Der Bologna Prozess, seine Umsetzung in Österreich unter spezieller Berücksichtigung der Musikuniversitäten Eine Kurzdarstellung
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Der Bologna Prozess, seine Umsetzung in Österreich unter spezieller Berücksichtigung der Musikuniversitäten Eine Kurzdarstellung Mag. Ester Tomasi-Fumics, LL.M Büro des Studiendirektors Büro der Universitätsleitung Universität für Musik und darstellende Kunst Wien Dezember 2007
Inhalt Vorbemerkungen................................................................................................................... 3 Warum eine Bologna Erklärung?........................................................................................... 4 Die Ziele der Bologna Erklärung............................................................................................ 6 Die Umsetzung der Bologna Ziele ......................................................................................... 7 1: Die Einführung eines Systems leicht les- und vergleichbarer Studienabschlüsse .......... 7 2: Die Einführung eines Systems, das im Wesentlichen auf zwei Zyklen basiert................ 8 3: Einrichtung eines Kreditpunktesystems ........................................................................12 4: Förderung von Mobilität ................................................................................................12 5: Förderung europäischer Kooperation in der Qualitätssicherung ...................................13 6: Förderung der europäischen Dimension in der höheren Bildung ..................................15 7: Lebenslanges Lernen ...................................................................................................15 8: Beteiligung von Hochschuleinrichtungen und Studierenden..........................................16 9: Förderung der Attraktivität des europäischen Hochschulraums ....................................16 10: Doktoratsstudien und Etablierung eines europäischen Hochschul- und Forschungsraumes...........................................................................................................17 Abschließende Bemerkungen...............................................................................................18 Anhang.................................................................................................................................19 2
Vorbemerkungen Im Jahr 1999 unterzeichneten Minister aus 29 europäischen Ländern, die für die Bildung auf tertiärem Niveau zuständig waren, eine 6 Punkte umfassende Erklärung, die sogenannte „Bologna Erklärung“. Für die Universitäten und Hochschulen in Europa war dies der Beginn einer Zeit von Umstrukturierungen und weitreichenden Änderungen, die, wie die Minister dies 1999 ins Auge gefasst hatten, bis 2010 abgeschlossen sein sollte. Tatsächlich werden die Veränderungen, die den aus der Bologna Erklärung resultierenden Bologna Prozess darstellen, sicherlich über das Jahr 2010 hinaus andauern. Auch für die Musikuniversitäten, Musikhochschulen und Musikakademien Europas haben diese Entwicklungen weitreichende Folgen, die, wenn als Chance ergriffen, sinnvolle Erneuerung und die Möglichkeit des Dialogs in- und außerhalb dieser traditionsreichen kulturellen Instanzen ermöglichen können. Andererseits ist die kurze Geschichte dieser gemeinsamen europäischen Vision für einen transparenten und mobilen Hochschulraum von vielen Missverständnissen geprägt. In der vorliegenden Projektarbeit, die den abschließenden Teil der Grundausbildung für Verwaltungspersonal der Verfasserin an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien bildet, soll der Bologna Prozess mit seinen rechtlichen Rahmenbedingungen überblicksartig dargestellt werden und der Bezug zur Lage der Musikuniversitäten in Europa und speziell in Österreich hergestellt werden. Dem Rahmen angemessen wird auf die allzu detaillierte Diskussion von Spezialitäten verzichtet. Der Leser soll hauptsächlich in die 10 Aktionsfelder des Bologna Prozesses eingeführt werden. 3
Warum eine Bologna Erklärung? Die Bildungssysteme in den einzelnen europäischen Ländern haben sich historisch unterschiedlich entwickelt: Zulassungsvoraussetzungen, Dauer, Aufbau und Ziele der Studien konnten sich wesentlich unterscheiden. Nimmt man ein Musikstudium als Beispiel, so dauerte es in Österreich bis vor kurzem 8 Jahre oder mehr, in anderen europäischen Ländern gab es Modelle mit 4, 5 oder 6jähriger Dauer. In manchen Ländern wurde der Unterricht am Instrument es als Berufsausbildung angesehen, in wieder anderen war es Hochschulbildung. Länder, wie zum Beispiel Großbritannien, kannten eine dreistufige Universitätsausbildung mit einem Bachelorstudium, das die akademische Grundausbildung darstellte, einem Masterstudium, das im postgradualen Bereich eine Spezialisierung erlaubte und einem Doktorat, das zur akademischen oder Forscherkarriere hinführte. In Österreich oder Deutschland beispielsweise war das zweistufige Studiensystem mit einem längeren Grundstudium und einem anschließenden Doktorat in Verwendung. Diese Unterschiede spielten im eigenen Land kaum eine Rolle, mit steigender Mobilität von Studierenden, Lehrenden und generell am Arbeitsplatz, wurde jedoch ziemlich bald deutlich, dass die unterschiedlichen Systeme ein Hindernis darstellten. Einerseits konnte man nicht einfach von einer Studienstruktur zur anderen wechseln und andererseits war die Anerkennung von Studienleistungen, die in anderen EU Staaten erbracht wurden, aufwendig und nicht immer garantiert. Gleichzeitig entwickelte sich die EG 1993 mit dem Vertrag von Maastricht zur Europäischen Union1, in der der freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Personen innerhalb der Mitgliedsstaaten als Grundprinzip verankert ist. 1995, dem Jahr, in dem auch Österreich der Union beitrat, wurden die Grenzen innerhalb der Schengen Staaten geöffnet und 1999 mit dem Vertrag von Amsterdam der Weg zu einer engeren Zusammenarbeit im Bereich gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik begonnen, der Hand in Hand ging mit Demokratisierungsbestrebungen innerhalb der EU und Reformen und Umbildungen der Hauptorgane der EU. Letztendlich gipfelten diese Entwicklungen in dem erstmal fehlgeschlagenen Versuch, eine EU Verfassung einzurichten (siehe Abbildung 1). Zwar ist Europa in der EU immer enger zusammengewachsen, die Bildungspolitik ist jedoch von den Verträgen, die die gesetzliche Grundlage der europäischen Union bilden, nicht umfasst. Für Bildung und damit auch die Universitäten, sind die einzelnen Staaten immer noch allein zuständig. In der Fachsprache heißt das: Die EU hat keine direkte Kompetenz in Bildungsangelegenheiten. Allerdings hat der Europäische Rat, der aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten und dem europäischen Kommissionspräsidenten 1 Zur Geschichte der EU siehe auch http://europa.eu/abc/history/index_de.htm (13. August 2007). 4
besteht, im Jahr 2000 die sogenannte „Lissabon Strategie“ beschlossen. Die in diesem Papier formulierten Ziele gelten als Empfehlungen für die politischen Ziele und Strategien der EU und beeinflussen daher die Gesetzgebung und Aktionen der EU. Die Lissabon Strategie hat zum Ziel, den Wirtschaftsraum EU zur "wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaft der Welt" zu machen. Damit überschneiden sich die Ziele des Bologna Prozesses teilweise mit jenen der Lissabon Strategie. Der wesentliche Unterschied ist der Ansatz. Bologna geht von einer Reform der Hochschulen aus, damit der Bildungsaustausch in Europa erleichtert wird. Lissabon dagegen stülpt dem Reformprozess die Wettbewerbsorientierung und das Wirtschaftswachstum über. Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist, dass die Lissabon Strategie für den EU-Raum beschlossen wurde, der Bologna Prozess mittlerweile über die EU hinausreicht und Länder im geographischen Europa mitumfasst. Neben dem indirekten Einfluss auf den Bologna Prozess hat die europäische Kommission auch einen festen Platz in der „Bologna Follow-up Gruppe“ (BFUG). Diese Gruppe, in der neben Repräsentanten der Signatarstaaten der Bologna Erklärung auch Vertreter der Universitäts- und Studierendenverbände sitzen, bereitet das jeweils nächste biennale Treffen der Bildungsminister unter dem Vorsitz des EU Präsidentschaftslandes vor. Abb. 1: Überblick über die Geschichte und die Verträge der europäischen Union. Quelle http://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Amsterdam (13. August 2007) Unabhängig von Kompetenzstreitigkeiten zwischen EU und Mitgliedsstaaten, die in der Bildungspolitik immer wieder sichtbar werden, war jedenfalls allen beteiligten Akteuren klar, europäische Zusammenarbeit muss auch die Zusammenarbeit in der Bildung umfassen, ein 5
Bereich, der sich mit der Ausbildung qualifizierter Arbeitskräfte für die Zukunft befasst, der entscheidend dazu beitragen kann, den Horizont von jungen Europäern zu erweitern und das Verständnis und Zusammengehörigkeitsgefühl in der EU zu verbessern. Zwar ist die "gegenseitige Anerkennung der Zeugnisse und sonstigen Urkunden über den Abschluss der Berufsausbildung" bereits Bestandteil der Allgemeinen Grundsätze zur europäischen Zusammenarbeit im Bildungsbereich von 19632, doch reichte dies nie aus, um alle Schwierigkeiten mit der Kompatibilität der verschiedenen Systeme aus dem Weg zu räumen. Daher kam es im Jahr 1999 zur Unterzeichnung der Bologna-Erklärung durch 29 europäische zuständige Bildungsminister. Sie verpflichteten sich mit ihrer Unterschrift, die in der Erklärung genannten Ziele zu unterstützen und in ihrem Land gesetzlich und faktisch voranzutreiben. Das heißt, dass alles, was in unsere Universitätsgesetzgebung seit der Bologna Erklärung 1999 Eingang gefunden hat, vom national zuständigen Gesetzgebungsorgan, in Österreich das Parlament, so beschlossen wurde. Der Urtext der Erklärung wurde dabei manchmal weit und manchmal eng ausgelegt. Nicht die Vereinheitlichung aller Studien in Europa ist oberstes Ziel, sondern Abstimmung untereinander und Transparenz, die nationale, regionale und fachspezifische Besonderheiten erklärbar machen soll. Wie gut dies im Einzelfall gelingt, hängt wesentlich vom Willen der zusammenspielenden Akteure ab. Dies sind vor allem Gesetzgebung, Verwaltung, Universitäten, Universitätsverbände, Berufs- und Studierendenverbände. Wichtig ist, der Bologna Prozess ist ein lebendiges Geschehen, das gestaltet werden kann und muss. Die Ziele der Bologna Erklärung Vorrangiges Ziel der Bologna Erklärung ist es, erhöhte Transparenz und Vergleichbarkeit im europäischen Hochschulraum zu schaffen und so die Mobilität von Studierenden, Lehrenden und Akademikern zu erleichtern und damit auch zu fördern. Dazu wurden in Bologna 1999 sechs Aktionslinien beschlossen3: 1. Die Einführung eines Systems leicht les- und vergleichbarer Studienabschlüsse 2. Die Einführung eines Systems, das im Wesentlichen auf zwei Zyklen basiert 3. Einrichtung eines Kreditpunktesystems 4. Förderung von Mobilität 5. Förderung europäischer Kooperation in der Qualitätssicherung 6. Förderung der europäischen Dimension in der höheren Bildung In den weiteren Jahren kamen noch 4 Punkte dazu: 7. Lebenslanges Lernen 2 Beschluss 63/266/EWG 3 Der Originaltext der Bologna Erklärung in der offiziellen deutschen Übersetzung, sowie alle darauf folgenden Texte sind unter anderem auf der Bologna Seite des Verbandes der Musikhochschulen Europas (AEC) abrufbar unter www.bologna-and-music.org/bolognaprozess. 6
8. Beteiligung von Hochschuleinrichtungen und Studierenden 9. Förderung der Attraktivität des europäischen Hochschulraums 10. Doktoratsstudien und Etablierung eines europäischen Hochschul- und Forschungsraumes Zu diesen Zielen haben sich die Bildungsminister der Bologna Staaten, mittlerweile sind das 464, im ersten Treffen in Bologna und in den alle zwei Jahre stattfindenden Folgetreffen5 bekannt. Zusammenfassend kann über die 10 Ziele gesagt werden, dass sie versuchen damit umzugehen, dass die Studien in den verschiedenen europäischen Ländern historisch unterschiedlich in Länge, Aufbau, Zielen, Benennung und Flexibilität waren (und teilweise immer noch sind). Alle Maßnahmen, die durch den Bologna Prozess initiiert wurden, sollen zur erhöhten Transparenz der einzelnen Studiensysteme beitragen. Es handelt sich dabei nicht um eine primär inhaltliche Entwicklung, sondern um eine Strukturreform. Als vorrangige Ziele können daher genannt werden: Die Beseitigung von Mobilitätshindernissen in Europa; die Steigerung der Attraktivität des europäischen Hochschulraums in der gesamten Welt und die Schaffung einer gemeinsamen Struktur aller universitärer Systeme in Europa, die auf dem zweizyklischen Studium mit einem Bachelor- und einem Masterstudium basiert. Theoretisch hört sich das alles sehr gut und logisch an. Wie die 10 Ziele allerdings praktisch umzusetzen sind, ist eine andere Frage. Die Umsetzung der Bologna Ziele 1: Die Einführung eines Systems leicht les- und vergleichbarer Studienabschlüsse Hier ist der Anhang zum Diplom, das „diploma supplement“, anzusiedeln. In Österreich ist in § 69 Abs. 2 Universitätsgesetz 2002 (UG) geregelt, dass gemeinsam mit dem studienabschließenden Diplom ein Zusatz auszustellen ist, der das Studium detaillierter darstellt. Dabei handelt es sich grob um eine Übersicht der vom Absolventen abgelegten Prüfungen mit Noten und eine Erklärung der nationalen Notenskala, sowie Hinweisen auf Zugangsberechtigungen zu reglementierten Berufen oder weiterführenden Studien. Ein Hinweis auf eine Webseite oder andere Informationsquellen für weiterführende Informationen ist auch enthalten. Damit soll gewährleistet werden, dass das Abschlussdiplom zwar seine individuelle nationale Form beibehalten kann, dem Ganzen jedoch eine standardisierte Lesehilfe beigefügt wird. Der Diplomzusatz muss in Österreich auf Deutsch und auf Englisch verfasst werden. 4 Eine Liste der unterzeichnenden Staaten findet sich im Anhang. 5 Folgetreffen fanden 2001 in Prag, 2003 in Berlin, 2005 in Bergen und 2007 in London statt. 2009 wird das Treffen in den Beneluxstaaten stattfinden. 7
Daneben wurde von allen Signatarstaaten des Bologna Prozesses auch die „Lisbon Convention“ (Lissabon Abkommen6) unterzeichnet. Dieses Abkommen verpflichtet die unterzeichnenden Staaten dazu, Absolventen aus anderen europäischen Staaten gegenüber Inländern nicht zu diskriminieren. Sie müssen das gleiche Recht auf Hochschulzugang haben und auf Zugang zu weiterführenden Studien, bzw. auf Ausübung ihres Berufs, sofern sie eine geeignete Qualifikation besitzen. Die zuständige Institution in dem Staat, in dem um Anerkennung der Qualifikation angesucht wird, muss beweisen, dass die Qualifikation allenfalls nicht vorliegt. Dies ist im juristischen Sinn eine sogenannte Beweislastumkehr und zum Vorteil des um Anerkennung Ansuchenden. Staatliche Stellen für Fragen aller Art zur Anerkennung von Qualifikationen sind die ENIC/NARIC7 Stellen. In Österreich ist die NARIC Austria8 im Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung angesiedelt. 2: Die Einführung eines Systems, das im Wesentlichen auf zwei Zyklen basiert Hier geht es um die Einführung der zweizyklischen Studienstruktur, wobei die Bologna Erklärung vorsieht, dass der erste Zyklus mindestens 3 Jahre zu dauern hat. Für den zweiten Zyklus ist keine Minimallänge vorgesehen. Doch die Struktur allein reicht natürlich noch nicht aus, um Vergleichbarkeit und Transparenz herzustellen. Deshalb umfasst diese Aktionslinie auch das Erfordernis nationaler Qualifikationsrahmen. Ein Qualifikationsrahmen ist ein Dokument, das Eckdaten für die Beschreibung einer bestimmten Qualifikation enthält. Anhand von Kompetenzen, die in einer bestimmten Bildungsstufe erworben werden, sollen daraus sich zusammensetzende Qualifikationen beschreibbar werden. Bei dem Nachfolgetreffen der Minister in Berlin 2003 riefen die Minister dazu auf, bis 2005 nationale Qualifikationsrahmen zu schaffen, die Studien mit Hilfe von Arbeitsaufwand, Niveau, Lernergebnissen, Kompetenzen und Profilen qualitativ erfassbar machen sollten. Eine Gruppe von mit Qualitätssicherung im Hochschulbereich befasster Personen reagierte auf diese Aktionslinie, indem sie die gemeinsamen Dublin Deskriptoren formulierte. Dabei handelt es sich um eine sehr allgemeine, ergebnisorientierte Beschreibung von Charakteristika der 3 möglichen universitären Studienzyklen (inklusive eines kurzen Zyklus’, der Teil eines ersten Zyklus sein kann). Beispiel aus den gemeinsamen Dublin Deskriptoren: Der Titel eines Bachelor wird an Studenten verliehen, die - in einem Studienfach Wissen und Verständnis unter Beweis gestellt haben, die auf ihrer allgemeinen, höheren Schulbildung aufbauen und über diese hinausgehen. Üblicherweise bewegt sich ihr Wissen auf einem Niveau, das – während es sich auf 6 Nicht zu verwechseln mit der weiter oben erwähnten Lissabon Strategie der europäischen Kommission. 7 Mehr Information zu ENIC („European Network of Information Centers“ in nicht EU Staaten) und NARIC („National Academic Recognition Information Centers“ in EU Staaten) Stellen ist unter http://www.enic-naric.net/ zu finden. (23. August 2007) 8 Siehe auch http://www.bmwf.gv.at/submenue/service/studieren_in_oesterreich/enic_naric_austria/ (23. August 2007) 8
Lehrbücher für Fortgeschrittene stützt – auch Aspekte über das neueste Wissen aus 9 ihrem Studienfach beinhaltet; In Österreich wurde diese 2. Aktionslinie teilweise gesetzlich umgesetzt. Existierende Studien konnten auf Bachelor- und Masterstudien umgestellt werden, wobei ein erster Studienzyklus genau 180 ECTS Punkte zu umfassen hat, was einer Dauer von 3 Jahren gleichkommt (siehe § 54 Abs. 3 UG). Das Mindesterfordernis wurde somit in eine absolute Studiendauer gefasst, was speziell im Fall der Musikuniversitäten ein Problem darstellt, reicht dort doch eine 3jährige universitäre Ausbildung in den Instrumentalstudien in den seltensten Fällen dazu aus, künstlerische Reife zu erlangen. Im europäischen Vergleich zeigt sich auch, dass in mehr als der Hälfte der Länder, die Hochschulstudien im Instrumentalmusikbereich anbieten, ein Grundstudium zumindest 4 Jahre umfasst. Vor allem in Deutschland hat die Rektorenkonferenz der dortigen Musikhochschulen nach langen Diskussionen erreichen können, dass das Musikstudium als Ausnahme anerkannt wird und daher einen 4jährigen ersten Studienzyklus hat. In Österreich findet sich noch dazu folgende seltsame Situation, die sich aus der Entwicklung der Universitätsgesetzgebung der letzten Jahre ergibt: Das dem UG vorhergehende Universitätsstudiengesetz (UniStG) hat noch eine Beschränkung von 6 bis 8 Semestern für das Bakkalaureatsstudium (§ 11a UniStG) und von 2 bis 4 Semestern für das Magisterstudium zugelassen. Insgesamt durfte die Gesamtsemesteranzahl, die für das jeweilige Studium vorgesehen war, nicht überschritten werden. Da das UniStG für das Instrumentalstudium 12 Semester als Gesamtstudienzeit vorsah, konnten sich daraus ein Bakkalaureat mit 4jähriger Dauer und ein darauf aufbauendes Magisterstudium mit 2jähriger Dauer ergeben. An der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz wurde dies auch so etabliert. An der Wiener Musikuniversität blieb man hingegen beim bestehenden Diplomstudium und wandelte nicht auf Bakkalaureat- und Magisterstudium um. Würde man dies heute tun, dann würde das Wiener Bachelorstudium nur 3 Jahre dauern dürfen. Damit würde Wien in einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Graz geraten, da die Studiendauer bei der Entwicklung technischer, musikalischer und persönlicher Reife am Instrument eine wesentliche Rolle spielt und daher nur ein zumindest 4jähriges Bachelorstudium unter den heutigen Voraussetzungen als berufsvorbildend angesehen werden kann. Das UG sagt ja in § 51 Abs. 2 Z 4: „Bachelorstudien sind die ordentlichen Studien, die der wissenschaftlichen und künstlerischen Berufsvorbildung und der Qualifizierung für berufliche Tätigkeiten dienen, welche die Anwendung wissenschaftlicher und künstlerischer Erkenntnisse und Methoden erfordern.“ Ohne auf Details einzugehen, ist daher das Ziel der Bachelorstudien die Berufsvorbereitung. Absolventen sollen zumindest für bestimmte berufliche Tätigkeiten qualifiziert sein. 9 Mehr zu den von der Joint Quality Initiative entwickelten Dublin Deskriptoren findet sich unter http://www.jointquality.nl/ (23. August 2007) 9
Das Masterstudium kann in Österreich mit mindestens 120 ECTS Punkten flexibler gestaltet werden. Man hat sich also in Österreich gesetzlich dafür entschieden, „schnelle“ Grundstudienabschlüsse anzubieten und das Spezialistenstudium, die Vertiefung auf Masterebene zuzulassen. Unabhängig von diesen Einzelheiten, zu denen es noch viel zu sagen gäbe, besteht in Österreich noch eine weitere, schon oben kurz erwähnte Besonderheit. Der Gesetzgeber hat sich nicht entschieden, das Studiensystem einfach auf die neue Struktur umzustellen, sondern es dürfen bereits zum Zeitpunkt der Einführung des UG 2002 bestehende Diplomstudien, nicht nur für einen Übergangszeitraum, weitergeführt werden und nur völlig neue Studien nicht in der Form von einzyklischen Diplomstudien geschaffen werden. Dies führt dazu, dass das System doppelgleisig fährt, was im europäischen Vergleich leicht zu Unverständnis führen kann und der Transparenz gerade wieder im Weg steht. In Österreich wird ein nationaler Qualifikationsrahmen gerade erstellt. Dies gilt auch für die meisten anderen europäischen Staaten. Die Entwicklung schreitet hier langsamer voran, als die Minister vorhersehen konnten. In Österreich hat das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung folgende Information zur Entwicklung des österreichischen Qualifikationsrahmens zur Verfügung gestellt: „...Ziel ist die Beteiligung Österreichs am Europäischen Qualifikationsrahmen und darauf Bezug nehmend die Entwicklung eines Nationalen Qualifikationsrahmens (NQR) mit 8 oder mehr Referenzniveaus, der an den europäischen Rahmen gekoppelt werden kann und alle Bereiche der Bildung umfasst. Die Zuordnung erfolgt mittels Beschreibung der einzelnen nationalen Qualifikationsstufen mit einem Ansatz, der auf Lernergebnissen aufbaut und auf die Anforderungen des österreichischen Arbeitsmarkts ausgerichtet ist. Zu diesem Zweck wurde in Österreich eine nationale Steuerungsgruppe bestehend aus den Bundesministerien sowie den Sozialpartnern eingerichtet. Aufgabe dieser im Sommer 2007 eingerichteten nationalen Steuerungsgruppe ist es, anhand von in Auftrag gegebenen Studien einen nationalen Qualifikationsrahmen zu entwickeln. Dazu wird im Herbst 2007 ein erstes Konsultationspapier veröffentlicht werden zu welchem alle betroffenen Institutionen Stellung nehmen können. Der NQR soll Ende 2008 in Österreich beschlossen und bis 2010 umgesetzt werden. Um eine gesicherte Kommunikation zwischen dem Hochschulbereich und dem BMWF sicherzustellen, hat das BMWF einen eigenen Beirat eingerichtet. In diesem Beirat sitzen neben Vertretern aus der Hochschulsektion die ÖH, Österreichische Rektorenkonferenz, Fachhochschulrat, Fachhochschulkonferenz, Akkreditierungsrat, Bologna Follow-up Gruppe und die Österreichische Qualitätssicherungsagentur AQA. Der Beirat tagt regelmäßig und wird 10 die Position des Hochschulsektors zum NQR erarbeiten.“ 10 Quelle Informationspapier des BMWF, ausgeteilt bei einer Informations- und Diskussionsveranstaltung zum österreichischen NQR am 26. September 2007 an der MDW. Mehr Informationen dazu finden sich auf der Webseite des BMWF unter http://www.bmwf.gv.at/print/wissenschaft/national/nqr/?0= (13. November 2007). 10
Folgender Zeitplan ist vorgesehen: - Fact-Finding (+NQR Vorschlag): Februar-September 2007 - Konsultationsprozess + Test NQR Entwurf: Dezember 2007-Juni 2008 - Zuordnung des formalen Systems zum NQR und EQR unter Einbeziehung des nicht formalen und informellen Sektors: bis 2010. Für den Sektor der Musikhochschulen ist auf europäischer Ebene durch den Verband der Musikhochschulen Europas (AEC)11 schon vieles an nützlicher Vorarbeit geleistet worden. So wurden die sogenannten Polifonia/Dublin Deskriptoren, die eine musikalische Adaptierung der gemeinsamen Dublin Deskriptoren darstellen und Lernergebnisse für Musikstudien entwickelt12. Damit existiert für Musikstudien auf universitärer Ebene ein europäischer Qualifikationsrahmen, der als Vorlage für einen solchen auf nationaler Ebene dienen könnte. Dies ist bemerkenswert, da ein solcher sektoraler Rahmen in (noch) fast keinem anderen Sektor existiert13. Wichtig ist dies deshalb, weil die Charakteristika des Sektors beachtet werden und Musikhochschulen nicht mit jenen Kriterien gemessen werden, die zum Beispiel für wissenschaftliche Universitäten gelten. Die angewendete Methodologie ist jedoch ein und diesselbe, und so zeigt sich, dass der Sektor der allgemeinen Entwicklung nicht entgegenstrebt, sondern sich diese zunutzen macht. Sehr viel beigetragen zur sinnvollen Umsetzung der 2. Aktionslinie des Bologna Prozesses hat auch das „Tuning“ Projekt14. Die Initiatoren dieses europäischen Hochschulprojekts haben sich zur Aufgabe gemacht, die praktische Umsetzung der Bologna Ziele nicht allein den Ministerien zu überlassen. Die Universitäten selbst sind die Experten auf diesem Gebiet und haben daher eine Methodologie entwickelt, um Studien im Sinne der 2. Aktionslinie transparenter, vergleichbarer und leichter darstellbar zu machen. Das entwickelte Handwerkszeug kann, wenn bewusst verwendet, Universitäten ein mächtiges Mittel zur Studiengestaltung in die Hand geben. Die AEC hat für den Bereich der Musikhochschulen die Tuning Methodologie angewendet und spielt damit, obwohl der Sektor Musik im Verhältnis klein ist, eine Vorreiterrolle in der Universitätslandschaft. 11 Association Européenne des Conservatoires, Académies de Musique et Musikhochschulen (AEC) http://www.aecinfo.org (23. August 2007). 12 Beide Dokumente sind auf http://www.polifonia-tn.org abrufbar. Übersetzungen der aktuellen Texte ins Deutsche werden im Herbst 2007 vorliegen. 13 Im August 2007 endet eine Projektantragsphase für von der EU geförderte Projekte, die sich mit der Errichtung eines sektoralen Qualifikationsrahmens beschäftigen. Es sind also in näherer Zukunft mehrere solcher Qualifikationsrahmen zu erwarten. 14 Siehe auch http://www.tuning.unideusto.org/tuningeu/ (23. August 2007) 11
3: Einrichtung eines Kreditpunktesystems Ein Kreditpunktesystem, das die durchschnittliche Arbeitsleistung eines durchschnittlich begabten Studierenden angibt, die er aufwenden muss, um das Studium, ein Fach oder eine Lehrveranstaltung positiv absolvieren zu können, soll auch dabei helfen, Studien transparenter und vergleichbarer zu machen. Die europäischen Minister haben 2003 in Berlin das European Credit Transfer and Accumulation System15 (ECTS) als Modell für ein Kreditpunktesystem angenommen. ECTS als System geht allerdings über reine Punkte für den Arbeitsaufwand hinaus und stellt auch einige standardisierte Formulare für Studierenden- und Lehrendenmobilität zur Verfügung. Österreich hat, da unser bisheriges Studienrecht kein Kreditpunktesystem kannte, sondern von Semesterwochenstunden als reine Kontaktzeit von Studierenden mit Lehrenden ausging, gleich ECTS als Kreditpunktesystem eingeführt. Das UG erwähnt ECTS in § 51 Abs. 2 Z 26, wobei das Arbeitspensum auch in Stunden festgelegt wird. Ein Studienjahr umfasst danach 60 ECTS Anrechnungspunkte und entspricht 1.500 Echtstunden. Dabei ist besonders zu betonen, dass es sich um den Arbeitsaufwand des Studierenden handelt, nicht nur um die Stunden, die er mit einem Lehrer verbringt. Dies ist die entscheidende Änderung im gedanklichen System. Man fragt nach der Zeit, die der Studierende braucht, um am Ende einer Lerneinheit, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Kreditpunkte sagen dabei nichts über die tatsächliche Leistung des individuellen Studierenden aus, sondern stellen ein angenommenes Idealmaß dar, das helfen kann, in der Gesamtheit den Aufwand für eine Lerneinheit, ein Fach oder ein Studium im Verhältnis zu anderen Lerneinheiten, Fächern oder Studien festzulegen. ECTS Anrechnungspunkte können dabei als Richtlinie in der strategischen Studienplanung von Studierenden, Curriculakommissionen und Lehrenden dienen. Sieht man diesen positiven Aspekt, so kann man sicher auch im Musikstudienbereich damit leben, dass das Studienjahr für Studierende in vielen der angebotenen Studienrichtungen einen 8 Stunden Tag, oft 7 Tage in der Woche und beinahe 52 Wochen im Jahr bedeutet, was sich daher schwer auf mathematische 1.500 Jahresstunden reduzieren lässt.16 4: Förderung von Mobilität Diese Aktionslinie ist eines der Grundmotive für den Bologna Prozess. Alle anderen Maßnahmen flankieren sozusagen die Mobilität. Doch ist hier speziell zu erwähnen, dass 15 Ursprünglich hieß das System nur European Credit Transfer System. Die Akkumulierung kam erst später dazu, um zu verdeutlichen, dass der Erwerb von Kreditpunkte an verschiedenen Institutionen ein Ansammeln von Studienleistungen darstellt, die letztlich zu einem akademischen Abschluss führen. 16 Mehr zu Kreditpunkten an Musikhochschulen und deren Verwendung in der Studienplangestaltung findet sich im „Handbuch für die Einführung und Anwendung von Kreditpunkten in der Höheren Musikausbildung“ von Evert Bisschop-Boele und im „Handbuch zur Lehrplangestaltung und – entwicklung in der Höheren Musikausbildung“ von Jeremy Cox. Beide Handbücher sind auf der Bologna Seite der AEC ab Herbst 2007 unter http://www.bologna-and-music.org/ abrufbar. 12
Mobilität nicht nur nach struktureller Erleichterung verlangt, sondern auch nach finanziellen Mitteln. Daher sind die im Rahmen dieses Punktes zur Verfügung gestellten Mitteln für ehemals Sokrates ERASMUS Studienaufenthalte, die ab 1. Oktober 2007 vom Programm für Lebenslanges Lernen gefördert werden, so wichtig. Das österreichische UG trägt mit den Regelungen zur Anerkennung von Auslandsstudienaufenthalten (§ 78 Abs. 5 UG), zur befristeten Zulassung von Austauschstudierenden im Rahmen von Mobilitätsprogrammen (§ 63 Abs. 5 Z 1 UG) und zum Erlass des Studienbeitrags für Studierende im Zusammenhang mit Auslandsaufenthalten, europäischen Mobilitätsprogrammen und Partnerschaftsabkommen (§ 92 Abs. 1 UG) dieser Aktionslinie ausreichend Rechnung. 5: Förderung europäischer Kooperation in der Qualitätssicherung Qualitätssicherung ist ein wesentlicher Punkt im Bolognaprozess, der von Beginn an in den ministeriellen Erklärungen eine bedeutende Rolle spielte. Studien sind nämlich nur dann auch inhaltlich verlässlich vergleichbar, wenn man die Qualität der Bildung mit einbezieht. Der europäische Hochschulraum wird dadurch auch attraktiver, da klar wird, dass Qualität geboten wird, die einer regelmäßigen Überprüfung unterliegt. Qualitätssicherung wird häufig von den Institutionen, die ihr unterliegen, gefürchtet, da sie oft als rein auf statistischem Material basierendes Ranking gesehen wird. Echte Qualitätssicherung hat damit allerdings wenig zu tun. Die Minister haben in Berlin 2003 klargestellt, dass die Verantwortung für die Qualitätssicherung bei den Institutionen für höhere Bildung selbst liegt. Allerdings muss sich dies in einem Rahmen bewegen, der teilweise erst entwickelt wird. Das Thema ist recht komplex, vor allem auch, weil sich diverse Kräfte daran messen. Qualitätssicherung und Akkreditierung sind ein prestigeträchtiges Geschäft, in dem auch Geld steckt. Vor allem aber ist die Kontrolle, die man über die höchsten Bildungseinrichtungen der europäischen Länder ausüben kann, ein interessantes Thema. Und gerade deswegen ist es auch so wichtig, dass die Universitäten selbst tätig werden und sich in die Entwicklung aktiv einbringen. Grundsätzlich muss man zwischen interner Qualitätssicherung, externer Qualitätssicherung und Akkreditierung unterscheiden. Interne Qualitätssicherung liegt allein in der Hand der Institutionen. Diese entwickeln Systeme zur internen Überprüfung von Prozessen und Verfahrensweisen, Strukturen, Studienangebot und anderem. Externe Qualitätssicherung wird von Außenstehenden betrieben, zum Beispiel von externen Gutachtern oder Qualitätssicherungsagenturen. Akkreditierung ist davon nicht im Verfahren aber in der Bedeutung des Ergebnisses zu unterscheiden. Akkreditierung bedeutet, dass eine 13
anerkannte Stelle eine Einrichtung oder auch nur einen Studiengang überprüft und eine gewisse Qualität bescheinigt. In manchen Ländern und an manchen Institutionen sind Akkreditierungen gesetzlich vorgeschrieben, damit Hochschulstudien angeboten werden können. Ein Beispiel in Österreich sind die Fachhochschulen und die Privatuniversitäten. Basis für alle Arten der Qualitätssicherung sind überprüfbare Daten und Beschreibungen von Abläufen. Diese müssen von den Universitäten erstellt werden. Damit die Institutionen selbst den größten Nutzen aus diesen Verfahren ziehen, ist es sinnvoll, gut funktionierende interne Qualitätssicherungssysteme aufzubauen und alle Universitätsangehörigen darin einzubeziehen. Dabei geht es nicht um die Überprüfung von Leistungen von außen, sondern in den meisten Fällen um eine Selbstbewertung, die mit Hilfe von Moderatoren auf einen bestimmten Zeitraum angelegt zur Verbesserung von Qualität führen soll. Details dazu kann man zum Beispiel im “Handbuch zur internen Qualitätssicherung in der Höheren Musikausbildung” von Evert Bisschop-Boele17 nachlesen. Auf europäischer Ebene wurde inzwischen ein übergreifender Qualifikationsrahmen für den europäischen Hochschulraum entwickelt, auf den sich nationale Qualifikationsrahmen beziehen können und die von ENQA18 vorgeschlagenen Standards und Leitlinien für die Qualitätssicherung im Europäischen Hochschulraum von den Ministern angenommen. Auch das oben erwähnte Tuning Projekt hat sich der Entwicklung von Qualitätsrahmen anhand von Kompetenzen angenommen und so zur Schaffung von europäischen Standards beigetragen. Das bedeutet, dass auf europäischer Ebene Rahmenbedingungen geschaffen werden, die national und in den Institutionen individuell umgesetzt werden müssen. In Österreich ist in § 14 UG festgelegt, dass Universitäten ein Qualitätssicherungs- managementsystem aufzubauen haben. Die Details dafür sind in der Satzung zu regeln, haben allerdings unter Berücksichtigung fachbezogener internationaler Standards zu erfolgen. Evaluierungen haben regelmäßig zu erfolgen, auch Evaluierungen der Lehre. Externe Evaluierung kann angeordnet werden, vom Rektorat, vom Universitätsrat oder vom Bundesminister. Die in der internen Evaluierung erhobenen Daten dienen auch als Grundlage für die Leistungsvereinbarungen mit dem Bund, was an und für sich Sinn macht. Doch ist Evaluierung allein noch kein Qualitätsmanagement. Dazu gehört mehr, nämlich auch die Festlegung von Zielen, die erreicht werden sollen und dann die Maßnahmen, wenn diese Ziele nicht erreicht werden und dann wieder die Überprüfung, ob die Ziele erreicht wurden. Dabei ist eine Analyse von Prozessen und Abläufen erforderlich, die klar macht, wo Verbesserungsmaßnahmen greifen sollen. Insgesamt ist Qualitätssicherung ein 17 Das Handbuch wird ab September 2007 kostenlos unter folgender Adresse abrufbar sein http://www.bologna-and-music.org/interneqa. 18 ENQA steht für “European Association for Quality Assurance in Higher Education”. 14
strategisches Instrument, das jedem in der Institution zugute kommen kann. Dies aber nur, wenn es allen dementsprechend zugänglich und in der Folge auch nutzbar gemacht wird. Jedenfalls ist dies eine Herausforderung für jede Institution19. Zur Qualitätssicherung auf europäischer Ebene ist noch zu sagen, dass die Minister in London die E4 Gruppe (EUA20, ENQA; EURASHE21 und ESIB22) beauftragt haben, ein europäisches Register für Qualitätssicherungsagenturen in der Höheren Bildung nach dem in London vorgestellten Konzept weiterzuentwickeln. 6: Förderung der europäischen Dimension in der höheren Bildung Die europäische Dimension wird in der höheren Bildung auf verschiedene Weise gefördert. Austauschprogramme sind zum Beispiel zu nennen. Vor allem aber fallen hier länderübergreifende Kooperationen von Universitäten hinein, wie die „Joint Master“ Programme. In Österreich hat der Gesetzgeber für Doppeldiplom Programme im UG Regelungen getroffen, die es Universitäten ermöglichen, Studien mit anderen in- oder ausländischen postsekundären Bildungseinrichtungen einzurichten. Für außereuropäische Studienmobilität sieht das Erasmus Mundus Programm der europäischen Kommission Förderungen vor. Außereuropäische Studierende und Lehrende können auf diesem Weg verschiedene europäische Universitäten kennenlernen. 7: Lebenslanges Lernen Lebenslanges Lernen ist eines der erst später formulierten Ziele des Bologna Prozesses. 2001 wurde dieses Ziel in Prag beschlossen und meint, dass Lernen über Regelstudien hinaus ein Leben lang andauern soll. Im europäischen Qualifikationsrahmen23 für lebenslanges Lernen wird darauf auch Rücksicht genommen. Alle eventuell berufsrelevanten Qualifikationen sollen anerkennbar (und klassifizierbar) werden, indem sie in ein 8 - stufiges Kompetenzprofil, das sich auf Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen im weiteren Sinne bezieht, eingeordnet werden. EQF in Kurzform EQF (European Qualifikation Framework) ist ein europäischer Rahmen, der die Zuordnung von Bildungsabschlüssen zu europäischen Niveaustufen ermöglichen soll. Der Vorschlag für einen EQF sieht vor: acht Niveaustufen, die sowohl die berufliche wie auch die Hochschulbildung umfassen 19 Beispiele für externe Evaluierungsbesuche an Musikuniversitäten finden sich unter http://www.bologna-and-music.org/akkreditierung. 20 European University Association, siehe http://www.eua.be/ 21 Association of Institutions in Higher Education, siehe http://www.eurashe.eu/ 22 Mittlerweile European Student Union (ESU) genannt, siehe http://www.esib.org/ 23 Siehe auch http://ec.europa.eu/education/policies/2010/consultations_en.html (27. August 2007). 15
Orientierung an den Lernergebnissen Beschreibung der Lernergebnisse anhand der Begrifflichkeiten Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen Einbeziehung informell erworbener Kompetenzen Der EQF soll zu einer erhöhten Transparenz von Qualifikationen in Europa beitragen und die Durchlässigkeit zwischen und innerhalb der Bildungssysteme verbessern. Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) http://www.bibb.de/de/21696.htm (3. September 2007) Das neue Mobilitätsprogramm der EU, das Programm für Lebenslanges Lernen, nimmt ebenfalls darauf Bezug. In den einzelnen Institutionen wird von Seiten der Minister zu diesem Punkt allerdings noch Nachholbedarf gesehen, speziell was die Anerkennung von außeruniversitär erworbenen Kompetenzen betrifft. Das UG kennt in § 78 Abs. 3 und 4 UG zwar auch die Anerkennung von wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeiten als Prüfungen. Dies ist jedoch ein relativ eingeschränktes Mittel, wenn es um die Anerkennung von Kompetenzen geht. Andererseits ist es auch Aufgabe der Universitäten, die Kompetenzen, die durch ein Studium erworben werden, deutlicher zu machen. Die Formulierung von Lernergebnissen wäre dazu ein adäquates Mittel. 8: Beteiligung von Hochschuleinrichtungen und Studierenden Die Beteiligung von jenen, die vom Bologna Prozess eigentlich betroffen sind, nämlich Hochschuleinrichtungen und Studierende, hat auch erst 2001 in Prag Eingang in den Prozess gefunden. Mittlerweile ist diese Beteiligung durch das Einbeziehen der EUA, der EURASHE und der ESU, ehemals ESIB, gewährleistet. Vertreter aller dreier Verbände sind in der BFUG vertreten und bereiten so die jeweils nächste Ministerkonferenz mit Materialien und Stellungnahmen vor. Studierenden wird auch die Notwendigkeit von angemessenen Studien- und Lebensbedingungen zuerkannt; vor allem aber der gleiche Zugang zu Studien ist den Ministern ein Anliegen. 9: Förderung der Attraktivität des europäischen Hochschulraums Ähnlich wie die Förderung der europäischen Dimension in der Hochschulbildung ist auch die Förderung der Attraktivität des europäischen Hochschulraums ein Bologna Ziel, hinter dem steht, dass Europa im Vergleich mit dem Rest der Welt ein attraktives und konkurrenzfähiges System der höheren Bildung anbieten soll. Mittlerweile haben sich verschiedene andere Regionen der Welt mit dem Bologna Prozess auseinandergesetzt, zum Beispiel Australien, Südamerika und China. Dies ist unter anderem auch durch das bereits erwähnte Erasmus Mundus Programm ermöglicht worden. 16
10: Doktoratsstudien und Etablierung eines europäischen Hochschul- und Forschungsraumes Doktoratsstudien stehen an der Grenze zwischen Studium und Forscherberuf. Die Attraktivität und Konkurrenzfähigkeit des europäischen Hochschulraums ist eng mit dem des Forschungsraums verknüpft. Da dieser Bereich als ureigenste Domäne der Universitäten gesehen wird, hat er auch für diese besondere Bedeutung. Speziell für Musikuniversitäten ist der Punkt Forschung ein brisantes Thema. Einerseits ist die Forschung an manchen dieser Institutionen als aus der Musikwissenschaft gespeiste wissenschaftliche Forschung bereits etabliert, andererseits wird manchen Institutionen der höheren Bildung in der Musik in Europa noch immer das Recht abgesprochen, überhaupt einen 3. Studienzyklus anzubieten. Auch das Thema der künstlerischen, auf Praxis basierenden Forschung ist innerhalb des Sektors noch heiß umstritten. Die Entwicklungen hier sind jung, wenn es auch bereits Institutionen mit längerer Erfahrung gibt (z.B. die Sibelius Akademie in Helsinki). Die AEC hat mit Ihrer „Anleitung zu Doktoratsstudien in der Musik“24 einen ersten Schritt in die Richtung einer neuen diesbezüglichen Philosophie gemacht. In Österreich sind Musikuniversitäten schon länger in der Lage, Doktoratsstudien anzubieten und den anderen Universitäten seit In-Kraft-Treten des UG darin völlig gleichgestellt. Dennoch steht auch hier die Debatte um das Doktorat bevor, wenn zum Beispiel die Musikuniversität in Graz an der Entwicklung eines praxisorientierten musikalischen Doktorats arbeitet. 24 Ab Herbst 2007 verfügbar auf http://www.polifonia-tn.org. 17
Abschließende Bemerkungen Der Bologna Prozess soll 2010 abgeschlossen sein. Die Entwicklungen, die er in Gang gesetzt hat, werden jedoch noch einige Jahre länger brauchen, um sich völlig durchzusetzen. Daher haben auch die Minister in London die BFUG dazu aufgefordert bis zum nächsten Treffen 2009, ihre Vorschläge und Überlegungen zur Zeit nach 2010 anzustellen. Was die Zukunft bringen wird, wird sich weisen. Jedenfalls wird es in Österreich bestimmt noch einige Zeit dauern, bis sich Bachelor und Master als akademische Grade auch als Wirtschaftsfaktoren durchsetzen. Für den Bereich der Musik ist seit jeher die akademische Qualifikation nur bedingt wichtig, allerdings gewinnen breite Qualifikationen und lebenslanges Lernen immer mehr an Bedeutung, gerade wenn flexible Portfolio-Karrieren und Unternehmertum für Musiker zukunftsweisende Berufsbilder sind. Im Sinne des Bologna Prozesses wäre es wichtig, dass sich die österreichischen Universitäten mehr zu diesen Entwicklungen bekennen, sie in die Hand nehmen und gemeinsam die Herausforderung annehmen, eine zukunftsträchtige universitäre Landschaft zu schaffen. Das Gesetz gibt nur den Rahmen vor, die Universitäten müssen selbst gestalten. Und wer, wenn nicht diese Institutionen haben wohl die fähigsten Köpfe dazu unter ihrem Dach vereint? 18
Anhang Staaten, die dem Bologna Prozess beigetreten sind - mit dem Jahr der Unterzeichnung Albanien 2003 Andorra 2003 Armenien 2005 Azerbaijan 2005 Belgien (fl) 1999 Belgien (fr) 1999 Bosnien und Herzegowina 2003 Bulgarien 1999 Dänemark 1999 Deutschland 1999 Estland 1999 Finnland 1999 Frankreich 1999 Georgien 2005 Griechenland 1999 Irland 1999 Island 1999 Italien 1999 Kroatien 2001 Lettland 1999 Liechtenstein 1999 Litauen 1999 Luxemburg 1999 Malta 1999 Mazedonien (FYROM) 2003 Moldau/Moldawien 2005 Montenegro 2005 (2006 Auflösung der Staatenunion mit Serbien) Niederlande 1999 Norwegen 1999 Österreich 1999 Polen 1999 Portugal 1999 Rumänien 1999 Russland 2003 Schweden 1999 Schweiz 1999 Serbien (und Montenegro) 2003 (2006 Auflösung der Staatenunion mit Montenegro) Slowakei 1999 Slowenien 1999 Spanien 1999 Tschechien 1999 Türkei 2001 Ukraine 2005 Ungarn 1999 Vatikan 2003 Vereinigtes Königreich 1999 Zypern 2001 Quelle: Deutsche Hochschulrektorenkonferenz http://www.hrk-bologna.de/, Stand August 2007 19
Sie können auch lesen