DAS RAD DREHT SICH SCHNELLER - Wie neue Technologien und Wettbewerber den Reifenhandel umkrempeln - Roland Berger

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DAS RAD DREHT SICH SCHNELLER - Wie neue Technologien und Wettbewerber den Reifenhandel umkrempeln - Roland Berger
DAS RAD
DREHT SICH
SCHNELLER
Wie neue Technologien und Wettbewerber
     den Reifenhandel umkrempeln
Über uns
Roland Berger, 1967 gegründet, ist die einzige der weltweit
führenden Unter­nehmensberatungen mit deutscher Herkunft
und europäischen Wurzeln. Mit rund 2.400 Mitarbeitern in
34 Ländern ist das Unternehmen in allen global wichtigen Märkten
erfolgreich aktiv. Die 50 Büros von Roland Berger befinden sich
an zentralen Wirtschaftsstandorten weltweit. Das Beratungsunter-
nehmen ist eine unabhängige Partnerschaft im ausschließlichen
Eigentum von rund 220 Partnern.

HSH Nordbank steht als „Bank für Unternehmer“, für Menschen
mit Weit­sicht, Leidenschaft und Initiative. Insbesondere für
mittelständische Un­ter­nehmer ist sie ein kompetenter Partner –
und fokussiert auf die Branchen Energie & Infrastruktur, Handel &
Ernährung, Industrie & Dienstleistungen sowie Gesundheit.
Sie ist führend in der gewerblichen Immobilienfinanzierung in
Deutschland. In der maritimen Wirtschaft ist die Bank gut verankert
und überzeugt Unternehmen weltweit.
VORWORT

                                                                           Die Wettbewerbslandschaft im Kfz-Aftermarket verändert sich derzeit fundamental. Ausge-
                                                                           löst durch die Digitalisierung und eine Konsolidierungswelle verschieben sich die Kräftever-
                                                                           hältnisse und Beziehungen in der Branche. Mit diesen Umbrüchen und ihren Folgen für die
                                                                           Akteure in der Wertschöpfungskette setzt sich unsere vierteilige Studienreihe auseinander.
                                                                           Bisher erschienen sind:

                                                                           → die Leitstudie „Konsolidierung im europäischen Kfz-Aftermarket. Transformation einer
                                                                             Branche: Übernahmen und Digitalisierung verändern die Wettbewerbslandschaft“
                                                                           → die Teilstudie „Survival of the Fittest. M&A-Aktivitäten verschärfen den Verdrängungswett-
                                                                             bewerb im Kfz-Teilegroßhandel“
                                                                           → die Teilstudie „Kräfteverschiebung im Kfz-Aftermarket. Neue Kundenstruktur erfordert
                                                                             neue Vertriebsmethoden“

                                                                           Als vierte und letzte Veröffentlichung der Reihe legen wir nun die Teilstudie „Das Rad dreht
                                                                           sich schneller – Wie neue Technologien und Wettbewerber den Reifenhandel umkrempeln“
                                                                           vor. Sie greift aus dem Gesamt­pano­rama des Independent Aftermarket (IAM) einen Ausschnitt
                                                                           heraus und beleuchtet die aktuellen Entwicklungen im Reifenersatzmarkt. Der Schwerpunkt
                                                                           liegt dabei auf dem Handel mit Pkw-­Reifen, dem gemessen am Volumen wichtigsten und
                                                                           größten Segment des Reifen­markts.
Coverfoto: kiri / Adobe Stock Fotos: Roland Berger GmbH, HSH Nordbank AG

                                                                           Die Reifengroßhändler stehen vor großen Herausforderungen: Die Absatzzahlen stagnieren,
                                                                           Online-Plattformen erobern Marktanteile und Hersteller stoßen in den Bereich des Handels
                                                                           vor. Gleichzeitig steigen die Preissensibilität und die Qualitätsansprüche der Geschäfts- und
                                                                           Privatkunden. Diese Entwicklungen verändern das Machtgefüge in der Branche sowie die
                                                                           Beziehungen der Akteure untereinander erheblich.

                                                                           Viele Großhändler haben bereits erkannt, dass sie sich innerhalb der Wertschöpfungskette
                                                                           weiterentwickeln müssen, wenn sie langfristig wettbewerbsfähig bleiben wollen. Welche stra-
                                                                           tegischen Optionen sich dabei bieten, zeigen wir in dieser Studie.

                                                                           Alexander Brenner       Patrick Heinemann         Jens Thiele            Julian-Kaya Bagbasi, MBA
                                                                           Roland Berger           Roland Berger             HSH Nordbank           HSH Nordbank

                                                                                                                                                                               3
SCHLAGLÖCHER:
                             1
    SCHWIERIGES
    TERRAIN FÜR
    REIFENGROSS­
      HÄNDLER
        Stagnierender Absatz, Margendruck, aggressiv auftretende
  Online-Player – der Reifengroßhandel steht aktuell vor großen Heraus­
    forderungen. H­ ersteller dringen durch vertikale Integration in die
­Bastionen des Handels vor. Gleichzeitig nehmen die Preissensibilität und
            die Qualitätsansprüche der Kunden zu. So geraten
    die Reifengroßhändler von beiden Seiten immer mehr unter Druck.
Schlaglöcher: schwieriges Terrain für Reifengroß­händler

Der Absatz von Pkw-Reifen in Europa stagniert. Dies         Vertriebskanal etabliert. Es gibt zahlreiche Webshops, in
lässt sich vor allem in Deutschland beobachten, dem ne-     denen private Fahrzeughalter Reifen und Zubehör be-
ben Frankreich wichtigsten europäischen Reifenmarkt.        stellen können.
Zwischen 2007 und 2015 ist die Menge der verkauften
Pkw-Reifen um 8 Prozent geschrumpft, während im glei-       Charakteristisch für den Reifenersatzmarkt ist der hohe
chen Zeitraum der Fahrzeugbestand um 9 Prozent zu-          Grad der vertikalen Integration. Die Grenzen zwischen
nahm. Allein zwischen 2015 und 2016 sank der Absatz         den einzelnen Ebenen der Wertschöpfungskette ver-
um weitere 9 Prozent → A.                                   schwimmen. So gibt es Großhändler, die alle Vertriebs-
                                                            kanäle bespielen, teilweise unter verschiedenen Marken,
Trotz stagnierender Verkaufszahlen bleibt der Reifen-       und sowohl Geschäftskunden (Business to Business –
markt ein wichtiger Teil des Kfz-Aftermarkets. Es ist       B2B) als auch Endkunden (Business to Customer – B2C)
ein Geschäft mit Besonderheiten, was vor allem an den       ins Visier nehmen.
Produkteigenschaften liegt: Während sich die anderen
Kfz-Ersatz- und Verschleißteile durch eine extrem hohe      Auch viele Hersteller setzen auf die Strategie der vertika-
Vielfalt auszeichnen, sind Reifen ein vergleichsweise       len Integration und den Direktvertrieb. Letzterer spielt
homo­genes und damit weniger beratungsintensives            im Reifenhandel eine größere Rolle als in den anderen
Produkt. Deshalb sind die Struktur und die Beziehun-        Segmenten des Kfz-Aftermarkets. Die meisten Reifen-
gen zwischen den Akteuren im Reifenhandel ganz an-          produzenten haben über Tochterunternehmen einen
ders als im übrigen IAM. Dies zeigt sich beim Blick auf     direkten Zugang zum Endkunden etabliert. Dieser sta-
die entsprechenden Wertschöpfungsketten → B.                tionäre, herstellerabhängige Einzelhandel mit ange-
                                                            schlossener Werkstatt ist auf Reifenverkauf und Reifen-
                Akteure in der                              wechsel spezialisiert.
          Wertschöpfungskette setzen
           auf vertikale Integration                                      Online-Vertriebskanäle
                                                                        verändern das Marktgefüge
Auch im Reifenersatzmarkt ist der Großhandel das
Bindeglied zwischen Herstellern und Einzelhandel. In        Online-Vertriebskanäle haben vor allem im Geschäft mit
Deutschland gibt es rund 50 Reifengroßhändler; davon        dem Endkunden an Bedeutung gewonnen. Im Gegen-
halten die Top 7 einen Marktanteil von circa 75 Prozent.    satz zu anderen Verschleiß- und Ersatzteilen lassen sich
Im Geschäftskundensegment sind außerdem B2B-On-             Reifen leichter in Eigenregie montieren. So bestellen
line-Plattformen aktiv. Der stationäre Reifenfachhandel     viele Pkw-Besitzer ihre Reifen selbst und wechseln sie
verkauft Reifen und Reifenzubehör an private Endkun-        ohne fachmännische Unterstützung. Derzeit hält der
den. Häufig ist den Verkaufspunkten eine Werkstatt an-      Online-Vertrieb im europäischen Reifenhandel einen
geschlossen, die Service „rund ums Rad“ anbietet. Im        Marktanteil von etwas über 10 Prozent. Bis 2022 ist mit
Segment der „spezialisierten Einzelhändler“ finden sich     einer moderaten Zunahme auf bis zu 14 Prozent zu rech-
unterschiedliche Akteure: Eine Gruppe stellen die Toch-     nen. Die Prognosen unterscheiden sich allerdings wie
terunternehmen bzw. Franchisenehmer vertikal integ-         beim Online-Teilehandel stark von Land zu Land.
rierter Reifenhersteller. Eine andere bilden her­steller­
unab­hängige Händler. IAM-Werkstätten kümmern sich          Im Reifenhandel mit Geschäftskunden führte das Auf-
ebenfalls um Reifenwechsel etc. Im Endkundengeschäft        kommen von B2B-Online-Marktplätzen zu Marktverän-
hat sich darüber hinaus der Online-Handel als wichtiger     derungen, die jedoch weitgehend abgeschlossen sind. In

                                                                                                                      5
A
                                 Beim Reifenabsatz ist das Limit erreicht.
                           Entwicklungen Reifenmarkt in Deutschland in den letzten zehn Jahren
                                           Pkw-/Offroad-Reifen in Mio. Stück

                                                  54,9
                                                         52,9

                                           49,5
           48,6
                          47,8                                      47,7
                                                                           46,4
                                                                                  45,0     44,6

                                                                                                  40,6

           2007          2008          2009       2010   2011       2012   2013   2014     2015   2016

Quelle: BRV, Roland Berger, HSH Nordbank
Schlaglöcher: schwieriges Terrain für Reifengroß­händler

Deutschland hat sich Tyre24 als B2B-Plattform für den
Reifen-, Felgen- und Verschleißteilehandel etabliert. In
                                                           „Die Wertschöpfungskette
den europäischen Nachbarländern sind ebenfalls große
Akteure in dem Bereich entstanden, beispielsweise 07ZR.
                                                            im Reifenmarkt wird nicht
Die B2B-Plattform der Schweizer Propneu S.A. ging 2007
in Frankreich an den Markt. Heute ist 07ZR auch in Spa-
                                                            komplett gesprengt, aber
nien, Italien, Deutschland, Portugal und ­Polen aktiv.
                                                            das Machtgefüge ihrer
Es fällt auf, dass die Online-Affinität im Reifenmarkt
je nach Land ganz unterschiedlich ausgeprägt ist. In
                                                           ­Akteure hat sich erheblich
Deutschland stoßen die B2B-Online-Marktplätze, ins-
besondere Tyre24, auf viel mehr Zuspruch als etwa in
                                                           verändert und wird dies
Spanien oder Italien. Jedoch ist damit zu rechnen, dass
Länder mit Nachholbedarf im digitalen B2B-Geschäft
                                                           weiter tun.“
nachziehen werden.                                         Patrick Heinemann, Partner Roland Berger GmbH

      Konsolidierungswelle trifft vor allem
        kleinere regionale Großhändler

Es gibt eine Gemeinsamkeit zwischen dem Reifen­
ersatz­markt und dem übrigen Teilemarkt: die Konsoli-             Reifengroßhandel von allen Seiten
dierungswelle. Erfasste sie in den vergangenen Jahren                       unter Druck
zunächst den Teilegroßhandel, schwappt sie nun auch
über den Reifenmarkt. Weil Standortwahl und lokale         Durch die beschriebenen Marktverschiebungen geraten
Abdeckung zunehmend wichtige Erfolgsfaktoren dar-          die Großhändler unter Druck. Ihre Bruttomargen liegen
stellen, haben sich die großen Branchenakteure auf         bei circa 11 Prozent mit mittelfristig leicht abnehmen-
Expansionstour begeben. Vor allem regional agieren-        der Tendenz. Mit etwa 22 Prozent liegen die Bruttomar-
de Reifenhändler finden sich auf der Einkaufsliste der     gen im Einzelhandel etwa doppelt so hoch. Das macht
mächtigeren Spieler wieder. Diese Schwergewichte sind      deutlich, warum viele Akteure im Reifenersatzmarkt in
darauf aus, ihre lokale Abdeckung auszuweiten und          der vertikalen Integration eine attraktive Strategie sehen.
Flächenvorteile zu erzielen. Beispielsweise kaufte die
Dutch Pon Group 2012 der japanischen ITOCHU group
die Reifen Gundlach GmbH ab. Der in Baden-Württem-
berg ansässige Reifengroßhändler IHLE wurde 2014 von
Michelin übernommen, so wie ein Jahr später die Firma
Meyer Lissendorf. 2017 wurden beide Unternehmen zur
IHLE tires GmbH verschmolzen, Meyer Lissendorf wird
als Marke weitergeführt.

                                                                                                                    7
B
                           Wertschöpfungskette im Reifenersatzmarkt
                                      Schematische Darstellung (vereinfacht)

                                                              Online-Retail

                                      Großhändler
                                                              Spezialisierter
                                                               Einzelhandel
                                                              klein, Teil von
                                                             Kooperationen
                                                            groß, unabhängig
                                                            herstellerbezogen
              Hersteller                                                        Endkunden
                                         Marktplätze
                                           (B2B)
                                                                   IAM-
                                                               Werkstätten
                                                                 klein, frei
                                                                  Ketten
                                                                (z.B. A.T.U,
                                                                  Pitstop)

                                      OEM-Einkauf             OEM-Händler

Quelle: Roland Berger, HSH Nordbank
C
                                          Trends im Reifenmarkt
                                      Auswirkungen auf die Wertschöpfungskette

                                                             Neue Spieler

                                                                    Online-Retail

                                         Großhändler
                                                                   Spezialisierter
                                                                    Einzelhandel
                                                                   klein, Teil von
                                                                  Kooperationen
                                                                 groß, unabhängig
                                                                 herstellerbezogen
              Hersteller                                                                      Endkunden
                                            Marktplätze
                                              (B2B)
                                                                        IAM-
                                                                    Werkstätten
                                                                      klein, frei
                                                                       Ketten
                                                                     (z.B. A.T.U,
                                                                       Pitstop)

                                        OEM-Einkauf                OEM-Händler

      1         Hersteller: Tendenz zur vertikalen Integration   4     Neue Spieler: hohe Eintrittsbarrieren
      2         B2B-Online-Plattformen: starke Positionierung    5 Endkunden: veränderte Präferenzen
      3         Online-Retail: stabile Marktanteile              6 Technologie: Innovationen im Premiumsegment

Quelle: Roland Berger, HSH Nordbank
UMBAU:
                          2
NEUVERMESSUNG
     DER
 WETTBEWERBS­
  LANDSCHAFT
Die Wertschöpfungskette im Reifenmarkt wird nicht komplett gesprengt,
    aber das Machtgefüge ihrer Akteure hat sich erheblich verändert
 und wird dies weiter tun: Hersteller übernehmen auch im Handel eine
     starke Rolle und besetzen die Schnittstellen zu den Endkunden.
    Auch B2B-­Online-Plattformen und Webshops für Privatkunden
           ­beschleunigen den Strukturwandel in der Branche.
Umbau: Neuvermessung der Wett­bewerbslandschaft

 In den nächsten Jahren sind keine disruptiven Entwick-     zu forcieren. Dabei macht es das „Going direct“ mög-
 lungen zu erwarten, die das Potenzial hätten, die Grund-   lich, Preispunkte zu setzen und damit das Preisniveau zu
 struktur des europäischen Reifenmarkts zu zerstören.       beeinflussen. Auch bleibt den Herstellern ein größeres
 Die Wertschöpfungskette bleibt im Wesentlichen erhal-      Stück vom Margenkuchen, wenn sie den Großhandel als
 ten. Allerdings verschieben sich die Kräfteverhältnisse    zwischengeschaltete Vertriebsstufe überspringen.
 zwischen den einzelnen Branchenakteuren. Bereits
 jetzt sind sechs Trends zu beobachten, die schon in        Weitere Vorteile bringt der Direktvertrieb im Bereich
 den letzten Jahren existierten und in den kommenden        Marketing und Kundenbindung. Das Markenprofil wird
­Jahren die Spiel­regeln auf dem Reifenmarkt bestimmen      durch die direkte Interaktion in der Wahrnehmung der
 ­werden → C.                                               Endkunden geschärft. Außerdem kann der Hersteller
                                                            durch den unmittelbaren Kontakt das Verhalten und die
                                                            Bedürfnisse seiner Kunden besser verstehen und schnel-
                 1. Hersteller:                             ler reagieren.
       Tendenz zur vertikalen Integration
                                                            Im B2B-Segment setzen die Reifenhersteller bei der Po-
Jahrzehntelang haben sich die Hersteller weitestgehend      sitionierung im Markt auch auf kooperative Ansätze.
um ihr Kerngeschäft gekümmert, nämlich die Produk-          Gängige Praxis ist beispielsweise, Händler durch groß-
tion von Reifen. Erst Anfang der 1990er Jahre entdeck-      zügig bemessene Zahlungsfristen bei der Finanzierung
ten die OEMs die Strategie des „Going direct“. Seitdem      zu unterstützen.
hat der Trend zur vertikalen Integration in Europa
Fahrt aufgenommen, so zu sehen an der Entwicklung           Über die Stärkung des Online-Kanals versuchen einige
für Frankreich, einen der großen europäischen Reifen-        Hersteller auch, ihre Position im B2C-Segment auszu-
märkte → D. 1991 übernahm Bridgestone Métiofiot              bauen. So hat der indische Reifenproduzent Apollo
Pneu. Michelin brachte 1992 Euromaster an den Start.        ­Tyres im Zuge seiner Expansionsstrategie in Europa den
Heute ist die 100-prozentige Tochter des französischen       Fachdiscounter reifen.com übernommen mitsamt 37 Fi-
Reifenherstellers mit 2.300 Niederlassungen weltweit        lialen, die Serviceleistungen – und damit persönlichen
aktiv. Goodyear gründete 1996 Vulco und Bridgestone          Kundenkontakt – anbieten. Dieser Zukauf illustriert
platzierte 1998 seine Service- und Handelstochter First-     das Bestreben der Reifenhersteller, alle nachgeordne-
stop in Frankreich.                                          ten Glieder der Wertschöpfungskette in ihr Geschäfts­
                                                             modell zu integrieren.
Seit 2010 rollt nun Continental den französischen Rei-
fenmarkt auf. Den Auftakt machte die Übernahme von          AUSBLICK
Eurotyre und RIPA. 2011 erwarb Continental Anteile an       Der Trend der vertikalen Integration ist deutlich fortge-
der Reifen- und Servicevertriebsgruppe Alençon Pneus.       schrittener als im Teilegroßhandel. Mittelfristig ist nicht
2013 folgte die Übernahme der SACI-Gruppe; mit die-         davon auszugehen, dass Hersteller viele weitere Reifen-
ser Transaktion konnte der deutsche Reifenhersteller 56     händler übernehmen werden. Die meisten haben die
Profil+-Verkaufsstellen erwerben.                           wichtigsten Ziele des „Going direct“ schon erreicht und
                                                            direkte Beziehungen zu den Endkunden etabliert.
Der Trend zur vertikalen Integration speist sich aus ver-
schiedenen Quellen. Die Hersteller nutzen den direkten
Zugang zum Endkunden, um den Absatz ihrer Produkte

                                                                                                                    11
D
                                              Vertikale Integration
                             Entwicklung des französischen Reifenmarkts seit den 1970er Jahren

                                                                                                              2011
                                                                                                     2010     Continental
                                                                                         Continental kauft    übernimmt Anteile
                                                                                             Eurotyre und     an Alençon Pneus
                                                                                            RIPA (10 PoS)     (45 PoS)

                                                    1991                                         2009                 2013
                                            Bridgestone              1996             Vulco kauft HRP                 Continental
                                                    kauft            Goodyear            (11 Verkaufs-                kauft Saci
                                           Métifiot Pneu             gründet Vulco          stationen)                (56 PoS Profil+)

                                                                                 2003
                                                                            Gründung
   1971                                                                   von Eurotyre
   Schaffung
   von Point S

                                                            1992         1998                      2007
                                                            Michelin     Bridgestone               Gründung
                                                            gründet      bringt Firststop          von Profil +
                                                            Euromaster   in Frankreich
                                                                         an den Markt

                                                                                                2006
                                                                                                Métifiot Pneu
                                                                                                (Bridgestone) tritt
                                                                                                dem Firststop-
                                                                                                Netzwerk bei

                                                                                            2004
                                                                                            Zusammenfassung
                                                                                            von Eurotyre und
                                                                                            Siligom unter der
                                                                                            Eurogom-Marke

Quelle: Roland Berger, HSH Nordbank
Umbau: Neuvermessung der Wett­bewerbslandschaft

           2. B2B-Online-Plattformen:
               starke Positionierung
                                                         „Reifengroßhändler haben
Etwa 90 Prozent der Umsätze im Reifengroßhandel wer-
                                                          sich auf die durch die
den in Europa über Online-Plattformen erwirtschaftet.
Neben Tyre24 gehören gettygo.de und reifenboerse.de
                                                         Online-Platt­formen her­
zu den wichtigsten Namen in diesem Segment.
                                                         gestellte Preistransparenz
Tyre24.com zählt zu den bekanntesten B2B-Online-Platt-
formen. 2002 von Michael Saitow gegründet, war dieses
                                                          eingestellt. Die Differen­
                                                         zierung wird durch Waren­
Portal anfangs in erster Linie eine Art Online-Preisliste.
Diese kam in der Branche bestens an, brachte sie doch
Transparenz in die mitunter schwer durchschaubare
Preispolitik des Reifengroßhandels mit seiner tenden-
                                                         verfügbarkeit und Liefer­
ziell ineffizienten Vertriebsstruktur. Tyre24 durchlief
eine starke Wachstumsphase. Heute hat die Plattform
                                                         geschwindigkeit ­erreicht.“
nach eigenen Angaben einen Marktanteil im B2B-Rei- Johannes Kuderer, Geschäftsführer Pneuhage
fengeschäft von 50 Prozent in Deutschland. Die Kund-
schaft aus dem Reifenfachhandel und den Kfz-Betrieben
kann bei knapp 2.000 gelisteten Lieferanten aus über
6,5 Millionen Teilen auswählen – aus den Bereichen
Reifen, Räder und Werkstattzubehör. Tyre24 ist auch in
Frankreich, den Benelux-Staaten, Polen, Italien, Öster-    AUSBLICK
reich und Spanien aktiv. Die B2B-Plattform ist Teil des    Es ist nicht zu erwarten, dass das Auftauchen neuer
E-Commerce-Unternehmens Saitow AG, das sich zu ei-         B2B-Online-Plattformen zu einem weiteren Anpas-
nem global aktiven Anbieter von Cloud-Business-Soft-       sungsdruck im Markt führen wird. Wie auch die ande-
ware entwickelt hat.                                       ren Akteure der Wertschöpfungskette haben sich die
                                                           Reifengroßhändler auf die Geschäftspraktiken der On-
Der Siegeszug des Online-Handels im B2B-Segment            line-Plattformen eingestellt und das Internet als wichti-
veränderte die Wettbewerbslandschaft stark. Die tra-       gen Vertriebskanal akzeptiert.
ditionellen Kunden der Reifengroßhändler wanderten
zu Online-Plattformen ab bzw. verlangten von ihren
bisherigen Lieferanten den jeweils günstigsten im Netz
auffindbaren Preis. Dies führte zu einer Marktkonsoli-
dierung. Einige Großhändler gaben auf, andere wurden
aus der Insolvenz heraus übernommen. Dazu gehört
beispielsweise IHLE, jetzt ein Teil von Michelin.

                                                                                                                 13
3. Online-Retail:                                          4. Neue Spieler:
               stabile Marktanteile                                       hohe Eintrittshürden

Der Online-Handel mit Reifen wird in Deutschland von       Die Gefahr, dass branchenfremde Neueinsteiger den
reifen.com und der Delticom AG dominiert. Delticom         Reifenhandel aufmischen, ist eher gering. Im Großhan-
betreibt in 45 Ländern 245 Online-Shops mit einem          del würden sich Angreifer schwertun: Die etablierten
Reifen­sortiment für Privat- und Geschäftskunden. Zu       Spieler haben einen umfassenden Erfahrungsschatz ge-
den weiteren bekannten Shops in Deutschland zäh-           sammelt und, teilweise in jahrzehntelanger Zusammen-
len reifendirekt.de und tirendo.de. Im Vergleich zum       arbeit, exzellente Beziehungen zu den Reifenherstellern
B2B-Segment ist der Anteil des Online-Handels im           aufgebaut. Diese intensive Kooperation zahlt sich aus,
Privat­kundengeschäft geringer. Die Bestellungen der       und zwar in Form von Provisionsrückvergütungen (Kick-
Endkunden in einschlägigen B2C-Webshops machen             backs), Reduzierung der Lagerkosten, Vereinfachungen
etwa 12 bis 15 Prozent des gesamten Retail-Reifen­         der Lagerhaltung, Integration in die Logistikprozesse
umsatzes aus. Rund 70 Prozent der Fahrzeugbesitzer,        der Hersteller sowie Unterstützung bei Investitionen.
die ihre Reifen im Online-Shop bestellen, nehmen die       Für Außenstehende wäre es extrem schwierig, den durch
Montage selbst in die Hand.                                dieses Beziehungsgeflecht und Know-how erworbenen
                                                           Vorsprung wettzumachen.
Die reinen Online-Einzelhändler stehen vor dem Logis-
tikproblem, dass die im Webshop georderten Reifen erst     Auch im Reifeneinzelhandel geht von neuen Spielern
noch den Weg zum Fahrzeughalter finden müssen. Rei-        kaum ein Risiko für die etablierten Akteure aus. Diese
fen sind schwer und sperrig. So sind Online-Anbieter auf   verfügen in der Regel über jahrelang gewachsene Bezie-
Abholpunkte angewiesen, die idealerweise auch gleich       hungen zu Flottenbetreibern und anderen Großkunden
die Montage der bestellten Räder anbieten. Deshalb         sowie ein dichtes, lokales Netzwerk. Versuche, mit den
versuchen die Online-Spieler, Kooperationen mit Part-      „alteingesessenen“ Anbietern gleichzuziehen, wären für
nerwerkstätten einzugehen. Allerdings läuft diese Suche    Neueinsteiger mit erheblichem Aufwand verbunden.
bislang eher schleppend. Zwar können die Werkstätten       Im B2C-Online-Handel ist es durchaus möglich, dass
durch eine Kooperation ihre Auslastung verbessern. Da-     neue Spieler aktiv werden wollen. Allerdings stünden
für müssen sie allerdings in Kauf nehmen, dass sie die     diese vor der Herausforderung, schnell eine kritische
Preise für ihre Serviceleistung diktiert bekommen und
die Margen geringer ausfallen.

AUSBLICK
Das Do-it-Yourself-Segment im Online-Einzelhandel
stößt an seine Grenzen. Es ist unwahrscheinlich, dass
                                                           „Das Do-it-Yourself-­
sich hier zusätzliches Wachstum für Online-Einzelhänd-
ler erzielen lässt. Der Anteil der Online-Umsätze im
                                                            Segment im Online-
Reifen­einzelhandel wird stabil bleiben.
                                                           Einzel­handel stößt an
                                                            ­seine Grenzen.“
                                                           Stephan Helm, Geschäftsführer Reifen Helm GmbH

14
Umbau: Neuvermessung der Wett­bewerbslandschaft

Umsatzgröße zu erreichen, um ihr Geschäft skalieren zu       Reifenhandel und die angeschlossenen Servicewerk-
können. Gleichzeitig wären die Profilierung der Marke        stätten ist dieser Trend zwiespältig. Allwetterreifen sind
sowie der Aufbau eines Partnernetzwerks erforderlich.        zwar teurer und versprechen höhere Umsätze und Mar-
                                                             gen. Andererseits bedeutet der Wegfall des saisonalen
Im Blick behalten sollten die Reifenhändler jedoch die       Reifenwechsels, dass sich der Kontakt zum Kunden ver-
Aktivitäten der Autohersteller. Sie entdecken die Reifen     ringert und die Nachfrage nach Service­leistungen sinkt.
zunehmend als Mittel zur Kundenbindung, wobei der
etablierte Reifenhandel außen vor bleibt.                    Neue Vorlieben haben die Fahrzeughalter nicht nur bei
                                                             der Modellwahl ihrer Reifen entwickelt, sondern auch
AUSBLICK                                                     bei den Felgen. Alu statt Stahl – so lässt sich der Zeit-
Das Reifengeschäft ist ein stabiler Markt mit relativ ho-    geist zusammenfassen. Waren Alufelgen lange Zeit nur
hen Einstiegshürden. Deshalb ist die Gefahr, dass neue       bei Autos der Premiumklasse zu sehen, entscheiden sich
Spieler den etablierten Akteuren das Wasser abgraben,        heute auch immer mehr andere Kunden für Felgen aus
recht gering. Allerdings ist Vorsicht geboten: Die Kräfte­   diesem Leichtmetall.
verhältnisse zwischen den einzelnen Spielern können
sich verschieben. Alle Akteure sollten den Markt genau       AUSBLICK
beobachten. Dies gilt insbesondere für die Aktivitäten       Der Trend zum Ganzjahresreifen wird sich mittel- und
des Autohandels, der verstärkt ins Reifengeschäft drängt.    langfristig in den meisten Teilen Europas fortsetzen.
                                                             Nach Ansicht von Klimaexperten sind selbst in den deut-
                                                             schen Mittelgebirgen in den nächsten 40 Jahren keine
                  5. Endkunden:                              schneereichen Winter mehr zu erwarten.
              veränderte Präferenzen

Die Präferenzen auf der Nachfrageseite verschieben sich.                     6. Technologie:
Ein Grund dafür ist das Wetter: Die Winter in Mittel- und           Innovationen im Premiumsegment
Osteuropa fielen in den vergangenen Jahren mild aus.
In vielen Regionen Deutschlands etwa machen sich             Etablierte europäische und US-amerikanische Her-
Schnee und Eis rar. Mit den Temperaturen steigt auch         steller wie Michelin, Pirelli, Goodyear und Conti-
die Beliebtheit von Ganzjahresreifen. Ihr Stückabsatz ist    nental sehen erhebliches Margenpotenzial durch
2017 gegenüber dem Vorjahr um 17 Prozent gestiegen;          technologie­getriebene Produkte wie „High Value Added“
ihr Marktanteil lag bei 16 Prozent → E. Solche Allwetter-    (HVA)-Reifen und „Connected“-Reifen.
reifen können sowohl im Winter als auch im Sommer
gefahren werden, wenn die Temperaturschwankungen             Als „High Value Added“ gelten Premiumreifen mit be-
zwischen den Jahreszeiten nicht extrem ausfallen. Der        sonderen Qualitäten. Dazu zählen auch sogenannte
Fahrzeughalter erspart sich das Ritual des Reifenwech-       Runflat-Reifen mit Notlaufeigenschaft. Diese ermög-
sels und den zweiten Reifensatz.                             licht nach einem Reifenschaden eine Weiterfahrt mit
                                                             reduzierter Geschwindigkeit.
Die wachsende Attraktivität des Ganzjahresreifens            Schon seit 2014 sind per EU-Verordnung für alle neu
drückt vor allem die Verkaufszahlen der Sommerreifen.        zugelassenen Pkw, Geländewagen und Wohnmobile der
Deren Absatz ist von 2016 auf 2017 zum Beispiel in           Klassen M1/M1G Reifendruck-Kontrollsysteme vorge-
Deutschland um 2 Prozent zurückgegangen. Für den             schrieben. Die Entwicklung von smarten Reifen spielt

                                                                                                                    15
E
                     Marktanteile Reifenbauarten in Deutschland 2017
                                           Ganzjahresreifen mit steigendem Anteil

                                                                  Ganzjahr

                                                                  16%

                         Winter
                         50%

                                                                                    Sommer
                                                                                    34%

Quelle: BRV, Roland Berger, HSH Nordbank
Umbau: Neuvermessung der Wett­bewerbslandschaft

jedoch in einer völlig anderen Liga als diese Technolo-
gie. Reifenhersteller wie Bridgestone, Michelin, Good­
                                                          „Es zeichnet sich ab,
year, Pirelli und Continental testen Reifen mit Senso-
ren, die Daten in Echtzeit erfassen und auswerten und
                                                             dass die europäischen
das Fahrzeug zu einem Akteur im Internet der Dinge
macht. Das Modell „Connesso“ von Pirelli ermittelt mit-
                                                          ­Her­steller auf die ­Karte
hilfe eines Sensors in der Reifenflanke Kenngrößen wie
Laufleistung, Fülldruck und Abrieb. Über eine Steuer-
                                                          Technologie- und
einheit werden diese Daten an die Pirelli-Cloud über-
mittelt und von dort an eine App auf das Smartphone
                                                            Qualitäts­führerschaft
des Fahrers. Continental feilt an zwei neuen Systemen:
„ContiSense“ erkennt mithilfe von leitenden Schichten
                                                            ­setzen und sich vor ­allem
im Gummi, ob ein Reifen beschädigt oder das Profil zu
weit abgefahren ist. „ContiAdapt“ soll mit einem einge-
                                                            im Premium­segment
bauten Kompressor den Luftdruck an den Untergrund
anpassen und damit den jeweils optimalen Grip oder
                                                           ­profilieren werden.“
Rollwiderstand erreichen.                                 Jens Thiele, Leiter Handelskunden, HSH Nordbank

AUSBLICK
Es zeichnet sich ab, dass die europäischen Hersteller
auf die Karte Technologie- und Qualitätsführerschaft
setzen und sich vor allem im Premiumsegment profilie-
ren werden. Das untere Preissegment wird überwiegend
von ­asiatischen Reifenproduzenten bedient, die einen
großen Teil der globalen Nachfrage nach Standardreifen
abdecken werden. In der Folge wird sich die Logistik-
kette für den europäischen Reifengroßhandel verändern.

                                                                                                            17
ROUTENPLANUNG:
                           3
       ERFOLG-
  REICH RICHTUNG
     ­N EULAND
  Der Strukturwandel der Branche bringt Reifengroßhändler häufig in eine
     ­unkomfortable Sandwichposition zwischen Hersteller und Kunden.
Unsere Handlungsempfehlungen zeigen Wege auf, wie Reifengroßhändler aus
 dieser Lage heraus neue Gestaltungsspielräume (zurück-)gewinnen können.
Routenplanung: erfolgreich Richtung N
                                                                                                               ­ euland

                          1                                                            2
        Cross-Channel-­                                          In Beziehungspflege
        Vertrieb stärken                                              investieren
 Wie im traditionellen Teilegroßhandel ist auch im            Reifengroßhändler tun gut daran, ihre Beziehungen zu
 Reifen­großhandel die Online-Affinität einzelner Kun-        den Reifenherstellern zu pflegen und auszubauen. Da-
 dengruppen unterschiedlich ausgeprägt. Um das                bei können die Distributoren auf ihre Expertise bauen:
 gesamte Kundenspektrum zu erreichen, sollten An-             Dank ihres Logistiknetzwerks, ihrer Kontakte zu den
 bieter verschiedene Vertriebskanäle bedienen. Der            Einzelhändlern und der Lagerhaltung schaffen sie in­
­Omni-Channel-Ansatz sollte gestärkt werden, damit die        direkt einen erheblichen Mehrwert für den Hersteller.
Abnehmer sowohl im B2B- als auch im B2C-Segment die           Bereits vertikalisierte Reifengroßhändler sollten ihr
 jeweils präferierte Methode (online, mobil, Callcenter)      Augen­merk verstärkt darauf richten, die Bindung zu
 wählen können, um ihre Reifen zu bestellen.                  den Endkunden zu festigen und sich intensiv mit den
 Bei der Umsetzung einer Omni-Channel-Strategie emp-          Bedürfnissen dieser Zielgruppe zu befassen.
 fiehlt es sich, die einzelnen Vertriebskanäle hinsichtlich
 Prozesseffizienz und Absatzvolumen kontinuierlich zu
 evaluieren. Nur auf dieser Basis lassen sich die margen-
 stärksten Vertriebskanäle identifizieren und die entspre-
 chende Feinjustierung im Channel-Mix vornehmen.
 Reifengroßhändler, die bereits den Schritt in die verti-
 kale Integration gegangen sind, sollten eine Stärkung
 des Retail-Kanals anstreben. Durch den direkten Kon-
 takt mit den Endkunden sind bessere Margen zu erzie-
 len. Außerdem bietet sich die Gelegenheit für Cross-­
 Selling-Aktivitäten. Ist der Kunde mit seinem Fahrzeug
 während des Aufladens vor Ort oder in der Werkstatt,
 ist das ein guter Startpunkt für verkaufsfördernde
 Beratungs­gespräche.

                                                                                                                    19
3                                                        4
               Qualität                                          Innovationsradar
              hochhalten                                           ­beobachten
Zum kritischen Erfolgsfaktor für den Reifengroßhandel     Reifengroßhändler müssen wissen, welche Technolo-
entwickelt sich mehr und mehr die Servicequalität. Ein-   gietrends ihre Branche mittel- und langfristig prägen
zelhändler, Werkstätten und Endkunden schrauben die       werden. Der Großhandel sollte sich intensiv damit be-
Anforderungen an Auswahl sowie Schnelligkeit und Zu-      schäftigen, wie „High Value Added“-Reifen und smarte
verlässigkeit von Lieferungen immer weiter nach oben.     Reifentechnologie auf dem Markt ankommen. Auch die
Um auch in der Fläche eine hohe Servicequalität zu        Veränderung der Kundenwünsche, etwa die steigende
gewährleisten, ist die Stärkung der lokalen Abdeckung     Nachfrage nach Ganzjahresreifen, sollten Großhändler
immens wichtig. Kooperationen können hierbei helfen.      genau registrieren und ihr Produktportfolio entspre-
Qualitätsansprüche sollten nicht nur im Service, son-     chend anpassen. Ebenso sollten sie den Trend weg von
dern auch bei den Produkten hochgehalten werden. Es       Stahl- und hin zu Alufelgen berücksichtigen.
kann fatale Folgen haben, wenn sich Reifengroßhändler
zu Erfüllungsgehilfen von Niedrigpreisanbietern ma-
chen, die den Markt mit teilweise Billigware aus chine-
sischer Produktion fluten wollen. Qualitätsmängel der
Produkte fallen auf den Händler zurück und beschädi-
gen das Image.

20
Routenplanung: erfolgreich Richtung N
                                                                                                          ­ euland

                        5                                                         6
    Durch Übernahmen                                                    Allianzen
        wachsen                                                        schmieden
Die Spieler im Reifengroßhandel sollten prüfen, ob sie   Die starke Rolle von B2B-Online-Plattformen setzt die
ihre Marktposition durch Unternehmenszukäufe ver-        Margen des Reifengroßhandels unter Druck: Zum einen
bessern können. Infrage kommen Übernahmen anderer        werden für die Listung auf den Portalen monat­liche
Großhändler auf derselben Stufe der Wertschöpfungs-      Mitgliedsbeiträge fällig oder eine Beteiligung an den
kette oder von Einzelhändlern. Die Zukäufe tragen dazu   Umsätzen ( je nach Plattformtyp) verlangt; zum anderen
bei, die Abdeckung sowie den Einfluss im Markt zu er-    verringert die Transparenz von Preisen und Konditionen
höhen und Größenvorteile zu erreichen.                   die eigenen Preisgestaltungsoptionen. Insbesondere
Im Nachgang einer Übernahme spielt die Optimierung       etablierte Akteure wie Tyre24 können aufgrund ihrer do-
von Prozessen eine Schlüsselrolle. Strukturen und Ab-    minanten Marktposition die Verhandlungsspiel­räume
läufe innerhalb der neuen Organisation müssen ange-      für Lieferanten einengen. Andererseits ist gerade diese
glichen werden.                                          B2B-Online-Plattform für Großhändler auch ein wich-
Das Gebot der Prozessoptimierung gilt auch für die Be-   tiger Vertriebskanal. Dieses Dilemma lässt sich schwer
ziehungen zwischen Groß- und Einzelhandel.               auflösen. Allerdings können Großhändler die eigene
                                                         Marktmacht durch Kooperationen mit drei bis vier an-
                                                         deren, ebenbürtigen Partnern bündeln. Diese Allianz
                                                         sollte dazu genutzt werden, die Verhandlungs­position
                                                         gegenüber bestehenden B2B-Online-Plattformen zu
                                                         stärken und bessere Konditionen auszuhandeln. Eine
                                                         andere Möglichkeit wäre, im Dreier- oder Viererbund
                                                         eine eigene unabhängige B2B-Plattform aufzubauen.
                                                         Für diejenigen Akteure, welche die vertikale Integrati-
                                                         on bereits vollzogen haben, käme auch der Aufbau einer
                                                         B2C-Plattform infrage. So hätten sie den direkten Draht
                                                         zum Endkunden – und wären damit unabhängiger von
                                                         den Online-Shops anderer Betreiber.

                                                                                                               21
Impressum

IHRE FRAGEN BEANTWORTEN
DIE AUTOREN GERNE …

ROLAND BERGER                                                                         HSH NORDBANK

ALEXANDER BRENNER                                                                     JULIAN-KAYA BAGBASI, MBA
Partner                                                                               Vice President
+49 160 744-4318                                                                      +49 211 82858 340
alexander.brenner@rolandberger.com                                                    julian-kaya.bagbasi@hsh-nordbank.com

PATRICK HEINEMANN                                                                     JENS THIELE
Partner                                                                               Leiter Handelskunden
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