Der Entwurf des Digital Markets Act: Ökonomische Gedanken zu Regelungszielen und Verhaltensvorschriften - Prof. Dr. Jan Krämer Universität Passau ...

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Der Entwurf des Digital Markets Act:
                 Ökonomische Gedanken zu Regelungszielen und Verhaltensvorschriften

                                  Prof. Dr. Jan Krämer
                                  Universität Passau und CERRE

Chair of Internet and Telecommunications Business, Prof. Dr. Jan Krämer
Regelungsziele des DMA: Bestreitbarkeit (“Contestability“) (1/2)

      Ø Bestreitbarkeit wird im DMA nicht definiert – sollte aber
         § Abgrenzung von digitalen Märkten schwierig
         § „Contestability is the ability for non-dominant firms to overcome barriers to entry and to expansion to the
           benefit of users“ (Crémer et al. 2021)

      Ø Grundsätzliche Frage „welcher Markt“ soll bestreitbar sein?
         § Ablösung eines Incumbent in einem etablierten Markt durch nicht-dominante Dritte („the next search engine“)
         § Möglichkeit neue Märkte zu erobern durch nicht-dominante Dritte („the next big thing“)

     Crémer et al. (2021). Digital Regulation Project: Fairness and Contestability in the Digital Markets Act. Yale Tobin Center for Economic Policy Discussion Paper, No. 3

Chair of Internet and Telecommunications Business, Prof. Dr. Jan Krämer
Regelungsziele des DMA: Bestreitbarkeit (“Contestability“) (1/2)

      Ø Fokus sollte auf Bestreitbarkeit neuer Märkte liegen
         §    Market tipping in der Regel unvermeidlich; bereits kleine Vorteile genügen
         §    Market tipping nicht unbedingt schlecht, das es Netzwerkeffekte maximiert
         §    Regulierung kann Incumbency-Vorteile nicht hinreichend nivellieren (z.B. via Datenzugang)
         §    Bestreitbarkeit und Wettbewerbsdruck kann realistisch nur von etablierten Firmen in benachbarten Märkten
              kommen (z.B. „product search“)

      Ø Fazit: Fokus der Regulierung auf “Niche Entry and Growth“ (Krämer & Schnurr, 2021)
         § Im dynamischen Umfeld von digitalen Märkten sind kurzfristige Monopolisierungen bzw. Monopolisierungen von
           einzelnen Märkten hinnehmbar und unvermeidlich (à Fokus hier auf Fairness).
         § Konzentrationstendenzen über viele (neue) Märkte hinweg eher besorgniserregend („Attention Economy“).
         § Ziel: Wettbewerb (um Aufmerksamkeit, Lenkungswirkung, Transaktionsabwicklung) zwischen zahlreichen,
           unabhängigen Monopolisten

     Krämer und Schnurr (2021). Big Data and Digital Markets Contestability: Theory of Harm and Data Access Remedies. Journal of Law and Economics, im Erscheinen.

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Regelungsziele des DMA: Fairness (1/2)

      Ø Zentrale Frage: Welche Fairness-Regeln sollen auf (monopolisierten) Plattform-Märkten gelten?
         § Plattform als „neutraler“ Intermediär zwischen Nutzer*innen und Anbieter*innen
         § Verzerrungen ergeben sich insbesondere durch
                  - Vertikale Integration
                  - Konglomerisierung / Marktmachtübertragung

      Ø Fairness ebenfalls nicht im DMA nicht definiert – sollte aber
         §    Vor allem P2B-Fairness notwendig, da Anbieter*innen i.d.R. die inelastische Marktseite bilden
         §    Verteilungsgerechtigkeit: Faire Beteiligung am Gesamtbeitrag zur ökonomischen Wertschöpfung
         §    Diskriminierungsfreiheit für Anbieter*innen auf der Plattform
         §    Nutzungsgerechtigkeit (P2C-Fairness)?
                  -   right to modify
                  -   right to repair
                  -   right to transparency
                  -   u.a.m.

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Regelungsziele des DMA: Fairness (2/2)

      Ø Verteilungsgerechtigkeit
         § Zugang zu Daten, die durch eigenen Wertbeitrag generiert wurden
         § Angemessene Beteiligung an Gewinnen/Umsätzen
         § Schwieriger Trade-Off: Angemessene Wahrung der Anreize als neutraler Intermediär zu fungieren
           (Showrooming; Disintermediation; Qualitäts- und Zugangskontrolle)

      Ø Diskriminierungsfreiheit auf der Plattform (“Wettbewerbsgerechtigkeit“ auf der Plattform)
         § Ziel: "Niche-entry-and-growth“, auch auf der Plattform möglich (z.B. „Plattform in Plattform“)
         § Plattform sollte keine Wettbewerbsvorteile für andere/nachgelagerte Märkte aus ihrer Rolle als Intermediär ziehen

Chair of Internet and Telecommunications Business, Prof. Dr. Jan Krämer
Wer oder was sollte reguliert werden? (1/2)

      Ø Was sind relevante Dienste („important gateway for business users to reach end users“)? Bisher ad hoc
        definiert
         § Nur B2C-Plattformen mit bestimmter Reichweite (à keine B2B Plattformen: Cloud Computing?; keine C2C
           Plattformen: Kommunikationsdienste?)
         § Aufmerksamkeits-Anteil bei Konsument*innen? (à Soziale Netzwerke, Video Sharing)
         § Lenkungswirkung/Empfehlungsmacht für Konsument*innen? (à Suchmaschinen, Marktplätze, Betriebssysteme)
         § Beteiligungs-Anteil an „digitalen Transaktionen“ (à Betriebssysteme, Identifikationsdienste, Bezahl-Dienste,
           Analytics/Tracking-Dienste, Werbedienste)

      Ø Einseitige oder mehrseitige Dienste?
         § P2B Fairness hauptsächlich ein Problem in mehrseitigen Diensten (z.B. Intermediationsdienste)
           und nicht in einseitigen Diensten (Kommunikationsdienste, Cloud-Computing Dienste)
         § Potenzial zur Marktmachtübertragung prima facie unabhängig von Mehrseitigkeit

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Wer oder was sollte reguliert werden? (2/2)

      Ø Ökosystemeigenschaft (mehrere dominante Dienste?)
         §    Marktmachtübertragung in neue Märkte auch von einem dominanten Dienst aus möglich
         §    Mehrere dominante Dienste verstärken jedoch Potenzial zur Marktmachtübertragung in neue Märkte
         §    Mehrere dominante Dienste aber bereits Indiz für erfolgte Marktmachtübertragung
         §    Aber gerade auch nicht-dominante Dienste relevant für Beurteilung der Bestreitbarkeit von neuen Märkten

      Ø Unterscheidung in Haupt- und Nebendienste
         § Werbedienste, Cloud-Computing-Dienste, Kommunikationsdienste als „Nebendienste“ (De Streel et al. 2021)
         § Aber: Bisherige „Nebendienste“ / „ancillary services“ nach obiger Definition ggf. Hauptdienste („ancillary
           services“)
         § Problematisch nur in Verbindung mit „Hauptdienst“ (z.B. durch vertikale Integration u. Selbstbevorzugung)

      Ø Fokussierung auf die „Spitze des Eisbergs“: a) mehrere, b) dominante und relevante, c) mehrseitige
        Hauptdienste
      Ø Problematisch ist jedoch die ad-hoc Definition von Hauptdiensten
         De Streel, Feasey, Krämer & Monti (2021). Making the Digital Marketcs Act More Resilient and Effective. CERRE Policy Paper.

Chair of Internet and Telecommunications Business, Prof. Dr. Jan Krämer
Verhaltensvorschriften überprüfen vor dem Hintergrund von „Niche-Entry-and-
    Growth“-Bestreitbarkeit und P2B-Fairness!

        DMA Artikel                                                                       Bestreitbarkeit                                        P2B Fairness
                                                                                     (Niche-Entry-and-Growth)
        5a) Data siloing by default                                                         Fragwürdig*                                   - (nur P2C / Datenschutz)

        5b) No wide MFN                                                                          JA                                     JA (Verteilungsgerechtigkeit)

        5c) No anti-steering                                                                     JA                                     JA (Verteilungsgerechtigkeit)

        5d) Raising issues with public authority                                                  -                                                    JA

        5e) Tying with identification service of the                                              -                                                  Unklar
        gatekeeper
        5f) Tying between CPS                                             Fragwürdig. Kopplung mit Nicht-CPS relevanter als                             -
                                                                                      Kopplung zwischen CPS.
        5g) Advertising transparency                                                              -                           Unklar, da kein Hauptdienst und Adressat nicht
                                                                                                                                       Business-User der Plattform

        * Siehe: Krämer und Schnurr (2021). Big Data and Digital Markets Contestability: Theory of Harm and Data Access Remedies. Journal of Law and Economics, im Erscheinen.

Chair of Internet and Telecommunications Business, Prof. Dr. Jan Krämer
Verhaltensvorschriften überprüfen vor dem Hintergrund von „Niche-Entry-and-
    Growth“-Bestreitbarkeit und P2B-Fairness!

        DMA Artikel                                                                       Bestreitbarkeit                                           P2B Fairness
                                                                                     (Niche-Entry-and-Growth)
        6.1a) No competitive use of data of business users                                         JA                                     JA (Verteilungsgerechtigkeit)

        6.1b) De-installation of pre-installed software                                           Ggf.                                     JA (Diskriminierungsfreiheit)

        6.1.c) Alternative app stores and side-loading                                             JA                                      JA (Verteilungsgerechtigkeit,
                                                                                                                                             Diskriminierungsfreiheit)
        6.1.d) No self-preferencing in rankings                                                    JA                                      JA (Diskriminierungsfreiheit)

        6.1.e) Prevention of multi-homing                                    JA (aber beschränkt für Betriebssyteme)                       JA (Diskriminierungsfreiheit)

        6.1f) Interoperability of ancillary services                       JA (aber beschränkt auf „ancillary services“)                   JA (Diskriminierungsfreiheit)

        6.1.g) Performance transparency for ads                                                     -                              Unklar, da kein Hauptdienst und Adressat
                                                                                                                                      nicht Business-User der Plattform
        6.1.h) Real-time portability for end-users                         JA* (v.a. in Kombination mit „bulk sharing“)                              - (nur P2C)

        6.1.i) Real-time portability for business users                                            JA                                     JA (Verteiliungsgerechtigkeit)

        6.1.j) Bulk data sharing                                            NEIN* (da beschränkt auf Suchmaschinen)                                       -

        6.1.k) Non-discriminatory access to App Stores                             JA (aber beschränkt für Apps)                           JA (Diskriminierungsfreiheit)

        * Siehe: Krämer und Schnurr (2021). Big Data and Digital Markets Contestability: Theory of Harm and Data Access Remedies. Journal of Law and Economics, im Erscheinen.

Chair of Internet and Telecommunications Business, Prof. Dr. Jan Krämer
Abschließende Gedanken

      Ø Was genau ist das Regelungsziel des DMA?
         §    Ziele konkreter artikulieren – auch um Zukunftssicherheit zu gewährleisten?
         §    „Innovation“ als Ziel aufnehmen?
         §    Liste der relevanten Dienste an Zielen orientieren und offener halten.
         §    Vorschriften mit Zielen abgleichen:
              Sind die Verhaltensvorschriften dann gegenseitig ausschließend und zusammengenommen abschließend?
              (z.B. Kopplung der Fusionskontrolle an Gatekeeperstatus; Choice Screens/Defaults)

      Ø Präzision des Regelungsziels hilft auch Regelungskonflikte mit anderen Vorschriften zu vermeiden
         § „Bestreitbarkeit“ auch zentrales Konzept des Wettbewerbsrechts
         § „P2B Fairness“ zentrales Konzept in der P2B Regulation
         § „Transparency“ zentrales Konzept in DSA

      Ø Wie wirken die Vorschriften in Kombination? Ggf. Über- oder Unterregulierung
         § Kontextabhängig, z.B. keine Kopplung zwischen Betriebssystem und App Store?
         § Einschränkung mancher Vorschriften auf bestimmte ex-ante CPS sinnvoll?

      Ø Einteilung der Regelungen in Artikel 5 und 6 nicht schlüssig. Aber Definition einer Teilmenge der Vorschriften für
        “Emerging Gatekeepers“ durchaus sinnvoll (verhindert aber i.d.R. kein „tipping“)
         § Z.B. „anti-steering“, „self-preferencing“, „no discrimination“, „competitive use of data“,„data portability“, „raising complaints“

Chair of Internet and Telecommunications Business, Prof. Dr. Jan Krämer
Vielen Dank!

                                                                                    Diskussion…

             Jan Krämer

             Universität Passau
             Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik
             mit Schwerpunkt Internet- und Telekommunikationswirtschaft

             Tel: +49 (0) 851 509 2580
             Email: jan.kraemer@uni-passau.de
             Web: http://www.kraemer.biz

Chair of Internet and Telecommunications Business, Prof. Dr. Jan Krämer
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