Der gesetzliche Mindestlohn Was bedeutet das konkret für die Schaustellerbranche? Fragen und Antworten

Die Seite wird erstellt Ilona Haupt
 
WEITER LESEN
Der gesetzliche Mindestlohn Was bedeutet das konkret für die Schaustellerbranche? Fragen und Antworten
Der gesetzliche Mindestlohn
                           –
             Was bedeutet das konkret für die
                 Schaustellerbranche?

                      Fragen und Antworten:
1.   Wie hoch ist der gesetzliche Mindestlohn?

Der gesetzliche Mindestlohn beträgt 8,50 Euro und ist ein Brutto-Stundenlohn.

2.   Gilt der Mindestlohn auch für Unternehmen in der Schaustellerbranche?

Ja, der gesetzliche Mindestlohn gilt ausnahmslos für alle Unternehmen in allen
Branchen, auch unabhängig von der Größe des Unternehmens oder der Zahl der
Mitarbeiter.

3.   Gilt der Mindestlohn für alle Mitarbeiter?

Ja, der Mindestlohn gilt ausnahmslos für alle Mitarbeiter. Es wird nicht unterschieden
nach Art der Tätigkeit oder Qualifikation.

Keinen Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns haben:
    Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung,
    Langzeitarbeitslose (die zuvor über ein Jahr arbeitslos waren) in den ersten
      sechs Monaten der Beschäftigung,
    Praktikanten, wenn das freiwillige Praktikum zur Orientierung für eine
      Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Studiums dienen soll oder
      studienbegleitend erfolgt und das Praktikum nicht länger als drei Monate
      dauert. (HINWEIS: Steht nicht das Lernen, sondern die Arbeitsleistung im
      Vordergrund, handelt es sich nicht um ein Praktikum und die Arbeitnehmer
      haben Anspruch auf den Mindestlohn.)
    Pflichtpraktikanten

4.   Was ist mit Aushilfen bzw. Minijobbern?

Auch für Minijobber gilt der Mindestlohn, sie sind Arbeitnehmer wie alle anderen.
Dabei ist egal, ob sie sozialversicherungspflichtig oder sozialversicherungsfrei
beschäftigt sind. Der Mindestlohn gilt also auch z.B. für Studenten, Schüler (über 18
Jahren) oder Rentner, die sich auf den Volksfesten etwas hinzuverdienen! Der
Mindestlohn ist immer ein Brutto-Stundenlohn.
Achtung: Minijobber (sogenannte 450,00 Euro-Kräfte) erhalten ihren Arbeitslohn
brutto für netto. Das heißt, sie erhalten mindestens 8,50 Euro netto! Der Arbeitgeber
muss zusätzlich zum Lohn eine Pauschalabgabe von 30 % an die Minijobzentrale
zahlen.
5.   Mein Ehepartner arbeitet mit im Betrieb, auch meine Kinder helfen, gilt für
     sie das Mindestlohngesetz?

Ja, der Mindestlohn und die Dokumentationspflicht gelten auch für Ihren Ehepartner
und Ihre Kinder – wenn sie in Ihrem Betrieb abhängig beschäftigt und an Ihre
Weisungen gebunden sind.
Sind Ihr Mann und/oder Ihre Kinder dagegen Mitunternehmer, weil sie z.B. einen Teil
des unternehmerischen Risikos selbst tragen, können sie auch als Selbstständige
gewertet werden, für die der Mindestlohn dann nicht gilt.

Wir empfehlen Ihnen hier die Rücksprache mit Ihrem Steuerberater, ggf. sollte ein so
genanntes „Statusfeststellungsverfahren“ bei der Deutschen Rentenversicherung
durchgeführt werden.

6.   Gilt der Mindestlohn auch für ausländische Schaustellergehilfen?

Ja, der Mindestlohn gilt auch für Beschäftigte mit ausländischer Staatsangehörigkeit,
wenn sie in Deutschland arbeiten – egal ob sie bei einem in- oder einem
ausländischen Unternehmen angestellt sind.

7.   Können Kost und Logis auf den Mindestlohn angerechnet werden?

Nein, grundsätzlich können Kost und Logis nicht auf den Mindestlohn angerechnet
werden. Eine Ausnahme gilt jedoch: Für Saisonarbeitnehmer – nun auch im
Schaustellergewerbe – sind Kost und Logis auf den Mindestlohn anrechenbar!
Für die Anrechnung dieser Sachleistungen gelten die Ihnen bekannten
Höchstgrenzen: Für Verpflegungsleistungen monatlich maximal 229,00 Euro, für die
zur Verfügung gestellte Unterkunft monatlich maximal 223,00 Euro.

Wichtig! Das Bundesarbeitsministerium und der Zoll weisen in allen
Veröffentlichungen darauf hin, dass § 107 Abs. 2 der Gewerbeordnung zu
beachten ist. Er schreibt vor, dass dem Arbeitnehmer bei Anrechnung von Kost und
Logis auf den Mindestlohn mindestens 1.049,99 Euro zur Auszahlung verbleiben
müssen. Dies ist die Pfändungsfreigrenze für eine ledige, nicht unterhaltspflichtige
Person. Es ist jeweils die aktuelle Pfändungsfreigrenze maßgeblich. Der Betrag wird
alle zwei Jahre angepasst, das nächste Mal zum 1. Juli 2015.

Damit besteht die Anrechnungsmöglichkeit von Kost und Logis nur oberhalb der
Pfändungsfreigrenze – und ist in vielen Fällen nicht attraktiv für den Arbeitgeber.

Vor diesem Hintergrund empfehlen wir:
    Zu überprüfen, ob zukünftig möglicherweise keine Verpflegung mehr gestellt
       wird. Auf die Anrechnung der Unterkunftsleistung kann nicht verzichtet
       werden, wenn die Unterkunft tatsächlich in Anspruch genommen wird. Dieser
       Wert ist aber gering.
    Oder auf einen separaten Miet- bzw. Bewirtungsvertrag umzustellen. Wichtig
       ist, dass das Arbeitsverhältnis und die Lohnzahlung vollkommen getrennt von
       einem Miet- und Bewirtungsvertrag und dessen Zahlungen ablaufen. Es muss
       sich auch um separate Überweisungen bzw. Zahlungen handeln. Bitte halten
       Sie hier mit Ihrem Steuerberater Rücksprache, ob darin in Ihrem Fall ggf. ein
       eigenständiges Gewerbe (mit allen Konsequenzen) zu sehen ist.

                                                                                       2
 Eine Musterberechnung bei Verzicht auf Verpflegungskosten befindet sich in
       der Anlage dieses Merkblattes.

Die Anrechnung von Kost und Logis muss im Arbeitsvertrag vereinbart werden.
Achten Sie bitte auf die ausreichende Größe und Qualität der Quartiere.

8.    Müssen wir nun Stundenzettel für unsere Mitarbeiter führen?

Das Mindestlohngesetz bedeutet für alle Minijobber und für einige Branchen –
darunter auch die Schausteller! –, dass die Arbeitsstunden der Arbeitnehmer
aufgezeichnet werden müssen.

9.    Und wie dokumentieren wir richtig?

Alle Schausteller müssen pro Arbeitnehmer drei Zahlen pro Tag aufschreiben
(=Dokumentationspflicht):
    1. Anfangszeit des Arbeitstages
    2. Endzeit des Arbeitstages
    3. die in dieser Zeit insgesamt geleisteten Arbeitsstunden, abzüglich Pausen

Die Gesamtdauer der Arbeitszeit reicht aus (Pausen müssen nicht aufgezeichnet
werden!).
Die Dokumentation des Arbeitstages ist formlos, das heißt:
    handschriftlich reicht aus
    ein Zettel, ein Heft oder eine Kladde reichen aus

Ein Musterformular fügen wir Ihnen in der Anlage bei.

Wir empfehlen Ihnen, die dokumentierten Arbeitszeiten von Ihren Arbeitnehmern
abzeichnen zu lassen, um zukünftigen Beweisschwierigkeiten vorzubeugen. Dies ist
jedoch keine Pflicht.

      Sie können die Dokumentationspflicht auch durch andere vertrauenswürdige
       Personen erledigen lassen, so z.B. einen Vorarbeiter, Ihren Ehepartner oder
       Steuerberater.
      Die Dokumentation muss spätestens 7 Tage nach der erbrachten
       Arbeitsleistung erfolgen.
      Sie müssen die Dokumentation mindestens 2 Jahre lang aufbewahren.

                                                                                     3
10. Ein Volksfest kann nicht mit einem Acht-Stunden-Tag veranstaltet werden,
    wie lange dürfen Schausteller und ihre Angestellten arbeiten?

    Grundsätzlich gilt der Acht-Stunden-Tag und die Sechs-Tage-Woche. Das
     heißt, Arbeitnehmer dürfen in der Regel nicht mehr als 48 Stunden die Woche
     arbeiten.
    Schon jetzt kann die tägliche Arbeitszeit auf 10 Stunden (das heißt maximal
     60 Stunden die Woche) erhöht werden – wenn innerhalb von sechs
     Kalendermonaten durch Ausgleich mit Freizeit oder Stillliegertagen der
     Durchschnitt von nicht mehr als 8 Stunden erreicht wird.
    Schaustellerbetriebe können als Saisonbetriebe für die Zeit der Saison eine
     Ausnahmegenehmigung für längere Arbeitszeiten bis zu 12 Stunden bei den
     Aufsichtsbehörden der Länder beantragen. Das Bundesarbeitsministerium hat
     bereits mit allen Landesarbeitsministerien Deutschlands Kontakt
     aufgenommen und auf diese Ausnahmen für Saisonbetriebe gemäß § 15 Abs.
     1 Nr. 2 des Arbeitszeitgesetzes aufmerksam gemacht.
    Außerdem hat es mitgeteilt, dass bei unvorhergesehenen Problemen
     (Unwetter, Erkrankung, Unfall, blockierte Zufahrten zum Volksfestplatz o.ä.) §
     14 des Arbeitszeitgesetzes Ausnahmen als „außergewöhnlicher Fall“
     ermöglicht.

Mit diesen Regelungen werden die Schausteller davor geschützt, bei längeren
Arbeitseinsätzen in die Illegalität gedrängt zu werden.

Wichtig: Wenn Ihre Arbeitnehmer länger arbeiten, muss hierfür zu anderen Zeiten ein
Ausgleich durch Gewährung von Freizeit, durch Stillliegertage oder
Schlechtwetterperioden geschaffen werden. Über sechs Monate verteilt muss wieder
ein Acht-Stunden-Tag hergestellt werden.
Zwischen zwei Arbeitstagen ist eine 11-stündige Ruhepause einzuhalten.

Der DSB stimmt ein solches Antragsmuster gerade mit den Arbeitsministerien aller
Länder in Deutschland ab, es wird Ihnen so bald wie möglich als Druck bzw.
Kopiervorlage zur Verfügung stehen.

Eine solche Ausnahmegenehmigung gilt dann bundesweit!

11. Ich verlege mein Geschäft von einem Volksfestplatz zum anderen, sind
    Transportzeiten Arbeitszeit oder Freizeit?

Für die Mitarbeiter, die das Fahrzeug lenken bzw. als Beifahrer mit eigenen
Aufgaben eingeteilt sind, ist es Arbeitszeit. Mitreisendes Personal, das keiner
belastenden Tätigkeit ausgesetzt ist, also z.B. schlafen, essen oder während der
Fahrt lesen kann, arbeitet nicht. Diese Zeit ist keine Arbeitszeit – und kann
dementsprechend auch als Ausgleichszeit angerechnet werden.

Wir empfehlen, diese Klarstellung auch im Arbeitsvertrag vorzunehmen.

12. Mehrarbeit, Freizeit, Stillliegertage, wie gleicht man richtig aus?

Hier empfiehlt sich, für die betroffenen Mitarbeiter ein Arbeitszeitkonto (§ 2 Abs. 2
MiLoG) zu führen, in dem pro Tag die Überstunden bzw. die zusätzlich gewährte
                                                                                        4
Freizeit miteinander verrechnet werden können. Zur korrekten Erstellung eines
Arbeitszeitkontos setzen Sie sich bitte mit Ihrem Steuerberater in Verbindung.

Beachten Sie bitte: Das Arbeitszeitkonto muss zwischen Ihnen und Ihrem
Arbeitnehmer schriftlich vereinbart sein, also im Arbeitsvertrag.

13. Wie viele Stunden können in das Arbeitszeitkonto aufgenommen werden?

Es dürfen monatlich nicht mehr als jeweils 50 % der vertraglich vereinbarten
Arbeitszeit eingestellt werden.
Ein Beispiel: Sie haben eine 40-Stunden-Woche vereinbart, das bedeutet 173
Stunden im Monat. Am Ende des Monats dürfen sich also für diesen Monat nicht
mehr als 86,5 Plus-Stunden im Arbeitszeitkonto wiederfinden.

14. Wir beschäftigen gelegentlich Handwerker oder Dienstleister. Was kann
    uns passieren, wenn diese nicht den Mindestlohn zahlen?

Sie haften dann, wenn Sie als Unternehmer eine eigene vertragliche Pflicht auf ein
anderes Unternehmen übertragen (Subunternehmer). Dann haften Sie auch dafür,
dass Ihr Subunternehmer den Mindestlohn zahlt.

Beauftragen Sie einen Handwerker mit einer Reparatur in eigener Sache, so droht
keine Haftung.

Kaufen Sie Material, ist es für Sie auch nicht wichtig, ob der Verkäufer in seinem
Betrieb den Mindestlohn zahlt.

15. Ich bin selbst Veranstalter eines Volksfestes und vergebe Standplätze an
    Kollegen, die mir dafür Standgelder zahlen. Bin ich dafür verantwortlich,
    dass diese Kollegen ihren Mitarbeitern den Mindestlohn zahlen?

Nein! Sie beauftragen niemanden, sondern Sie vermieten eine Fläche. Ob Ihr Mieter
sich an das Gesetz hält, ist nicht in Ihrem Einflussbereich.

16. Der Mindestlohn gilt nicht für Selbstständige. Können sich meine
    Mitarbeiter nicht selbstständig machen und mir dann Rechnungen
    stellen?

Nein! Das ist keine Lösung, denn in der Regel wird es sich um eine so genannte
Scheinselbstständigkeit handeln, da Ihre Mitarbeiter Ihren Weisungen unterliegen,
keine Entscheidungsfreiheit über den nächsten Auftrag haben und außer Ihnen keine
weiteren Auftraggeber.
Die Vermeidung von Sozialabgaben durch Scheinselbstständigkeit wird hart bestraft!

17. Wer kontrolliert, dass der Mindestlohn auch tatsächlich eingehalten wird?

Dafür ist die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) zuständig, die der Zollverwaltung
angehört. Bei diesen Kontrollen wird nicht nur der Mindestlohn anhand der
vertraglichen Arbeitszeiten überprüft, sondern eben auch anhand der Arbeitszeit-
Aufzeichnungen (Dokumentation bzw. Arbeitszeitkonto).

                                                                                      5
Die Kontrolleure haben weitgehende Befugnisse: Sie können Personen überprüfen,
die Geschäftsräume und Grundstücke betreten, in die Geschäftsunterlagen Einsicht
nehmen und Personen befragen (z.B. auch die Kollegen).

Der Zoll wird regelmäßig folgende Unterlagen von Ihnen fordern:
    Arbeitsverträge
    Arbeitszeitnachweise
    Lohnabrechnungen
    Nachweise, dass diese Lohnzahlungen auch erfolgt sind (z.B. Quittungen)
    Und, falls Sie ein Arbeitszeitkonto für die Mitarbeiter führen, die schriftliche
      Vereinbarung über dieses Arbeitszeitkonto (Arbeitsvertrag) und schriftliche
      Unterlagen über das Arbeitszeitkonto.

Der Zoll wird nicht nur isoliert den Mindestlohn überprüfen, sondern immer auch auf
eine illegale Beschäftigung von Ausländern, Sozialbetrug und/oder
Scheinselbstständigkeit achten. In diesem Zusammenhang wird man von Ihnen ggf.
verlangen:
     Sozialversicherungsmeldungen einschließlich der Sofortmeldung
     Vorlage von Ausweisen
     Aufenthaltstitel (Arbeitsgenehmigung oder Visum) bei Nicht-EU-Bürgern
     für den Fall, dass Subunternehmen beschäftigt werden, entsprechende
        Verträge

Wer die gesetzlich geforderte Mitwirkung bei einer solchen Prüfung verweigert, kann
mit einem Bußgeld von bis zu 30.000,00 Euro bestraft werden.

18. Warum müssen Schausteller überhaupt ihre Arbeitszeit aufzeichnen?

Das Mindestlohngesetz bezieht sich auf das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz.
Davon sind in dem dortigen § 2 a neben z.B. der Fleischwirtschaft, dem Baugewerbe
und dem Gaststättengewerbe auch die Schausteller erfasst.

Der DSB steht in intensivem Kontakt zum Bundesfinanzministerium, um die Branche
der Schausteller zukünftig aus diesem Gesetz herauszulösen. Auch der Weg, über
einen Schwellenwert aus der Dokumentationspflicht herauszukommen, wird
gegenüber dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefordert.

Dieses Merkblatt soll Ihnen – als Service Ihres Deutschen Schaustellerbundes e.V. –
erste Hinweise zum Umgang mit dem neuen Mindestlohngesetz geben und erhebt
daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl es mit größtmöglicher Sorgfalt
erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen
werden.

Berlin, den 16. März 2015

                                                                                        6
Sie können auch lesen