Das polyzystische Ovarsyndrom im Jugendalter - von Thomas Reinehr - Zomacton

 
WEITER LESEN
Das polyzystische Ovarsyndrom im Jugendalter - von Thomas Reinehr - Zomacton
Endokrinologische

			Therapien

Das polyzystische
  Ovarsyndrom
 im Jugendalter
                  von Thomas Reinehr

  Herausgeber:
P. M. Holterhus
Das polyzystische Ovarsyndrom im Jugendalter - von Thomas Reinehr - Zomacton
Mit freundlicher Unterstützung von FERRING Arzneimittel GmbH.
Auf die Inhalte und Gestaltung dieses Buches hat die FERRING Arznei­
mittel GmbH keinen Einfluss und trägt dafür keine Verantwortung.

Impressum

Herausgeber: Prof. Dr. P. M. Holterhus
Copyright: Herausgeber, alle Rechte vorbehalten
Gesamtherstellung: biomedpark Medien GmbH
		                 Schneidmühlstr. 21, 69115 Heidelberg
		                 Tel. 06221/ 13 747 0
		www.biomedpark.de
ISBN-Nr.: 978-3-9816544-1-7
1. Auflage, Heidelberg 2014
Endokrinologische Therapien

  Das polyzystische
    Ovarsyndrom
   im Jugendalter
       Thomas Reinehr

         Herausgeber:
        P. M. Holterhus
Vorwort zum achten Band der Reihe
„Endokrinologische Therapien“

Das polyzystische Ovarsyndrom, PCOS, ist ein äu-
ßerst komplexes und in seinen pathophysiologischen
Mechanismen weiterhin nicht vollständig aufgeklärtes
endokrines Störungsbild mit z.T. extremer Adipositas,
Zyklusunregelmäßigkeiten, Hyperandrogenismus mit
Hirsutismus und möglicher späterer Infertilität. Das
Krankheitsbild beginnt bereits bei jugendlichen Mäd-
chen und ist vor dem Hintergrund der ungebremsten
weltweiten Zunahme der Adipositas bei Jugendlichen
ein zunehmender Vorstellungsgrund in der kinderen-
dokrinologischen Sprechstunde. Das vorliegende Buch
der Reihe „Endokrinologische Therapien“ soll der zu-
nehmenden Relevanz des PCOS für die Pädiatrische
Endokrinologie Rechnung tragen.
Die Herausgeber sind sehr dankbar, mit Herrn Prof.
Dr. med. Thomas Reinehr einen der führenden deut-
schen Fachexperten auf dem Gebiet der Adipositas
bei Kindern und Jugendlichen und des PCOS mit he-
rausragender internationaler Anerkennung gewonnen
zu haben. Nach seinem Medizinstudium und der Pro-
motion an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
und einer kurzen Assistenzzeit an der Kinderklinik in
Frankfurt-Höchst ist Thomas Reinehr seit 1996 an der
Vestischen Kinderklinik der Universität Witten-Herde-
cke tätig, seit 2003 als Chefarzt der Adipositasklinik,
seit 2010 als Chefarzt der Klinik für Pädiatrische Endo-
krinologie, Diabetologie und Ernährungsmedizin. Seine
wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema Adipositas und
Ernährung sind durch hochkarätige Drittmittel (BMBF,
DFG, EU) gefördert, in hochrangigen internationalen
Journalen veröffentlicht und durch eine Vielzahl an nati-

                                                            3
onalen und internationalen Preisen ausgezeichnet wor-
    den. Das von Prof. Reinehr entwickelte Obeldicks-Pro-
    gramm zählt sicher zu den bekanntesten klinischen
    Adipositas-Behandlungskonzepten in Deutschland.
    Seit 2005 ist Thomas Reinehr habilitiert, seit 2009 be-
    kleidet er das Amt einer außerplanmäßigen Professur
    der Universität Witten/ Herdecke. Sein klinisches und
    wissenschaftliches Wirken ist begleitet durch vielfäl-
    tige ehrenamtliche Tätigkeiten in verantwortungsvollen
    Positionen, z. B. seit 2009 im Vorstand der Deutschen
    Adipositas-Gesellschaft. Aufgrund der Komplexität
    des Themas befasst sich das vorliegende Buch nicht
    ausschließlich mit der Therapie, sondern auch mit der
    Pathophysiologie und der Diagnostik des PCOS. Nur
    aus diesem Grundverständnis heraus werden die ver-
    schiedenen therapeutischen Ansätze gut verständlich
    und reichen von der Bedeutung der Gewichtsabnahme
    bis hin zu spezifischen medikamentösen Behandlungs-
    prinzipien. Prof. Dr. Reinehr schöpft bei der Abfassung
    des Büchleins aus seinem sehr großen klinischen und
    wissenschaftlichen Erfahrungsfundus, bietet dem Le-
    ser aber dennoch ein ausreichend kurz gefasstes,
    prägnantes und auf die wichtigsten praxisrelevanten
    Fakten konzentriertes Minikompendium.

    Paul-Martin Holterhus

    Wichtiger Hinweis:
    Die in diesem Buch aufgeführten Angaben zur Medikation wurden sorgfältig ge-
    prüft. Dennoch können Herausgeber, Autor und Verlag keine Gewähr für die Rich-
    tigkeit der Angaben übernehmen. In jedem Fall und insbesondere auch bei Abwei-
    chungen von den Empfehlungen erfolgen das therapeutische Vorgehen und auch
    die Verschreibung von Medikamenten in eigener Verantwortung des Arztes.

4
Vorwort
Mit der Zunahme der Adipositas und insbesondere der
extremen Adipositas im Jugendalter ist leider eine ty-
pische Folgeerscheinung, das polyzystische Ovarsyn-
drom (PCOS), immer häufiger Vorstellungsgrund in der
pädiatrisch-endokrinologischen Sprechstunde. Dieses
stellt bei jugendlichen Mädchen eine diagnostische
Herausforderung dar, da die Diagnosekriterien aus dem
Erwachsenenalter sich nicht einfach auf das Jugendalter
übertragen lassen. Ferner ist das PCOS auch bereits im
Jugendalter häufig mit vielen kardiovaskulären Risiko-
faktoren verbunden, welche sich in der Definition des
metabolischen Syndroms wiederfinden. Dieses Buch
zum PCOS im Jugendalter möchte daher nicht nur Hil-
festellung geben, das PCOS zu diagnostizieren, son-
dern auch sinnvolle weitere diagnostische Maßnahmen
einzuleiten, um das kardiovaskuläre Risikoprofil zu erfas-
sen, welches die Morbidität und Mortalität der betrof-
fen Mädchen häufig maßgeblich bestimmt.
Der Kinder- und Jugendendokrinologe sollte zudem
das PCOS konsequent behandeln, da wir heute wis-
sen, dass die Infertilität als typische Komplikation des
PCOS mit der Dauer einer Nichtbehandlung korreliert.
Die Mädchen selbst leiden massiv unter dem mit dem
PCOS assoziierten Hirsutismus, sodass der pädiatrische
Endokrinologe diesbezüglich sinnvolle Therapiemaß-
nahmen einleiten sollte. Auch hier soll dieses Buch
eine praktische Hilfestellung geben, um dieses immer
häufiger werdende Krankheitsbild in der pädiatrischen
Sprechstunde effektiv zu behandeln.
Ich wünsche viel Freude und hoffentlich auch einen Er-
kenntnisgewinn für die praktische Arbeit bei der Lektü-
re dieses Buches.
Ihr
Thomas Reinehr
                                                             5
6
Inhaltsverzeichnis

Einleitung..................................................................          8
Definition und Diagnosestellung...............................                        8
Ursachen...................................................................          12
Assoziierte Komorbidität..........................................                   14
      a)     Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM)......................                    14
      b)     Metabolisches Syndrom..................................                 14
      c)     (Obstruktives) Schlaf-Apnoe-Syndrom............                         15
      d)     Infertilität.........................................................   15
      e)     Schwangerschaftskomplikationen...................                       15
      f)     Endometriumkarzinom....................................                 16
      g)     Depression......................................................        16

Rationale Diagnostik bei Verdacht auf PCOS...........		                              16
      a)     Anamnese / Untersuchung..............................		                 16
      b)     Labordiagnostik..............................................           17
      c)     Ausschlussdiagnostik......................................              17
      d)     Diagnostik von Begleiterkrankungen.............		                       18
      e)     Diagnostik vor hormoneller Therapie............		                       18
      f)     Entbehrliche Diagnostik bei Jugendlichen....		                          18

Therapie...................................................................		        20
      Orale Kontrazeptiva...............................................             20
      Metformin..............................................................        21
      Sonstige Medikamente..........................................                 22
      Dauer der Behandlung..........................................		               23
      Therapie der Begleiterkrankungen........................                       23

Referenzen...............................................................		          25

                                                                                          7
Einleitung

Das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) ist eine häufige Erkrankung mit
systemischen metabolischen Konsequenzen. Die Ätiologie ist komplex,
heterogen und bisher nicht abschließend geklärt. Exakte Prävalenz-
zahlen für das PCOS im Jugendalter sind nicht bekannt, jedoch begin-
nen die Symptome des PCOS häufig rund um die Menarche (1).

Definition und Diagnosestellung

Das PCOS ist definiert durch die Kombination aus Androgen-Exzess
(klinisch oder laborchemisch), Zyklusstörung (chronische Anovulation
oder Oligoovulation) und dem Auftreten polyzystischer Ovarien (>12
Follikel mit Durchmesser 2 – 9 mm oder Volumen > 10 ml bei fehlendem
dominanten Follikel), wovon nach der Rotterdam-Definition mindestens
2 dieser 3 Kriterien erfüllt sein müssen (2, 3). Die Stärken und Schwä-
chen der verschiedenen Kriterien sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Tabelle 1:
Diagnostische Stärken und Schwächen der Kriterien für die Diagnose eines PCOS bei
Jugendlichen
Quelle: (3)

    Kriterium           Stärke                              Schwäche

                                         • Androgenkonzentrationen hängen von Alter ab,
                                           Referenzwerte für das komplette Jugendalter
                                           fehlen
                                         • Assays für Androgene nicht einheitlich standar-
    Hyperandro-     klinisches
                                           disiert
    genismus        Leitsymptom
                                         • Adipöse haben höhere Androgenwerte als
                                           Normalgewichtige
                                         • die klinische Diagnose Hyperandrogenismus ist
                                           schwer zu quantifizieren

                    Infertilität wich-
    ovarielle                            • regelmäßiger Zyklus mit Ovulationen tritt z.T.
                    tige Komplikati-
    Dysfunktion                            erst 3–5 Jahre postmenarchal auf
                    on des PCOS

                                         • standardisierte Messung schwierig (ins. bei ab-
                                           dominellem Ultraschall Adipöser, transvaginale
    polyzystische                          Messung bei Jugendlichen nicht vertretbar)
    Ovarien                              • zu Beginn der Erkrankung nicht nachweisbar
                                         • kommt auch außerhalb PCOS vor (Hyperstimu-
                                           lation, physiologisch in Pubertät)

8
Ein PCOS sollte frühzeitig erkannt und ggf. behandelt werden, da eine
2/3-Wahrscheinlichkeit besteht, dass ausgeprägte Zyklusunregelmä-
ßigkeiten auch nach der Pubertät weiter bestehen. Die Höhe der in
der Pubertät vorliegenden Androgenspiegel sind zudem maßgebend
für die Androgenämie im Erwachsenenalter. Ferner kann sich durch die
Hyperandrogenämie im Jugendalter eine ovarielle Fehlentwicklung mit
Hyperthekose und Stromahypertrophie entwickeln. Daher führt ein un-
behandeltes PCOS zur Infertilität (4– 6).
Die Diagnose eines PCOS im Jugendalter zu stellen, gestaltet sich häu-
fig schwierig, da ein regelmäßiger Zyklus mit Ovulationen z.T. erst nach
3–5 Jahren postmenarchal eintritt und polyzystische Ovarien zu Beginn
der Erkrankung häufig noch nicht nachweisbar sind.
Für das Jugendalter werden daher die folgenden Kriterien zur Dia-
gnosestellung des PCOS im Jugendalter von der Endocrine Society
vorgeschlagen (3):
    • Hyperandrogenämie und/ oder Hirsutismus +
    • Amenorrhö oder Oligomenorrhö (Zyklusintervall >45 Tage
      oder weniger als 9 Blutungen pro Jahr) (4, 7)
Die Diagnose einer Oligomenorrhoe ist frühestens 2 Jahre nach der
Menarche möglich, die Diagnose einer Amenorrhö erst ab Vollendung
des 15. Lebensjahres. Die Kriterien Anovulation und polyzystische Ova-
rien eignen sich nicht für das Jugendalter (3). Anovulatorische Zyklen
treten bei 85 % der Menstruationszyklen im ersten Jahr nach der Men-
arche auf, 59 % im dritten Jahr und 25 % im sechsten Jahr (3). Auf der
anderen Seite sollte eine Anovulation/ Oligoovulation mehr als 2 Jahre
nach Menarche immer auch an ein beginnendes PCOS denken lassen,
da das PCOS sich häufig bereits im Jugendalter manifestiert (1, 3). Das
ist auch deshalb wichtig, weil sich der Hirsutismus beim PCOS oft schlei-
chend entwickelt (3). Allerdings weisen 60 % der Mädchen mit PCOS
einen Hirsutismus auf (8). Der Ferriman Gallwey Hirsutism Score (siehe
Abbildung 1, S. 11) wurde bei erwachsenen Kaukasierinnen evaluiert
(9) und ist für das Jugendalter nicht überprüft (3). Möglicherweise sind
im Jugendalter niedrigere Grenzwerte zu verwenden (3, 10). Bei einem
Hirsutismus finden sich typischerweise Haare im Gesicht, vom Scham-
bereich bis hin zum Bauchnabel und um die Brustwarzen als Hinweis auf
eine Hyperandrogenisierung. Haare an Unterarmen, Unterschenkel und
im Rücken entstehen nicht durch eine Hyperandrogenämie, sondern

                                                                       9
sind eher familiär oder ethnisch bedingt (Hypertrichose). Ein Hirsutis-
mus findet sich seltener bei Asiaten (11). Da Akne und Seborrhö im
Pubertätsalter häufig sind, eignen sich diese nicht als klinisches Kriteri-
um für einen Hyperandrogenismus. Eine Alopezie tritt im Jugendalter
bei PCOS meist noch nicht auf und eignet sich daher ebenfalls nicht als
Kriterium für einen Hyperandrogenismus (3, 12).
Im Jugendalter fehlen altersabhängige Referenzwerte für Androgene,
insbesondere für Jugendliche unter 16 Jahren (3). Normalwerte für
deutsche Jugendliche können Tabelle 2 entnommen werden. Zudem
ist die laborchemische Androgenmessung deutschlandweit nicht stan-
dardisiert. Idealerweise sollten nur LCMSMS-Werte verwendet werden
(13). Ferner haben adipöse Jugendliche höhere Androgenspiegel als
normalgewichtige Jugendliche (14, 15). Die Hyperandrogenämie zeigt
sich typischerweise in grenzwertig erhöhten Androstendion- (als ovia-
rieller Marker) und Testosteronwerten bei erniedrigtem Sex hormo-
ne-binding globulin (SHBG), sodass die freien Testosteronwerte erhöht
sind. Die DHEA-S-Werte (Dehydroepiandrostendion-Sulfat-Werte) als
adrenaler Marker sind in der Regel normwertig.

Tabelle 2:
Normwalwerte für Androgene gemessen mit LCMSMS (ng/dl) bei jugendlichen Mädchen
abhängig vom Tannerstadium (Median und Range)
Quelle: (16)

                                                                5α-Dihydro-
  Tannerstadium       Androstendion         Testosteron
                                                                testosteron

        P1               21 (3–77)            7 (3 – 43)          3 (3 – 15)
        P2               41 (9–97)           11 (3 – 49)          6 (3 – 15)
        P3              61 (14– 97)          17 (9 – 37)          6 (3 – 23)
        P4              82 (26–126)          26 (3 – 58)          6 (3 – 29)
        P5              106 (3–149)          28 (6 – 72)          6 (3 – 20)

Einen neuen laborchemischen Parameter stellt das Anti-Müller-Hormon
(AMH) dar, welches als ovarieller Marker bei polyzystischen Ovarien
erhöht ist. Auch Jugendliche mit PCOS scheinen höhere AMH-Werte
zu zeigen, Normwerte für das Jugendalter fehlen jedoch noch (17).
Eine aktuelle Metaanalyse zeigt, dass AMH >5ng / ml bei erwachsenen
Frauen mit einem PCOS assoziiert ist (Sensitivität 67 – 92 % Spezifität
70–97%) (18).

10
Abbildung 1:
                                                  Ferriman Gallwey Score zur
                                                  Abschätzung des Hirsutismus
                                                  (bei erwachsenen Kaukasie-
                                                  rinnen Score >8 von 36 Punkten
                                                  auffällig)
                                                  Quelle: Erika Heil,
                                                  art for biomed, Frankfurt,
                                                  modifiziert nach (9)

Das PCOS ist jedoch immer eine Ausschlussdiagnose, d. h., andere Ur-
sachen für eine Hyperandrogenämie, wie Tumoren der Nebennierenrin-
de oder Enzymdefekte (z. B. adrenogenitales Syndrom), müssen sicher
ausgeschlossen sein (siehe Tabelle 3) (2).

Tabelle 3:
Differentialdiagnose des PCOS

   • Adrenogenitales Syndrom (v. a. nicht klassisch)
   • Nebennierentumor
   • Cushing-Syndrom
   • Hyperprolaktinämie
   • Hypothyreose
   • Akromegalie

                                                                             11
Ursachen

Noch nicht abschließend geklärt ist, wodurch ein PCOS entsteht (3).
Die überwiegende Mehrheit der Frauen und Mädchen mit PCOS ist
adipös (3). Daher ist zu erwarten, dass mit Zunahme der Adipositas im
Jugendalter auch die Häufigkeit des PCOS bei jugendlichen Mädchen
zunimmt. Interessanterweise ist eine erhöhte Androgenproduktion be-
reits bei adipösen präpubertären Kindern nachweisbar (14, 19). Wäh-
rend eine Assoziation des PCOS zur prämaturen Adrenarche und zum
SGA-Status insbesondere bei normalgewichtigen Jugendlichen mit
PCOS beschrieben ist (20, 21), wird eine intrauterine Genese des PCOS
noch sehr kontrovers diskutiert (3).
Schlanke Mädchen mit PCOS zeigen wie auch adipöse Mädchen eine
erhöhte Insulinresistenz (21), sodass dieses eines der Grundlagen des
PCOS neben genetischen Faktoren zu sein scheint (siehe Abbildung
2). Insbesondere eine androgene Fettverteilung mit Neigung zur chro-
nischen Inflammation führt zur Insulinresistenz. Adipozytokine wie TNF
alpha, Retinol-Binding-Protein und Leptin verschlechtern die Insulin-
sensitivität, während das bei Adipösen mit androgener Fettverteilung
nur in geringeren Konzentrationen zu messende Adipozytokin Adipo-
nectin die Insulinresistenz verbessert. Eine Insulinresistenz zeigt sich
klinisch in Form einer Acanthosis nigricans, die neben einer vermehrten
Pigmentierung v. a. durch ein vergröbertes Hautrelief imponiert (siehe
Abbildung 3). Die durch die Insulinresistenz ausgelöste Hyperinsulinä-
mie stimuliert ovariell und adrenal die Androgensynthese durch Aktivie-
rung der 17ß-Hydroxysteroiddehydrogenase und durch vermehrte Aus-
schüttung des luteinisierenden Hormons (LH). Eine Insulinresistenz führt
ferner zur Erniedrigung des Sexhormonbindungsglobulins (SHBG) und
erhöht somit den freien Anteil von Testosteron. Zudem wird das stark
wirksame Androgen Testosteron im omentalen Fettgewebe aus dem
nur schwach wirksamen Androgen Androstendion durch die 17-be-
ta-Hydroxysteroiddehydrogenase (17-beta-HSD) Typ 3 gebildet (19).
Das Adipozytokin Leptin ist maßgeblich an der Regulation von LHRH
beteiligt, welches die Ausschüttung von LH reguliert. Typisch für ein
PCOS ist ein LH-FSH-Quotient > 2. Durch die LH-Stimulation werden
vermehrt Östrogene produziert (22). Östronwerte > 50 pg/ dl und freies
Testosteron > 3,3 pg / ml sind typisch für ein PCOS (22).

12
Abbildung 2:
Insulinresistenz als Grundlage des PCOS
Quelle: Erika Heil, art for biomed, Frankfurt, modifiziert nach (23)

Abbildung 3:
Acanthosis nigricans im Bereich der Axilla

                                                                       13
Assoziierte Komorbidität

Da die Insulinresistenz Grundlage des PCOS darstellt, verwundert es
nicht, dass auch andere Erkrankungen, die auf einer Insulinresistenz be-
ruhen, gehäuft mit dem PCOS zusammen auftreten. Daher sollte bei
der Diagnose eines PCOS immer gezielt nach diesen gescreent werden
(siehe rationale Diagnostik).

a) Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM)

Bereits adipöse Jugendliche mit PCOS haben ein 5- bis 10-fach er-
höhtes Risiko für eine gestörte Glucosetoleranz oder Typ-2-Diabetes
mellitus, deren pathogenetische Grundlage eine Insulinresistenz dar-
stellt (24, 25): 30 – 35 % aller adipösen Mädchen mit PCOS haben eine
gestörte Glucosetoleranz und 3 – 10 % einen T2DM. Normalgewichtige
Mädchen mit PCOS zeigen eine Prävalenz einer gestörten Glucose-
toleranz von 10 – 15 % und eine Prävalenz des T2DM von 1–2% (25).
Die Diagnose einer gestörten Glucosetoleranz und eines T2DM wird
am besten mittels eines oralen Glucosetoleranztestes (75 g orale Glu-
cosegabe) gestellt. Neuerdings kann auch ein HbA1c-Wert >6,4% zur
Diagnose eines T2DM verwendet werden (26). Eine Diagnostik bezüg-
lich Glucosestoffwechselstörung sollte alle 3 bis 5 Jahre durchgeführt
werden oder häufiger, wenn eine deutliche Gewichtszunahme auftritt,
eine zentrale Adipositas vorliegt oder sich Symptome eines T2DM ent-
wickeln (3).

b) Metabolisches Syndrom

Das metabolische Syndrom ist charakterisiert durch das Clustering von
gestörter Glucosetoleranz, androgenem Fettverteilungstyp, arterieller
Hypertonie und Dyslipidämie (typischerweise HDL-Cholesterin-Ernied-
rigung und Hypertriglyceridämie), basierend auf einer Insulinresistenz
(27, 28). Das metabolische Syndrom ist mit einer erhöhten Mortalität
und Morbidität durch kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert. Daher
gehört bei jedem Mädchen mit PCOS eine Erfassung des kardiovas-
kulären Risikoprofils zur Diagnostik, zumal die Hyperandrogenämie bei
PCOS auch die Gefäße negativ beeinflusst (29). Der Zigarettenkonsum
und die Familienanamnese bezüglich kardiovaskulärer Erkrankungen

14
sollten zur Risikoeinschätzung neben der Bestimmung von Blutdruck
und Nüchtern-Lipiden erfasst werden.
Gehäuft findet sich bei Mädchen mit metabolischem Syndrom auch
eine Nicht-Alkoholische Fettlebererkrankung, welche häufig durch eine
milde Erhöhung der Transaminasen, ALT (GOT) > AST (GPT), sowie eine
echoreiche Leber im Ultraschall auffällt. Da der Verlauf meist benigne
ist und außer einer Gewichtsreduktion keine effektiven Behandlungs-
methoden zur Verfügung stehen, ist ein Screening auf eine Fettleberer-
krankung nicht zwingend indiziert.

c) (Obstruktives) Schlaf-Apnoe-Syndrom

Die erhöhte Prävalenz des Schlaf-Apnoe-Syndroms, welches durch eine
Verlegung der Atemwege bedingt ist, wird sowohl auf die Adipositas
als auch auf die Hyperandrogenämie zurückgeführt (29, 30). Auch die
Insulinresistenz ist mit dem Schlaf-Apnoe-Syndrom assoziiert und ver-
bessert sich bei Therapie des Schlaf-Apnoe-Syndroms mit NCPAP (1,
31, 32). Ein Schlaf-Apnoe-Syndrom wird bis zu 30 x häufiger bei adipö-
sen Frauen mit PCOS gegenüber adipösen Frauen ohne PCOS gefun-
den (30). Die Häufigkeit scheint bei adipösen Jugendlichen mit PCOS
jedoch deutlich geringer zu sein (33). Hier findet sich eher eine Störung
der Schlafarchitektonik (33). Die Diagnose kann nur mit einer Schlafla-
boruntersuchung gestellt werden. Fragebögen sind sehr unzuverlässig.

d) Infertilität

Mädchen mit PCOS zeigen eine Anovulation und sind daher meist in-
fertil. Jede Hyperandrogenämie kann zu einer ovariellen Fehlentwick-
lung mit Hyperthekose und Stromahypertrophie führen, sodass ein un-
behandeltes PCOS zur Infertilität führt (4–6). Eine spezielle Diagnostik
bezüglich Infertilität (z. B. mitluteales Progesteron) ist im Jugendalter
nicht notwendig.

e) Schwangerschaftskomplikationen

Frauen mit PCOS haben ein erhöhtes Risiko für Schwangerschaftskom-
plikationen wie Gestationsdiabetes, Frühgeburten sowie Präeklampsie
(3). Diagnostische oder therapeutische Implikationen ergeben sich für
das Jugendalter jedoch nicht.

                                                                      15
f) Endometriumkarzinom

Frauen mit PCOS haben viele Risikofaktoren für die Entwicklung eines
Endometriumkarzinoms wie Adipositas, Hyperinsulinämie, Diabetes
und Zyklusstörungen (3). Ein Screening auf ein Endometriumkarzinom
z.B. durch Endometriumbiopsie wird im Jugendalter jedoch noch nicht
empfohlen (3).

g) Depression

Mädchen und Frauen mit PCOS zeigen gehäuft Symptome einer De-
pression, sodass bei auffälliger Anamnese auch bereits bei Mädchen
mit PCOS eine entsprechende Diagnostik beim Psychologen/Psychia-
ter empfohlen wird (3).

Rationale Diagnostik bei Verdacht auf PCOS

a) Anamnese/ Untersuchung

     • Familienanamnese PCOS, ggf. erstgradige Verwandte auf PCOS
       screenen (wegen genetischer Komponente)
     • Eigenanamnese: SGA? Prämature Pubarche / Pubertas praecox?
     • Zyklusanamnese
     • Hinweise auf Schlafstörung (Tagesmüdigkeit?)
     • Medikamente: Valproat, Androgene, Cylosporin (führen zur Insu-
       linresistenz)
     • Hinweise auf Depression
     • Rauchen?
     • BMI, Bauchumfang
     • Acanthosis nigricans als Hinweis auf Insulinresistenz
     • Grad des Hirsutismus (Ferriman Gallwey Score im Jugendalter
       nur bedingt geeignet), Dauer der Symptomatik (rapide Virilisie-
       rung spricht für androgenprod. Tumor)
     • Akne, Alopezie

16
b) Labordiagnostik

   • Gesamtes Testosteron (oder freies Testosteron, jedoch Assay kri-
     tisch), Testosteron in der Regel normal oder minimal erhöht bei
     PCOS; sehr hohe Testosteron- oder DHEA-S-Werte sprechen für
     androgenproduzierenden Tumor
   • SHBG: erniedrigt bei PCOS durch Insulinresistenz
   • DHEA-S (als adrenaler Marker für Ursprung Androgene bei Tu-
     mor)
   • Androstendion (als ovarieller Marker für Ursprung Androgene)
   • LH und FSH; LH/FSH-Quotient in der Regel > 2 bei PCOS, nied-
     rige Gonadotropine bei hypothalamischer Amenorrhoe, hohe
     FSH-Werte bei Gonadeninsuffizienz
   • Anti-Müller-Hormon (> 60,1 pmol / l oder > 5 µg / l) als Marker für
     polyzystische Ovarien (34)
   • Abdominelle Sonographie zum Ausschluss Ovar- oder Nebennie-
     rentumor
     Falls Ovarien bei Adipositas darstellbar, stellen Hinweise auf ein
     PCOS dar (35):
      pubertär: Vergrößerung des Ovars bezogen auf Pubertäts-
       stadium, Körperoberfläche, randständige Zysten
      postpubertär: Volumen Ovar > 11 ml oder > 6 –10 kleine Fol-
       likelzysten 3 – 8 mm / 2 Zysten > 10 mm und Stroma-Hyper-
       trophie
      Aber: Ein normales Ovar im Ultraschall schließt PCOS
       nicht aus.

c) Ausschlussdiagnostik

   • 17-Hydroxyprogesteron, evtl. nach ACTH-Stimulation (Aus-
     schluss late onset AGS)
   • Prolaktin (Ausschluss Hyperprolaktinämie)
   • Schilddrüsenhormone (Ausschluss Hypothyreose)
   • IGF-1 (Ausschluss Akromegalie)

                                                                     17
• Freies Cortisol im 24-h-Urin oder Dexamethasonhemmtest (Aus-
       schluss Cushing-Syndrom)*
     • Evtl. β-HCG im Urin zum Ausschluss Schwangerschaft bei Anovu-
       lation

d) Diagnostik von Begleiterkrankungen

     • Oraler Glucosetoleranztest oder HbA1c
     • Blutdruck (bei erhöhten Blutdruck Verifizierung durch 24-h-Blut-
       druckmessung)
     • Nüchtern-Lipide (LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin, Triglyceride)
     • Bei Hinweisen auf Schlafstörung: Schlaflabor
     • Bei Hinweisen auf Depression entsprechende psychologische Te-
       stung
     • Evtl. AST, ALT, Sono Abdomen (Hinweise Fettleber)
     • Evtl. Intima-Media-Dicke-Messung der Carotiden (insbesondere
       bei Hochrisikopatienten (siehe Tabelle 3)

e) Diagnostik vor hormoneller Therapie

     • Gerinnung (Quick)
     • Protein S, Protein C, APC-Resistenz, ATIII-Mangel

f) Entbehrliche Diagnostik bei Jugendlichen

     • Transrektale oder transvaginale Sonographie; Ovar-Biopsie
     • Endometriumbiopsie zum Ausschluss Endometriumkarzinom

* Cave: Eine Bestimmung von Cortisol zum Ausschluss eines Cushing-Syndroms
ist bei adipösen Kindern und Jugendlichen nicht sinnvoll, da die Cortisolkonzen-
trationen bei Adipositas und Insulinresistenz häufig erhöht sind (19, 36).

18
Tabelle 4:
Kardiovaskuläre Risikostratifizierung bei Mädchen mit PCOS
Quelle: adaptiert nach (3)

    Erhöhtes Risiko

       • Adipositas

       • Rauchen

       • Bluthochdruck

       • Hypertriglyceridämie und/ oder HDL-Cholesterinerniedrigung

       • Hypercholesterinämie (LDL)

       • Pathologische Glucosetoleranz
       • Familienanamnese mit kardiovaskulärer Erkrankung
         < 55 Jahre Mann, < 65 Jahre Frau

    Sehr hohes Risiko

       • Typ-2-Diabetes mellitus
       • Metabolisches Syndrom (pathologische Glucosetoleranz + androgene
         Fettverteilung + arterielle Hypertonie oder Dyslipidämie, Hypertrigly-
         ceridämie und oder HDL-Cholesterinerniedrigung)

       • Schlaf-Apnoe-Syndrom

                                                                             19
Therapie

Die Therapie der Wahl des PCOS stellt bei adipösen Mädchen eine
Übergewichtsreduktion dar (37), welche sich im klinischen Alltag je-
doch häufig schwer realisieren lässt. Eine Übergewichtsreduktion führt
sowohl zur Verbesserung des Hirsutismus und der Regelstörungen (37)
als auch zur Verbesserung der Lebensqualität (38) und vor allem des
kardiovaskulären Risikoprofils (39), welches bei adipösen Mädchen mit
PCOS häufig sehr ungünstig ausfällt (siehe Tabelle 4).
Bei allen adipösen Mädchen, bei denen keine Gewichtsreduktion mög-
lich ist, und bei normalgewichtigen Mädchen mit PCOS / Zeichen der
Hyperandrogenämie sollte über eine medikamentöse Therapie nachge-
dacht werden. Diese sollte jedoch nicht vor dem Tannerstadium IV bis
V eingeleitet werden (3). Die medikamentöse Behandlung richtet sich
nach den im Vordergrund stehenden Symptomen bzw. Therapiezielen
(siehe Tabelle 5) und dem kardiovaskulären Risikoprofil (siehe Tabelle 4).

Orale Kontrazeptiva

Stehen Zyklusstörungen und/ oder ein Hirsutismus im Vordergrund,
sollten orale Kontrazeptiva mit einem antiandrogenen Gestagen ver-
wendet werden (z. B. Diane-35®, Morea® sanol oder Attempta ratio-
pharm®) (3). Diese Präparate enthalten 2 mg Cyproteronacetat sowie
0,035 mg Ethinylestradiol. Sie führen zu einer Regulation des Zyklus,
gewährleisten einen Schutz des Endometriums und führen zu einer
Verbesserung des Hirsutismus und der Akne (1, 3). Die Progesterone
unterdrücken die LH-Produktion und die Östrogene führen zu einem
Anstieg von SHBG, sodass die bioaktiven Androgene reduziert werden.
Das antiandrogene Gestagen Cyproteronacetat bindet kompetitiv an
den Androgenrezeptor und ist gleichzeitig ein starkes Gestagen (1). Bei
Raucherinnen und bei Patientinnen mit angeborenen Gerinnungsstö-
rungen, Thrombosen oder Thrombembolien in der Familienanamnese
besteht ein deutlich erhöhtes Thromboserisiko unter der Behandlung
mit oralen Kontrazeptiva, sodass deren Einsatz sehr kritisch abgewo-
gen werden muss (siehe Tabelle 6, S. 24). Eine Gerinnungsdiagnostik
(APC-Resistenz, Protein-C/ S -Mangel, ATIII-Mangel) ist zwingend vor
Beginn einer oralen Hormontherapie erforderlich (3). Lebererkran-
kungen (z. B. Virushepatitis) stellen eine absolute Kontraindikation dar.

20
Eine Östrogen- / Gestagentherapie hat im Mittel keine Auswirkung auf
den Bauchumfang oder den BMI (3). Durch eine Östrogen-/Gesta-
gentherapie wird das kardiovaskuläre Risikoprofil nicht verbessert. Im
Gegenteil, es wird diskutiert, dass sich Fett- und Glucosestoffwechsel-
störungen unter einer solchen Therapie verschlechtern (1, 3, 40). Wäh-
rend Östrogene zur HDL-Cholesterin-Erniedrigung sowie Erhöhung
von LDL-Cholesterin und Triglyceriden führen, erreichen Gestagene
gegenteilige Wirkungen, sodass das Verhältnis von Östrogen- und Ges-
tagenanteil in der hormonellen Therapie die Wirkung auf die Lipide
bestimmt. Eine Kontraindikation bei kardiovaskulären Risikofaktoren für
orale Östrogen- / Gestagenpräperate besteht jedoch nicht (3).

Metformin

Bei Patientinnen mit gestörter Glucosetoleranz oder Diabetes mel-
litus Typ 2 sollte primär das orale Antidiabetikum Metformin (Metfor-
min®) eingesetzt werden (3). Die Dosis beträgt 2 x 850 mg bis maximal
2x1000mg. Wichtig ist eine einschleichende Dosierung, um Nebenwir-
kungen, wie z. B. Übelkeit, entgegenzuwirken, die sich auch meist nach
einigen Wochen der Anwendungen bessern. Da Metformin ab dem 12.
Lebensjahr nur für die Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 zugelassen
ist, handelt es sich um einen Off-Label-Use, über den die Patientin und
ihre Eltern aufzuklären sind. Metformin führt zu einer Verbesserung der
Insulinsensitivität bzw. zu einer Abnahme der Insulinresistenz und der
Hyperinsulinämie, sodass sich auch die Faktoren des metabolischen
Syndroms verbessern und das Auftreten eines Typ-2-Diabetes bei pa-
thologischer Glucosetoleranz hinausgezögert werden kann (3). Zudem
wird unter Metformin eine minimale Gewichtsabnahme beobachtet (3).
Weiterhin konnte auch eine Verbesserung der Zyklusstörung beobach-
tet werden, während der Hirsutismus unter Metformintherapie nicht
beeinflusst wird (1). Daher wird meist im Verlauf der Erkrankung bei
Zunahme des Hirsutismus ein Umsetzen auf eine antiandrogene Pille
erforderlich, sodass der Einsatz von Metformin in der Behandlung des
PCOS keine große Bedeutung mehr hat. Da der Hirsutismus bei den
meisten Mädchen als führende Symptomatik vorliegt, die zudem einen
hohen Leidensdruck erzeugt, setzen wir bei ihnen primär eine antian-
drogene Pille ein und Metformin nur bei dem sehr seltenen Fall eines
PCOS mit pathologischer Glucosetoleranz oder Diabetes mellitus Typ

                                                                    21
2 und Hyperandrogenämie ohne Hirsutismus. Eine Kombination von
Metformin mit einer antiandrogenen Pille wird außer beim manifesten
Typ-2-Diabetes mellitus und PCOS mit Hirsutismus von uns nicht ein-
gesetzt, da aussagekräftige Studien bezüglich einer solchen Kombina-
tionstherapie insbesondere für das Jugendalter fehlen und bekannter-
maßen die Compliance mit der Anzahl der Medikamente sinkt.

Sonstige Medikamente

Antiandrogene wie Cyproteronacetat (Androcur®), Spironolacton (Al-
dactone®) und Flutamid (Flutamid-ratiopharm®) sind unterschiedlich ef-
fektiv in der Therapie des Hirsutismus und der Akne (1, 3, 41). Das Haar-
wachstum wird durch Cyproteronacetat wirksam gehemmt, die bereits
vorhandene Behaarung wird jedoch nicht beeinflusst. Erfolge bezüglich
des Hirsutismus sind daher erst nach Ende eines Haarzyklus von 2 bis
4 Monaten zu erwarten. Dies gilt auch für die Wirkung in einem oralen
Kontrazeptivum (siehe oben). Das Zystostatikum Flutamid ist zwar sehr
wirksam, kann als Nebenwirkung die Leberfunktion schwer beeinträch-
tigen und die Glucosestoffwechsellage verschlechtern, sodass es nicht
zur Behandlung des Hirsutismus empfohlen werden kann (3). Spirono-
lacton, ein Antimineralokortikoid, hat hochdosiert nur schwache antian-
drogene Potenz und eignet sich daher auch kaum in der Behandlung
des Hirsutismus (1). Außer Androcur® sind alle diese Medikamente zu-
dem nicht mit der Indikation Behandlung des Hirsutismus zugelassen.
Androcur® ist auch nur für das Erwachsenenalter zugelassen, sodass
alle diese Medikamente nur im Rahmen eines Off-Label-Use eingesetzt
werden können. Im klinischen Alltag kommen zur Haarentfernung an
exponierten Stellen (z. B. Gesicht) primär Laserbehandlungen oder an-
dere Epilationstherapien zur Anwendung (1).
Medikamente zur Verbesserung der Insulinsensitivität wie Inositole
oder Thiazolidinedione sollten aufgrund der begrenzten Wirkung und
vor allem der Nebenwirkungen nicht eingesetzt werden und sind für
das Jugendalter auch nicht zugelassen (3). Auch ist ein positiver Ef-
fekt von Statinen (z. B. Pravastatin®) auf die Androgene und Anovulati-
on nicht sicher nachgewiesen, sodass Statine (20 – 40 mg Pravastatin®
1ED abends) nur bei Hypercholesterinämie (LDL-Cholesterin >190mg/
dl) eingesetzt werden sollten (3). Inwieweit sich neue Medikamente
wie Glucagon-like-peptide-1-Analoga (z. B. Exenatide®) oder Dipepti-

22
dyl-peptidase-4-Inhibitoren (z. B. Sigaglitpin® oder Vildagliptin®) auch
günstig auf die Symptomatik des PCOS auswirken, ist noch nicht ab-
schließend geklärt. Diese Medikamente sind auch nicht für das Jugend­
alter zugelassen.

Dauer der Behandlung

Über die Dauer der medikamentösen Behandlung liegen keine ein-
heitlichen Empfehlungen vor (3). Einige Autoren empfehlen eine min-
destens 5-jährige medikamentöse Behandlung oder bis ein deutlicher
Gewichtsverlust bei adipösen Jugendlichen erzielt werden kann (3). Auf
der anderen Seite konnte in einer kleinen Studie gezeigt werden, dass
der Effekt einer Metformintherapie auch noch mindestens 6 Monate
nach Therapieende nachweisbar ist (42).
Eine präventive Behandlung von Mädchen mit prämaturer Adrenarche
mit Metformin zur Vermeidung eines PCOS – wie von manchen Auto-
ren vorgeschlagen (20) –, wird von der Endocrine Society explizit nicht
empfohlen (3).

Therapie der Begleiterkrankungen

Neben der Therapie der Anovulation und der Hyperandrogenämie bei
jugendlichen Mädchen mit PCOS muss insbesondere auch bei adipö-
sen Mädchen eine konsequente Therapie der kardiovaskulären Risiko­
faktoren wie arterieller Hypertonie und Dyslipidämie erfolgen (siehe
Tabelle 4, S. 19), da eine Hyperandrogenämie einen weiteren kardio-
vaskulären Risikofaktor darstellt (3, 29, 38). Dabei ist zu beachten, dass
Fibrate bei der Einnahme von antiandrogenen Kontrazeptiva kontrain-
diziert sind.

                                                                       23
Tabelle 5:
Therapeutische Ansätze bei PCOS
Quelle: (1, 3)

                                                                    KARDIO-
                               HIRSUTISMUS     OVULATION         VASKULÄRES
                                                                 RISIKOPROFIL
     Gewichtsabnahme                     +           +                  +
     Metformin                           O           +                  +
     Ovulationshemmer
     & antiandrogenes                    +           +               O bis (–)
     Gestagen
     Antiandrogen                        +        O bis –            O bis (–)
+    positive Wirkung auf Therapieziel
–    negative Wirkung auf Therapieziel
O    keine Wirkung auf Therapieziel

Tabelle 6:
Empfehlungen für den Einsatz von oralen Östrogen-/Gestagenpräparaten bei PCOS bei
Begleiterkrankungen/ Risikofaktoren
Quelle: (3)

       Keine Bedenken
         • 160/ 100 mm Hg)
         • Diabetes mit Nephropathie oder Neuropathie
         • Lebererkankung (z.B. Virushepatitis)
         • bekannte Gerinnungsstörung

24
Referenzen

1.    Ehrmann DA. Polycystic        ovary   syndrome.    N   Engl    J   Med.
      2005;352(12):1223-1236
2.    Revised 2003 consensus on diagnostic criteria and long-term he-
      alth risks related to polycystic ovary syndrome (PCOS). Hum Reprod.
      2004;19(1):41-47
3.    Legro RS, Arslanian SA, Ehrmann DA et al. Diagnosis and treatment of
      polycystic ovary syndrome: an endocrine society clinical practice guide-
      line. J Clin Endocrinol Metab. 2013;98(12):4565-4592
4.    Franks S. Polycystic ovary syndrome in adolescents. Int J Obes
      (Lond).2008;32(7):1035-1041
5.    Franks S. Adult polycystic ovary syndrome begins in childhood. Best
      Pract Res Clin Endocrinol Metab. 2002;16(2):263-272
6.    Gascon F, Valle M, Martos R et al. Sex hormone-binding globulin as a
      marker for hyperinsulinemia and/or insulin resistance in obese children.
      Eur J Endocrinol. 2000;143(1):85-89
7.    Diaz A, Laufer MR, Breech LL. Menstruation in girls and adolescents:
      using the menstrual cycle as a vital sign. Pediatrics. 2006;118(5):2245-
      2250
8.    Pfeifer SM, Kives S. Polycystic ovary syndrome in the adolescent. Obstet
      Gynecol Clin North Am 2009; 36(1):129-152
9.    Ferriman D, Gallwey JD. Clinical assessment of body hair growth in
      women. J Clin Endocrinol Metab. 1961;21:1440-1447
10.   Diamanti-Kandarakis E, Christakou C, Marinakis E. Phenotypes and
      enviromental factors: their influence in PCOS. Curr Pharm Des.
      2012;18(3):270-282
11.   Azziz R, Woods KS, Reyna R, Key TJ, Knochenhauer ES, Yildiz BO. The
      prevalence and features of the polycystic ovary syndrome in an unse-
      lected population. J Clin Endocrinol Metab. 2004;89(6):2745-2749
12.   Carmina E, Oberfield SE, Lobo RA. The diagnosis of polycystic ovary
      syndrome in adolescents. Am J Obstet Gynecol. 2010;203(3):201-205
13.   Wartofsky L, Handelsman DJ. Standardization of hormonal assays for the
      21st century. J Clin Endocrinol Metab. 2010;95(12):5141-5143

                                                                           25
14.   Reinehr T, de SG, Roth CL, Andler W. Androgens before and after weight
      loss in obese children. J Clin Endocrinol Metab. 2005;90(10):5588-5595
15.   McCartney CR, Blank SK, Prendergast KA et al. Obesity and sex steroid
      changes across puberty: evidence for marked hyperandrogenemia in pre-
      and early pubertal obese girls. J Clin Endocrinol Metab. 2007;92(2):430-
      436
16.   Kulle AE, Riepe FG, Melchior D, Hiort O, Holterhus PM. A novel ultra-
      pressure liquid chromatography tandem mass spectrometry method for
      the simultaneous determination of androstenedione, testosterone and
      dihydrotestosterone in pediatric blood samples: age- and sex-specific
      reference data. J Clin Endocrinol Metab. 2010;95(5):2399-2409
17.   Pawelczak M, Kenigsberg L, Milla S, Liu YH, Shah B. Elevated serum an-
      ti-Mullerian hormone in adolescents with polycystic ovary syndrome: re-
      lationship to ultrasound features. J Pediatr Endocrinol Metab. 2012;25(9-
      10):983-989
18.   Iliodromiti S, Kelsey TW, Anderson RA, Nelson SM. Can anti-Mullerian
      hormone predict the diagnosis of polycystic ovary syndrome? A systema-
      tic review and meta-analysis of extracted data. J Clin Endocrinol Metab.
      2013;98(8):3332-3340
19.   Reinehr T, Kulle A, Wolters B et al. Steroid hormone profiles in prepuber-
      tal obese children before and after weight loss. J Clin Endocrinol Metab.
      2013;98(6):E1022-E1030
20.   Ibanez L, de ZF, Potau N. Premature pubarche, ovarian hyperandroge-
      nism, hyperinsulinism and the polycystic ovary syndrome: from a com-
      plex constellation to a simple sequence of prenatal onset. J Endocrinol
      Invest. 1998;21(9):558-566
21.   Ibanez L, Ong K, Ferrer A, Amin R, Dunger D, de ZF. Low-dose flutami-
      de-metformin therapy reverses insulin resistance and reduces fat mass in
      nonobese adolescents with ovarian hyperandrogenism. J Clin Endocri-
      nol Metab. 2003;88(6):2600-2606
22.   Stener-Victorin E, Holm G, Labrie F, Nilsson L, Janson PO, Ohlsson C. Are
      there any sensitive and specific sex steroid markers for polycystic ovary
      syndrome? J Clin Endocrinol Metab. 2010;95(2):810-819
23.   Cone R, Low MCL CJ. Neuroendocrinology. In: Larsen, Kroneberg, Mel-
      med, Polonsky, editors. Wiliams Textbook of endocrinology. Saunders.
      2002:101

26
24.   Ehrmann DA, Barnes RB, Rosenfield RL, Cavaghan MK, Imperial J. Pre-
      valence of impaired glucose tolerance and diabetes in women with poly-
      cystic ovary syndrome. Diabetes Care. 1999;22(1):141-146
25.   Moran LJ, Misso ML, Wild RA, Norman RJ. Impaired glucose toleran-
      ce, type 2 diabetes and metabolic syndrome in polycystic ovary syn-
      drome: a systematic review and meta-analysis. Hum Reprod Update.
      2010;16(4):347-363
26.   American Diabetes Association. Type 2 diabetes in children and adole-
      scents. Diabetes Care. 2000;23(3):381-389
27.   Eckel RH, Grundy SM, Zimmet PZ. The metabolic syndrome. Lancet.
      2005;365(9468):1415-1428
28.   Reinehr T, Wunsch R, Putter C, Scherag A. Relationship between Carotid
      Intima-Media Thickness and Metabolic Syndrome in Adolescents. J Pe-
      diatr. 2013;163(2):327-332
29.   de Sousa G, Brodoswki C, Kleber M, Wunsch R, Reinehr T. Association
      between androgens, intima-media thickness and the metabolic syndrome
      in obese adolescent girls. Clin Endocrinol (Oxf). 2010;72(6):770-774
30.   Vgontzas AN, Legro RS, Bixler EO, Grayev A, Kales A, Chrousos GP. Po-
      lycystic ovary syndrome is associated with obstructive sleep apnoea and
      daytime sleepiness: role of insulin resistance. J Clin Endocrinol Metab.
      2001;86(2):517-520
31.   de Sousa G, Schluter B, Buschatz D et al. The impact of insulin resistance
      and hyperandrogenemia on polysomnographic variables in obese adole-
      scents with polycystic ovarian syndrome. Sleep Breath. 2012;16(1):169-
      175
32.   de Sousa G, Schluter B, Menke T, Trowitzsch E, Andler W, Reinehr T. Re-
      lationships between polysomnographic variables, parameters of glucose
      metabolism and serum androgens in obese adolescents with polycystic
      ovarian syndrome. J Sleep Res. 2011;20(3):472-478
33.   de Sousa G, Schluter B, Buschatz D et al. A comparison of polysom-
      nographic variables between obese adolescents with polycystic ovari-
      an syndrome and healthy, normal-weight and obese adolescents. Sleep
      Breath. 2010;14(1):33-38
34.   Villarroel C, Merino PM, Lopez P et al. Polycystic ovarian morphology
      in adolescents with regular menstrual cycles is associated with elevated
      anti-Mullerian hormone. Hum Reprod. 2011;26(10):2861-2868

                                                                             27
35.   Codner E, Villarroel C, Eyzaguirre FC et al. Polycystic ovarian morpholo-
      gy in postmenarchal adolescents. Fertil Steril. 2011;95(2):702-706.
36.   Reinehr T, Andler W. Cortisol and its relation to insulin resistance before
      and after weight loss in obese children. Horm Res. 2004;62(3):107-112
37.   Lass N, Kleber M, Winkel K, Wunsch R, Reinehr T. Effect of lifestyle inter-
      vention on features of polycystic ovarian syndrome, metabolic syndrome,
      and intima-media thickness in obese adolescent girls. J Clin Endocrinol
      Metab. 2011;96(11):3533-3540
38.   Finne E, Reinehr T, Schaefer A, Winkel K, Kolip P. Changes in self-re-
      ported and parent-reported health-related quality of life in overweight
      children and adolescents participating in an outpatient training: findings
      from a 12-month follow-up study. Health Qual Life Outcomes 2013; 11:1
39.   Reinehr T, Kleber M, Toschke AM. Lifestyle intervention in obese children
      is associated with a decrease of the metabolic syndrome prevalence.
      Atherosclerosis. 2009;207(1):174-180
40.   Lopez LM, Grimes DA, Schulz KF. Steroidal contraceptives: effect on car-
      bohydrate metabolism in women without diabetes mellitus. Cochrane
      Database Syst Rev. 2012;4:CD006133
41.   Ibanez L, de ZF. Low-dose flutamide-metformin therapy for hyperinsu-
      linemic hyperandrogenism in nonobese adolescents and women. Fertil
      Steril. 2006;86(1):S24-S25
42.   De L, V, Musacchio MC, Morgante G, Piomboni P, Petraglia F. Metformin
      treatment is effective in obese teenage girls with PCOS. Hum Reprod.
      2006;21(9):2252-2256

28
Notizen
Notizen
Prof. Dr. med. Thomas Reinehr
Chefarzt der Abteilung für Pädiatrische Endokrinologie,
Diabetologie und Ernährungsmedizin
Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln,
Universität Witten / Herdecke
Dr.-Friedrich-Steiner-Str. 5
45711 Datteln
Tel.: +49 (0) 2363 / 97 52 29
Fax: +49 (0) 2363 / 97 52 18
E-Mail: T.Reinehr@kinderklinik-datteln.de
biomedpark Medien GmbH, Heidelberg • ISBN 978-3-9816544-1-7
Sie können auch lesen