MEINUNGS-ÄUSSERUNGS- UND MEDIENFREIHEIT - ETC Graz

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MEINUNGS-ÄUSSERUNGS- UND MEDIENFREIHEIT - ETC Graz
M E I N U N G S Ä U S S E RU N G S - U N D M E D I E N F R E I H E I T   343

                  ME INUNGS­
            ÄUSSERUNGS- UND
             MEDIENFREIHEIT

                                             BESTANDTEILE DES RECHTS

        ERLAUBTE UND UNZULÄSSIGE EINSCHRÄNKUNGEN

   VERBOT DER BEFÜRWORTUNG VON HASS UND GEWALT

       BEDEUTUNG FÜR DEMOKRATIE UND GESELLSCHAFT

MENSCHENRECHTE IN DER INFORMATIONSGESELLSCHAFT

 „Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung;
 dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen
 sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informatio-
 nen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“
                Art. 19, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. 1948.
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      GESCHICHTEN ZUR ILLUSTRATION

      Sri Lanka: Dr. Manorani Saravanamuttu war dies wegen einer Meinungsumfrage, deren Er-
      die Mutter von Richard de Zoysa, einem Jour- gebnisse noch gar nicht gesendet worden wa-
      nalisten, der 1990 in Sri Lanka entführt und ren, von denen Stošic jedoch annahm, dass sie
      getötet wurde. Dr. Saravanamuttu ging in die in böswilliger Absicht erfolgte. Die Vereinigung
      Öffentlichkeit, um die Wahrheit über den Mord der Unabhängigen Elektronischen Medien
      an ihrem Sohn ans Licht zu bringen. Sie stellte (ANEM) ruft die zuständigen Behörden, ins-
      den Behörden Informationen zur Verfügung, um besondere das Innenministerium sowie das
      eine Untersuchung des Verbrechens zu erwirken. Ministerium für Kultur und Information auf,
      Aber alles, was sie daraufhin erhielt, war ein die Journalisten und den verantwortlichen Re-
      Brief der Behörden mit dem Inhalt: „Beklagen dakteur von Radio OK zu schützen.
      Sie den Tod Ihres Sohnes. Als Mutter ist das Ihre Quelle: http://cm.greekhelsinki.gr/index.php?
      Pflicht. Andere Schritte werden zu Ihrem Tod cid=1161&sec=194
      führen, wenn Sie es am wenigsten erwarten.
      Nur das Schweigen wird Sie schützen.“             Kroatien: Entsprechend einer SEEMO vorlie-
      Quelle: Jan Bauer. 1996. Only Silence will genden Information vom 6. Dezember 2005
      protect You, Women. Freedom of Expression hat der Herausgeber der kroatischen Wochen-
      and the Language of Human Rights. Montre- zeitung Feral Tribune, Drago Hedl, eine briefli-
      al: International Centre for Human Rights and che Todesdrohung erhalten. Hedl gab an, dass
      Democratic Development.                           der Anlass für die Todesdrohung an ihn und
                                                        seine Quelle eine Artikelserie über die Folte-
      Belgrad: Am 6. September 2005 wurde der rungen und Ermordungen von serbischen Zi-
      für aktuelle Fragen verantwortliche Journalist vilistInnen in Osijek im Jahr 1991 sei, die er
      von Radio OK, Saša Stojkovic, von zwei Mit- in Feral Tribune veröffentlich hatte. Das war
      gliedern der serbischen Radikalen Partei im nicht das erste Mal, dass Hedl eine Todesdro-
      Gemeinderat von Vranje beschimpft und mit hung erhalten hat.
      physischer Gewaltanwendung bedroht. Darauf Quelle: http://www.seemo.org/content/view­
      folgte, nur Tage später, ein Telefonanruf vom /­64/66
      Vorsitzenden des Gemeinderates, Nenad Stošic,
      der Stojkovic mit dem Einsperren bedrohte. All Diskussionsfragen
                                                        1. Wer hat in diesen Berichten welche Men-
                                                           schenrechte verletzt?
                                                        2. Welche Gründe könnten Einschränkungen
                                                           des Rechts auf Meinungs- und Medienfrei-
                                                           heit rechtfertigen?
                                                        3. Was sollte getan werden, um diese Freihei-
                                                           ten besser zu schützen?
                                                        4. Was können Opfer dieser Menschenrechts-
                                                           verletzungen tun?
                                                        5. Welche Verpflichtungen haben verantwor-
                                                           tungsbewusste JournalistInnen?
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Was man wissen muss

1. Bedeutung in Vergangenheit                   Im Jänner 1941 verkündete US-Präsident Roo-
   und Gegenwart                                sevelt, dass die Freiheit der Rede und der freien
                                                Meinungsäußerung eine der vier grundlegen-
Das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Mei- den Freiheiten sei, auf denen sich nach dem
nungsäußerung beinhaltet auch „die Freiheit, Zweiten Weltkrieg eine neue Welt gründen
Meinungen unangefochten anzuhängen sowie sollte. Der Zugang zu Information und die
über Medien jeder Art und ohne Rücksicht Möglichkeit des freien Meinungsaustausches
auf Grenzen Informationen und Gedanken- ist ein Hauptelement einer offenen und plura-
gut zu suchen, zu empfangen und zu verbrei- listischen Gesellschaft.
ten“ (Art. 19 der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte von 1948). Es ist eines der
grundlegenden BürgerInnenrechte und daher          Menschliche Sicherheit, Meinungsäu-
in allen einschlägigen Menschenrechtsinstru-       ßerungs- und Medienfreiheit
menten enthalten. Die Wurzeln des Rechts auf       Die „Freiheit von Angst“ beinhaltet die
freie Meinungsäußerung liegen im Kampf um          Freiheit zur Äußerung eigener Meinun-
persönliche Freiheiten im 18. und 19. Jahr-        gen und die Medienfreiheit. Da das
hundert. Zu dieser Zeit wurde das Recht auf        Konzept der Menschlichen Sicherheit
Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung        auch auf dem Recht der/s Einzelnen auf-
in der US-amerikanischen und in einigen eu-        baut, Informationen jeder Art zu suchen
ropäischen Verfassungen festgeschrieben. Der       und zu erhalten, selbst wenn diese der
britische Philosoph John Stuart Mill sah in der    herrschenden Führung kritisch gegen-
Pressefreiheit „eines der Bollwerke gegen kor-     überstehen, stellen die Einschüchterung
rupte und tyrannische Regierungen“ („On Li-       von JournalistInnen und die Kontrolle
berty.“ 1859.). Die Pressefreiheit ist auch ein    der Medien wichtige Bedrohungen der
grundlegendes Recht für ein demokratisches         Menschlichen Sicherheit dar. Mit dem
System, in dem alle, nicht nur die BürgerIn-      Vormarsch der neuen Informations- und
nen eines Staates, das Menschenrecht haben,        Kommunikationstechnologien entstehen
zu sagen, was sie denken und die Regierung         nicht nur neue Gefahren, sondern auch
zu kritisieren.                                    neue Chancen für die Menschliche Si-
                                                   cherheit.
                                                   Die neue „Konnektivität“ (Verbindungs-
        „Mein Herr, ich teile Ihre                 fähigkeit) kann genauso für Bildung wie
                                                   für organisierte Verbrechen genutzt wer-
    Meinung nicht, aber ich würde
                                                   den. Internationale Kampagnen wie jene
      mein Leben dafür einsetzen,                  gegen Landminen und für den Internati-
     dass sie diese äußern dürfen.“                onalen Strafgerichtshof werden dadurch
                                                   erleichtert, aber neue Risiken entstehen
                   (Übersetzung)
                                                   durch die Internetkriminalität. Mit der
                Voltaire (1694-1778).              steigenden Abhängigkeit der Wirtschaft
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                                                       spielen: Sie können sowohl Nutznießer als
        und des Dienstleistungssektors von den         auch Verletzer der Meinungsfreiheit sein. Ihre
        neuen Technologien entstehen neue For-         Rolle kann darin liegen, über globale Proble-
        men der Inklusion und Exklusion, der           me zu informieren und die globale Solidarität
        Teilnahme und der Ausgrenzung. Die in          zu stärken. Sie können aber auch zum Pro-
        Wien angesiedelte Südosteuropäische            pagandainstrument des Staates oder besonde-
        Medienorganisation (SEEMO) beklagte            rer wirtschaftlicher oder sonstiger Interessen
        etwa, dass Telekom Serbien gemietete           werden. Laut der UNESCO-Kommission für
        Internetanschlüsse „beschränkt“, um            Kultur und Entwicklung erschweren moderne
        die Medien und andere dazu zu zwin-            Kommunikationstechnologien die Kontrolle
        gen, von einem privaten Internetanbieter       des Informationsflusses sogar, da sie neben
        zum Internetservice von Telekom Serbi-         neuen Chancen auch neue Bedrohungen ge-
        en zu wechseln.                                schaffen haben, vor allem, wenn Medien
                                                       das Ziel von Angriffen oder sogar politischer
                                                       Kontrolle werden. Als Folge der Kommerzia-
      Der „CNN-Faktor“ – die Tatsache, dass die Me- lisierung können die Vielfalt und die Quali-
      dien jeden Konflikt ins Wohnzimmer bringen tät der Programme vermindert werden. Das
      – hat die Rolle der Medien verändert. Sie sind Hauptinteresse liegt häufig darauf, durch die
      ein wichtiger Teil der Kriegsführung geworden, Konzentration auf „Sex and Crime“ immer hö-
      da die Meinung der Öffentlichkeit zunehmend here Einschaltquoten zu erreichen und größe-
      an Gewicht gewinnt. Info-wars (Informations- re Auflagen zu verkaufen.
      kriege) und Infotainment (die Verbindung von
      Information und Entertainment) weisen auf                  Eine der größten Bedrohungen für
      den Trend hin, dass Information anderen Inte- die Medienfreiheit in der neueren Zeit liegt
      ressen untergeordnet wird. Dies trifft insbeson- in Zusammenschlüssen von Medien, die so-
      dere auch auf wirtschaftliche Interessen zu.     wohl regional als auch global existieren. Aus
                                                       diesem Grund haben viele Länder und auch
      Alte und neue Herausforderungen                  die Europäische Union Gesetze gegen Medi-
      Die Informations-, Meinungsäußerungs- und enzusammenschlüsse erlassen, um die Medi-
      Medienfreiheit war während des Kalten Krie- envielfalt zu erhalten.
      ges von besonderer Bedeutung, als Menschen
      in den sozialistischen Staaten Osteuropas Technische Entwicklungen wie zum Beispiel
      keinen Zugang zu ausländischen oder unab- die Verbreitung von Satellitenkommunikation
      hängigen Zeitungen und Zeitschriften hatten. oder Internetzugängen haben neue Bedrohun-
      Später versuchte die chinesische Regierung gen für die Meinungs-, Informations- und Me-
      den Gebrauch von Satellitenempfängern zu dienfreiheit mit sich gebracht. Oft versuchen
      limitieren, um ihre Bürger daran zu hindern, Staaten, den Zugang zu diesen neuen Medien
      westliche Fernsehprogramme zu nutzen. Auch zu beschränken, weil sie fürchten, dass da-
      heute beschränken gewisse Länder durch den durch oppositionelle Ansichten oder Inhalte,
      Einsatz von Filtertechnologien den Internet- die gegen ihre Regierung gerichtet sein könn-
      zugang, um ihre Bürger davon abzuhalten, ten, verbreitet werden. Das kann zum Beispiel
      bestimmte Webseiten zu erreichen, die als un- auch für religiöse, moralische oder ethische
      erwünscht angesehen werden.                      Vorstellungen gelten. Solche Befürchtungen
      Die Medien können eine zweifache Rolle sind auch nicht immer unbegründet, denkt
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man zum Beispiel an die Verbreitung von ras- heute von unverzichtbarer Bedeutung ist.
 sistischer oder fremdenfeindlicher Propaganda Der Weltgipfel über die Informationsgesell-
 oder auch von Kinderpornographie. Dies wirft schaft zeigte, dass es einen dahinter stehen-
 die Frage auf, wie das empfindliche Gleich- den Konflikt zwischen einem technologischen
 gewicht zwischen Meinungsäußerungsfrei- und einem auf Werte bzw. auf die Menschen-
heit und Bewahrung der legitimen Interessen rechte bezogenen Ansatz gibt. Die Schluss-
 eines demokratischen Staates gefunden und dokumente enthalten nur Hinweise auf die
 geschützt werden kann. Da das Internet von Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.
Natur aus keine (Staats-)Grenzen kennt, liegen Die NGOs steuerten jedoch eine „Erklärung
 die Antworten in diesem Bereich hauptsäch- über Menschenrechte, menschliche Würde
lich auf internationaler Ebene. Der Europarat und die Informationsgesellschaft“ bei (siehe
hat in seiner Konvention gegen Internetkrimi- http://www.pdhre.org/wsis/statement.doc).
nalität von 2001 auch Kinderpornographie als In dem seit 2006 jährlich tagenden Internet
Straftatbestand erfasst und versucht, die Rolle Governance Forum sind die Menschenrech-
 des nationalen Strafrechtes und die interna- te ein wichtiges Querschnittsthema. So wird
tionale Zusammenarbeit bei der Verfolgung z.B. in dynamischen Koalitionen – etwa jener
 solcher Verbrechen zu stärken. Ein Zusatz- zu Internet Rights – an menschenrechtlichen
protokoll zur Bekämpfung von rassistischen Richtlinien für das Internet gearbeitet.
und fremdenfeindlichen Inhalten im Internet
wurde 2003 angenommen. Die Konvention ist
2004 in Kraft getreten. Sie ist auch für Nicht- 2. Inhalte und Bedrohungen
mitglieder des Europarates offen und hatte am
1. Juli 2008 21 Vertragsparteien, während das Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist ein
Zusatzprotokoll 11 Ratifikationen aufwies.       Rahmenrecht, das mehrere Elemente, wie zum
                                                 Beispiel die Informationsfreiheit oder die Pres-
Das zweiteilige Weltgipfeltreffen der Verein- se- und Medienfreiheit enthält. Es fußt auf der
 ten Nationen zur Informationsgesellschaft in Meinungsfreiheit und ist eng mit ihr verbunden.
 Genf 2003 und in Tunis 2005 beschäftigte sich Seine Reichweite geht vom Recht der/s Einzel-
 ebenfalls mit verschiedenen menschenrechtli- nen, die eigene Meinung zu vertreten, bis zur
 chen Aspekten des Zeitalters der Kommuni- institutionellen Freiheit der Medien. Die Mei-
kation, das man auch das „digitale Zeitalter“ nungsfreiheit ist ein absolutes Menschenrecht,
nennt. Ein wesentlicher Aspekt der Meinungs- das nicht eingeschränkt werden darf, während
äußerungsfreiheit ist das Problem des Zugangs das Recht auf freie Meinungsäußerung ein po-
zur Informationsinfrastruktur, zu Telekommu- litisches Recht ist, das unter festgelegten Um-
nikation und Internet (        Was man wissen ständen beschränkt werden kann.
 sollte). Mit Hilfe eines Aktionsplanes soll die
Wissenskluft zwischen Menschen, die Zugang Die Meinungsäußerungsfreiheit hat zwei
zu den neuen Medien haben, und solchen, Komponenten: Einerseits die Freiheit, seine
 die darüber nicht verfügen, der sogenannte Meinung auszudrücken, also Ansichten und
„digitale Graben“ (digital divide) geschlossen Ideen jeder Art zu verbreiten, und anderer-
werden. Ein fehlender Zugang bedeutet eine seits das Recht, Information zu suchen und zu
Einschränkung der Meinungsäußerungsfrei- erhalten. Beide Ausformungen dieses Rechtes
heit, da das Internet für den Erhalt und die müssen auf jede Art – also durch das gespro-
Verbreitung von Informationen und Ideen chene Wort, in Schrift oder Druckwerken,
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      durch Kunst oder jedes andere Medium inklu-    die aus jeder Form von wissenschaftlichem,
      sive der neuen Technologien – ausgeübt wer-    literarischem oder künstlerischem Schaffen
      den können. Staatsgrenzen dürfen kein Grund    resultieren, Nutzen zu ziehen, z.B. Copy-
      dafür sein, dass dieses Recht beschränkt wird. right. (Art. 15 (2), Sozialpakt);
      Die Meinungsäußerungsfreiheit ist ein wich- • in Bezug auf das Recht auf Bildung (Art.
      tiger Bestandteil eines „Rechtes auf Kommu-    13, Sozialpakt) ergeben sich aus dem Recht
      nikation“. Eine Deklaration über ein solches   auf freie Meinungsäußerung die akademi-
      Recht, die auf privater Basis ausgearbeitet    schen Freiheiten und die Autonomie der
      wurde, hat keine Unterstützung durch die       höheren Bildungseinrichtungen, diese Frei-
      Staaten gefunden.                              heiten zu schützen.

                                                                            Eine bedeutende Qualifizierung des Rechts
        Hauptelemente des Rechts der                                        auf freie Meinungsäußerung findet sich in Art.
        freien Meinungsäußerung:                                            20, IPBPR, der Kriegspropaganda und jede
        • das Recht, Meinungen ungehindert                                  Aufstachelung zu nationalem, rassistischem
           anzuhängen (Meinungsfreiheit);                                   oder religiösem Hass, die zu Diskriminierung,
        • die Freiheit, Gedankengut zu suchen,                              Feindseligkeit oder Gewalt aufruft, verbietet.
           zu empfangen und zu verbreiten (Re-                              Jeder Staat hat die Verpflichtung, diese Verbo-
           defreiheit, Informationsfreiheit);                               te durch nationale Gesetze durchzusetzen.
        • mündlich, geschrieben, gedruckt oder                                     Nicht-Diskriminierung
           in Form von Kunst;
        • durch alle Arten von Medien (Medi-                                Verstöße gegen dieses Recht,
           enfreiheit);                                                     Bedrohungen und Risiken
        • ohne Rücksicht auf Grenzen (Freiheit                              Die jährlichen Berichte von Amnesty Internati-
           der internationalen Kommunikation).                              onal und Human Rights Watch zeigen deutlich,
                                                                            dass in der Praxis vieler Länder der Bruch des
                                                                            Rechtes auf freie Meinungsäußerung und der
      Quellen: Art. 19, AEMR; Art. 19, Internatio-                          Medienfreiheit an der Tagesordnung steht. Laut
      naler Pakt über wirtschaftliche, soziale und                          Reporters without Borders (Reporter ohne Gren-
      kulturelle Rechte (IPWSKR; Sozialpakt); Art.                          zen) wurden im Jahr 2007 86 JournalistInnen
      10, EMRK; Art. IV, Amerikanische Deklaration                          während der Ausübung ihres Berufes getötet,
      über die Rechte und Pflichten des Menschen;                           878 festgenommen und mehr als 500 Medien
      Art. 13, Amerikanische Menschenrechts-                                zensiert oder verboten. Die Zahl der Getöte-
      konvention; Art. 9, Afrikanische Charta der                           ten entspricht einem Anstieg von 244% in den
      Rechte des Menschen und der Völker.                                   letzten fünf Jahren. Die Organisation schlug
                                                                            daher vor, besondere Rechtsinstrumente wie
      Manche Elemente des Rechtes auf freie Mei-                            zum Beispiel eine Charta für die Sicherheit von
      nungsäußerung sind mit anderen Menschen-                              JournalistInnen im Einsatz in Kriegsgebieten
      rechten verbunden:                                                    oder gefährlichen Gegenden (Charter for the
      • das Recht auf Gedanken-, Gewissens-                                 Safety of Journalists Working in War Zones or
        und Religionsfreiheit (Art. 18, AEMR);                              Dangerous Areas) zu schaffen.
              Religionsfreiheit                                             Der „Kampf gegen den Terrorismus“, der seit
      • das Recht des Autors auf Genuss seiner                              dem 11. September 2001 geführt wird, hat
        moralischen und materiellen Interessen,                             neue Bedrohungen der Informationsfreiheit
M E I N U N G S Ä U S S E RU N G S - U N D M E D I E N F R E I H E I T   349

durch verschiedene Regierungen mit sich           der Meinungsäußerung zur Verletzung ande-
gebracht. Der „Internationale P.E.N.“, die        rer Menschenrechte führen können, wie etwa
internationale Vereinigung der AutorInnen,        des Rechts auf Privatleben. Beschränkungen
hat zum Beispiel eine diesbezügliche Über-        müssen jedoch durch die Regierungen mit le-
prüfung des US-amerikanischen Patriot Act         gitimen Gründen gerechtfertigt werden, die
gefordert. Allerdings kann das Recht auf freie    durch die öffentliche Meinung und, als letztes
Meinungsäußerung auch dazu missbraucht            Mittel, durch gerichtliche Institutionen über-
werden, Hass und Konflikte zu schüren, wie        prüft werden können.
es die Publikation der International Helsinki     Laut Art. 29 der Allgemeinen Erklärung der
Federation über Hassreden am Balkan (Hate         Menschenrechte kann die Ausübung der
Speech in the Balkans) dokumentiert hat.          Rechte und Freiheiten jeder/s Einzelnen
                                                  durch Gesetze beschränkt werden, um „die
Weiters besteht die Gefahr der Zensur, sei es     Anerkennung und Achtung der Rechte und
in Form staatlicher Kontrolle oder durch wirt-    Freiheiten anderer zu sichern“. Art. 19 (3),
schaftliche oder andere Zwänge. Das kann          Zivilpakt stellt zusätzlich fest, dass die ge-
bedeuten, dass Artikel nur mit Einverständ-       nannten Rechte auch spezielle Pflichten und
nis einer Behörde erscheinen dürfen, wie es       Verantwortlichkeiten mit sich bringen. Das
in den meisten sozialistischen Staaten Ost-       zeigt, dass das Recht auf freie Meinungsäu-
europas vor dem Ende des Kalten Krieges           ßerung und Medienfreiheit ein sehr sensibler
1989 gang und gäbe war. Es kann aber auch         Bereich ist, in dem mit der nötigen Sorgfalt
bedeuten, dass wirtschaftliche Interessen die     vorgegangen werden muss. Die Pflichten und
Veröffentlichung bestimmter Meinungen ver-        Verantwortlichkeiten sind im Pakt nicht ge-
hindern, wenn zum Beispiel die Waffenin-          nauer beschrieben, allerdings können sie in
dustrie das Erscheinen von kriegskritischen       den speziellen Verhaltenskodizes oder in na-
Artikeln verhindert.                              tionalen Gesetzen gefunden werden. Sie dür-
                                                  fen aber in keinem Fall den Inhalt des Rechtes
Zu diesen Phänomenen zählt auch die Selbst-       beschränken. Typischerweise beziehen sich
zensur, wenn politische oder persönliche          solche Pflichten zum Beispiel auf die Aufgabe,
Interessen von JournalistInnen oder Chefre-       objektiv zu informieren, also nach der Wahr-
dakteurInnen ausschlaggebend sind. Auch die       heit zu suchen oder zumindest verschiedenen
Entscheidung darüber, welche Themen „druck-       Meinungen Raum zu geben.
reif“ sind, kann unangenehme Informationen,
Minderheitenansichten oder alles, „was sich       Manche Verpflichtungen decken sich auch mit
nicht gut genug verkauft“, ausschließen. Ver-     Gründen für die Einschränkung der freien
haltenskodizes oder Richtlinien guter Praxis      Meinungsäußerung, während die Meinungs-
können hier Orientierung geben. Der Sinn der      freiheit an sich nie in legitimer Weise be-
Medienvielfalt ist es jedenfalls, sicherzustel-   schränkt werden kann.
len, dass verschiedene Ansichten gelesen, ge-
hört und gesehen werden können.              Gemäß Art. 19 (3), Zivilpakt sind drei Arten
                                             von Beschränkungen zulässig, wenn sie not-
Legitime Einschränkungen                     wendig sind und auf gesetzlicher Grundlage
dieses Rechtes                               beruhen:
Es kann keine Freiheit ohne Verantwortlich- • zum Schutz der Rechte und des guten Ru-
keit geben, da unbeschränkte Freiheiten etwa   fes anderer;
350     M E I N U N G S Ä U S S E RU N G S - U N D M E D I E N F R E I H E I T

      • zum Schutz der nationalen Sicherheit und • in einer demokratischen Gesellschaft un-
          öffentlichen Ordnung;                             entbehrlich sein.
      • zum Schutz der öffentlichen Gesundheit
          und Moral.                                    „Vom Gesetz vorgeschrieben“ bedeutet, dass
                                                         ein parlamentarischer Beschluss und nicht
      Im Einklang mit den rechtlichen Auslegungs- nur ein Akt der Regierung erforderlich ist.
       regeln sind Eingriffe in Rechte restriktiv zu Besonders wichtig ist aber die Qualifikation
      interpretieren. Das hauptsächliche Recht soll „in einer demokratischen Gesellschaft unent-
      nicht ausgehöhlt werden und der Eingriff behrlich“. Sie verbindet die Meinungs- und
      nicht größer sein als notwendig, um die Rech- Pressefreiheit mit dem Konzept einer offenen
      te anderer und die grundlegenden öffentlichen pluralistischen Gesellschaft, die auf demo-
      Rechtsgüter zu schützen.                          kratischen Grundlagen beruht. Wie der Fall
                                                        Lingens zeigt, ist der Europäische Gerichtshof
      Art. 10 der EMRK enthält eine noch längere Lis- für Menschenrechte in dieser Hinsicht sehr
      te von möglichen Einschränkungen, die aber streng. Im Jahr 1986 fand der EGMR, dass
      auch präziser ist. Die Ausübung des Rechtes PolitikerInnen trotz des legitimen Bedürfnis-
      auf freie Meinungsäußerung kann nach Art. 10 ses, ihren guten Ruf zu schützen, einen hö-
      „bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Form- heren Grad an Kritik akzeptieren müssen als
      vorschriften, Bedingungen, Einschränkungen normaler StaatsbürgerInnen. Daher müssen
       oder Strafdrohungen unterworfen werden, wie die Rechtsvorschriften über Verleumdung
       sie vom Gesetz vorgeschrieben und in einer hinsichtlich der Verfolgung von JournalistIn-
       demokratischen Gesellschaft (...) unentbehr- nen, die AmtsträgerInnen kritisieren, gegen
       lich sind“. Solche Einschränkungen können die Pressefreiheit abgewogen werden. Dabei
       durch folgende Begründungen gerechtfertigt ist immer das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu
      werden:                                            berücksichtigen.
      • das Interesse der nationalen Sicherheit, der
          territorialen Unversehrtheit oder der öffent- In Art. 4 der Internationalen Konvention ge-
          lichen Sicherheit;                             gen Rassendiskriminierung von 1995 haben
      • Gründe der Aufrechterhaltung der Ordnung sich die Vertragsparteien dazu verpflichtet,
          und der Verbrechensverhütung, des Schut- die Verbreitung rassistischen Gedankengutes
          zes der Gesundheit und der Moral;              strafbar zu machen. Weiters haben Staaten
      • der Schutz des guten Rufes oder der Rechte alle Organisationen und Propagandaaktivitä-
          anderer;                                      ten als unrechtmäßig zu erklären und zu ver-
      • um die Verbreitung von vertraulichen Nach- bieten, die rassische Diskriminierung fördern
          richten zu verhindern;                         oder dazu aufstacheln.
      • um das Ansehen und die Unparteilichkeit
          der Rechtsprechung zu gewährleisten.          Im April 2007 verabschiedeten die Justizmi-
                                                        nisterInnen der Europäischen Union einen
      Kein anderes Menschenrecht hat eine so lange Rahmenbeschluss, der die Leugnung des Ho-
      Liste von Gründen, die einen Eingriff rechtfer- locaust, die Glorifizierung des Terrorismus
      tigen. Zwei wichtige Grundvoraussetzungen und die Aufstachelung zu religiösem, ethni-
      müssen aber in jedem Fall gegeben sein: Jede schen und „Rassen“hass in der ganzen EU
      Ausnahme muss                                      strafbar machen soll.
      • vom Gesetz vorgeschrieben und                          Nicht-Diskriminierung
M E I N U N G S Ä U S S E RU N G S - U N D M E D I E N F R E I H E I T   3 51

3. Durchführung und Überwachung                   110 Vertragsparteien), kann das Komitee auch
                                                  Individualbeschwerden entgegennehmen.
Es gibt eine große Vielfalt an Instrumenten
und Verfahren zur Implementierung des Men-        Regionale Monitoringmechanismen wie das
schenrechtes auf freie Meinungsäußerung           Inter-Amerikanische und das afrikanische
und seiner Teilrechte. Als erstes muss die Ver-   Menschenrechtssystem enthalten die Möglich-
pflichtung der Staaten, die Freiheiten in ihre    keit von Individualbeschwerden an Kommissi-
innerstaatlichen Gesetze aufzunehmen und          onen, die Erklärungen und Empfehlungen zur
Rechtsmittel gegen behauptete Überschrei-         Verbesserung der Lage der Menschenrechte
tungen dieser Bestimmungen zur Verfügung          abgeben. Im Interamerikanischen, europäi-
zu stellen, genannt werden. Das Recht auf         schen und afrikanischen System gibt es einen
freie Meinungsäußerung ist in den meis-           Gerichtshof, der rechtsverbindliche Beschlüs-
ten Verfassungen als Teil des Kataloges von       se fassen und auch Schadenersatz gewähren
Grundrechten und Grundfreiheiten enthalten.       kann. Zusätzlich dazu gibt es im Europarat
Mindeststandards ergeben sich aus globalen,       ein Überwachungsverfahren des MinisterIn-
und, wo vorhanden, regionalen internationa-       nenkomitees, das unter anderem auch die
len Verpflichtungen.                              Meinungsäußerungs- und Informationsfrei-
Die verschiedenen Medien- und Kommuni-            heit in den Mitgliedsstaaten kontrolliert. Alle
kationsgesetze spezifizieren das Recht und        diese Verfahren sehen auch Beschwerden von
seine Beschränkungen in der Praxis in Ein-        Staaten gegen andere Staaten vor, die in der
klang mit internationalen Verpflichtungen und     Praxis jedoch sehr selten sind.
dem nationalen Verfassungsrecht. Vielfach
sind auch nationale Überwachungseinrich-                     Neben den in den Verträgen vorgese-
tungen vorgesehen – zum Beispiel Presseräte       henen Verfahren gibt es noch solche, die auf
oder Medienkommissionen –, um die Medien          der Charta der Vereinten Nationen beruhen,
zu regulieren. Sie bestehen zumeist aus Exper-    wie zum Beispiel die/den Sonderberichter-
tInnen und/oder VertreterInnen der Regierung      statterIn zur Förderung und zum Schutz der
und der Zivilgesellschaft. Um den Mediensek-      Freiheit der Meinung und der Meinungsäu-
tor zu regulieren, Qualitätsstandards zu si-      ßerung, die/der dem Menschenrechtsrat der
chern und den Wettbewerb anzuregen, kann          Vereinten Nationen Bericht erstattet und da-
der Staat aufgrund eines nicht-diskriminieren-    mit jährlich in Form von Beobachtungen und
den Auswahlverfahrens Lizenzen erteilen.          Verbesserungsvorschlägen über die Lage der
Die Erfüllung der Verpflichtungen durch den       Meinungs- und Meinungsäußerungsfreiheit in
Staat wird von mehreren Kontroll- oder Über-      der ganzen Welt informiert.
wachungsmechanismen überprüft. Nach dem           Seit 1997 gibt es für die 57 Mitglieder der Or-
Zivilpakt sind Staaten verpflichtet, regelmäßig   ganisation für Sicherheit und Zusammenar-
(alle fünf Jahre) Berichte über die Implemen-     beit in Europa (OSZE) eine/n VertreterIn für
tierung ihrer Verpflichtungen zu übermitteln,     die Freiheit der Medien. Ihre/Seine Aufgabe
die dann vom Menschenrechtsausschuss              ist es, die Entwicklungen auf dem Mediensek-
begutachtet werden. Dieses Komitee hat in         tor in den Mitgliedsstaaten zu verfolgen, um
seinem Allgemeinem Kommentar Nr. 10 von           freie, unabhängige und pluralistische Medi-
1983 den Artikel 19 interpretiert. Wenn der be-   en zu fördern, die für eine freie und offene
troffene Staat das Erste Zusatzprotokoll zum      Gesellschaft und ein verantwortliches Regie-
IPBPR von 1966 ratifiziert hat (1. Juli 2008:     rungssystem von entscheidender Bedeutung
352     M E I N U N G S Ä U S S E RU N G S - U N D M E D I E N F R E I H E I T

      sind. Die Standards hierfür kommen einerseits                         NGOs um die Verhütung von Verletzungen
      aus zwischenstaatlichen Verpflichtungen, an-                          der Meinungsäußerungsfreiheit, etwa durch
      dererseits von der OSZE selbst. Sie wurden in                         übertriebene Gesetze gegen Verleumdung,
      einer Reihe von Konferenzen seit der Helsinki-                        und Praktiken, die dazu dienen können, kri-
      Schlussakte (1975) ausgearbeitet.                                     tische JournalistInnen zum Schweigen zu
                                                                            bringen. Sie wachen auch über die Einhaltung
      Die Rolle von Berufsvereinigungen                                     der Ethikkodizes von Berufsvereinigungen im
      und anderen NGOs                                                      Medienbereich.
      Berufsvereinigungen wie die Internationale
      Föderation der JournalistInnen, das Interna-
      tionale Presseinstitut (IPI), der internationale 4. Interkulturelle Perspektiven
      P.E.N. Club oder die International Publishers’      und strittige Themen
      Association (IPA) verfügen über ausführli-
      che Informationen zur Lage der Medienfrei- Kulturelle Unterschiede führen häufig dazu,
      heit in verschiedenen Staaten oder Regionen dass das Recht in verschiedenen Regionen un-
      der Welt und unterstützen ihre Mitglieder im terschiedlich interpretiert und implementiert
      Kampf gegen Beschränkungen. Sie lenken die wird. Im Vergleich zu den USA vertreten Eu-
      Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Situa- ropa und andere Staaten einen unterschiedli-
      tionen, in denen diese Grundfreiheiten miss- chen Standpunkt bezüglich Hassreden, die
      achtet werden, prangern Beschränkungen an, sich gegen die Würde einer Gruppe richten.
      betreiben Kampagnen oder starten dringliche Europa toleriert nicht die Verbreitung von na-
      Aufrufe. Sie verfassen Berichte über Probleme tionalistischem, rassistischem oder religiösem
      wie die Konzentration der Medien, Korruption, Hass, Antisemitismus, nationalsozialistischem
      die Geheimhaltungspraxis von Staaten und Gedankengut, der Behauptung, den Holocaust
      Transparenz, etwa im Hinblick auf Gesetze habe es nie gegeben, oder anderer rechtsex-
      über den Zugang zu öffentlichen Informatio- tremer Parolen. In den USA deckt die freie
      nen. Sie werden dabei von Nichtregierungsor- Meinungsäußerung, wie sie im Ersten Verfas-
      ganisationen (NGOs) wie zum Beispiel Article sungszusatzartikel festgelegt ist, solche Äuße-
      19 oder Reporter ohne Grenzen (          Zusätz- rungen zumindest zum Teil. So wurde zum
      liche Materialien) unterstützt, die sich darauf Beispiel die Verurteilung des britischen Autors
      spezialisiert haben, die Presse- und Medien- David Irving in Österreich zu drei Jahren Ge-
      freiheit zu schützen. Auch Menschenrechtsor- fängnis für die Leugnung des Holocaust im
      ganisationen wie Amnesty International oder Jahr 2006 selbst durch jüdische Kommentato-
      der International Council on Human Rights ren in den USA als Verletzung ihres Verständ-
      Policy helfen hier mit. Die NGOs arbeiten mit nisses der Freiheit der Meinungsäußerung
      zwischenstaatlichen Organisationen wie zum kritisiert, da diese auch die „Freiheit für Ge-
      Beispiel der/dem UNO-Sonderberichterstatte- danken, die wir hassen“ umfassen sollte, wie
      rIn für Meinungsäußerungsfreiheit oder der/ der Kolumnist Jeff Jacoby schrieb (The Bos-
      dem OSZE-VertreterIn für die Freiheit der Me- ton Globe, 3. März 2006).
      dien zusammen.
                                                       Dass die Unterschiede auf diesem Gebiet oft
      Auf staatlicher Ebene bemühen sich nationale sehr subtil sind, wird am Fall Jersild gegen Dä-
      Aufsichtsgremien wie unabhängige Medien- nemark, den der Europäische Gerichtshof für
      kommissionen oder Berufsvereinigungen und Menschenrechte 1994 entschieden hat, deut-
M E I N U N G S Ä U S S E RU N G S - U N D M E D I E N F R E I H E I T   353

lich. Der Gerichtshof befand, dass die Bestra-    kung der Freiheit der Meinungsäußerung und
fung eines Journalisten, der ein Interview mit    der Medien im Hinblick auf die Verletzung
jungen Rassisten, die rassistische Kommentare     religiöser Gefühle als Bestandteil der Religi-
abgaben, veröffentlicht hatte, ein Verstoß ge-    onsfreiheit, die heute nicht nur auf nationaler
gen die Informationsfreiheit des Art. 10 EMRK     Ebene von Bedeutung ist, sondern eine globa-
gewesen sei. Die Jugendlichen, die diese Aus-     le Dimension erreicht hat.
sagen gemacht hatten, waren hingegen durch
Art. 10 nicht geschützt.                          In asiatischen Ländern wurde lange versucht,
                                                  strenge Eingriffe in die Freiheit der Meinungs-
Der EGMR lässt aufgrund seiner „Doktrin des       äußerung und die Medienfreiheit dadurch zu
(nationalen) Ermessensspielraumes“ auch           rechtfertigen, dass die Stabilität des Staates
Unterschiede zwischen den europäischen            durch „unverantwortliche Berichterstattung“
Mitgliedsstaaten zu. Das ist vor allem für den    in der Presse, die politische Konflikte entfa-
Schutz der Moral bezüglich als pornografisch      chen könnte, gefährdet sei. Allerdings befand
empfundener Inhalte relevant. Die nähere          ein ASEM-Seminar im Jahr 2000, das sich mit
Bestimmung von Fragen der Sittlichkeit, des       diesem Thema im Rahmen des Euro-Asiati-
Schutzes Minderjähriger oder der Schädlich-       schen Dialogs beschäftigte, dass Regierungen
keit anderer Inhalte wird dem jeweiligen Staat    dazu neigten, überzureagieren und die Medi-
überlassen, der wiederum oft unabhängige In-      enfreiheit mehr einzuschränken, als dies nötig
stitutionen einrichtet, um die Medien in dieser   sei. Gemeinsame Probleme wie die Medien-
Hinsicht zu leiten.                               konzentration oder ein Mangel an Unabhän-
                                                  gigkeit von JournalistInnen seien von größerer
Unterschiedliche Standards gibt es auch be-       Bedeutung als regionale Unterschiede.
züglich der öffentlichen Kritik an PolitikerIn-
nen oder religiösen Institutionen. Was für die Im Streitfall liegt es jedenfalls an der Justiz,
einen noch künstlerische Freiheit ist, kann die Grenze zwischen der Meinungsäußerungs-
für andere schon Blasphemie sein. Daher ist und der Medienfreiheit und den zulässigen
die Presse- und Medienfreiheit ein sehr sen- Einschränkungen zum Schutz der Stabilität
sibles Recht, das sich an bestimmte Grenzen eines demokratischen Staates oder der mora-
halten, gleichzeitig aber auch vor Versuchen lischen Integrität einer Person, die in den Me-
des Staates und einflussreicher Persönlich- dien ungerechtfertigten Angriffen ausgesetzt
keiten, ihre KritikerInnen zum Schweigen zu war, zu ziehen. Beispielsweise veröffentlichte
bringen, geschützt werden muss.                 eine Zeitung in Banja Luka in Bosnien und
                                                Herzegowina wenige Jahre nach dem Krieg
Die Karikaturen des Propheten Mohammed, Listen von Personen, die angeblich Kriegs-
die zuerst durch eine dänische Zeitung im verbrechen begangen hatten. Dies wurde zu
Jahr 2005 veröffentlicht und in der Folge in Recht verboten, weil die Gefahr bestand, dass
mehreren westlichen Ländern nachgedruckt diese Personen, die (noch) nicht offiziell an-
wurden, haben in einer Reihe islamischer geklagt waren, Opfer der persönlichen Rache
Länder gewalttätige Reaktionen sowie einen anderer werden könnten.
Boykott dänischer Produkte ausgelöst. Die Im Fall Constitutional Rights Project, Civil
dänische Regierung war gezwungen, sich zu Liberties Organisation und Media Rights
entschuldigen. Dieses Vorkommnis führte zu Agenda gegen Nigeria beschäftigte sich die Af-
einer weltweiten Debatte über die Beschrän- rikanische Kommission für die Rechte des
354     M E I N U N G S Ä U S S E RU N G S - U N D M E D I E N F R E I H E I T

      Menschen und der Völker mit dem durch
      einen Verwaltungserlass der nigerianischen
      Militärregierung gegen die Opposition gerich-           „Journalisten sind die Hüter
      teten Verbot von Zeitungen. Die Kommission                      der Demokratie.“
      befand:
                                                                    Maud de Boer-Buquicchio,
      „Solche Erlässe stellen eine ernste Gefahr für        stv. Generalsekretärin des Europarates. 2002.
      das Recht der Öffentlichkeit dar, Informationen
      zu erhalten, die nicht dem entsprechen, was
      die Regierung die Öffentlichkeit wissen lassen
      möchte. Das Recht auf Information ist wichtig: Öffentlichkeit das Recht auf Information. Die-
      Art. 9 (der Afrikanischen Charta für die Rechte se Vorgangsweise ist ein klarer Verstoß gegen
      des Menschen und der Völker) scheint keine Art. 9 der Charta.“ (Übersetzung)
      Einschränkung zuzulassen, unabhängig da- Quelle: siehe oben, Abs. 65.
      von, was der Inhalt der Information oder der
      Meinungen, oder wie die politische Situation Die Erklärung von Marrakesch, die von der
      des betreffenden Staates ist. Daher stellt die Konferenz über „Die Rolle und der Platz der
      Kommission fest, dass das Verbot der Zeitun- Medien in der Informationsgesellschaft in Afri-
      gen einen Verstoß gegen Art. 9 (1) darstellt.“ ka und der arabischen Region“ am 24. Novem-
      (Übersetzung)                                     ber 2004 angenommen wurde, bekräftigte:
      Quelle: Afrikanische Kommission für die „(Die) Freiheit der Meinungsäußerung und der
      Rechte des Menschen und der Völker. 2000. Presse liegen im Zentrum der Konstruktion der
      13. Tätigkeitsbericht (Thirteenth Activity Report Informationsgesellschaft in Afrika, der arabi-
      of the African Commission on Human and Peop- schen Region und der ganzen Welt.“
      les’ Rights, 1999-2000), Anhang V, Abs. 38.       Quelle: Soul Beat Africa – Communication
                                                        for Change. https://www.comminit.com/en/
                                                        node/215350/print

           „Information ist der Sauerstoff                                  Die NGO Arab Press Freedom Watch wurde zu
                 der Demokratie.“                                           dem Zweck eingerichtet, in enger Zusammen-
                                                                            arbeit mit der Arabischen Journalistenunion
                Article 19 – Globale Kampagne für
                     freie Meinungsäußerung.                                die Pressefreiheit und Menschenrechte in ara-
                                                                            bischen Ländern aktiv zu verteidigen und die
                                                                            Demokratie zu fördern.

      In Bezug auf das Vorgehen gegen JournalistIn-
      nen nach einem Putsch in Gambia urteilte die
      Afrikanische Kommission:
      „Die Einschüchterung und Gefangennahme
      oder Festhaltung von JournalistInnen wegen
      der von ihnen veröffentlichten Artikel und
      der Fragen, die sie stellten, hindert nicht nur
      die Journalisten selbst an der Ausübung ih-
      res Rechtes, ihre Meinung frei zu sagen und
      zu verbreiten, sondern entzieht auch der
M E I N U N G S Ä U S S E RU N G S - U N D M E D I E N F R E I H E I T   355

5. Zeittafel

  1948 Allgemeine Erklärung der Men-                 1997	OSZE-VertreterIn für die Freiheit
       schenrechte, Art. 19                               der Medien
  1966 Internationaler Pakt über bürgerli-           1999 Resolution      der    Menschen-
       che und politische Rechte, Art. 19                 rechtskommission      über    die
  1978 Deklaration über die Grundprinzi-                  Meinungsfreiheit und freie Mei-
       pien für den Beitrag der Massen-                   nungsäußerung (1999/36)
       medien zur Stärkung des Friedens              2003 Weltinformationsgipfel (1. Teil),
       und der internationalen Verstän-                   Genf: Prinzipiendeklaration und
       digung, zur Förderung der Men-                     Aktionsplan
       schenrechte, zur Bekämpfung von               2005 Weltinformationsgipfel (2. Teil),
       Rassismus, Apartheid und Kriegs-                   Tunis: Verpflichtung von Tunis
       hetze der UNESCO (kurz: Medien-                    und Tunis Agenda für die Infor-
       deklaration)                                       mationsgesellschaft
  1983 Allgemeiner Kommentar des                     2006 Erstes Internet Governance Forum
       UNO-Menschenrechtsausschusses                      in Athen
       zu Artikel 19 des Paktes über bür-            2007 Zweites Internet Governance
       gerliche und politische Rechte                     Forum in Rio de Janeiro
  1993 UNO-SonderberichterstatterIn für              2008 Drittes Internet Governance
       Meinungsfreiheit und freie Mei-                    Forum in Hyderabad (Indien)
       nungsäußerung

Was man wissen sollte

1. Die Rolle der freien Medien in einer           Der Freiheitsgrad einer Gesellschaft kann
   demokratischen Gesellschaft                    leicht anhand der Freiheit der Presse und der
                                                  Medien bestimmt werden. Der erste Schritt
Medienvielfalt ist ein unverzichtbares Element    autoritärer Regierungen oder Diktaturen ist es
 einer pluralistischen Demokratie. Die Bedeu-     normalerweise, die freie Meinungsäußerung
tung der Rolle der Medien als sogenannte          und die Medienfreiheit einzuschränken oder
„vierte Macht“ neben der Legislative, der Exe-    gar abzuschaffen. Für den Wiederaufbau und
kutive und der Justiz erfordert auch gründliche   die Wiederherstellung demokratischer Gesell-
Sorgfalt und Verantwortung von JournalistIn-      schaften nach Kriegen oder Konflikten ist eine
nen und MedieninhaberInnen, um nicht die          pluralistische Medienlandschaft, die auf den
Menschenrechte anderer in der Ausübung ihrer      Grundwerten der Achtung und der Toleranz
Freiheit zu verletzen.      Demokratie            anderen Meinungen gegenüber basiert und
356    M E I N U N G S Ä U S S E RU N G S - U N D M E D I E N F R E I H E I T

      sich der Anstiftung zu Hass und Gewalt ent-                          Standards existieren im Rahmen der OSZE.
      hält, von höchster Bedeutung.                                        Die Situation ist jedoch weitaus problemati-
      Dies erfordert einen angemessenen rechtli-                           scher, wenn es die sogenannten „neuen Min-
      chen Rahmen, der die Unabhängigkeit der öf-                          derheiten“, die aus der Migrationsbewegung
      fentlichen Medien und den Pluralismus unter                          stammen, betrifft. Im Gegensatz zu den „au-
      den privaten Medien sicherstellt und die Ak-                         thochtonen“ oder „alten“ Minderheiten haben
      tivitäten der Medien bezüglich der Standards                         diese normalerweise kein gesetzlich garantier-
      der Objektivität, der Fairness und des Anstan-                       tes Recht auf Zugang zu den Medien. Dies ist
      des kontrolliert.                                                    besonders Besorgnis erregend, wenn man die
                                                                           fremdenfeindliche Art, in der sie manchmal
                                                                           in den Massenmedien dargestellt werden, be-
      2. Medien und Minderheiten                                           trachtet und weiters berücksichtigt, dass ihre
                                                                           Möglichkeiten zur Meinungsäußerung be-
      Minderheiten haben oft Probleme beim Zugang                          grenzt sind.
      zu den Medien und bei deren Verfügbarkeit in
      ihrer eigenen Sprache. In Europa gibt es spe- Die Europäische Charta der Regional- und
      zielle Standards, wie zum Beispiel Art. 9 des Minderheitensprachen des Europarates aus
      Rahmenübereinkommens zum Schutz natio- dem Jahr 1992 verpflichtet die Vertragsstaa-
      naler Minderheiten des Europarates von 1995. ten in Art. 11 dazu, angemessene Regelun-
      Dementsprechend haben Personen, die einer gen zu treffen, damit die Rundfunkanstalten
      nationalen Minderheit angehören, das gleiche Programme in den Regional- oder Minderhei-
      Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungs- tensprachen anbieten können. Auch soll der
      äußerung. Ihre Freiheit, Information oder Ide- Aufbau zumindest einer Radiostation und ei-
      en in der Minderheitensprache zu suchen, zu nes Fernsehkanals in den Regional- oder Min-
      empfangen oder zu verbreiten, muss von den derheitensprachen sichergestellt, gefördert
      Behörden respektiert werden. Regierungen und/oder erleichtert werden.
      müssen sicherstellen, dass Minderheitenange-
      hörige nicht in ihrem Zugang zu den Medien
      benachteiligt werden. Dieser sollte vielmehr er- 3. Freiheit der Medien und
      leichtert werden. Sie dürfen nicht am Aufbau        wirtschaftliche Entwicklung
      eigener Printmedien, und innerhalb der gesetz-
      lichen Vorschriften, auch nicht am Aufbau elek- Die Freiheit der Medien und die wirtschaftli-
      tronischer Medien gehindert werden. Weitere che Entwicklung sind ebenso vernetzt wie die

                  „Die Medien haben in der Demokratie eine zentrale Rolle, die
                  Gesellschaft zu informieren und die Durchführung öffentlicher
                    Aufgaben ohne Furcht vor Bestrafung, vor Klage oder vor
                            Unterdrückung, zu überprüfen.“ (Übersetzung)
                                               Kevin Boyle. Mitbegründer von Article 19.
                                             Restrictions on the Freedom of Expression. 2000.
M E I N U N G S Ä U S S E RU N G S - U N D M E D I E N F R E I H E I T   357

                                                      Eintretens für nationalen, rassischen oder re-
                                                      ligiösen Hass, durch den zu Diskriminierung,
     „Es gab niemals eine dauer-                      Feindseligkeit oder Gewalt aufgestachelt wird“
      hafte Hungersnot in einem                       verlangt. Ein Teil der Verantwortung für den
                                                      Krieg im ehemaligen Jugoslawien kam den
      Staat mit einer demokrati-                      Medien zu, da sie den Krieg durch die Anstif-
      schen Regierung und einer                       tung zu Hass und zu ethnischen Säuberungen
         relativ freien Presse.“                      propagiert hatten.

                 Amartya Sen,
           Wirtschaftsnobelpreisträger.
                                                     Ebenso wurde nachgewiesen, dass die Sen-
                                                     dungen der Radiostation Radio Mille Collines
                                                     eine maßgebliche Rolle für den Ausbruch der
                                                     Gewalt in Ruanda im Jahr 1994 gespielt hat-
Freiheit von Not und die Freiheit von Furcht.        ten, bei der mehr als 1 Million Menschen getö-
Die Interdependenz und die Unteilbarkeit aller       tet wurden. „Tötet dieses Inyenzi (Ungeziefer)
Menschenrechte, die einen ganzheitlichen Zu-         nicht durch Kugeln – zerhackt sie mit Mache-
gang zu den Menschenrechten erfordern, kön-          ten“ war eines der gesendeten Statements,
nen auch in der Bedeutung der Freiheit der           welche die Hutus dazu aufriefen, Tutsis und
Meinungsäußerung und der Freiheit der Me-            Hutus, die mit den Tutsis sympathisierten, ab-
dien für die wirtschaftliche Entwicklung, die        zuschlachten. Die Radiostation war 1993 von
Verringerung von Armut und in der Befriedi-          Mitgliedern der Familie des Hutu-Präsidenten
gung der grundlegenden wirtschaftlichen und          Habyarimana gegründet worden, dessen Tod
sozialen Rechte der Menschen gesehen wer-            einer der Auslöser des Völkermordes war. Die
den. Ohne die Berichterstattung in den Medi-         Verantwortlichkeit des Radios wurde durch das
en würden Missstände im Zugang zu oder in            Internationale Tribunal für Ruanda, der seinen
der Verteilung von Ressourcen sowie Korrup-          Sitz in Arusha (Tansania) hat, festgestellt.
tion unbeachtet bleiben.

                                                      5. Good Practices
4. Kriegspropaganda und
   Befürwortung von Hass                     • Die UNESCO hat einen Tag der Pressefrei-
                                               heit eingeführt, der jährlich am 3. Mai be-
Nach Art. 20 (1) IPBPR ist jede Kriegspropa-   gangen wird, sowie einen weltweiten Preis
ganda gesetzlich zu verbieten, während Art.    für Pressefreiheit geschaffen.
20 (2) auch ein gesetzliches Verbot „jedes • Das Crimes of War Project vereinigt Jour-

     „Wird ein Krieg verkündet,                                      „Worte töten zuerst,
so ist die Wahrheit das erste Opfer.“                                 Kugeln erst später.“
                 Arthur Ponsonby,
                                                              Adam Michnik, polnischer Schriftsteller.
       britischer Politiker (1871-1946). 1928.
358     M E I N U N G S Ä U S S E RU N G S - U N D M E D I E N F R E I H E I T

          nalistInnen, AnwältInnen und Akademi-
          kerInnen, um das Bewusstsein über das           Quelle: International Council on Hu-
          humanitäre Völkerrecht in den Medien,           man Rights Policy. 2002. Journalism,
          Regierungen, Menschenrechts- und huma-          Media and the Challenge of Human
          nitären NGOs zu erhöhen.                        Rights Reporting.
      • Im Fall des Kosovo wurden eine Unabhän-
          gige Medienkommission sowie ein Presserat
          eingerichtet, um die Implementierung der
          in den Gesetzen und Kodizes vorgesehenen 7. Trends
          Standards zu überwachen. Die Medien-
          kommission ist auch für die Lizenzvergabe Medien und das Internet
          verantwortlich.                             Entsprechend dem Bericht über die mensch-
      • Die Ombudsleute der Föderation von Bos- liche Entwicklung des UNDP aus dem Jahr
          nien und Herzegowina berichteten 2001, 2001 und dem Bericht der UNESCO, „Auf
          dass sie den Lizenzierungsprozess genau dem Weg zu Wissenschaftsgesellschaften“,
          beobachten und in mehreren Fällen im In- aus dem Jahr 2005 wuchs das Internet in den
          teresse der Transparenz und der gleichen letzten Jahren exponentiell von 16 Millionen
          Bedingungen für alle Bewerber eingeschrit- NutzerInnen im Jahr 1995 auf mehr als 500
          ten sind. Die Communication Regulation Millionen im Jahr 2004, während 2007 schon
          Agency (CRA) akzeptierte die Empfehlun- mehr als 1 Milliarde Menschen das Internet
          gen der Ombudsleute.                         benutzten. Mit November 2008 hat die Zahl
                                                      1,5 Milliarden Menschen erreicht. Schätzun-
                                                       gen gehen davon aus, dass bis 2015 das Ziel
       6. Freiheit der Medien und                      des Weltinformationsgipfels erreicht sein kann,
          Menschenrechtsbildung                        die Hälfte der Menschheit mit dem Internet zu
                                                      verbinden. Dennoch haben noch ca. 5 Milliar-
                                                       den Menschen keinen Zugang zum Internet.
         „Innerhalb des Journalismus besteht ein      In Afrika ist es sogar weniger als 1 Promille
          schwerwiegender Wissensmangel da-            der Gesamtbevölkerung, was die Frage der
          rüber, was Menschenrechte überhaupt         „digitalen Solidarität“ aufwirft. Das Wachstum
          sind. Viele JournalistInnen – ebenso         des Internet hatte maßgeblichen Einfluss auf
          wie viele PolitikerInnen und andere in       die Medien, indem es sowohl JournalistInnen
          der Zivilgesellschaft Tätige – sind nicht   als auch einfachen BürgerInnen eine Vielzahl
          vertraut mit der Allgemeinen Erklärung      an Möglichkeiten bietet, weltweit gelesen zu
          der Menschenrechte sowie den internati-     werden – etwa über Blogs. Sogar kleinere
          onalen Menschenrechtsabkommen und           Medienunternehmen haben die Chance, eine
          Mechanismen. Oft verstehen sie den Un-      weltweite Öffentlichkeit zu erreichen. Es gibt
          terschied zwischen Menschenrechten und      jedoch eine zunehmende Zahl von Staaten,
          humanitärem Völkerrecht nicht. Auf-          die Kontrollen und Zensur anwenden, indem
          grund dessen werden Menschenrechte           etwa bestimmte Webseiten blockiert werden.
          häufig fälschlicherweise nur in der Kon-    Im Jahr 2005 wurden Suchmaschinen wie
          fliktberichterstattung als relevant angese- Yahoo! und Google von NGOs kritisiert, weil
          hen“. (Übersetzung)                          sie Webseiten auf Wunsch der chinesischen
                                                      Regierung blockiert und diese bei der Aus-
M E I N U N G S Ä U S S E RU N G S - U N D M E D I E N F R E I H E I T   359

forschung politischer DissidentInnen indirekt  gesellschaft im Jahr 2003 eine Initiative für die
unterstützt hatten. Amnesty International hat  Schaffung von gemeinschaftlichen Multimedi-
dazu unter www.irrepressible.info eine Kam-    azentren gestartet, um die digitale Kluft für
pagne gestartet.                               Gemeinschaften, die noch vom Zugang zur
                                               Informationstechnologie ausgeschlossen sind,
Auf dem Weg zu Wissensgesellschaften           zu verringern. Der gewählte Ansatz verbindet
im Süden                                       Zugang, Lernen und eine Kombination neuer
Die Umwandlung der Informationsgesellschaft und alter Technologien durch die Verbindung
zur Wissensgesellschaft beruht auf der zuneh- von lokalen Nachbarschaftsradios mit multi-
menden Verfügbarkeit von Informations- und medialen Gemeinschaftszentren, wo mit dem
Kommunikationstechnologien. Im Kontext Internet verbundene Computer, E-mail-Diens-
der Freiheit der Meinungsäußerung steht der te, Telefon, Fax und Kopiermöglichkeiten vor-
Staat unter einer positiven Verpflichtung, den handen sind. Das Ziel ist es, den Mitgliedern
Zugang zur Informationstechnologie zu ge- dieser Gemeinschaften die regelmäßige Nut-
währleisten, da diese unverzichtbar für den zung der neuen Technologien zu ermöglichen,
Zugang zum Wissen ist.                         um Zugang zur weltweit verfügbaren Infor-
                                               mation zu erhalten.
Zu diesem Zweck wurde von der UNESCO aus Quelle: UNESCO. 2005. Towards Knowledge
Anlass des Weltgipfels über die Informations- Societies.

Ausgewählte Übungen

Übung I: Das Hütchenspiel                         Zeit: ca. 90 Minuten
                                                  Materialien: 6 verschiedenfarbige Hüte oder
Teil I: Einleitung                                andere verschiedenfarbige Gegenstände
Das Hütchenspiel ermöglicht es, eine komple-      Fertigkeiten: Flexibilität, Kreativität
xe Fragestellung oder eine provokante Aussa-
ge unter verschiedenen Gesichtspunkten zu Teil III: Spezifische Information
betrachten und auf diese Art und Weise zu ei- Provokante These: Wir leben in einem frei-
ner befriedigenden Lösung für alle Beteiligten en Land, in dem jede/r ihre/seine Meinung
zu kommen.                                     frei äußern darf. Warum also sollen wir „Na-
                                               zisprüche“ und ähnliches zensieren oder ver-
Teil II: Allgemeine Information                bieten?
Art der Übung: Diskussion
Ziele: Anregung zum kritischen Denken, Fin- Beschreibung der Übung/Anleitung: Die Teil-
den einer Lösung                               nehmerInnen sitzen im Sesselkreis, so dass je-
Zielgruppe: Jugendliche und Erwachsene         deR die/den andereN gut sehen kann. Die/der
Gruppengröße: ca. 18-30                        GruppenleiterIn stellt die provokante These in
360    M E I N U N G S Ä U S S E RU N G S - U N D M E D I E N F R E I H E I T

      den Raum. Anschließend versuchen die Teil-                           Das Hütchenspiel eignet sich für alle komple-
      nehmerInnen, diese Aussage von allen denk-                           xen Fragestellungen oder Probleme, bei denen
      baren Seiten zu beleuchten und bedienen sich                         eine einfache Lösung unmöglich scheint.
      dabei der Hütchenmethode. Die verschieden-
      farbigen Hütchen stellen unterschiedliche Be-                        Verwandte Rechte und Themen: Nicht-Diskri-
      trachtungsweisen des Sachverhaltes dar:                              minierung, Gleichheitsgrundsatz
      Der weiße Hut: reine Sachverhaltsbeschrei-
      bungen, Zahlen, Daten, Fakten; keine Emoti-                           Quelle: adaptiert aus: Edward de Bono. 1990.
      onen                                                                  Six Thinking Hats. London: Penguin.
      Der rote Hut: positive und negative Emotio-
      nen, subjektive Komponente
      Der schwarze Hut: objektiv nachvollziehbare                          Übung II: Der Einfluss des Internet
      negative Aspekte, Bedenken, Zweifel, Risiken
      Der gelbe Hut: objektiv nachvollziehbare po-                         Teil I: Einleitung
      sitive Aspekte                                                       Diese Übung umfasst sowohl die Diskussi-
      Der grüne Hut: Ideen der Verbesserung, Al-                           on in Kleingruppen als auch die Diskussion
      ternativen                                                           in der ganzen Gruppe, um die positiven und
      Der blaue Hut: Aufgabe des Moderators; Me-                           negativen Aspekte der Internetnutzung, deren
      ta-Ebene; Zusammenfassung, Maßnahmen-                                Einfluss auf das Recht der Meinungsäuße-
      plan, Diskussion                                                     rungsfreiheit und die Herausforderungen für
      Nachdem die/der Gruppenleiter die provokan-                          die Zukunft des Internets zu analysieren.
      te These aufgeworfen hat, geht als erstes der
      weiße Hut im Sesselkreis herum, und Fakten                           Teil II: Spezifische Information
      werden zunächst einmal gesammelt. Die Rei-                           Art der Übung: Diskussion
      henfolge der übrigen Hütchen ist weitgehend                          Ziele: das Bewusstsein über die Tragweite des
      egal, der letzte Hut muss allerdings der blaue                       Internets und den Zugang zu weltweiter In-
      sein.                                                                formation erhöhen; den Einfluss des Internets
      Feedback: Anschließend an das Hütchenspiel                           auf die Menschenrechte identifizieren; Phä-
      werden die TeilnehmerInnen dazu aufgefor-                            nomene im Zusammenhang mit dem Internet
      dert, ihre Gefühle und Gedanken während                              erkunden
      der Diskussion darzulegen. War es für sie                            Zielgruppe: Jugendliche und Erwachsene
      eine neue Art und Weise der Lösungsfindung?                          Gruppengröße: beliebig
      Kennt jemand ähnliche Ansätze?                                       Zeit: ca. 45 Minuten
      Praktische Hinweise: Die/der Gruppenleite-                           Materialien: Flipchart, Stifte
      rIn sollte stets darauf achten, dass immer nur                       Fertigkeiten: Analytische Fähigkeiten, unter-
      der Aspekt des jeweiligen Huts angesprochen                          schiedliche Meinungen zu einem Thema aus-
      wird. Geht also beispielsweise der gelbe Hut                         drücken, Fähigkeiten zur Teambildung
      herum, darf kein negativer Aspekt oder kein
      Gefühl etc. genannt werden. Der Vorteil liegt                        Teil III: Spezifische Information
      darin, dass nicht vom Kernproblem abge-                              Beschreibung der Übung/Anleitung: Zur Ein-
      schweift wird und jeder annähernd gleich viel                        führung präsentiert die/der GruppenleiterIn
      Redezeit hat, ohne dass sich immer wenige                            allgemeine Informationen und einige grund-
      Personen in den Mittelpunkt drängen und die                          legende Fakten zum Internet, wie sie aus dem
      Diskussion an sich reißen.                                           Modul zu entnehmen sind. Danach werden
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