm zählt sicher zu den bekanntesten klinischen Adipositas-Behandlungskonzepten in Deutschland. Seit 2005 ist Thomas Reinehr habilitiert, seit 2009 be- kleidet er das Amt einer außerplanmäßigen Professur der Universität Witten/ Herdecke. Sein klinisches und wissenschaftliches Wirken ist begleitet durch vielfäl- tige ehrenamtliche Tätigkeiten in verantwortungsvollen Positionen, z. B. seit 2009 im Vorstand der Deutschen Adipositas-Gesellschaft. Aufgrund der Komplexität des Themas befasst sich das vorliegende Buch nicht ausschließlich mit der Therapie, sondern auch mit der Pathophysiologie und der Diagnostik des PCOS. Nur aus diesem Grundverständnis heraus werden die ver- schiedenen therapeutischen Ansätze gut verständlich und reichen von der Bedeutung der Gewichtsabnahme bis hin zu spezifischen medikamentösen Behandlungs- prinzipien. Prof. Dr. Reinehr schöpft bei der Abfassung des Büchleins aus seinem sehr großen klinischen und wissenschaftlichen Erfahrungsfundus, bietet dem Le- ser aber dennoch ein ausreichend kurz gefasstes, prägnantes und auf die wichtigsten praxisrelevanten Fakten konzentriertes Minikompendium. Paul-Martin Holterhus Wichtiger Hinweis: Die in diesem Buch aufgeführten Angaben zur Medikation wurden sorgfältig ge- prüft. Dennoch können Herausgeber, Autor und Verlag keine Gewähr für die Rich- tigkeit der Angaben übernehmen. In jedem Fall und insbesondere auch bei Abwei- chungen von den Empfehlungen erfolgen das therapeutische Vorgehen und auch die Verschreibung von Medikamenten in eigener Verantwortung des Arztes. 4
Vorwort Mit der Zunahme der Adipositas und insbesondere der extremen Adipositas im Jugendalter ist leider eine ty- pische Folgeerscheinung, das polyzystische Ovarsyn- drom (PCOS), immer häufiger Vorstellungsgrund in der pädiatrisch-endokrinologischen Sprechstunde. Dieses stellt bei jugendlichen Mädchen eine diagnostische Herausforderung dar, da die Diagnosekriterien aus dem Erwachsenenalter sich nicht einfach auf das Jugendalter übertragen lassen. Ferner ist das PCOS auch bereits im Jugendalter häufig mit vielen kardiovaskulären Risiko- faktoren verbunden, welche sich in der Definition des metabolischen Syndroms wiederfinden. Dieses Buch zum PCOS im Jugendalter möchte daher nicht nur Hil- festellung geben, das PCOS zu diagnostizieren, son- dern auch sinnvolle weitere diagnostische Maßnahmen einzuleiten, um das kardiovaskuläre Risikoprofil zu erfas- sen, welches die Morbidität und Mortalität der betrof- fen Mädchen häufig maßgeblich bestimmt. Der Kinder- und Jugendendokrinologe sollte zudem das PCOS konsequent behandeln, da wir heute wis- sen, dass die Infertilität als typische Komplikation des PCOS mit der Dauer einer Nichtbehandlung korreliert. Die Mädchen selbst leiden massiv unter dem mit dem PCOS assoziierten Hirsutismus, sodass der pädiatrische Endokrinologe diesbezüglich sinnvolle Therapiemaß- nahmen einleiten sollte. Auch hier soll dieses Buch eine praktische Hilfestellung geben, um dieses immer häufiger werdende Krankheitsbild in der pädiatrischen Sprechstunde effektiv zu behandeln. Ich wünsche viel Freude und hoffentlich auch einen Er- kenntnisgewinn für die praktische Arbeit bei der Lektü- re dieses Buches. Ihr Thomas Reinehr 5
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Inhaltsverzeichnis Einleitung.................................................................. 8 Definition und Diagnosestellung............................... 8 Ursachen................................................................... 12 Assoziierte Komorbidität.......................................... 14 a) Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM)...................... 14 b) Metabolisches Syndrom.................................. 14 c) (Obstruktives) Schlaf-Apnoe-Syndrom............ 15 d) Infertilität......................................................... 15 e) Schwangerschaftskomplikationen................... 15 f) Endometriumkarzinom.................................... 16 g) Depression...................................................... 16 Rationale Diagnostik bei Verdacht auf PCOS........... 16 a) Anamnese / Untersuchung.............................. 16 b) Labordiagnostik.............................................. 17 c) Ausschlussdiagnostik...................................... 17 d) Diagnostik von Begleiterkrankungen............. 18 e) Diagnostik vor hormoneller Therapie............ 18 f) Entbehrliche Diagnostik bei Jugendlichen.... 18 Therapie................................................................... 20 Orale Kontrazeptiva............................................... 20 Metformin.............................................................. 21 Sonstige Medikamente.......................................... 22 Dauer der Behandlung.......................................... 23 Therapie der Begleiterkrankungen........................ 23 Referenzen............................................................... 25 7
Einleitung Das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) ist eine häufige Erkrankung mit systemischen metabolischen Konsequenzen. Die Ätiologie ist komplex, heterogen und bisher nicht abschließend geklärt. Exakte Prävalenz- zahlen für das PCOS im Jugendalter sind nicht bekannt, jedoch begin- nen die Symptome des PCOS häufig rund um die Menarche (1). Definition und Diagnosestellung Das PCOS ist definiert durch die Kombination aus Androgen-Exzess (klinisch oder laborchemisch), Zyklusstörung (chronische Anovulation oder Oligoovulation) und dem Auftreten polyzystischer Ovarien (>12 Follikel mit Durchmesser 2 – 9 mm oder Volumen > 10 ml bei fehlendem dominanten Follikel), wovon nach der Rotterdam-Definition mindestens 2 dieser 3 Kriterien erfüllt sein müssen (2, 3). Die Stärken und Schwä- chen der verschiedenen Kriterien sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Tabelle 1: Diagnostische Stärken und Schwächen der Kriterien für die Diagnose eines PCOS bei Jugendlichen Quelle: (3) Kriterium Stärke Schwäche • Androgenkonzentrationen hängen von Alter ab, Referenzwerte für das komplette Jugendalter fehlen • Assays für Androgene nicht einheitlich standar- Hyperandro- klinisches disiert genismus Leitsymptom • Adipöse haben höhere Androgenwerte als Normalgewichtige • die klinische Diagnose Hyperandrogenismus ist schwer zu quantifizieren Infertilität wich- ovarielle • regelmäßiger Zyklus mit Ovulationen tritt z.T. tige Komplikati- Dysfunktion erst 3–5 Jahre postmenarchal auf on des PCOS • standardisierte Messung schwierig (ins. bei ab- dominellem Ultraschall Adipöser, transvaginale polyzystische Messung bei Jugendlichen nicht vertretbar) Ovarien • zu Beginn der Erkrankung nicht nachweisbar • kommt auch außerhalb PCOS vor (Hyperstimu- lation, physiologisch in Pubertät) 8
Ein PCOS sollte frühzeitig erkannt und ggf. behandelt werden, da eine 2/3-Wahrscheinlichkeit besteht, dass ausgeprägte Zyklusunregelmä- ßigkeiten auch nach der Pubertät weiter bestehen. Die Höhe der in der Pubertät vorliegenden Androgenspiegel sind zudem maßgebend für die Androgenämie im Erwachsenenalter. Ferner kann sich durch die Hyperandrogenämie im Jugendalter eine ovarielle Fehlentwicklung mit Hyperthekose und Stromahypertrophie entwickeln. Daher führt ein un- behandeltes PCOS zur Infertilität (4– 6). Die Diagnose eines PCOS im Jugendalter zu stellen, gestaltet sich häu- fig schwierig, da ein regelmäßiger Zyklus mit Ovulationen z.T. erst nach 3–5 Jahren postmenarchal eintritt und polyzystische Ovarien zu Beginn der Erkrankung häufig noch nicht nachweisbar sind. Für das Jugendalter werden daher die folgenden Kriterien zur Dia- gnosestellung des PCOS im Jugendalter von der Endocrine Society vorgeschlagen (3): • Hyperandrogenämie und/ oder Hirsutismus + • Amenorrhö oder Oligomenorrhö (Zyklusintervall >45 Tage oder weniger als 9 Blutungen pro Jahr) (4, 7) Die Diagnose einer Oligomenorrhoe ist frühestens 2 Jahre nach der Menarche möglich, die Diagnose einer Amenorrhö erst ab Vollendung des 15. Lebensjahres. Die Kriterien Anovulation und polyzystische Ova- rien eignen sich nicht für das Jugendalter (3). Anovulatorische Zyklen treten bei 85 % der Menstruationszyklen im ersten Jahr nach der Men- arche auf, 59 % im dritten Jahr und 25 % im sechsten Jahr (3). Auf der anderen Seite sollte eine Anovulation/ Oligoovulation mehr als 2 Jahre nach Menarche immer auch an ein beginnendes PCOS denken lassen, da das PCOS sich häufig bereits im Jugendalter manifestiert (1, 3). Das ist auch deshalb wichtig, weil sich der Hirsutismus beim PCOS oft schlei- chend entwickelt (3). Allerdings weisen 60 % der Mädchen mit PCOS einen Hirsutismus auf (8). Der Ferriman Gallwey Hirsutism Score (siehe Abbildung 1, S. 11) wurde bei erwachsenen Kaukasierinnen evaluiert (9) und ist für das Jugendalter nicht überprüft (3). Möglicherweise sind im Jugendalter niedrigere Grenzwerte zu verwenden (3, 10). Bei einem Hirsutismus finden sich typischerweise Haare im Gesicht, vom Scham- bereich bis hin zum Bauchnabel und um die Brustwarzen als Hinweis auf eine Hyperandrogenisierung. Haare an Unterarmen, Unterschenkel und im Rücken entstehen nicht durch eine Hyperandrogenämie, sondern 9
sind eher familiär oder ethnisch bedingt (Hypertrichose). Ein Hirsutis- mus findet sich seltener bei Asiaten (11). Da Akne und Seborrhö im Pubertätsalter häufig sind, eignen sich diese nicht als klinisches Kriteri- um für einen Hyperandrogenismus. Eine Alopezie tritt im Jugendalter bei PCOS meist noch nicht auf und eignet sich daher ebenfalls nicht als Kriterium für einen Hyperandrogenismus (3, 12). Im Jugendalter fehlen altersabhängige Referenzwerte für Androgene, insbesondere für Jugendliche unter 16 Jahren (3). Normalwerte für deutsche Jugendliche können Tabelle 2 entnommen werden. Zudem ist die laborchemische Androgenmessung deutschlandweit nicht stan- dardisiert. Idealerweise sollten nur LCMSMS-Werte verwendet werden (13). Ferner haben adipöse Jugendliche höhere Androgenspiegel als normalgewichtige Jugendliche (14, 15). Die Hyperandrogenämie zeigt sich typischerweise in grenzwertig erhöhten Androstendion- (als ovia- rieller Marker) und Testosteronwerten bei erniedrigtem Sex hormo- ne-binding globulin (SHBG), sodass die freien Testosteronwerte erhöht sind. Die DHEA-S-Werte (Dehydroepiandrostendion-Sulfat-Werte) als adrenaler Marker sind in der Regel normwertig. Tabelle 2: Normwalwerte für Androgene gemessen mit LCMSMS (ng/dl) bei jugendlichen Mädchen abhängig vom Tannerstadium (Median und Range) Quelle: (16) 5α-Dihydro- Tannerstadium Androstendion Testosteron testosteron P1 21 (3–77) 7 (3 – 43) 3 (3 – 15) P2 41 (9–97) 11 (3 – 49) 6 (3 – 15) P3 61 (14– 97) 17 (9 – 37) 6 (3 – 23) P4 82 (26–126) 26 (3 – 58) 6 (3 – 29) P5 106 (3–149) 28 (6 – 72) 6 (3 – 20) Einen neuen laborchemischen Parameter stellt das Anti-Müller-Hormon (AMH) dar, welches als ovarieller Marker bei polyzystischen Ovarien erhöht ist. Auch Jugendliche mit PCOS scheinen höhere AMH-Werte zu zeigen, Normwerte für das Jugendalter fehlen jedoch noch (17). Eine aktuelle Metaanalyse zeigt, dass AMH >5ng / ml bei erwachsenen Frauen mit einem PCOS assoziiert ist (Sensitivität 67 – 92 % Spezifität 70–97%) (18). 10
Abbildung 1: Ferriman Gallwey Score zur Abschätzung des Hirsutismus (bei erwachsenen Kaukasie- rinnen Score >8 von 36 Punkten auffällig) Quelle: Erika Heil, art for biomed, Frankfurt, modifiziert nach (9) Das PCOS ist jedoch immer eine Ausschlussdiagnose, d. h., andere Ur- sachen für eine Hyperandrogenämie, wie Tumoren der Nebennierenrin- de oder Enzymdefekte (z. B. adrenogenitales Syndrom), müssen sicher ausgeschlossen sein (siehe Tabelle 3) (2). Tabelle 3: Differentialdiagnose des PCOS • Adrenogenitales Syndrom (v. a. nicht klassisch) • Nebennierentumor • Cushing-Syndrom • Hyperprolaktinämie • Hypothyreose • Akromegalie 11
Ursachen Noch nicht abschließend geklärt ist, wodurch ein PCOS entsteht (3). Die überwiegende Mehrheit der Frauen und Mädchen mit PCOS ist adipös (3). Daher ist zu erwarten, dass mit Zunahme der Adipositas im Jugendalter auch die Häufigkeit des PCOS bei jugendlichen Mädchen zunimmt. Interessanterweise ist eine erhöhte Androgenproduktion be- reits bei adipösen präpubertären Kindern nachweisbar (14, 19). Wäh- rend eine Assoziation des PCOS zur prämaturen Adrenarche und zum SGA-Status insbesondere bei normalgewichtigen Jugendlichen mit PCOS beschrieben ist (20, 21), wird eine intrauterine Genese des PCOS noch sehr kontrovers diskutiert (3). Schlanke Mädchen mit PCOS zeigen wie auch adipöse Mädchen eine erhöhte Insulinresistenz (21), sodass dieses eines der Grundlagen des PCOS neben genetischen Faktoren zu sein scheint (siehe Abbildung 2). Insbesondere eine androgene Fettverteilung mit Neigung zur chro- nischen Inflammation führt zur Insulinresistenz. Adipozytokine wie TNF alpha, Retinol-Binding-Protein und Leptin verschlechtern die Insulin- sensitivität, während das bei Adipösen mit androgener Fettverteilung nur in geringeren Konzentrationen zu messende Adipozytokin Adipo- nectin die Insulinresistenz verbessert. Eine Insulinresistenz zeigt sich klinisch in Form einer Acanthosis nigricans, die neben einer vermehrten Pigmentierung v. a. durch ein vergröbertes Hautrelief imponiert (siehe Abbildung 3). Die durch die Insulinresistenz ausgelöste Hyperinsulinä- mie stimuliert ovariell und adrenal die Androgensynthese durch Aktivie- rung der 17ß-Hydroxysteroiddehydrogenase und durch vermehrte Aus- schüttung des luteinisierenden Hormons (LH). Eine Insulinresistenz führt ferner zur Erniedrigung des Sexhormonbindungsglobulins (SHBG) und erhöht somit den freien Anteil von Testosteron. Zudem wird das stark wirksame Androgen Testosteron im omentalen Fettgewebe aus dem nur schwach wirksamen Androgen Androstendion durch die 17-be- ta-Hydroxysteroiddehydrogenase (17-beta-HSD) Typ 3 gebildet (19). Das Adipozytokin Leptin ist maßgeblich an der Regulation von LHRH beteiligt, welches die Ausschüttung von LH reguliert. Typisch für ein PCOS ist ein LH-FSH-Quotient > 2. Durch die LH-Stimulation werden vermehrt Östrogene produziert (22). Östronwerte > 50 pg/ dl und freies Testosteron > 3,3 pg / ml sind typisch für ein PCOS (22). 12
Abbildung 2: Insulinresistenz als Grundlage des PCOS Quelle: Erika Heil, art for biomed, Frankfurt, modifiziert nach (23) Abbildung 3: Acanthosis nigricans im Bereich der Axilla 13
Assoziierte Komorbidität Da die Insulinresistenz Grundlage des PCOS darstellt, verwundert es nicht, dass auch andere Erkrankungen, die auf einer Insulinresistenz be- ruhen, gehäuft mit dem PCOS zusammen auftreten. Daher sollte bei der Diagnose eines PCOS immer gezielt nach diesen gescreent werden (siehe rationale Diagnostik). a) Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM) Bereits adipöse Jugendliche mit PCOS haben ein 5- bis 10-fach er- höhtes Risiko für eine gestörte Glucosetoleranz oder Typ-2-Diabetes mellitus, deren pathogenetische Grundlage eine Insulinresistenz dar- stellt (24, 25): 30 – 35 % aller adipösen Mädchen mit PCOS haben eine gestörte Glucosetoleranz und 3 – 10 % einen T2DM. Normalgewichtige Mädchen mit PCOS zeigen eine Prävalenz einer gestörten Glucose- toleranz von 10 – 15 % und eine Prävalenz des T2DM von 1–2% (25). Die Diagnose einer gestörten Glucosetoleranz und eines T2DM wird am besten mittels eines oralen Glucosetoleranztestes (75 g orale Glu- cosegabe) gestellt. Neuerdings kann auch ein HbA1c-Wert >6,4% zur Diagnose eines T2DM verwendet werden (26). Eine Diagnostik bezüg- lich Glucosestoffwechselstörung sollte alle 3 bis 5 Jahre durchgeführt werden oder häufiger, wenn eine deutliche Gewichtszunahme auftritt, eine zentrale Adipositas vorliegt oder sich Symptome eines T2DM ent- wickeln (3). b) Metabolisches Syndrom Das metabolische Syndrom ist charakterisiert durch das Clustering von gestörter Glucosetoleranz, androgenem Fettverteilungstyp, arterieller Hypertonie und Dyslipidämie (typischerweise HDL-Cholesterin-Ernied- rigung und Hypertriglyceridämie), basierend auf einer Insulinresistenz (27, 28). Das metabolische Syndrom ist mit einer erhöhten Mortalität und Morbidität durch kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert. Daher gehört bei jedem Mädchen mit PCOS eine Erfassung des kardiovas- kulären Risikoprofils zur Diagnostik, zumal die Hyperandrogenämie bei PCOS auch die Gefäße negativ beeinflusst (29). Der Zigarettenkonsum und die Familienanamnese bezüglich kardiovaskulärer Erkrankungen 14
sollten zur Risikoeinschätzung neben der Bestimmung von Blutdruck und Nüchtern-Lipiden erfasst werden. Gehäuft findet sich bei Mädchen mit metabolischem Syndrom auch eine Nicht-Alkoholische Fettlebererkrankung, welche häufig durch eine milde Erhöhung der Transaminasen, ALT (GOT) > AST (GPT), sowie eine echoreiche Leber im Ultraschall auffällt. Da der Verlauf meist benigne ist und außer einer Gewichtsreduktion keine effektiven Behandlungs- methoden zur Verfügung stehen, ist ein Screening auf eine Fettleberer- krankung nicht zwingend indiziert. c) (Obstruktives) Schlaf-Apnoe-Syndrom Die erhöhte Prävalenz des Schlaf-Apnoe-Syndroms, welches durch eine Verlegung der Atemwege bedingt ist, wird sowohl auf die Adipositas als auch auf die Hyperandrogenämie zurückgeführt (29, 30). Auch die Insulinresistenz ist mit dem Schlaf-Apnoe-Syndrom assoziiert und ver- bessert sich bei Therapie des Schlaf-Apnoe-Syndroms mit NCPAP (1, 31, 32). Ein Schlaf-Apnoe-Syndrom wird bis zu 30 x häufiger bei adipö- sen Frauen mit PCOS gegenüber adipösen Frauen ohne PCOS gefun- den (30). Die Häufigkeit scheint bei adipösen Jugendlichen mit PCOS jedoch deutlich geringer zu sein (33). Hier findet sich eher eine Störung der Schlafarchitektonik (33). Die Diagnose kann nur mit einer Schlafla- boruntersuchung gestellt werden. Fragebögen sind sehr unzuverlässig. d) Infertilität Mädchen mit PCOS zeigen eine Anovulation und sind daher meist in- fertil. Jede Hyperandrogenämie kann zu einer ovariellen Fehlentwick- lung mit Hyperthekose und Stromahypertrophie führen, sodass ein un- behandeltes PCOS zur Infertilität führt (4–6). Eine spezielle Diagnostik bezüglich Infertilität (z. B. mitluteales Progesteron) ist im Jugendalter nicht notwendig. e) Schwangerschaftskomplikationen Frauen mit PCOS haben ein erhöhtes Risiko für Schwangerschaftskom- plikationen wie Gestationsdiabetes, Frühgeburten sowie Präeklampsie (3). Diagnostische oder therapeutische Implikationen ergeben sich für das Jugendalter jedoch nicht. 15
f) Endometriumkarzinom Frauen mit PCOS haben viele Risikofaktoren für die Entwicklung eines Endometriumkarzinoms wie Adipositas, Hyperinsulinämie, Diabetes und Zyklusstörungen (3). Ein Screening auf ein Endometriumkarzinom z.B. durch Endometriumbiopsie wird im Jugendalter jedoch noch nicht empfohlen (3). g) Depression Mädchen und Frauen mit PCOS zeigen gehäuft Symptome einer De- pression, sodass bei auffälliger Anamnese auch bereits bei Mädchen mit PCOS eine entsprechende Diagnostik beim Psychologen/Psychia- ter empfohlen wird (3). Rationale Diagnostik bei Verdacht auf PCOS a) Anamnese/ Untersuchung • Familienanamnese PCOS, ggf. erstgradige Verwandte auf PCOS screenen (wegen genetischer Komponente) • Eigenanamnese: SGA? Prämature Pubarche / Pubertas praecox? • Zyklusanamnese • Hinweise auf Schlafstörung (Tagesmüdigkeit?) • Medikamente: Valproat, Androgene, Cylosporin (führen zur Insu- linresistenz) • Hinweise auf Depression • Rauchen? • BMI, Bauchumfang • Acanthosis nigricans als Hinweis auf Insulinresistenz • Grad des Hirsutismus (Ferriman Gallwey Score im Jugendalter nur bedingt geeignet), Dauer der Symptomatik (rapide Virilisie- rung spricht für androgenprod. Tumor) • Akne, Alopezie 16
b) Labordiagnostik • Gesamtes Testosteron (oder freies Testosteron, jedoch Assay kri- tisch), Testosteron in der Regel normal oder minimal erhöht bei PCOS; sehr hohe Testosteron- oder DHEA-S-Werte sprechen für androgenproduzierenden Tumor • SHBG: erniedrigt bei PCOS durch Insulinresistenz • DHEA-S (als adrenaler Marker für Ursprung Androgene bei Tu- mor) • Androstendion (als ovarieller Marker für Ursprung Androgene) • LH und FSH; LH/FSH-Quotient in der Regel > 2 bei PCOS, nied- rige Gonadotropine bei hypothalamischer Amenorrhoe, hohe FSH-Werte bei Gonadeninsuffizienz • Anti-Müller-Hormon (> 60,1 pmol / l oder > 5 µg / l) als Marker für polyzystische Ovarien (34) • Abdominelle Sonographie zum Ausschluss Ovar- oder Nebennie- rentumor Falls Ovarien bei Adipositas darstellbar, stellen Hinweise auf ein PCOS dar (35): pubertär: Vergrößerung des Ovars bezogen auf Pubertäts- stadium, Körperoberfläche, randständige Zysten postpubertär: Volumen Ovar > 11 ml oder > 6 –10 kleine Fol- likelzysten 3 – 8 mm / 2 Zysten > 10 mm und Stroma-Hyper- trophie Aber: Ein normales Ovar im Ultraschall schließt PCOS nicht aus. c) Ausschlussdiagnostik • 17-Hydroxyprogesteron, evtl. nach ACTH-Stimulation (Aus- schluss late onset AGS) • Prolaktin (Ausschluss Hyperprolaktinämie) • Schilddrüsenhormone (Ausschluss Hypothyreose) • IGF-1 (Ausschluss Akromegalie) 17
• Freies Cortisol im 24-h-Urin oder Dexamethasonhemmtest (Aus- schluss Cushing-Syndrom)* • Evtl. β-HCG im Urin zum Ausschluss Schwangerschaft bei Anovu- lation d) Diagnostik von Begleiterkrankungen • Oraler Glucosetoleranztest oder HbA1c • Blutdruck (bei erhöhten Blutdruck Verifizierung durch 24-h-Blut- druckmessung) • Nüchtern-Lipide (LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin, Triglyceride) • Bei Hinweisen auf Schlafstörung: Schlaflabor • Bei Hinweisen auf Depression entsprechende psychologische Te- stung • Evtl. AST, ALT, Sono Abdomen (Hinweise Fettleber) • Evtl. Intima-Media-Dicke-Messung der Carotiden (insbesondere bei Hochrisikopatienten (siehe Tabelle 3) e) Diagnostik vor hormoneller Therapie • Gerinnung (Quick) • Protein S, Protein C, APC-Resistenz, ATIII-Mangel f) Entbehrliche Diagnostik bei Jugendlichen • Transrektale oder transvaginale Sonographie; Ovar-Biopsie • Endometriumbiopsie zum Ausschluss Endometriumkarzinom * Cave: Eine Bestimmung von Cortisol zum Ausschluss eines Cushing-Syndroms ist bei adipösen Kindern und Jugendlichen nicht sinnvoll, da die Cortisolkonzen- trationen bei Adipositas und Insulinresistenz häufig erhöht sind (19, 36). 18
Tabelle 4: Kardiovaskuläre Risikostratifizierung bei Mädchen mit PCOS Quelle: adaptiert nach (3) Erhöhtes Risiko • Adipositas • Rauchen • Bluthochdruck • Hypertriglyceridämie und/ oder HDL-Cholesterinerniedrigung • Hypercholesterinämie (LDL) • Pathologische Glucosetoleranz • Familienanamnese mit kardiovaskulärer Erkrankung < 55 Jahre Mann, < 65 Jahre Frau Sehr hohes Risiko • Typ-2-Diabetes mellitus • Metabolisches Syndrom (pathologische Glucosetoleranz + androgene Fettverteilung + arterielle Hypertonie oder Dyslipidämie, Hypertrigly- ceridämie und oder HDL-Cholesterinerniedrigung) • Schlaf-Apnoe-Syndrom 19
Therapie Die Therapie der Wahl des PCOS stellt bei adipösen Mädchen eine Übergewichtsreduktion dar (37), welche sich im klinischen Alltag je- doch häufig schwer realisieren lässt. Eine Übergewichtsreduktion führt sowohl zur Verbesserung des Hirsutismus und der Regelstörungen (37) als auch zur Verbesserung der Lebensqualität (38) und vor allem des kardiovaskulären Risikoprofils (39), welches bei adipösen Mädchen mit PCOS häufig sehr ungünstig ausfällt (siehe Tabelle 4). Bei allen adipösen Mädchen, bei denen keine Gewichtsreduktion mög- lich ist, und bei normalgewichtigen Mädchen mit PCOS / Zeichen der Hyperandrogenämie sollte über eine medikamentöse Therapie nachge- dacht werden. Diese sollte jedoch nicht vor dem Tannerstadium IV bis V eingeleitet werden (3). Die medikamentöse Behandlung richtet sich nach den im Vordergrund stehenden Symptomen bzw. Therapiezielen (siehe Tabelle 5) und dem kardiovaskulären Risikoprofil (siehe Tabelle 4). Orale Kontrazeptiva Stehen Zyklusstörungen und/ oder ein Hirsutismus im Vordergrund, sollten orale Kontrazeptiva mit einem antiandrogenen Gestagen ver- wendet werden (z. B. Diane-35®, Morea® sanol oder Attempta ratio- pharm®) (3). Diese Präparate enthalten 2 mg Cyproteronacetat sowie 0,035 mg Ethinylestradiol. Sie führen zu einer Regulation des Zyklus, gewährleisten einen Schutz des Endometriums und führen zu einer Verbesserung des Hirsutismus und der Akne (1, 3). Die Progesterone unterdrücken die LH-Produktion und die Östrogene führen zu einem Anstieg von SHBG, sodass die bioaktiven Androgene reduziert werden. Das antiandrogene Gestagen Cyproteronacetat bindet kompetitiv an den Androgenrezeptor und ist gleichzeitig ein starkes Gestagen (1). Bei Raucherinnen und bei Patientinnen mit angeborenen Gerinnungsstö- rungen, Thrombosen oder Thrombembolien in der Familienanamnese besteht ein deutlich erhöhtes Thromboserisiko unter der Behandlung mit oralen Kontrazeptiva, sodass deren Einsatz sehr kritisch abgewo- gen werden muss (siehe Tabelle 6, S. 24). Eine Gerinnungsdiagnostik (APC-Resistenz, Protein-C/ S -Mangel, ATIII-Mangel) ist zwingend vor Beginn einer oralen Hormontherapie erforderlich (3). Lebererkran- kungen (z. B. Virushepatitis) stellen eine absolute Kontraindikation dar. 20
Eine Östrogen- / Gestagentherapie hat im Mittel keine Auswirkung auf den Bauchumfang oder den BMI (3). Durch eine Östrogen-/Gesta- gentherapie wird das kardiovaskuläre Risikoprofil nicht verbessert. Im Gegenteil, es wird diskutiert, dass sich Fett- und Glucosestoffwechsel- störungen unter einer solchen Therapie verschlechtern (1, 3, 40). Wäh- rend Östrogene zur HDL-Cholesterin-Erniedrigung sowie Erhöhung von LDL-Cholesterin und Triglyceriden führen, erreichen Gestagene gegenteilige Wirkungen, sodass das Verhältnis von Östrogen- und Ges- tagenanteil in der hormonellen Therapie die Wirkung auf die Lipide bestimmt. Eine Kontraindikation bei kardiovaskulären Risikofaktoren für orale Östrogen- / Gestagenpräperate besteht jedoch nicht (3). Metformin Bei Patientinnen mit gestörter Glucosetoleranz oder Diabetes mel- litus Typ 2 sollte primär das orale Antidiabetikum Metformin (Metfor- min®) eingesetzt werden (3). Die Dosis beträgt 2 x 850 mg bis maximal 2x1000mg. Wichtig ist eine einschleichende Dosierung, um Nebenwir- kungen, wie z. B. Übelkeit, entgegenzuwirken, die sich auch meist nach einigen Wochen der Anwendungen bessern. Da Metformin ab dem 12. Lebensjahr nur für die Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 zugelassen ist, handelt es sich um einen Off-Label-Use, über den die Patientin und ihre Eltern aufzuklären sind. Metformin führt zu einer Verbesserung der Insulinsensitivität bzw. zu einer Abnahme der Insulinresistenz und der Hyperinsulinämie, sodass sich auch die Faktoren des metabolischen Syndroms verbessern und das Auftreten eines Typ-2-Diabetes bei pa- thologischer Glucosetoleranz hinausgezögert werden kann (3). Zudem wird unter Metformin eine minimale Gewichtsabnahme beobachtet (3). Weiterhin konnte auch eine Verbesserung der Zyklusstörung beobach- tet werden, während der Hirsutismus unter Metformintherapie nicht beeinflusst wird (1). Daher wird meist im Verlauf der Erkrankung bei Zunahme des Hirsutismus ein Umsetzen auf eine antiandrogene Pille erforderlich, sodass der Einsatz von Metformin in der Behandlung des PCOS keine große Bedeutung mehr hat. Da der Hirsutismus bei den meisten Mädchen als führende Symptomatik vorliegt, die zudem einen hohen Leidensdruck erzeugt, setzen wir bei ihnen primär eine antian- drogene Pille ein und Metformin nur bei dem sehr seltenen Fall eines PCOS mit pathologischer Glucosetoleranz oder Diabetes mellitus Typ 21
2 und Hyperandrogenämie ohne Hirsutismus. Eine Kombination von Metformin mit einer antiandrogenen Pille wird außer beim manifesten Typ-2-Diabetes mellitus und PCOS mit Hirsutismus von uns nicht ein- gesetzt, da aussagekräftige Studien bezüglich einer solchen Kombina- tionstherapie insbesondere für das Jugendalter fehlen und bekannter- maßen die Compliance mit der Anzahl der Medikamente sinkt. Sonstige Medikamente Antiandrogene wie Cyproteronacetat (Androcur®), Spironolacton (Al- dactone®) und Flutamid (Flutamid-ratiopharm®) sind unterschiedlich ef- fektiv in der Therapie des Hirsutismus und der Akne (1, 3, 41). Das Haar- wachstum wird durch Cyproteronacetat wirksam gehemmt, die bereits vorhandene Behaarung wird jedoch nicht beeinflusst. Erfolge bezüglich des Hirsutismus sind daher erst nach Ende eines Haarzyklus von 2 bis 4 Monaten zu erwarten. Dies gilt auch für die Wirkung in einem oralen Kontrazeptivum (siehe oben). Das Zystostatikum Flutamid ist zwar sehr wirksam, kann als Nebenwirkung die Leberfunktion schwer beeinträch- tigen und die Glucosestoffwechsellage verschlechtern, sodass es nicht zur Behandlung des Hirsutismus empfohlen werden kann (3). Spirono- lacton, ein Antimineralokortikoid, hat hochdosiert nur schwache antian- drogene Potenz und eignet sich daher auch kaum in der Behandlung des Hirsutismus (1). Außer Androcur® sind alle diese Medikamente zu- dem nicht mit der Indikation Behandlung des Hirsutismus zugelassen. Androcur® ist auch nur für das Erwachsenenalter zugelassen, sodass alle diese Medikamente nur im Rahmen eines Off-Label-Use eingesetzt werden können. Im klinischen Alltag kommen zur Haarentfernung an exponierten Stellen (z. B. Gesicht) primär Laserbehandlungen oder an- dere Epilationstherapien zur Anwendung (1). Medikamente zur Verbesserung der Insulinsensitivität wie Inositole oder Thiazolidinedione sollten aufgrund der begrenzten Wirkung und vor allem der Nebenwirkungen nicht eingesetzt werden und sind für das Jugendalter auch nicht zugelassen (3). Auch ist ein positiver Ef- fekt von Statinen (z. B. Pravastatin®) auf die Androgene und Anovulati- on nicht sicher nachgewiesen, sodass Statine (20 – 40 mg Pravastatin® 1ED abends) nur bei Hypercholesterinämie (LDL-Cholesterin >190mg/ dl) eingesetzt werden sollten (3). Inwieweit sich neue Medikamente wie Glucagon-like-peptide-1-Analoga (z. B. Exenatide®) oder Dipepti- 22
dyl-peptidase-4-Inhibitoren (z. B. Sigaglitpin® oder Vildagliptin®) auch günstig auf die Symptomatik des PCOS auswirken, ist noch nicht ab- schließend geklärt. Diese Medikamente sind auch nicht für das Jugend alter zugelassen. Dauer der Behandlung Über die Dauer der medikamentösen Behandlung liegen keine ein- heitlichen Empfehlungen vor (3). Einige Autoren empfehlen eine min- destens 5-jährige medikamentöse Behandlung oder bis ein deutlicher Gewichtsverlust bei adipösen Jugendlichen erzielt werden kann (3). Auf der anderen Seite konnte in einer kleinen Studie gezeigt werden, dass der Effekt einer Metformintherapie auch noch mindestens 6 Monate nach Therapieende nachweisbar ist (42). Eine präventive Behandlung von Mädchen mit prämaturer Adrenarche mit Metformin zur Vermeidung eines PCOS – wie von manchen Auto- ren vorgeschlagen (20) –, wird von der Endocrine Society explizit nicht empfohlen (3). Therapie der Begleiterkrankungen Neben der Therapie der Anovulation und der Hyperandrogenämie bei jugendlichen Mädchen mit PCOS muss insbesondere auch bei adipö- sen Mädchen eine konsequente Therapie der kardiovaskulären Risiko faktoren wie arterieller Hypertonie und Dyslipidämie erfolgen (siehe Tabelle 4, S. 19), da eine Hyperandrogenämie einen weiteren kardio- vaskulären Risikofaktor darstellt (3, 29, 38). Dabei ist zu beachten, dass Fibrate bei der Einnahme von antiandrogenen Kontrazeptiva kontrain- diziert sind. 23
Tabelle 5: Therapeutische Ansätze bei PCOS Quelle: (1, 3) KARDIO- HIRSUTISMUS OVULATION VASKULÄRES RISIKOPROFIL Gewichtsabnahme + + + Metformin O + + Ovulationshemmer & antiandrogenes + + O bis (–) Gestagen Antiandrogen + O bis – O bis (–) + positive Wirkung auf Therapieziel – negative Wirkung auf Therapieziel O keine Wirkung auf Therapieziel Tabelle 6: Empfehlungen für den Einsatz von oralen Östrogen-/Gestagenpräparaten bei PCOS bei Begleiterkrankungen/ Risikofaktoren Quelle: (3) Keine Bedenken • 160/ 100 mm Hg) • Diabetes mit Nephropathie oder Neuropathie • Lebererkankung (z.B. Virushepatitis) • bekannte Gerinnungsstörung 24
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Notizen
Notizen
Prof. Dr. med. Thomas Reinehr Chefarzt der Abteilung für Pädiatrische Endokrinologie, Diabetologie und Ernährungsmedizin Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, Universität Witten / Herdecke Dr.-Friedrich-Steiner-Str. 5 45711 Datteln Tel.: +49 (0) 2363 / 97 52 29 Fax: +49 (0) 2363 / 97 52 18 E-Mail: T.Reinehr@kinderklinik-datteln.de
biomedpark Medien GmbH, Heidelberg • ISBN 978-3-9816544-1-7
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