Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung - DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

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Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung - DIHK-Arbeitsmarktreport 2011
Der Arbeitsmarkt im Zeichen
der Fachkräftesicherung
DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

Ergebnisse einer DIHK-Unternehmensbefragung
Herbst 2011
Der Arbeitsmarkt im Zeichen
der Fachkräftesicherung
DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

Ergebnisse einer
DIHK-Unternehmensbefragung
Herbst 2011
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat im Rahmen seiner
              Umfrage zu „Wirtschaftslage und Erwartungen“ im Herbst 2011 die Industrie-
              und Handelskammern (IHKs) gebeten, die Unternehmen auch zu dem Thema
              Fachkräftesicherung zu befragen. Die einzelnen Fragen sind im Anhang aufge-
              führt.

              Der DIHK-Auswertung liegen mehr als 20.000 Unternehmensantworten zugrun-
              de. Nach Wirtschaftsbereichen stammen die Antworten aus der Industrie
              (32 Prozent), aus der Bauwirtschaft (sieben Prozent), aus dem Handel (22 Pro-
              zent) und aus den Dienstleistungen (39 Prozent).

              Die Untergliederung nach Unternehmensgröße weist 41 Prozent kleine Unter-
              nehmen mit bis zu 19 Beschäftigten aus, 42 Prozent mittlere Unternehmen mit
              20 bis 199 Beschäftigten sowie 13 Prozent mittelgroße Unternehmen mit
              200 bis 999 Beschäftigten. Vier Prozent der Antworten entfallen auf große Un-
              ternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern.

Herausgeber   © DIHK | Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V.
              Postanschrift: 11052 Berlin | Hausanschrift: Breite Straße 29 | Berlin-Mitte
              Telefon (030) 20 308-0 | Telefax (030) 20 3081000 | Internet: www.dihk.de

Redaktion     Dr. Achim Dercks, Dr. Stefan Hardege

Stand         Dezember 2011

Copyright     Alle Rechte liegen beim Herausgeber. Ein Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur
              mit ausdrücklicher Genehmigung des Herausgebers gestattet
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

Inhaltsverzeichnis                                                            Seite

Ergebnisse und Empfehlungen                                                          2

I.     Stellenbesetzung als Problem                                                  5

II.    Wie reagieren die Unternehmen?                                                11

III.   Leitplanken richtig setzen                                                    18

Fragebogen                                                                           27

DIHK-Veröffentlichungen zum Arbeitsmarkt                                             28

                                                                                          1
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

Ergebnisse in Kurzform:

x   Die Fachkräftesicherung wird mehr und mehr zur Herausforderung. Jedes dritte Unternehmen sieht
    im Fachkräftemangel eines der größten Risiken für die eigene wirtschaftliche Entwicklung – zu Jah-
    resbeginn 2010 waren es nur halb so viele. Besonders betroffen ist die Bauwirtschaft mit 44 Prozent,
    gefolgt von den Dienstleistern mit 37 Prozent.

x   Mehr als jedes dritte Unternehmen (37 Prozent) kann offene Stellen länger als zwei Monate nicht
    besetzen. In der Bauwirtschaft und in der Industrie bleiben in über 40 Prozent der Betriebe offene
    Stellen zwei Monate und mehr vakant.

x   Gerade technikorientierte Branchen wie beispielsweise der Werkzeugmaschinenbau (54 Prozent), der
    Fahrzeugbau (53 Prozent) und die Elektrotechnik (48 Prozent) sind betroffen. Aber auch in der Ge-
    sundheitswirtschaft (45 Prozent) und der Zeitarbeit (85 Prozent) bleiben in vielen Betrieben Stellen
    lange unbesetzt.

x   Als Reaktion auf Fachkräfteengpässe wollen die Unternehmen in erster Linie auf den eigenen Nach-
    wuchs setzen und ihre Ausbildung ausweiten (52 Prozent). Derzeit gibt es bereits mehr unbesetzte
    Ausbildungsstellen als unversorgte Bewerber. Rückläufige Schülerzahlen, die zunehmende Konkur-
    renz eines Studiums gegenüber der dualen Ausbildung sowie das Fehlen der Ausbildungsreife er-
    schweren für viele Unternehmen diesen Weg der Fachkräftesicherung.

x   Jedes zweite Unternehmen plant die Ausweitung der Weiterbildung. Gerade vor dem Hintergrund der
    demografischen Entwicklung ist dabei die Beteiligung älterer Beschäftigter wichtig.

x   31 Prozent der Unternehmen wollen über eine Steigerung der Arbeitgeberattraktivität Fachkräfte
    gewinnen und halten. Dazu gehören neben einer attraktiven Bezahlung auch die Arbeitsplatzqualität
    sowie beispielsweise Karrieremöglichkeiten und flexible Arbeitszeiten. Gerade Zeitarbeitsunterneh-
    men wollen ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern.

x   Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird für die Unternehmen als Strategie zur Fachkräftesiche-
    rung immer wichtiger. Innerhalb der letzten vier Jahre hat der Anteil der Unternehmen, die ihre
    Maßnahmen ausbauen wollen, von 15 Prozent auf 25 Prozent um mehr als die Hälfte zugenommen -
    nicht zuletzt ein Erfolg der vielfältigen Informationsangebote der IHK-Organisation.

x   Jedes vierte Unternehmen will die Einstellung und Beschäftigung Älterer ausweiten. Bereits in den
    letzten Jahren ist die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer gestiegen. Flankiert werden muss die
    längere Erwerbstätigkeit beispielsweise durch eine altersgerechte Personalpolitik und betriebliche
    Gesundheitsförderung.

                                                                                                           2
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

x   Die Einstellung von Fachkräften aus dem Ausland ist für zwölf Prozent der Unternehmen ein Weg zur
    Fachkräftesicherung. Gerade Betriebe mit Stellenbesetzungsproblemen wollen verstärkt auf ausländi-
    sche Experten setzen – beispielsweise im Bereich Gesundheits- und soziale Dienste (28 Prozent) und
    im Fahrzeugbau (23 Prozent).

x   Verlängerte Arbeitszeiten planen elf Prozent der Betriebe. Vor allem vollzeitnahe Modelle als Alter-
    native zum Halbtagsjob bieten hier Potenzial. Zu einer Einschränkung von Produktion und Service-
    leistungen als Folge fehlender Fachkräfte sehen sich derzeit nur vier Prozent der Unternehmen ge-
    zwungen – in der Gastronomie sind es allerdings schon zwölf Prozent.

x   Eine bessere Qualifikation der Schulabgänger steht als Voraussetzung zur Fachkräftesicherung aus
    Sicht der Unternehmen ganz oben – dies fordern 66 Prozent. Gerade Betriebe, die ihre Ausbildungs-
    anstrengungen intensivieren wollen, sehen dafür in der besseren Schulbildung und damit in der Aus-
    bildungsreife eine wichtige Voraussetzung.

x   Für mehr als jedes dritte Unternehmen stellt eine bessere Vermittlung Arbeitsloser durch die Arbeits-
    agenturen eine Hilfestellung zur Fachkräftesicherung dar. Dies gilt gerade für kleine Unternehmen,
    die zumeist keine eigene Personalabteilung haben, und in Branchen mit eher geringen Qualifikati-
    onsanforderungen.

x   Ein Drittel der Betriebe mahnt den weiteren Ausbau der Betreuungsinfrastruktur an. Dies ist eine
    wesentliche Voraussetzung, damit Eltern überhaupt oder länger arbeiten können.

x   Eine leichtere Beschäftigung ausländischer Fachkräfte wäre für 17 Prozent der Unternehmen hilf-
    reich. Die bisherigen Regelungen haben eine unkomplizierte Einstellung von klugen Köpfen aus dem
    Ausland in der Regel nicht ermöglicht.

DIHK-Empfehlungen:

x   Zur Fachkräftesicherung ist im Rahmen einer Gesamtstrategie ein ganzes Maßnahmenbündel nötig.
    Es gilt, sowohl die heimischen Potenziale besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren als auch die Be-
    schäftigung ausländischer Fachkräfte zu erleichtern. Dazu müssen alle relevanten Akteure ihren Bei-
    trag leisten. Die Unternehmen haben ihre Anstrengungen intensiviert - müssen und werden diese
    zugleich aber weiter ausbauen.

x   Die Qualifikation der Schulabgänger muss gesteigert, die Ausbildungsreife gesichert werden. Dazu
    sind Verbesserungen des Bildungssystems auf allen Stufen nötig. Das beinhaltet eine frühe Sprach-
    förderung – gerade für Kinder mit Migrationshintergrund – sowie den Ausbau von Ganztagslernan-
    geboten. Denn diese ermöglichen eine individuelle und gezielte Förderung. Ferner gilt es, die Berufs-
    orientierung an Schulen zu stärken. Dabei helfen Partnerschaften zwischen Betrieben und Schulen,
    deren Vermittlung die Wirtschaft zugesagt hat - 5.000 solcher Partnerschaften bestehen bereits. Für
    die Betriebe ist es wichtig, künftig auch die Potenziale der Schwächeren stärker zu nutzen.

                                                                                                            3
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

x   Die Vermittlungstätigkeit der Arbeitsagenturen und Jobcenter kann weiter verbessert werden, indem
    die Vermittlung noch betriebsnäher wird. Dabei hilft eine enge Kooperation der Arbeitsmarktakteure
    vor Ort, weil so die Sicht der Betriebe und die konkretren Stellenanforderungen in der Arbeitsverwal-
    tung stärker berücksichtigt werden können.

x   Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist der konsequente Ausbau der Betreuungsinfra-
    struktur unerlässlich. Um das von der Politik gesetzte Ziel zu erreichen, für 35 Prozent der unter Drei-
    jährigen einen Betreuungsplatz vorzuhalten, muss der Ausbau beschleunigt werden. Ferner bedarf es
    flexiblerer Betreuungsangebote, die den Arbeitszeiten der Eltern Rechnung tragen. Die Betriebe kön-
    nen in erster Linie durch niederschwellige Angebote die Vereinbarkeit erhöhen.

x   Die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer ist in den letzten Jahren gestiegen, die Unternehmen setzen
    wieder stärker auf Ältere. Die Rente mit 67 Jahren ist ein richtiger Schritt, der nicht in Frage gestellt
    werden darf. Bestehende Anreize, früher aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, müssen zurückgefah-
    ren werden. Das gilt für den verlängerten Bezug von Arbeitslosengeld I für Ältere, das grundsätzlich
    maximal zwölf Monate gewährt werden sollte.

x   Die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte muss einfacher werden. Es ist richtig, die Gehaltsschwelle
    für eine Niederlassungserlaubnis deutlich abzusenken, wie aktuell vom Bundeskabinett beschlossen –
    aber ohne zusätzliche Einschränkungen. Auch die Regelungen im Rahmen der Blue Card sowie die
    verbesserten Perspektiven für ausländische Absolventen deutscher Hochschulen sind Schritte in die
    richtige Richtung. Nun ist es wichtig, diese Erleichterungen zügig umzusetzen und deutlich zu kom-
    munizieren – insbesondere im Ausland gegenüber potenziellen Zuwanderern. Mittelfristig sollte trotz
    dieser Verbesserungen die Idee einer arbeitsmarktorientierten Zuwanderungssteuerung verfolgt wer-
    den, die sich an Kriterien wie Qualifikation, Berufserfahrung und Sprachkenntnissen orientiert. Da-
    durch ließen sich das weiterhin komplexe Zuwanderungsrecht vereinfachen und die Transparenz ins-
    gesamt steigern, womit ein deutliches Willkommenssignal gesendet wird.

                                                                                                                4
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

I. Stellenbesetzung als Problem                                                    damals waren es 16 Prozent. Kein anderer Risi-
                                                                                   kofaktor hat im gleichen Zeitraum so deutlich
Der deutsche Arbeitsmarkt hat sich in den zu-                                      an Bedeutung gewonnen. Das gilt auch für
rückliegenden Monaten erfreulich positiv entwi-                                    Energie- und Rohstoffpreise, die bei diesem
ckelt. Die Zahl der Arbeitslosen hat die Drei-                                     Vergleich an zweiter Stelle stehen. Dabei gilt zu
Millionen-Grenze im Herbst 2011 deutlich un-                                       bedenken, dass die Ursache der Arbeitskräfte-
terschritten. Die Unternehmen wollen weiter                                        engpässe in der demografischen Entwicklung
einstellen: Fast jedes fünfte plant eine Auswei-                                   liegt und die Problematik damit grundsätzlich
tung seines Personals, während nur jedes zehnte                                    auch im konjunkturellen Abschwung weiter
von einem Abbau ausgeht.1                                                          besteht, wenn auch in geringerem Ausmaß. Das
                                                                                   Arbeitskräftepotenzial wird sich in den kom-
                                                                                   menden 20 Jahren um über sechs Millionen
Fachkräftemangel zunehmend Risiko                                                  verringern, hinzu kommt die Alterung der Beleg-
                                                                                   schaften.2 Konjunkturelle Faktoren werden da-
Ungemach droht von anderer Seite. Fachkräfte-
                                                                                   her die Problematik von Personalengpässen in
engpässe werden mehr und mehr zum Risiko für
                                                                                   ihrem jeweiligen Ausmaß zwar beeinflussen,
die Unternehmen. Jeder dritte Betrieb sieht
                                                                                   aber grundsätzlich nicht verändern.
derzeit im Fachkräftemangel eines der größten
Risiken für die eigene wirtschaftliche Entwick-
                                                                                   Besonders betroffen vom Risiko Fachkräfteman-
lung. Dieses Risiko hat sich aus Sicht der Betrie-
                                                                                   gel sieht sich die Bauwirtschaft, in der fast jeder
be seit Jahresbeginn 2010 deutlich verschärft –

                                                  Entwicklung wirtschaftlicher Risiken im Vergleich

       250

       200

       150

       100

        50

         0
    Jahresbeginn 2010                      Herbst 2010               Jahresbeginn 2011                 Frühsommer 2011            Herbst 2011

             Fachkräftemangel                                Inlandsnachfrage                                 Auslandsnachfrage
             Finanzierung                                    Arbeitskosten                                    Wechselkurs
             Energie- und Rohstoffpreise                     Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen

1
 Vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK),
Wirtschaftslage und Erwartungen, Ergebnisse der DIHK-
                                                                                   2
Umfrage bei den Industrie- und Handelskammern, Herbst                               Vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK),
2011, Berlin 2011.                                                                 Arbeitsmarkt und Demografie, Berlin 2011.
                                                                                                                                                5
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

zweite Betrieb (44 Prozent) die eigene wirt-               tigungspläne unter dem gesamtwirtschaftlichen
schaftliche Entwicklung infolge fehlender Fach-            Durchschnitt, so dass die Suche nach Fachkräf-
kräfte gefährdet sieht. Bei den Dienstleistern             ten derzeit weniger ein Thema ist. Bei den Ener-
sind es 37 Prozent, in der Industrie 28 Prozent            gieversorgen dürfte zudem eine Rolle spielen,
und im Handel 24 Prozent.                                  dass dort vergleichsweise hohe Löhne gezahlt
                                                           werden können, was durchaus als Vorteil im
Zu den Einzelbranchen mit einer besonders ho-              Werben um qualifizierte Kräfte gilt. Während
hen Risikoeinschätzung zählen beispielsweise               der Bruttomonatsverdienst vollzeitbeschäftigter
die Zeitarbeit (82 Prozent), Gesundheits- und              Arbeitnehmer im produzierenden Gewerbe und
soziale Dienste (68 Prozent), Reparatur und                Dienstleistungsbereich im zweiten Quartal 2011
Installation von Maschinen und Ausrüstungen                bei 3.740 Euro lag, betrug er in der Energiever-
(54 Prozent), das Gastgewerbe (49 Prozent)                 sorgung 5.449 Euro.
sowie IT-Dienstleistungen (46 Prozent). Im Ver-
gleich zur Vorumfrage im Frühsommer 2011                   Korrespondierend zur guten Arbeitsmarktent-
haben die Anteile in einigen Branchen noch                 wicklung sind die Kräfteengpässe insbesondere
zugenommen. Dies gilt z. B. für das Gastgewer-             im Süden der Republik deutlich. Nicht nur deu-
be und die Reparatur von Maschinen und Aus-                ten die Arbeitslosenquoten in Bayern und Ba-
rüstung (jeweils plus acht Prozentpunkte), die             den-Württemberg mit unter vier Prozent schon
Zeitarbeit (plus fünf Prozentpunkte) sowie Ge-             fast auf Vollbeschäftigung hin, auch sehen fast
sundheits- und soziale Dienste (plus zwei Pro-             vier von zehn Betrieben dort das Risiko Fach-
zentpunkte). Bei den IT-Dienstleistern ist das             kräftemangel (37 Prozent). Im Norden sind es
Risiko geringfügig gesunken (minus drei Pro-               34 Prozent, im Osten 33 Prozent und im Westen
zentpunkte).                                               29 Prozent.

Insgesamt zeigt sich, dass Fachkräfteengpässe
nicht nur in Branchen bestehen, die typisch für            Fachkräftemangel gefährdet Beschäfti-
hoch qualifizierte Berufe sind, sondern z. B.              gungsaufbau
auch im Gastgewerbe (49 Prozent), in der Si-
cherheitswirtschaft (45 Prozent) sowie im Stra-            Fehlende gut qualifizierte Arbeitnehmer stellen
ßengüterverkehr (44 Prozent). Das verdeutlicht,            nicht nur ein Risiko für die wirtschaftliche Ent-
dass die Nachfrage nicht nur nach akademi-                 wicklung der Betriebe dar, sondern gefährden
schen Berufen hoch ist, sondern auch im Be-                auch den Beschäftigungsaufbau insgesamt. Und
reich mittlerer Qualifikationen mehr und mehr              dies nicht nur mit Blick auf die knappen Fach-
Fachkräfte gesucht werden.3                                kräfte selbst, sondern auch hinsichtlich anderer
                                                           Berufe und Qualifikationen, die komplementär
Kaum als Risiko gelten Kräfteengpässe in der               zur Beschäftigung der Fachkräfte sind. Fehlen
Medien- und Filmwirtschaft (sieben Prozent),               z. B. Ingenieure, muss im Zweifel auf eine mög-
dem Bekleidungsgewerbe (14 Prozent) oder                   liche Ausweitung der Produktion oder Entwick-
auch der Energieversorgung (15 Prozent). In                lung verzichtet werden. Dann werden aber auch
diesen Branchen liegen gleichzeitig die Beschäf-           weniger Arbeitskräfte auf nachgelagerten Stu-
                                                           fen gebraucht. Damit verschlechtern sich auch
3
 Vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK),    die Beschäftigungschancen in anderen Qualifi-
Mitarbeiter dringend gesucht! Fachkräftesicherung - Her-   kationsbereichen.
ausforderung der Zukunft, Berlin 2010.

                                                                                                               6
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

Die Umfrage zeigt, dass gerade in Branchen mit      ger als zwei Monate und damit deutlich über-
expansiven Beschäftigungsplänen auch der An-        durchschnittlich lange oder gar nicht zu beset-
teil der Betriebe, die das Risiko Fachkräfteman-    zen sind. Die BA weist den Anteil der Stellen mit
gel sehen, besonders hoch ist. Bei IT-              einer Vakanzzeit von z. B. mehr als drei Mona-
Dienstleistern planen 41 Prozent der Unterneh-      ten mit 25 Prozent aus. Der BA sind jedoch le-
men einen Beschäftigungsaufbau, 46 Prozent          diglich rund die Hälfte der offenen Stellen ge-
sehen gleichzeitig im Fachkräftemangel ein          meldet und gerade Stellen für hoch Qualifizierte
Entwicklungsrisiko. Im Gesamtdurchschnitt aller     werden unterdurchschnittlich oft gemeldet.
Branchen liegen diese Werte bei 19 Prozent für      Wenn diese vielfach nicht gemeldet werden,
den Beschäftigungsaufbau bzw. 33 Prozent für        obwohl bei den Unternehmen infolge von
das Fachkräftemangel-Risiko. Ähnlich ist die        Knappheiten langfristig Vakanzen bestehen,
Situation im Bereich von Forschung und Ent-         wird dadurch der Anteil der lange unbesetzten
wicklung, in dem 42 Prozent der Betriebe ihren      Stellen in der BA-Statistik unterschätzt.
Personalbestand aufstocken wollen und sich
gleichzeitig 41 Prozent vom Risiko Fachkräfte-      Ein weiteres Indiz, dass längerfristig nicht be-
mangel betroffen sehen. Auch bei Gesundheits-       setzbare Stellen auf Fachkräfteengpässe hindeu-
und sozialen Diensten (34 Prozent bzw. 68 Pro-      ten, liefert der enge Zusammenhang zwischen
zent) und im Luft- und Raumfahrzeugbau              dem Anteil der Betriebe, die den Fachkräfte-
(53 Prozent bzw. 63 Prozent) zeigt sich dieser      mangel als Risiko sehen und dem Anteil der
Zusammenhang ganz deutlich.                         Betriebe, die offene Stellen nicht besetzen kön-
                                                    nen. Denn über die Branchen hinweg gilt: Je
                                                    höher der Anteil der Betriebe mit langfristig
Stellen bleiben lange offen                         offenen Stellen, desto höher ist der Anteil, der
                                                    im Fachkräftemangel ein Risiko sieht.
Personalengpässe schlagen sich darin nieder,
dass Betriebe offene Stellen nicht oder nicht mit
den passenden Bewerbern besetzen können bzw.        Problem nimmt zu
lange und aufwendig suchen müssen. Laut der
Bundesagentur für Arbeit (BA) liegt die durch-      37 Prozent der antwortenden Unternehmen
schnittliche Vakanzzeit, bis eine Stelle besetzt    haben derzeit Schwierigkeiten bei der Besetzung
werden kann, im Jahresdurchschnitt 2011 bei         offener Stellen. Im Vergleich zum Herbst 2007,
zwei Monaten (61 Tage). Die Vakanzzeit ist da-      in dem die IHK-Organisation eine ähnliche Um-
mit im Aufschwung, wie wir ihn aktuell am           frage durchführte, ist dieser Anteil um vier Pro-
Arbeitsmarkt erleben, typischerweise länger als     zentpunkte gestiegen.4 Die Situation am Ar-
z. B. im Jahr 2005, als sie bei 47 Tagen lag.       beitsmarkt war damals ähnlich wie heute: Die
                                                    Arbeitslosigkeit ging zurück und die Beschäfti-
Mit 37 Prozent kann derzeit mehr als ein Drittel    gungspläne der Unternehmen lagen auf glei-
der Betriebe in Deutschland offene Stellen län-     chem Niveau. Im auslaufenden Aufschwung
ger als zwei Monate nicht besetzen. Eine län-       erreichten Fachkräfteengpässe einen hohen
gerfristige Vakanz ist nicht zwangsläufig gleich-   Stand.
bedeutend mit einem Fachkräftemangel, liefert
aber ein deutliches Signal für Schwierigkeiten      4
                                                      Vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK),
und Engpässe bei der Stellenbesetzung – zumal       Kluge Köpfe – vergeblich gesucht! Fachkräftemangel in der
                                                    deutschen Wirtschaft, Berlin 2007.
hierunter auch Stellen fallen, die merklich län-
                                                                                                                7
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

                               Können Sie in Ihrem Unternehmen derzeit offene Stellen
                                       mehr als zwei Monate nicht besetzen?
                                             nach Wirtschaftszweigen - in Prozent

                                                                   37
        insgesamt
                                                                                                 63

                                                                     38
  Dienstleistungen
                                                                                                62

                                                     26
           Handel
                                                                                                             74

                                                                          41
    Bauwirtschaft
                                                                                           59

                                                                          41
         Industrie
                                                                                           59

                     0          10         20             30         40             50     60          70         80

                         ja, Stellen können nicht besetzt werden                                nein, keine Probleme

Deutlich verschärft hat sich die Engpasssituati-                    Trend. Dennoch sind die Probleme dort noch
on in der Bauwirtschaft: Aktuell melden                             kleiner als in den übrigen Regionen - allerdings
41 Prozent der Betriebe dort Stellenbesetzungs-                     haben sich die Abstände verringert.
probleme – vor vier Jahren waren es nur
27 Prozent. In der Industrie ist die Lage mit                       Die größten Probleme haben die Unternehmen
heute 41 Prozent gegenüber 40 Prozent im Jahr                       in Baden-Württemberg, wo 43 Prozent zumin-
2007 nahezu gleich geblieben, während die                           dest eine offene Stelle länger als zwei Monate
Anteile derjenigen, die Stellen nicht problemlos                    nicht besetzen können. Besonders betroffen ist
besetzen können, bei den Dienstleistungen (plus                     dort die Bauwirtschaft (52 Prozent). Aber auch
sechs Prozentpunkte) und im Handel (plus vier                       bei den Dienstleistern (46 Prozent) und in der
Prozentpunkte) zugenommen haben. Engpässe                           Industrie (45 Prozent) sieht es kaum besser aus.
in MINT-Berufen, die schon länger bestehen,
sind insbesondere in der Industrie von Bedeu-
tung.                                                               Vakanzen in Industrie und Bau

                                                                    Industrie- und Baubetriebe haben derzeit die
Situation im Osten verschärft                                       größten Schwierigkeiten, passendes Personal zu
                                                                    finden. Jeweils mehr als 40 Prozent können
In regionaler Hinsicht hat sich die Fachkräftesi-                   offene Stellen zwei Monate oder länger nicht
tuation insbesondere in Ostdeutschland ver-                         besetzen. Bei den Dienstleistern sind es 38 Pro-
schärft. Während im Jahr 2007 dort gut ein                          zent und im Handel 26 Prozent.
Viertel der Betriebe Schwierigkeiten beklagte, ist
es heute bereits jedes dritte Unternehmen. Fort-                    In gut jedem dritten Bauunternehmen bleiben
züge und die im Osten stärker voranschreitende                      zwischen ein und drei Stellen offen und in sie-
demografische Entwicklung sind neben der kon-                       ben Prozent zwischen vier und sechs Stellen. In
junkturellen Entwicklung Ursachen für diesen                        der Industrie liegt der Anteil mit ein bis drei

                                                                                                                       8
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

offenen Stellen bei 27 Prozent, während acht        Techniker gesucht …
Prozent vier bis sechs Vakanzen nicht besetzen
können. Größere Kontingente bleiben in insge-       Gerade technikorientierte Branchen sind von
samt sechs Prozent der Industrieunternehmen         Fachkräfteengpässen betroffen. Zu den Unter-
offen – zwei Prozent können mehr als 20 Stellen     nehmen, die erhebliche Schwierigkeiten haben,
längerfristig nicht besetzen. Im Vergleich zum      passende Bewerber zu finden, gehört unter an-
Bau kommt hier die Branchenstruktur zum Aus-        derem der Fahrzeugbau, wo mehr als jedes
druck, die durch mehr größere Unternehmen           zweite (53 Prozent) offene Stellen zwei Monate
geprägt ist.                                        und mehr nicht besetzen kann. Im Bereich der
                                                    Herstellung von Kfz-Teilen und –Zubehör sind es
                                                    sogar 60 Prozent. Schwierigkeiten haben eben-
Größere häufiger betroffen                          falls die Maschinenbauer (51 Prozent) – insbe-
                                                    sondere der Werkzeugmaschinenbau (54 Pro-
Mit der Zahl der Beschäftigten steigt auch die      zent), Hochtechnologie, elektrische Ausrüstun-
Wahrscheinlichkeit, dass Vakanzen offen blei-       gen, Medizintechnik (jeweils 51 Prozent), Elekt-
ben. Von den Firmen mit mehr als 1.000 Be-          rotechnik (48 Prozent), Spitzentechnologie so-
schäftigten kann die Hälfte offene Stellen nicht    wie IT-Dienstleister (jeweils 45 Prozent).
besetzen. Gut jedes zehnte dieser Unternehmen
berichtet von mehr als 20 Vakanzen.                 Fehlen Fachkräfte, so besteht die Gefahr, dass
                                                    Unternehmen Aufträge nicht in dem Maße an-
Bei den Mittelständlern sind es hingegen allein     nehmen und abarbeiten können, wie es die
aufgrund deren Größe weniger offene Stellen.        Marktnachfrage prinzipiell zuließe. Auch die
Jeder dritte Betrieb mit 20 bis 199 Beschäftig-     Innovationstätigkeit kann dadurch gebremst
ten kann zwischen ein und drei Stellen nicht        werden. Das schadet dem Unternehmen, verur-
besetzen, vier bis sechs Arbeitsplätze bleiben in   sacht aber auch gesamtwirtschaftliche Kosten,
sechs Prozent der Betriebe überdurchschnittlich     weil Wertschöpfungs- und Wachstumspotenzia-
lange leer.                                         le ungenutzt bleiben.

Im Vergleich zum Jahr 2007 haben insbesondere       Da die betroffenen Branchen zudem weltwirt-
die Schwierigkeiten der kleinen und mittleren       schaftlich verflochten sind und einen nicht un-
Unternehmen (KMU) zugenommen. So berichten          erheblichen Teil ihrer Gewinne im Exportge-
derzeit 23 Prozent der Betriebe mit weniger als     schäft erwirtschaften, gefährden Fachkräfte-
zehn Mitarbeitern, Probleme bei der Stellenbe-      engpässe hierzulande auch die internationale
setzung zu haben, vor vier Jahren waren es noch     Wettbewerbsposition der deutschen Industrie –
19 Prozent. Bei den KMU mit 20 bis 199 Be-          Absatzmärkte können nicht erschlossen werden,
schäftigten hat sich dieser Wert um sechs Pro-      Marktanteile gehen verloren. Damit stehen nicht
zentpunkte auf 41 Prozent erhöht. Bei den grö-      nur Arbeitsplätze in Deutschland auf dem Spiel,
ßeren Unternehmen sind die Anteile nahezu           sondern auch ein wesentlicher Wachstumstrei-
stabil – bei denen mit über 1.000 Arbeitneh-        ber.
mern gab es eine marginale Änderung um minus
zwei Prozentpunkte auf 49 Prozent.

                                                                                                       9
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

                                Können Sie in Ihrem Unternehmen derzeit offene Stellen
                                        mehr als zwei Monate nicht besetzen?
                                          nach Beschäftigtengrößenklassen - in Prozent

                                                 23
           1 bis 9
                                                                                                                           77

                                                              31
        10 bis 19                                                                                                 69

                                                                            41
       20 bis 199
                                                                                                     59

                                                                                 46
      200 bis 999
                                                                                                54

                                                                                      49
  1.000 und mehr
                                                                                           51

                     0          10         20            30            40             50             60          70          80
                         ja, Stellen können nicht besetzt werden                                          nein, keine Probleme

… auch Gesundheitswirtschaft sucht …                                 schaft künftig weiter zunehmen. Studien zeigen,
                                                                     dass bis zum Jahr 2030 mehr als 160.000 Ärzte
Die Gesundheitswirtschaft ist ebenfalls von                          fehlen werden. Im ambulanten und stationären
Kräfteengpässen betroffen. Dort haben 45 Pro-                        Pflegebereich könnten rund 460.000 Kranken-
zent der Betriebe Schwierigkeiten, passendes                         schwestern, -pfleger und Pflegehelfer benötigt
Personal zu finden. In der Pharmazeutischen                          werden. Im Bereich der Altenpflege sind es bis
Industrie sind es 48 Prozent. Sechs von zehn                         zu 400.000 zusätzliche Pflegekräfte.
Gesundheits- und Sozialdienstleistern können
Vakanzen längerfristig nicht besetzen. Hier sind                     Vor diesem Hintergrund kommen erhebliche
auch die Dimensionen beachtlich. Mehr als je-                        Probleme auf die Gesellschaft zu. Infolge der
des vierte Unternehmen beklagt ein bis drei                          Alterung steigt auch die Pflegebedürftigkeit.
Vakanzen, bei 22 Prozent sind es vier bis sechs                      Waren im Jahr 2007 etwa 2,2 Millionen Men-
offene Stellen und immerhin sieben Prozent                           schen pflegebedürftig, so werden es im Jahr
nennen sieben bis neun Stellen. Diese Situation                      2030 fast 3,5 Millionen sein. Gerade in ländli-
korrespondiert mit den bei der BA bekannten                          chen Regionen stellen sich damit ernorme Her-
Daten: Z. B. kommen auf 100 Arbeitsstellen für                       ausforderungen für die Versorgung.
Krankenschwestern/-pfleger und Hebammen
lediglich 75 Arbeitslose. Die Vakanzzeit liegt mit
107 Tagen weit über dem Durchschnitt. Bei den                        … ebenso die Zeitarbeit
Ärzten sieht es ähnlich aus. Hier sind es 85 Ar-
beitslose, die auf 100 Stellen kommen. Im                            Mit an der Spitze der Branchen, die offene Stel-
Schnitt dauert die Stellenbesetzung 154 Tage.                        len längerfristig nicht besetzen können, steht
                                                                     die Zeitarbeit – dort sind 85 Prozent der Unter-
Im Zuge der demografischen Entwicklung wird                          nehmen betroffen. Dieser Befund spiegelt die
der Fachkräftebedarf in der Gesundheitswirt-                         gute Arbeitsmarktsituation wider. Arbeitnehmer

                                                                                                                                  10
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

haben derzeit gute Chancen auf eine Festanstel-        dustrie und Handel 344.000 Ausbildungsverträ-
lung; Betriebe übernehmen vormalige Zeitarbei-         ge geschlossen. Das sind fast 11.500 mehr als
ter. Der Arbeitnehmerüberlassung fällt es da-          im Vorjahr (plus 3,5 Prozent) – und das trotz um
durch schwerer, Personal zu finden.                    2,5 Prozent sinkender Bewerberzahlen.

Trotz des eher geringen Anteils der Zeitarbeit an      Im Vergleich zur Umfrage des Jahres 2007 hat
der sozialversicherungspflichtigen Beschäfti-          sich der Anteil der Unternehmen, die ihre Aus-
gung von weniger als drei Prozent kommt dieser         bildung intensivieren wollen, etwas verringert –
Beschäftigungsform eine wichtige Funktion zu.          von 58 Prozent auf heute 52 Prozent. Ursächlich
Denn sie ermöglicht den Unternehmen – nicht            dafür ist, dass manche Betriebe in den zurück-
zuletzt vor dem Hintergrund restriktiver Ar-           liegenden vier Jahren ihre Anstrengungen be-
beitsmarktregulierungen – flexibel auf Auftrags-       reits ausgeweitet haben und an Kapazitätsgren-
schwankungen zu reagieren. Insbesondere in             zen stoßen. Auch ist den Betrieben heute stärker
Zeiten großer Unsicherheiten gewinnt die Zeit-         bewusst, dass die Ausbildungspotenziale infolge
arbeit an Attraktivität. Sie bietet für viele gering   der rückläufigen Schulabgängerzahlen insge-
Qualifizierte und vormals Arbeitslose einen Weg        samt begrenzt sind – und die duale Ausbildung
zurück in Beschäftigung – zwei Drittel der Zeit-       zudem mehr und mehr in Konkurrenz zum Stu-
arbeiter waren zuvor ohne Beschäftigung.               dium steht. Hierauf deutet hin, dass in Ost-
                                                       deutschland – wo die demografische Entwick-
                                                       lung weiter vorangeschritten ist - „nur“
II. Wie reagieren die Unternehmen?                     44 Prozent aller Unternehmen auf mehr Ausbil-
                                                       dung setzen, während es im Süden 59 Prozent
Die Sicherung der Fachkräftebasis und damit            sind (Nord: 56 Prozent; West: 50 Prozent).
letztlich der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit
ist in erster Linie Aufgabe der Betriebe. Die Um-      Ende September 2011 waren insgesamt deutlich
frage verdeutlicht, dass diese das erkennen und        mehr unbesetzte Ausbildungsplätze (29.700) bei
bereits vielfältig aktiv sind, sie zugleich aber       der BA gemeldet, als es unversorgte Bewerber
ihre Anstrengungen weiter ausbauen wollen und          (11.600) gab. Der Überhang an Stellen
müssen.                                                (plus 18.100) hat sich gegenüber dem Vorjahr
                                                       um fast 11.000 vergrößert. Für die Betriebe wird
                                                       es daher zunehmend schwerer, mit Ausbildung
Eigenen Nachwuchs stärken – mehr                       auf künftige Engpässe zu reagieren. Vor diesem
ausbilden                                              Hintergrund müssen die Betriebe künftig noch
                                                       stärker auch auf die Potenziale von lernschwä-
Als Reaktion auf künftige Fachkräfteengpässe
                                                       cheren Jugendlichen zurückgreifen.
setzen die Betriebe auf ein breites Portfolio an
Maßnahmen. An der Spitze steht dabei der ei-
gene Nachwuchs: Mehr als jedes zweite Unter-
                                                       Industrie setzt auf Azubis
nehmen plant, sein Ausbildungsengagement
weiter auszubauen. Dass dies bereits heute als
                                                       Die Industriebetriebe setzen am stärksten auf
probates Mittel gilt, zeigt der Blick auf den Aus-
                                                       die eigene Ausbildung (59 Prozent). Im Handel
bildungsmarkt am aktuellen Rand: Mehr Ju-
                                                       und der Bauwirtschaft sind es aber nur gering-
gendliche beginnen eine Ausbildung als im Vor-
jahr. Bis Ende November 2011 wurden in In-

                                                                                                        11
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

                                                     Wie wollen Sie zukünftig auf Fachkräfteengpässe reagieren?
                                                          nach Wirtschaftszweigen - in Prozent (Mehrfachantworten möglich)

  70
        59                                                                            57
  60         55                                54
                                                                                                                                                              52
                                                                                           48                                                                      49
  50                                                                                                                      46 47
                                                    44

  40
                                 31                                                                                                              32                                  31
                                                                                                                                  29
  30                                                                    25                                                             26                               25 25
                       24                                                                                   24
                  22                                          22                                21 22
  20                                                                             17
                            13            13             13                                                                                 14
                                                                   12                                                12                                                         12            11
                                                                                                                                                          9
  10                                                                         5                          6                                             5
                                      4                                                                          3                                                                        4

   0
                   Industrie                         Bauwirtschaft                                Handel                     Dienstleistungen                           insgesamt

   mehr Ausbildung                                                                                          mehr Weiterbildung
   Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern                                                          Beschäftigung/Einstellung Älterer ausweiten
   Einstellung von Fachkräften aus dem Ausland                                                              Steigerung der Arbeitgeber-Attraktivität (z.B. Bezahlung, Arbeitsplatzqualität)
   Produktion/Service reduzieren                                                                            Arbeitszeit ausweiten

fügig weniger. Bei den Dienstleistern ist es nicht                                                               eurbüros (35 Prozent) und Forschung und Ent-
ganz jedes zweite Unternehmen. Letzteres ist                                                                     wicklung (38 Prozent).
sicherlich ein Hinweis darauf, dass dort im Ver-
gleich zu den anderen Branchen die akademi-                                                                      Bei einer Betrachtung nach Größenklassen ist zu
schen Berufe eine relativ stärkere Rolle spielen.                                                                beachten, dass der jährliche Fachkräftebedarf
Im Vergleich zum Jahr 2007 fällt besonders die                                                                   bei kleinen Betrieben geringer als bei größeren
recht deutliche Verringerung der Anteile im Bau                                                                  ist: Meist können kleine Betriebe nur alle drei
auf – minus neun Prozentpunkte (Industrie:                                                                       Jahre einen neuen Auszubildenden einstellen.
minus zwei Prozentpunkte; Handel: minus vier                                                                     Immerhin will aber auch bei den KMUs mit ein
Prozentpunkte; Dienstleistungen: minus fünf                                                                      bis neun Mitarbeitern noch jeder dritte Betrieb
Prozentpunkte). Wies die Bauwirtschaft im Jahr                                                                   sein Ausbildungsengagement ausweiten. Bei den
2007 noch den höchsten Wert auf, so liegt sie                                                                    Unternehmen mit 200 und mehr Beschäftigten
mittlerweile an dritter Stelle. Hier zeigen sich                                                                 sind es sogar zwei Drittel. Der Vergleich mit dem
nicht zuletzt die im Bau besonders ausgepräg-                                                                    Jahr 2007 zeigt, dass sich die Anteile insbeson-
ten Nachwuchssorgen.                                                                                             dere bei den kleinen Unternehmen verringert
                                                                                                                 haben. Bei Betrieben mit weniger als zehn Be-
Zu den Branchen, in denen besonders viele Un-                                                                    schäftigten um zehn Prozentpunkte, mit zehn
ternehmen mehr ausbilden wollen, gehören u. a.                                                                   bis 19 Beschäftigten um elf Prozentpunkte. Bei
das Papiergewerbe (71 Prozent), der Werkzeug-                                                                    größeren Einheiten mit 200 bis 999 Beschäftig-
maschinenbau (69 Prozent), Metallerzeugung                                                                       ten gab es nahezu keine Veränderung (minus ein
und -bearbeitung (66 Prozent), Fahrzeugbau                                                                       Prozentpunkt). Bei Unternehmen mit 1.000 und
(65 Prozent), aber auch z. B. das Kreditgewerbe                                                                  mehr Mitarbeitern hat sich der Anteil sogar von
(68 Prozent). Am unteren Ende der Skala stehen                                                                   60 Prozent auf 65 Prozent erhöht. Großen Un-
u.a. die Gastronomie (35 Prozent) sowie Bran-                                                                    ternehmen fällt es in der Regel leichter, trotz
chen, die in erster Linie Hochschulabsolventen                                                                   der demografischen Entwicklung Lehrstellen zu
rekrutieren wie z. B. Architektur– und Ingeni-                                                                   besetzen – nicht zuletzt weil sie in den Augen

                                                                                                                                                                                                   12
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

vieler Jugendlicher als attraktiver gesehen wer-     Betriebe als auch die Beschäftigten selbst ihre
den. Viele KMU – besonders in der Gastronomie        Anstrengungen intensivieren. Dazu bedarf es
– haben hingegen bereits in den letzten Jahren       z. B. an den Bedürfnissen der Beschäftigten
die Erfahrung gemacht, ihre angebotenen Aus-         orientierte passgenaue Angebote. Arbeitnehmer
bildungsplätze nicht besetzen zu können. Eine        sollten hierzu als Teil ihrer Eigenverantwortung
weitere Ausweitung des Ausbildungsplatzange-         Freizeit einbringen. Informelle Weiterbildungs-
bots kann daher gerade für diese Betriebe nur        maßnahmen eignen sich insbesondere dann,
einen begrenzten Beitrag zur Fachkräftesiche-        wenn Ältere eher ungern klassische Schulungen
rung leisten.                                        besuchen und lieber eigenständig lernen.

                                                     Auffällig ist, dass die Bereitschaft der Betriebe
Weiterbildung hoch im Kurs                           zu mehr Weiterbildung im Osten Deutschlands
                                                     merklich geringer ist. 42 Prozent nennen dort
An zweiter Stelle folgt der Ausbau von Weiter-       diese Option, während es in den übrigen Regio-
bildungsangeboten, mit denen 49 Prozent der          nen zwischen 50 Prozent und 52 Prozent sind.
Betriebe auf die künftige Fachkräftesituation        Der Grund dafür dürfte in erster Linie in der
reagieren wollen. In der Industrie sind es mit       vergleichsweise kleinteiligen Wirtschaftsstruktur
55 Prozent mehr als in den übrigen Wirtschafts-      liegen.
zweigen. Im Vergleich zur Umfrage vor vier Jah-
ren sind die entsprechenden Anteile insgesamt
kaum verändert. Lediglich in der Industrie ist der   Attraktive Arbeitgeber
Anteil im Gegensatz zu den anderen Wirt-
schaftszweigen leicht gestiegen (plus zwei Pro-      Fast jeder dritte Betrieb plant, mit einer Steige-
zentpunkte).                                         rung seiner Arbeitgeberattraktivität zur Siche-
                                                     rung der Fachkräftebasis beizutragen. Unter-
Mit der Unternehmensgröße steigt die Bereit-         nehmen stehen zunehmend im Wettbewerb um
schaft zur verstärkten Weiterbildung. In Groß-       qualifizierte Köpfe und machen sich Gedanken,
unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten         wie sie künftig gute Mitarbeiter nicht nur ge-
planen zwei Drittel einen Ausbau, in KMU mit         winnen, sondern auch langfristig an sich binden
weniger als 20 Mitarbeitern sind es 35 Prozent.      können. Sich als attraktiver Arbeitgeber zu posi-
Dabei ist zu berücksichtigen, dass es gerade         tionieren, gewinnt immer mehr an Bedeutung.
KMU schwer fällt, formale Weiterbildungsmaß-         Ein wichtiger Faktor dabei ist, wenn auch bei
nahmen anzubieten. Stattdessen setzen viele          weitem nicht der einzige, die Bezahlung der
auf informelles Lernen im Betrieb und bieten         Mitarbeiter.
den Beschäftigten Möglichkeiten zur selbststän-
digen Weiterbildung. Zudem hilft die Weiterga-       Das Ergebnis der Umfrage verdeutlicht, dass ein
be von z. B. in Seminaren erworbenem neuen           Großteil der Betriebe durchaus bereit ist, auch
Wissen an Kollegen.                                  höhere Gehälter und damit Kosten in Kauf zu
                                                     nehmen, um so auf Knappheiten am Arbeits-
Gerade ältere Beschäftigte sind mit Blick auf die    markt zu reagieren. Der teilweise geäußerte
Teilnahme an beruflicher Weiterbildung unter-        Vorwurf, Fachkräfteengpässe wären kein reales
repräsentiert. Vor dem Hintergrund steigender        Problem für die Betriebe und diese wären nicht
Lebensarbeitszeiten und zur Sicherung der dau-       bereit, höhere Löhne bei steigenden Knapphei-
erhaften Beschäftigungsfähigkeit sollten sowohl      ten zu zahlen, ist somit nicht treffend. Vielmehr
                                                                                                        13
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

                                                 Wie wollen Sie zukünftig auf Fachkräfteengpässe reagieren?
                                                 nach Beschäftigtengrößenklassen - in Prozent (Mehrfachantworten möglich)

  70                                                                                                                      65 63                               65 66

  60                                                                               57
                                                                                        50
                                                                                                                                                                      48
  50                                                                                                                                                                                 45
                                            41
                                                 38                                                                                              38
  40
       33 34
                                                                                                            28                    30
  30                27                                     27        27
               22             23                                                                  24                                   22                                  22
                                                      19                                     19
  20                                   16                                                                                                                                       17
                                                                              14                       13                                   13
                                                                11                                                   10
                         9                                                                                                                                8
  10                               7                                      6                                                                                                                   6
                                                                                                                 4                                    2                                   2
   0
                    1 bis 9                            10 bis 19                             20 bis 199                           200 bis 999                    1.000 und mehr

   mehr Ausbildung                                                                                      mehr Weiterbildung
   Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern                                                      Beschäftigung/Einstellung Älterer ausweiten
   Einstellung von Fachkräften aus dem Ausland                                                          Steigerung der Arbeitgeber-Attraktivität (z.B. Bezahlung, Arbeitsplatzqualität)
   Produktion/Service reduzieren                                                                        Arbeitszeit ausweiten

zeigt die Umfrage, dass es gerade solche Bran-                                                              … auch im Mittelstand
chen sind, die ihre Arbeitgeberattraktivität stei-
gern wollen, die bereits jetzt Schwierigkeiten bei                                                          Bei Dienstleistern (32 Prozent) und Industrie
der Stellenbesetzung haben.                                                                                 (31 Prozent) wird die Steigerung der Arbeitge-
                                                                                                            berattraktivität von mehr Unternehmen geplant
Ein weiterer Faktor ist die Arbeitsplatzqualität,                                                           als im Bau (25 Prozent) und im Handel
die einen Arbeitgeber in den Augen potenzieller                                                             (24 Prozent). Ein Teil solcher Maßnahmen kann
Mitarbeiter attraktiv macht. Auch dies ist in der                                                           insbesondere in Dienstleistungsunternehmen
Regel für den Arbeitgeber nicht zum Nulltarif zu                                                            gut implementiert werden – z. B. eine flexible
haben. Aspekte wie flexible Arbeitszeiten und                                                               Arbeitsorganisation und flexible Arbeitszeiten
-orte, Eigenverantwortung, Karrieremöglichkei-                                                              sowie eigenverantwortliches Arbeiten. Ähnliches
ten und Führungskultur spielen ebenso eine                                                                  gilt hinsichtlich der Größenklassen. So steigt der
Rolle wie z. B. Angebote zur Gesundheitsförde-                                                              Anteil der Betriebe, die ihre Attraktivität als
rung oder das betriebliche regionale Umfeld.                                                                Arbeitgeber steigern wollen, mit der Unterneh-
                                                                                                            mensgröße an. Bei Betrieben mit 200 bis 999
Insgesamt kommt es dabei auf einen passenden                                                                Beschäftigten sind es 38 Prozent, von den gro-
Maßnahmenmix an, der auf das jeweilige Un-                                                                  ßen Unternehmen ist es fast jedes zweite
ternehmen zugeschnitten sein muss. Ein attrak-                                                              (45 Prozent). Dass viele Maßnahmen aber
tives Gehalt ist dabei nur ein Aspekt von vielen                                                            durchaus KMU-kompatibel sind, zeigt die Tatsa-
und aus der Sicht der Fachkräfte nicht grund-                                                               che, dass immerhin fast jeder vierte Betrieb mit
sätzlich der wichtigste.                                                                                    weniger als neun Beschäftigten die Arbeitgeber-
                                                                                                            attraktivität ausbauen will.

                                                                                                                                                                                                  14
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

Zeitarbeit will mehr tun                            scheider in den Unternehmen gerückt sind. In
                                                    einer höheren Erwerbspartizipation und einer
Besonderes Augenmerk auf die Attraktivitäts-        Ausweitung der Arbeitszeit von teilzeitbeschäf-
steigerung legen die Zeitarbeitsunternehmen –       tigten Frauen liegen erhebliche Potenziale zur
dort sind es 58 Prozent. Dies ist zum einen Aus-    Steigerung des Fachkräfteangebots.
druck der Probleme, Arbeitskräfte zu finden,
zum anderen sicher auch eine Reaktion auf die       Nahezu jedes zweite Unternehmen mit mehr als
mitunter kritische Sicht auf die Zeitarbeitsbran-   1.000 Beschäftigten plant weitere Schritte – vor
che in der Öffentlichkeit. Der Fahrzeugbau, Ge-     vier Jahren waren es 34 Prozent. Aber auch
sundheits- und soziale Dienste (jeweils             kleine Unternehmen haben die Möglichkeit, mit
46 Prozent) und das Kreditgewerbe (39 Prozent)      passgenauen Angeboten die Vereinbarkeit zu
stehen im Branchenvergleich mit an der Spitze.      verbessern. Dies gilt z. B. für flexible Arbeitszei-
                                                    ten und eine flexible Arbeitsorganisation sowie
                                                    für Zuschüsse zur Kinderbetreuung, aber auch
Vereinbarkeit immer wichtiger                       für Informationsangebote zur Vereinbarkeit von
                                                    Pflege und Beruf.
Die Möglichkeit, Beruf und Familie zu vereinba-
ren, steigert ebenfalls die Attraktivität eines
Unternehmens in den Augen von Bewerbern. Sie        Länger arbeiten – nur hier und dort
ist aber wichtig, um insbesondere die Erwerbs-
tätigkeit von Frauen zu erhöhen – in Verbindung     Als Reaktion auf fehlende Fachkräfte kann die
mit besseren Rahmenbedingungen. Derzeit sind        anfallende Arbeit im Betrieb auf weniger Köpfe
zwar rund 70 Prozent der Frauen erwerbstätig.       verteilt und deren Arbeitszeit erhöht werden –
Aber nur etwas mehr als die Hälfte geht einer       sowohl durch Überstunden als auch durch gene-
Vollzeittätigkeit nach. Hinzu kommt, dass Teil-     rell längere Arbeitszeiten. Aus gesamtwirt-
zeit in Deutschland vielfach Halbtags bedeutet      schaftlicher Perspektive sinkt infolge der demo-
– die durchschnittliche Wochenteilarbeitszeit       grafischen Entwicklung insgesamt das Arbeits-
beträgt hierzulande 18 Stunden und liegt damit      volumen. Darauf lässt sich mit einer Ausdeh-
im EU-Vergleich ganz hinten – beim Spitzenrei-      nung der Arbeitszeit antworten.
ter Schweden sind es z. B. 25 Stunden.
                                                    Die tarifliche Wochenarbeitszeit der Vollzeittä-
Als Reaktion auf Fachkräfteengpässe will jedes      tigen in Deutschland ist international ver-
vierte Unternehmen die Vereinbarkeit von Fami-      gleichsweise gering – sie lag im zweiten Quartal
lie und Beruf erleichtern. Bei den Dienstleistern   2011 bei 38,1 Stunden. Allerdings ist die tat-
sind es sogar 29 Prozent. Innerhalb der letzten     sächlich geleistete Arbeitszeit länger und liegt
vier Jahre haben Maßnahmen zur Vereinbarkeit        mit 42 Stunden knapp über dem EU-
deutlich an Bedeutung gewonnen – so planten         Durchschnitt (41,6 Stunden).
im Jahr 2007 nur 15 Prozent entsprechende
Schritte. Eine Ursache dafür dürfte darin liegen,   Etwa jedes zehnte Unternehmen plant vor die-
dass in den vergangenen Jahren durch vielfälti-     sem Hintergrund eine Arbeitszeitausweitung,
ge Informationsangebote - auch seitens der          um auf künftige Fachkräfteengpässe zu reagie-
IHK-Organisation – die ungenutzten Potenziale       ren. Am meisten sind es in der Bauwirtschaft
der Frauen sowie der betriebliche Nutzen der        mit 17 Prozent – bei den Dienstleistern mit
Vereinbarkeit stärker ins Bewusstsein der Ent-      neun Prozent am wenigsten. Die Absicht der
                                                                                                       15
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

Arbeitszeitausweitung nimmt mit zunehmender       gen der Älteren. In kleinen Unternehmen mit
Betriebsgröße ab. In kleinen Unternehmen ist      weniger als 20 Beschäftigten ist diese Reaktion
der Anteil mit 16 Prozent fast dreimal so hoch    häufiger (27 Prozent) als in der Größenklasse ab
wie im Segment der Großbetriebe (sechs Pro-       200 Mitarbeitern (22 Prozent). Hintergrund
zent). Die Ausweitung der Arbeitszeit und der     dafür dürfte u. a. sein, dass große Unternehmen
Aufbau von Überstunden sind flexible und kos-     in den Augen vieler junger Absolventen attrakti-
tengünstige Optionen, mit denen in gewissem       ver erscheinen und KMU somit stärker auf Älte-
Umfang auf Kräfteengpässe reagiert werden         re setzen.
kann, obgleich sich Überstunden nicht als Dau-
erlösung eignen.                                  Ein klarer Befund ist, dass in Branchen, in denen
                                                  die Betriebe das Fachkräfterisiko besonders hoch
Aber auch die Ausweitung der Arbeitszeit im       einschätzen, häufiger die Ausweitung der Be-
Rahmen von Teilzeit bietet Potenzial gegen den    schäftigung Älterer genannt wird. Das gilt z. B.
Fachkräftemangel. Da insbesondere Frauen teil-    für die Arbeitnehmerüberlassung, das Gastge-
zeitbeschäftigt sind – ein Großteil von ihnen     werbe und die Sicherheitswirtschaft. In diesen
bewusst, um Beruf und Familie zu vereinbaren –    Branchen bestehen somit Beschäftigungsper-
kommt dem Ausbau der Betreuungsinfrastruktur      spektiven für Arbeitnehmer „50 Plus“. Eine stär-
sowie der Flexibilität der entsprechenden Ange-   kere Regulierung der Zeitarbeit wäre vor diesem
bote eine enorme Bedeutung zu. Nicht nur,         Hintergrund für die Perspektiven gerade älterer
damit mehr Frauen überhaupt am Erwerbsleben       Arbeitsloser kontraproduktiv.
teilnehmen, sondern auch, um stärker vollzeit-
nahe Teilzeitmodelle nutzen zu können.            Eine eher untergeordnete Rolle spielt deren
                                                  stärkere Beschäftigung als Reaktion auf fehlen-
                                                  de Fachkräfte z. B. in der Versicherungswirt-
Nicht zum alten Eisen                             schaft (fünf Prozent) und dem Kreditgewerbe
                                                  (zehn Prozent). Dort setzen die Unternehmen
Jedes vierte Unternehmen plant, Fachkräfteeng-    stärker auf jüngere Arbeitnehmer, was auch in
pässen durch den stärkeren Rückgriff auf ältere   überdurchschnittlich hohen Anteilen bei der
Arbeitnehmer zu begegnen. Zwischen den Wirt-      geplanten Ausweitung der Ausbildung sowie der
schaftzweigen bestehen dabei keine großen         Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich
Differenzen – ebenso wenig in regionaler Hin-     wird. Hier dürfte eine Rolle spielen, dass vor
sicht. Der Vergleich mit dem Jahr 2007 zeigt      dem Hintergrund der raschen Entwicklung neuer
geringe Verschiebungen – ein Minus von drei       Produkte und dazugehöriger IT-Anwendungen in
Prozentpunkten in der Gesamtsicht.                den entsprechenden Bereichen die Unternehmen
                                                  befürchten, das Wissen der Älteren könnte nicht
In den Betrieben hat ein Umdenken eingesetzt –    auf dem aktuellen Stand sein.
die Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen
ist in den letzten zehn Jahren von 37 Prozent     Die Beschäftigungspotenziale Älterer dürfen
auf 56 Prozent deutlich angestiegen. Die Ar-      keinesfalls unterschätzt werden. Neben der
beitslosigkeit der Älteren hat sich um mehr als   Ausweitung der Erwerbstätigkeit der Frauen
300.000 verringert. Neben der Tatsache, dass      bestehen gerade hier große Möglichkeiten,
demografiebedingt der Anteil der Älteren in den   Fachkräfteengpässe zu lindern. Dazu müssen die
Belegschaften steigt, setzen wieder mehr Unter-   Rahmenbedingungen in den Unternehmen für
nehmen auf die Qualifikationen und Erfahrun-
                                                                                                  16
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

eine lange Erwerbsphase noch weiter verbessert     kenntnisse sind Pluspunkte.
werden. Hierzu zählen z. B. flexible Arbeitszei-
ten, eine altersgerechte Arbeitsorganisation und   Für Betriebe aus der Schifffahrt (48 Prozent)
Arbeitsumgebung, Karrierechancen im Alter,         bieten ausländische Fachkräfte besonderes Po-
lebenslanges Lernen und Angebote zur betriebli-    tenzial. Bereits heute sind internationale Teams
chen Gesundheitsförderung.                         dort gängige Praxis. Im Gastgewerbe plant fast
                                                   ein Drittel den Blick über die Grenzen. Ähnlich
                                                   sieht es im Bereich Gesundheits- und soziale
Fachkräfte aus dem Ausland                         Dienste (28 Prozent), Forschung und Entwick-
                                                   lung (23 Prozent), bei Architektur- und Ingeni-
Etwas mehr als jedes zehnte Unternehmen            eurbüros (22 Prozent), aber auch in der Pharma-
(zwölf Prozent) will mit der Einstellung von       zeutischen Industrie (21 Prozent) und im Fahr-
Fachkräften aus dem Ausland auf künftige Eng-      zeugbau aus (23 Prozent).
pässe reagieren. Am höchsten ist der Anteil bei
den Dienstleistern (14 Prozent), am geringsten     Obgleich die Beschäftigung ausländischer Fach-
im Handel mit sechs Prozent. Gegenüber der         kräfte verglichen mit anderen Reaktionsmög-
Umfrage des Jahres 2007 zeigt sich eine signifi-   lichkeiten nicht das gleiche Gewicht hat und für
kante Änderung in der Bauwirtschaft – dort ist     weniger Betriebe derzeit eine realistische Option
der Anteil der Betriebe, die auf ausländische      darstellt, ist die Zuwanderung als Maßnahme
Fachkräfte setzen wollen, von acht Prozent auf     zur Fachkräftesicherung nicht zu vernachlässi-
zwölf Prozent gestiegen. In dieser Branche ha-     gen. Es sind vielfach gerade die Betriebe, die auf
ben auch die Stellenbesetzungsprobleme im          die Einstellung ausländischer Fachkräfte setzen
entsprechenden Zeitraum deutlich zugenom-          wollen, die derzeit offene Stellen längerfristig
men.                                               nicht besetzen können.

Die Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte ist   Seit dem 1. Mai dieses Jahres gilt auch für die
insbesondere für größere Unternehmen eine          acht neuen EU-Mitgliedstaaten aus Osteuropa
Gelegenheit, offene Stellen zu besetzen –          (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei,
17 Prozent der Großunternehmen stehen zehn         Slowenien, Tschechien, Ungarn) die vollständige
Prozent der kleinen mit weniger als 20 Mitar-      Arbeitnehmerfreizügigkeit. Diese bietet sowohl
beitern gegenüber. Nicht zuletzt mit einem         den „neuen“ EU-Bürgern als auch den Unter-
professionellen Personalmanagement, das sich       nehmen Chancen, wenngleich die Arbeitsmarkt-
im komplexen Recht der Ausländerbeschäfti-         öffnung nach Osteuropa allein nicht ausreicht.
gung auskennt, lassen sich diese Unterschiede      Bis zum September 2011 hat die Beschäftigung
erklären. Hinzu kommt, dass größere Betriebe in    von „neuen“ EU-Bürgern infolge der Arbeitneh-
stärkerem Maße international agieren und auch      merfreizügigkeit seit dem 1. Mai lediglich um
über Auslandsstandorte verfügen. Fehlende          54.000 zugenommen. Mit der langen Abschot-
deutsche Sprachkenntnisse spielen dann eine        tung seines Arbeitsmarktes hat sich Deutschland
geringere Rolle für die tägliche Arbeit – ähnli-   keinen Gefallen getan und das falsche Signal
ches gilt am Bau, wo typischerweise wenig Kun-     gesendet. Qualifizierte Fachkräfte sind stattdes-
denkontakte bestehen. Kenntnisse der Mitarbei-     sen in andere Länder wie z. B. Großbritannien
ter bezüglich ausländischer Absatzmärkte, nati-    oder Irland gegangen.
onaler Gepflogenheiten und Fremdsprachen-

                                                                                                    17
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011

Eingeschränktes Angebot (noch) keine                cherung. Mit Blick auf die zu hohen Quoten der
Option                                              Schul- und Studienabbrecher – etwa sieben
                                                    Prozent verlassen die Schule ohne Abschluss, an
Die Befürchtung, Kräfteengpässe könnten zu
                                                    den Hochschulen sind es zwischen 20 Prozent
einer Einschränkung der Produktion bzw. der
                                                    und 30 Prozent - und die häufig fehlende Aus-
Serviceleistungen führen, lässt sich zumindest
                                                    bildungsreife ist die Einschätzung der Unter-
derzeit nicht erkennen. Nur vier Prozent der
                                                    nehmen mehr als verständlich.
Unternehmen sehen sich zu entsprechenden
Schritten gezwungen, bei kleinen Betrieben mit
                                                    In Industrie und Handel sind es mit fast drei
weniger als zehn Beschäftigten sind es sieben
                                                    Viertel der Unternehmen, die eine bessere Quali-
Prozent. Sofern dort mehrere Fachkräfte dauer-
                                                    fikation anmahnen, noch einmal mehr als im
haft fehlen, kann das Angebot nur schwer lang-
                                                    Gesamtdurchschnitt. Vor dem Hintergrund der
fristig gehalten werden.
                                                    Bedeutung der Industriebetriebe für den Export,
                                                    der eine wichtige Wachstumsstütze ist, besteht
Am ehesten zur Angebotsreduktion veranlasst
                                                    Handlungsbedarf.
sehen sich Gastronomiebetriebe (zwölf Prozent).
Auch im Bereich der Schifffahrt (neun Prozent),
                                                    Der Blick in die Branchen offenbart, dass sich
im Bekleidungsgewerbe sowie im Straßengüter-
                                                    nicht allein Unternehmen, in denen typischer-
verkehr (jeweils acht Prozent) liegen die Anteile
                                                    weise hoch qualifizierte Tätigkeiten nachgefragt
klar über dem gesamtwirtschaftlichen Durch-
                                                    werden, eine bessere Qualifikation wünschen.
schnitt, allerdings immer noch auf einem eher
                                                    Mit an der Spitze stehen z. B. der Tiefbau (81
geringen Niveau.
                                                    Prozent), Kfz-Handel und -Reparatur (80 Pro-
                                                    zent), Papiergewerbe (79 Prozent), Möbel (78
                                                    Prozent), Ernährungsgewerbe (75 Prozent). Dies
III. Leitplanken richtig setzen                     erlaubt den Schluss, dass der Qualifikationsbe-
                                                    darf aus Sicht der Betriebe nicht primär im Be-
Die Unternehmen sind hinsichtlich der Fachkräf-
                                                    reich höherer Qualifikationen (z. B. Hochschul-
tesicherung bereits in vielfältiger Art und Weise
                                                    reife) liegt, sondern vielmehr grundlegende An-
aktiv und werden auch künftig ihre Anstrengun-
                                                    forderungen an potenzielle Auszubildende be-
gen weiter intensivieren und neue Wege be-
                                                    trifft.
schreiten. Zusätzlich müssen jedoch die Rah-
menbedingungen stimmen, die in erster Linie
                                                    Untermauert wird dies dadurch, dass häufig
von der Politik gestaltet werden. Hemmnisse
                                                    diejenigen Unternehmen, die vor dem Hinter-
müssen abgebaut, Rahmenbedingungen verbes-
                                                    grund von Fachkräfteengpässen auf mehr Aus-
sert werden. Nur wenn sich alle Akteure ein-
                                                    bildung setzen wollen, eine bessere Qualifikati-
bringen, kann langfristig die Herausforderung
                                                    on für nötig erachten: Mit 78 Prozent sind es
gemeistert werden.
                                                    noch einmal deutlich mehr als im gesamtwirt-
                                                    schaftlichen Durchschnitt. Damit erschwert die
Schüler stärken                                     fehlende Qualifikation der Schulabgänger zu-
                                                    sätzlich zu sinkenden Schülerzahlen den Weg
Zwei von drei Unternehmen sehen in der Ver-         der Fachkräftesicherung über den eigenen
besserung der Qualifikation der Schulabgänger       Nachwuchs.
eine wichtige Voraussetzung zur Fachkräftesi-

                                                                                                       18
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