Der Fichtenkreuzschnabel Loxia curvirostra als regulärer Kurzstreckenzieher und Invasionsvogel mit Wegzug im Sommer, Heimzug im Herbst und Brut im ...

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Der Fichtenkreuzschnabel Loxia curvirostra als regulärer Kurzstreckenzieher und Invasionsvogel mit Wegzug im Sommer, Heimzug im Herbst und Brut im ...
Vogelwelt 2019, 139: 39-49
  VOGELWELT 138: 1 – 11 (2018)1

  Der Fichtenkreuzschnabel Loxia curvirostra als regulärer
  Kurzstreckenzieher und Invasionsvogel mit Wegzug im Sommer,
  Heimzug im Herbst und Brut im Winter: Zugbeobachtungen aus
  fünf Jahrzehnten am Randecker Maar*

  Wulf Gatter & Walter Gatter

                             Gatter, W. & W. Gatter 2018: The Common Crossbill Loxia curvirostra, a conventional
                             short distance migrant with irruptions, autumn migration in summer, spring migration
                             in autumn and breeding in winter. Migration observations over 5 decades at the Randecker
                             Maar field station. Vogelwelt 138: …-….
                             The Common Crossbill is the only songbird credited by some with a migration period before,
                             and a dispersal phase after its breeding period instead of the ‘normal’ two periods of movement
                             corresponding to autumn and spring migration. A further hypothesis even claims a biannual
                             cycle for the species. We contest these ideas and confirm the one-year circannual scheme. Our
                             study material from the Randecker Maar field station, Schwäbische Alb, obtained away from
                             conifer areas and without seasonal restrictions, covers five decades and is the only study in
                             which L. curvirostra influxes or invasions, as well as the subsequent directed movements of
                             their participants, were able to be monitored over entire years. In the influxes from the NE
                             after June, eclipse plumages dominate at first and song is exceptional.
                                The 13,944 observations of birds heading SW ‒ sometimes where the topographic bottleneck
                             of a pass concentrates the passage ‒ are in contrast to the 2,602 observations in late summer and
                             autumn of birds heading NE, which come in a broad front over the high plateau. Both migratory
                             movements can overlap in time but the NE migration occurs later on average. In contrast to
                             ‘normal’ species that follow our calendar cycle after autumn migration and winter, the Common
                             Crossbill migration in our area depends on the availability of food from spruce trees, followed by
                             pine. Both these conifers determine the crossbill’s annual cycle. In N-heading birds in autumn,
                             increased song activity and the peak of gonadal development towards the end of the year are
                             followed by breeding in winter, dispersal, and a change in tree species as food source in spring.
                                Following invasions many crossbills remain in ‘quiet zones’ in autumn (corresponding to
                             winter quarters) along extensive areas of their immigration route. Free of the preceding emi-
                             gration pressure they return in varying proportions ‒ presumably depending on their sexual
                             status ‒ in a hitherto ‘unrecognised return migration’, without necessarily reaching their
                             areas of origin. This synchronicity of events makes the interpretation of observations and ring
                             recoveries difficult. The autumnal NE-movement, corresponding to spring migration in other
                             species, is followed by breeding in spruce woodland, and then by a sector-directed post-nuptial
                             or exploratory dispersal to areas of pine stands, sometimes accompanied by breeding.
                                Our studies show that the pattern of L. curvirostra migration is that of a normal partial
                             migrant, though with a tendency to emigrations in which the annual cycle and gonadal devel-
                             opment are seasonally time-shifted but nevertheless correspond to those of other Palaearctic
                             passerines. This interplay of fat deposition, gonadal development, migration direction, and
                             song activity has until now received too little attention.

                             Key words: Common Crossbill Loxia curvirostra, migration, short-distance migrant, irrup-
                             tions, gonadal development, annual song activity pattern, fructification of conifers

  1. Einleitung
  Die Darstellung von Glutz & Bauer (1997) zeigt die               meist automatisch ausschließlich der Einwanderung
  Vielfalt des lokalen jahreszeitlichen Auftretens des             zugeordnet. Hinzu kommt, dass allgemein Zugbeob-
  Fichtenkreuzschnabels, aber auch die Schwierigkeit               achtungen meist nur über einige Monate erfolgen, so
  bei der Deutung des Zuggeschehens dieser Art. Zur                dass Wanderungen im Spätherbst und danach nicht
  Nahrungssuche umherstreifende Trupps, vor allem                  abgebildet werden. Beispiele hierfür die bekannten
  in Nadelwaldgebieten, werden bis zum Jahresende                  skandinavischen und baltischen Stationen, an denen
  *
      Zum 50jährigen Bestehen der Forschungsstation Ran­decker Maar e. V. Mit Unterstützung von Carl Zeiss Sport Optics,
      Wetzlar.
Der Fichtenkreuzschnabel Loxia curvirostra als regulärer Kurzstreckenzieher und Invasionsvogel mit Wegzug im Sommer, Heimzug im Herbst und Brut im ...
2                  W. GATTER & W. GATTER: Die unverstandenen Wanderflüge des Fichtenkreuzschnabels

zudem nur eine Zugrichtung verdichtet wird (Edel-                Das Randecker Maar (RM) liegt an der Nordkante
stam 1972, Ulfstrand et al. 1974, Busse & Halas-              des plateauartigen Mittelgebirges der Schwäbischen Alb.
tra 1981). Die hoch im Gebirge liegende schweizeri-           Offenland und Kuppen mit ausgedehnten Buchenwäldern
sche Station am Col de Bretolet wird in vielen Jahren         wechseln sich auf dem Plateau ab. Entlang des gesamten,
                                                              bis 500 m hohen Nordabfalls existiert ein mehrere hundert
schneebedingt früh geräumt. Früher eingesetzte gekä-
                                                              Kilometer langes, durch unzählige Schluchten und Täler
figte Lockvögel (Winkler 1973) beeinflussen die Zie-          gegliedertes Band aus Laubwäldern, das weitgehend in
her und schmä­lern die Einschätzung von Zugrichtung           Nordost- bzw. Südwestrichtung verläuft. Da auch in der
und Herkunft der Fänglinge. Problematisch ist auch            weiteren Umgebung der Beobachtungsstation kaum Nadel-
die Analyse der (wenigen) Ringfunde und diese mit             wälder vorhanden sind, werden bei unseren Beobachtungen
längeren Aufenthalten oder gar Brut in Verbindung zu          ausschließlich ziehende Vögel erfasst.
bringen. Realistisch betrachtet sagen die Fundpunkte             Kreuzschnäbel, die an der Beobachtungsstation erschei-
nichts über die Wanderrichtung und den Status des             nen sind auf dem Zug. Sie werden in ihrer Richtung wenig
jeweiligen Individuums zum Fundzeitpunkt aus.                 oder gar nicht vom Gelände beeinflusst. Das gilt sowohl
   Hinsichtlich der Gonadenentwicklung wäre der               für die Vögel, die aus nordöstlicher Richtung anfliegen
                                                              (und damit bereits sehr hoch über der Alb ziehen), als auch
Fichtenkreuzschnabel (FKS) aus bisheriger Sicht
                                                              für solche, die über das Plateau aus südlichen Richtungen
eine Ausnahme unter den Singvögeln. Der Migrati-              anfliegen. Kreuzschnäbel, die eher tiefer fliegend aus dem
onszyklus (entsprechend einem Herbst- und einem               nördlichen Vorland die Steilstufe der Alb erreichen, können
Frühjahrszug vor der Brut) und die Gonadenaktivi-             diese durch den Einschnitt des Randecker Maars überwin-
tät wären nicht aufeinander abgestimmt (z. B. Glutz           den; werden aber teilweise durch den Pass nach SSW bis SW
& Bauer 1997, Newton 2010 und dessen früheren                 abgelenkt. All diese Fälle ermöglichen eine klare Deutung
Arbeiten).                                                    als Langstreckenflug und somit als Zug, um Aktivitäten
   Die enorme Zahl von Veröffentlichungen zu Einflü-          beider Wanderbewegungen zu erfassen.
gen des Fichtenkreuzschnabels und sein Erscheinen in
zahllosen Wäldern haben bisher nicht zu schlüssigen           2.2 Erfassung
Deutungen geführt. Bestehende Zugtheorien (z. B.              Die Richtung zahlreicher ziehender Kreuzschnäbel wurde
Glutz & Bauer 1997, Newton 2010) zu Populationen              mit dem Kompass oder Kompassferngläsern festgestellt. Bei
verschiedener Ursprungsgebiete, insbesondere der auf          deren Benutzung wird die Richtung bei deckungsgleichem
                                                              Flügelab- und -aufschlag mit je nach Zugrichtung plus oder
Kiefernsamen spezialisierten südlichen Populationen,          minus 90° notiert. Soweit als möglich wurde der Anteil der
erklären nicht stimmig das generelle Wanderverhalten          Kleider (adulte Männchen, Weibchen und Jungvögel) festge-
des Fichtenkreuzschnabels.                                    halten, aber die Entfernung, die Lichtverhältnisse am frühen
   Die gängige Vorstellung geht davon aus, dass am            Morgen und im Gegenlicht sind zu näherer Identifikation
Ende des Invasionsweges eine Brut stattfindet und erst        oft nicht ausreichend. Während des Zugs im Flug singende
dann eine Rückwanderung erfolgt (Glutz & Bauer                Vögel gaben hingegen wichtige Hinweise auf deren jahres-
1997, Newton 2010). Dies würde dem Fichtenkreuz-              zyklischen Status.
schnabel im Migrationssystem paläarktischer Singvö-             Die Erfassbarkeit der in verschiedener Richtung fliegen-
gel eine einzigartige Stellung zubilligen. Unsere früher      den Kreuzschnäbel ist unterschiedlich. Während die aus
und hier vorgestellten Befunde widersprechen dieser           Norden kommenden Südzieher früh entdeckt werden kön-
                                                              nen, bleiben die aus Süden kommenden dem meist nach
Vor­stellung (Gatter 1993, 2000, 2014). Wir zeigen,           Norden blickenden Beobachter oft verborgen, bis er die Rufe
dass der Jahreszyklus des Fichtenkreuzschnabels dem           hört. Die zur Verfügung stehende Zeit, um Einzelheiten zu
anderer Singvögel der nördlichen Paläarktis ähnlich
ist, sich aber im jahreszeitlichen Ablauf unterscheidet.      Tab. 1: Anzahl singender Fichtenkreuzschnäbel im Bereich
                                                              des Randecker Maars nach Plan- und Zufallsbeobachtun-
                                                              gen. Obere Zeile nach SW ziehende Vögel, untere Zeile nach
2. Material und Methode                                       NE ziehende Fichtenkreuzschnäbel. Daten im Fettdruck
                                                              entstammen den Planbeobachtungen der Station Rande-
Das vorliegende Material stammt sowohl aus den Plan­beob­
                                                              cker Maar. ‒ Number of singing Common Crossbills in the
achtungen am Randecker Maar als auch von ganzjährig fast
                                                              area of Randecker Maar, from both standardised and random
täglichen Beobachtungsgängen in den Laubwäldern um das
                                                              observations. Top row shows those heading SW, the bottom
Randecker Maar aus fünf Jahrzehnten. Beide Datensätze
                                                              row shows those heading NE. Data from August to Novem-
werden getrennt behandelt.
                                                              ber (bold) come from standardised observations made at the
                                                              Randecker Maar research station, while data from July and
2.1 Beobachtungsgebiet
                                                              from December to February are from almost daily random
Ein stationäres Team von jährlich 15 bis über 20 Beob-        observations of birds flying over the deciduous woodland close
achtern erfasst die Zugbewegungen am Randecker Maar           to Randecker Maar.
ganztägig, beginnend jahrweise unterschiedlich im Juli oder
August bis zum 6. November bei fast täglicher Anwesenheit                Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb
des Erstverfassers. Ab den 1990er Jahren wurden Vögel im      RM nach SW 4    7 21 18 3       4   0   0
Juli und bis Mitte August lückiger und noch begleitend zu
Insektenzählungen erfasst.                                    RM nach NE 11 24 32 134 135 36 26 14
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 Färbung, Truppzusammensetzung etc. 3000              Anzahl nach Süd                                                       1200
 feststellen zu können ist dann nur kurz.             Anzahl nach Nord
    Leichte Süd- bis Westwinde för­dern 2500                                                                                1000
 hohen Zug oft an der Sichtbarkeits- oder
 Hörgrenze. Viele der Fichtenkreuzschnä- 2000                                                                               800
 bel kommen daher im Breitfrontzug sehr
 hoch über dem Plateau der Albhochfläche 1500
                                                                                                                            600
 an und werden erst erfassbar, wenn sie
 ihre Flughöhe angesichts der Gebirgs-
 kante und dem viel tiefer liegenden 1000                                                                                   400
 nördlichen Vorland reduzieren. Topo-
 graphische Situa­tion und Beobachtungs-     500                                                                            200
 bedingungen führen deshalb dazu, dass
 Nordzieher zu einem geringeren Anteil         0                                                                            0
                                                1970     1975    1980    1985    1990     1995    2000    2005     2010 2013
 erfasst werden als Südzieher.
                                            Abb. 1: Zahlen einfliegender (linke Achse, blaue Säulen) und rückwandern-
    Neben den Zugrichtungen wurden
                                            der (rechte Achse, rote Säulen) Fichtenkreuzschnäbel Loxia curvirostra am
 Färbung und Gesangs­       a ktivität der
                                            Randecker Maar zwischen August und November des jeweils selben Jahres
 Kreuzschnäbel notiert. Singende Vögel
                                            im Zeitraum 1970-2013. Beide Wanderungen eines Jahres finden zeitlich weit
 sind für die Deutung des Geschehens
                                            überschneidend statt. Nord- und Südflieger sind in unterschiedlichem Maßstab
 wichtiger als die Kleider, zumal Licht­
                                            dargestellt. – Numbers of south/south-west migrating (left axis to S, blue columns)
 verhältnisse und Entfernungen der meist
                                            and returning individuals (right axis to N, red columns) of Common Crossbill
 am frühen Morgen oder im Gegenlicht
                                            Loxia curvirostra at Randecker Maar between August and November of the
 ziehenden Vögel zur Identifikation des
                                            same year during the period 1970-2013. Both movements within one year broadly
 Geschlechts oft nicht ausreichen (Tab. 1).
                                            overlap in time. Note the different scales for the birds heading north and south.
    Im Zeitraum 1970-2013 wurden insge-
 samt 13.944 nach SW und 2.602 nach NE
 ziehende Fichtenkreuzschnäbel am Randecker Maar aus-             verhörten, weiteren 940 Fichtenkreuzschnäbeln bis Januar
 gewertet (Abb. 1). Zusätzlich zu den im Standardzeitraum         hinzu. Überfliegende Fichtenkreuzschnäbel, die nur gehört
 erfassten Fichtenkreuzschnäbeln kommen in der Umge-              wurden, werden mit der Anzahl „1“ vermerkt.
 bung des Randecker Maars noch Zufallsdaten von oft nur

 1600
  800                                                     1976 1983 1990 1993 2001 2002 2004
                                                                  n = 11.380

 1280                                                             15% = 19.08.
  640                                                             25% = 08.09.
                                                                  50% = 30.09.
                                                                  75% = 09.10.
                                                                                               Abb. 3: Kreuzschnabelzug nach Norden
  960                                                             85% = 14.10.                 am Randecker Maar noch im selben Jahr
  480                                                             30.09.   493                 folgend auf die sieben stärksten Einflüge
                                                                  04.10.   467                 aus den Abb. 1 und 2 zwischen 1970
                                                                  07.10.   387
  640                                                             08.10.   354                 und 2013 nach planmäßigen Zugbeob-
  320                                                             13.10.   350
                                                                                               achtungen. – Northbound migration of
  320
                                                                                               Common Crossbills at Randecker Maar
  160                                                                                          research station following (in the same
                                                                                               year) each of the seven strongest influxes
   0                                                                                           between 1970 and 2013 from standar-
              Aug.                Sep.          Okt.               Nov.             Dez.       dised migration observations.
  600
  300      1976 1983 1990 1993 2001 2002 2004
                       n = 1.981
  480                  15% = 09.09.
  240                  25% = 20.09.
                       50% = 17.10.
                       75% = 24.10.
  360                  85% = 25.10.
  180                  25.10.   238
                       24.10.   183                                                            Abb. 2: Kreuzschnabelzug nach Süden
                       23.10.   81                                                             am Randecker Maar in den sieben
  240                  22.10.   79
  120                  18.10.   66                                                             stärksten Invasionsjahren zwischen
                                                                                               1970-2013 nach planmäßigen Zugbeob-
  120                                                                                          achtungen. – Southbound migration of
   60
                                                                                               Common Crossbills at Randecker Maar
                                                                                               research station in the seven strongest
   0                                                                                           irruption years between 1970-2013, from
                Aug.                  Sep.         Okt.               Nov.             Dez.    standardised migration observation.
Der Fichtenkreuzschnabel Loxia curvirostra als regulärer Kurzstreckenzieher und Invasionsvogel mit Wegzug im Sommer, Heimzug im Herbst und Brut im ...
4                  W. GATTER & W. GATTER: Die unverstandenen Wanderflüge des Fichtenkreuzschnabels

3. Ergebnisse
Die jahresperiodisch-biologischen Abläufe beim FKS               fliegenden Trupps anzuschließen. Abb. 4 zeigt den
sind das Ziel der folgenden Auswertung. In zehn von 44           Verlauf der Bewegungen und den Wandel der Zurich-
Jahren kam es zu stärkeren Einflügen. In diesen Jahren           tungen im Jahresverlauf der Jahre 1976-1993 ungeach-
wird besonders deutlich, dass noch im selben Herbst bis          tet von deren Zughöhen. Bei den überwiegend auf den
in den Frühwinter hinein eine auffällige Rückwande-              frühen Morgen konzentrierten Wanderungen nach
rung nach NE folgte. Deren Intensität (Abb. 1) korreliert        SW, wie auch bei den Wanderungen nach NE, kom-
klar mit den Einflügen. Um die phänologischen Abläufe            men bzw. verschwinden die Vögel im Gegenlicht der
zu demonstrieren wurden die sieben stärksten Einflüge            Morgensonne, was nähere Identifikation erschwert.
mit mehr als 400 Vögeln in Abb. 2 zusammengefasst,               Siehe die Abb. 5 und 6 zu den Windpräferenzen der
die darauf erfolgenden Rückflüge in Abb. 3.                      nach SW bzw. der nach NE-Ziehenden.
  Die Beobachtungen an der Station RM setzen sich
neben Einzelvögeln aus Trupps von zwei bis fünf,                 3.1.1 Südzieher – Wegzug im Sommer und Herbst
sel­
   ten mehr Vögeln zusammen. Tausende unserer                    Die Einflüge im Juli und August sind wenig windbe-
Kom­ passmessungen an ziehenden Kreuzschnäbeln                   einflusst und zeigen eine leichte Bevorzugung südlicher
weisen unabhängig von den beiden Haupt­richtungen                bis nordöstlicher Winde, während sich in den folgenden
auf Unterschiede zwi­schen hoch ziehenden und den                Monaten bis November guter Zug zunehmend inner-
innerhalb des Gebirgseinschnitts ankommenden                     halb von Gegenwinden zeigt (Abb. 5). Von Norden
Vögeln hin. Sie bleiben damit aber innerhalb der über            kommender Zug unterhalb von ca. 400 m Flughöhe
Südwestdeutschland üblichen Hauptzugrichtungen                   führt am RM zu einer Verdichtung der im Breitfront-
anderer Arten.                                                   zug wandernden Vögel durch Bergflanken, die auf den
                                                                 Pass zuleiten. Sie zeigen nach Verlassen der Passenge im
3.1 Kreuzschnabelzug, Wetter und Topographie                     Sichtbereich der Beobachter eine breite Richtungsstreu-
Der Fichtenkreuzschnabel führt vom Spätsommer bis                ung, die sich nach Erreichen der Hochfläche wieder auf
Winterbeginn sowohl nach SW und durchschnitt-                    die Hauptzugrichtung einpendelt (Abb. 4).
lich später auch nach NW gerichtete Wanderungen                    Höher ziehende FKS fliegen unbeeinflusst von
durch (Gatter 1993). Im selben Zeitraum nach Süden               der Topographie und weichen von diesem Bild ab.
bzw. nach Norden ziehende Kreuzschnäbel zeigen an                Sie zeigen einen westlicher ausgerichteten Zug und
den einzelnen Tagen unterschiedliche Präferenz für               sind in Abb. 4 unterrepräsentiert, da hoch ziehend
Großwetterlagen. Bei Begegnungen entgegengesetzt                 und deshalb vielfach übersehen bzw. nur gehört. Der
wandernder Vögel lässt sich keiner dazu verleiten,               tageszeitliche Median wird im Juli schon ca. 7:30 h,
seine Richtung umzukehren, um sich entgegengesetzt               im November erst nach 9:00 h erreicht.

                     β = 223°                             β = 221°                             β = 208°
                     r = 0,80                             r = 0,60                             r = 0,52
                     n = 639                              n = 1348                             n = 5290

Abb. 4: Gemessene Zugrichtungen von Fichtenkreuzschnäbeln in den Jahren 1975-1996 im Juli links, im August (Mitte)
und rechts von September bis November. Bei der im Zentrum angezeigten Durchschnittsrichtung sind alle, auch Nord-
ostrichtungen, mit verrechnet. Die Süd-Südwestrichtungen sind durch den Flaschenhals des Passes beeinflusst. – Measured
Common Crossbill migration headings in the years 1975-1996 in July (left), August (middle), and September to November
(right). The average heading shown in the centre of the circles was derived from all these results, including birds heading NE.
The S-SW headings were influenced by the pass bottleneck.
Vogelwelt 2019, 139: 39-49
  VOGELWELT 138: 1 – 11 (2018)5

                                                                      β       =      201°                β    =   223°
                                                                      r       =      0,53                r    =   0,74
                                                                      n       =       200                n    =     43
                             β    =   122°
                             r    =   0,11
                             n    =    100

Abb. 5: Windpräferenzen nach Süden ziehender Fichtenkreuzschnäbel in den besten Zugstunden. Juli-August werte links,
Oktober in der Mitte beziehen sich auf die 100 bzw. 200 individuenreichsten Stunden. Der November rechts zeigt alle
gemessenen 43 Werte aus den Jahren 1975-1996. Gegenwinde werden bevorzugt bzw. bringen die Durchzügler durch
tieferen Flug in den �ichtbaren Bereich. ‒ Wind preferences of S-heading Common Crossbills in the hours with heaviest
migration in the years 1975-1996. The July-August (left) and October (middle) values were derived from the 100 or 200 hours
with the highest number of individuals, while those of November (right) show all 43 records from that period. Headwinds
were preferred or perhaps brought the migrants to a lower altitude where they were visible.

3.1.2 Nordzieher im Herbst und Winter – schwierig              November) wird die Zugrichtung wohl teilweise von
      erfassbarer „Heimzug“                                    der nach ENE weisenden Gebirgskante geleitet.
Nach Norden ziehende Kreuzschnäbel in den frühen
Morgenstunden ziehen bevorzugt mit südlichen Win-              3.2 Der Verlauf großer Einflüge
den. Die hundert zahlenstärksten Stunden von Septem-           Die sieben stärksten Einflüge aus 44 Jahren (Abb. 1),
ber bis November weisen auf eine starke Bevorzugung            in denen jeweils über 400 Fichtenkreuzschnäbel
südwestlicher, weniger ausgeprägt auf südliche bis öst-        zwischen August und dem 6. November nach Süden
liche Winde und somit fördernde Winde hin, als deren           gewandert sind, werden in Abb. 2, die der Rückflüge in
Folge der Zug hoch verläuft (Abb. 6). Der tageszeitliche       Abb. 3 gezeigt. Die Zahl der als einfliegend, also nach
Zug verläuft bei durchschnittlich kürzeren Tagen ähn-          Süd bis West notierten Vögel, wird teilweise durch
lich wie bei den Südziehern.
   Leichte Süd- bis Westwinde fördern hohen Zug oft
an der Sichtbarkeits- oder Hörgrenze. 42 % zogen
mit SW-Winden, weitere 37 % mit Winden aus Süd
bis Ost (Abb. 6) Ein größerer Prozentsatz als beim
Zug nach Süden wird nur nach Kontaktrufen oder
Gesang entdeckt. Zu den im Standardzeitraum nach                  β       =       206°
                                                                  r       =       0,44
NE Ziehenden kommen noch Zufallsdaten von weite-                  n       =        100
ren 940 ebenfalls nach NE ziehenden FKS bis Januar
hinzu. Trotz optimaler Beobachtungsbedingungen an
der Gebirgskante werden prozentual wahrscheinlich
weniger Nordzieher erfasst, als tatsächlich unterwegs
sind. Viele der Fichtenkreuzschnäbel kommen im
Breitfrontzug extrem hoch über dem Plateau der Alb-            Abb. 6: Windpräferenzen nach Nordost ziehender Fichten­
hochfläche „im Rücken“ der Beobachter an und wer-              kreuzschnäbel in den 100 zugstärksten/individuenreichsten
den erst erfassbar, wenn sie ihre Flughöhe angesichts          Stunden zeigen eine Bevorzugung von Rückenwinden. ‒
der Gebirgskante und dem fast 500 m tiefer liegenden           Wind preferences of NE-heading Common Crossbills in the
nördlichen Vorland reduzieren. Bei hoch über der Alb           100 hours with heaviest migration/highest number of indivi-
„heimziehenden“ Vögeln (im Standardzeitraum bis                duals show that following winds were preferred.
6                 W. GATTER & W. GATTER: Die unverstandenen Wanderflüge des Fichtenkreuzschnabels

Pass und Gebirgskante verdichtet. Bei der Zahl der         4. Diskussion
im Bereich weniger Wochen nach Norden zurück-
wandernden Kreuzschnäbel ragt das Jahr 1990 heraus.        Der Fichtenkreuzschnabel soll nach gängiger Ansicht
   Ein Problem unserer Betrachtung der Ein- und            im Gegensatz zu allen anderen Singvogelarten unserer
Rückflüge ist der zeitigere, von uns nicht in allen Jah-   Fauna nur einen dem Herbstzug anderer Arten entspre-
ren erfasste Beginn der Einflüge. Dadurch kann keine       chenden Weg- bzw. Invasionszug ausführen (Newton
Relation zwischen Nord- und Südziehern angegeben           2006). Erst im Folgejahr, an die Brutzeit anschließend,
werden. Bei der bis in den äußersten Südwesten Euro-       soll dann ein meist in Herkunftsrichtung führender
pas reichenden Evasion 1990 folgte umfangreiche            „Heimzug“ erfolgen. Er stünde damit innerhalb der
Rückwanderung. Gegenüber den 2.938 SW-Ziehern              paläarktischen Singvögel allein – ein Umstand, des-
bis zum 6. November das Jahres am Randecker Maar           sen Einmaligkeit nie hinterfragt wurde. Eine der Ursa-
stellten sich die über 800 Rückwanderer als bedeutend      chen für diese von uns nicht geteilte Ansicht sehen wir
heraus, zumal der Zug nach NE über den Wäldern nach        darin, dass Kreuzschnäbel dank ihrer herausragenden
Saisonende der Planbeobachtung noch bis Dezember           Flugeigenschaften hoch ziehen, dabei robust gegenüber
anhielt. Bei mildem Spätherbstwetter und Rückenwin-        ungünstigen Winden sind und fast nur an Gebirgsbar-
den aus SW-W hoben sich höchste Tagessummen nach           rieren in Erscheinung treten. Ihre Wanderungen zeigen
NE ziehender mit 169 am 24. Oktober und 233 am 25.         sich nur dort klar, wo beide Richtungen außerhalb von
Oktober 1990 bei starker Gesangstätigkeit ab. Parallel     potentiellen Nahrungsgebieten erfasst werden können,
dazu begegneten ihnen 27 bzw. 59 Fichtenkreuzschnä-        wie etwa am Randecker Maar, weil hier Nadelwälder
bel noch mit weiterhin nach WSW verlaufendem Zug.          fehlen.
Gegen Ende Novembers schwächte sich der Rückzug               Die Hauptrichtung der hoch und unbeeinflusst von
nach NE ab, stellte aber insgesamt einen ungewöhnlich      der Topographie ziehenden Fichtenkreuzschnäbel ist
hohen Prozentwert dar.                                     am Randecker Maar ENE und umgekehrt. Als Her-
   Besonders bei den beiden stärksten Invasionen 1990      kunft bzw. zukünftigem Fernziel der meisten kann
und 2004 wird deutlich, dass weder im Jahr zuvor noch      deshalb überwiegend Russland angenommen werden;
danach stärkere Zugbewegungen stattfanden (Abb. 1).        unsere Durchzügler scheinen nur zu einem geringeren
Der gesamte Hin- und Wegzug spielte sich offensicht-       Anteil aus Norwegen zu kommen (Karte T bei Zink &
lich innerhalb eines Jahres ab. Eine Annahme wäre,         Bairlein 1995 und Bairlein et al. 2014). Die von uns
dass 2004 (im Gegensatz zu 1990) ein weit höherer          ermittelten Richtungen und Zahlen vermitteln den
Anteil südwestlich des RM verblieb oder zur Brut           Eindruck, dass die russischen Brutbestände bei Hage-
schritt. 2004 erfolgte der Rückzug nach Norden bis         meijer & Blair (1997) unterschätzt werden (siehe
zum Ende der Planbeobachtung am 6. November und            auch Karten T und U bei Zink & Bairlein 1995).
gehörte zu den drei stärksten NE-Wanderungen aller
Jahre. Da sich der NE-Zug über den Wäldern noch bis        4.1 Migration im Einklang mit der
zum Jahresende auffällig gestaltete, ist er zahlenmäßig          Nahrungsverfügbarkeit
in unseren Daten unterrepräsentiert (Abb. 1). In Jahren    Heute treffen Kreuzschnäbel und andere samenfres-
mit wenigen Zugbewegungen war der Heimzug nach             sende Arten im mittleren Europa im Gegensatz noch
NE zeitlich teils breit gestreut.                          zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf Regionen
                                                           mit höherem Waldanteil und mit älteren Wäldern, die
3.2.1 Der Wandel von Gesangsaktivität und Kleidern         ihnen eine hohe Chance auf Überleben und erfolgrei-
Die tageszeitliche Zugmuster bei Süd- und Nordzie-         che Rückwanderung in die Herkunftsgebiete bieten
hern ähneln sich sehr stark. Die Unterschiede beider       (Gatter 2004). Zahlreiche, z. T. exotische Nadel­baum­
sind im Wesentlichen darauf zurück zu führen, dass         arten mit abweichenden jährlichen und jahreszeitlichen
die Rückwanderungen jahreszeitlich gesehen später          Mastangeboten bieten den Kreuzschnäbeln in ehemals
erfolgen und die Tage dann kürzer sind.                    nahezu nadelwaldfreien Gebieten Dänemarks, Belgiens,
  Der Anteil roter Männchen ist bei Nordostziehern         Nordfrankreichs, der Niederlande und Norddeutsch-
höher als bei den Südwestziehern. Allerdings sind die      lands eine nie zuvor gebotene Nahrungsvielfalt. Der
Erfassungsbedingungen sehr unterschiedlich (vgl.           kontinentweite Anbau von Fichte und Kiefer und der
Kap. Methoden), so dass kaum klare quantitative Aus­       einst sehr begrenzt vorkommenden Europäischen Lär-
sagen möglich sind. Hingegen gelingt es viel genauer       che haben unsere vormals von Laubbäumen beherrsch-
und unabhängig von den Lichtbedingungen, wäh-              ten Wälder völlig verwandelt.
rend des Zugs singende Vögel festzustellen (Tab. 1).         Während alle anderen Passeres einen Jahreszyklus
Setzt man sie in Relation zu den Gesamtzahlen der          besitzen, der auf den Brutbeginn im Frühjahr ausge-
Durchzügler, so ist der Unterschied zwischen Süd- und      richtet ist, ist derjenige des Fichtenkreuzschnabels an
Nordziehenden noch viel deutlicher. Leider lassen es       die Fruktifikationszeiten der beiden Koniferen Fichte
die Zufallsbeobachtungen über dem Wald selten zu,          und Waldkiefer angepasst. Die Blühinduzierung
die Truppgröße exakt zu bestimmen, so dass wir auch        erfolgt bei beiden Koniferen im Sommer vor der Blüte.
hier auf Relativzahlen verzichten.                         Im gemäßigten Klima können Fichtenzapfen schon im
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Sommer nach der Blüte Nahrung bieten, diese ist jedoch     einer bis über Mitteleuropa hinaus bemerkten massi-
aufgrund der stabilen Zapfenschuppen schwer zugäng-        ven Invasion jährlich streckenmäßig weitere partielle
lich. Diese lockern bzw. öffnen sich erst im Februar       Rückwanderungen statt, denen am RM innerhalb fünf
und März des Folgejahres. Erst dann sind die Samen         weiterer Herbste geringer werdende Pendelbewegun-
leicht erreichbar. Daran hat sich die Hauptbrutzeit des    gen nach Mitteleuropa folgten. Ähnliches dürfte beim
Fichtenkreuzschnabels angepasst. Der Fruchtansatz,         Fichtenkreuzschnabel und seiner zwei- bis mehrjähri-
der bei der Kiefer über die Jahre zu einer viel gleich-    gen Rückkehrdauer (Newton 2010) in die Ausgangs-
mäßigeren Mast führt als bei der Fichte, mildert die       gebiete ablaufen.
Populationsschwankungen des Fichtenkreuzschnabels
ab. Er ist gleichzeitig aber auch die Lösung des Rätsels   4.2 Migration im Einklang mit der
für den Erfolg kontinentaler Fichtenkreuzschnäbel.               Gonadenentwicklung
Im Gegensatz zur Fichte öffnen sich die Zapfen der         Dem Zusammenspiel von Depotfett-Zyklen (Bert-
Kiefer erst ein Jahr nach der Blüte und sind ab Mai ver-   hold 1977), Gonadenentwicklung (Berthold &
fügbar, wenn die Fichtenmast erschöpft ist. Die Kiefer     Gwinner 1978) und Gesangsaktivitäten (Gatter 1993,
mit ihrer regelmäßigeren, allerdings meist nur spärlich    und hier unter Kap. 2.1) wurde bisher kaum Beachtung
verfügbaren Mast ermöglicht somit Zweitbruten, die         geschenkt. Berthold & Gwinner (1978) zeigen, dass
in großer räumlicher Entfernung zu den ersten liegen       der Höhepunkt der Gonadenentwicklung und Fort-
können. Die extremen Ausmaße der Region mit bore-          pflanzungsbereitschaft im Januar/ Februar erreicht
alen und subborealen Wäldern werden in den meisten         wird (Abb. 7) und bestätigen damit unsere Auffassung,
Jahren Ausweichmöglichkeiten bieten. Der jahreszeit-       dass Weg- und Heimzug somit wie bei anderen Arten
liche Beginn der meisten größeren Invasionen zeigt         vor der Brutzeit liegen.
wohl dennoch an, dass das großräumige Ausbleiben              Auf den vorbrutzeitlichem NE-Zug bei parallel
der Kiefernmast in erreichbaren Gebieten ein Auslöser      anstei­gender Hodenentwicklung (Berthold & Gwin-
der Evasionen des Fichtenkreuzschnabels sein dürfte.       ner 1978) folgt bei dieser Art mit offensichtlichem Teil­
   Gerade bei Verwandten der Kreuzschnäbel und ver-        zie­her­verhalten die winterliche Brutzeit in den Fichten­
schiedenen spezialisierten Samenfressern finden sich       wäldern. Auf die Brut folgt ein oft ebenfalls nach NE
eindrucksvolle Beispiele von überwiegend nach Nord         gerichteter Zwischenzug ab April. Zeitlich trifft er mit
und Ost gerichtetem Zwischenzug, der mehr oder             dem Erlöschen der Fichtenmast und dem Wechsel zur
weniger lange vor der eigentlichen Wegzugzeit liegt.       jetzt verfügbaren Kiefermast zusammen. Der Schwer-
   Ein anschauliches Beispiel ist das Zugverhalten des     punkt der Kiefernvorkommen in Nordeuropa liegt
Birkenzeisigs Carduelis flammea. Mit seinen sich nach      überwiegend nördlich und östlich der großen Fich-
Norden verlagernden Brutarealen zwischen ersten und        tenvorkommen (Gatter 1993, Glutz & Bauer 1997).
zweiten Bruten zeigt er vergleichbare Abläufe, und            Bei großen Wanderentfernungen der Fichten­
man kann sein Zugverhalten als dem des Fichten-            kreuz­schnäbel aus dem Invasionsraum zurück in die
kreuzschnabels entsprechend betrachten. Svanberg           nordosteuropäischen Heimatgebiete würden sie dort
(1936) und Peiponen (1957) berichten erstmals über         eine Mangelsituation vorfinden, die sie schon bei der
die früh im Fichtengürtel der Konife­renzone Skandi-       Evasion erkennen konnten. Eine Zugstrategie mit jahr-
naviens brütenden Birkenzeisige, die später, gefolgt       weise partiellem Heimzug über zwei und mehr Jahre,
von ihren Jungen, in der Fjällregion des hohen Nor-        wie bei den unter 4.1 erwähnten „Trompetergimpeln“
dens weitere Bruten im Vegetationsgürtel der Birken        P. pyrrhula, ist plausibel und würde erklären, wieso
tätigen. Beim Birkenzeisig können demnach in vielen        Ringfunde von Fichtenkreuzschnäbeln im vermuteten
Jahren zwei in der gleichen Brutsaison aufeinanderfol-     osteuropäischen Herkunftsgebiet meist erst nach zwei
gende, räumlich weit getrennte Bruten erfolgen. Dabei      und mehr Jahren vorliegen.
profitiert eine erste Brut in den südlichen Wäldern
vom Samenangebot der Fichte, eine weitere von den                              8
Samen der Birkenarten in den Fjälls des Nordens.
                                                           gonad length (mm)

Die Jungen der ersten Brut folgen den Alten auf ihrer                          6
                                                             Hodenlänge –

Wanderung und leisten diesen im neuen Brutgebiet
Gesellschaft (Peiponen 1957).                                                  4
   Gimpel P. pyrrhula, mit wahrscheinlicher Her-
                                                                               2
kunft aus dem Uralgebiet, sorgten 2004 erstmals mit
ihren ungewohnten Rufen („Trompetergimpel“) am                                 0
Randecker Maar für Aufregung, nachdem sie in den                                   J   F   M   A   M  J     J   A   S   O   N   D
vorangegangenen über 38 Jahren nie gehört worden                                                   Monate – month
waren. Sie erschienen dann über mehrere Jahre mit von      Abb. 7: Jahreszeitliche Variation der Hodenlänge adul-
Jahr zu Jahr abnehmenden weiteren Einflügen, um seit       ter Fichtenkreuzschnabel-Männchen (nach Berthold &
nunmehr 10 Jahren nicht wieder bemerkt zu werden.          Gwinner (1978). ‒ Seasonal variation (means with standard
Ganz offensichtlich fanden nach der ersten Evasion mit     error) in gonad length of adult male Common Crossbills.
8                 W. GATTER & W. GATTER: Die unverstandenen Wanderflüge des Fichtenkreuzschnabels

4.3 Zug, Jahreszyklus und ein Blick auf                       Wir schließen, dass der Fichtenkreuzschnabel die
      kontroverse Ansichten                                 Gene eines typischen Teil- und Kurzstreckenziehers
Nach Auswertung von Einflügen aus fünf Jahrzehnten          hat und seine Individuen Elemente vom Standvogel
folgern wir, dass ein jahrweise sehr unterschiedlicher      bis zum Mittelstreckenzieher aufweisen.
Anteil der Fichtenkreuzschnäbel im Herbst losgelöst           Es gibt keine Belege, dass sich Fichtenkreuzschnäbel
vom Status der Einflugszeit (entsprechend dem Früh-         ausschließlich innerhalb des in Glutz & Bauer (1997)
jahrszug sonstiger Singvögel) noch vor der Brutzeit über    und in dem von Newton (2007, 2010) gesetzten Rah-
kleinere oder größere Strecken in teils zuvor explorierte   men eines Invasionszuges mit Brut an dessen Ende
Regionen zurückwandert, um dabei Wälder aufzusu-            bewegen. Newton (2007, 2010) schließt aus den wenigen
chen, die ausreichend Nahrung und Brutmöglichkeiten         Ringfunden, dass Fichtenkreuzschnäbel zu Anfang des
bieten (Abb. 1).                                            Folgejahrs brüten und erst zwei oder mehr Jahre nach
   Die Zahlen aller starken Einflüge am Randecker           dem Einflug zurückwandern. Mit dem once yearly mig-
Maar belegen, dass die Umkehrenden aus der jeweiligen       rant postuliert er eine neue Klasse des Vogelzugs mit
aktuellen Invasion stammen müssen, da sie sich nicht        • Invasionszug aus NE-Europa an ein Invasionsendziel
aus den Zahlen des Vorjahrs erklären lassen (Abb. 1).         im SW mit Brut am Endziel der Invasion im darauf
Erst diese auf die Einwanderung folgenden Rückwan-            folgenden Jahr.
derungen (Abb. 3) und ihre Regelmäßigkeit entspre-          • Jungvögel, die im Invasionsgebiet aufwachsen,
chen wohl nun losgelöst vom Invasionsgeschehen den            machen ihre erste Reise in umgekehrter Richtung
normalen im Heimatgebiet stattfindenden saisonalen            der ersten Reise ihrer Eltern und der aller anderen
Bewegungen. Die sich nach den Invasionen und in               Individuen, die im regulären Verbreitungsgebiet auf­
Ringfunden (Zink & Bairlein 1995) abzeichnenden               gewachsen sind.
eher kurzen Migrationsentfernungen kennzeichnen
den Fichten­kreuzschnabel als Teilzieher mit normal in      Newton geht dabei offenbar davon aus, dass der Zug des
die Gonadenzyklen eingebetteten Zugzeiten, wie wir          Fichtenkreuzschnabels sich nicht, wie bei allen ande-
sie von anderen Arten kennen. Dieses Schema dürfte          ren Singvogelarten der nördlichen Paläarktis, an den
selbst auf Invasionsjahre nach den beim Einflug regis-      begleitenden Einflüssen wie der Gonadenentwicklung
trierten großen Entfernungsdimensionen zutreffen.           ausrichtet. Bei Punkt 2 unterläuft ihm unseres Erachtens
Die Gründe für eine weiter andauernde Schocksitua-          eine doppelte Verwechslung mit dem Zwischenzug, dem
tion aus Dichtefaktor und Nahrungsmangel existieren         Dispersal, einerseits, wie wir es von vielen Arten ken-
nicht mehr. Unklar muss bleiben, wie weit die rück-         nen, und den regulären Zugbewegungen andererseits.
wandernden Fichtenkreuzschnäbel ziehen. Vermutlich             Als Ergebnis ähnlicher Überlegungen zum Ablauf
erreichen nur wenige bei der ersten Rückwanderphase         der Bewegungen fassen Glutz & Bauer (1997) nicht
nach Evasionen ihre Herkunftsgebiete, die sie gerade,       ohne Bedenken an den eigenen Ausführungen – wie
wohl überwiegend wegen Nahrungsmangel, verlassen            folgt zusammen: „schließlich scheint das postnuptiale
hatten. Dafür sprechen die Ringfunde im vermuteten          Dispersal bei manchen Kreuzschnabelpopulationen die
Herkunftsgebiet, die fast alle erst nach zwei und mehr      Form eines gleichfalls +/- sektoriell ausgerichteten, von
Jahren nach der Beringung erbracht wurden.                  Population zu Population unterschiedlich orientierten
   Um die extremen Wanderungen zu verstehen, hilft          Zwischenzugs anzunehmen – evtl. eine Anpassung,
ein Blick auf seinen außergewöhnlichen Handflügel-          die im Winterquartier zur Brut schreitenden Vögeln
index. Mit 39-42 übertrifft der Fichtenkreuzschnabel        die Rückorientierung in ihren normalen Zugraum und
die meisten Transsaharazieher außer den Schwalben.          -rhythmus erleichtert“.
Innerhalb der Finkenartigen steht er an der Spitze,            Glutz & Bauer (1997) verweisen die Darstellung von
der Gimpel P. pyrrhula mit 24-26 an deren Ende, mit         Gatter(1993) der auf die Einflüge folgend kompasso-
18-21 weit unterboten vom Eichelhäher (Kipp 1959).          rientiert oder navigierend zurückwandernden Fichten-
In einer Zunahme der Indexzahlen, d. h. einem spit-         kreuzschnäbel in die Rubrik des „Zigeunervogels“ und
zer und länger werdenden Handflügel, sieht Kipp             sprechen der Art normale Zugzeiten ab.Sie legen wie
(1958) neben der Grundlage für eine evolutionsge-           Newton (2007, 2010) das Brutgeschehen an das geo-
schichtliche Behandlung des Vogelzugs, auch deren           graphische Ende des Invasionseinflugs mit erst darauf
Einfluss auf Zuggeschwindigkeit und Zugstrategie.           folgendem Heimzug. Es wird nicht versucht, das explizit
Die dem Fichtenkreuzschnabel aus der Flügelmor-             erwähnte Gonadengeschehen in das Zuggeschehen des
phologie erwachsenden Vorteile hat Gatter (1979)            Fichtenkreuzschnabels einzubinden.
innerhalb des Zugs von Buch- und Bergfink Fringilla            Newtons (2007, 2010) Bild des Kreuzschnabelzugs
coelebs, F. montifringilla erläutert. Sie ermöglichen       beruht weitgehend auf den von Schloss (1984) publi-
dem Fichtenkreuzschnabel die spektakulären Eva-             zierten Ringfunden von in Deutschland zwischen Juni
sionen aus dem östlichsten Kontinentaleuropa und            und von ihm angenommenen Einflugsende im Okto-
selbst Westsibirien (HVM 1997) bis Portugal und in          ber beringter Fichtenkreuzschnäbel. Diese Funde und
die Atlasgebirge.                                           diejenigen der in der Schweiz beringten Vögel (z. B.
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Paar des Fichtenkreuzschnabels, rechts das Weibchen.                                             Fotos: W. Gatter

Winkler 1973) lassen die schon vor der Beringung            unmittelbaren Umkehr in Herkunftsrichtung vor der
erfolgten Bewegungen in beiden Richtungen nicht             Brutzeit ab. Von den wenigen seiner Fundpunkte ent-
erkennen. Sie ermöglichen kaum Einblicke in deren           lang von ca. 60° N, die sich in Russland über 2.000 km
Zugrichtungen, vor allem nicht auf die seit Einflugbe-      nach Osten erstrecken, gehen zwei Drittel auf die 1963er
ginn zurückgelegten Entfernungen beider Richtungen.         Invasion zurück. Südlich schließt sich eine räumliche
Newton (2007, 2010) zeigt Wiederfunde des Folgejahrs        Ringfundlücke an, die über 3.000 km nach Nordosten
und weiterer Jahre nach der Beringung innerhalb eines       bis zum Ural reicht.
über 2000 km breiten Ost-Westraums von Mitteleuropa           Die Frage, inwieweit die auf Sommerinvasionen fol-
bis Portugal. Er blendet mit November und Dezember          gende Herbst- und Wintersaison noch von Evasions-
der Einflugjahre Zeiten aus, während denen am Rande-        druck beeinflusst ist, haben wir diskutiert und nehmen
cker Maar einerseits noch weiterhin Wanderungen nach        stattdessen an, dass sich nach dem Abklingen des oft
SW, andererseits aber die stärksten Rückwanderungen         gewaltigen Evasionsdrucks ab September eine dem
zurück nach NE stattfinden. Somit können viele von          normalen Herbstzug anderer Kurzstreckenzieher ver-
Newtons insgesamt wenigen gezeigten Funden Indi-            gleichbare Bewegung formt.
viduen betreffen, die bereits eine lange Rückreise hinter     Die Auffassung, die von Glutz & Bauer (1997) und
sich hatten. Seine Ringfundkarte lässt Gewichtungen         Newton (2010) vertreten wird, der Fichtenkreuzschna-
der Ringfunde vermissen. Die starke Akkumulierung           bel brüte am Endpunkt der Invasionswanderungen,
seiner Fundorte unmittelbar westlich der ehemaligen         erscheint uns aus verschiedenen Gründen nicht zutref-
Warschauer-Pakt-Staaten sind als Zeichen viel höhe-         fend zu sein. Die Bedingungen am Ziel sind unvorher-
rer Wiederfundaussichten gegenüber weiter im Osten          sehbar z. B. von Fehlmasten oder aber Überbevölkerung
liegenden Gebieten zu sehen (zur Bewertung solcher          geprägt. Sie würden dem von Newton (2010) selbst
Ringfundverteilungen siehe Korner-Nievergelt et             verworfenen „Totwandern“ im Sinne Wynne-Edwards
al. 2012).                                                  (1962) entsprechen, das aus der Hypothese entstand,
   Newtons Karte bestätigt damit zunächst das bekannte      dass die in den einst waldarmen Gebieten Mittel-, Süd-
Bild, dass Ringfunde aus den Warschauer-Pakt-Staaten        und Westeuropas endenden Invasionsvögel verhun-
während der Zeit des Kalten Kriegs kaum gemeldet wur-       gern. Die diesbezügliche heutige Situation beschreibt
den. Seine zuletzt 2010 und mehrfach davor publizier-       Gatter (2004): Flexibilität mit Umkehr einerseits oder
ten Funde geben weniger die ornithologischen Abläufe        Tod andererseits wären logische Folgen. Umkehr wird
als die politischen Rahmenbedingungen der von ihm           zwar in vielen solchen Fällen durch die vorgefundenen
gezeigten, zwischen 1930 und 1963 erfolgten Beringun-       Verhältnisse erzwungen und würde damit unsere Beob-
gen wieder. Sie zeichnen ein von Krieg, Nachkriegsfol-      achtungen bestätigen, wir gehen aber soweit, anzuneh-
gen, Sprachbarrieren und sehr unterschiedlichen Bevöl-      men, dass die Umkehr wie bei anderen Arten in Form
kerungsdichten geprägtes Bild der Fundverteilung in         eines Heimzugs genetisch festgelegt ist.
einem Gebiet, das der Größe von zwei Dritteln Europas         In den von uns näher behandelten 44 Jahren gab es im
entspricht. Es lässt im Vergleich zum westlichen Mit-       Südwesten Deutschlands neben Sprengmasten 12 stär-
tel- und Westeuropa kaum Wiederfunde erwarten, was          kere Mastjahre der Fichte (Gatter & Mattes 2018),
den Fichtenkreuzschnabel zum dankbaren Objekt für           und unter Einbeziehung bereits durchwanderter oder
zukünftige Besenderungen machen würde.                      vor ihnen liegender Großräume sicher noch weitere
   Newton (2010) schwächt damit seine eigene Aussage        Jahre mit guten Ernährungsaussichten. Mittel- und
bezüglich Zweifeln an einer vielfach mehr oder weniger      westeuropäische Forsten bieten heute ein hohes Maß
10                 W. GATTER & W. GATTER: Die unverstandenen Wanderflüge des Fichtenkreuzschnabels

an zuverlässig verfügbaren Koniferensamen (Gatter                erklären. Weg- und Heimzug laufen zwischen Spätsom-
2000, Gatter & Mattes 2018). Obwohl Kreuzschnäbel                mer und Winterbeginn desselben Kalender­jahrs ab. Sie
dessen ungeachtet zum Teil tausende Kilometer weiter-            stehen auch nicht konträr zu entsprechenden Bewegun-
ziehen, lassen umfangreiche unmittelbare Rückwande-              gen in den unermesslich großen Heimatgebieten der
rungen, wie besonders 1990, auch weiterhin Engpässe              Kreuzschnäbel, die von den nördlichen Waldgrenzen
vermuten.                                                        Europas bis jenseits des Ural und südwärts bis in die
   Die von Zink & Bairlein (1995) präsentierten Ring­            anschließenden Wälder des Steppengürtels (Walter
funde von kurz auf die Beringung erfolgten Wieder-               1974) führen. Dies ist für die Deutung der durchschnitt-
funden fordern dazu heraus, deren Lage nicht als End-            lichen Invasionen wichtig. Die aus der herausragen-
punkte einer Wanderung zu betrachten, sondern sie                den Invasion von 1963 gezogenen Schlüsse, die einen
innerhalb eines räumlich-zeitlichen Ablaufs zu sehen.            wesentlichen Grundpfeiler der Hypothese von New-
So lassen dort die Karten F (keine Funde im Westen               ton (2007, 2010) bilden und einen Großteil bis heute
nach Nov) und K Raum zur Deutung unmittelbarer                   bekannter extremer Fernfunde im potentiell vermute-
Rückwanderung, und die Karten O und P bringen sogar              ten Herkunftsgebiet stellen, können wir nicht teilen.
die entsprechenden Belege einer raschen Umkehr inner-            Diese Invasion war ein Jahrhundertereignis, das sich
halb von ein bis drei Monaten aus Gebieten mit eher              seither nicht wiederholt hat.
schwachen Chancen für Rückmeldungen.                                Die seine Flügelmorphologie und den Jahreszyklus
   Zusammenfassend weisen unsere Untersuchun-                    beeinflussende Anpassung an Fichte und Kiefer ließ
gen den zentraleuropäischen Fichtenkreuzschnabel                 den Fichtenkreuzschnabel in der alten Welt gegenüber
als einen Teilzieher mit Neigung zu kontinentweiten              seinen von Kiefernarten abhängigen iberischen, medi-
Emigrationen aus. Der Fichtenkreuzschnabel nimmt                 terranen und nordafrikanischen Populationen zum
allenfalls insofern eine Sonderstellung ein, als seine           erfolgreichsten Vertreter der Gattung Loxia in Europa
Weg- und Heimzugbewegungen jahreszeitlich anders                 und Asien werden.
liegen als bei fast allen anderen Zugvögeln. Der Jah-
reslauf mit Wanderungen zwischen Erst- und Zweit-                Dank. In den fünf Jahrzehnten haben .sich weit über
                                                                 500 Beobachter an der Zugplanbeobachtung am Rande-
bruten (bzw. Aufenthalten) entspricht jahreszeitlich
                                                                 cker Maar beteiligt, denen wir hiermit herzlichst danken
verschoben denen des Birkenzeisigs Carduelis flammea             möchten. Viele davon sind bei Gatter (2000) namentlich
(Kap.4.1). Abweichend von bisherigen Thesen nehmen               erwähnt, eine komplette Weiterführung würde hier den
wir an, dass auf außergewöhnliche Emigrationen fol-              Rahmen sprengen. Mit Andreas Hachenberg verbinde ich
gend nach Ende des Emigrationstriebs innerhalb des               gemeinsam erlebten Kreuzschnabelzug und Diskussionen
nun blasenartig erweiterten Areals normale jahreszykli-          zum Thema. Für teils vieljährige Mitarbeit, Ratschläge oder
sche Abläufe entlang der Einwanderungsroute in Form              die Durchsicht des Manuskripts danke ich Hartmut Eben-
eines Teilzieher-Heimzugs die Oberhand gewinnen.                 höh, Carola Harlan, Rose Klein, Tina Kulhanek, Fränzi
Sie wären damit auch eine der Ursachen für die gra-              Korner-Nievergelt, Hermann Mattes, Thomas Mei-
duelle Heimkehr in die Ausgangsgebiete, wie wir sie              neke, Rolf Schlenker, Juan Carlo Senar und Friederike
                                                                 Woog, für technische Unterstützung Wolfgang Brockert,
bei Invasionen sibirischer Tannenhäher noch während
                                                                 Dorothea Gatter, Peer Gatter, Martin Schrezenmaier,
der Invasion nach Westen kennen (Gatter et al. 1979,             Rainer Schütt, sowie Brian Hillcoat für die englische
Noskov et al. 2005) und bei Gimpel, Kleiber und wohl             Zusammenfassung und weitere Hinweise. Martin Flade
auch Kohlmeise aus Osteuropa annehmen.                           danke ich für die Durchsicht des Manuskripts. An Peter
   Im Gegensatz zur Annahme Newtons (2010) bedarf                Berthold geht mein Dank für die Genehmigung zur Ver-
es keines Zweijahreszyklus, um die Zugbewegungen zu              wendung von Abb. 3.

5. Zusammenfassung
Gatter, W. & W. Gatter 2018: Der Fichtenkreuzschnabel Loxia curvirostra als regulärer Kurzstreckenzieher und Inva­
sionsvogel: Zugbeobachtungen aus fünf Jahrzehnten am Randecker Maar. Vogelwelt 138: …-….
Als einzigem Singvogel werden dem Fichtenkreuzschna-             dar, während der Invasionseinflüge und ihre Folgebewegungen
bel in der ornithologischen Fachliteratur statt jährlich zwei    jeweils ganzjährig erfasst werden konnten. Bei den Invasionen
aufeinanderfolgender Zugzeiten, entsprechend Herbst- und         ab Juni aus NE überwiegen zunächst Schlichtkleider, Gesang
Frühjahrszug, nur eine Zugzeit vor und eine Dismigrations-       ist die Ausnahme. In der Zeit zwischen Spätsommer und Win-
phase nach der Brutzeit zugestanden. Eine weitere Hypothese      terbeginn erfolgen Wanderungen, die sowohl dem Herbst- als
bescheinigt ihm gar einen Zweijahreszyklus. Dem widerspre-       auch Frühjahrszug anderer Vogelarten entsprechen.
chend sehen wir ein einjährig circannuales Geschehen mit            Den 13.944 topographisch teils durch einen Pass verdichtet
mehr oder weniger umfangreichem räumlich beschränktem            nach SW ziehenden Fichtenkreuzschnäbeln, stehen insgesamt
Heimzug noch im Jahr des Einflugs (Gatter 1993). Unser           2602 im Spätsommer und Herbst nach NE Ziehende gegen-
Material vom Randecker Maar, abseits von Koniferengebieten       über, die auf breiter Front über dem Gebirge ankommen. Beide
und jahreszeitlichen Einschränkungen gewonnen, umfasst fünf      Migrationen überschneiden sich zeitlich, aber der Zug nach
Jahrzehnte und stellt die einzige bisher bekannte Untersuchung   NE erfolgt durchschnittlich später.
Vogelwelt 2019,138:
   VOGELWELT    139:1 – 39-49
                        11 (2018)11

    Konträr zu anderen Arten, die nach Herbstzug und Winter        verlassenen Gebiete wieder zu erreichen. Diese Gleichzeitigkeit
 unserem kalendarischen Jahreszyklus folgen, orientiert sich der   der Ereignisse erschwert die Deutung von Beobachtungen und
 Zug des Fichtenkreuzschnabels bei uns wie in seinen östlichen     Ringfunden.
 Brutgebieten an der Nahrungsverfügbarkeit durch die Fichte,          Auf die NE-Wanderung im Herbst, die dem Frühjahrszug
 gefolgt von dem der Kiefer. Beide steuern seinen Jahreszyk-       anderer Arten entspricht, folgt die Brut in den Fichtenwäldern,
 lus. Auf steigende Gesangsaktivität nach Norden Ziehender         gefolgt von einem darauffolgenden Dispersal mit sektoriell aus-
 im Herbst und dem Höhepunkt der Hodenentwicklung zur              gerichtetem Zwischenzug in Kieferngebiete und gegebenenfalls
 Jahreswende folgen Brut im Winter, Dismigration und Bau-          dortiger Brut. Unsere Untersuchungen zeigen den Fichten-
 martenwechsel im Frühjahr.                                        kreuzschnabel als einen normalen Teilzieher mit Neigung zu
    Viele Kreuzschnäbel verweilen im Herbst nach Invasionen        Emigrationen, bei dem Jahresablauf und Gonadenentwicklung
 in Ruhezielen (entsprechend einem Winterquartier) entlang         zwar jahreszeitlich verschoben sind, jedoch sonst denen ande-
 großer Bereiche der Einwanderungsroute. Befreit vom voran-        rer paläarktischer Singvögel entsprechen.
 gegangenen Evasionsdruck wandern sie in variierenden Antei-          Dem Zusammenspiel von Depotfett-Zyklen, der Gonaden-
 len, wohl von ihrem sexuellen Status abhängig, in einem bisher    entwicklung, Zugrichtungen und Gesangsaktivitäten wurde
 „übersehenen Heimzug“ zurück, ohne zwangsweise die zuvor          bisher kaum Beachtung geschenkt.

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    Wiesbaden.                                                        Wiesbaden.
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 Manuskript-Eingang: 13. März 2018                                 Wulf Gatter, Hans-Thoma-Weg 31,
 Annahme Revision: 27. Nov. 2018                                    73230 Kirchheim unter Teck
                                                                   Walter Gatter, Birkenstr. 24, 85625 Berganger
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