Der arabische Traum - Spiegel

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Der arabische Traum - Spiegel
Gesellschaft
STEVE CRISP / REUTERS

                        Wettkampf beim Dubai World Cup: Keine Buchmacher, keine Online-Wetten, die Internet-Seiten sind gesperrt

                                                                                         PFERDERENNEN

                                                Der arabische Traum
                        Es ist das höchstdotierte Galopprennen der Welt: Beim Dubai World Cup wurden für sieben Wett-
                         kämpfe 21 Millionen Dollar verteilt. Mit grenzenlosem Gigantismus will der Herrscher von Dubai,
                        Scheich Mohammed, die Überlegenheit seines feudalistischen Emirats beweisen. Von Barbara Supp

                        S
                              till ist es hier bei den Ställen, ein Wie-   bische Männer in weißer Dischdascha, dem        Premierminister der Vereinigten Arabi-
                              hern manchmal, leises Schnauben,             Traditionsgewand. Männer mit dunklen,           schen Emirate und Herrscher von Dubai.
                              Klackern der Hufe jener Pferde, die          brennenden Augen, die hier am Parkplatz         Millennium gehört Scheich Raschid, sei-
                        ein Stallbursche zwischen Grünpflanzen             von Nad al-Schiba auf Frauen treffen, die       nem ältesten Sohn.
                        spazierenführt.                                    ihre nackten Stöckelschuhbeine aus wohl-           Die Scheichs geben Geld aus für ihre
                           Nur als fernes Brausen ist von hier aus         gekühlten Limousinen winden, feine Da-          Pferde, sie wollen Sieger sehen.
                        zu vernehmen, wie sich die Rennbahn von            men und manchmal weniger feine, bei de-            Sie haben die Macht über das Land, das
                        Nad al-Schiba mit Menschen füllt, 60 000           nen man nackte Arme und manchmal auch           Geld, die Politik, die Wirtschaft. Und über
                        werden es sein. In Bussen, vollgestopften          ziemlich viel von nackten Brüsten sieht.        die Spiele. Großer Tag, schwieriger Tag für
                        Kleinwagen, zu Fuß die staubige Land-              Das hier ist Dubai, der Dubai World Cup,        Satish Seemar.
                        straße entlang haben sie sich aufgemacht,          das teuerste Pferderennen der Welt.                Satish, der Pferdetrainer, sitzt an eine
                        an den Stadtrand, wo man die Bürotürme                Es ist alles getan. Satish Seemar sitzt in   Box gelehnt, schaut auf sein Handy und
                        und Einkaufstempel der City nur noch als           der Stille bei den Ställen, vier Pferde wird    sagt: „Hey, da ist Claudio Pizarro von Bay-
                        ferne Silhouette ahnt, es ist früher Nach-         er an den Start bringen, es ist ein großer,     ern München. Er wünscht mir viel Glück.“
                        mittag, die Mittagshitze legt sich allmäh-         ein schwieriger Tag.                               Sieben Sieger in sieben Rennen sind zu
                        lich, nicht mehr ganz 30 Grad.                        Draußen auf der Tribüne werden seine         ermitteln, insgesamt 21 Millionen Dollar
                           Es ist jener seltsame Tag, der die vielen       Herrschaften sitzen, die Scheichs von Du-       zu gewinnen, es laufen Pferde aus Argen-
                        Welten von Dubai zusammentreffen lässt,            bai. Satish Seemar ist zuständig für zwei       tinien, Japan, Irland, den USA, aus Saudi-
                        schwarzverschleierte Frauen mit kleinen            Gestüte, Millennium und Zabeel. Zabeel          Arabien, Großbritannien, auch ein deut-
                        braunen Babys, pakistanische Gastarbei-            gehört Seiner Hoheit Scheich Mohammed           sches ist dabei, Quijano vom Gestüt Fähr-
                        ter in verschlissenen Hemden, ernste ara-          Ibn Raschid Al Maktum, Vizepräsident und        hof, ein hochgelobtes Pferd.
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Der arabische Traum - Spiegel
DER SPIEGEL / AG. FOCUS
Emiratschef Mohammed Al Maktum, Begleiter: Die Scheichs geben viel Geld aus für ihre Pferde, sie wollen Sieger sehen

   Der Höhepunkt, der letzte Renntag der        Jeans. Wir sind weltoffen, heißt das, fort- Sohn und die von Mohammeds Bruder
Saison in Dubai. Etwas Wichtiges. Die Tie-      schrittlich, aber nicht zu sehr.            Hamdan, und es gibt das Globalunterneh-
re wissen es, sie wissen es lange bevor man                                                 men Godolphin, das hauptsächlich von
                                                   Er ist ein Regent, der sich eine Welt selbst
sie in die Startbox bringt, sie bekommen                                                    Scheich Mohammed repräsentiert wird,
                                                erschafft, über die er anschließend herrschen
anderes Futter, man holt sie aus ihrem          kann, ein Metropolis auf 4000 Quadratkilo-  weltweit Pferde starten lässt und Erfolg ge-
Stall, und die Menschen sind nervös.            metern, die vor kurzem noch nicht viel mehr wohnt ist. Wenn die Scheichs sich aus dem
   Satish steht in der Sonne, er trägt dunk-    als Wüste waren und jetzt bevölkert werden  Galoppsport zurückziehen würden, das ha-
le Gläser, das Haar lang und schwarz nach       von gut einer Million Menschen. Nur ein     ben Analysten errechnet, dann würde dieser
hinten und im Gesicht keine Regung, zwei        Sechstel davon sind Staatsbürger, die ande- Sport ein Viertel seines Volumens verlieren.
Hengste hat er am Start im ersten Rennen,       ren sind zugewandert aus aller Welt.           Satish Seemar schaut natürlich auf Go-
einem Spezialpreis für arabische Vollblüter.       Dubai, das ist ein Siedlermythos, das    dolphin; nicht nur auf die internationalen
Er sagt nicht viel, hat nur für Jackie ein      Versprechen: Es gibt keine Grenzen. Doch    Rivalen, sondern auch auf die hauseigene
kurzes Lächeln übrig, seine strahlend schö-     es ist kein amerikanischer Traum, der be-   Konkurrenz. Vier Pferde von Scheich Ra-
ne, sommersprossige, aus Deutschland                                                        schid hat er an diesem Tag am Start. Er will
                                                sagt, dass alles für jeden möglich sei. Es ist
stammende Frau.                                 ein arabischer Traum: Alles ist möglich,    nicht schlecht aussehen gegen dessen Va-
   Er folgt seinen Pferden, Jackie folgt ihm.   wenn es der Herrscher will.                 ter, gegen Godolphin.
In den Führring, wo die Pferde paradie-            Der Herrscher hat eine Rennbahn in die      Das erste Rennen, Satish hat kein Glück
ren im Brausen der 60 000. Das Volk sitzt       Wüste gepflanzt, grün wie Iffezheim oder    mit den beiden Arabern, doch es ist nur
auf Picknickdecken, in ihren Logen und                                                                    ein Vorspiel, kein großes Pro-
im VIP-Gehege trifft sich die bessere           Es gibt keine Grenzen. Alles ist                          blem.
Gesellschaft aus aller Welt. Auf ihrer Tri-                                                                 Das zweite Rennen. Parole
büne die Scheichs, eine Wolke von wei-          möglich, wenn es der Herrscher will. Board, so heißt sein nächstes
ßen Gewändern. Scheich Mohammed ist                                                                       Pferd, Satish will keine Erwar-
ein Mann mit streng ausrasiertem Bart           Hamburg-Horn. Und keine Galoppsport- tungen schüren, ein fünfjähriger Wallach,
und Gesicht ohne Lächeln. Halblinks             Krise ist zu spüren, wie in Hamburg-Horn dunkelbraun. Die Glocke, das ist das Signal
sitzt Scheich Raschid, ebenfalls ernst und      oder Iffezheim, wo man klagt, dass die zum Aufsitzen, Parole Board hat die Start-
bärtig, aber weicher, jünger, der 26-jährige    Wettgelder ausbleiben und im Internet ver- nummer 16, ganz außen, das ist schlecht, er
Sohn.                                           schwinden – Wetten gibt es hier sowieso hat einen weiten Weg.
   Scheich Mohammed spricht nicht zum           nicht, weil der Prophet so etwas nicht er-     Die Gatter fliegen auf, und Jackie steht
Volk, das tut er selten. Manchmal erscheint     laubt. Keine Buchmacher, keine Online- auf dem Rasen und presst die Daumen,
er auf Empfängen, lässt sich eine Weile         Wetten, die Internet-Seiten sind gesperrt. Parole Board ist ein Kämpfer, er jagt über
betrachten, ungern fotografieren und               Dafür gibt es Scheich Mohammed und die Sandbahn, schiebt sich von außen
verschwindet wieder. Manchmal ist seine         seine Familie, die international tätig ist nach innen, heran an Spring at Last aus
jüngere Frau, Prinzessin Haja, dabei. Er        im Galoppsport, es gibt die jeweils eigenen Amerika, der den besten Start hatte, Parole
trägt die Dischdascha, sie trägt manchmal       Ställe von Scheich Mohammed und seinem Board kämpft, er sieht wie ein Sieger aus,
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fast wie ein Sieger, läuft als Zweiter ins Laserstrahl fährt nieder auf eine Bühne, schließlich auch die in seiner Nähe nicht
Ziel, so gut war er noch nie.                wo aus dem Nichts ein grünes Gebilde er- vor seinem Unwillen gefeit.
   Jackie jubelt.                            scheint, und Scheich Mohammed tritt hin-     Er muss die stumme Sprache der Pferde
   Satish lächelt still.                     zu, um das Gebilde zu besehen, es ist ein verstehen und auch die der Scheichs, auch
   Jetzt wäre Zeit für Champagner. Jetzt ist Modell, und in grüner Schrift steht jetzt bei Hoheiten wird ja nicht immer alles mit
Zeit für Champagner. Dies ist eine Renn- hoch droben auf der Fassade des Hotels Worten gesagt. Und beides hat er gelernt.
bahn ohne Bierbecher, ohne Wettschalter, Burj al-Arab: Meydan. Die Stadt der Pfer-        Er ist in Indien geboren, in privilegierter,
nur eine Lotterie gibt es mit geringen Ge- de. Die größte Rennanlage der Welt.          gut berittener Familie, studierte Tierzucht in
winnchancen, doch der VIP-Bereich ist eine      Keine Erklärung dazu, nur die Bilder. Kalifornien und hatte das Glück, Monty
eigene Welt. In der man längst seine Kon- Was errichtet werden soll auf den sie- Roberts aufzufallen, dem großen Pferdeflüs-
taktleute in den USA oder Europa angeru- ben Quadratkilometern Zukunft, Rennbah- terer, der nahm ihn als Praktikanten, später
fen hat, um die Wetten zu plazieren, in nen, Ställe, Restaurants, Hotels, Museum, als Mitarbeiter. Von Geschäften versteht er
der man wuchernde Hüte
trägt und tiefe Dekolletés. In
der man kleine Willkommens-
schreie ausstößt über Champa-
gnergläsern, wie in Paris, wie
in Iffezheim, es ist unglaublich,
denn dies ist ein arabisches, ein
islamisches Emirat.
   Dieser letzte Samstag im
März ist der Geburtstag Mo-
hammeds, des Propheten, an
dem selbst Luxushotels in der
Stadt keinen Alkohol aus-
schenken, aber hier gilt das
nicht.
   Es ist der Wille Seiner Ho-
heit Scheich Mohammed Ibn
Raschid Al Maktum, dass das
alles möglich sei. Es ist un-
glaublich, und es muss noch
unglaublicher werden.
   Der Scheich hat eine Vi-
                               DER SPIEGEL / AG. FOCUS

sion. Er hat öfters Visionen,
das höchste Bauwerk, der
größte Flughafen, das impo-
santeste Einkaufszentrum der
Welt. Und in einem Staat, in
dem es kein Wahlrecht gibt Trainer Seemar: Die Sprache der Pferde und die der Scheichs verstehen
und keine Parteien, sind sol-
che Visionen so zukunftssicher wie an- Bootshaus, Kanal, das wird erst morgen etwas seit Kentucky, dort war er fünf Jahre
derswo ein Parlamentsbeschluss.              in der Zeitung zu lesen sein. Nicht Daten lang Manager eines Gestüts, bis ihn Scheich
   Nun hat er wieder eine Vision, und die sind die Botschaft, sondern Gefühle, die Mohammed 1990 nach Dubai bat, 28 war er
hat mit Pferden zu tun.                      unter dem Nachthimmel entzündet wer- damals, um Zabeel und überhaupt den Ga-
   Der Abend vor dem Rennen, vor dem den sollen, das Feuer, die Pferde, die Bil- loppsport mit aufzubauen. Dort traf er
Himmel im Nachtwind leuchtet mal rot, der sagen: Unsere wilde Geschichte zählt Jackie, Jacqueline von Hammerstein-Lox-
mal blau das Sieben-Sterne-Hotel Burj al- noch immer, obwohl wir heute in gekühl- ten, bei einer Art Wiener Hofball in Dubai.
Arab. Der Dubai Racing Club hat geladen, ten Geschäftsräumen konferieren. Es ist          Sehr früh findet man ihn in den Tagen
internationale Gäste, ein paar Journalisten, folkloristische Werbung für die Welt da vor dem Rennen draußen in Nad al-Schiba,
die Society von Dubai. Das sind jene Ober- draußen. Und Selbstvergewisserung für die wo die Pferde in der Morgenkühle ihre
schicht und obere Mittelschicht, die der Untertanen, die Scheich Mohammed ab- Arbeit tun, oder später, wenn die Sonne
Geschäfte wegen nach Dubai gezogen sind, rupt aus dem Gestern in die Moderne vom Himmel brennt, im Gestüt Zabeel.
wo sie es sicherer und sauberer finden als holt, die Bilder sagen: Fürchtet euch nicht. Bis zu 200 Rennpferde stehen hier, aber
anderswo. Und die sich gut darin einge- Wir sind wir.                                   auch die Springpferde von Prinzessin Haja
richtet haben, nicht in einer Demokratie zu     Pferderennen, das war schon immer In- und die Reitpferde der Herrscherfamilie.
leben, sondern in einer Diktatur.            szenierung der Herrschaft und Belustigung    Es herrscht der Frieden eines Klosters
   „Scheich Mohammed, so jemand brauch- fürs Volk. Ein Spiel mit der Natur, die nicht auf diesem grünen Gelände, überall Pfer-
ten wir“, flüstert jemand aus Deutschland, vollständig zu bändigen, zu verplanen ist. de, die am Zügel des Pflegers die Wege
und eine Dame aus dem asiatischen Raum Das ist der Reiz. Und das ist der Druck, der abschreiten, gemächlich wie meditierende
erwägt sehr ernsthaft die Vorteile eines auf einem Trainer lastet – er soll Sieger Mönche. Eines heißt Thor’s Echo, ein fünf-
Systems, das sich um des Volkes Meinung bereitstellen. Trotz alledem.                   jähriger Fuchswallach, rötlich-golden, er
nicht zu kümmern braucht. Es liegt Er-          Satish Seemar kannte die Präsentation ist das vierte, das wichtigste Pferd für Sa-
wartung in der Luft, ein kundiges Wispern, schon vorher von einer privaten Vor- tish Seemar am World-Cup-Tag.
es gilt ein Geheimnis zu lüften, das keines führung. Er ist kein Niemand, er wird in      Zwei Monate ist er erst bei Satish in Du-
mehr ist.                                    den Emiraten gerade zum vierten Mal als bai, teuer gekauft wurde er nach einem
   Und dann ist Feuerwerk am Himmel, Trainer des Jahres gefeiert, er pflegt den Sieg im Breeders’ Cup in den USA, für
und auf überwältigend großer Leinwand Umgang mit Herrschern, aber wenn ein wie viel genau, darüber spricht man nicht.
galoppieren Pferde durch die Nacht, ein Herrscher nicht zufrieden ist, dann sind Jetzt muss er sich rentieren. Er schlackert
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mit der Zunge beim Gehen, schnaubt, er            Dann soll er es mit den Leuten teilen, verehrung, das letzte in der Heldenreihe
wirkt entspannt.                               das Gestüt und das Land.                  heißt Electrocutionist, gewann im vergan-
  Jackie sagt, Prinzessin Anne habe ein-          Das tut er doch, wir leben ja hier.    genen Jahr den World Cup und starb ein
mal festgestellt, dass der Rasen hier schö-                                              halbes Jahr darauf an einem Herzinfarkt.
                                                  Nein, sagte die Tochter, so meine ich das
ner sei als der des Buckingham Palace.         nicht.                                      Sechstes Rennen. Vorn wieder kein Go-
  Satish sagt, dass bei ihm immer zuerst                                                 dolphin. Ein Japaner siegt.
                                                  Was, fragt Satish, mit leisem Stolz in der
die Pferde kommen und dann erst die Men-       Stimme, sagt man so einem Kind?             Das Volk wird unruhig. Es kann hier kei-
schen. Er sagt, dass es den Pferden bei ihm       Samstags, beim Rennen, ist er schweig- ne Wetten gewinnen, doch es will seine
bessergehe als 60 Prozent der Menschheit.      samer als an anderen Tagen, wird noch     Helden siegen sehen. Die Stimmung fie-
Und es sieht so aus, als ob das stimmt.        schweigsamer zum vierten Rennen hin, in   briger jetzt auf den Rängen, erst Murmeln,
  Sie fressen Heu, das aus dem US-Staat                                                  dann Schreie, es geht um die sechs Millio-
                                               dem Thor’s Echo läuft, er gilt als Favorit.
Washington eingeführt wird, weil es das bes-   Zwei Millionen Dollar Preisgeld. 1200 Me- nen, es sind nicht ihre sechs Millionen, die
                                                                                                       auf den Rängen und den Pick-
                                                                                                       nickplätzen werden nichts da-
                                                                                                       von bekommen, doch schon
                                                                                                       in der Zahl allein liegt Faszi-
                                                                                                       nation.
                                                                                                          Das letzte Rennen, es wird
                                                                                                       ein Duell geben, Scheich Mo-
                                                                                                       hammed gegen Scheich Ham-
                                                                                                       dan, seinen Bruder. Invasor
                                                                                                       heißt das Pferd des Bruders,
                                                                                                       das des Regenten heißt Dis-
                                                                                                       creet Cat. Niemand, so heißt
                                                                                                       es, hat eine Chance gegen sie.
                                                                                                          Halb zehn Uhr abends, die
                                                                                                       Gatter fliegen auf, ein letztes
                                                                                                       Mal, und nicht Discreet Cat
                                                                                                       hat Flügel, sondern Invasor
                                                                                                       geht los und Premium Tap,
                                                                                                       der gehört der saudischen Kö-
                                                                                                       nigsfamilie, der stürmt an die
                                                                                                       Spitze, dann rückt im Schluss-
                                                                                                       bogen Invasor vor, dann

                                                                                                      DER SPIEGEL / AG. FOCUS
                                                                                                       schießt er ins Ziel.
                                                                                                          Als Letzter läuft ein, mit 23
                                                                                                       Längen Rückstand, Discreet
                                                                                                       Cat.
                                                                                                          Godolphin, der Stall der
Rennpferde im Gestüt Zabeel: Der Friede eines Klosters                                                 Herrscher, hat nichts gewon-
                                                                                                       nen, überhaupt nichts. Aber
te sei, das man kriegen kann. Zabeel hat ein ter Sandbahn. Ein Sprint. Und Satish steht Satish Seemar, der Pferdetrainer des Herr-
Schwimmbecken für Pferde und ein Jacuzzi, im Führring und schaut auf seinen Favori- schersohns, hat einen zweiten Platz.
an diesem Morgen sieht man ein Pferd in ten, Startposition 5, die Glocke, das Ren-         Satish ist danach von Ferne zu sehen,
der Jacuzzi-Kabine stehen, es lässt seine nen, Jackie schreit auf, Satish steht nur da wie er mit Scheich Raschid vertrauliche
müden Beine umspülen und legt den Kopf und guckt ungläubig, Thor’s Echo geht als Dinge bespricht. Jackie, mit erhobenem
auf die Mauer, die Augen halb geschlossen, Sechster ins Ziel.                            Kopf, erwartet ihn aus der Distanz.
steht da selig dösend wie ein Mensch unter      Aber Parole Board war doch gut, sagt       Seine Hoheit Scheich Mohammed Ibn
der Kopfmassage beim Friseur.                 Jackie.                                    Raschid Al Maktum zeigt kein Lächeln,
   Sie werden gepflegt und umhätschelt          Satish sagt nichts.                      aber das tut er ja selten, er begibt sich von
von ihren pakistanischen Stallburschen.         Es wird Nacht, und es gibt interessante seiner Tribüne herab, in einer Wolke aus
Fast immer sind es Männer aus Pakistan, Favoritenstürze, im fünften Rennen der Männern in weißen Gewändern, einer da-
die die niedrigsten Dienste leisten, das ist deutsche Quijano, zehn Rennen hat er in von ist sein Bruder Hamdan. 185 Unzen
überall so im Emirat.                                                                                  schwer ist der Siegerpokal, aus
   Satish sagt, er sei sehr einverstanden mit Die Welt ist nicht aus den Fugen. Ein                    18-karätigem Gold. Scheich
der Art, wie Scheich Mohammed sein Emi-                                                                Mohammed übergibt ihn sei-
rat und seine Geschäfte führt, und von Bruder reicht dem anderen den Pokal. nem Bruder. Die Welt ist doch
Pferden verstehe er wirklich viel. Satish                                                              nicht aus den Fugen in Dubai.
sitzt jetzt in seinem Büro, am wuchtigen Serie gewonnen und trödelt jetzt als Sieb-        Das Volk verschwindet im Dunkel der
Schreibtisch, hinter sich ein Bild des ter hinterdrein.                                  Nacht, in Bussen, Kleinwagen, zu Fuß die
Scheichs. Und dann erzählt er von seiner        Und noch immer hat kein einziges Go- Landstraße entlang, das Volk hatte seine
Tochter, viereinhalb Jahre alt, die nicht dolphin-Pferd auch nur einen vierten Platz Spiele. Scheich Hamdan hat den Sieg.
glauben wollte, dass ihr Vater einen Boss erreicht.                                        Scheich Mohammed, der Herrscher, hat
habe. Er sei doch selbst der Boss.              Godolphin, Godolphin, das ist die ewige seine Vision. Im Jahr 2010, wenn Meydan
   In meinem Büro ja, habe er gesagt. Aber Rede, Godolphin wird gerühmt als Stall der eröffnet wird, seine Stadt der Pferde, wird
das Gestüt und das Land, das gehört alles Sieger, eine Godolphin-Galerie neben der das Preisgeld im letzten Rennen 10 Millio-
dem Scheich.                                  Rennbahn feiert die Erfolge, fünfmal Dubai nen betragen.
   Das stimmt nicht, sagte die Tochter.       World Cup, aber auch Ascot, Paris-Long-      Das wird niemand übertreffen. Niemand
   Doch, sagte er.                            champs, Iffezheim, Pferdebilder, Pferde- auf der Welt.                                 ™
                                                     d e r   s p i e g e l   1 5 / 2 0 0 7                                          55
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