Der Fichtenkreuzschnabel Loxia curvirostra als regulärer Kurzstreckenzieher und Invasionsvogel mit Wegzug im Sommer, Heimzug im Herbst und Brut im ...
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Vogelwelt 2019, 139: 39-49 VOGELWELT 138: 1 – 11 (2018)1 Der Fichtenkreuzschnabel Loxia curvirostra als regulärer Kurzstreckenzieher und Invasionsvogel mit Wegzug im Sommer, Heimzug im Herbst und Brut im Winter: Zugbeobachtungen aus fünf Jahrzehnten am Randecker Maar* Wulf Gatter & Walter Gatter Gatter, W. & W. Gatter 2018: The Common Crossbill Loxia curvirostra, a conventional short distance migrant with irruptions, autumn migration in summer, spring migration in autumn and breeding in winter. Migration observations over 5 decades at the Randecker Maar field station. Vogelwelt 138: …-…. The Common Crossbill is the only songbird credited by some with a migration period before, and a dispersal phase after its breeding period instead of the ‘normal’ two periods of movement corresponding to autumn and spring migration. A further hypothesis even claims a biannual cycle for the species. We contest these ideas and confirm the one-year circannual scheme. Our study material from the Randecker Maar field station, Schwäbische Alb, obtained away from conifer areas and without seasonal restrictions, covers five decades and is the only study in which L. curvirostra influxes or invasions, as well as the subsequent directed movements of their participants, were able to be monitored over entire years. In the influxes from the NE after June, eclipse plumages dominate at first and song is exceptional. The 13,944 observations of birds heading SW ‒ sometimes where the topographic bottleneck of a pass concentrates the passage ‒ are in contrast to the 2,602 observations in late summer and autumn of birds heading NE, which come in a broad front over the high plateau. Both migratory movements can overlap in time but the NE migration occurs later on average. In contrast to ‘normal’ species that follow our calendar cycle after autumn migration and winter, the Common Crossbill migration in our area depends on the availability of food from spruce trees, followed by pine. Both these conifers determine the crossbill’s annual cycle. In N-heading birds in autumn, increased song activity and the peak of gonadal development towards the end of the year are followed by breeding in winter, dispersal, and a change in tree species as food source in spring. Following invasions many crossbills remain in ‘quiet zones’ in autumn (corresponding to winter quarters) along extensive areas of their immigration route. Free of the preceding emi- gration pressure they return in varying proportions ‒ presumably depending on their sexual status ‒ in a hitherto ‘unrecognised return migration’, without necessarily reaching their areas of origin. This synchronicity of events makes the interpretation of observations and ring recoveries difficult. The autumnal NE-movement, corresponding to spring migration in other species, is followed by breeding in spruce woodland, and then by a sector-directed post-nuptial or exploratory dispersal to areas of pine stands, sometimes accompanied by breeding. Our studies show that the pattern of L. curvirostra migration is that of a normal partial migrant, though with a tendency to emigrations in which the annual cycle and gonadal devel- opment are seasonally time-shifted but nevertheless correspond to those of other Palaearctic passerines. This interplay of fat deposition, gonadal development, migration direction, and song activity has until now received too little attention. Key words: Common Crossbill Loxia curvirostra, migration, short-distance migrant, irrup- tions, gonadal development, annual song activity pattern, fructification of conifers 1. Einleitung Die Darstellung von Glutz & Bauer (1997) zeigt die meist automatisch ausschließlich der Einwanderung Vielfalt des lokalen jahreszeitlichen Auftretens des zugeordnet. Hinzu kommt, dass allgemein Zugbeob- Fichtenkreuzschnabels, aber auch die Schwierigkeit achtungen meist nur über einige Monate erfolgen, so bei der Deutung des Zuggeschehens dieser Art. Zur dass Wanderungen im Spätherbst und danach nicht Nahrungssuche umherstreifende Trupps, vor allem abgebildet werden. Beispiele hierfür die bekannten in Nadelwaldgebieten, werden bis zum Jahresende skandinavischen und baltischen Stationen, an denen * Zum 50jährigen Bestehen der Forschungsstation Randecker Maar e. V. Mit Unterstützung von Carl Zeiss Sport Optics, Wetzlar.
2 W. GATTER & W. GATTER: Die unverstandenen Wanderflüge des Fichtenkreuzschnabels zudem nur eine Zugrichtung verdichtet wird (Edel- Das Randecker Maar (RM) liegt an der Nordkante stam 1972, Ulfstrand et al. 1974, Busse & Halas- des plateauartigen Mittelgebirges der Schwäbischen Alb. tra 1981). Die hoch im Gebirge liegende schweizeri- Offenland und Kuppen mit ausgedehnten Buchenwäldern sche Station am Col de Bretolet wird in vielen Jahren wechseln sich auf dem Plateau ab. Entlang des gesamten, bis 500 m hohen Nordabfalls existiert ein mehrere hundert schneebedingt früh geräumt. Früher eingesetzte gekä- Kilometer langes, durch unzählige Schluchten und Täler figte Lockvögel (Winkler 1973) beeinflussen die Zie- gegliedertes Band aus Laubwäldern, das weitgehend in her und schmälern die Einschätzung von Zugrichtung Nordost- bzw. Südwestrichtung verläuft. Da auch in der und Herkunft der Fänglinge. Problematisch ist auch weiteren Umgebung der Beobachtungsstation kaum Nadel- die Analyse der (wenigen) Ringfunde und diese mit wälder vorhanden sind, werden bei unseren Beobachtungen längeren Aufenthalten oder gar Brut in Verbindung zu ausschließlich ziehende Vögel erfasst. bringen. Realistisch betrachtet sagen die Fundpunkte Kreuzschnäbel, die an der Beobachtungsstation erschei- nichts über die Wanderrichtung und den Status des nen sind auf dem Zug. Sie werden in ihrer Richtung wenig jeweiligen Individuums zum Fundzeitpunkt aus. oder gar nicht vom Gelände beeinflusst. Das gilt sowohl Hinsichtlich der Gonadenentwicklung wäre der für die Vögel, die aus nordöstlicher Richtung anfliegen (und damit bereits sehr hoch über der Alb ziehen), als auch Fichtenkreuzschnabel (FKS) aus bisheriger Sicht für solche, die über das Plateau aus südlichen Richtungen eine Ausnahme unter den Singvögeln. Der Migrati- anfliegen. Kreuzschnäbel, die eher tiefer fliegend aus dem onszyklus (entsprechend einem Herbst- und einem nördlichen Vorland die Steilstufe der Alb erreichen, können Frühjahrszug vor der Brut) und die Gonadenaktivi- diese durch den Einschnitt des Randecker Maars überwin- tät wären nicht aufeinander abgestimmt (z. B. Glutz den; werden aber teilweise durch den Pass nach SSW bis SW & Bauer 1997, Newton 2010 und dessen früheren abgelenkt. All diese Fälle ermöglichen eine klare Deutung Arbeiten). als Langstreckenflug und somit als Zug, um Aktivitäten Die enorme Zahl von Veröffentlichungen zu Einflü- beider Wanderbewegungen zu erfassen. gen des Fichtenkreuzschnabels und sein Erscheinen in zahllosen Wäldern haben bisher nicht zu schlüssigen 2.2 Erfassung Deutungen geführt. Bestehende Zugtheorien (z. B. Die Richtung zahlreicher ziehender Kreuzschnäbel wurde Glutz & Bauer 1997, Newton 2010) zu Populationen mit dem Kompass oder Kompassferngläsern festgestellt. Bei verschiedener Ursprungsgebiete, insbesondere der auf deren Benutzung wird die Richtung bei deckungsgleichem Flügelab- und -aufschlag mit je nach Zugrichtung plus oder Kiefernsamen spezialisierten südlichen Populationen, minus 90° notiert. Soweit als möglich wurde der Anteil der erklären nicht stimmig das generelle Wanderverhalten Kleider (adulte Männchen, Weibchen und Jungvögel) festge- des Fichtenkreuzschnabels. halten, aber die Entfernung, die Lichtverhältnisse am frühen Die gängige Vorstellung geht davon aus, dass am Morgen und im Gegenlicht sind zu näherer Identifikation Ende des Invasionsweges eine Brut stattfindet und erst oft nicht ausreichend. Während des Zugs im Flug singende dann eine Rückwanderung erfolgt (Glutz & Bauer Vögel gaben hingegen wichtige Hinweise auf deren jahres- 1997, Newton 2010). Dies würde dem Fichtenkreuz- zyklischen Status. schnabel im Migrationssystem paläarktischer Singvö- Die Erfassbarkeit der in verschiedener Richtung fliegen- gel eine einzigartige Stellung zubilligen. Unsere früher den Kreuzschnäbel ist unterschiedlich. Während die aus und hier vorgestellten Befunde widersprechen dieser Norden kommenden Südzieher früh entdeckt werden kön- nen, bleiben die aus Süden kommenden dem meist nach Vorstellung (Gatter 1993, 2000, 2014). Wir zeigen, Norden blickenden Beobachter oft verborgen, bis er die Rufe dass der Jahreszyklus des Fichtenkreuzschnabels dem hört. Die zur Verfügung stehende Zeit, um Einzelheiten zu anderer Singvögel der nördlichen Paläarktis ähnlich ist, sich aber im jahreszeitlichen Ablauf unterscheidet. Tab. 1: Anzahl singender Fichtenkreuzschnäbel im Bereich des Randecker Maars nach Plan- und Zufallsbeobachtun- gen. Obere Zeile nach SW ziehende Vögel, untere Zeile nach 2. Material und Methode NE ziehende Fichtenkreuzschnäbel. Daten im Fettdruck entstammen den Planbeobachtungen der Station Rande- Das vorliegende Material stammt sowohl aus den Planbeob cker Maar. ‒ Number of singing Common Crossbills in the achtungen am Randecker Maar als auch von ganzjährig fast area of Randecker Maar, from both standardised and random täglichen Beobachtungsgängen in den Laubwäldern um das observations. Top row shows those heading SW, the bottom Randecker Maar aus fünf Jahrzehnten. Beide Datensätze row shows those heading NE. Data from August to Novem- werden getrennt behandelt. ber (bold) come from standardised observations made at the Randecker Maar research station, while data from July and 2.1 Beobachtungsgebiet from December to February are from almost daily random Ein stationäres Team von jährlich 15 bis über 20 Beob- observations of birds flying over the deciduous woodland close achtern erfasst die Zugbewegungen am Randecker Maar to Randecker Maar. ganztägig, beginnend jahrweise unterschiedlich im Juli oder August bis zum 6. November bei fast täglicher Anwesenheit Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb des Erstverfassers. Ab den 1990er Jahren wurden Vögel im RM nach SW 4 7 21 18 3 4 0 0 Juli und bis Mitte August lückiger und noch begleitend zu Insektenzählungen erfasst. RM nach NE 11 24 32 134 135 36 26 14
Vogelwelt 2019, 139: 39-49 VOGELWELT 138: 1 – 11 (2018)3 Färbung, Truppzusammensetzung etc. 3000 Anzahl nach Süd 1200 feststellen zu können ist dann nur kurz. Anzahl nach Nord Leichte Süd- bis Westwinde fördern 2500 1000 hohen Zug oft an der Sichtbarkeits- oder Hörgrenze. Viele der Fichtenkreuzschnä- 2000 800 bel kommen daher im Breitfrontzug sehr hoch über dem Plateau der Albhochfläche 1500 600 an und werden erst erfassbar, wenn sie ihre Flughöhe angesichts der Gebirgs- kante und dem viel tiefer liegenden 1000 400 nördlichen Vorland reduzieren. Topo- graphische Situation und Beobachtungs- 500 200 bedingungen führen deshalb dazu, dass Nordzieher zu einem geringeren Anteil 0 0 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2013 erfasst werden als Südzieher. Abb. 1: Zahlen einfliegender (linke Achse, blaue Säulen) und rückwandern- Neben den Zugrichtungen wurden der (rechte Achse, rote Säulen) Fichtenkreuzschnäbel Loxia curvirostra am Färbung und Gesangs a ktivität der Randecker Maar zwischen August und November des jeweils selben Jahres Kreuzschnäbel notiert. Singende Vögel im Zeitraum 1970-2013. Beide Wanderungen eines Jahres finden zeitlich weit sind für die Deutung des Geschehens überschneidend statt. Nord- und Südflieger sind in unterschiedlichem Maßstab wichtiger als die Kleider, zumal Licht dargestellt. – Numbers of south/south-west migrating (left axis to S, blue columns) verhältnisse und Entfernungen der meist and returning individuals (right axis to N, red columns) of Common Crossbill am frühen Morgen oder im Gegenlicht Loxia curvirostra at Randecker Maar between August and November of the ziehenden Vögel zur Identifikation des same year during the period 1970-2013. Both movements within one year broadly Geschlechts oft nicht ausreichen (Tab. 1). overlap in time. Note the different scales for the birds heading north and south. Im Zeitraum 1970-2013 wurden insge- samt 13.944 nach SW und 2.602 nach NE ziehende Fichtenkreuzschnäbel am Randecker Maar aus- verhörten, weiteren 940 Fichtenkreuzschnäbeln bis Januar gewertet (Abb. 1). Zusätzlich zu den im Standardzeitraum hinzu. Überfliegende Fichtenkreuzschnäbel, die nur gehört erfassten Fichtenkreuzschnäbeln kommen in der Umge- wurden, werden mit der Anzahl „1“ vermerkt. bung des Randecker Maars noch Zufallsdaten von oft nur 1600 800 1976 1983 1990 1993 2001 2002 2004 n = 11.380 1280 15% = 19.08. 640 25% = 08.09. 50% = 30.09. 75% = 09.10. Abb. 3: Kreuzschnabelzug nach Norden 960 85% = 14.10. am Randecker Maar noch im selben Jahr 480 30.09. 493 folgend auf die sieben stärksten Einflüge 04.10. 467 aus den Abb. 1 und 2 zwischen 1970 07.10. 387 640 08.10. 354 und 2013 nach planmäßigen Zugbeob- 320 13.10. 350 achtungen. – Northbound migration of 320 Common Crossbills at Randecker Maar 160 research station following (in the same year) each of the seven strongest influxes 0 between 1970 and 2013 from standar- Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. dised migration observations. 600 300 1976 1983 1990 1993 2001 2002 2004 n = 1.981 480 15% = 09.09. 240 25% = 20.09. 50% = 17.10. 75% = 24.10. 360 85% = 25.10. 180 25.10. 238 24.10. 183 Abb. 2: Kreuzschnabelzug nach Süden 23.10. 81 am Randecker Maar in den sieben 240 22.10. 79 120 18.10. 66 stärksten Invasionsjahren zwischen 1970-2013 nach planmäßigen Zugbeob- 120 achtungen. – Southbound migration of 60 Common Crossbills at Randecker Maar research station in the seven strongest 0 irruption years between 1970-2013, from Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. standardised migration observation.
4 W. GATTER & W. GATTER: Die unverstandenen Wanderflüge des Fichtenkreuzschnabels 3. Ergebnisse Die jahresperiodisch-biologischen Abläufe beim FKS fliegenden Trupps anzuschließen. Abb. 4 zeigt den sind das Ziel der folgenden Auswertung. In zehn von 44 Verlauf der Bewegungen und den Wandel der Zurich- Jahren kam es zu stärkeren Einflügen. In diesen Jahren tungen im Jahresverlauf der Jahre 1976-1993 ungeach- wird besonders deutlich, dass noch im selben Herbst bis tet von deren Zughöhen. Bei den überwiegend auf den in den Frühwinter hinein eine auffällige Rückwande- frühen Morgen konzentrierten Wanderungen nach rung nach NE folgte. Deren Intensität (Abb. 1) korreliert SW, wie auch bei den Wanderungen nach NE, kom- klar mit den Einflügen. Um die phänologischen Abläufe men bzw. verschwinden die Vögel im Gegenlicht der zu demonstrieren wurden die sieben stärksten Einflüge Morgensonne, was nähere Identifikation erschwert. mit mehr als 400 Vögeln in Abb. 2 zusammengefasst, Siehe die Abb. 5 und 6 zu den Windpräferenzen der die darauf erfolgenden Rückflüge in Abb. 3. nach SW bzw. der nach NE-Ziehenden. Die Beobachtungen an der Station RM setzen sich neben Einzelvögeln aus Trupps von zwei bis fünf, 3.1.1 Südzieher – Wegzug im Sommer und Herbst sel ten mehr Vögeln zusammen. Tausende unserer Die Einflüge im Juli und August sind wenig windbe- Kom passmessungen an ziehenden Kreuzschnäbeln einflusst und zeigen eine leichte Bevorzugung südlicher weisen unabhängig von den beiden Hauptrichtungen bis nordöstlicher Winde, während sich in den folgenden auf Unterschiede zwischen hoch ziehenden und den Monaten bis November guter Zug zunehmend inner- innerhalb des Gebirgseinschnitts ankommenden halb von Gegenwinden zeigt (Abb. 5). Von Norden Vögeln hin. Sie bleiben damit aber innerhalb der über kommender Zug unterhalb von ca. 400 m Flughöhe Südwestdeutschland üblichen Hauptzugrichtungen führt am RM zu einer Verdichtung der im Breitfront- anderer Arten. zug wandernden Vögel durch Bergflanken, die auf den Pass zuleiten. Sie zeigen nach Verlassen der Passenge im 3.1 Kreuzschnabelzug, Wetter und Topographie Sichtbereich der Beobachter eine breite Richtungsstreu- Der Fichtenkreuzschnabel führt vom Spätsommer bis ung, die sich nach Erreichen der Hochfläche wieder auf Winterbeginn sowohl nach SW und durchschnitt- die Hauptzugrichtung einpendelt (Abb. 4). lich später auch nach NW gerichtete Wanderungen Höher ziehende FKS fliegen unbeeinflusst von durch (Gatter 1993). Im selben Zeitraum nach Süden der Topographie und weichen von diesem Bild ab. bzw. nach Norden ziehende Kreuzschnäbel zeigen an Sie zeigen einen westlicher ausgerichteten Zug und den einzelnen Tagen unterschiedliche Präferenz für sind in Abb. 4 unterrepräsentiert, da hoch ziehend Großwetterlagen. Bei Begegnungen entgegengesetzt und deshalb vielfach übersehen bzw. nur gehört. Der wandernder Vögel lässt sich keiner dazu verleiten, tageszeitliche Median wird im Juli schon ca. 7:30 h, seine Richtung umzukehren, um sich entgegengesetzt im November erst nach 9:00 h erreicht. β = 223° β = 221° β = 208° r = 0,80 r = 0,60 r = 0,52 n = 639 n = 1348 n = 5290 Abb. 4: Gemessene Zugrichtungen von Fichtenkreuzschnäbeln in den Jahren 1975-1996 im Juli links, im August (Mitte) und rechts von September bis November. Bei der im Zentrum angezeigten Durchschnittsrichtung sind alle, auch Nord- ostrichtungen, mit verrechnet. Die Süd-Südwestrichtungen sind durch den Flaschenhals des Passes beeinflusst. – Measured Common Crossbill migration headings in the years 1975-1996 in July (left), August (middle), and September to November (right). The average heading shown in the centre of the circles was derived from all these results, including birds heading NE. The S-SW headings were influenced by the pass bottleneck.
Vogelwelt 2019, 139: 39-49 VOGELWELT 138: 1 – 11 (2018)5 β = 201° β = 223° r = 0,53 r = 0,74 n = 200 n = 43 β = 122° r = 0,11 n = 100 Abb. 5: Windpräferenzen nach Süden ziehender Fichtenkreuzschnäbel in den besten Zugstunden. Juli-August werte links, Oktober in der Mitte beziehen sich auf die 100 bzw. 200 individuenreichsten Stunden. Der November rechts zeigt alle gemessenen 43 Werte aus den Jahren 1975-1996. Gegenwinde werden bevorzugt bzw. bringen die Durchzügler durch tieferen Flug in den �ichtbaren Bereich. ‒ Wind preferences of S-heading Common Crossbills in the hours with heaviest migration in the years 1975-1996. The July-August (left) and October (middle) values were derived from the 100 or 200 hours with the highest number of individuals, while those of November (right) show all 43 records from that period. Headwinds were preferred or perhaps brought the migrants to a lower altitude where they were visible. 3.1.2 Nordzieher im Herbst und Winter – schwierig November) wird die Zugrichtung wohl teilweise von erfassbarer „Heimzug“ der nach ENE weisenden Gebirgskante geleitet. Nach Norden ziehende Kreuzschnäbel in den frühen Morgenstunden ziehen bevorzugt mit südlichen Win- 3.2 Der Verlauf großer Einflüge den. Die hundert zahlenstärksten Stunden von Septem- Die sieben stärksten Einflüge aus 44 Jahren (Abb. 1), ber bis November weisen auf eine starke Bevorzugung in denen jeweils über 400 Fichtenkreuzschnäbel südwestlicher, weniger ausgeprägt auf südliche bis öst- zwischen August und dem 6. November nach Süden liche Winde und somit fördernde Winde hin, als deren gewandert sind, werden in Abb. 2, die der Rückflüge in Folge der Zug hoch verläuft (Abb. 6). Der tageszeitliche Abb. 3 gezeigt. Die Zahl der als einfliegend, also nach Zug verläuft bei durchschnittlich kürzeren Tagen ähn- Süd bis West notierten Vögel, wird teilweise durch lich wie bei den Südziehern. Leichte Süd- bis Westwinde fördern hohen Zug oft an der Sichtbarkeits- oder Hörgrenze. 42 % zogen mit SW-Winden, weitere 37 % mit Winden aus Süd bis Ost (Abb. 6) Ein größerer Prozentsatz als beim Zug nach Süden wird nur nach Kontaktrufen oder Gesang entdeckt. Zu den im Standardzeitraum nach β = 206° r = 0,44 NE Ziehenden kommen noch Zufallsdaten von weite- n = 100 ren 940 ebenfalls nach NE ziehenden FKS bis Januar hinzu. Trotz optimaler Beobachtungsbedingungen an der Gebirgskante werden prozentual wahrscheinlich weniger Nordzieher erfasst, als tatsächlich unterwegs sind. Viele der Fichtenkreuzschnäbel kommen im Breitfrontzug extrem hoch über dem Plateau der Alb- Abb. 6: Windpräferenzen nach Nordost ziehender Fichten hochfläche „im Rücken“ der Beobachter an und wer- kreuzschnäbel in den 100 zugstärksten/individuenreichsten den erst erfassbar, wenn sie ihre Flughöhe angesichts Stunden zeigen eine Bevorzugung von Rückenwinden. ‒ der Gebirgskante und dem fast 500 m tiefer liegenden Wind preferences of NE-heading Common Crossbills in the nördlichen Vorland reduzieren. Bei hoch über der Alb 100 hours with heaviest migration/highest number of indivi- „heimziehenden“ Vögeln (im Standardzeitraum bis duals show that following winds were preferred.
6 W. GATTER & W. GATTER: Die unverstandenen Wanderflüge des Fichtenkreuzschnabels Pass und Gebirgskante verdichtet. Bei der Zahl der 4. Diskussion im Bereich weniger Wochen nach Norden zurück- wandernden Kreuzschnäbel ragt das Jahr 1990 heraus. Der Fichtenkreuzschnabel soll nach gängiger Ansicht Ein Problem unserer Betrachtung der Ein- und im Gegensatz zu allen anderen Singvogelarten unserer Rückflüge ist der zeitigere, von uns nicht in allen Jah- Fauna nur einen dem Herbstzug anderer Arten entspre- ren erfasste Beginn der Einflüge. Dadurch kann keine chenden Weg- bzw. Invasionszug ausführen (Newton Relation zwischen Nord- und Südziehern angegeben 2006). Erst im Folgejahr, an die Brutzeit anschließend, werden. Bei der bis in den äußersten Südwesten Euro- soll dann ein meist in Herkunftsrichtung führender pas reichenden Evasion 1990 folgte umfangreiche „Heimzug“ erfolgen. Er stünde damit innerhalb der Rückwanderung. Gegenüber den 2.938 SW-Ziehern paläarktischen Singvögel allein – ein Umstand, des- bis zum 6. November das Jahres am Randecker Maar sen Einmaligkeit nie hinterfragt wurde. Eine der Ursa- stellten sich die über 800 Rückwanderer als bedeutend chen für diese von uns nicht geteilte Ansicht sehen wir heraus, zumal der Zug nach NE über den Wäldern nach darin, dass Kreuzschnäbel dank ihrer herausragenden Saisonende der Planbeobachtung noch bis Dezember Flugeigenschaften hoch ziehen, dabei robust gegenüber anhielt. Bei mildem Spätherbstwetter und Rückenwin- ungünstigen Winden sind und fast nur an Gebirgsbar- den aus SW-W hoben sich höchste Tagessummen nach rieren in Erscheinung treten. Ihre Wanderungen zeigen NE ziehender mit 169 am 24. Oktober und 233 am 25. sich nur dort klar, wo beide Richtungen außerhalb von Oktober 1990 bei starker Gesangstätigkeit ab. Parallel potentiellen Nahrungsgebieten erfasst werden können, dazu begegneten ihnen 27 bzw. 59 Fichtenkreuzschnä- wie etwa am Randecker Maar, weil hier Nadelwälder bel noch mit weiterhin nach WSW verlaufendem Zug. fehlen. Gegen Ende Novembers schwächte sich der Rückzug Die Hauptrichtung der hoch und unbeeinflusst von nach NE ab, stellte aber insgesamt einen ungewöhnlich der Topographie ziehenden Fichtenkreuzschnäbel ist hohen Prozentwert dar. am Randecker Maar ENE und umgekehrt. Als Her- Besonders bei den beiden stärksten Invasionen 1990 kunft bzw. zukünftigem Fernziel der meisten kann und 2004 wird deutlich, dass weder im Jahr zuvor noch deshalb überwiegend Russland angenommen werden; danach stärkere Zugbewegungen stattfanden (Abb. 1). unsere Durchzügler scheinen nur zu einem geringeren Der gesamte Hin- und Wegzug spielte sich offensicht- Anteil aus Norwegen zu kommen (Karte T bei Zink & lich innerhalb eines Jahres ab. Eine Annahme wäre, Bairlein 1995 und Bairlein et al. 2014). Die von uns dass 2004 (im Gegensatz zu 1990) ein weit höherer ermittelten Richtungen und Zahlen vermitteln den Anteil südwestlich des RM verblieb oder zur Brut Eindruck, dass die russischen Brutbestände bei Hage- schritt. 2004 erfolgte der Rückzug nach Norden bis meijer & Blair (1997) unterschätzt werden (siehe zum Ende der Planbeobachtung am 6. November und auch Karten T und U bei Zink & Bairlein 1995). gehörte zu den drei stärksten NE-Wanderungen aller Jahre. Da sich der NE-Zug über den Wäldern noch bis 4.1 Migration im Einklang mit der zum Jahresende auffällig gestaltete, ist er zahlenmäßig Nahrungsverfügbarkeit in unseren Daten unterrepräsentiert (Abb. 1). In Jahren Heute treffen Kreuzschnäbel und andere samenfres- mit wenigen Zugbewegungen war der Heimzug nach sende Arten im mittleren Europa im Gegensatz noch NE zeitlich teils breit gestreut. zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf Regionen mit höherem Waldanteil und mit älteren Wäldern, die 3.2.1 Der Wandel von Gesangsaktivität und Kleidern ihnen eine hohe Chance auf Überleben und erfolgrei- Die tageszeitliche Zugmuster bei Süd- und Nordzie- che Rückwanderung in die Herkunftsgebiete bieten hern ähneln sich sehr stark. Die Unterschiede beider (Gatter 2004). Zahlreiche, z. T. exotische Nadelbaum sind im Wesentlichen darauf zurück zu führen, dass arten mit abweichenden jährlichen und jahreszeitlichen die Rückwanderungen jahreszeitlich gesehen später Mastangeboten bieten den Kreuzschnäbeln in ehemals erfolgen und die Tage dann kürzer sind. nahezu nadelwaldfreien Gebieten Dänemarks, Belgiens, Der Anteil roter Männchen ist bei Nordostziehern Nordfrankreichs, der Niederlande und Norddeutsch- höher als bei den Südwestziehern. Allerdings sind die lands eine nie zuvor gebotene Nahrungsvielfalt. Der Erfassungsbedingungen sehr unterschiedlich (vgl. kontinentweite Anbau von Fichte und Kiefer und der Kap. Methoden), so dass kaum klare quantitative Aus einst sehr begrenzt vorkommenden Europäischen Lär- sagen möglich sind. Hingegen gelingt es viel genauer che haben unsere vormals von Laubbäumen beherrsch- und unabhängig von den Lichtbedingungen, wäh- ten Wälder völlig verwandelt. rend des Zugs singende Vögel festzustellen (Tab. 1). Während alle anderen Passeres einen Jahreszyklus Setzt man sie in Relation zu den Gesamtzahlen der besitzen, der auf den Brutbeginn im Frühjahr ausge- Durchzügler, so ist der Unterschied zwischen Süd- und richtet ist, ist derjenige des Fichtenkreuzschnabels an Nordziehenden noch viel deutlicher. Leider lassen es die Fruktifikationszeiten der beiden Koniferen Fichte die Zufallsbeobachtungen über dem Wald selten zu, und Waldkiefer angepasst. Die Blühinduzierung die Truppgröße exakt zu bestimmen, so dass wir auch erfolgt bei beiden Koniferen im Sommer vor der Blüte. hier auf Relativzahlen verzichten. Im gemäßigten Klima können Fichtenzapfen schon im
Vogelwelt 2019, 139: 39-49 VOGELWELT 138: 1 – 11 (2018)7 Sommer nach der Blüte Nahrung bieten, diese ist jedoch einer bis über Mitteleuropa hinaus bemerkten massi- aufgrund der stabilen Zapfenschuppen schwer zugäng- ven Invasion jährlich streckenmäßig weitere partielle lich. Diese lockern bzw. öffnen sich erst im Februar Rückwanderungen statt, denen am RM innerhalb fünf und März des Folgejahres. Erst dann sind die Samen weiterer Herbste geringer werdende Pendelbewegun- leicht erreichbar. Daran hat sich die Hauptbrutzeit des gen nach Mitteleuropa folgten. Ähnliches dürfte beim Fichtenkreuzschnabels angepasst. Der Fruchtansatz, Fichtenkreuzschnabel und seiner zwei- bis mehrjähri- der bei der Kiefer über die Jahre zu einer viel gleich- gen Rückkehrdauer (Newton 2010) in die Ausgangs- mäßigeren Mast führt als bei der Fichte, mildert die gebiete ablaufen. Populationsschwankungen des Fichtenkreuzschnabels ab. Er ist gleichzeitig aber auch die Lösung des Rätsels 4.2 Migration im Einklang mit der für den Erfolg kontinentaler Fichtenkreuzschnäbel. Gonadenentwicklung Im Gegensatz zur Fichte öffnen sich die Zapfen der Dem Zusammenspiel von Depotfett-Zyklen (Bert- Kiefer erst ein Jahr nach der Blüte und sind ab Mai ver- hold 1977), Gonadenentwicklung (Berthold & fügbar, wenn die Fichtenmast erschöpft ist. Die Kiefer Gwinner 1978) und Gesangsaktivitäten (Gatter 1993, mit ihrer regelmäßigeren, allerdings meist nur spärlich und hier unter Kap. 2.1) wurde bisher kaum Beachtung verfügbaren Mast ermöglicht somit Zweitbruten, die geschenkt. Berthold & Gwinner (1978) zeigen, dass in großer räumlicher Entfernung zu den ersten liegen der Höhepunkt der Gonadenentwicklung und Fort- können. Die extremen Ausmaße der Region mit bore- pflanzungsbereitschaft im Januar/ Februar erreicht alen und subborealen Wäldern werden in den meisten wird (Abb. 7) und bestätigen damit unsere Auffassung, Jahren Ausweichmöglichkeiten bieten. Der jahreszeit- dass Weg- und Heimzug somit wie bei anderen Arten liche Beginn der meisten größeren Invasionen zeigt vor der Brutzeit liegen. wohl dennoch an, dass das großräumige Ausbleiben Auf den vorbrutzeitlichem NE-Zug bei parallel der Kiefernmast in erreichbaren Gebieten ein Auslöser ansteigender Hodenentwicklung (Berthold & Gwin- der Evasionen des Fichtenkreuzschnabels sein dürfte. ner 1978) folgt bei dieser Art mit offensichtlichem Teil Gerade bei Verwandten der Kreuzschnäbel und ver- zieherverhalten die winterliche Brutzeit in den Fichten schiedenen spezialisierten Samenfressern finden sich wäldern. Auf die Brut folgt ein oft ebenfalls nach NE eindrucksvolle Beispiele von überwiegend nach Nord gerichteter Zwischenzug ab April. Zeitlich trifft er mit und Ost gerichtetem Zwischenzug, der mehr oder dem Erlöschen der Fichtenmast und dem Wechsel zur weniger lange vor der eigentlichen Wegzugzeit liegt. jetzt verfügbaren Kiefermast zusammen. Der Schwer- Ein anschauliches Beispiel ist das Zugverhalten des punkt der Kiefernvorkommen in Nordeuropa liegt Birkenzeisigs Carduelis flammea. Mit seinen sich nach überwiegend nördlich und östlich der großen Fich- Norden verlagernden Brutarealen zwischen ersten und tenvorkommen (Gatter 1993, Glutz & Bauer 1997). zweiten Bruten zeigt er vergleichbare Abläufe, und Bei großen Wanderentfernungen der Fichten man kann sein Zugverhalten als dem des Fichten- kreuzschnäbel aus dem Invasionsraum zurück in die kreuzschnabels entsprechend betrachten. Svanberg nordosteuropäischen Heimatgebiete würden sie dort (1936) und Peiponen (1957) berichten erstmals über eine Mangelsituation vorfinden, die sie schon bei der die früh im Fichtengürtel der Koniferenzone Skandi- Evasion erkennen konnten. Eine Zugstrategie mit jahr- naviens brütenden Birkenzeisige, die später, gefolgt weise partiellem Heimzug über zwei und mehr Jahre, von ihren Jungen, in der Fjällregion des hohen Nor- wie bei den unter 4.1 erwähnten „Trompetergimpeln“ dens weitere Bruten im Vegetationsgürtel der Birken P. pyrrhula, ist plausibel und würde erklären, wieso tätigen. Beim Birkenzeisig können demnach in vielen Ringfunde von Fichtenkreuzschnäbeln im vermuteten Jahren zwei in der gleichen Brutsaison aufeinanderfol- osteuropäischen Herkunftsgebiet meist erst nach zwei gende, räumlich weit getrennte Bruten erfolgen. Dabei und mehr Jahren vorliegen. profitiert eine erste Brut in den südlichen Wäldern vom Samenangebot der Fichte, eine weitere von den 8 Samen der Birkenarten in den Fjälls des Nordens. gonad length (mm) Die Jungen der ersten Brut folgen den Alten auf ihrer 6 Hodenlänge – Wanderung und leisten diesen im neuen Brutgebiet Gesellschaft (Peiponen 1957). 4 Gimpel P. pyrrhula, mit wahrscheinlicher Her- 2 kunft aus dem Uralgebiet, sorgten 2004 erstmals mit ihren ungewohnten Rufen („Trompetergimpel“) am 0 Randecker Maar für Aufregung, nachdem sie in den J F M A M J J A S O N D vorangegangenen über 38 Jahren nie gehört worden Monate – month waren. Sie erschienen dann über mehrere Jahre mit von Abb. 7: Jahreszeitliche Variation der Hodenlänge adul- Jahr zu Jahr abnehmenden weiteren Einflügen, um seit ter Fichtenkreuzschnabel-Männchen (nach Berthold & nunmehr 10 Jahren nicht wieder bemerkt zu werden. Gwinner (1978). ‒ Seasonal variation (means with standard Ganz offensichtlich fanden nach der ersten Evasion mit error) in gonad length of adult male Common Crossbills.
8 W. GATTER & W. GATTER: Die unverstandenen Wanderflüge des Fichtenkreuzschnabels 4.3 Zug, Jahreszyklus und ein Blick auf Wir schließen, dass der Fichtenkreuzschnabel die kontroverse Ansichten Gene eines typischen Teil- und Kurzstreckenziehers Nach Auswertung von Einflügen aus fünf Jahrzehnten hat und seine Individuen Elemente vom Standvogel folgern wir, dass ein jahrweise sehr unterschiedlicher bis zum Mittelstreckenzieher aufweisen. Anteil der Fichtenkreuzschnäbel im Herbst losgelöst Es gibt keine Belege, dass sich Fichtenkreuzschnäbel vom Status der Einflugszeit (entsprechend dem Früh- ausschließlich innerhalb des in Glutz & Bauer (1997) jahrszug sonstiger Singvögel) noch vor der Brutzeit über und in dem von Newton (2007, 2010) gesetzten Rah- kleinere oder größere Strecken in teils zuvor explorierte men eines Invasionszuges mit Brut an dessen Ende Regionen zurückwandert, um dabei Wälder aufzusu- bewegen. Newton (2007, 2010) schließt aus den wenigen chen, die ausreichend Nahrung und Brutmöglichkeiten Ringfunden, dass Fichtenkreuzschnäbel zu Anfang des bieten (Abb. 1). Folgejahrs brüten und erst zwei oder mehr Jahre nach Die Zahlen aller starken Einflüge am Randecker dem Einflug zurückwandern. Mit dem once yearly mig- Maar belegen, dass die Umkehrenden aus der jeweiligen rant postuliert er eine neue Klasse des Vogelzugs mit aktuellen Invasion stammen müssen, da sie sich nicht • Invasionszug aus NE-Europa an ein Invasionsendziel aus den Zahlen des Vorjahrs erklären lassen (Abb. 1). im SW mit Brut am Endziel der Invasion im darauf Erst diese auf die Einwanderung folgenden Rückwan- folgenden Jahr. derungen (Abb. 3) und ihre Regelmäßigkeit entspre- • Jungvögel, die im Invasionsgebiet aufwachsen, chen wohl nun losgelöst vom Invasionsgeschehen den machen ihre erste Reise in umgekehrter Richtung normalen im Heimatgebiet stattfindenden saisonalen der ersten Reise ihrer Eltern und der aller anderen Bewegungen. Die sich nach den Invasionen und in Individuen, die im regulären Verbreitungsgebiet auf Ringfunden (Zink & Bairlein 1995) abzeichnenden gewachsen sind. eher kurzen Migrationsentfernungen kennzeichnen den Fichtenkreuzschnabel als Teilzieher mit normal in Newton geht dabei offenbar davon aus, dass der Zug des die Gonadenzyklen eingebetteten Zugzeiten, wie wir Fichtenkreuzschnabels sich nicht, wie bei allen ande- sie von anderen Arten kennen. Dieses Schema dürfte ren Singvogelarten der nördlichen Paläarktis, an den selbst auf Invasionsjahre nach den beim Einflug regis- begleitenden Einflüssen wie der Gonadenentwicklung trierten großen Entfernungsdimensionen zutreffen. ausrichtet. Bei Punkt 2 unterläuft ihm unseres Erachtens Die Gründe für eine weiter andauernde Schocksitua- eine doppelte Verwechslung mit dem Zwischenzug, dem tion aus Dichtefaktor und Nahrungsmangel existieren Dispersal, einerseits, wie wir es von vielen Arten ken- nicht mehr. Unklar muss bleiben, wie weit die rück- nen, und den regulären Zugbewegungen andererseits. wandernden Fichtenkreuzschnäbel ziehen. Vermutlich Als Ergebnis ähnlicher Überlegungen zum Ablauf erreichen nur wenige bei der ersten Rückwanderphase der Bewegungen fassen Glutz & Bauer (1997) nicht nach Evasionen ihre Herkunftsgebiete, die sie gerade, ohne Bedenken an den eigenen Ausführungen – wie wohl überwiegend wegen Nahrungsmangel, verlassen folgt zusammen: „schließlich scheint das postnuptiale hatten. Dafür sprechen die Ringfunde im vermuteten Dispersal bei manchen Kreuzschnabelpopulationen die Herkunftsgebiet, die fast alle erst nach zwei und mehr Form eines gleichfalls +/- sektoriell ausgerichteten, von Jahren nach der Beringung erbracht wurden. Population zu Population unterschiedlich orientierten Um die extremen Wanderungen zu verstehen, hilft Zwischenzugs anzunehmen – evtl. eine Anpassung, ein Blick auf seinen außergewöhnlichen Handflügel- die im Winterquartier zur Brut schreitenden Vögeln index. Mit 39-42 übertrifft der Fichtenkreuzschnabel die Rückorientierung in ihren normalen Zugraum und die meisten Transsaharazieher außer den Schwalben. -rhythmus erleichtert“. Innerhalb der Finkenartigen steht er an der Spitze, Glutz & Bauer (1997) verweisen die Darstellung von der Gimpel P. pyrrhula mit 24-26 an deren Ende, mit Gatter(1993) der auf die Einflüge folgend kompasso- 18-21 weit unterboten vom Eichelhäher (Kipp 1959). rientiert oder navigierend zurückwandernden Fichten- In einer Zunahme der Indexzahlen, d. h. einem spit- kreuzschnäbel in die Rubrik des „Zigeunervogels“ und zer und länger werdenden Handflügel, sieht Kipp sprechen der Art normale Zugzeiten ab.Sie legen wie (1958) neben der Grundlage für eine evolutionsge- Newton (2007, 2010) das Brutgeschehen an das geo- schichtliche Behandlung des Vogelzugs, auch deren graphische Ende des Invasionseinflugs mit erst darauf Einfluss auf Zuggeschwindigkeit und Zugstrategie. folgendem Heimzug. Es wird nicht versucht, das explizit Die dem Fichtenkreuzschnabel aus der Flügelmor- erwähnte Gonadengeschehen in das Zuggeschehen des phologie erwachsenden Vorteile hat Gatter (1979) Fichtenkreuzschnabels einzubinden. innerhalb des Zugs von Buch- und Bergfink Fringilla Newtons (2007, 2010) Bild des Kreuzschnabelzugs coelebs, F. montifringilla erläutert. Sie ermöglichen beruht weitgehend auf den von Schloss (1984) publi- dem Fichtenkreuzschnabel die spektakulären Eva- zierten Ringfunden von in Deutschland zwischen Juni sionen aus dem östlichsten Kontinentaleuropa und und von ihm angenommenen Einflugsende im Okto- selbst Westsibirien (HVM 1997) bis Portugal und in ber beringter Fichtenkreuzschnäbel. Diese Funde und die Atlasgebirge. diejenigen der in der Schweiz beringten Vögel (z. B.
Vogelwelt 2019, 139: 39-49 VOGELWELT 138: 1 – 11 (2018)9 Paar des Fichtenkreuzschnabels, rechts das Weibchen. Fotos: W. Gatter Winkler 1973) lassen die schon vor der Beringung unmittelbaren Umkehr in Herkunftsrichtung vor der erfolgten Bewegungen in beiden Richtungen nicht Brutzeit ab. Von den wenigen seiner Fundpunkte ent- erkennen. Sie ermöglichen kaum Einblicke in deren lang von ca. 60° N, die sich in Russland über 2.000 km Zugrichtungen, vor allem nicht auf die seit Einflugbe- nach Osten erstrecken, gehen zwei Drittel auf die 1963er ginn zurückgelegten Entfernungen beider Richtungen. Invasion zurück. Südlich schließt sich eine räumliche Newton (2007, 2010) zeigt Wiederfunde des Folgejahrs Ringfundlücke an, die über 3.000 km nach Nordosten und weiterer Jahre nach der Beringung innerhalb eines bis zum Ural reicht. über 2000 km breiten Ost-Westraums von Mitteleuropa Die Frage, inwieweit die auf Sommerinvasionen fol- bis Portugal. Er blendet mit November und Dezember gende Herbst- und Wintersaison noch von Evasions- der Einflugjahre Zeiten aus, während denen am Rande- druck beeinflusst ist, haben wir diskutiert und nehmen cker Maar einerseits noch weiterhin Wanderungen nach stattdessen an, dass sich nach dem Abklingen des oft SW, andererseits aber die stärksten Rückwanderungen gewaltigen Evasionsdrucks ab September eine dem zurück nach NE stattfinden. Somit können viele von normalen Herbstzug anderer Kurzstreckenzieher ver- Newtons insgesamt wenigen gezeigten Funden Indi- gleichbare Bewegung formt. viduen betreffen, die bereits eine lange Rückreise hinter Die Auffassung, die von Glutz & Bauer (1997) und sich hatten. Seine Ringfundkarte lässt Gewichtungen Newton (2010) vertreten wird, der Fichtenkreuzschna- der Ringfunde vermissen. Die starke Akkumulierung bel brüte am Endpunkt der Invasionswanderungen, seiner Fundorte unmittelbar westlich der ehemaligen erscheint uns aus verschiedenen Gründen nicht zutref- Warschauer-Pakt-Staaten sind als Zeichen viel höhe- fend zu sein. Die Bedingungen am Ziel sind unvorher- rer Wiederfundaussichten gegenüber weiter im Osten sehbar z. B. von Fehlmasten oder aber Überbevölkerung liegenden Gebieten zu sehen (zur Bewertung solcher geprägt. Sie würden dem von Newton (2010) selbst Ringfundverteilungen siehe Korner-Nievergelt et verworfenen „Totwandern“ im Sinne Wynne-Edwards al. 2012). (1962) entsprechen, das aus der Hypothese entstand, Newtons Karte bestätigt damit zunächst das bekannte dass die in den einst waldarmen Gebieten Mittel-, Süd- Bild, dass Ringfunde aus den Warschauer-Pakt-Staaten und Westeuropas endenden Invasionsvögel verhun- während der Zeit des Kalten Kriegs kaum gemeldet wur- gern. Die diesbezügliche heutige Situation beschreibt den. Seine zuletzt 2010 und mehrfach davor publizier- Gatter (2004): Flexibilität mit Umkehr einerseits oder ten Funde geben weniger die ornithologischen Abläufe Tod andererseits wären logische Folgen. Umkehr wird als die politischen Rahmenbedingungen der von ihm zwar in vielen solchen Fällen durch die vorgefundenen gezeigten, zwischen 1930 und 1963 erfolgten Beringun- Verhältnisse erzwungen und würde damit unsere Beob- gen wieder. Sie zeichnen ein von Krieg, Nachkriegsfol- achtungen bestätigen, wir gehen aber soweit, anzuneh- gen, Sprachbarrieren und sehr unterschiedlichen Bevöl- men, dass die Umkehr wie bei anderen Arten in Form kerungsdichten geprägtes Bild der Fundverteilung in eines Heimzugs genetisch festgelegt ist. einem Gebiet, das der Größe von zwei Dritteln Europas In den von uns näher behandelten 44 Jahren gab es im entspricht. Es lässt im Vergleich zum westlichen Mit- Südwesten Deutschlands neben Sprengmasten 12 stär- tel- und Westeuropa kaum Wiederfunde erwarten, was kere Mastjahre der Fichte (Gatter & Mattes 2018), den Fichtenkreuzschnabel zum dankbaren Objekt für und unter Einbeziehung bereits durchwanderter oder zukünftige Besenderungen machen würde. vor ihnen liegender Großräume sicher noch weitere Newton (2010) schwächt damit seine eigene Aussage Jahre mit guten Ernährungsaussichten. Mittel- und bezüglich Zweifeln an einer vielfach mehr oder weniger westeuropäische Forsten bieten heute ein hohes Maß
10 W. GATTER & W. GATTER: Die unverstandenen Wanderflüge des Fichtenkreuzschnabels an zuverlässig verfügbaren Koniferensamen (Gatter erklären. Weg- und Heimzug laufen zwischen Spätsom- 2000, Gatter & Mattes 2018). Obwohl Kreuzschnäbel mer und Winterbeginn desselben Kalenderjahrs ab. Sie dessen ungeachtet zum Teil tausende Kilometer weiter- stehen auch nicht konträr zu entsprechenden Bewegun- ziehen, lassen umfangreiche unmittelbare Rückwande- gen in den unermesslich großen Heimatgebieten der rungen, wie besonders 1990, auch weiterhin Engpässe Kreuzschnäbel, die von den nördlichen Waldgrenzen vermuten. Europas bis jenseits des Ural und südwärts bis in die Die von Zink & Bairlein (1995) präsentierten Ring anschließenden Wälder des Steppengürtels (Walter funde von kurz auf die Beringung erfolgten Wieder- 1974) führen. Dies ist für die Deutung der durchschnitt- funden fordern dazu heraus, deren Lage nicht als End- lichen Invasionen wichtig. Die aus der herausragen- punkte einer Wanderung zu betrachten, sondern sie den Invasion von 1963 gezogenen Schlüsse, die einen innerhalb eines räumlich-zeitlichen Ablaufs zu sehen. wesentlichen Grundpfeiler der Hypothese von New- So lassen dort die Karten F (keine Funde im Westen ton (2007, 2010) bilden und einen Großteil bis heute nach Nov) und K Raum zur Deutung unmittelbarer bekannter extremer Fernfunde im potentiell vermute- Rückwanderung, und die Karten O und P bringen sogar ten Herkunftsgebiet stellen, können wir nicht teilen. die entsprechenden Belege einer raschen Umkehr inner- Diese Invasion war ein Jahrhundertereignis, das sich halb von ein bis drei Monaten aus Gebieten mit eher seither nicht wiederholt hat. schwachen Chancen für Rückmeldungen. Die seine Flügelmorphologie und den Jahreszyklus Zusammenfassend weisen unsere Untersuchun- beeinflussende Anpassung an Fichte und Kiefer ließ gen den zentraleuropäischen Fichtenkreuzschnabel den Fichtenkreuzschnabel in der alten Welt gegenüber als einen Teilzieher mit Neigung zu kontinentweiten seinen von Kiefernarten abhängigen iberischen, medi- Emigrationen aus. Der Fichtenkreuzschnabel nimmt terranen und nordafrikanischen Populationen zum allenfalls insofern eine Sonderstellung ein, als seine erfolgreichsten Vertreter der Gattung Loxia in Europa Weg- und Heimzugbewegungen jahreszeitlich anders und Asien werden. liegen als bei fast allen anderen Zugvögeln. Der Jah- reslauf mit Wanderungen zwischen Erst- und Zweit- Dank. In den fünf Jahrzehnten haben .sich weit über 500 Beobachter an der Zugplanbeobachtung am Rande- bruten (bzw. Aufenthalten) entspricht jahreszeitlich cker Maar beteiligt, denen wir hiermit herzlichst danken verschoben denen des Birkenzeisigs Carduelis flammea möchten. Viele davon sind bei Gatter (2000) namentlich (Kap.4.1). Abweichend von bisherigen Thesen nehmen erwähnt, eine komplette Weiterführung würde hier den wir an, dass auf außergewöhnliche Emigrationen fol- Rahmen sprengen. Mit Andreas Hachenberg verbinde ich gend nach Ende des Emigrationstriebs innerhalb des gemeinsam erlebten Kreuzschnabelzug und Diskussionen nun blasenartig erweiterten Areals normale jahreszykli- zum Thema. Für teils vieljährige Mitarbeit, Ratschläge oder sche Abläufe entlang der Einwanderungsroute in Form die Durchsicht des Manuskripts danke ich Hartmut Eben- eines Teilzieher-Heimzugs die Oberhand gewinnen. höh, Carola Harlan, Rose Klein, Tina Kulhanek, Fränzi Sie wären damit auch eine der Ursachen für die gra- Korner-Nievergelt, Hermann Mattes, Thomas Mei- duelle Heimkehr in die Ausgangsgebiete, wie wir sie neke, Rolf Schlenker, Juan Carlo Senar und Friederike Woog, für technische Unterstützung Wolfgang Brockert, bei Invasionen sibirischer Tannenhäher noch während Dorothea Gatter, Peer Gatter, Martin Schrezenmaier, der Invasion nach Westen kennen (Gatter et al. 1979, Rainer Schütt, sowie Brian Hillcoat für die englische Noskov et al. 2005) und bei Gimpel, Kleiber und wohl Zusammenfassung und weitere Hinweise. Martin Flade auch Kohlmeise aus Osteuropa annehmen. danke ich für die Durchsicht des Manuskripts. An Peter Im Gegensatz zur Annahme Newtons (2010) bedarf Berthold geht mein Dank für die Genehmigung zur Ver- es keines Zweijahreszyklus, um die Zugbewegungen zu wendung von Abb. 3. 5. Zusammenfassung Gatter, W. & W. Gatter 2018: Der Fichtenkreuzschnabel Loxia curvirostra als regulärer Kurzstreckenzieher und Inva sionsvogel: Zugbeobachtungen aus fünf Jahrzehnten am Randecker Maar. Vogelwelt 138: …-…. Als einzigem Singvogel werden dem Fichtenkreuzschna- dar, während der Invasionseinflüge und ihre Folgebewegungen bel in der ornithologischen Fachliteratur statt jährlich zwei jeweils ganzjährig erfasst werden konnten. Bei den Invasionen aufeinanderfolgender Zugzeiten, entsprechend Herbst- und ab Juni aus NE überwiegen zunächst Schlichtkleider, Gesang Frühjahrszug, nur eine Zugzeit vor und eine Dismigrations- ist die Ausnahme. In der Zeit zwischen Spätsommer und Win- phase nach der Brutzeit zugestanden. Eine weitere Hypothese terbeginn erfolgen Wanderungen, die sowohl dem Herbst- als bescheinigt ihm gar einen Zweijahreszyklus. Dem widerspre- auch Frühjahrszug anderer Vogelarten entsprechen. chend sehen wir ein einjährig circannuales Geschehen mit Den 13.944 topographisch teils durch einen Pass verdichtet mehr oder weniger umfangreichem räumlich beschränktem nach SW ziehenden Fichtenkreuzschnäbeln, stehen insgesamt Heimzug noch im Jahr des Einflugs (Gatter 1993). Unser 2602 im Spätsommer und Herbst nach NE Ziehende gegen- Material vom Randecker Maar, abseits von Koniferengebieten über, die auf breiter Front über dem Gebirge ankommen. Beide und jahreszeitlichen Einschränkungen gewonnen, umfasst fünf Migrationen überschneiden sich zeitlich, aber der Zug nach Jahrzehnte und stellt die einzige bisher bekannte Untersuchung NE erfolgt durchschnittlich später.
Vogelwelt 2019,138: VOGELWELT 139:1 – 39-49 11 (2018)11 Konträr zu anderen Arten, die nach Herbstzug und Winter verlassenen Gebiete wieder zu erreichen. Diese Gleichzeitigkeit unserem kalendarischen Jahreszyklus folgen, orientiert sich der der Ereignisse erschwert die Deutung von Beobachtungen und Zug des Fichtenkreuzschnabels bei uns wie in seinen östlichen Ringfunden. Brutgebieten an der Nahrungsverfügbarkeit durch die Fichte, Auf die NE-Wanderung im Herbst, die dem Frühjahrszug gefolgt von dem der Kiefer. Beide steuern seinen Jahreszyk- anderer Arten entspricht, folgt die Brut in den Fichtenwäldern, lus. Auf steigende Gesangsaktivität nach Norden Ziehender gefolgt von einem darauffolgenden Dispersal mit sektoriell aus- im Herbst und dem Höhepunkt der Hodenentwicklung zur gerichtetem Zwischenzug in Kieferngebiete und gegebenenfalls Jahreswende folgen Brut im Winter, Dismigration und Bau- dortiger Brut. Unsere Untersuchungen zeigen den Fichten- martenwechsel im Frühjahr. kreuzschnabel als einen normalen Teilzieher mit Neigung zu Viele Kreuzschnäbel verweilen im Herbst nach Invasionen Emigrationen, bei dem Jahresablauf und Gonadenentwicklung in Ruhezielen (entsprechend einem Winterquartier) entlang zwar jahreszeitlich verschoben sind, jedoch sonst denen ande- großer Bereiche der Einwanderungsroute. Befreit vom voran- rer paläarktischer Singvögel entsprechen. gegangenen Evasionsdruck wandern sie in variierenden Antei- Dem Zusammenspiel von Depotfett-Zyklen, der Gonaden- len, wohl von ihrem sexuellen Status abhängig, in einem bisher entwicklung, Zugrichtungen und Gesangsaktivitäten wurde „übersehenen Heimzug“ zurück, ohne zwangsweise die zuvor bisher kaum Beachtung geschenkt. 6. Literatur Bairlein, F., J. Dierschke, V. Dierschke, V. Salewski, Kipp, F. 1959: Der Handflügelindex als flugbiologisches O. Geiter, K. Hüppop & W. Fiedler 2014: Atlas des Maß. Vogelwarte 20: 77-86. Vogelzugs. 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