Daten und Fakten Unternehmensnachfolgen in Deutschland 2022 bis 2026 - von Markus Fels, Olga Suprinovič, Nadine Schlömer-Laufen und Rosemarie Kay

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Daten und Fakten

Unternehmensnachfolgen in Deutschland 2022 bis 2026

von Markus Fels, Olga Suprinovič, Nadine Schlömer-Laufen und Rosemarie Kay

Daten und Fakten Nr. 27
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Olga Suprinovič
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Nadine Schlömer-Laufen
Rosemarie Kay

Daten und Fakten Nr. 27
ISSN 2193-1895 (Internet)
ISSN 2193-1887 (Print)

Bonn, Dezember 2021
Unternehmensnachfolgen in Deutschland 2022 bis 2026

Business successions in Germany 2022 to 2026

Markus Fels, Olga Suprinovič, Nadine Schlömer-Laufen und Rosemarie Kay
Daten und Fakten Nr. 27

Zusammenfassung

Wegen fehlender amtlicher Statistiken schätzt das IfM Bonn seit Mitte der 1990er Jahre die
Anzahl der Unternehmen in Deutschland, die vor der Übergabe stehen. Die vorliegende Schät-
zung kommt zum Ergebnis, dass im Zeitraum 2022 bis 2026 etwa 190.000 Unternehmen zur
Übergabe anstehen. Die höchste Anzahl an Übergaben findet sich in der Branche der Unter-
nehmensbezogenen Dienstleistungen sowie unter den Unternehmen der Größenklasse
500.000 bis 1 Mio. Euro Jahresumsatz. Überdurchschnittlich viele Übergaben (gemessen am
Unternehmensbestand) werden für Bremen und Niedersachsen vorausberechnet. Von der
Corona-Pandemie erwarten wir nach derzeitigem Stand keine starken Auswirkungen auf die
Zahl der Unternehmensnachfolgen. Von besonderer Bedeutung für das Nachfolgegeschehen
ist hingegen der demografische Wandel.

Schlagwörter: Unternehmensübertragungen, Familienunternehmen, Deutschland

Abstract

Due to missing data from official statistics, IfM Bonn has been estimating (since the mid-1990s)
the number of enterprises that are about to be transferred to new owners. The present estima-
tion concludes that from 2022 to 2026, about 190,000 companies are due to be handed over.
The highest number of handovers is forecast for the business-related services sector and com-
panies in the size category 500,000 to 1 million euros in annual sales. An above-average num-
ber of handovers (measured relative to the total number of businesses) is forecast for compa-
nies in Bremen and Lower Saxony. We do not expect the Covid-19 pandemic to have a signif-
icant effect on the number of transfers according to the current state. In contrast, demographic
changes have a more pronounced effect on the overall number of business transfers.

JEL: L19, M19, M29

Keywords: Business transfers, family businesses, Germany
I

Inhalt

Verzeichnis der Abbildungen II

Kurzfassung III

1 Einleitung 1

2 Das Schätzverfahren des IfM Bonn 2

 2.1 Grundgedanken und Begrifflichkeiten 2

 2.2 Vorgehensweise und Operationalisierungen 2

 2.2.1 Bestimmung der Anzahl der übernahmewürdigen
 Unternehmen 3

 2.2.2 Bestimmung der Anzahl der übergabereifen
 Unternehmen 6

3 Ergebnisse der Schätzungen 9

 3.1 Anzahl der zur Übergabe anstehenden Unternehmen in
 Deutschland 9

 3.2 Anzahl der zur Übergabe anstehenden Unternehmen in
 den Bundesländern 13

4 Auswirkungen der Corona Pandemie – eine Annäherung 16

5 Fazit 19

Literatur 21
II

Verzeichnis der Abbildungen

Abbildung 1: Anzahl der zur Übergabe anstehenden Unter-
 nehmen in Deutschland im Zeitraum 2022 bis 2026 9

Abbildung 2: Zur Übergabe anstehende Unternehmen in
 Deutschland 2022 bis 2026 nach Wirtschafts-
 zweigen 10

Abbildung 3: Wirtschaftsstruktur der zur Übergabe anstehenden
 Unternehmen in Deutschland 2022 bis 2026 im
 Vergleich zur Gesamtwirtschaft 11

Abbildung 4: Zur Übergabe anstehende Unternehmen in
 Deutschland 2022 bis 2026 nach Umsatzgrößen-
 klassen (in €) 12

Abbildung 5: Umsatzgrößenklassenstruktur (in €) der zur Über-
 gabe anstehenden Unternehmen in Deutschland
 2022 bis 2026 im Vergleich zur Gesamtwirtschaft 13

Abbildung 6: Zur Übergabe anstehende Unternehmen nach Bun-
 desländern 2022 bis 2026 14

Abbildung 7: Zur Übergabe anstehende Unternehmen nach Bun-
 desländern 2022 bis 2026 (je 1.000 Unternehmen) 15
III

Kurzfassung

Es gibt keine amtliche Statistik, die verlässlich Auskunft über das Nachfolge-
geschehen gibt. Aus diesem Grund ermittelt das IfM Bonn seit Mitte der 1990er
Jahre die Anzahl der Unternehmensnachfolgen mittels eines speziell hierfür ent-
wickelten Schätzverfahrens, das mit leichten Modifikationen auch für die aktu-
elle Schätzung zum Einsatz kommt.

Anzahl der anstehenden Unternehmensnachfolgen steigt weiter

Gemäß unserer aktuellen Schätzung stehen in Deutschland in den Jahren 2022
bis 2026 rund 190.000 Unternehmen zur Übergabe an, weil ihre Eigentümerin-
nen und Eigentümer aus persönlichen Gründen aus der Geschäftsführung aus-
scheiden. Das sind 38.000 Übergaben pro Jahr. Der seit Jahren zu beobach-
tende demografiebedingte Aufwärtstrend verstärkt sich damit weiter.

Starke Branchen- und Länderunterschiede

Fast die Hälfte aller Übergaben werden im Bereich der Unternehmensbezoge-
nen Dienstleistungen, ein weiteres Viertel im Produzierenden Gewerbe erfol-
gen. Unternehmen im Bereich der Personenbezogenen Dienstleistungen sind
bei den Nachfolgen im Vergleich zu ihrem Anteil an allen Unternehmen unterre-
präsentiert. Auch zwischen den Bundesländern bestehen deutliche Unter-
schiede: In Bremen stehen mit ca. 59 Übergaben je 1.000 Unternehmen die
meisten Übergaben an, in Berlin mit etwa 44 Übergaben je 1.000 Unternehmen
die wenigsten. Ursächlich hierfür sind Branchen- und Größenunterschiede im
Unternehmensbestand der beiden Bundesländer.

Geringe Auswirkungen der Corona-Pandemie zu erwarten

Die Corona-Pandemie hat sich auf viele Unternehmen in Deutschland stark aus-
gewirkt und tut dies teilweise noch immer. Trotzdem erwarten wir zum jetzigen
Zeitpunkt keinen großen Einfluss der Pandemie auf die mittelfristige Entwick-
lung des Übergabegeschehens. Bedeutsamer für das Nachfolgegeschehen ist
vielmehr die demografische Entwicklung.
1

1 Einleitung

Für die Wirtschaftspolitik ist es wichtig zu wissen, wie viele Familienunterneh-
men in Deutschland in naher Zukunft vor der Übergabe stehen. Die Zahl der
künftig anstehenden Übergaben kann jedoch nur näherungsweise bestimmt
werden, weil es keine amtliche Datenquelle gibt, die darüber zuverlässig Aus-
kunft erteilt. Zwar ist es grundsätzlich möglich, die Anzahl der anstehenden
Übergaben aus repräsentativen Befragungen zu geplanten Unternehmensüber-
tragungen zu gewinnen. Solche Befragungen sind jedoch selten. Zudem haben
sie den Nachteil, dass auch Unternehmen Angaben zur bevorstehenden Über-
gabe machen, denen die Realisierung ihrer Übergabepläne letztlich nicht gelingt
(vgl. Pahnke et al. 2021). Folglich überschätzen diese Befragungsdaten häufig
das zukünftige Nachfolgegeschehen (vgl. auch Kay et al. 2018, S. 16 ff.).

Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn schätzt daher seit Mitte der 1990er
Jahre in regelmäßigen Abständen die Anzahl der anstehenden Unternehmens-
übertragungen in Deutschland (vgl. Kay et al. 2018, Kay/Suprinovič 2013, Hau-
ser et al. 2010, Freund 2004, IfM Bonn 2001, Freund 2000, Schröer/Freund
1999, Freund et al. 1995). Seit 2010 beruht das angewendete Schätzverfahren
nahezu vollständig auf amtlichen und halbamtlichen Datenquellen. Es wird suk-
zessiv weiterentwickelt – so auch im Rahmen der aktuellen Schätzung.

Eine besondere Herausforderung stellt in der aktuellen Schätzung die Bewer-
tung der möglichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Übergabege-
schehen dar. Sie brach im Jahr 2020 aus und führte zum stärksten Wirtschafts-
einbruch in Deutschland seit der Finanzkrise im Jahr 2009. Da die von uns ge-
nutzten Datenquellen nur den Stand bis 2019 abbilden, fließen die Auswirkun-
gen der Pandemie nicht in unsere Berechnungen ein. Wir diskutieren ihre Aus-
wirkungen auf das Nachfolgegeschehen daher qualitativ.
2

2 Das Schätzverfahren des IfM Bonn

2.1 Grundgedanken und Begrifflichkeiten

Mit Hilfe des Schätzverfahrens soll die Zahl der Familienunternehmen bestimmt
werden, die in den kommenden fünf Jahre ihre Nachfolge regeln werden. Eine
Regelung der Unternehmensnachfolge wird immer dann notwendig, wenn Un-
ternehmerinnen und Unternehmer in den Ruhestand treten oder sich aus ande-
ren persönlichen Gründen (z. B. Krankheit) zurückziehen möchten und zugleich
die Fortführung des Unternehmens anstreben (vgl. z. B. Schlömer/Kay 2008).
Damit ein Unternehmen fortgeführt werden kann, bedarf es einer Nachfolgerin
oder eines Nachfolgers, die bzw. der nicht nur fähig ist, die Geschäftsführung
für das Unternehmen zu übernehmen, sondern zugleich auch bereit ist, das Ei-
gentum am Unternehmen und damit auch dauerhaft das damit verbundene fi-
nanzielle Risiko zu tragen. Ökonomisch rational agierende Nachfolgende wer-
den sich nur dann für die Übernahme eines Unternehmens entscheiden, wenn
sie sich daraus über einen bestimmten Zeitraum hinweg einen höheren Gewinn
versprechen als aus beruflichen Alternativen, wie beispielsweise eine Festan-
stellung (vgl. Hauser et al. 2010, S. 6 ff.). Den nachfolgenden Berechnungen
liegt somit ein bestimmtes Verständnis von zentralen Begriffen zu Grunde, die
an dieser Stelle kurz aufgeführt werden:

• Unter Übernahme eines Unternehmens wird verstanden, dass das Eigentum
 an einer wirtschaftlichen Einheit übernommen wird, ohne dass die wirtschaft-
 liche Einheit dabei wesentlich verändert wird.
• Eine Unternehmensnachfolge findet statt, wenn ein geschäftsführender In-
 haber oder eine geschäftsführende Inhaberin die Leitung des Unternehmens
 aus persönlichen Gründen abgibt.
• Ein Unternehmen ist übergabereif, wenn dessen geschäftsführender Inhaber
 oder deren geschäftsführende Inhaberin sich innerhalb der nächsten fünf
 Jahre aus persönlichen Gründen aus der Geschäftsführung zurückziehen
 wird.
• Als übernahmewürdig gilt ein Unternehmen, wenn die zu erwartenden Ge-
 winne mindestens so hoch sind wie Einkünfte aus einer abhängigen Beschäf-
 tigung plus Erträge aus einer alternativen Kapitalanlage.

2.2 Vorgehensweise und Operationalisierungen

Das Schätzverfahren besteht aus zwei Schritten (vgl. Hauser et al. 2010,
S. 12 ff.). Im ersten wird die Anzahl der übernahmewürdigen Unternehmen
3

berechnet. Dazu wird ein Mindestertragswert ermittelt, ab dem die Übernahme
eines Unternehmens aus Sicht eines Nachfolgenden ökonomisch sinnvoll ist.
Dann wird die Zahl an mittelständischen Unternehmen geschätzt, deren Er-
tragswert diesen Mindestwert mindestens erreicht (sogenannte übernahmewür-
dige Unternehmen). Im zweiten Schritt wird die Anzahl an übernahmewürdigen
Unternehmen ermittelt, deren geschäftsführende Inhaberin oder geschäftsfüh-
render Inhaber sich voraussichtlich innerhalb der nächsten fünf Jahre aus per-
sönlichen Gründen zurückziehen wird (sogenannte übergabereife Unterneh-
men).

Für die aktuelle Schätzung wurde das ursprünglich von Hauser et al. (2010)
entwickelte und von Kay et al. (2018) leicht modifizierte Schätzverfahren noch-
mals verfeinert. Die Änderungen werden an den entsprechenden Stellen erläu-
tert.

2.2.1 Bestimmung der Anzahl der übernahmewürdigen Unternehmen

Den Mindestertragswert, den ein zur Übernahme stehendes Unternehmen auf-
weisen muss, orientiert sich gemäß dem obigen Verständnis von Übernahme-
würdigkeit an den Opportunitätskosten eines Nachfolgers oder einer Nachfolge-
rin. Der Ertragswert eines Unternehmens muss demnach mindestens dem dis-
kontierten Zahlungsstrom entsprechen, den eine potenzielle Nachfolgerin bzw.
ein potenzieller Nachfolger aus der Alternative "abhängige Beschäftigung plus
Kapitalanlage" zu erwarten hätte. Da eine unternehmerische Tätigkeit stets mit
Risiken behaftet ist, muss zudem ein Risikozuschlag einkalkuliert werden. 1 Als
übernahmewürdig sind somit solche Unternehmen anzusehen, die mindestens
einen kalkulatorischen Unternehmerlohn einschließlich Eigenkapitalzinsen und
Risikozuschlag erwirtschaftet haben, für die also gilt:

(1) ≥ �� + 
 ����� + ���
 ∗ + 
 ℎ − −
 ℎ 
Mit G = Gewinn
 LAN = Arbeitnehmerentgelt in alternativer Beschäftigung
 LAG = Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung in alternativer Beschäftigung
 i = Marktzinssatz
 EK = eingesetztes Eigenkapital
 R = Risikoausgleich

1 Unternehmensübergaben gehen zwar mit einem geringeren Risiko des Scheiterns einher
 als neu gegründete Unternehmen (vgl. Brüderl et al. 2007, S. 17). Gleichwohl verbleibt ein
 Risiko des Kapital-, des Beschäftigungs- und/oder des Rufverlustes.
4

Da über zukünftige Gewinne, Arbeitnehmerentgelte oder Zinsen keine Informa-
tionen vorliegen, wird die Operationalisierung dieser Größen an zurückliegen-
den Werten festgemacht. Die Schätzung basierte dabei bislang auf den Daten
des letzten verfügbaren Jahres. Um die Schätzwerte robuster gegenüber kurz-
fristigen Schwankungen zu machen, wurden für die aktuelle Schätzung für alle
Größen Mittelwerte über die letzten drei Jahre, zu denen Daten verfügbar sind
(d. h. 2017 bis 2019), gebildet.

Bei der Operationalisierung des Unternehmerlohnes ist zu beachten, dass
potenzielle Nachfolgekandidatinnen und -kandidaten unterschiedliche Vorstel-
lungen davon haben, was sie in alternativen Beschäftigungen verdienen könn-
ten – je nach Ausbildungsniveau und Berufserfahrung. Eine individuelle Erfas-
sung ist somit nicht möglich. Daher unterstellen wir ein pauschaliertes Arbeit-
nehmerentgelt. Dieses berechnen wir auf Basis eines durchschnittlichen Brutto-
jahresverdienstes (einschließlich Sonderzahlungen) einer vollzeitbeschäftigten
Arbeitnehmerin oder eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers im Produzieren-
den Gewerbe und im Dienstleistungsbereich in Deutschland (vgl. Statistisches
Bundesamt 2021d). Hinzu kommt der jeweilige Arbeitgeberanteil zur gesetzli-
chen Sozialversicherung. Im Mittel der betrachteten Jahre beträgt der Jahres-
mindestgewinn, der für die Fortführung eines Unternehmens ohne Kapitaleisatz
erforderlich ist, 61.258 €.

Ebenso wie die Gehaltsvorstellung ist auch das eingesetzte Eigenkapital im
Allgemeinen unbekannt, sodass auch an dieser Stelle eine Pauschalisierung
erforderlich ist. Wir unterstellen, dass ein zur Übernahme anstehendes Unter-
nehmen einen Eigenkapitaleinsatz bedarf, der dem durchschnittlichen Eigenka-
pital der Unternehmen der gleichen Größenklasse, des gleichen Wirtschafts-
zweiges 2 und der gleichen Rechtsform (Kapital-, Nichtkapitalgesellschaft) ent-
spricht. Datengrundlage hierfür bildet die Unternehmensbilanzstatistik der Deut-
schen Bundesbank der Berichtskreise 2017-2018 und 2018-2019 (vgl. Deut-
sche Bundesbank 2021a, 2021b).

2 Aufgrund einer besseren Datenlage können wir in der aktuellen Schätzung eine Differen-
 zierung nach Wirtschaftszweigen vornehmen. Wir unterscheiden zwischen den folgenden
 fünf Wirtschaftszweigen gemäß der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen
 Bundesamtes, Ausgabe 2008 (WZ 2008): Land- und Forstwirtschaft (WZ A), Produzieren-
 des Gewerbe (WZ B-F), Handel (WZ G), Unternehmensbezogene Dienstleistungen (WZ
 H, J-N) und Personenbezogene Dienstleistungen (WZ I, P-S). Die Unternehmensbilanzda-
 ten der Deutschen Bundesbank enthalten keine Angaben zum Wirtschaftszweig „Erbrin-
 gung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ (WZ K).
5

Für die Festlegung der Eigenkapitalverzinsung nutzen wir wie bereits in Kay
et al. (2018) die Anleiherenditen nichtfinanzieller Unternehmen (Nicht-MFIs) in
Deutschland (vgl. Deutsche Bundesbank 2021c). Um einer im Prognosezeit-
raum möglicherweise erfolgenden Zinsänderung Rechnung zu tragen, verwen-
den wir das geometrische Mittel der monatlichen Durchschnittswerte der letzten
fünf Jahre (2015 bis 2019). Da Unternehmensanleihen bereits Renditeauf-
schläge gegenüber risikofreien Anleihen enthalten, entfällt der in Bedingung (1)
angeführte Risikoausgleich. Als übernahmewürdig gelten also Unternehmen, für
die gilt:

(2) ≥ + + ∗ 

Mit G = Gewinn
 LAN = Arbeitnehmerentgelt in alternativer Beschäftigung
 LAG = Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung in alternativer Beschäftigung
 iUA = durchschnittliche Rendite für Unternehmensanleihen (Nicht-MFis)
 EK = durchschnittlich eingesetztes Eigenkapital

Eignerinnen und Eigner einer Kapitalgesellschaft müssen sich aus steuerrecht-
lichen Gründen ein Geschäftsführungsgehalt zahlen. Dieses Gehalt ist bereits
in den Gewinnen berücksichtigt, die in Gewinn- und Verlustrechnungen ausge-
wiesen werden. Bedingung (2) wurde daher im bisherigen Schätzverfahren für
Kapitalgesellschaften folgendermaßen vereinfacht:

(3) ≥ ∗ 

Mit G = Gewinn
 iUA = durchschnittliche Rendite für Unternehmensanleihen (Nicht-MFis)
 EK = durchschnittlich eingesetztes Eigenkapital

An dieser Stelle nehmen wir eine Modifikation zum bisherigen Vorgehen vor,
weil Bedingung (3) dazu führt, dass mehr Kapitalgesellschaften als übernahme-
würdig eingestuft werden als es tatsächlich sind. Dies betrifft Kapitalgesellschaf-
ten, die weniger als 500.000 € Jahresumsatz erwirtschaften, weil es darunter
viele gibt, die nur schwerlich in der Lage sind, ein Geschäftsführungsgehalt in
Höhe des von uns kalkulierten Unternehmerlohns von 61.258 € jährlich zu
6

zahlen. 3 Deshalb unterscheiden wir nachfolgend Kapitalgesellschaften mit we-
niger als 500.000 € Jahresumsatz und solche mit mehr als 500.000 € Jahres-
umsatz. Für erstere nehmen wir an, dass der Anteil an übernahmewürdigen Ka-
pitalgesellschaften in den Umsatzgrößenklassen unter 500.000 € dem von uns
berechneten Anteil an übernahmewürdigen Nichtkapitalgesellschaften in der-
selben Umsatzgrößenklasse sowie des gleichen Wirtschaftszweiges entspricht.
Für letztere können wir pauschal davon ausgehen, dass in der Größenklasse
das Geschäftsführungsgehalt dieser Unternehmen den von uns geforderten Un-
ternehmerlohn deckt und folgen somit wie bisher Bedingung (3).

Da der Gewinn anhand von durchschnittlichen Umsätzen und Umsatzrenditen
geschätzt wird, 4 gelten die Bedingungen (2) und (3) nur im Durchschnitt einer
Größenklasse eines Wirtschaftszweiges in der jeweiligen Rechtsform, nicht
aber für jedes einzelne Unternehmen.

2.2.2 Bestimmung der Anzahl der übergabereifen Unternehmen

Die Frage der Unternehmensnachfolge stellt sich nur für Familienunternehmen,
aus denen die Geschäftsführung in den nächsten fünf Jahren aus persönlichen
Gründen ausscheiden wird (übergabereife Unternehmen). Als relevante persön-
liche Gründe gelten insbesondere Alter, Krankheit und Tod (vgl. Hauser et al.
2010, S. 9 f.).

Da unbekannt ist, wann Unternehmerinnen und Unternehmer im Allgemeinen in
den Ruhestand gehen, dient das gesetzliche Renteneintrittsalter von abhängig
Beschäftigten als Orientierung. Im Jahr 2022 liegt das gesetzliche Rentenein-
trittsalter bei 65 Jahren und 10 Monaten, im Jahr 2026 bei 66 Jahren und 4
Monaten. Da das Alter der Selbstständigen in allen Statistiken nur in vollen Jah-
ren abgebildet wird, erscheint für eine Schätzung, die den Zeitraum 2022 bis
2026 betrifft, das Alter von 66 Jahren sachgerecht. Als übergabereif gelten dem-
nach Unternehmen, deren Inhaber dieses Alter im Prognosezeitraum erreichen
werden, d.h. vor dem Beginn des Prognosezeitraums 61 Jahre alt oder älter
waren. Näherungsweise wird der aktuellste verfügbare Wert aus dem Mikrozen-
sus für das Jahr 2019 herangezogen: Danach lag der Anteil der

3 So beträgt z. B. der Durchschnittsumsatz in der Umsatzgrößenklasse bis 100.000 € ca.
 50.000 €. Selbst mit einer Umsatzrendite von 100 % ist damit der geforderte Unternehmer-
 lohn nicht realisierbar.
4 Datenbasis hierfür ist die Umsatzsteuerstatistik, die nach Umsatzgrößenklassen, Wirt-
 schaftszweigen und Rechtsformen gliederbar ist, sowie die Unternehmensbilanzstatistik
 der Deutschen Bundesbank (beides: Berichtsjahre 2017-2019).
7

Selbstständigen, die 61 Jahre und älter sind, bei 20,7 % (vgl. Statistisches Bun-
desamt 2021b). Diesen Wert nutzen wir, um näherungsweise den Anteil an Un-
ternehmen zu bestimmen, bei denen altersbedingt eine Übergabe ansteht.

Übergaben aufgrund von Krankheit oder Tod sind für unsere Schätzung nur re-
levant, wenn diese Ereignisse in der Gruppe der unter 61-jährigen Inhaber und
Inhaberinnen auftreten. 5 Über den Anteil der jährlich wegen Krankheit ausschei-
denden Unternehmerinnen und Unternehmer liegen keine amtlichen Daten vor.
Wir nutzen daher Angaben aus dem Sozio-Oekonomischen Panel (SOEP) des
DIW Berlin, um diesen Anteil zu schätzen. Als wegen Krankheit ausgeschieden
gilt, wer mindestens einmal sechs Wochen am Stück gefehlt oder seinen Ge-
sundheitszustand als schlecht bezeichnet hat und im Folgejahr nicht mehr
selbstständig, aber auch nicht abhängig beschäftigt war. Auf Basis dieser An-
gaben schätzen wir den Anteil der unter 61-jährigen, die aufgrund von Krankheit
ausscheiden, an allen Selbstständigen auf 0,59 % jährlich. 6

Auch zur Sterbehäufigkeit von Unternehmerinnen und Unternehmern gibt es
keine gesonderten statistischen Informationen. Daher unterstellen wir, dass de-
ren Sterbehäufigkeit dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung entspricht. Der
Anteil der jährlich wegen Todes ausscheidenden Unternehmerinnen und Unter-
nehmer, die jünger als 61 Jahre alt sind, liegt demnach bei 0,2 %. 7

Für den fünfjährigen Vorausberechnungszeitraum ergibt sich für die unter 61-
Jährigen, die aufgrund von Krankheit oder Tod die Geschäftsführung eines Un-
ternehmens aufgeben, somit ein Anteilswert von ca. 4 % an allen Selbständi-
gen.

Mit Hilfe dieser Informationen lässt sich nun die Anzahl der zur Übergabe an-
stehenden Unternehmen näherungsweise berechnen:

(4) Ü = ( ���
 �� − ��
 ) ∗ (( 61+ + + )/ )
 ��������������� ∗ 
 ü ℎ ü ö ℎ ü 
 ℎ ℎ ℎ 

Mit UÜ = Anzahl der zur Übergabe anstehenden Unternehmen

5 Die älteren Unternehmer und Unternehmerinnen sind bereits aufgrund ihres Alters berück-
 sichtigt und dürfen nicht ein zweites Mal wegen Krankheit oder Tod einbezogen werden.
6 Berechnungen des IfM Bonn auf Basis der Mikrodaten des SOEP.
7 Eigene Berechnungen auf Basis der Statistik der Sterbefälle (vgl. Statistisches Bundesamt
 2021c), der Bevölkerung (vgl. Statistisches Bundesamt 2021a) und der Erwerbstätigen
 nach Mikrozensus (vgl. Statistisches Bundesamt 2021b).
8

UP = Gesamte Unternehmenspopulation
UM = Anzahl der Unternehmen, die den Mindestertragswert unterschreiten
S = Anzahl der Selbstständigen
S61+ = Anzahl der Selbstständigen, die 61 Jahre und älter sind
ST = Anzahl der Selbstständigen, die unter 61 Jahre sind und wegen Tod ausscheiden
SG = Anzahl der Selbstständigen, die unter 61 Jahre sind und aus Gesundheitsgründen
 ausscheiden
AFU = Anteil der Familienunternehmen an der Gesamtpopulation der Unternehmen
9

3 Ergebnisse der Schätzungen

3.1 Anzahl der zur Übergabe anstehenden Unternehmen in Deutschland

Unsere Berechnungen kommen für den Zeitraum 2022 bis 2026 zu folgenden
Ergebnissen (vgl. Abbildung 1): Etwa 3,3 Mio. der insgesamt 3,7 Mio. Unterneh-
men in Deutschland können als Familienunternehmen eingeordnet werden. 0,8
Mio. dieser Familienunternehmen erwirtschaften einen durchschnittlichen Jah-
resgewinn, der ausreicht, um sie als übernahmewürdig nach Definition des IfM
Bonn zu bezeichnen. In etwa 190.000 dieser Unternehmen erwarten wir im be-
trachteten Fünfjahreszeitraum eine Nachfolge. 8

Abbildung 1: Anzahl der zur Übergabe anstehenden Unternehmen in
 Deutschland im Zeitraum 2022 bis 2026

 in 1.000

 Unternehmensbestand:
 3.665

 darunter Familienunternehmen:
 3.315

 darunter übernahmewürdige Unternehmen:
 772

 darunter übergabereife
 Unternehmen:
 190

 © IfM Bonn 21 982103 01

Quelle: Eigene Berechnungen

8 Da bei der Festlegung des Mindestertragswertes teils stark vereinfachende Annahmen ge-
 troffen werden mussten, wurden Sensitivitätsanalysen mit alternativen Mindestertragswer-
 ten durchgeführt. Wird der verlangte Unternehmerlohn um die Hälfte reduziert, ergibt sich
 eine Zahl von ca. 240.000 Übertragungen. Wird der verlangte Unternehmerlohn um 50 %
 erhöht, ergibt sich eine Zahl von 131.000 Übertragungen im Zeitraum 2022 bis 2026.
10

Fast die Hälfte der Übernahmen erwarten wir im Bereich der Unternehmens-
nahen Dienstleistungen, gefolgt vom Produzierenden Gewerbe und Handel (vgl.
Abbildung 2).

Abbildung 2: Zur Übergabe anstehende Unternehmen in Deutschland 2022
 bis 2026 nach Wirtschaftszweigen

 Land-, Forstwirtschaft,
 6.000
 Fischerei, Fischzucht

 Produzierendes
 Gewerbe 50.100

 Handel 34.900

 Unternehmensbezogene
 Dienstleistungen a) 85.900

 Personenbezogene
 Dienstleistungen b) 13.400

 © IfM Bonn 21 982103 02

a) Verkehr und Lagerei, Information und Kommunikation, Finanz- und Versicherungsdienst-
 leistungen, Grundstücks- und Wohnungswesen, freiberufliche, wissenschaftliche und tech-
 nische Dienstleistungen, sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen
b) Gastgewerbe, Erziehung und Unterricht, Gesundheits- und Sozialwesen, Kunst, Unterhal-
 tung und Erholung, sonstige Dienstleistungen
Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der Daten des Statistischen Bundesamtes (Unter-
 nehmensregister, Umsatzsteuerstatistik, Mikrozensus, Todesfälle und Verdienste),
 der Deutschen Bundesbank (Jahresabschlüsse), des SOEP sowie eigener Daten

Im Vergleich zum Anteil der jeweiligen Wirtschaftszweige an der Gesamtzahl an
Unternehmen zeigt sich eine überproportionale Bedeutung der Unternehmens-
nahen Dienstleistungen sowie des Produzierenden Gewerbes im Nachfolgege-
schehen (vgl. Abbildung 3). Personenbezogene Dienstleistungen spielen ge-
messen an ihrem Anteil an allen Unternehmen hingegen eine geringere Rolle.
11

Abbildung 3: Wirtschaftsstruktur der zur Übergabe anstehenden Unterneh-
 men in Deutschland 2022 bis 2026 im Vergleich zur Gesamtwirt-
 schaft

 in %

 Land-, Forstwirtschaft, 3,2
 Fischerei, Fischzucht 2,9

 Produzierendes 26,3
 Gewerbe 19,5

 18,3
 Handel
 16,6

 Unternehmensbezogene 45,1
 Dienstleistungen a) 34,9

 Personenbezogene 7,1
 Dienstleistungen b) 26,1

 zur Übergabe anstehende Unternehmen Gesamtwirtschaft
 © IfM Bonn 21 982103 03

a) Verkehr und Lagerei, Information und Kommunikation, Finanz- und Versicherungsdienst-
 leistungen, Grundstücks- und Wohnungswesen, freiberufliche, wissenschaftliche und tech-
 nische Dienstleistungen, sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen
b) Gastgewerbe, Erziehung und Unterricht, Gesundheits- und Sozialwesen, Kunst, Unterhal-
 tung und Erholung, sonstige Dienstleistungen
Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der Daten des Statistischen Bundesamtes (Unter-
 nehmensregister, Umsatzsteuerstatistik, Mikrozensus, Todesfälle und Verdienste),
 der Deutschen Bundesbank (Jahresabschlüsse), des SOEP sowie eigener Daten

Im Hinblick auf Unternehmensgrößenklassen ist festzustellen, dass Unterneh-
men mit einem Jahresumsatz von weniger als 100.000 € nicht den erforderli-
chen Mindestgewinn erwirtschaften, sodass keines dieser Unternehmen als
übernahmewürdig anzusehen ist. 9 Auch in den beiden nächsthöheren Unter-
nehmensgrößenklassen finden sich noch vergleichsweise wenige Unterneh-
men, die den erforderlichen Gewinn erwirtschaften (vgl. Abbildung 4). Die meis-
ten Übergaben sind mit rund 53.900 Unternehmen in der Größenklasse

9 Dies heißt nicht, dass es nicht vereinzelt Unternehmen geben kann, die trotz eines Jahres-
 umsatzes von weniger als 100.000 € einen Jahresgewinn von mehr als 61.258 € plus Ei-
 genkapitalverzinsung erwirtschaften. Das zu Vereinfachungen zwingende Schätzverfahren
 kann jedoch solche Einzelfälle nicht erfassen.
12

500.000 € bis unter 1 Mio. € zu erwarten. Von den großen Unternehmen mit
einem Jahresumsatz von 50 Mio. € und mehr stehen 1.200 zur Übergabe an.

Abbildung 4: Zur Übergabe anstehende Unternehmen in Deutschland 2022
 bis 2026 nach Umsatzgrößenklassen (in €)

 100.000–250.000 17.600

 250.000–500.000 40.000

 500.000–1 Mio. 53.900

 1 Mio.–2 Mio. 39.100

 2 Mio.–5 Mio. 23.900

 5 Mio.–10 Mio. 8.700

 10 Mio.–25 Mio. 4.500

 25 Mio.–50 Mio. 1.700

 über 50 Mio. 1.200

 © IfM Bonn 21 982103 04

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der Daten des Statistischen Bundesamtes (Unter-
 nehmensregister, Umsatzsteuerstatistik, Mikrozensus, Todesfälle und Verdienste),
 der Deutschen Bundesbank (Jahresabschlüsse), des SOEP sowie eigener Daten

Auch relativ gesehen sind viele Übergaben in der Größenklasse 500.000 € bis
unter 1 Mio. € zu erwarten (vgl. Abbildung 5). Dass in der Größenklasse 100.000
bis unter 250.000 € weniger Unternehmen vor der Übergabe stehen als ange-
sichts ihres Anteils an der Gesamtwirtschaft zu erwarten ist, liegt auch hier in
den im Durchschnitt zu niedrigen Gewinnen in dieser Größenklasse begründet.
13

Abbildung 5: Umsatzgrößenklassenstruktur (in €) der zur Übergabe anstehen-
 den Unternehmen in Deutschland 2022 bis 2026 im Vergleich
 zur Gesamtwirtschaft

 in %
 0,0
 bis 100.000 50,2
 9,2
 100.000–250.000 19,8
 21,0
 250.000–500.000 10,8
 28,3
 500.000–1 Mio.
 7,6
 1 Mio.–2 Mio. 20,5
 4,9
 2 Mio.–5 Mio. 12,5
 3,6
 4,6
 5 Mio.–10 Mio.
 1,4
 10 Mio.–25 Mio. 2,4
 1,0
 25 Mio.–50 Mio. 0,9
 0,4
 über 50 Mio. 0,7
 0,4
 zur Übergabe anstehende Unternehmen Gesamtwirtschaft
 © IfM Bonn 21 982103 05

Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der Daten des Statistischen Bundesamtes (Unter-
 nehmensregister, Umsatzsteuerstatistik, Mikrozensus, Todesfälle und Verdienste),
 der Deutschen Bundesbank (Jahresabschlüsse), des SOEP sowie eigener Daten

3.2 Anzahl der zur Übergabe anstehenden Unternehmen in den Bundes-
 ländern

Mit fast 40.000 Unternehmen stehen die meisten Nachfolgen in Nordrhein-
Westfalen an, gefolgt von Bayern mit fast 35.000 und Baden-Württemberg mit
mehr als 27.000 (vgl. Abbildung 6).
14

Abbildung 6: Zur Übergabe anstehende Unternehmen nach Bundesländern
 2022 bis 2026

 Baden-Württemberg 27.300
 Bayern 34.900
 Berlin 8.500
 Brandenburg 4.800
 Bremen 1.500
 Hamburg 5.800
 Hessen 14.600
 Mecklenburg-Vorpommern 3.200
 Niedersachsen 17.400
 Nordrhein-Westfalen 39.900
 Rheinland-Pfalz 8.800
 Saarland 2.100
 Sachsen 7.600
 Sachsen-Anhalt 3.600
 Schleswig-Holstein 6.700
 Thüringen 3.800

 © IfM Bonn 21 982103 06

Quelle: Eigene Berechnungen

Der Bestand an Unternehmen ist jedoch ein wesentlicher Einflussfaktor für die
Anzahl derjenigen Unternehmen, die mit der Nachfolgefrage konfrontiert sind.
Daher sollte im Bundesländervergleich auch der jeweilige Unternehmensbe-
stand berücksichtigt werden. Dies ändert das oben gezeichnete Bild auf Basis
der absoluten Zahlen (vgl. Abbildung 7): Bremen und Niedersachsen übertreffen
den Bundesdurchschnitt von 52 Übergaben je 1.000 Unternehmen: In Bremen
sind es 59, in Niedersachsen 56 Übergaben je 1.000 Unternehmen. Unter dem
Bundesdurchschnitt liegen – wie auch in der vorangegangenen Schätzung – die
ostdeutschen Bundesländer. Die niedrigste Zahl an Übergaben wird mit 44 je
1.000 Unternehmen in Berlin erwartet.
15

Abbildung 7: Zur Übergabe anstehende Unternehmen nach Bundesländern
 2022 bis 2026 (je 1.000 Unternehmen)

 Baden-Württemberg 54
 Bayern 51
 Berlin 44
 Brandenburg 47
 Bremen 59
 Hamburg 54
 Hessen 53
 Mecklenburg-Vorpommern 52
 Niedersachsen 56
 Nordrhein-Westfalen 54
 Rheinland-Pfalz 51
 Saarland 54
 Sachsen 46
 Sachsen-Anhalt 50
 Schleswig-Holstein 52
 Thüringen 46
 Deutschland 52

 © IfM Bonn 21 982103 07

Quelle: Eigene Berechnungen

Die Unterschiede zwischen den Ländern liegen in der jeweiligen Struktur ihres
Unternehmensbestandes begründet. Die hohe Anzahl an Übergaben in Bremen
resultiert beispielsweise aus der vergleichsweise hohen Zahl an Unternehmen
im Wirtschaftsbereich Unternehmensnahe Dienstleistungen – einem Wirt-
schaftszweig, der hohe Bedeutung für das Nachfolgegeschehen im Allgemeinen
besitzt. Niedersachsens vergleichsweise hoher Anteil an Übergaben liegt dage-
gen an vielen Unternehmen in der mittleren Umsatzgrößenklasse. Diese Um-
satzgrößenklasse ist genau wie der unternehmensnahe Dienstleistungssektor
bedeutsam für das Übergabegeschehen insgesamt. Berlin hat zwar auch über-
proportional viele Unternehmen im Bereich der Unternehmensnahen Dienstleis-
tungen. Diese sind aber fast ausschließlich in den kleinsten Umsatzgrößenklas-
sen zu finden, in denen sich eine Übernahme nur selten lohnt.
16

4 Auswirkungen der Corona Pandemie – eine Annäherung

Eine besondere Herausforderung für die Schätzung des künftigen Nachfolgege-
schehens stellen die Auswirkungen der noch nicht beendeten Corona-Pande-
mie dar. Diese Auswirkungen können in der Schätzung selbst nicht berücksich-
tigt werden, weil sie sich in den herangezogenen Datenquellen noch nicht wi-
derspiegeln und zurzeit generell keine Möglichkeit besteht, sie zuverlässig zu
quantifizieren. Deswegen beschränken wir uns im Folgenden auf eine qualita-
tive Einschätzung, indem wir der Frage nachgehen, wie sich die Corona-Pan-
demie auf die zentralen Einflussgrößen in unserem Modell – die Übernahme-
würdigkeit und die Übergabereife von Unternehmen – im Schätzzeitraum aus-
wirken könnte.

Im Hinblick auf das Kriterium der Übernahmewürdigkeit kommt es in erster Linie
auf die Gewinne an, die mit einem Unternehmen auf mittlere bis lange Sicht
erwirtschaftet werden können (vgl. Kapitel 2.2.1). Die Corona-Pandemie hatte
schwerwiegende Auswirkungen auf die Unternehmen in Deutschland (z. B. Wel-
ter/Wolter 2021). Die wirtschaftliche Lage ist nach wie vor von der Pandemie
gekennzeichnet. Vor allem Unternehmen, die für das Infektionsgeschehen kri-
tisch sind, wie das Gastgewerbe, der Handel und personennahe Dienstleistun-
gen, mussten teilweise stärkere Einschränkungen ihrer Geschäftstätigkeit bis
hin zu Schließungen hinnehmen. Betroffen sind aber auch andere Wirtschafts-
bereiche, bspw. das Verarbeitende Gewerbe, das aktuell noch stark von den
pandemiebedingten Verzögerungen in den (weltweiten) Lieferketten beeinträch-
tigt ist. Gleichwohl scheinen tiefgreifende nachhaltige Folgen bislang dank einer
guten finanziellen Ausstattung und Anpassungsfähigkeit vieler Unternehmen,
aber nicht zuletzt auch dank der flankierenden staatlichen Unterstützungsmaß-
nahmen weitgehend ausgeblieben zu sein. Befragungsergebnisse deuten über-
dies darauf hin, dass sich die Unternehmen in Deutschland von den Auswirkun-
gen der Pandemie zunehmend erholen (vgl. DIHK 2021, Schwartz/Gerstenber-
ger 2021, Grömling 2021). Im Einklang damit gehen die führenden Wirtschafts-
forschungsinstitute in ihrer aktuellen Herbst-Gemeinschaftsdiagnose bereits ab
Sommer 2022 von einer normalen Auslastung der deutschen Wirtschaft aus
(vgl. IWH et al. 2021, S. 39 ff).

Für die meisten Unternehmen dürfte die Corona Pandemie folglich nur vorüber-
gehende Auswirkungen haben, die bereits in den ersten Jahren des Schätzzeit-
raums weitgehend abgeklungen sein werden. Dies trifft insbesondere auf die
Unternehmen zu, die vor der Krise finanziell gut aufgestellt gewesen sind und
17

die daher auch insgesamt weniger stark unter den Folgen der Corona Pandemie
gelitten haben (vgl. Buchheim et al. 2020). Solange jedoch der „Normalzustand“
nicht wieder vollständig erreicht ist, kann es in bestimmten Konstellationen zu
Verzögerungen bei der Realisierung von geplanten Unternehmensnachfolgen
bzw. zum Hinausschieben von Nachfolgeplänen kommen. Dies betrifft aller-
dings nur die sogenannten externen Unternehmensübergaben, auf die im Allge-
meinen weniger als 30 % aller Nachfolgeregelungen entfallen (vgl. Kay et al.
2018). Während Familienmitglieder oder Beschäftigte des Unternehmens meist
gut über das zu übergebende Unternehmen informiert sind und bei gut aufge-
stellten Unternehmen mehr Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit des Unterneh-
mens haben dürften, kann dies bei externen Kaufinteressenten – außer unmit-
telbaren Wettbewerbern – im Regelfall nicht angenommen werden. Infolgedes-
sen dürfte ein Verkauf des Unternehmens an Externe in einer wirtschaftlich un-
günstigen Lage mit spürbaren Zugeständnissen hinsichtlich des Unternehmens-
wertes und des Verkaufspreises einher gehen. In den Fällen, in denen die Über-
geberin bzw. der Übergeber nicht dazu bereit ist, weil bspw. aus dem Verkaufs-
erlös die eigene Altersversorgung finanziert werden soll, wird es zu Verzögerun-
gen im Nachfolgeprozess kommen. Die meisten Alteigentümerinnen und Altei-
gentümer, die eine baldige Nachfolgeregelung anstreben, werden jedoch ver-
mutlich mangels Alternativen einem Verkauf zu geringeren Verkaufspreisen zu-
stimmen müssen.

Inhaberinnen und -inhaber, die hingegen bislang keine konkreten Schritte in
Richtung Unternehmensnachfolge unternommen haben, werden vermutlich ihre
Übergabepläne so lange hinausschieben, bis sich die wirtschaftliche Lage wie-
der normalisiert hat. Darauf deutet auch der starke Nachfragerückgang nach
Beratungsdienstleistungen bei Kammern im Themenbereich der Unterneh-
mensnachfolge (vgl. DIHK 2020) sowie bei den Inseraten auf der Unterneh-
mensbörse nexxt.change (vgl. Leifels 2020) hin, der zu Beginn der Corona-Pan-
demie beobachtet wurde. Da die Umsetzung einer Unternehmensnachfolge
i.d.R. längere Zeit in Anspruch nimmt, sind dadurch in Einzelfällen längere Ver-
zögerungen im Übergabeprozess nicht auszuschließen. Vorausgesetzt die wirt-
schaftliche Erholung hält weiterhin an, erwarten wir alles in allem jedoch keine
nennenswerten negativen Pandemieeffekte auf die anvisierten Unternehmens-
übertragungen im Schätzzeitraum.

Die Zahl der zur Übergabe stehenden Unternehmen hängt darüber hinaus auch
davon ab, wie viele Unternehmerinnen und Unternehmer in den kommenden
fünf Jahren aus Altersgründen oder aufgrund von Krankheit oder Tod ihre
18

Nachfolge regeln müssen. Insbesondere auf die Nachfolgegründe Krankheit
und Tod könnte die Corona-Pandemie Einfluss haben. Im Hinblick auf die für
uns relevante Sterblichkeitsrate ist jedoch gegenwärtig nur von einem geringen
Pandemie-Effekt auszugehen, weil in die Schätzung nur Todesfälle in der
Gruppe der unter 61-Jährigen eingehen. Für diese Gruppe wurde bisher aber
keine Übersterblichkeit durch die Corona-Pandemie festgestellt. Diese be-
schränkt sich bislang auf die über 80-Jährigen (vgl. Ragnitz 2021).

Größeren Einfluss könnte die Pandemie auf den Nachfolgegrund Krankheit ha-
ben, wenn Unternehmer und Unternehmerinnen an den Langzeitfolgen von Co-
vid19 leiden und deswegen ihre Tätigkeit aufgeben müssen. In der Gruppe der
15- bis 59-Jährigen waren bis Ende November 2021 mehr als 3,8 Millionen Men-
schen an Covid19 erkrankt (vgl. RKI 2021). Darunter befinden sich grob ge-
schätzt etwa 240.000 Selbstständige. Zwar leidet nur ein geringer Anteil aller
Corona-Infizierten an Langzeitfolgen (vgl. Lenzen-Schulte 2020, BMG 2021,
Koczulla et al. 2021), 10 gleichwohl könnte eine mindestens fünfstellige Zahl an
Selbstständigen am dauerhaften Post-Covid-Syndrom leiden. Nicht alle werden
deswegen ihre unternehmerische Tätigkeit aufgeben. Dennoch könnte die
Corona-Pandemie über diesen Weg zu einer Erhöhung der Anzahl der anste-
henden Übergaben führen.

Alles zusammen genommen ist davon auszugehen, dass sich die Corona-Pan-
demie in ihrem bisherigen Verlauf nicht stark auf die im Zeitraum 2022 bis 2026
anstehenden Unternehmensnachfolgen auswirken wird. Die aus unserer Sicht
wichtigsten Effekte – Verschiebung von Nachfolgen und zugleich der Druck, auf-
grund einer Covid19-Langzeiterkrankung das Unternehmen übergeben zu müs-
sen – haben eine gegenläufige Wirkung auf die Zahl der Übergaben, sodass sie
sich zum Teil gegenseitig aufheben werden. Daher erwarten wir keine starke
Pandemieauswirkung auf die Gesamtzahl der Übergaben im Schätzzeitraum.
Nicht absehbar sind die Auswirkungen und Folgen des Auftretens neuartiger
Virusvarianten und der daraus folgenden möglichen Einschränkungen des öf-
fentlichen Lebens.

10 Wie hoch dieser genau ist, ist unbekannt. Er variiert je nach untersuchter Patientengruppe
 und kann über alle Patienten hinweg bis zu 15 % betragen (vgl. Koczulla 2021, S. 5).
19

5 Fazit

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Übergaben vornehmlich aufgrund
des demografischen Wandels (konkret: der Alterung der Unternehmerinnen und
Unternehmer) gestiegen (vgl. Kay et al. 2018; Kay/Suprinovic 2013). Dieser
Trend setzt sich in den kommenden Jahren nicht nur fort, sondern verstärkt sich
noch: Die Anzahl der Unternehmen, die im Zeitraum 2022 bis 2026 zur Über-
gabe anstehen, steigt auf 190.000. Dies sind 40.000 mehr im Vergleich zur letz-
ten Schätzung für den Zeitraum 2018 bis 2022. Der weitaus größte Teil der Zu-
nahme geht auf die erhöhte Anzahl an Unternehmen zurück, deren Geschäfts-
führung sich aufgrund von Alter zurückziehen wird. 11

Die Corona-Pandemie hat dagegen voraussichtlich keine gravierenden Auswir-
kungen auf die Anzahl der Nachfolgen in den kommenden fünf Jahren. Denn
die Pandemie führt zwar zu kurzfristigen Umsatzrückgängen, gefährdet aber nur
selten das grundlegende Geschäftsmodell und damit die langfristige Rentabilität
vieler Unternehmen. Das Gros der anstehenden Übergaben wird daher stattfin-
den. Wo die Pandemie bedeutsame Auswirkungen hat, hat sie gegenläufige
Entwicklungen im Nachfolgegeschehen zur Folge: Einerseits werden einige der
geplanten Nachfolgen verschoben, weil die Unsicherheiten, die mit der Krise
verbunden sind, die zu erzielenden Verkaufspreise drücken. Andererseits könn-
ten einige jüngere Unternehmer und Unternehmerinnen aufgrund einer Corona-
Infektion und deren Langzeitfolgen zu einer frühzeitigeren Nachfolgeregelung
gezwungen sein.

Die steigende Anzahl an Unternehmen, die in den kommenden 5 Jahren vor der
Übergabe stehen, zieht einen höheren Bedarf an Übernehmern und Überneh-
merinnen nach sich. Wir gehen in unserer Schätzung weiterhin von der An-
nahme aus, dass alle Unternehmen, deren Fortführung sich finanziell lohnt,
auch eine Nachfolgelösung finden werden. Diese Annahme mag im Hinblick auf
den demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel in vielen Branchen auf
den ersten Blick optimistisch wirken. Allerdings vollziehen sich all diese Entwick-
lungen bereits seit geraumer Zeit, wenngleich sie sich im Zeitverlauf verstärken.
Aktuelle Studien zeigen, dass auch unter diesen Umständen der Fortbestand im

11 Weitere Gründe für die Zunahme sind eine größere Zahl übernahmewürdiger Unterneh-
 men aufgrund guter Ertragslage und die Änderungen in unserer Methodik. Letztere haben
 jedoch nur eine geringe Auswirkung auf die geschätzten Zahlen: ohne die methodischen
 Änderungen würde die prognostizierte Anzahl an Übergaben 185.000 statt 190.000 betra-
 gen.
20

Übergabeprozess gelingt, wenn die Unternehmen in den Jahren vor der Über-
nahme wirtschaftlich erfolgreich waren. Stillgelegt werden vorrangig kleine und
wirtschaftlich weniger erfolgreiche Unternehmen (vgl. Pahnke et al. 2021). Dies
dürfte auch in Zukunft weiterhin gelten, wenngleich nicht auszuschließen ist,
dass andere Nachfolgeformen wie bspw. Übernahme durch andere Unterneh-
men an Bedeutung gewinnen werden. Deshalb wird das Nachfolgegeschehen
auch zukünftig durch einen marktlichen Bereinigungsprozess gekennzeichnet
sein: Unternehmen mit eingeschränkter Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit
scheiden aus dem Markt aus, während erfolgreiche Unternehmen fortbestehen.
Dies unterstreicht die Bedeutung des vom IfM Bonn verfolgten Ansatzes, bei der
Schätzung der Anzahl der anstehenden Übergaben nur jene Unternehmen zu
berücksichtigen, die eine hinreichende wirtschaftliche Attraktivität (Übernahme-
würdigkeit) aufweisen.
21

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