Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung - DIHK-Arbeitsmarktreport 2011
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Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung DIHK-Arbeitsmarktreport 2011 Ergebnisse einer DIHK-Unternehmensbefragung Herbst 2011
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung DIHK-Arbeitsmarktreport 2011 Ergebnisse einer DIHK-Unternehmensbefragung Herbst 2011
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat im Rahmen seiner Umfrage zu „Wirtschaftslage und Erwartungen“ im Herbst 2011 die Industrie- und Handelskammern (IHKs) gebeten, die Unternehmen auch zu dem Thema Fachkräftesicherung zu befragen. Die einzelnen Fragen sind im Anhang aufge- führt. Der DIHK-Auswertung liegen mehr als 20.000 Unternehmensantworten zugrun- de. Nach Wirtschaftsbereichen stammen die Antworten aus der Industrie (32 Prozent), aus der Bauwirtschaft (sieben Prozent), aus dem Handel (22 Pro- zent) und aus den Dienstleistungen (39 Prozent). Die Untergliederung nach Unternehmensgröße weist 41 Prozent kleine Unter- nehmen mit bis zu 19 Beschäftigten aus, 42 Prozent mittlere Unternehmen mit 20 bis 199 Beschäftigten sowie 13 Prozent mittelgroße Unternehmen mit 200 bis 999 Beschäftigten. Vier Prozent der Antworten entfallen auf große Un- ternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Herausgeber © DIHK | Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V. Postanschrift: 11052 Berlin | Hausanschrift: Breite Straße 29 | Berlin-Mitte Telefon (030) 20 308-0 | Telefax (030) 20 3081000 | Internet: www.dihk.de Redaktion Dr. Achim Dercks, Dr. Stefan Hardege Stand Dezember 2011 Copyright Alle Rechte liegen beim Herausgeber. Ein Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Herausgebers gestattet
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011 Inhaltsverzeichnis Seite Ergebnisse und Empfehlungen 2 I. Stellenbesetzung als Problem 5 II. Wie reagieren die Unternehmen? 11 III. Leitplanken richtig setzen 18 Fragebogen 27 DIHK-Veröffentlichungen zum Arbeitsmarkt 28 1
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011 Ergebnisse in Kurzform: x Die Fachkräftesicherung wird mehr und mehr zur Herausforderung. Jedes dritte Unternehmen sieht im Fachkräftemangel eines der größten Risiken für die eigene wirtschaftliche Entwicklung – zu Jah- resbeginn 2010 waren es nur halb so viele. Besonders betroffen ist die Bauwirtschaft mit 44 Prozent, gefolgt von den Dienstleistern mit 37 Prozent. x Mehr als jedes dritte Unternehmen (37 Prozent) kann offene Stellen länger als zwei Monate nicht besetzen. In der Bauwirtschaft und in der Industrie bleiben in über 40 Prozent der Betriebe offene Stellen zwei Monate und mehr vakant. x Gerade technikorientierte Branchen wie beispielsweise der Werkzeugmaschinenbau (54 Prozent), der Fahrzeugbau (53 Prozent) und die Elektrotechnik (48 Prozent) sind betroffen. Aber auch in der Ge- sundheitswirtschaft (45 Prozent) und der Zeitarbeit (85 Prozent) bleiben in vielen Betrieben Stellen lange unbesetzt. x Als Reaktion auf Fachkräfteengpässe wollen die Unternehmen in erster Linie auf den eigenen Nach- wuchs setzen und ihre Ausbildung ausweiten (52 Prozent). Derzeit gibt es bereits mehr unbesetzte Ausbildungsstellen als unversorgte Bewerber. Rückläufige Schülerzahlen, die zunehmende Konkur- renz eines Studiums gegenüber der dualen Ausbildung sowie das Fehlen der Ausbildungsreife er- schweren für viele Unternehmen diesen Weg der Fachkräftesicherung. x Jedes zweite Unternehmen plant die Ausweitung der Weiterbildung. Gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ist dabei die Beteiligung älterer Beschäftigter wichtig. x 31 Prozent der Unternehmen wollen über eine Steigerung der Arbeitgeberattraktivität Fachkräfte gewinnen und halten. Dazu gehören neben einer attraktiven Bezahlung auch die Arbeitsplatzqualität sowie beispielsweise Karrieremöglichkeiten und flexible Arbeitszeiten. Gerade Zeitarbeitsunterneh- men wollen ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern. x Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird für die Unternehmen als Strategie zur Fachkräftesiche- rung immer wichtiger. Innerhalb der letzten vier Jahre hat der Anteil der Unternehmen, die ihre Maßnahmen ausbauen wollen, von 15 Prozent auf 25 Prozent um mehr als die Hälfte zugenommen - nicht zuletzt ein Erfolg der vielfältigen Informationsangebote der IHK-Organisation. x Jedes vierte Unternehmen will die Einstellung und Beschäftigung Älterer ausweiten. Bereits in den letzten Jahren ist die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer gestiegen. Flankiert werden muss die längere Erwerbstätigkeit beispielsweise durch eine altersgerechte Personalpolitik und betriebliche Gesundheitsförderung. 2
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011 x Die Einstellung von Fachkräften aus dem Ausland ist für zwölf Prozent der Unternehmen ein Weg zur Fachkräftesicherung. Gerade Betriebe mit Stellenbesetzungsproblemen wollen verstärkt auf ausländi- sche Experten setzen – beispielsweise im Bereich Gesundheits- und soziale Dienste (28 Prozent) und im Fahrzeugbau (23 Prozent). x Verlängerte Arbeitszeiten planen elf Prozent der Betriebe. Vor allem vollzeitnahe Modelle als Alter- native zum Halbtagsjob bieten hier Potenzial. Zu einer Einschränkung von Produktion und Service- leistungen als Folge fehlender Fachkräfte sehen sich derzeit nur vier Prozent der Unternehmen ge- zwungen – in der Gastronomie sind es allerdings schon zwölf Prozent. x Eine bessere Qualifikation der Schulabgänger steht als Voraussetzung zur Fachkräftesicherung aus Sicht der Unternehmen ganz oben – dies fordern 66 Prozent. Gerade Betriebe, die ihre Ausbildungs- anstrengungen intensivieren wollen, sehen dafür in der besseren Schulbildung und damit in der Aus- bildungsreife eine wichtige Voraussetzung. x Für mehr als jedes dritte Unternehmen stellt eine bessere Vermittlung Arbeitsloser durch die Arbeits- agenturen eine Hilfestellung zur Fachkräftesicherung dar. Dies gilt gerade für kleine Unternehmen, die zumeist keine eigene Personalabteilung haben, und in Branchen mit eher geringen Qualifikati- onsanforderungen. x Ein Drittel der Betriebe mahnt den weiteren Ausbau der Betreuungsinfrastruktur an. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung, damit Eltern überhaupt oder länger arbeiten können. x Eine leichtere Beschäftigung ausländischer Fachkräfte wäre für 17 Prozent der Unternehmen hilf- reich. Die bisherigen Regelungen haben eine unkomplizierte Einstellung von klugen Köpfen aus dem Ausland in der Regel nicht ermöglicht. DIHK-Empfehlungen: x Zur Fachkräftesicherung ist im Rahmen einer Gesamtstrategie ein ganzes Maßnahmenbündel nötig. Es gilt, sowohl die heimischen Potenziale besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren als auch die Be- schäftigung ausländischer Fachkräfte zu erleichtern. Dazu müssen alle relevanten Akteure ihren Bei- trag leisten. Die Unternehmen haben ihre Anstrengungen intensiviert - müssen und werden diese zugleich aber weiter ausbauen. x Die Qualifikation der Schulabgänger muss gesteigert, die Ausbildungsreife gesichert werden. Dazu sind Verbesserungen des Bildungssystems auf allen Stufen nötig. Das beinhaltet eine frühe Sprach- förderung – gerade für Kinder mit Migrationshintergrund – sowie den Ausbau von Ganztagslernan- geboten. Denn diese ermöglichen eine individuelle und gezielte Förderung. Ferner gilt es, die Berufs- orientierung an Schulen zu stärken. Dabei helfen Partnerschaften zwischen Betrieben und Schulen, deren Vermittlung die Wirtschaft zugesagt hat - 5.000 solcher Partnerschaften bestehen bereits. Für die Betriebe ist es wichtig, künftig auch die Potenziale der Schwächeren stärker zu nutzen. 3
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011 x Die Vermittlungstätigkeit der Arbeitsagenturen und Jobcenter kann weiter verbessert werden, indem die Vermittlung noch betriebsnäher wird. Dabei hilft eine enge Kooperation der Arbeitsmarktakteure vor Ort, weil so die Sicht der Betriebe und die konkretren Stellenanforderungen in der Arbeitsverwal- tung stärker berücksichtigt werden können. x Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist der konsequente Ausbau der Betreuungsinfra- struktur unerlässlich. Um das von der Politik gesetzte Ziel zu erreichen, für 35 Prozent der unter Drei- jährigen einen Betreuungsplatz vorzuhalten, muss der Ausbau beschleunigt werden. Ferner bedarf es flexiblerer Betreuungsangebote, die den Arbeitszeiten der Eltern Rechnung tragen. Die Betriebe kön- nen in erster Linie durch niederschwellige Angebote die Vereinbarkeit erhöhen. x Die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer ist in den letzten Jahren gestiegen, die Unternehmen setzen wieder stärker auf Ältere. Die Rente mit 67 Jahren ist ein richtiger Schritt, der nicht in Frage gestellt werden darf. Bestehende Anreize, früher aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, müssen zurückgefah- ren werden. Das gilt für den verlängerten Bezug von Arbeitslosengeld I für Ältere, das grundsätzlich maximal zwölf Monate gewährt werden sollte. x Die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte muss einfacher werden. Es ist richtig, die Gehaltsschwelle für eine Niederlassungserlaubnis deutlich abzusenken, wie aktuell vom Bundeskabinett beschlossen – aber ohne zusätzliche Einschränkungen. Auch die Regelungen im Rahmen der Blue Card sowie die verbesserten Perspektiven für ausländische Absolventen deutscher Hochschulen sind Schritte in die richtige Richtung. Nun ist es wichtig, diese Erleichterungen zügig umzusetzen und deutlich zu kom- munizieren – insbesondere im Ausland gegenüber potenziellen Zuwanderern. Mittelfristig sollte trotz dieser Verbesserungen die Idee einer arbeitsmarktorientierten Zuwanderungssteuerung verfolgt wer- den, die sich an Kriterien wie Qualifikation, Berufserfahrung und Sprachkenntnissen orientiert. Da- durch ließen sich das weiterhin komplexe Zuwanderungsrecht vereinfachen und die Transparenz ins- gesamt steigern, womit ein deutliches Willkommenssignal gesendet wird. 4
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011 I. Stellenbesetzung als Problem damals waren es 16 Prozent. Kein anderer Risi- kofaktor hat im gleichen Zeitraum so deutlich Der deutsche Arbeitsmarkt hat sich in den zu- an Bedeutung gewonnen. Das gilt auch für rückliegenden Monaten erfreulich positiv entwi- Energie- und Rohstoffpreise, die bei diesem ckelt. Die Zahl der Arbeitslosen hat die Drei- Vergleich an zweiter Stelle stehen. Dabei gilt zu Millionen-Grenze im Herbst 2011 deutlich un- bedenken, dass die Ursache der Arbeitskräfte- terschritten. Die Unternehmen wollen weiter engpässe in der demografischen Entwicklung einstellen: Fast jedes fünfte plant eine Auswei- liegt und die Problematik damit grundsätzlich tung seines Personals, während nur jedes zehnte auch im konjunkturellen Abschwung weiter von einem Abbau ausgeht.1 besteht, wenn auch in geringerem Ausmaß. Das Arbeitskräftepotenzial wird sich in den kom- menden 20 Jahren um über sechs Millionen Fachkräftemangel zunehmend Risiko verringern, hinzu kommt die Alterung der Beleg- schaften.2 Konjunkturelle Faktoren werden da- Ungemach droht von anderer Seite. Fachkräfte- her die Problematik von Personalengpässen in engpässe werden mehr und mehr zum Risiko für ihrem jeweiligen Ausmaß zwar beeinflussen, die Unternehmen. Jeder dritte Betrieb sieht aber grundsätzlich nicht verändern. derzeit im Fachkräftemangel eines der größten Risiken für die eigene wirtschaftliche Entwick- Besonders betroffen vom Risiko Fachkräfteman- lung. Dieses Risiko hat sich aus Sicht der Betrie- gel sieht sich die Bauwirtschaft, in der fast jeder be seit Jahresbeginn 2010 deutlich verschärft – Entwicklung wirtschaftlicher Risiken im Vergleich 250 200 150 100 50 0 Jahresbeginn 2010 Herbst 2010 Jahresbeginn 2011 Frühsommer 2011 Herbst 2011 Fachkräftemangel Inlandsnachfrage Auslandsnachfrage Finanzierung Arbeitskosten Wechselkurs Energie- und Rohstoffpreise Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen 1 Vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Wirtschaftslage und Erwartungen, Ergebnisse der DIHK- 2 Umfrage bei den Industrie- und Handelskammern, Herbst Vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK), 2011, Berlin 2011. Arbeitsmarkt und Demografie, Berlin 2011. 5
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011 zweite Betrieb (44 Prozent) die eigene wirt- tigungspläne unter dem gesamtwirtschaftlichen schaftliche Entwicklung infolge fehlender Fach- Durchschnitt, so dass die Suche nach Fachkräf- kräfte gefährdet sieht. Bei den Dienstleistern ten derzeit weniger ein Thema ist. Bei den Ener- sind es 37 Prozent, in der Industrie 28 Prozent gieversorgen dürfte zudem eine Rolle spielen, und im Handel 24 Prozent. dass dort vergleichsweise hohe Löhne gezahlt werden können, was durchaus als Vorteil im Zu den Einzelbranchen mit einer besonders ho- Werben um qualifizierte Kräfte gilt. Während hen Risikoeinschätzung zählen beispielsweise der Bruttomonatsverdienst vollzeitbeschäftigter die Zeitarbeit (82 Prozent), Gesundheits- und Arbeitnehmer im produzierenden Gewerbe und soziale Dienste (68 Prozent), Reparatur und Dienstleistungsbereich im zweiten Quartal 2011 Installation von Maschinen und Ausrüstungen bei 3.740 Euro lag, betrug er in der Energiever- (54 Prozent), das Gastgewerbe (49 Prozent) sorgung 5.449 Euro. sowie IT-Dienstleistungen (46 Prozent). Im Ver- gleich zur Vorumfrage im Frühsommer 2011 Korrespondierend zur guten Arbeitsmarktent- haben die Anteile in einigen Branchen noch wicklung sind die Kräfteengpässe insbesondere zugenommen. Dies gilt z. B. für das Gastgewer- im Süden der Republik deutlich. Nicht nur deu- be und die Reparatur von Maschinen und Aus- ten die Arbeitslosenquoten in Bayern und Ba- rüstung (jeweils plus acht Prozentpunkte), die den-Württemberg mit unter vier Prozent schon Zeitarbeit (plus fünf Prozentpunkte) sowie Ge- fast auf Vollbeschäftigung hin, auch sehen fast sundheits- und soziale Dienste (plus zwei Pro- vier von zehn Betrieben dort das Risiko Fach- zentpunkte). Bei den IT-Dienstleistern ist das kräftemangel (37 Prozent). Im Norden sind es Risiko geringfügig gesunken (minus drei Pro- 34 Prozent, im Osten 33 Prozent und im Westen zentpunkte). 29 Prozent. Insgesamt zeigt sich, dass Fachkräfteengpässe nicht nur in Branchen bestehen, die typisch für Fachkräftemangel gefährdet Beschäfti- hoch qualifizierte Berufe sind, sondern z. B. gungsaufbau auch im Gastgewerbe (49 Prozent), in der Si- cherheitswirtschaft (45 Prozent) sowie im Stra- Fehlende gut qualifizierte Arbeitnehmer stellen ßengüterverkehr (44 Prozent). Das verdeutlicht, nicht nur ein Risiko für die wirtschaftliche Ent- dass die Nachfrage nicht nur nach akademi- wicklung der Betriebe dar, sondern gefährden schen Berufen hoch ist, sondern auch im Be- auch den Beschäftigungsaufbau insgesamt. Und reich mittlerer Qualifikationen mehr und mehr dies nicht nur mit Blick auf die knappen Fach- Fachkräfte gesucht werden.3 kräfte selbst, sondern auch hinsichtlich anderer Berufe und Qualifikationen, die komplementär Kaum als Risiko gelten Kräfteengpässe in der zur Beschäftigung der Fachkräfte sind. Fehlen Medien- und Filmwirtschaft (sieben Prozent), z. B. Ingenieure, muss im Zweifel auf eine mög- dem Bekleidungsgewerbe (14 Prozent) oder liche Ausweitung der Produktion oder Entwick- auch der Energieversorgung (15 Prozent). In lung verzichtet werden. Dann werden aber auch diesen Branchen liegen gleichzeitig die Beschäf- weniger Arbeitskräfte auf nachgelagerten Stu- fen gebraucht. Damit verschlechtern sich auch 3 Vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK), die Beschäftigungschancen in anderen Qualifi- Mitarbeiter dringend gesucht! Fachkräftesicherung - Her- kationsbereichen. ausforderung der Zukunft, Berlin 2010. 6
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011 Die Umfrage zeigt, dass gerade in Branchen mit ger als zwei Monate und damit deutlich über- expansiven Beschäftigungsplänen auch der An- durchschnittlich lange oder gar nicht zu beset- teil der Betriebe, die das Risiko Fachkräfteman- zen sind. Die BA weist den Anteil der Stellen mit gel sehen, besonders hoch ist. Bei IT- einer Vakanzzeit von z. B. mehr als drei Mona- Dienstleistern planen 41 Prozent der Unterneh- ten mit 25 Prozent aus. Der BA sind jedoch le- men einen Beschäftigungsaufbau, 46 Prozent diglich rund die Hälfte der offenen Stellen ge- sehen gleichzeitig im Fachkräftemangel ein meldet und gerade Stellen für hoch Qualifizierte Entwicklungsrisiko. Im Gesamtdurchschnitt aller werden unterdurchschnittlich oft gemeldet. Branchen liegen diese Werte bei 19 Prozent für Wenn diese vielfach nicht gemeldet werden, den Beschäftigungsaufbau bzw. 33 Prozent für obwohl bei den Unternehmen infolge von das Fachkräftemangel-Risiko. Ähnlich ist die Knappheiten langfristig Vakanzen bestehen, Situation im Bereich von Forschung und Ent- wird dadurch der Anteil der lange unbesetzten wicklung, in dem 42 Prozent der Betriebe ihren Stellen in der BA-Statistik unterschätzt. Personalbestand aufstocken wollen und sich gleichzeitig 41 Prozent vom Risiko Fachkräfte- Ein weiteres Indiz, dass längerfristig nicht be- mangel betroffen sehen. Auch bei Gesundheits- setzbare Stellen auf Fachkräfteengpässe hindeu- und sozialen Diensten (34 Prozent bzw. 68 Pro- ten, liefert der enge Zusammenhang zwischen zent) und im Luft- und Raumfahrzeugbau dem Anteil der Betriebe, die den Fachkräfte- (53 Prozent bzw. 63 Prozent) zeigt sich dieser mangel als Risiko sehen und dem Anteil der Zusammenhang ganz deutlich. Betriebe, die offene Stellen nicht besetzen kön- nen. Denn über die Branchen hinweg gilt: Je höher der Anteil der Betriebe mit langfristig Stellen bleiben lange offen offenen Stellen, desto höher ist der Anteil, der im Fachkräftemangel ein Risiko sieht. Personalengpässe schlagen sich darin nieder, dass Betriebe offene Stellen nicht oder nicht mit den passenden Bewerbern besetzen können bzw. Problem nimmt zu lange und aufwendig suchen müssen. Laut der Bundesagentur für Arbeit (BA) liegt die durch- 37 Prozent der antwortenden Unternehmen schnittliche Vakanzzeit, bis eine Stelle besetzt haben derzeit Schwierigkeiten bei der Besetzung werden kann, im Jahresdurchschnitt 2011 bei offener Stellen. Im Vergleich zum Herbst 2007, zwei Monaten (61 Tage). Die Vakanzzeit ist da- in dem die IHK-Organisation eine ähnliche Um- mit im Aufschwung, wie wir ihn aktuell am frage durchführte, ist dieser Anteil um vier Pro- Arbeitsmarkt erleben, typischerweise länger als zentpunkte gestiegen.4 Die Situation am Ar- z. B. im Jahr 2005, als sie bei 47 Tagen lag. beitsmarkt war damals ähnlich wie heute: Die Arbeitslosigkeit ging zurück und die Beschäfti- Mit 37 Prozent kann derzeit mehr als ein Drittel gungspläne der Unternehmen lagen auf glei- der Betriebe in Deutschland offene Stellen län- chem Niveau. Im auslaufenden Aufschwung ger als zwei Monate nicht besetzen. Eine län- erreichten Fachkräfteengpässe einen hohen gerfristige Vakanz ist nicht zwangsläufig gleich- Stand. bedeutend mit einem Fachkräftemangel, liefert aber ein deutliches Signal für Schwierigkeiten 4 Vgl. Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK), und Engpässe bei der Stellenbesetzung – zumal Kluge Köpfe – vergeblich gesucht! Fachkräftemangel in der deutschen Wirtschaft, Berlin 2007. hierunter auch Stellen fallen, die merklich län- 7
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011 Können Sie in Ihrem Unternehmen derzeit offene Stellen mehr als zwei Monate nicht besetzen? nach Wirtschaftszweigen - in Prozent 37 insgesamt 63 38 Dienstleistungen 62 26 Handel 74 41 Bauwirtschaft 59 41 Industrie 59 0 10 20 30 40 50 60 70 80 ja, Stellen können nicht besetzt werden nein, keine Probleme Deutlich verschärft hat sich die Engpasssituati- Trend. Dennoch sind die Probleme dort noch on in der Bauwirtschaft: Aktuell melden kleiner als in den übrigen Regionen - allerdings 41 Prozent der Betriebe dort Stellenbesetzungs- haben sich die Abstände verringert. probleme – vor vier Jahren waren es nur 27 Prozent. In der Industrie ist die Lage mit Die größten Probleme haben die Unternehmen heute 41 Prozent gegenüber 40 Prozent im Jahr in Baden-Württemberg, wo 43 Prozent zumin- 2007 nahezu gleich geblieben, während die dest eine offene Stelle länger als zwei Monate Anteile derjenigen, die Stellen nicht problemlos nicht besetzen können. Besonders betroffen ist besetzen können, bei den Dienstleistungen (plus dort die Bauwirtschaft (52 Prozent). Aber auch sechs Prozentpunkte) und im Handel (plus vier bei den Dienstleistern (46 Prozent) und in der Prozentpunkte) zugenommen haben. Engpässe Industrie (45 Prozent) sieht es kaum besser aus. in MINT-Berufen, die schon länger bestehen, sind insbesondere in der Industrie von Bedeu- tung. Vakanzen in Industrie und Bau Industrie- und Baubetriebe haben derzeit die Situation im Osten verschärft größten Schwierigkeiten, passendes Personal zu finden. Jeweils mehr als 40 Prozent können In regionaler Hinsicht hat sich die Fachkräftesi- offene Stellen zwei Monate oder länger nicht tuation insbesondere in Ostdeutschland ver- besetzen. Bei den Dienstleistern sind es 38 Pro- schärft. Während im Jahr 2007 dort gut ein zent und im Handel 26 Prozent. Viertel der Betriebe Schwierigkeiten beklagte, ist es heute bereits jedes dritte Unternehmen. Fort- In gut jedem dritten Bauunternehmen bleiben züge und die im Osten stärker voranschreitende zwischen ein und drei Stellen offen und in sie- demografische Entwicklung sind neben der kon- ben Prozent zwischen vier und sechs Stellen. In junkturellen Entwicklung Ursachen für diesen der Industrie liegt der Anteil mit ein bis drei 8
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011 offenen Stellen bei 27 Prozent, während acht Techniker gesucht … Prozent vier bis sechs Vakanzen nicht besetzen können. Größere Kontingente bleiben in insge- Gerade technikorientierte Branchen sind von samt sechs Prozent der Industrieunternehmen Fachkräfteengpässen betroffen. Zu den Unter- offen – zwei Prozent können mehr als 20 Stellen nehmen, die erhebliche Schwierigkeiten haben, längerfristig nicht besetzen. Im Vergleich zum passende Bewerber zu finden, gehört unter an- Bau kommt hier die Branchenstruktur zum Aus- derem der Fahrzeugbau, wo mehr als jedes druck, die durch mehr größere Unternehmen zweite (53 Prozent) offene Stellen zwei Monate geprägt ist. und mehr nicht besetzen kann. Im Bereich der Herstellung von Kfz-Teilen und –Zubehör sind es sogar 60 Prozent. Schwierigkeiten haben eben- Größere häufiger betroffen falls die Maschinenbauer (51 Prozent) – insbe- sondere der Werkzeugmaschinenbau (54 Pro- Mit der Zahl der Beschäftigten steigt auch die zent), Hochtechnologie, elektrische Ausrüstun- Wahrscheinlichkeit, dass Vakanzen offen blei- gen, Medizintechnik (jeweils 51 Prozent), Elekt- ben. Von den Firmen mit mehr als 1.000 Be- rotechnik (48 Prozent), Spitzentechnologie so- schäftigten kann die Hälfte offene Stellen nicht wie IT-Dienstleister (jeweils 45 Prozent). besetzen. Gut jedes zehnte dieser Unternehmen berichtet von mehr als 20 Vakanzen. Fehlen Fachkräfte, so besteht die Gefahr, dass Unternehmen Aufträge nicht in dem Maße an- Bei den Mittelständlern sind es hingegen allein nehmen und abarbeiten können, wie es die aufgrund deren Größe weniger offene Stellen. Marktnachfrage prinzipiell zuließe. Auch die Jeder dritte Betrieb mit 20 bis 199 Beschäftig- Innovationstätigkeit kann dadurch gebremst ten kann zwischen ein und drei Stellen nicht werden. Das schadet dem Unternehmen, verur- besetzen, vier bis sechs Arbeitsplätze bleiben in sacht aber auch gesamtwirtschaftliche Kosten, sechs Prozent der Betriebe überdurchschnittlich weil Wertschöpfungs- und Wachstumspotenzia- lange leer. le ungenutzt bleiben. Im Vergleich zum Jahr 2007 haben insbesondere Da die betroffenen Branchen zudem weltwirt- die Schwierigkeiten der kleinen und mittleren schaftlich verflochten sind und einen nicht un- Unternehmen (KMU) zugenommen. So berichten erheblichen Teil ihrer Gewinne im Exportge- derzeit 23 Prozent der Betriebe mit weniger als schäft erwirtschaften, gefährden Fachkräfte- zehn Mitarbeitern, Probleme bei der Stellenbe- engpässe hierzulande auch die internationale setzung zu haben, vor vier Jahren waren es noch Wettbewerbsposition der deutschen Industrie – 19 Prozent. Bei den KMU mit 20 bis 199 Be- Absatzmärkte können nicht erschlossen werden, schäftigten hat sich dieser Wert um sechs Pro- Marktanteile gehen verloren. Damit stehen nicht zentpunkte auf 41 Prozent erhöht. Bei den grö- nur Arbeitsplätze in Deutschland auf dem Spiel, ßeren Unternehmen sind die Anteile nahezu sondern auch ein wesentlicher Wachstumstrei- stabil – bei denen mit über 1.000 Arbeitneh- ber. mern gab es eine marginale Änderung um minus zwei Prozentpunkte auf 49 Prozent. 9
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011 Können Sie in Ihrem Unternehmen derzeit offene Stellen mehr als zwei Monate nicht besetzen? nach Beschäftigtengrößenklassen - in Prozent 23 1 bis 9 77 31 10 bis 19 69 41 20 bis 199 59 46 200 bis 999 54 49 1.000 und mehr 51 0 10 20 30 40 50 60 70 80 ja, Stellen können nicht besetzt werden nein, keine Probleme … auch Gesundheitswirtschaft sucht … schaft künftig weiter zunehmen. Studien zeigen, dass bis zum Jahr 2030 mehr als 160.000 Ärzte Die Gesundheitswirtschaft ist ebenfalls von fehlen werden. Im ambulanten und stationären Kräfteengpässen betroffen. Dort haben 45 Pro- Pflegebereich könnten rund 460.000 Kranken- zent der Betriebe Schwierigkeiten, passendes schwestern, -pfleger und Pflegehelfer benötigt Personal zu finden. In der Pharmazeutischen werden. Im Bereich der Altenpflege sind es bis Industrie sind es 48 Prozent. Sechs von zehn zu 400.000 zusätzliche Pflegekräfte. Gesundheits- und Sozialdienstleistern können Vakanzen längerfristig nicht besetzen. Hier sind Vor diesem Hintergrund kommen erhebliche auch die Dimensionen beachtlich. Mehr als je- Probleme auf die Gesellschaft zu. Infolge der des vierte Unternehmen beklagt ein bis drei Alterung steigt auch die Pflegebedürftigkeit. Vakanzen, bei 22 Prozent sind es vier bis sechs Waren im Jahr 2007 etwa 2,2 Millionen Men- offene Stellen und immerhin sieben Prozent schen pflegebedürftig, so werden es im Jahr nennen sieben bis neun Stellen. Diese Situation 2030 fast 3,5 Millionen sein. Gerade in ländli- korrespondiert mit den bei der BA bekannten chen Regionen stellen sich damit ernorme Her- Daten: Z. B. kommen auf 100 Arbeitsstellen für ausforderungen für die Versorgung. Krankenschwestern/-pfleger und Hebammen lediglich 75 Arbeitslose. Die Vakanzzeit liegt mit 107 Tagen weit über dem Durchschnitt. Bei den … ebenso die Zeitarbeit Ärzten sieht es ähnlich aus. Hier sind es 85 Ar- beitslose, die auf 100 Stellen kommen. Im Mit an der Spitze der Branchen, die offene Stel- Schnitt dauert die Stellenbesetzung 154 Tage. len längerfristig nicht besetzen können, steht die Zeitarbeit – dort sind 85 Prozent der Unter- Im Zuge der demografischen Entwicklung wird nehmen betroffen. Dieser Befund spiegelt die der Fachkräftebedarf in der Gesundheitswirt- gute Arbeitsmarktsituation wider. Arbeitnehmer 10
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011 haben derzeit gute Chancen auf eine Festanstel- dustrie und Handel 344.000 Ausbildungsverträ- lung; Betriebe übernehmen vormalige Zeitarbei- ge geschlossen. Das sind fast 11.500 mehr als ter. Der Arbeitnehmerüberlassung fällt es da- im Vorjahr (plus 3,5 Prozent) – und das trotz um durch schwerer, Personal zu finden. 2,5 Prozent sinkender Bewerberzahlen. Trotz des eher geringen Anteils der Zeitarbeit an Im Vergleich zur Umfrage des Jahres 2007 hat der sozialversicherungspflichtigen Beschäfti- sich der Anteil der Unternehmen, die ihre Aus- gung von weniger als drei Prozent kommt dieser bildung intensivieren wollen, etwas verringert – Beschäftigungsform eine wichtige Funktion zu. von 58 Prozent auf heute 52 Prozent. Ursächlich Denn sie ermöglicht den Unternehmen – nicht dafür ist, dass manche Betriebe in den zurück- zuletzt vor dem Hintergrund restriktiver Ar- liegenden vier Jahren ihre Anstrengungen be- beitsmarktregulierungen – flexibel auf Auftrags- reits ausgeweitet haben und an Kapazitätsgren- schwankungen zu reagieren. Insbesondere in zen stoßen. Auch ist den Betrieben heute stärker Zeiten großer Unsicherheiten gewinnt die Zeit- bewusst, dass die Ausbildungspotenziale infolge arbeit an Attraktivität. Sie bietet für viele gering der rückläufigen Schulabgängerzahlen insge- Qualifizierte und vormals Arbeitslose einen Weg samt begrenzt sind – und die duale Ausbildung zurück in Beschäftigung – zwei Drittel der Zeit- zudem mehr und mehr in Konkurrenz zum Stu- arbeiter waren zuvor ohne Beschäftigung. dium steht. Hierauf deutet hin, dass in Ost- deutschland – wo die demografische Entwick- lung weiter vorangeschritten ist - „nur“ II. Wie reagieren die Unternehmen? 44 Prozent aller Unternehmen auf mehr Ausbil- dung setzen, während es im Süden 59 Prozent Die Sicherung der Fachkräftebasis und damit sind (Nord: 56 Prozent; West: 50 Prozent). letztlich der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit ist in erster Linie Aufgabe der Betriebe. Die Um- Ende September 2011 waren insgesamt deutlich frage verdeutlicht, dass diese das erkennen und mehr unbesetzte Ausbildungsplätze (29.700) bei bereits vielfältig aktiv sind, sie zugleich aber der BA gemeldet, als es unversorgte Bewerber ihre Anstrengungen weiter ausbauen wollen und (11.600) gab. Der Überhang an Stellen müssen. (plus 18.100) hat sich gegenüber dem Vorjahr um fast 11.000 vergrößert. Für die Betriebe wird es daher zunehmend schwerer, mit Ausbildung Eigenen Nachwuchs stärken – mehr auf künftige Engpässe zu reagieren. Vor diesem ausbilden Hintergrund müssen die Betriebe künftig noch stärker auch auf die Potenziale von lernschwä- Als Reaktion auf künftige Fachkräfteengpässe cheren Jugendlichen zurückgreifen. setzen die Betriebe auf ein breites Portfolio an Maßnahmen. An der Spitze steht dabei der ei- gene Nachwuchs: Mehr als jedes zweite Unter- Industrie setzt auf Azubis nehmen plant, sein Ausbildungsengagement weiter auszubauen. Dass dies bereits heute als Die Industriebetriebe setzen am stärksten auf probates Mittel gilt, zeigt der Blick auf den Aus- die eigene Ausbildung (59 Prozent). Im Handel bildungsmarkt am aktuellen Rand: Mehr Ju- und der Bauwirtschaft sind es aber nur gering- gendliche beginnen eine Ausbildung als im Vor- jahr. Bis Ende November 2011 wurden in In- 11
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011 Wie wollen Sie zukünftig auf Fachkräfteengpässe reagieren? nach Wirtschaftszweigen - in Prozent (Mehrfachantworten möglich) 70 59 57 60 55 54 52 48 49 50 46 47 44 40 31 32 31 29 30 25 26 25 25 24 24 22 22 21 22 20 17 13 13 13 14 12 12 12 11 9 10 5 6 5 4 3 4 0 Industrie Bauwirtschaft Handel Dienstleistungen insgesamt mehr Ausbildung mehr Weiterbildung Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern Beschäftigung/Einstellung Älterer ausweiten Einstellung von Fachkräften aus dem Ausland Steigerung der Arbeitgeber-Attraktivität (z.B. Bezahlung, Arbeitsplatzqualität) Produktion/Service reduzieren Arbeitszeit ausweiten fügig weniger. Bei den Dienstleistern ist es nicht eurbüros (35 Prozent) und Forschung und Ent- ganz jedes zweite Unternehmen. Letzteres ist wicklung (38 Prozent). sicherlich ein Hinweis darauf, dass dort im Ver- gleich zu den anderen Branchen die akademi- Bei einer Betrachtung nach Größenklassen ist zu schen Berufe eine relativ stärkere Rolle spielen. beachten, dass der jährliche Fachkräftebedarf Im Vergleich zum Jahr 2007 fällt besonders die bei kleinen Betrieben geringer als bei größeren recht deutliche Verringerung der Anteile im Bau ist: Meist können kleine Betriebe nur alle drei auf – minus neun Prozentpunkte (Industrie: Jahre einen neuen Auszubildenden einstellen. minus zwei Prozentpunkte; Handel: minus vier Immerhin will aber auch bei den KMUs mit ein Prozentpunkte; Dienstleistungen: minus fünf bis neun Mitarbeitern noch jeder dritte Betrieb Prozentpunkte). Wies die Bauwirtschaft im Jahr sein Ausbildungsengagement ausweiten. Bei den 2007 noch den höchsten Wert auf, so liegt sie Unternehmen mit 200 und mehr Beschäftigten mittlerweile an dritter Stelle. Hier zeigen sich sind es sogar zwei Drittel. Der Vergleich mit dem nicht zuletzt die im Bau besonders ausgepräg- Jahr 2007 zeigt, dass sich die Anteile insbeson- ten Nachwuchssorgen. dere bei den kleinen Unternehmen verringert haben. Bei Betrieben mit weniger als zehn Be- Zu den Branchen, in denen besonders viele Un- schäftigten um zehn Prozentpunkte, mit zehn ternehmen mehr ausbilden wollen, gehören u. a. bis 19 Beschäftigten um elf Prozentpunkte. Bei das Papiergewerbe (71 Prozent), der Werkzeug- größeren Einheiten mit 200 bis 999 Beschäftig- maschinenbau (69 Prozent), Metallerzeugung ten gab es nahezu keine Veränderung (minus ein und -bearbeitung (66 Prozent), Fahrzeugbau Prozentpunkt). Bei Unternehmen mit 1.000 und (65 Prozent), aber auch z. B. das Kreditgewerbe mehr Mitarbeitern hat sich der Anteil sogar von (68 Prozent). Am unteren Ende der Skala stehen 60 Prozent auf 65 Prozent erhöht. Großen Un- u.a. die Gastronomie (35 Prozent) sowie Bran- ternehmen fällt es in der Regel leichter, trotz chen, die in erster Linie Hochschulabsolventen der demografischen Entwicklung Lehrstellen zu rekrutieren wie z. B. Architektur– und Ingeni- besetzen – nicht zuletzt weil sie in den Augen 12
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011 vieler Jugendlicher als attraktiver gesehen wer- Betriebe als auch die Beschäftigten selbst ihre den. Viele KMU – besonders in der Gastronomie Anstrengungen intensivieren. Dazu bedarf es – haben hingegen bereits in den letzten Jahren z. B. an den Bedürfnissen der Beschäftigten die Erfahrung gemacht, ihre angebotenen Aus- orientierte passgenaue Angebote. Arbeitnehmer bildungsplätze nicht besetzen zu können. Eine sollten hierzu als Teil ihrer Eigenverantwortung weitere Ausweitung des Ausbildungsplatzange- Freizeit einbringen. Informelle Weiterbildungs- bots kann daher gerade für diese Betriebe nur maßnahmen eignen sich insbesondere dann, einen begrenzten Beitrag zur Fachkräftesiche- wenn Ältere eher ungern klassische Schulungen rung leisten. besuchen und lieber eigenständig lernen. Auffällig ist, dass die Bereitschaft der Betriebe Weiterbildung hoch im Kurs zu mehr Weiterbildung im Osten Deutschlands merklich geringer ist. 42 Prozent nennen dort An zweiter Stelle folgt der Ausbau von Weiter- diese Option, während es in den übrigen Regio- bildungsangeboten, mit denen 49 Prozent der nen zwischen 50 Prozent und 52 Prozent sind. Betriebe auf die künftige Fachkräftesituation Der Grund dafür dürfte in erster Linie in der reagieren wollen. In der Industrie sind es mit vergleichsweise kleinteiligen Wirtschaftsstruktur 55 Prozent mehr als in den übrigen Wirtschafts- liegen. zweigen. Im Vergleich zur Umfrage vor vier Jah- ren sind die entsprechenden Anteile insgesamt kaum verändert. Lediglich in der Industrie ist der Attraktive Arbeitgeber Anteil im Gegensatz zu den anderen Wirt- schaftszweigen leicht gestiegen (plus zwei Pro- Fast jeder dritte Betrieb plant, mit einer Steige- zentpunkte). rung seiner Arbeitgeberattraktivität zur Siche- rung der Fachkräftebasis beizutragen. Unter- Mit der Unternehmensgröße steigt die Bereit- nehmen stehen zunehmend im Wettbewerb um schaft zur verstärkten Weiterbildung. In Groß- qualifizierte Köpfe und machen sich Gedanken, unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten wie sie künftig gute Mitarbeiter nicht nur ge- planen zwei Drittel einen Ausbau, in KMU mit winnen, sondern auch langfristig an sich binden weniger als 20 Mitarbeitern sind es 35 Prozent. können. Sich als attraktiver Arbeitgeber zu posi- Dabei ist zu berücksichtigen, dass es gerade tionieren, gewinnt immer mehr an Bedeutung. KMU schwer fällt, formale Weiterbildungsmaß- Ein wichtiger Faktor dabei ist, wenn auch bei nahmen anzubieten. Stattdessen setzen viele weitem nicht der einzige, die Bezahlung der auf informelles Lernen im Betrieb und bieten Mitarbeiter. den Beschäftigten Möglichkeiten zur selbststän- digen Weiterbildung. Zudem hilft die Weiterga- Das Ergebnis der Umfrage verdeutlicht, dass ein be von z. B. in Seminaren erworbenem neuen Großteil der Betriebe durchaus bereit ist, auch Wissen an Kollegen. höhere Gehälter und damit Kosten in Kauf zu nehmen, um so auf Knappheiten am Arbeits- Gerade ältere Beschäftigte sind mit Blick auf die markt zu reagieren. Der teilweise geäußerte Teilnahme an beruflicher Weiterbildung unter- Vorwurf, Fachkräfteengpässe wären kein reales repräsentiert. Vor dem Hintergrund steigender Problem für die Betriebe und diese wären nicht Lebensarbeitszeiten und zur Sicherung der dau- bereit, höhere Löhne bei steigenden Knapphei- erhaften Beschäftigungsfähigkeit sollten sowohl ten zu zahlen, ist somit nicht treffend. Vielmehr 13
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011 Wie wollen Sie zukünftig auf Fachkräfteengpässe reagieren? nach Beschäftigtengrößenklassen - in Prozent (Mehrfachantworten möglich) 70 65 63 65 66 60 57 50 48 50 45 41 38 38 40 33 34 28 30 30 27 27 27 22 23 24 22 22 19 19 20 16 17 14 13 13 11 10 9 8 10 7 6 6 4 2 2 0 1 bis 9 10 bis 19 20 bis 199 200 bis 999 1.000 und mehr mehr Ausbildung mehr Weiterbildung Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern Beschäftigung/Einstellung Älterer ausweiten Einstellung von Fachkräften aus dem Ausland Steigerung der Arbeitgeber-Attraktivität (z.B. Bezahlung, Arbeitsplatzqualität) Produktion/Service reduzieren Arbeitszeit ausweiten zeigt die Umfrage, dass es gerade solche Bran- … auch im Mittelstand chen sind, die ihre Arbeitgeberattraktivität stei- gern wollen, die bereits jetzt Schwierigkeiten bei Bei Dienstleistern (32 Prozent) und Industrie der Stellenbesetzung haben. (31 Prozent) wird die Steigerung der Arbeitge- berattraktivität von mehr Unternehmen geplant Ein weiterer Faktor ist die Arbeitsplatzqualität, als im Bau (25 Prozent) und im Handel die einen Arbeitgeber in den Augen potenzieller (24 Prozent). Ein Teil solcher Maßnahmen kann Mitarbeiter attraktiv macht. Auch dies ist in der insbesondere in Dienstleistungsunternehmen Regel für den Arbeitgeber nicht zum Nulltarif zu gut implementiert werden – z. B. eine flexible haben. Aspekte wie flexible Arbeitszeiten und Arbeitsorganisation und flexible Arbeitszeiten -orte, Eigenverantwortung, Karrieremöglichkei- sowie eigenverantwortliches Arbeiten. Ähnliches ten und Führungskultur spielen ebenso eine gilt hinsichtlich der Größenklassen. So steigt der Rolle wie z. B. Angebote zur Gesundheitsförde- Anteil der Betriebe, die ihre Attraktivität als rung oder das betriebliche regionale Umfeld. Arbeitgeber steigern wollen, mit der Unterneh- mensgröße an. Bei Betrieben mit 200 bis 999 Insgesamt kommt es dabei auf einen passenden Beschäftigten sind es 38 Prozent, von den gro- Maßnahmenmix an, der auf das jeweilige Un- ßen Unternehmen ist es fast jedes zweite ternehmen zugeschnitten sein muss. Ein attrak- (45 Prozent). Dass viele Maßnahmen aber tives Gehalt ist dabei nur ein Aspekt von vielen durchaus KMU-kompatibel sind, zeigt die Tatsa- und aus der Sicht der Fachkräfte nicht grund- che, dass immerhin fast jeder vierte Betrieb mit sätzlich der wichtigste. weniger als neun Beschäftigten die Arbeitgeber- attraktivität ausbauen will. 14
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011 Zeitarbeit will mehr tun scheider in den Unternehmen gerückt sind. In einer höheren Erwerbspartizipation und einer Besonderes Augenmerk auf die Attraktivitäts- Ausweitung der Arbeitszeit von teilzeitbeschäf- steigerung legen die Zeitarbeitsunternehmen – tigten Frauen liegen erhebliche Potenziale zur dort sind es 58 Prozent. Dies ist zum einen Aus- Steigerung des Fachkräfteangebots. druck der Probleme, Arbeitskräfte zu finden, zum anderen sicher auch eine Reaktion auf die Nahezu jedes zweite Unternehmen mit mehr als mitunter kritische Sicht auf die Zeitarbeitsbran- 1.000 Beschäftigten plant weitere Schritte – vor che in der Öffentlichkeit. Der Fahrzeugbau, Ge- vier Jahren waren es 34 Prozent. Aber auch sundheits- und soziale Dienste (jeweils kleine Unternehmen haben die Möglichkeit, mit 46 Prozent) und das Kreditgewerbe (39 Prozent) passgenauen Angeboten die Vereinbarkeit zu stehen im Branchenvergleich mit an der Spitze. verbessern. Dies gilt z. B. für flexible Arbeitszei- ten und eine flexible Arbeitsorganisation sowie für Zuschüsse zur Kinderbetreuung, aber auch Vereinbarkeit immer wichtiger für Informationsangebote zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Die Möglichkeit, Beruf und Familie zu vereinba- ren, steigert ebenfalls die Attraktivität eines Unternehmens in den Augen von Bewerbern. Sie Länger arbeiten – nur hier und dort ist aber wichtig, um insbesondere die Erwerbs- tätigkeit von Frauen zu erhöhen – in Verbindung Als Reaktion auf fehlende Fachkräfte kann die mit besseren Rahmenbedingungen. Derzeit sind anfallende Arbeit im Betrieb auf weniger Köpfe zwar rund 70 Prozent der Frauen erwerbstätig. verteilt und deren Arbeitszeit erhöht werden – Aber nur etwas mehr als die Hälfte geht einer sowohl durch Überstunden als auch durch gene- Vollzeittätigkeit nach. Hinzu kommt, dass Teil- rell längere Arbeitszeiten. Aus gesamtwirt- zeit in Deutschland vielfach Halbtags bedeutet schaftlicher Perspektive sinkt infolge der demo- – die durchschnittliche Wochenteilarbeitszeit grafischen Entwicklung insgesamt das Arbeits- beträgt hierzulande 18 Stunden und liegt damit volumen. Darauf lässt sich mit einer Ausdeh- im EU-Vergleich ganz hinten – beim Spitzenrei- nung der Arbeitszeit antworten. ter Schweden sind es z. B. 25 Stunden. Die tarifliche Wochenarbeitszeit der Vollzeittä- Als Reaktion auf Fachkräfteengpässe will jedes tigen in Deutschland ist international ver- vierte Unternehmen die Vereinbarkeit von Fami- gleichsweise gering – sie lag im zweiten Quartal lie und Beruf erleichtern. Bei den Dienstleistern 2011 bei 38,1 Stunden. Allerdings ist die tat- sind es sogar 29 Prozent. Innerhalb der letzten sächlich geleistete Arbeitszeit länger und liegt vier Jahre haben Maßnahmen zur Vereinbarkeit mit 42 Stunden knapp über dem EU- deutlich an Bedeutung gewonnen – so planten Durchschnitt (41,6 Stunden). im Jahr 2007 nur 15 Prozent entsprechende Schritte. Eine Ursache dafür dürfte darin liegen, Etwa jedes zehnte Unternehmen plant vor die- dass in den vergangenen Jahren durch vielfälti- sem Hintergrund eine Arbeitszeitausweitung, ge Informationsangebote - auch seitens der um auf künftige Fachkräfteengpässe zu reagie- IHK-Organisation – die ungenutzten Potenziale ren. Am meisten sind es in der Bauwirtschaft der Frauen sowie der betriebliche Nutzen der mit 17 Prozent – bei den Dienstleistern mit Vereinbarkeit stärker ins Bewusstsein der Ent- neun Prozent am wenigsten. Die Absicht der 15
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011 Arbeitszeitausweitung nimmt mit zunehmender gen der Älteren. In kleinen Unternehmen mit Betriebsgröße ab. In kleinen Unternehmen ist weniger als 20 Beschäftigten ist diese Reaktion der Anteil mit 16 Prozent fast dreimal so hoch häufiger (27 Prozent) als in der Größenklasse ab wie im Segment der Großbetriebe (sechs Pro- 200 Mitarbeitern (22 Prozent). Hintergrund zent). Die Ausweitung der Arbeitszeit und der dafür dürfte u. a. sein, dass große Unternehmen Aufbau von Überstunden sind flexible und kos- in den Augen vieler junger Absolventen attrakti- tengünstige Optionen, mit denen in gewissem ver erscheinen und KMU somit stärker auf Älte- Umfang auf Kräfteengpässe reagiert werden re setzen. kann, obgleich sich Überstunden nicht als Dau- erlösung eignen. Ein klarer Befund ist, dass in Branchen, in denen die Betriebe das Fachkräfterisiko besonders hoch Aber auch die Ausweitung der Arbeitszeit im einschätzen, häufiger die Ausweitung der Be- Rahmen von Teilzeit bietet Potenzial gegen den schäftigung Älterer genannt wird. Das gilt z. B. Fachkräftemangel. Da insbesondere Frauen teil- für die Arbeitnehmerüberlassung, das Gastge- zeitbeschäftigt sind – ein Großteil von ihnen werbe und die Sicherheitswirtschaft. In diesen bewusst, um Beruf und Familie zu vereinbaren – Branchen bestehen somit Beschäftigungsper- kommt dem Ausbau der Betreuungsinfrastruktur spektiven für Arbeitnehmer „50 Plus“. Eine stär- sowie der Flexibilität der entsprechenden Ange- kere Regulierung der Zeitarbeit wäre vor diesem bote eine enorme Bedeutung zu. Nicht nur, Hintergrund für die Perspektiven gerade älterer damit mehr Frauen überhaupt am Erwerbsleben Arbeitsloser kontraproduktiv. teilnehmen, sondern auch, um stärker vollzeit- nahe Teilzeitmodelle nutzen zu können. Eine eher untergeordnete Rolle spielt deren stärkere Beschäftigung als Reaktion auf fehlen- de Fachkräfte z. B. in der Versicherungswirt- Nicht zum alten Eisen schaft (fünf Prozent) und dem Kreditgewerbe (zehn Prozent). Dort setzen die Unternehmen Jedes vierte Unternehmen plant, Fachkräfteeng- stärker auf jüngere Arbeitnehmer, was auch in pässen durch den stärkeren Rückgriff auf ältere überdurchschnittlich hohen Anteilen bei der Arbeitnehmer zu begegnen. Zwischen den Wirt- geplanten Ausweitung der Ausbildung sowie der schaftzweigen bestehen dabei keine großen Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich Differenzen – ebenso wenig in regionaler Hin- wird. Hier dürfte eine Rolle spielen, dass vor sicht. Der Vergleich mit dem Jahr 2007 zeigt dem Hintergrund der raschen Entwicklung neuer geringe Verschiebungen – ein Minus von drei Produkte und dazugehöriger IT-Anwendungen in Prozentpunkten in der Gesamtsicht. den entsprechenden Bereichen die Unternehmen befürchten, das Wissen der Älteren könnte nicht In den Betrieben hat ein Umdenken eingesetzt – auf dem aktuellen Stand sein. die Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen ist in den letzten zehn Jahren von 37 Prozent Die Beschäftigungspotenziale Älterer dürfen auf 56 Prozent deutlich angestiegen. Die Ar- keinesfalls unterschätzt werden. Neben der beitslosigkeit der Älteren hat sich um mehr als Ausweitung der Erwerbstätigkeit der Frauen 300.000 verringert. Neben der Tatsache, dass bestehen gerade hier große Möglichkeiten, demografiebedingt der Anteil der Älteren in den Fachkräfteengpässe zu lindern. Dazu müssen die Belegschaften steigt, setzen wieder mehr Unter- Rahmenbedingungen in den Unternehmen für nehmen auf die Qualifikationen und Erfahrun- 16
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011 eine lange Erwerbsphase noch weiter verbessert kenntnisse sind Pluspunkte. werden. Hierzu zählen z. B. flexible Arbeitszei- ten, eine altersgerechte Arbeitsorganisation und Für Betriebe aus der Schifffahrt (48 Prozent) Arbeitsumgebung, Karrierechancen im Alter, bieten ausländische Fachkräfte besonderes Po- lebenslanges Lernen und Angebote zur betriebli- tenzial. Bereits heute sind internationale Teams chen Gesundheitsförderung. dort gängige Praxis. Im Gastgewerbe plant fast ein Drittel den Blick über die Grenzen. Ähnlich sieht es im Bereich Gesundheits- und soziale Fachkräfte aus dem Ausland Dienste (28 Prozent), Forschung und Entwick- lung (23 Prozent), bei Architektur- und Ingeni- Etwas mehr als jedes zehnte Unternehmen eurbüros (22 Prozent), aber auch in der Pharma- (zwölf Prozent) will mit der Einstellung von zeutischen Industrie (21 Prozent) und im Fahr- Fachkräften aus dem Ausland auf künftige Eng- zeugbau aus (23 Prozent). pässe reagieren. Am höchsten ist der Anteil bei den Dienstleistern (14 Prozent), am geringsten Obgleich die Beschäftigung ausländischer Fach- im Handel mit sechs Prozent. Gegenüber der kräfte verglichen mit anderen Reaktionsmög- Umfrage des Jahres 2007 zeigt sich eine signifi- lichkeiten nicht das gleiche Gewicht hat und für kante Änderung in der Bauwirtschaft – dort ist weniger Betriebe derzeit eine realistische Option der Anteil der Betriebe, die auf ausländische darstellt, ist die Zuwanderung als Maßnahme Fachkräfte setzen wollen, von acht Prozent auf zur Fachkräftesicherung nicht zu vernachlässi- zwölf Prozent gestiegen. In dieser Branche ha- gen. Es sind vielfach gerade die Betriebe, die auf ben auch die Stellenbesetzungsprobleme im die Einstellung ausländischer Fachkräfte setzen entsprechenden Zeitraum deutlich zugenom- wollen, die derzeit offene Stellen längerfristig men. nicht besetzen können. Die Rekrutierung ausländischer Arbeitskräfte ist Seit dem 1. Mai dieses Jahres gilt auch für die insbesondere für größere Unternehmen eine acht neuen EU-Mitgliedstaaten aus Osteuropa Gelegenheit, offene Stellen zu besetzen – (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, 17 Prozent der Großunternehmen stehen zehn Slowenien, Tschechien, Ungarn) die vollständige Prozent der kleinen mit weniger als 20 Mitar- Arbeitnehmerfreizügigkeit. Diese bietet sowohl beitern gegenüber. Nicht zuletzt mit einem den „neuen“ EU-Bürgern als auch den Unter- professionellen Personalmanagement, das sich nehmen Chancen, wenngleich die Arbeitsmarkt- im komplexen Recht der Ausländerbeschäfti- öffnung nach Osteuropa allein nicht ausreicht. gung auskennt, lassen sich diese Unterschiede Bis zum September 2011 hat die Beschäftigung erklären. Hinzu kommt, dass größere Betriebe in von „neuen“ EU-Bürgern infolge der Arbeitneh- stärkerem Maße international agieren und auch merfreizügigkeit seit dem 1. Mai lediglich um über Auslandsstandorte verfügen. Fehlende 54.000 zugenommen. Mit der langen Abschot- deutsche Sprachkenntnisse spielen dann eine tung seines Arbeitsmarktes hat sich Deutschland geringere Rolle für die tägliche Arbeit – ähnli- keinen Gefallen getan und das falsche Signal ches gilt am Bau, wo typischerweise wenig Kun- gesendet. Qualifizierte Fachkräfte sind stattdes- denkontakte bestehen. Kenntnisse der Mitarbei- sen in andere Länder wie z. B. Großbritannien ter bezüglich ausländischer Absatzmärkte, nati- oder Irland gegangen. onaler Gepflogenheiten und Fremdsprachen- 17
Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Fachkräftesicherung – DIHK-Arbeitsmarktreport 2011 Eingeschränktes Angebot (noch) keine cherung. Mit Blick auf die zu hohen Quoten der Option Schul- und Studienabbrecher – etwa sieben Prozent verlassen die Schule ohne Abschluss, an Die Befürchtung, Kräfteengpässe könnten zu den Hochschulen sind es zwischen 20 Prozent einer Einschränkung der Produktion bzw. der und 30 Prozent - und die häufig fehlende Aus- Serviceleistungen führen, lässt sich zumindest bildungsreife ist die Einschätzung der Unter- derzeit nicht erkennen. Nur vier Prozent der nehmen mehr als verständlich. Unternehmen sehen sich zu entsprechenden Schritten gezwungen, bei kleinen Betrieben mit In Industrie und Handel sind es mit fast drei weniger als zehn Beschäftigten sind es sieben Viertel der Unternehmen, die eine bessere Quali- Prozent. Sofern dort mehrere Fachkräfte dauer- fikation anmahnen, noch einmal mehr als im haft fehlen, kann das Angebot nur schwer lang- Gesamtdurchschnitt. Vor dem Hintergrund der fristig gehalten werden. Bedeutung der Industriebetriebe für den Export, der eine wichtige Wachstumsstütze ist, besteht Am ehesten zur Angebotsreduktion veranlasst Handlungsbedarf. sehen sich Gastronomiebetriebe (zwölf Prozent). Auch im Bereich der Schifffahrt (neun Prozent), Der Blick in die Branchen offenbart, dass sich im Bekleidungsgewerbe sowie im Straßengüter- nicht allein Unternehmen, in denen typischer- verkehr (jeweils acht Prozent) liegen die Anteile weise hoch qualifizierte Tätigkeiten nachgefragt klar über dem gesamtwirtschaftlichen Durch- werden, eine bessere Qualifikation wünschen. schnitt, allerdings immer noch auf einem eher Mit an der Spitze stehen z. B. der Tiefbau (81 geringen Niveau. Prozent), Kfz-Handel und -Reparatur (80 Pro- zent), Papiergewerbe (79 Prozent), Möbel (78 Prozent), Ernährungsgewerbe (75 Prozent). Dies III. Leitplanken richtig setzen erlaubt den Schluss, dass der Qualifikationsbe- darf aus Sicht der Betriebe nicht primär im Be- Die Unternehmen sind hinsichtlich der Fachkräf- reich höherer Qualifikationen (z. B. Hochschul- tesicherung bereits in vielfältiger Art und Weise reife) liegt, sondern vielmehr grundlegende An- aktiv und werden auch künftig ihre Anstrengun- forderungen an potenzielle Auszubildende be- gen weiter intensivieren und neue Wege be- trifft. schreiten. Zusätzlich müssen jedoch die Rah- menbedingungen stimmen, die in erster Linie Untermauert wird dies dadurch, dass häufig von der Politik gestaltet werden. Hemmnisse diejenigen Unternehmen, die vor dem Hinter- müssen abgebaut, Rahmenbedingungen verbes- grund von Fachkräfteengpässen auf mehr Aus- sert werden. Nur wenn sich alle Akteure ein- bildung setzen wollen, eine bessere Qualifikati- bringen, kann langfristig die Herausforderung on für nötig erachten: Mit 78 Prozent sind es gemeistert werden. noch einmal deutlich mehr als im gesamtwirt- schaftlichen Durchschnitt. Damit erschwert die Schüler stärken fehlende Qualifikation der Schulabgänger zu- sätzlich zu sinkenden Schülerzahlen den Weg Zwei von drei Unternehmen sehen in der Ver- der Fachkräftesicherung über den eigenen besserung der Qualifikation der Schulabgänger Nachwuchs. eine wichtige Voraussetzung zur Fachkräftesi- 18
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