Datenschutz in der Krankenversicherung

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Datenschutz in der Krankenversicherung

Gutachten zu spezifischen umstrittenen Fragen des Datenschutzes

Auftraggeber: Helsana Versicherungen AG

Finale Version
21. Oktober 2008

lic. iur. Reto Dietschi
dConsulting
Heinrichstrasse 267b
8005 Zürich

www.dconsulting.ch
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                            Management Summary

•   Der Leistungserbringer muss dem Krankenversicherer diejenigen Daten und Do-
    kumente aushändigen, welche vom Krankenversicherer für die Erfüllung seiner
    Aufgabe als notwendig betrachtet werden. Diese Notwendigkeit muss der Versi-
    cherer nicht einzelfallweise begründen, sondern er kann bereits bestehende Do-
    kumente vom Leistungserbringer einfordern, ohne spezifische Fragen stellen zu
    müssen.

•   Der Krankenversicherer hat rechtlich betrachtet die Möglichkeit, die Zustellung von
    medizinischen Informationen zuhanden der Verwaltung zu verlangen. Nur in Aus-
    nahmefällen darf vom Leistungserbringer die Zustellung an die Verwaltung ver-
    weigert werden, nämlich dann, wenn der Versicherte dies ausdrücklich verlangt
    hat oder wenn ein begründeter Fall vorliegt. Ein begründeter Fall liegt nur dann
    vor, wenn die Persönlichkeit des Versicherten bedroht ist und der Versicherte nicht
    mehr selber entscheiden kann. Nur in einem solchen Fall darf der Arzt die Akten
    von sich aus dem Vertrauensarzt zustellen. Vorbehalten bleiben diejenigen Fälle,
    in welchen der Vertrauensarzt Kostengutsprachen gewährt. Eine generelle Weige-
    rung des Leistungserbringers der Verwaltung Akten zuzustellen, ist rechtsmiss-
    bräuchlich. Die Haltung, nicht einmal dem Vertrauensarzt Akten zur Verfügung zu
    stellen, entbehrt einer gesetzlichen Grundlage.

•   Der Leistungserbringer muss aufgrund seiner Offenbarungspflicht keine Erlaubnis
    beim Versicherten einholen, wenn er medizinische Daten an den Krankenversiche-
    rer übermittelt. Wenn der Krankenversicherer die Zustellung zuhanden der Verwal-
    tung verlangt, dann ist die Information des Versicherten nach Art. 7a DSG nicht
    notwendig. Trotz fehlender gesetzlicher Verpflichtung halte eine freiwillige Informa-
    tion des Versicherten in sensitiven Situationen im Sinne einer vertrauensbildenden
    Massnahme für überlegenswert. Eine ausdrückliche Erlaubnis des Versicherten für
    die Datenweitergabe ist gesetzlich unverändert nicht notwendig.

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•   Die heutige Praxis, wonach der Verwaltung nur die medizinischen Schlussfolge-
    rungen mitgeteilt werden, stellt an die Vertrauensärzte hohe Anforderungen im ju-
    ristischen Bereich. Gerade in Situationen, in welchen eine Verfügung erlassen
    werden soll, erscheint es zwingend, dass die erlassende Stelle innerhalb der Ver-
    waltung über den medizinischen Sachverhalt informiert ist. Nur so kann sie ihrer
    Verpflichtung der Begründung ihres Entscheides überhaupt nachkommen. Der Da-
    tenschutz der Versicherten ist dadurch nicht gefährdet, weil alle Mitarbeiter des
    Krankenversicherers der Schweigepflicht von Art. 33 ATSG unterstehen und die
    Informationen in Einhaltung der datenschutzrechtlichen Anforderungen bearbeitet
    werden müssen.

•   Die Rechnungskontrolle beinhaltet eine Vielzahl von detaillierten Prüfungen, wel-
    che ohne einen Personen- und Diagnosebezug gar nicht durchgeführt werden
    können. Je stärker medizinische Details die Höhe der Vergütung beeinflussen,
    desto zwingender ist der Anspruch der Krankenversicherer, dass diese Details
    transparent auf der Rechnung erscheinen müssen..

•   Die Bekanntgabe von Diagnosen auf der Rechung kann gemäss Art. 59 KVV
    grundsätzlich in einem Tarifvertrag vorgesehen werden. Gerade der doppelte Da-
    tenschutzwall der Krankenversicherung (Schweigepflicht nach Art 33 ATSG für al-
    le Mitarbeiter über alle Sachverhalte, zusätzlicher Schutz bei sensiblen Sachver-
    halten durch den Vertrauensarzt) macht auch eine Vereinbarung über die detail-
    lierte Diagnosebekanntgabe auf der Rechnung möglich, ohne dass die Persönlich-
    keit der Versicherten verletzt wird. Voraussetzung hierfür ist, dass das gewählte
    Tarifsystem eine Bekanntgabe solcher Daten für die Wirtschaftlichkeitsprüfung
    notwendig macht. Die Durchführung der Wirtschaftlichkeitskontrollen ausschliess-
    lich über den Vertrauensarzt wird vom KVG nicht verlangt, der Aufbau einer ent-
    sprechenden Organisation ist deshalb auch nicht notwendig.

•   In einem komplexen und detaillierten System wie DRG bedarf der Krankenversi-
    cherer entsprechend detaillierter Informationen, um die angesprochene Triage der
    zu untersuchenden Fälle vorzunehmen und diese Fälle effizient zu kontrollieren.

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    Je stärker medizinische Details über die Höhe der Rechnung Einfluss nehmen,
    desto berechtigter ist die Forderung nach deren Bekanntgabe. Ohne solche Infor-
    mationen ist der Versicherer gezwungen, die eingehenden Rechnungen nach dem
    Zufallsprinzip zu kontrollieren. Dies führt zu einem ineffizienten Einsatz der Mittel
    sowie zu Datenanfragen auf Vorrat, was einer Verletzung des Zweckbindungsprin-
    zips gleichkommt.

•   Pseudonymisierung von Diagnosedaten für die Rechnungskontrolle würde die
    Kontrollkompetenz von den Krankenversicherern zu einer neuen Institution verla-
    gern. Eine solche Institution ist im KVG nicht vorgesehen. Sie ist sowohl system-
    widrig und als auch rechtswidrig. Den Krankenversicherern darf die Verantwortung
    über die Rechnungskontrolle nicht entzogen werden. Ein aussenstehendes Institut
    hätte zudem auch keine Anreize gleich viel Energie wie die Krankenversicherer in
    die Rechnungskontrolle zu investieren.

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                                  Inhaltsverzeichnis

Einleitung                                                                                                6

A Grundprinzipien der Datenbearbeitung in der Krankenversicherung
      1. Datenbearbeitung durch Bundesorgane                                                              7
      2. Grundsatz der Erforderlichkeit                                                                   7
      3. Grundsatz der Zweckbindung                                                                       8
      4. Der doppelte Schutzwall in der Krankenversicherung                                               9

B Verhältnis zwischen Leistungserbringer und Krankenversicherer
      1. Allgemeines                                                                                     10
      2. Welche Informationen kann der Versicherer einverlangen?                                         11
      3. Müssen medizinische Informationen immer an den Vertrauensarzt?                                  15
      4. Muss der Versicherte über das Auskunftsbegehren
      der Versicherer informiert werden?                                                                 20

C Verhältnis zwischen Vertrauensarzt und Verwaltung                                                      23

D. Wie prüfen die Krankenversicherer eine Rechnung?
       Was beinhaltet eine Rechnungsprüfung?                                                            27

E. Systematische Diagnoseangaben auf der Rechnung im Rahmen
       eines Tarifvertrages                                                                              32

F. Verhältnismässigkeit der Bekanntgabe von Haupt- und Nebendiagnosen
bei einem diagnosebasierten Abgeltungssystem (DRG)                                                       36

G. Einige Überlegungen zur Pseudonymisierung                                                             40

Schlussbetrachtung                                                                                       44

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Einleitung

Datenschutzrechtliche Fragen haben derzeit Hochkonjunktur. Die veränderte Spitalfinan-
zierung mit der geplanten Einführung von Swiss DRG führt dazu, dass die Krankenversi-
cherer darauf pochen, ihr Recht auf Überprüfung der Wirtschaftlichkeit wahrzunehmen.
Sie fordern deshalb die flächendeckende Übermittlung derjenigen Parameter, welche die
Höhe der Vergütung nach DRG bestimmen. Diese Parameter umfassen standardmässig
Haupt- und Nebendiagnosen nach der International Classification of Diseases (ICD) 10
sowie die entsprechenden Prozeduren nach der Nomenklatur des CHOP.

Demgegenüber äussern die Datenschutzverantwortlichen Bedenken gegen diese Forde-
rungen. In Publikationen und Interviews spricht sich der Eidgenössische Datenschutzbe-
auftragte klar gegen die flächendeckende Bekanntgabe von medizinischen Daten aus. Für
ihn sind lediglich in Einzelfällen Datenbekanntgaben zulässig, aber dann immer nur über
den Vertrauensarzt. Für eine standardmässige Übermittlung von grundlegenden medizini-
schen Informationen auf der Rechnung sieht er keine Notwendigkeit. Entsprechende For-
derungen der Krankenversicherer hält er als nicht mit dem Datenschutz vereinbar.

Ziel des vorliegenden Gutachtens ist es, die juristischen Aspekte in diesem Zusammen-
hang anhand von Beispielen aus der Praxis zu hinterfragen und kritisch zu beleuchten.

Letztlich gilt es einen Ausgleich zu finden zwischen den legitimen Bedürfnissen der Versi-
cherten beim Schutz der Persönlichkeit einerseits und den Interessen der Prämienzahler
bei der effizienten Bewältigung ihrer Aufgaben andererseits.

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A. Grundprinzipien der Datenbearbeitung in der Krankenversicherung

Um die nachfolgenden Erkenntnisse besser zu verstehen, ist es notwendig, einige wenige
Grundsätze der Datenbearbeitung näher zu beleuchten. Diese Prinzipien beanspruchen
auch in der Krankenversicherung Gültigkeit.

1. Datenbearbeitung durch Bundesorgane

Die Krankenversicherer gelten als Bundesorgane im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. b DSG.
Sie dürfen nach Art. 17 Abs. 2 DSG höchstpersönliche Daten nur bearbeiten, wenn dies
für eine in einem formellen Gesetz umschriebene Aufgabe unentbehrlich ist (lit. a) oder
wenn die betroffene Person eingewilligt hat (lit. b).

Das Krankenversicherungsgesetz stellt unbestrittenermassen diese gesetzliche Grundla-
ge dar. Entsprechende Regelungen rund um den Datenschutz finden sich in Art. 84 und
84a KVG. Die mit der Durchführung sowie der Kontrolle oder der Beaufsichtigung der
Durchführung betrauten Organe sind beispielsweise befugt, Personendaten einschliess-
lich besonders schützenwerter Daten und Persönlichkeitsprofile zu bearbeiten oder bear-
beiten zu lassen, die sie benötigen, um die ihnen nach diesem Gesetz übertragenen Ar-
beiten zu erfüllen, namentlich um Leistungsansprüche zu beurteilen sowie Leistungen zu
berechnen, zu gewähren und mit Leistungen anderer Sozialversicherungen zu koordinie-
ren (Art. 84 lit. c KVG).

Die Datenbearbeitung richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Datenschutz-
gesetzes. Sie hat sich nach den grundlegenden Prinzipien der Verhältnismässigkeit,
Zweckbindung und Erforderlichkeit zu orientieren.

2. Grundsatz der Erforderlichkeit

Nach einem zentralen Prinzip des Datenschutzrechts dürfen ausschliesslich Daten be-
schafft werden, die zur Erfüllung des Gesetzesauftrages erforderlich sind. Das Prinzip der

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Erforderlichkeit kann daher auch als Ausfluss des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes ver-
standen werden. Ausdruck hierfür bildet Art. 84 KVG. Demnach dürfen die mit der Durch-
führung sowie der Kontrolle oder der Beaufsichtigung betrauten Organe Personendaten,
einschliesslich besonders schützenwerten Daten und Persönlichkeitsprofile bearbeiten
oder bearbeiten lassen, die sie benötigen, um die ihnen nach diesem Gesetz übertrage-
nen Aufgaben zu erfüllen. In Art. 84 lit. c KVG ist die Beurteilung, Berechnung und Ge-
währung von Leistungsansprüchen sowie die Koordination von Leistungen mit anderen
Sozialversicherungen ausdrücklich erwähnt.

Wenn Krankenversicherer Daten anfordern, dann ist in jedem Fall der Grundsatz der Er-
forderlichkeit zu erfüllen. Demnach dürfen nur Daten eingefordert werden, welche wenigs-
tens vom Grundsatz her geeignet und notwendig sind, den Krankenversicherern die Erfül-
lung ihrer Aufgaben zu ermöglichen. Über die Frage, welche Daten für die Erfüllung der
Aufgaben denn konkret notwendig sind, haben die Krankenversicherer einen weiten Er-
messensspielraum1.

3. Grundsatz der Zweckbindung

Eng in Zusammenhang mit dem Grundsatz der Erforderlichkeit steht der Grundsatz der
Zweckbindung. Personendaten dürfen aufgrund von Art. 4 Abs. 3 DSG nur für die Erfül-
lung der Aufgaben genutzt werden, die im gleichen Zweckrahmen liegen wie diejenigen
Aufgaben, zu deren Erfüllung sie erhoben worden sind. Der oberste Zweck der obligatori-
schen Krankenpflegeversicherung besteht darin, dass die versicherungsmässigen Vor-
aussetzungen einer umfassenden, qualitativ hochstehenden und zweckmässigen medizi-
nischen Versorgung für die gesamte Bevölkerung zu möglichst tiefen Kosten zu gewähr-
leisten sind2.

1
  K 12/06 vom 21. März 2007, Erw. 6.5; Eugster/Luginbühl (S. 83) sprechen davon, dass der Kran-
kenversicherer allein darüber entscheidet, ob gewisse Daten für die Erfüllung einer Aufgabe der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung notwendig sind.
2
  BGE 123 V 305 Erw. 6c/aa

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Die Krankenversicherer haben zusammen und neben anderen Akteuren im Gesundheits-
wesen den Auftrag, diese Aufgabe zu verwirklichen. Dies erfordert beispielsweise eine
geordnete und gesetzesmässige Leistungsgewährung, indem die Versicherung nur von
effektiv versicherten Personen in Anspruch genommen wird. Unter einer gesetzesmässi-
gen Leistungsgewährung gehört natürlich immer die Prüfung der Leistungsvoraussetzun-
gen, insbesondere auch die Prüfung der Elemente von Art. 32 Abs. 1 KVG wie Wirksam-
keit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit einer erbrachten Leistung. Die zur Feststel-
lung der Leistungsansprüche erfassten Daten dürfen nicht bloss zum Zwecke der
Leistungs- und Wirtschaftlichkeitskontrolle verwendet werden, sondern zudem für alle
Aufgaben, die dem generellen Ziel der Kosteneindämmung im Gesundheitswesen die-
nen3.

4. Der doppelte Schutzwall in der Krankenversicherung

Der Gesetzgeber war sich bewusst, dass sich die Krankenversicherer mit sehr sensiblen
Daten beschäftigen müssen. Er hat deshalb ein System mit einem doppelten Schutzwall
geschaffen: Alle Mitarbeiter der Krankenversicherer unterstehen Dritten gegenüber der
Schweigepflicht von Art. 33 ATSG. Bei einer Verletzung dieser Schweigepflicht droht Art.
92 lit. c KVG mit einer Strafe von bis zu sechs Monaten Gefängnis oder mit Busse. Diese
Vorschriften bilden den ersten Schutzwall der Krankenversicherer. Für besonders sensib-
le Sachverhalte hat der Gesetzgeber noch einen engeren Schutzwall gezogen: Gemäss
Art. 42 Abs. 5 KVG darf der Leistungserbringer in begründeten Fällen oder auf Verlangen
des Versicherten medizinische Angaben nur dem Vertrauensarzt bekannt geben. Die Ver-
trauensärzte wiederum geben gemäss Art. 57 Abs. 7 KVG den zuständigen Stellen der
Versicherer nur diejenigen Angaben weiter, die notwendig sind, um über die Leistungs-
pflicht zu entscheiden, die Vergütung festzusetzen oder eine Verfügung begründen zu
können. Die Persönlichkeit der Versicherten ist also gegenüber Aussenstehenden in dop-
pelten Masse geschützt: Eine Verletzung dieser Vorgaben zieht in jedem Fall ernsthafte
strafrechtliche Konsequenzen nach sich.

3
 Eugster/Luginbühl: Datenschutz in der Krankenpflegeversicherung in : Hürli-
mann/Jakobs/Poledna (Hrsg.): Datenschutz im Gesundheitswesen, S. 86

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Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Erkenntnis, dass der Gesetzgeber davon aus-
ging, dass auch besonders schützenswerte Daten in der Administration der Krankenversi-
cherer bearbeitet werden. Aus diesem Grunde sind sämtliche Mitarbeiter der Krankenver-
sicherer von der Schweigepflicht nach Art. 33 ATSG umfasst.

B. Verhältnis zwischen Leistungserbringer und Krankenversicherer

1. Allgemeines

Brennpunkt der meisten Auseinandersetzungen im Bereiche des Datenschutzes in der
Krankenversicherung bilden nicht etwa Streitigkeiten zwischen Krankenversicherern und
deren Kunden, sondern zwischen den Krankenversicherern und den Leistungserbringern.
Dies erstaunt auf den ersten Blick. Wer die gesetzten Anreize im Gesundheitswesen der
Schweiz aber kennt, der entdeckt rasch, dass die Diskussion um den Datenschutz vor
allem auch eine Diskussion über die Herrschaft der Information ist. Information ist in die-
sem Kontext nicht bloss Macht, sondern auch Geld.

Es stehen sich zwei Interessen gegenüber: Auf der einen Seite die Interessen der Leis-
tungserbringer und auf der anderen Seite die Interessen der Krankenversicherer, welche
auch die Interessen der Prämienzahler beinhalten. Dazwischen steht der Datenschutz mit
seinem Anliegen, die Persönlichkeit der Versicherten vor ungerechtfertigten Eingriffen zu
bewahren.

Es ist unerlässlich, den Blick auf die tatsächlich bedrohten rechtlichen Interessen des Pa-
tienten zu richten und die Datenschutzdiskussion darauf zu fokussieren, was tatsächlich
geschützt werden soll, nämlich die Persönlichkeit des Versicherten. Datenschutz soll nicht
zum Selbstzweck verkommen, Datenschutz ist nicht dazu da, Daten oder einzelne Leis-
tungserbringer zu schützen, sondern sicherzustellen, dass die Persönlichkeitsrechte der
Versicherten gewahrt werden.

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2. Welche Informationen kann der Versicherer einverlangen? Muss das Auskunfts-
begehren der Versicherer nach zusätzlichen medizinischen Informationen begrün-
det werden?

Gemäss Art 42 Abs. 3 und Abs. 4 KVG muss der Leistungserbringer dem Schuldner eine
detaillierte und verständliche Rechnung zustellen, wobei der Versicherer eine genaue
Diagnose oder zusätzliche Auskünfte verlangen kann. Über die Frage, welche Auskünfte
die Versicherer auf welche Art einfordern können, existieren unterschiedliche Positionen.

Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) verlangt in In-
terviews, dass die Beschaffung von zusätzlichen Daten ausschliesslich über den Vertrau-
ensarzt laufen soll4. Privatim, die Vereinigung der Schweizerischen Datenschutzbeauf-
tragten, gibt in ihrem Merkblatt vom 18. Dezember 2001 ein sog. Stufenmodell als Emp-
fehlung ab: In einer ersten Stufe sollen die Spitäler detaillierte und verständliche Rech-
nungen erstellen. Falls der Versicherer im Einzelfall zusätzliche Angaben benötigt, könne
er dem Leistungserbringer schriftliche, spezifische, auf jeden konkreten Fall bezogene
Fragen stellen. Er habe die Notwendigkeit der Rückfrage zu begründen. Der versicherten
Person sei zur Information eine Kopie zuzustellen. In der dritten Stufe verlangt Privatim,
dass der Versicherer zuhanden seines beratenden Arztes einen Austritts- oder Operati-
onsbericht einholt, wobei er die Notwendigkeit dieser Berichte zu begründen habe. Der
versicherten Person sei zur Information eine Kopie zuzustellen.

Die Vereinigung der Datenschützer ist also der Meinung, dass auf der Rechnung des
Leistungserbringers keine medizinischen Informationen enthalten sein dürfen, dass wei-
terführende Informationen immer über den Vertrauensarzt beschafft werden müssen und
dass einzelfallweise begründet werden muss, wozu diese Daten notwendig sind.

Das eidgenössische Versicherungsgericht hat in verschiedenen Urteilen zu einzelnen
Fragen Stellung genommen. In einem neueren Entscheid hielt das Bundesgericht u.a.
folgendes fest:

4
    Gesundheitspolitik Aktuell (SGGP), Ausgabe September 2007

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„Die Leistungserbringer müssen den Vertrauensärzten die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendi-
gen Angaben machen. Was als notwendig zu betrachten ist, liegt indessen nicht im Ermessen des
Auskunftspflichtigen, sondern wird vom Vertrauensarzt entschieden5. (...) Könnte der Vertrauens-
arzt, anstatt in erstellte ärztliche Berichte (die häufig bereits eine gute Übersicht über die erbrachten
Leistungen und die Situation des Versicherten geben) Einsicht zu nehmen, nur konkrete Fragen
stellen, so würde diese Kontrollfunktion erheblich eingeschränkt. Wenn den Krankenversicherern
jedoch sogar vorgeworfen wird, dass sie die Kontrolle der Wirtschaftlichkeit der medizinischen
Leistungen bisher zu wenig energisch wahrgenommen haben, kann es nicht angehen, dass das
Auskunftsrecht des Vertrauensarztes auf die blosse Beantwortung von Fragen beschränkt wird, was
einer effizienten und umfassenden Kontrolle nicht gerade zuträglich wäre.6“

Die Auskunftspflicht des Leistungserbringers richtet sich nicht danach, was der Leistungs-
erbringer für die Erfüllung der Aufgabe nach Art. 42 Abs. 3 als notwendig ansieht, sondern
nach dem, was der Schuldner – also der Krankenversicherer - für die Durchsetzung sei-
ner Rechte als unabdingbar erachtet7.

Im Verfahren Pflegeheime der Stadt Zürich gegen Helsana hatte die Stadt Zürich verlangt,
dass die Krankenversicherer die Einsicht in die Pflegedokumentation und die Vitalzei-
chenkontrolle im Einzelfall begründen müssten. Im Aufsehen erregenden Entscheid des
Bundesgerichtes stellte das Gericht dann folgendes fest:

„Weder Art. 42 noch Art. 8 Abs. 5 KLV enthalten eine solche Einschränkung des Auskunfts-
rechts8. Eine solche ergibt sich entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen
Auffassung auch nicht aus dem Verhältnismässigkeitsprinzip. Wenn die genannten Berichte gene-
rell geeignet und erforderlich für die Prüfung der Richtigkeit der Pflegebedarfseinstufung sind,
dann trifft dies auch auf jeden einzelnen Fall zu. Die Begründung im Einzelfall würde darauf hi-
nauslaufen, dass die Krankenversicherer darlegen müssten, weshalb sie bei einer bestimmten Per-
5
  Gebhard Eugster, Schweizerische Krankenversicherung in: Ulrich Meyer (Hrsg.): Schweizeri-
sches Bundesverwaltungsrecht: Soziale Sicherheit (2006)
6
  K 7/05 vom 18. Mai 2006, Erw. 5.2.2
7
  Eugster, Rz 686
8
  Die Stadt Zürich hatte verlangt, dass der Krankenversicherer ihr Einsichtsgesuch in jedem einzel-
nen Fall zu begründen hätte.

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13

son eine Überprüfung vornehmen wollen. Mit Blick darauf, dass es angesichts der grossen Mengen
von Abrechnungen den Versicherern nicht möglich ist, jeden einzelnen Fall zu prüfen, muss es
zulässig sein, dass sie Stichproben vornehmen, d.h. einen zufällig ausgewählten Teil der Kontrolle
unterziehen. Dem widerspräche es, wenn die Wahl der Probe im Sinne des in der Verwaltungsge-
richtsbeschwerde vertretenen Standpunktes begründet werden müsste. Es kann offensichtlich auch
nicht im Belieben des Leistungserbringers stehen, zu bestimmen, bezüglich welcher Personen die
Überprüfung erfolgt, könnte doch damit deren Zweck vereitelt werden 9.“

Das Gericht verneinte damit unmissverständlich die von der Stadt Zürich eingenommene
Position, wonach der Versicherer die Akteineinsicht im Einzelfall näher begründen müsse.
In einer Würdigung des besagten Urteils des EVG vom 21. März 2007 (BGE 133 V 359,
Pflegeheime der Stadt Zürich vs. Helsana) veröffentlicht Privatim folgende Darstellung:

„Das Merkblatt betreffend Operations- und Austrittsberichte besitzt deshalb auch unter Berücksich-
tigung dieses Bundesgerichtsentscheides weiterhin Gültigkeit. Art. 42 KVG schreibt ein stufenwei-
ses Vorgehen ausdrücklich vor. Vorab genügt eine detaillierte und verständliche Rechnung. In
Ausnahmefällen sind Zusatzinformationen erforderlich. Im Einzelfall darf der Leistungserbringer
vom Versicherer erwarten, dass dieser mitteilt, welche Zusatzinformationen weshalb benötigt wer-
den. In einem weiteren Schritt kann es in begründeten Fällen vorkommen, dass die Operations- und
Austrittsberichte für die Überprüfung des Einzelfalles ebenfalls beigezogen werden müssen. Das
im Merkblatt vorgeschlagene Vorgehen hat deshalb im Einzelfall nach wie vor seine Berechtigung,
soll die Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzips nicht völlig ausgehöhlt werden. „

Angesichts des oben dargelegten gerichtlichen Verdiktes ist es schwer verständlich, wie
Privatim ihre Position und die damit verbundene Empfehlung weiterhin aufrechterhalten
kann. Denn in besagtem Urteil führte das Gericht weiter aus:

„Im Hinblick auf das Verhältnismässigkeitsprizip ist auch der Verwaltungsaufwand für alle Betei-
ligten zu würdigen 10. Auch unter diesem Aspekt kann vom Versicherer nicht verlangt werden, dass
er – wie das die Beschwerdeführerin vorschlägt – jeweils zunächst im Einzelfall spezifische Fragen

9
    K 12/06 vom 21. März 2007, Erw. 8.1
10
    Eugster/Luginbühl, S. 103 ff.

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stellt und anschliessend das Herausgabebegehren eingehend begründet. Dies wäre überdies auch
für die Leistungserbringer mit einem erheblichen zusätzlichen Aufwand verbunden. Zudem wäre
ein solches Vorgehen auch nicht im Interesse der Versicherten, weil es eine grosse zeitliche Verzö-
gerung verursachten könnte, während welcher die Berechtigung der Vergütung nicht abgeklärt und
die Vergütung daher verweigert werden kann (Art. 56 Abs. 1 KVG). Schliesslich würde die Be-
antwortung dieser Fragen selber - soll sie überhaupt aussagekräftig sein – wieder eine zusätzliche
Bearbeitung von besonders schützenwerten Personendaten darstellen, die vermeiden werden kann,
wenn bloss diejenigen Daten herausgegeben werden, die ohnehin schon vorhanden sind. Das von
der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Verfahren würde damit bloss auf eine sinnlose und schi-
kanöse Erschwerung der Wirtschaftlichkeitskontrolle hinauslaufen.11

Im Gegensatz zu einzelnen Datenschutzbeauftragten misst das Bundesgericht auch der
Wirtschaftlichkeit der Wirtschaftlichkeitsprüfung Bedeutung zu und legt in ungewöhnlich
klaren Worten dar, dass die von der Stadt Zürich vertretene Position unhaltbar ist. Ange-
sichts der Tatsache, dass auch der Verwaltungsaufwand der Krankenversicherer über die
Allgemeinheit finanziert werden muss, kann es eben nicht gleichgültig sein, dass die
Krankenversicherer ihre Aufgaben unzweckmässig oder nur mit einem unverhältnismäs-
sigen Aufwand betreiben müssen. Der von den Datenschützern vertretenen Position wird
damit eine klare Absage erteilt.

Zwischenfazit:
Der Leistungserbringer muss dem Krankenversicherer diejenigen Daten und Dokumente
aushändigen, welche vom Krankenversicherer als für die Erfüllung seiner Aufgabe not-
wendig betrachtet werden. Diese Notwendigkeit muss der Versicherer nicht einzelfallwei-
se begründen, sondern er kann bereits bestehende Dokumente einfordern.

11
     K 12/06 vom 21. März 2007, Erw. 8.2

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3. Müssen medizinische Informationen immer an den Vertrauensarzt oder dürfen sie
an die Verwaltung der Versicherer gesandt werden? Art. 42 Abs. 3 und Abs. 4 und
Abs. 5 im Lichte von Art. 57 Abs. 6 und Abs. 7 KVG?

Art. 42 Abs. 3 KVG legt fest, dass der Leistungserbringer dem Schuldner eine detaillierte
und verständliche Rechnung zustellen muss. Er muss ihm auch alle Angaben machen,
die er benötigt, um die Berechnung der Vergütung und die Wirtschaftlichkeit der Leistung
überprüfen zu können. Art. 42 Abs. 4 KVG legt zudem fest, dass der Versicherer eine
genaue Diagnose oder zusätzliche Auskünfte medizinischer Natur verlangen darf. Ergän-
zend fügt Art. 42 Abs. 5 an, dass der Leistungserbringer in begründeten Fällen berechtigt
und auf Verlangen der versicherten Person verpflichtet ist, medizinische Angaben nur
dem Vertrauensarzt des Versicherers nach Art. 57 KVG bekannt zu geben.

Die Auslegung der Datenschutzbeauftragten dieser gesetzlichen Vorgaben geht dahinge-
hend, dass in Art. 42 Abs. 3 – wenn überhaupt – standardmässig eine sehr grobe medizi-
nische Information vorgesehen ist, währenddem alle detaillierten medizinischen Informati-
onen ausnahmslos über den Vertrauensarzt zu laufen haben. Genaue Diagnosen gehö-
ren nach Meinung der Datenschutzbeauftragten nicht zu denjenigen Informationen, wel-
che systematisch bekannt zu geben sind. Diese dürften nur im Rahmen von genauen Ab-
klärungen im Einzelfall verlangt werden, welche nach Ansicht der Datenschützer gemäss
Art. 42 Abs. 5 ausschliesslich über den Vertrauensarzt laufen müssen12.

Komplett anders werden die Bestimmungen von Art. 42 KVG durch den Ombudsmann der
sozialen Krankenversicherung interpretiert:

Gemäss Art. 42 Abs. 4 kann der Versicherer zusätzliche medizinische Angaben verlan-
gen, nach Art. 42 Abs. 5 kann der Leistungserbringer in begründeten Fällen diese Infor-
mation an den Vertrauensarzt des Versicherers richten; auf Verlangen des Versicherten
darf er die medizinischen Auskünfte nur dem Vertrauensarzt geben. Art. 42 Abs. 5 wäre
überflüssig, würde man annehmen, dass die zusätzliche medizinischen Informationen
zwingend immer über den Vertrauensarzt des Versicherers laufen müssten. Grundsätzlich

12
     siehe das Stufenmodell von Privatim auf S. 6

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dürfen medizinische Informationen nicht nur im Sinne einer Ausnahme an die Verwaltung
der Krankenversicherer gesandt werden; dieser Sachverhalt stellt sogar den gesetzlichen
Regelfall dar! Nur in begründeten Fällen gehen die medizinischen Informationen an den
Vertrauensarzt des Krankenversicherers13.Es ist deshalb irrig anzunehmen, dass medizi-
nische Informationen zwingend über den Vertrauensarzt laufen müssen. Das Gegenteil ist
der Fall. Laut Gesetzgeber sollen die Informationen direkt an den Krankenversicherer
gerichtet werden, nur in einem begründeten Ausnahmefall sollen die medizinischen Infor-
mationen an den Vertrauensarzt gesandt werden.

Unbestritten ist, dass der Leistungserbringer auf Verlangen des Versicherten die zusätzli-
chen medizinischen Auskünfte nur dem Vertrauensarzt bekannt geben darf. Der Versi-
cherte muss diesen Entscheid gegenüber dem Krankenversicherer auch nicht begründen.
Der behandelnde Arzt hat diesen Entscheid des Versicherten zu respektieren. Grundsätz-
lich wäre auch denkbar, dass der Versicherte seinem Arzt sogar verbietet, irgendwelche
Informationen bekannt zu geben, nicht einmal dem Vertrauensarzt. Diese Anordnung kä-
me dann allerdings der Verletzung der Mitwirkungspflicht gleich, was wohl meist in einer
Ablehnung der Leistungspflicht des Krankenversicherers münden wird.

Fraglich ist in diesem Kontext lediglich, in welchen Fällen der Leistungserbringer von sich
aus die Angaben nur dem Vertrauensarzt machen darf. Art. 42 Abs. 5 spricht davon, dass
er in begründeten Fällen hierzu berechtigt ist. Zunächst ist zu beachten, dass der Versi-
cherte frei darüber entscheiden kann, ob er seine Daten der Verwaltung des Krankenver-
sicherers zur Verfügung stellen will oder ob er den Leistungserbringer verpflichten möchte
diese Daten nur dem Vertrauensarzt zur Verfügung zu stellen. Diese Freiheit ist letztlich
Ausdruck des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.

Es kann aber durchaus Situationen geben, in welchen der Versicherte seinen freien Wil-
len nicht mehr äussern und dieses Recht nicht mehr ausüben kann. In Betracht kommen
dabei Situationen, in welchen der Versicherte beispielsweise im Koma liegt oder aus
sonstigen Gründen (z.B. schwere psychische Störungen) nicht dazu in der Lage ist, sein
Recht auszuüben. In solchen Sachverhalten ist es Aufgabe des Leistungserbringers, über

13
     Eugster/Luginbühl, S. 101

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die allfällige Datenbekanntgabe nur an den Vertrauensarzt zu entscheiden. Eine solche
Interessensabwägung zugunsten des Versicherten ist im Behandlungsvertrag zwischen
Leistungserbringer und Versicherten eingeschlossen14.

Nach Meinung von Kieser können als begründete Fälle gemäss Art. 42 Abs. 5 nur Aus-
nahmefälle gemeint sein, in welchen die Versicherten nicht mehr selber über die Aus-
übung ihrer Rechte entscheiden können. In allen anderen Fällen wäre die Weiterleitung
der medizinischen Informationen nur an den Vertrauensarzt ein Missbrauch der auftrags-
rechtlichen Stellung15.

Die Interpretation von Kieser ist insofern überzeugend, als dass sie mit dem eigentlichen
Schutzobjekt des Datenschutzes übereinstimmt, nämlich der Persönlichkeit des Versi-
cherten. Andere Motive, wie beispielsweise der Schutz des Leistungserbringers vor Über-
prüfungen durch den Krankenversicherer, sind dabei nicht zu schützen. Es steht dem
Versicherten frei darüber zu befinden, wem er seine Daten offen legt. Das Recht der in-
formationellen Selbstbestimmung ermächtigt den Bürger Einfluss zu nehmen darauf, wer
seine Daten bearbeitet. Dieses Grundrecht geht aber im Regelfall nicht auf den Leis-
tungserbringer über, wenn der Versicherte von diesem Recht keinen Gebrauch macht und
damit keine Abweichung vom gesetzlich vorgesehenen Transfer an den Versicherer
möchte. Ein Verzicht auf die Ausübung dieses Rechts ist auch durch den Leistungserbrin-
ger zu akzeptieren. Verzichtet der Versicherte also auf sein Recht, seine medizinischen
Daten nur dem Vertrauensarzt bekannt zu geben, kann dieser Verzicht nicht durch einen
Ermessenspielraum des Leistungserbringers ersetzt werden. Ein solches Recht kommt
nur im Sinne einer Ausnahmeregelung zum Tragen, wenn der Versicherte an der Aus-
übung seiner Rechte verhindert ist.

Es kann also nicht angehen, dass ein Leistungserbringer regelmässig – mangels einer
Vorgabe oder gar trotz eines anders lautenden Wunsches des Versicherten - eine Über-
mittlung der medizinischen Daten prinzipiell nur an den Vertrauensarzt vornimmt, obwohl

14
     Kieser, Auslegung des Begriffes „begründete Fälle“, S. 4 (internes Gutachten für Helsana)
15
     Kieser, Seite 4

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die Daten von der Administration der Versicherer verlangt wurden. Auch ein solches Ver-
halten käme nach Kieser einem Rechtsmissbrauch gleich16.

Vom Grundsatz her wird in den Bestimmungen von Art 42 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 5
also festgehalten, dass die Verwaltung des Versicherers zusätzliche Auskünfte medizini-
scher Natur verlangen darf. Der Gesetzgeber sah es nur in Ausnahmefällen als notwendig
an, dass diese Auskünfte an den Vertrauensarzt gehen sollen. Insofern bildet Abs. 4 den
Grundsatz und Abs. 5 die dazugehörende Ausnahme. Die Forderungen des EDÖB, dass
medizinische Auskünfte immer über den Vertrauensarzt gehen sollen, überzeugen des-
halb nicht.

Es gibt in der Krankenpflege-Leistungsverordnung verschiedene Situationen, in welchen
der Vertrauensarzt als Kostengutsprache-Instanz explizit erwähnt wird. So hat er gemäss
Art. 3a KLV über die Fortsetzung von Psychotherapien zu befinden. Auch bei der Über-
nahme von Medikamenten kann es vorkommen, dass die therapeutische Limitation eines
Arzneimittels die vorgängige Kostengutsprache des Vertrauensarztes verlangt (v.a. bei
onkologischen Präparaten wie z.B. Avastin oder Mabthera). Es gibt weitere medizinische
Situationen, in welchen eine vorgängige Begutachtung durch den Vertrauensarzt vom
Gesetzgeber gefordert wird. Es handelt sich bei diesen Fällen aber immer um eine vor-
gängige medizinische Prüfung, welche mit einer Rechnungs- und Wirtschaftlichkeitskon-
trolle im eigentlichen Sinn nichts zu tun hat. Bei den medizinischen Prüfungen des Ver-
trauensarztes existiert noch gar keine Rechnung; die Rechnung bildet hingegen den Aus-
gangspunkt für eine Wirtschaftlichkeitsprüfung. Insofern sind die gesetzlichen Fälle der
Leistungsverordnung oder auch der Spezialitätenliste konkrete Anwendungsfälle der me-
dizinischen Beratung entsprechend Art. 57 Abs. 4 KVG. Wie diese Aufgaben vom Ver-
trauensarzt organisatorisch bewältigt werden (z.B. mittels Beizug von Hilfspersonen), liegt
ausserhalb der Betrachtung dieser Arbeit. Sie tangieren die vorliegenden Fragen in bezug
auf die Rechnungsprüfung nicht.

Eine andere Frage ist, ob die Versicherer überhaupt berechtigt sind, sämtliche Anfragen
in medizinischer Sicht über den Vertrauensarzt zu organisieren. Gemäss Art. 57 Abs. 4

16
     Kieser, S. 5

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KVG beraten die Vertrauensärzte die Versicherer in medizinischen Fachfragen sowie in
Fragen der Vergütung und der Tarifanwendung. Während die medizinische Beratung und
die Voraussetzungen an die Person des Vertrauensarztes im Vertrauensarztvertrag zwi-
schen santésuisse und der FMH vom 14.12.2001 weiter konkretisiert sind, schweigt sich
dieser Vertrag darüber aus, was denn unter einer Beratung über Vergütung und Tarifan-
wendung zu verstehen ist. Hier gibt es offensichtliche Überschneidungen mit der Admi-
nistration des Krankenversicherers, beinhaltet die Prüfung von Zweckmässigkeit und
Wirtschaftlichkeit einer Behandlung natürlich auch die Komponente der Tarifanwendung.
Die Entscheidungskompetenz über die Vergütung einer Leistung liegt immer bei der Ad-
ministration des Versicherers; allfällige Ablehnungen sind deshalb auch immer zwingend
zu begründen. Wenn der Versicherer dies gewährleisten kann, ist es nicht verboten, den
Vertrauensarzt mit weiteren Aufgaben zu belasten. Solange die Vertrauensärzte ihre fach-
liche Unabhängigkeit bewahren, bleibt es den Versicherern grundsätzlich unbenommen
zu entscheiden, ob sie die Kontrollen ausschliesslich über den Vertrauensarzt organisie-
ren wollen oder über ihre Administration. Der Weg über den Vertrauensarzt darf aber nicht
dazu führen, dass sämtliche Dokumente am Ende doch in der Verwaltung landen. Wenn
die Dokumente und Angaben einmal beim Vertrauensarzt sind, dann darf dieser diese
Dokumente nur noch eingeschränkt der Verwaltung zur Verfügung stellen17.

Zwischenfazit:
Der Krankenversicherer hat rechtlich betrachtet die Möglichkeit, die Zustellung von medi-
zinischen Informationen zuhanden der Verwaltung zu verlangen. Nur in Ausnahmefällen
darf der Leistungserbringer die Zustellung an die Verwaltung verweigern, nämlich dann,
wenn der Versicherte dies ausdrücklich verlangt hat oder wenn ein begründeter Fall vor-
liegt. An Stelle des Versicherten darf der Leistungserbringer nur entscheiden, wenn die
Persönlichkeit des Versicherten bedroht ist und der Versicherte nicht mehr selber ent-
scheiden kann. Eine generelle Weigerung des Leistungserbringers der Verwaltung Akten
zuzustellen – beispielsweise aus prinzipiellen Gründen – wäre hingegen rechtsmiss-
bräuchlich.

17
     siehe nachfolgende Ausführungen zu „Verhältnis von Vertrauensarzt und Verwaltung“

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4. Muss der Versicherte über das Auskunftsbegehren der Versicherer informiert
werden?

Wie bereits dargelegt hat der Versicherte grundsätzlich das Recht über die Bearbeitung
der Daten im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zu verfügen. Das Recht auf informatio-
nelle Selbstbestimmung bezeichnet das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über
die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen. Um ein
Recht aber ausüben zu können, muss man einerseits dieses Recht überhaupt kennen
sowie über den Sachverhalt informiert werden, in welchem man dieses Recht ausüben
kann.

Es ist unbestritten, dass der Leistungserbringer den Versicherten nicht um Erlaubnis fra-
gen muss, wenn er medizinische Daten dem Krankenversicherer übermittelt. Eugster
spricht in diesem Zusammenhang von einer Offenbarungspflicht des Leistungserbringers
und einer Offenbarungsermächtigung18, die es den Leistungserbringern erlaubt, dem
Krankenversicherer auch detaillierte medizinische Daten bekannt zu geben, ohne dazu
die vorgängige Zustimmung des Patienten einholen zu müssen. Da die Leistungserbringer
zur Offenbarung aufgrund von Art. 42 Abs. 3 und Abs. 4 ohne Einwilligung des Patienten
verpflichtet sind, stellt die entsprechende Datenweitergabe ohne Einwilligung des Patien-
ten keine Verletzung des Berufgeheimnisses nach Art. 321 StGB dar.

Die grundsätzliche Möglichkeit des Versicherten, seine Daten gegenüber der Verwaltung
der Versicherer unzugänglich zu machen, ist ein Ausdruck der informationellen Selbstbe-
stimmung. Um dieses Recht aber ausüben zu können, ist es notwendig im Einzelfall dar-
über informiert zu sein, dass eine solche Übermittlung überhaupt ansteht.

Es würde dem Schutze des Versicherten zu Gute kommen, wenn jede Anfrage der Ver-
waltung auch mit einer Kopie an den Versicherten begleitet wird. Erst die Kenntnis, dass
eine entsprechende Anfrage an den Arzt gemacht wurde, eröffnet dem Versicherten die
Möglichkeit einer Intervention bei seinem Leistungserbringer. Diese Möglichkeit ist ihm
meines Erachtens in sensitiven Situationen einzuräumen.

18
     Eugster, S. 624, RZ 683

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21

In diese Richtung zielt auch die Revision des Datenschutzgesetzes, welches in Art. 7a
DSG vorsieht, dass die betroffene Person über die Beschaffung von höchstpersönlichen
Daten durch den Inhaber der Datensammlung informiert werden muss. Wichtig für die
Krankenversicherung ist aber, dass die Informationspflicht gemäss Art. 7a Abs. 4 lit. a
DSG entfällt, wenn die Speicherung oder die Bekanntgabe der Daten ausdrücklich durch
das Gesetz vorgesehen ist. Die Tatsache, dass die Leistungserbringer in Art. 42 Abs. 3
und Abs. 4 KVG eine gesetzliche Offenbarungspflicht haben, führt dazu, dass die Einho-
lung von medizinischen Informationen nicht unter die Informationspflicht von Art. 7a DSG
subsumiert werden kann. Die Versicherten müssen also nicht darüber informiert werden,
wenn medizinische Daten beim Leistungserbringer angefragt werden19.

Die Krankenversicherer sind also rechtlich nicht verpflichtet, die Versicherten über ihr Be-
gehren zu informieren. Es steht Ihnen aber frei, den Versicherten im Sinne einer vertrau-
ensbildenden Massnahme freiwillig zu informieren. Dies sollten sie meines Erachtens in
Situationen, in welchen es um heikle medizinische Sachverhalte geht, in Erwägung zie-
hen. Heikel sind die medizinischen Informationen immer dann, wenn sie grundsätzlich
geeignet sind, die Persönlichkeit des Versicherten zu verletzen. In Frage kommen dabei
beispielsweise Informationen über Geschlechtskrankheiten und Erkrankungen der Psy-
che. Wichtig ist hierbei, dass der Versicherte proaktiv agieren muss, wenn er die Zustel-
lung an die Verwaltung unterbinden möchte. Eine entsprechende Datenfreigabe an die
Adresse des übermittelnden Leistungserbringers durch den Versicherten ist nach wie vor
nicht notwendig. Wenn eine entsprechende Weisung trotz Information des Versicherten
ausbleibt, dann muss der Leistungserbringer die entsprechende Information der Verwal-
tung des Versicherers zustellen.

19
 gleich sieht es das Rechtsgutachten von H+: Elisabeth Lang/Roland Miotti vom 28.
März 2008, Punkt 5.2.3.2. Seite 38

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22

Zwischenfazit:
Der Krankenversicherer muss auch aufgrund der neuen Regelung im Datenschutzgesetz
die Versicherten nicht darüber informieren, wenn er beim Leistungserbringer zusätzliche
medizinische Informationen einfordert. Sofern die Krankenversicherung die Zustellung der
Unterlagen zuhanden der Verwaltung verlangt, dann halte ich es für angezeigt, dass der
Versicherte in heiklen medizinischen Situationen über dieses Begehren mittels Kopie in-
formiert wird. Reagiert der Versicherte nicht, dann muss der Leistungserbringer die Daten
an die Verwaltung der Krankenversicherer zustellen.

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C Verhältnis zwischen Vertrauensarzt und Verwaltung

Die Vertrauensärzte beraten die Versicherer in medizinischen Fachfragen sowie in Fragen
der Vergütung und Tarifanwendung. Sie überprüfen insbesondere die Voraussetzungen
der Leistungspflicht des Versicherers (Art. 57 Abs. 4 KVG). Gemäss Art. 57 Abs. 6 müs-
sen die Leistungserbringer die zur Erfüllung dieser Aufgaben notwendigen Angaben lie-
fern. Dies beinhaltet beispielsweise auch das Recht, bereits erstellte Operations- oder
Austrittsberichte einzufordern. Die Vertrauensärzte müssen gegenüber den Leistungserb-
ringern nicht begründen, weshalb sie welche Berichte oder Informationen benötigen. Die
Rechnungskontrolle, welche der Versicherer vornehmen muss, dient nicht zuletzt der
Kontrolle über die Leistungserbringer. Schon aus dieser Zielsetzung ergibt es sich, dass
entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht20 nicht vom Leistungserbringer zu be-
urteilen ist, welche Angaben er dem Versicherer liefert, würde doch sonst der zu Kontrol-
lierende selber den Umfang der Kontrollen festlegen. Vielmehr richtet sich der Umfang der
Auskunftspflicht danach, was der Versicherer für die Durchsetzung seiner Rechte und der
Pflicht zur Kontrolle der Wirtschaftlichkeit gemäss Art. 32 KVG als notwendig erachtet21.

Seit dieser unmissverständlichen Formulierung im EVG-Entscheid Pflegeheime der Stadt
Zürich besteht seitens der Leistungserbringer kein Raum für die Verweigerung von medi-
zinischen Unterlagen zuhanden des Vertrauensarztes. Denkbar ist höchstens der Sach-
verhalt, wonach der Versicherte es dem behandelnden Arzt verbietet, dem Versicherer –
auch nicht dem Vertrauensarzt – Informationen zu geben. Das Recht auf informationelle
Selbstbestimmung liesse zwar diese Möglichkeit zu, allerdings mit der Konsequenz, dass
diese Weigerung dem Versicherten als Verletzung seiner Mitwirkungspflicht auslegt wird.
Dies führt dazu, dass er seinen Rückerstattungsanspruch verliert und der Krankenversi-
cherer die Zahlung der Rechnung verweigern werden kann. Diese Situation tritt in der
Praxis denn auch in den seltensten Fällen ein. Es bleibt festzuhalten, dass die Leistungs-
erbringer einer Offenbarungspflicht gegenüber dem Krankenversicherer unterstehen22.

20
   GEHRING/THEILER/BREITSCHMID, Weitergabe von Patientendaten an Versicherer im
Spannungsfeld von Kostendruck und Persönlichkeitsrecht, Schweizerische Ärztezeitung 2005 S.
2751 ff., 2753 und 2755
21
   K 12/06 vom 21. März 2007, Erw. 6.5
22
   Eugster/Luginbühl S. 99

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24

Gemäss Art. 57 Abs. 7 KVG geben die Vertrauensärzte den zuständigen Stellen der Ver-
sicherer nur diejenigen Angaben weiter, die notwendig sind, um über die Leistungspflicht
zu entscheiden, die Vergütung festzusetzen oder eine Verfügung zu begründen. Dabei
müssen sie die Persönlichkeitsrechte des Versicherten wahren.

Auszuleuchten ist in diesem Kontext, welche Informationen der Vertrauensarzt der Ver-
waltung genau als Information weitergeben darf. Bislang gelebte Praxis war es, dass der
Vertrauensarzt der Verwaltung lediglich die Schlussfolgerung seiner Abklärungen übermit-
telt hat. Diese Praxis deckt sich mit dem Vertrag, welchen santésuisse mit der FMH abge-
schlossen hat („Vertrauensarztvertrag“). Darin ist in Art. 8 Abs. 3 lit. b ausgeführt, dass
der Vertrauensarzt nach Möglichkeit nur die medizinischen Schlussfolgerungen weitergibt.
Die rechtliche Problematik liegt darin, dass sich oft nach juristischen Gründen beurteilt,
welche Sachverhaltselemente bedeutsam und weitergabebedürftig sind. Das KVG erwar-
tet folglich vom Vertrauensarzt eine juristische Kompetenz, über die er im Normalfall nicht
verfügt 23. Es ist daher nicht ohne weiteres gewährleistet, dass der Verwaltungsentscheid
in Kenntnis aller rechtlich erheblichen Tatsachen erfolgt24. Die Weiterleitung der Schluss-
folgerungen führt zuweilen dazu, dass sich die Entscheidträger mit Leerformeln begnügen
müssen. Diese Leerformeln genügen der rechtlichen Begründungspflicht nicht. Die Pflicht
einer nachvollziehbaren Begründung gehört zu Grundpflichten der öffentlichen Verwaltung
und stellt bei Nichtbeachtung die Verletzung des rechtlichen Gehörs dar. Eine nicht nach-
vollziehbare Verfügung des Krankenversicherers verletzt damit ein verfassungsmässiges
Recht des Versicherten.

In diesem Zusammenhang ist eine praxisnahe Auslegung der Weitergabepflicht gemäss
Art. 57 Abs. 7 anzustreben, die den rechtlichen Anforderungen entspricht. Für die norma-
len Fälle reichen die Schlussfolgerungen des Vertrauensarztes in der Regel völlig aus. Es
gibt aber auch Fälle, in welchen es nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch sensib-
le medizinische Informationen an die Entscheidträger der Verwaltung weitergegeben wer-
den müssen. Gerade in Situationen, welche viel juristisches oder versicherungstechni-

23
     Eugster/Luginbühl S. 112
24
     Eugster, Rz. 226

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sches Knowhow erfordern, muss der Einbezug der Fachspezialisten der Leistungsabtei-
lungen oder Rechtsdienste möglich bleiben. Diesen Ausnahmen trägt der Vertrauensarzt-
vertrag dahingehend Rechnung, dass sich die Weitergabe „nach Möglichkeit“ auf die
Schlussfolgerungen beschränken soll. Der Begründung von Entscheiden kommt immer
dann eine erhöhte Bedeutung zu, wenn Versicherungsleistungen definitiv abgelehnt wer-
den müssen und zu diesem Zweck Verfügungen erlassen werden. Den Entscheidträgern
der Verwaltung – nur diesen und damit nicht allen in der Verwaltung tätigen Personen -
sollten spätestens zu diesem Zeitpunkt die medizinischen Fakten offengelegt werden,
damit sie ihrer Begründungspflicht nachkommen können. Diese Forderung deckt sich
auch mit Art. 57 Abs. 7 KVG, wonach die Vertrauensärzte dem Versicherer diejenigen
Angaben weitergibt, die dieser benötigt, um zum Beispiel eine Verfügung gegenüber dem
Versicherten zu begründen.

Hierbei darf nicht vergessen gehen, dass das KVG eine doppelte Schutzfunktion bietet:
Auch ein Sachbearbeiter in der Leistungsabteilung eines Versicherers ist der Schweige-
pflicht nach Art. 33 ATSG unterstellt. Die Verletzung der Schweigepflicht ist gemäss Art.
92 KVG mit einer Strafandrohung von einer maximalen Gefängnisstrafe von sechs Mona-
ten versehen. Für den Persönlichkeitsschutz des Versicherten ist von grosser Bedeutung,
dass eben nicht nur die Vertrauensärzte einer Schweigepflicht unterstehen, sondern
sämtliche Mitarbeiter des Krankenversicherers, auch wenn seitens der Datenschützer
gerne das Gegenteil suggeriert wird.

Zwischenfazit:
Die heutige Praxis, wonach der Verwaltung nur die medizinischen Schlussfolgerungen
mitgeteilt werden, stellt an die Vertrauensärzte auch hohe Anforderungen im juristischen
Bereich. Gerade in Situationen, in welchen eine Verfügung erlassen werden muss, ist es
zwingend, dass die erlassende Stelle innerhalb der Verwaltung über den medizinischen
Sachverhalt informiert ist. Nur so kann sie ihrer Verpflichtung der Begründung ihres Ent-
scheides überhaupt nachkommen. Der Datenschutz ist dadurch aber nicht gefährdet, weil
alle Mitarbeiter des Krankenversicherers der Schweigepflicht von Art. 33 ATSG unterste-

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hen und der Krankenversicherer die Bearbeitung nach den datenschutzrechtlichen Anfor-
derungen ausüben muss.

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D. Wie prüfen die Krankenversicherer eine Rechnung? Was beinhaltet eine Rech-
nungsprüfung?

Bei der nachfolgend zu untersuchenden Frage, ob in Tarifverträgen vereinbart werden
darf, dass auch Diagnosen auf der Rechnung aufgeführt werden, geht es mithin immer
auch um Fragen der Rechnungsprüfung und Wirtschaftlichkeitsprüfung. In der Literatur
werden diese Begriffe meist sehr abstrakt verwendet. Nachfolgend soll aufgezeigt wer-
den, was der Krankenversicherer im Rahmen einer solchen Prüfung überhaupt erledigen
und überprüfen muss.

Der EDÖB und andere Instanzen sind der Ansicht, dass die Krankenversicherer eigentlich
gar keine personenbezogenen medizinischen Daten benötigen, um die Wirtschaftlichkeit
der Leistungserbringer zu prüfen. Die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringer könne
problemlos mit statistischen Instrumenten geprüft werden. Hierzu seien die einzelnen per-
sonenbezogene Diagnosedaten gar nicht notwendig.

Der EDÖB geht von einer falschen Vorstellung der Wirtschaftlichkeitsprüfung aus. Er ver-
steht die Wirtschaftlichkeitsprüfung als eine Prüfung, welche ohne Bezug zum Versicher-
ten bzw. zum Patienten erfolgt und welche das Handeln des Leistungserbringers mit sta-
tistischen Methoden erfasst. Für solche statistischen Prüfungen sind in der Tat keine pati-
entenspezifischen Informationen notwendig. Solche Prüfungen erfolgen über rein statisti-
sche Methoden wie beispielsweise über die Durchschnittskostenmethode bei den Ärzten,
welche von santésuisse auf Auftrag der Versicherer durchgeführt wird.

Dies ist allerdings nur ein Teil der Prüfungen und Kontrollen, zu welchen der Krankenver-
sicherer verpflichtet ist. Art. 32 KVG besagt, dass alle Leistungen wirksam, zweckmässig
und wirtschaftlich sein müssen. Darin wird also nicht nur ein Gebot der Wirtschaftlichkeit
für die Leistungserbringer aufgestellt, sondern es beinhaltet auch eine Wirtschaftlichkeit
der einzelnen Tätigkeit eines Leistungserbringers. Diese Wirtschaftlichkeit wird im Rah-
men der Rechnungskontrolle geprüft, d.h. jede Rechnung bzw. die darin aufgeführten
Leistungen eines Arztes oder eines Spitals werden darauf geprüft, ob sie wirksam,
zweckmässig und wirtschaftlich waren. Diese Art von Rechnungsprüfung kann nicht durch

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