Der Leonberger Raum an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit
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VOLKER TRUGENBERGER Der Leonberger Raum an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit Wirtschaft und Bevölkerung wichtigsten Quellen für die Ermittlung der B e v ö l - 2 kerungsentwicklung. Dazu k o m m e n Steuerlisten 3 und Steuerbücher der Stadt L e o n b e r g . B e i der bevölkerungsstatistischen Interpretation von Steuerlisten ist zu beachten, daß hier auch Pflege- kinder mit eigenem Vermögen als selbständige Bevölkerungsentwicklung (Steuer-) Haushalte aufgeführt sind, o b w o h l sie natürlich im Haushalt v o n Verwandten lebten und Die Zeit zwischen 1470 und 1618 wird in der Wirt- deshalb bei statistischen Erhebungen w i e der v o n schaftsgeschichte als Zeitalter der Preisrevolution 1598 nicht berücksichtigt wurden. Da es sich j e - 1 bezeichnet. Sie war, w i e schon aus der Epochen- doch dabei immer um relativ w e n i g e Fälle handelt, bezeichnung hervorgeht, geprägt v o n einem allge- sind dennoch Aussagen über die Grundtendenzen meinen, besonders jedoch bei Agrarprodukten der Bevölkerungsentwicklung möglich. feststellbaren Preisanstieg in H ö h e v o n durch- Nach den genannten Quellen verdreifachte sich in schnittlich 1,5 Prozent pro Jahr. Ursache dafür war Gebersheim zwischen 1470 und 1598 die Zahl der zum einen die Vermehrung des umlaufenden Gel- Haushalte v o n 15 auf 48, was einem Anstieg der des durch die Erschließung neuer Silbergruben in Bevölkerung v o n ungefähr 70 Personen auf über Europa und im neuentdeckten Amerika, vor allem 200 entspricht, wenn man ( w i e üblich) davon aus- aber eine Zunahme der Nachfrage aufgrund eines geht, daß durchschnittlich vier bis fünf Personen starken Bevölkerungswachstums, mit d e m die in einem Haushalt lebten. In Warmbronn vervier- landwirtschaftliche Produktion nicht Schritt hal- fachte sich die Haushaltszahl sogar v o n 14 auf 59. ten konnte. Exakte Bevölkerungszahlen liegen Nicht ganz so groß war die Bevölkerungszunahme zwar nicht vor, doch ist davon auszugehen, daß die in Höfingen, wo es 1470 69 Haushalte gab, während Bevölkerung in Deutschland v o n neun oder zehn in der Steuerliste v o n 1545 86 Haushalte genannt Millionen im Jahr 1470 auf 15 bis 17 Millionen im sind und bei der Haushaltszählung 1598 101, aber Jahr 1618 anwuchs. auch dort ist demnach immerhin eine Zunahme Diese Zunahme der Bevölkerung läßt sich auch v o n beinahe 50 Prozent festzustellen. für den Leonberger Raum feststellen. Wir haben Für Eltingen liegen A n g a b e n über die Zahl der zwar auch hier keine genauen Einwohnerzahlen Haushalte für das Jahr 1470 nicht vor, da dieser Ort aus dieser Zeit, sondern nur A n g a b e n über die damals vorübergehend nicht zum A m t L e o n b e r g Zahl der Haushalte in den einzelnen Ortschaften, gehörte. 1491 gab es hier 127 Haushalte, 1545 136 doch lassen sich daraus Rückschlüsse auf die Ein- und 1598 143. wohnerzahl ziehen. In L e o n b e r g sind 1470 208 Haushalte nachgewie- Steuerlisten aus den Jahren 1470 und 1544/45, eine sen, demnach lebten damals dort ungefähr 900 Herdstättenliste aus d e m Jahr 1525 sowie eine Personen. 25 Jahre später sind es 218, also auch in Haushaltszählung v o n 1598 decken das gesamte L e o n b e r g können wir zunächst ein leichtes A n - damalige A m t L e o n b e r g ab und sind deshalb die wachsen der Bevölkerung beobachten. D o c h 1525
Das älteste erhaltene Leonberger Bür- gerbuch beginnt mit einer Auflistung aller Bürger der Stadt um 1560 (Transkription der abgebildeten Seite siehe Anhang Seite 321). Bevölkerungsanstieg nicht unproblematisch. Man entschloß sich deshalb, Zuzugsbeschränkungen zu erlassen. Ab 1575 wurde das Bürgergeld, das Auswärtige zu entrichten hatten, die sich als Bür- ger in Leonberg niederlassen wollten, verdoppelt, außerdem hatten sie von nun an ein Mindestver- mögen von 100 Gulden nachzuweisen. Ferner wur- de beschlossen, daß Bürgertöchter, die nach aus- wärts heirateten, auf das Leonberger Bürgerrecht 6 verzichten mußten. Diese Maßnahmen scheinen zumindest vorüber- gehend erfolgreich gewesen zu sein, denn die Zahl der jährlichen Neubürgeraufnahmen ging zu- nächst deutlich zurück. Die Zahl der Haushalte verringerte sich v o n 243 im Jahre 1568 auf 208 im bevölkerten nur noch 161 Familien, W i t w e n und Jahr 1598. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts gab es ledige Bürger die Stadt, was einem Rückgang v o n allerdings wieder eine merkliche Zunahme der Be- 26 Prozent gegenüber 1495 entspricht, ein Rück- völkerung, w i e eine Steuerliste aus dem Jahr 1613 gang, der völlig der allgemeinen Bevölkerungsent- beweist, in der 286 Haushalte genannt sind, davon wicklung zuwiderläuft. Der Grund für diesen 211 Bürger mit Hausbesitz und 75 »hausgenossen« Rückgang ist wohl in erster L i n i e in einem verhee- ohne eigenen Hausbesitz. renden Stadtbrand im Jahr 1498 zu sehen, der 46 Der erhebliche Bevölkerungsrückgang in Leon- 4 Häuser vernichtete. N o c h 1553 hieß es, daß nach berg nach dem Stadtbrand v o n 1498, insbesondere der »großen verderblichen brunst v i l der vermög- aber das Stagnieren der Einwohnerzahl gegen En- lichsten persohnen unnd burger«, die viele Güter de des 16. Jahrhunderts führten dazu, daß die grö- in Höfingen, Gerlingen und Ditzingen gehabt hät- ßeren Dörfer des A m t s w i e Eltingen, Ditzingen, ten, »auß der statt g e z o g e n « seien und daß 20 Hof- Gerlingen oder Weilimdorf beinahe die Größe der stätten in der Stadt noch immer » o n g e b a w t « Amtsstadt erreichten, ja, so Gerlingen 1598, sogar 5 lägen. übertrafen. Erst in den 1550er Jahren konnten die Einwohner- Die allgemeine Zunahme der Bevölkerung in der zahlen der Zeit vor dem Stadtbrand wieder er- Zeit zwischen 1470 und 1618 hatte ihre Ursache reicht werden. Dann setzte allerdings ein rapides w o h l v o r allem in der hohen Geburtenrate. In vie- Bevölkerungswachstum ein. Angesichts der klei- len Ehen brachten die Frauen alle anderthalb bis nen Markung und der mit dem Bürgerrecht ver- zwei Jahre ein K i n d zur Welt. Der Leonberger bundenen Leistungen der Stadt w i e der kostenlo- Barbier und Gastwirt Simon Ackermann hatte v o n sen Brennholzgabe aus dem Stadtwald oder der zwei Frauen insgesamt 21 Kinder, sein Mitbürger, Unterstützung im Fall der N o t war dieser rasche der Küfer Wendel Bilfinger, v o n zwei Frauen 14
Eine Seite aus der Leonberger Bürgermeisterrechnung (Stadtrechnung) von 1586187 mit Einträgen des von Neubürgern bezahlten Bürgergelds (Transkription siehe Anhang). 7 Kinder. In Eltingen wurden im 16. Jahrhundert 8 jährlich bis zu 47 Kinder geboren , das heißt in jedem dritten Haushalt kam pro Jahr eine Frau 9 nieder. 1 Not und Tod Wenn trotz der hohen Geburtenrate im Durch- schnitt nur zwischen vier und fünf Personen in einem Haushalt lebten, so lag das daran, daß sehr viele Kinder bereits bei der Geburt oder in den ersten Lebensmonaten starben. Es ist davon aus- zugehen, daß es sich bei einem Drittel bis der Hälfte aller Todesfälle um Säuglinge und Kinder handelte und daß nur ungefähr zwei Drittel aller lebendgeborenen Kinder das zeugungs- bezie- hungsweise gebärfähige Alter erreichten. A l s Hauptursachen für die hohe Kindersterblichkeit gelten Ernährungsmangel, fehlende Hygiene, aber 10 vor allem die P o c k e n . Hatte man das Kindesalter überstanden, dann hatte man jedoch gute Aussich- 14 tel der B e v ö l k e r u n g . Besonders tragisch war hier ten 60 Jahre und älter zu werden. Der Leonberger der Fall der Familie des Georg und der Margaretha Wirt Michel K o c h , gestorben im A p r i l 1612, wurde Wendel. Mitte August 1596 wurde Anna Wendel, 11 sogar um die 100 Jahre alt. eine Tochter, die als M a g d in Hirschlanden gedient Den Menschen war der Tod - sei es durch Krank- hatte, krank in ihr Elternhaus in der Eltinger heit oder durch Unfall - allgegenwärtig. A u c h Glemsstraße gebracht, wo sie am 26. der Seuche Mord und Totschlag kamen vor. Großes Aufsehen erlag. Wenige Tage darauf wurde das jüngste K i n d etwa erregte es, als Georg Müller, der Bürgermei- der Familie, ein drei Wochen alter Säugling, das ster v o n Warmbronn, zusammen mit seiner v o n nächste Opfer der Pest. Am 9. September mußte ihm schwangeren Geliebten seine Ehefrau um- man die kleine Tochter Christine begraben, am brachte. 12 darauffolgenden Tag einen ihrer Brüder, wieder Mehrmals wütete die Pest und raffte ganze Fami- einen Tag später eine weitere Schwester und am lien hinweg. Seuchen sind für die Jahre 1572,1576, 12. September schließlich den Familienvater Ge- 1584 bis 1586, 1594, 1596/97, 1608/09 und 1611/12 org Wendel, der nach viertägiger Krankheit gestor- 13 überliefert. 1596/97 forderte die Pest allein in El- ben war. I h m folgten noch vier Töchter und drei tingen 253 Seelen, das bedeutet ungefähr ein Drit- Söhne ins Grab. Von der vielköpfigen Familie
Wappenschild von 1571 mit Initialen B. B. (Bastian Berwart) und Hand- werkerzeichen an einem Haus in der Leonberger Schloßgasse. Bastian Berwart war Küfer von Beruf. Ein von Sebastian Mochel 1603 an seinem Haus in der ehemaligen Le- onberger Kirchgasse (heute: Bei der Stadtkirche) angebrachter Spruch blieb beim Stadtbrand von 1895 er- halten und ziert jetzt das an gleicher Stelle errichtete Gebäude. Wendel überlebten nur die Ehefrau und der Sohn khümerlicher theurung« und großer Kälte reichte Johannes. N o c h im September griff die Pest auf man den Kindern armer Leute in Leonberg in den andere Häuser über. Bald reichte der Platz auf d e m Wintermonaten 1589/90 und 1592/93 zweimal am 20 um die Kirche gelegenen Friedhof nicht mehr aus, Tag kostenlos einen B r e i . um die Toten aufzunehmen, und es mußte ein neuer Friedhof (der heute noch bestehende) v o r dem Ort angelegt werden. Blüte der Landwirtschaft Auch in Leonberg wurde im übrigen w o h l gegen Ende des 16. Jahrhunderts ein neuer Friedhof au- Dennoch, die Zeit zwischen 1470 und 1618 war ßerhalb der Stadt angelegt (der heutige A l t e trotz Seuchen und Hungersnöten auch die Zeit Friedhof). einer gewissen wirtschaftlichen Blüte. Die Land- Seuchen traten häufig in Verbindung mit Hun- wirtschaft, aber auch Handel und Gewerbe nah- gersnöten auf. Deren Ursache waren Mißernten, men einen allgemeinen Aufschwung, so daß man die Lebensmittelteuerungen zur F o l g e hatten. Für für die Jahre vor dem Dreißigjährigen Krieg sogar viele, deren Landwirtschaft nicht ausreichte, um v o n Wohlstand sprechen kann. Dieser Wohlstand den Eigenbedarf zu decken (in L e o n b e r g zu Be- fand seinen Niederschlag in einer regen Bautätig- ginn des 17. Jahrhunderts z w e i Drittel der B e v ö l - keit, v o n der noch heute manches Gebäude und 15 kerung ), war dann das tägliche Brot uner- manche Bauinschrift in Leonberg und in den 21 schwinglich und die Familie mußte hungern. Nachbardörfern zeugen. Eine besonders große Hungersnot herrschte z w i - Da freilich zwischen 1470 und 1618 die Preise für schen 1571 und 1574, als mehrere hintereinander- landwirtschaftliche Erzeugnisse bedeutend stär- folgende Mißernten in beinahe ganz Europa eine ker stiegen als die L ö h n e oder gar die Preise für Hungerkrise auslösten. A u s anderen Gegenden gewerbliche Erzeugnisse, kam der wirtschaftliche Deutschlands erfahren wir, daß die Leute Rüben, Aufschwung vor allem denjenigen zugute, die Nesseln, Kraut und Gras gegessen hätten oder das landwirtschaftliche Produkte verkauften. Dies 16 Laub v o n den B ä u m e n . In L e o n b e r g wurde im waren die Adelsfamilien w i e etwa die Truchsessen Winter 1573/74 den A r m e n kostenlos Hafer ausge- v o n Höfingen, die A b g a b e n von den Bauern erhiel- 17 g e b e n . Eine neue Hungersnot kam in den 1580er ten, dies waren die reichen Kaufleute in den Städ- Jahren. Manche sahen sich in jenen Jahren sogar ten, w i e etwa die Familie Dreher in Leonberg, die gezwungen, das ihnen v o n der Stadt zugeteilte mit Wein, Getreide und Wolle handelte, Getreide- Brennholz zu verkaufen, um über die Runden zu abgaben v o n zwei Höfen in Höfingen erhielt und 18 k o m m e n . Was das in einem kalten Winter bedeu- eine ausgedehnte eigene Landwirtschaft betrieb, tete, braucht nicht näher ausgeführt zu werden. Im die auch das Hofgut Mauer bei Münchingen um- Mai 1586 mußte ein Leonberger Dachdecker bei faßte, und dies waren die großen Grundbesitzer der Stadt »flehenlich« um Unterstützung bitten, und Bauern w i e etwa die Besserer in Leonberg, die »das er mit w e i b unnd khinder nit ongeeßen Wolfangel in Eltingen oder die Dolmetsch in Hö- 1 9 schlaffen m ü e ß « . Wegen »beschwerlicher, be- fingen, die über den Eigenbedarf hinaus Über-
Die 1968 abgebrochene alte Leonberger Kelter, erbaut um 1600. Heute steht an dieser Stelle das Finanzamt. schüsse produzierten. Diejenigen Handwerker und Tagelöhner, die sich ihre Nahrungsmittel überwiegend oder sogar ganz auf dem Markt kau- 22 fen mußten, verarmten d a g e g e n . gewesen seien. 1617 schließlich baten Gebershei- Die Leonberger Gegend galt als fruchtbar. Der mer Bürger den Herzog, 5 M o r g e n (1,6 ha) Egarten Humanist Johannes Tethinger rühmte 1545 ihren am H u m m e l b e r g in Weingärten umwandeln zu Reichtum: Leonberg selbst sei zwar nicht sehr dürfen. 28 groß, aber es gebe große und stattliche Dörfer, Der Weinbau brachte Wohlstand. D i e meisten Orte vermögend und bevölkerungsreich, in ganz Würt- in Württemberg, die aufgrund des hohen Durch- temberg sei kein Landstrich reicher an Vieh, K o r n schnittsvermögens ihrer Einwohner als wohlha- 23 und Wein. bend zu bezeichnen sind, lagen in Weinbaugebie- Die Bevölkerungszunahme hatte ebenso w i e die ten. V i e l e L e o n b e r g e r Bürger besaßen einen eige- steigenden Agrarpreise eine Ausweitung der land- nen Weinberg, 1528 waren es 108 v o n 174. Bei der wirtschaftlichen Nutzfläche zur Folge. A l l e i n die Hälfte v o n ihnen war der Weinbergbesitz damals von Leonberger Bürgern bebaute landwirtschaft- allerdings kleiner als ein M o r g e n (30 A r ) , der größ- liche Fläche nahm zwischen 1528 und 1575 um te Weinbergbesitzer konnte auf knapp drei Hektar 24 über 80 Hektar z u . Diese Zunahme ist vor allem Reben anbauen. Ähnliches läßt sich auch v o n den auf das Anwachsen der Weinbaufläche zurückzu- Dörfern vermuten, o b w o h l aus dieser Zeit nur für führen, die sich in dem genannten Zeitraum v o n 55 Gebersheim genauere Unterlagen überliefert sind. Hektar auf 92 Hektar beinahe verdoppelte. Der Dort hatten einem Steuerbuch aus der zweiten Anteil der Weingärten an der gesamten landwirt- Hälfte des 16. Jahrhunderts zufolge v o n 50 Haus- schaftlichen Nutzfläche stieg damit in L e o n b e r g halten 34 eigene Weinberge. Nur bei vier Haushal- von 10 Prozent im Jahr 1528 auf 16 Prozent im Jahr ten jedoch betrug die Weinbaufläche einen Mor- 29 1575. gen oder mehr. In den Leonberger Nachbarorten bemühte man A u c h die Ackerflächen wurden, wenn wir die sich ebenfalls eifrig, neue Weinberge zu erschlie- Leonberger Verhältnisse verallgemeinern dürfen, ßen. 1566 genehmigte Herzog Christoph eine Bitte ausgeweitet, jedoch bei w e i t e m nicht in dem Maß des »flecken Ölungen v o n w e g e n usreittung 26 w i e die Weinbauflächen. Angesichts relativ gerin- morgen (8 Hektar) egarten (brachliegender Wein- ger Erträge und teilweise hoher grundherrlicher gärten), so sie zue Weingarten machen w ö l t e n « , Abgaben, die bis zur Hälfte der Ernte betragen weil »solche usreittung dem gemeinen man zu gut- konnten, diente der Ackerbau überwiegend der 2 5 ten komen m a g « ; in Wärmbronn wurden zwi- Eigenversorgung. 1583 stellten die Leonberger schen 1553 und 1574 zwei Weingartenhalden v o n fest, es gebe bei ihnen nur » e i n sehr kleinen 26 insgesamt 12 Hektar neu angelegt , und in Höfin- ackherbaw unnd fruchtwachs, dergestallt über gen rodete man 1573 5V4 Morgen (1,7 Hektar). Das vier bey unns, die ihre fruchten nit all selbs zuo Höfinger Fleckenbuch v o n 1593 nennt 73 Weingär- ihrem haußbrauch uffwenden unnd zuverkhauf- ten, die vor 18 Jahren noch Wüste und Egarten fen haben, nit s e y e n « , deshalb stünden »narung
In das von Norden gesehene Ortsbüd von EUingen („Ölttingen") in der Forstkarte des Andreas Kieser von 1681 ist, rechts im Bild, auch der große Eltinger Schafhof aufgenommen. unnd hinbringen uff dem weinwachs fürnem- Handel und Gewerbe 30 lich«. A u f den Feldern wurden die traditionellen Getrei- D e m Austausch der ländlichen Produkte dienten dearten Dinkel, R o g g e n und Hafer angebaut, gele- die Wochenmärkte in Leonberg, die jeweils mitt- gentlich auch Weizen und Gerste. G e g e n 1600 wochs stattfanden. Dagegen wurden auf den städ- scheinen, dies legen zumindest die erhaltenen Ge- tischen Jahrmärkten vor allem gewerbliche Pro- 31 bersheimer Nachlaßinventare nahe, in verstärk- dukte feilgeboten. Im Gegensatz zu den benach- tem Maße auch Hanffelder angelegt w o r d e n zu barten Städten, wo bis zu vier Jahrmärkte (so in sein. Für die Ernährung der Bevölkerung waren Calw und Markgröningen) abgehalten wurden, be- ferner das in den Gärten gezogene Kraut sowie die saß L e o n b e r g nur einen einzigen Jahrmarkt. Die- Erbsen wichtig. Häufig werden in den Gebershei- ser fand in der R e g e l an Mariae Geburt, dem 8. Sep- mer Nachlaßinventaren auch »Obstschnitz«, also tember, statt, wurde gelegentlich aber auch auf getrocknete Birnen und Ä p f e l , unter den Vorräten einen Termin kurz nach Matthäi (21. September) erwähnt. verschoben, wenn er nicht w e g e n einer gerade An Tieren wurden Pferde, Kühe, Schweine, Scha- grassierenden Seuche oder aus anderen Gründen fe und Geißen sowie Geflügel gehalten. Der 32 ganz ausfiel. Über das Warenangebot liegen nur Schafhaltung kam eine große Bedeutung zu. D i e spärliche Informationen vor, gewisse Schlüsse las- Schafe dienten vornehmlich der Wöllgewinnung, sen sich daraus ziehen, w e r alles Standgeld zu 33 wurden jedoch auch g e m o l k e n . D i e Pferchnut- bezahlen hatte. Nach dem städtischen Eidbuch zung, das heißt das Einpferchen einer Schafherde aus der zweiten Hälfe des 16. Jahrhunderts waren auf einem A c k e r über Nacht, war angesichts eines dies Eisen- und Gewürzkrämer, gemeine Krämer, allgemeinen Düngermangels wichtig für die Dün- Schuhmacher, Ledergerber sowie Händler, die gung der Äcker. A l s man gemäß der Landesord- Geschirr und K ü b e l verkauften. 1630 boten nach nung von 1552 in der zweiten Hälfte des 16. Jahr- Ausweis einer Standgeldliste Angehörige folgen- hunderts Höchstzahlen ermittelte, w i e viele Scha- der Berufe Waren feil: gemeine Krämer, Eisenkrä- fe von den einzelnen Gemeinden auf ihrer Weide mer, Gewürzkrämer, Puppenkrämer, Weißgerber, gehalten werden könnten, ging man für Eltingen Rotgerber, Kürschner, Schuhmacher, Gürtler, von maximal 650 Schafen aus, für L e o n b e r g v o n Säckler, Hafner, Kubier, Wannen- oder Siebma- 550, für Höfingen v o n 400 und für Gebersheim v o n cher, Dreher, Löffelmacher, Spengler, Buchhänd- 250, während Warmbronn keine Schafe w e i d e n ler, Schlosser, Waffenschmiede, Schaufelschmie- 34 lassen durfte. Der in seinen Ausmaßen beein- de, Messerschmiede, Zinngießer, Kupferschmie- druckende Eltinger Schafhof im Westen des Dor- de, Hutmacher, Barchetträger, Weber und Tuch- fes ist deutlich auf den Kieserschen Ortsansichten macher. Einzelne Wanderhändler kamen sogar aus aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu Savoyen und den Niederlanden. Ein Schweine- sehen. 35 markt war v o m übrigen Marktgeschehen getrennt. Dort wurden w o h l auch Ochsen und Kühe gehan- 36 delt.
An der 1514-1519 erbauten Kirche in Schwaigern befin- det sich eine Inschrift mit Namen und Meisterzeichen des Erbauers, des aus Leonberg stammenden Steinmet- zen und Bild- hauers Bern- Allein schon w e g e n des Marktes war das Hand- hard Sporer. 37 werk in der Stadt, in Leonberg, konzentriert. A u f den Dörfern gab es zunächst lediglich die typi- schen Dorfhandwerker w i e Schmiede, Zimmer- leute oder Schuhmacher. Dagegen machten in Leonberg die Handwerkerhaushalte knapp zwei Fünftel der Gesamthaushalte aus. Allerdings schrieben die Leonberger 1583, daß »hanndtie- Grabstein rungs- unnd handtwerckhsleuth biß daher zu ge- des 1564 ringem uffgang khomen seyen, dann ob sie w o l l - verstorbenen was doch fürnemlich allein inns ambt - ann wha- Leonberger Steinmetzen ren unnd arbeitten vertreiben, geschieht es doch Martin Berwart gemeinglich uff borg. Nachgeendts müessen sie in Brackenheim. wein unnd anders an der bezahlung nemmen, den wein aber fürtter ein jar ettlich mit grossen costen, nennen sind in diesem Zusammenhang die Stein- bis sie dessen wider ehnwerden, ihnen selbs be- metzen Bernhard Sporer, Jeremias Schwartz und hallten, dannenhero abermall dem stettlin ein Peter Pfänder sowie aus der Familie Berwart Sil- 38 mercklicher abbruch entsteht.« 39 vester, Endris, Blasius und Martin B e r w a r t . Die dominierende R o l l e des Weinbaus zeigt sich Erste Nachrichten über eine Organisation der auch in der Struktur des städtischen Handwerks: Handwerker in L e o n b e r g liegen aus der zweiten 1568 gab es unter den 244 Leonberger Steuerhaus- Hälfte des 15. Jahrhunderts mit der Gründung halten allein z w ö l f Küfer. Daneben finden wir einer religiösen Bruderschaft der Bäcker vor, die neun Schneider, acht Weber, sieben Schreiner, je jedoch auch andere Mitglieder aufnahm. Im 16. sechs Bäcker und Schuhmacher, fünf Maurer, je Jahrhundert sind (offensichtlich ortsübergreifen- vier Schmiede und Metzger, drei Steinmetzen, drei de) Zünfte der Schneider, Schuhmacher, Weber, Glaser, je zwei Hafner, Seiler, Dachdecker, Sattler, Schmiede, Wagner und Maurer genannt. Scherer, Schlosser und Wagner. Je einmal vertre- Das städtische Handwerk hatte mit einer zuneh- ten waren die Handwerksberufe eines Drehers, menden Konkurrenz der dörflichen Handwerker, Färbers, Gipsers, Goldschmieds, Hutmachers, insbesondere der Landweber, zu kämpfen, o b w o h l Zinngießers, Kürschners, Kupferschmieds, Mes- die Obrigkeit versuchte, durch Verordnungen das serschmieds, Zieglers und Zimmermanns. G e w e r b e auf den Dörfern einzudämmen. So wur- Ein für den Export bestimmter Wären arbeitendes de vorgeschrieben, daß Metzger sich in den Dör- Handwerk, w i e es uns etwa in Calw oder Wildberg fern nur mit Genehmigung der Amtsstadt nieder- in dieser Zeit begegnet, wo 1591 70 beziehungswei- lassen durften, Metzger in Dörfern, » w o v o n alter se 72 Engelsaitweber belegt sind, gab es in L e o n - kein Metzger gehalten«, sollten abgeschafft wer- berg nicht. Lediglich dem Steinmetzenhandwerk d e n . Dennoch waren zum Beispiel 1579 Metzger 40 kam eine gewisse überregionale Bedeutung zu. Zu in Ditzingen, Gerlingen, Heimerdingen, Heims-
heim, Mönsheim, Renningen und Rutesheim an- Verhältnis zwischen Meister und Gesellen nie! sässig, bis zum Ende des Jahrhunderts kamen der Fall war. Damit war das Verlagswesen ein« noch Metzger in Weilimdorf und H e m m i n g e n da- der entscheidenden Elemente bei der Herausbi 45 zu. A l l e bedeutenden Amtsorte mit Ausnahme der dung des modernen Kapitalismus. Hinweise ai L e o n b e r g unmittelbar benachbarten Dörfer hat- eine Ausbreitung des Verlagswesens im Leonbe 41 ten also eigene M e t z g e r . M i t anderen Verordnun- ger Raum konnten für die Zeit vor dem Dreißigjäl gen wollte man die Verkaufsmöglichkeiten der rigen K r i e g allerdings nicht ermittelt werden. Dorfhandwerker einschränken und das städtische Die meisten Handwerker, auch die in der Stad Marktmonopol stärken. So wurde etwa den Dör- betrieben zusätzlich zu ihrem Gewerbe Landwir fern, » s o nit eigen wochenmarckt v o n alter gehabt schaft, hatten zumindest einen Weinberg oder Ga: oder sonst sondere freiheiten hatten«, verboten, ten. Angesichts der steigenden Agrarpreise, m »furohin die wullin Tuch, Barchat und Gewürtz denen die Preise für ihre Gewerbeerzeugniss feil zu h a b e n « , und Webermeister durften in den nicht Schritt hielten, waren viele interessier 46 Dörfern ihre Tuche erst verkaufen, nachdem sie in Grundbesitz zu e r w e r b e n . Manche Handwerke L e o n b e r g »besichtigt und v e r s i g e l t « w o r d e n wa- gerade die wohlhabenden, machten auch Handel! 42 r e n . Von Verstößen gegen diese landesherrlichen geschäfte. Die Metzger handelten mit Vieh, di Verbote in Ditzingen und Gerlingen, wo sogar ein Bäcker mit Getreide und Mehl. Weit verbreitet Wc Niederländer Tuche zum Verkauf anbot, ist j e d o c h auch der Weinhandel. 43 1581 die R e d e . Der Wein war im 16. Jahrhundert der wichtigst D i e Handwerker waren als selbständige Meister Ausfuhrartikel des Herzogtums Württemberg für die Beschaffung ihrer Rohstoffe und den A b - Neckarwein, w i e der Württemberger Wein in de satz ihrer Fertigprodukte selbst verantwortlich. Sprache der Zeitgenossen hieß, wurde bis nac G e g e n Ende des 16. Jahrhunderts begann sich Österreich, Norddeutschland und in die Niedei 47 auch in Württemberg, genauer bei den Webern in lande exportiert. D o c h L e o n b e r g mußte 1583 au den Städten Calw und Wildberg sowie in den Dör- d e m Landtag vorbringen, aufgrund der schlechte] fern des nördlichen Schwarzwaldes und des Obe- Verkehrslage »haben wir zu unnsern weinen kei ren Gäus, eine andere, eine frühkapitalistische nen anndern vertrieb, dann was beim zapffen uss Form des Gewerbes durchzusetzen: das Verlags- geschenkht und bißweylen v o n württen im Hei wesen. Die Weber arbeiteten nunmehr für Calwer renberger und Böblinger ambt unnd mherer theil 4 8 Handelsherren, die als » V e r l e g e r « für den überre- uff borg abgeholt w ü r d t « . Tatsächlich sind in dei 44 gionalen Vertrieb sorgten. Häufig bezogen die Quellen Geschäfte Leonberger Weinhändler mi Weber über den Verleger auch die Rohstoffe, das Abnehmern in Eltingen, Gerlingen, Sindelfinger heißt die Wolle. Mit d e m Verlagswesen wurden Holzgerlingen, Hildrizhausen, Weil im Schön erstmals in größerem Umfang Produktion und A b - buch, Aidlingen und Magstadt genannt, alles Orti satz getrennt. Der Handwerker, der für einen Ver- in den Ä m t e r n Leonberg, Böblingen und Herren leger arbeitete, wurde v o n diesem in einem Grade berg. Leonberger Wein wurde aber auch über di< wirtschaftlich abhängig, w i e das bisher etwa beim Weinhandelsplätze U l m , Augsburg und Münchei
Der Wappenstein mit den drei würt- tembergischen Hirschstangen am Oberen Tor in Leonberg zeigte jedem Eintretenden an, wem die Stadt gehörte (siehe Text Seite 92). Von 1519 bis 1534 war der Wappenstein zuge- mauert (siehe Seite 109). Heute befindet er sich im Vorraum des Alten Rathauses. 49 außerhalb des Landes exportiert. Eine relativ wichtige Rolle spielte L e o n b e r g für Weinimporte, es gehörte zu den württembergischen Städten, »us denen die meiste wein über Rhein und us d e m 50 Elsass ins land gebracht« w u r d e n . Neben dem Weinhandel ist der Schaf- und Woll- handel zu erwähnen, der v o n der Leonberger Kauf- manns- und Beamtenfamilie Dreher betrieben wurde. Die Schafe gingen an Schäfer im A m t L e - onberg, im Zabergäu und im Kraichgau. D i e Schä- ten, bestand. Landsknechte waren gesuchte Spe- fer bezahlten nur in den wenigsten Fällen in bar, zialisten, die entsprechend gut bezahlt wurden. sondern gaben Wolle in Zahlung, die an die Weber D i e Verdienstmöglichkeiten erhöhten sich für in den benachbarten Städten, v o r allem in Calw denjenigen, der zum Söldnerführer aufstieg. Söld- 51 und Wildberg, weiterverkauft w u r d e . Dieser nerführer waren nämlich nicht nur militärische Schaf- und Wollhandel funktionierte also offen- Befehlshaber, sondern besorgten als Unternehmer sichtlich ähnlich w i e das Verlagswesen im gewerb- in Sachen K r i e g für ihre Auftraggeber auch die lichen Bereich. Der Schäfer verkaufte seine Wolle Werbung und die Aufstellung der Truppen. Sie nicht direkt an die Weber, sondern war, o b w o h l waren häufig an den Waffenlieferungen für die nach außen hin selbständig, v o n einem »Unterneh- Knechte beteiligt, ja sie ermöglichten oft durch m e r « abhängig, der ihm die Schafe stellte und die Kredite ihren Auftraggebern erst die Aufstellung Wolle abnahm. Damit zeigen sich hier erste »kapi- v o n Truppen. Ein solcher Söldnerführer war Hein- talistische« Ansätze auch bei der Agrarproduk- rich Kepler, der Vater des Astronomen, der 1590 tion. als Hauptmann umkam. So hatte man als Söldner durchaus die Möglichkeit zu gewinnen, ja viel zu gewinnen, doch man konn- Kriegsdienst als Erwerbsmöglichkeit te auch verlieren: Seuchen, Gefangennahme, Ver- krüppelung oder der T o d drohten auf j e d e m Feld- Nach Landwirtschaft, Handel und G e w e r b e muß zug. Dennoch fanden sich, auch im Leonberger zum Schluß noch ein letzter Wirtschaftszweig er- Raum, immer wieder Männer aus allen Schichten, wähnt werden, der im 16. Jahrhundert zu einer die sich als Söldner anwerben ließen. Zu verlok- 52 gewissen Blüte kam: der Kriegsdienst. Das Auf- kend war die Aussicht auf das schnelle Geld, zu kommen der Feuerwaffen und die zunehmende groß die Abenteuerlust v o n vielen, die - w i e es 1583 Bedeutung des Fußvolks gegenüber der Reiterei über einen Heimerdinger hieß - »täglichs wa hatten die Kriegführung verändert und ein »neues kriegsgeschray vorhannden hinaußzuziehen ge- 53 Heerwesen« gebracht. Rückgrat der Heere war sinnet« w a r e n . nun nicht mehr die Reiterei, sondern die Fußtrup- pe, die aus Landsknechten, also aus Berufssolda-
Verfassung und Verwaltung berger lokalhistorischen Forschung war es lange Zeit umstritten, ob die Marktbrunnenfigur den da- mals regierenden Herzog Christoph von Württem- 3 berg darstellen sollte oder nur einen Herold, einen 4 Landesherrliches Regiment Wappner des H e r z o g s . Für die letztere Deutung spricht, daß in den Stadtrechnungen die Markt- Den Fremden, die nach L e o n b e r g kamen, etwa um brunnenfigur tatsächlich als » w ä p n e r « bezeichnet 5 den Markt zu besuchen, wurde gleich beim Betre- w i r d . Zu beachten ist aber, daß für den mittelalter- ten der Stadt durch Wappen über den Toren ange- lichen und frühneuzeitlichen Menschen viele Din- zeigt, daß die Stadt d e m Grafen beziehungsweise ge auch S y m b o l e waren. So ist die Marktbrunnen- (seit 1495) dem Herzog v o n Württemberg gehörte. figur eben nicht nur ein schlichter Wappner, son- Der Wappenstein mit den drei württembergischen dern zugleich S y m b o l des Landesherrn, Symbol Hirschstangen, der das Obere Tor zierte, ist bis der Herrschaft des Herzogs v o n Württemberg über heute erhalten, und aus d e m Jahr 1486 ist überlie- die Stadt Leonberg. Jedoch stellt die Figur nicht fert, daß man an einen Torturm das gräfliche und einen bestimmten Herzog dar, sondern symboli- städtische Wappen malen ließ. 1 siert idealtypisch den Herzog schlechthin als Inha- Das Wappen des Landesherrn findet sich zusam- ber der landesherrlichen Gewalt. Die Herrscherge- men mit dem Stadtwappen auch auf d e m Schild walt ist bildlich durch das Zepter ausgedrückt, das der 1566 auf Kosten der Stadt errichteten Markt- die Figur in der Rechten hält, während die Ordens- brunnenfigur. Diese, ein Werk des Tübinger Bild- kette um den Hals ein Hinweis auf die sozial her- hauers Leonhard Baumhauer, stellt einen Gehar- ausgehobene Stellung ist, indem sie die Zugehö- nischten in voller Rüstung dar, der in der gepan- rigkeit zu einer jener exklusiven Rittergesellschaf- zerten rechten Hand ein Zepter hält, während er ten anzeigt, die dem A d e l , vor allem den Fürsten, sich mit der Linken auf den Schild stützt. Brun- vorbehalten waren. nen, bei denen auf einer Säule die Figur eines Ein weiteres S y m b o l der landesherrlichen Macht, Gerüsteten mit dem Wappen des Landesherrn S y m b o l der Präsenz des Landesherrn, ist das L e - oder - bei Reichsstädten - d e m der Stadtgemeinde onberger Schloß, das Herzog Christoph 1560 bis beziehungsweise dem des Reiches steht, sind im 1565 an der Stelle der mittelalterlichen Stadtburg 16. Jahrhundert beinahe im gesamten deutschen errichten ließ. 1609 wurde das Schloß Witwensitz Sprachraum mit Ausnahme Norddeutschlands er- der Herzogin Sibylla, der W i t w e Herzog Fried- richtet worden, unter anderem in den württem- richs. Damit erhielt L e o n b e r g vorübergehend den bergischen Städten Wildbad, Balingen, Ebingen, Glanz einer kleinen Residenz. Sibylla ließ einen Bietigheim, Wildberg, Rosenfeld und Markgrönin- überdachten Gang v o m Schloß zur Kirche bauen gen. Aufgabe all dieser Brunnen war es, dem Volk und v o n Heinrich Schickhardt einen Pomeran- inmitten des Marktplatzes, des wirtschaftlichen zengarten anlegen. Mittelpunktes der Stadt, deutlich sichtbar vor A u - Das Leonberger Schloß gehört zu den Renais- 2 gen zu führen, w e r hier der Herr war. In der L e o n - sanceschlössern, die die württembergischen Her-
Die Leonberger Marktbrunnenfigur von 1566 zeigt einen Wappner als Symbol der landesfürstlichen Herrschaft (Text Seite 92). Die Steinplastik ist eine Kopie. Das Original steht aus konservatorischen Gründen im alten Eltinger Rathaus. zöge im 16. Jahrhundert in beinahe allen ihren Amtsstädten planten und größtenteils auch aus- führen ließen. Diese Schlösser sind - so Hans- Martin Maurer - » S y m b o l der politischen Samm- lung des aufstrebenden jungen Staates der Neu- 6 z e i t « , bildete sich doch in den anderthalb Jahr- hunderten zwischen 1470 und 1618 der frühmoder- ne Staat heraus. Aus d e m Konglomerat v o n Graf- schaften, Herrschaften und Gütern, die dem Gra- fen von Württemberg gehörten und die allein durch die Person des Grafen zusammengehalten wurden, wurde das Land Württemberg, wurde ein weitgehend geschlossener Territorialstaat. Mit der Erhebung Württembergs zum Herzogtum 1495 wurden die verschiedenen Teile des Landes - so der Herzogsbrief - „vereinigt und also sament- lich zu einem hertzogthumb geordnet", also zu einer rechtlichen Einheit zusammengefaßt. Ein im gesamten Herzogtum geltendes, römisch- rechtlich ausgerichtetes Landrecht, das 1555 unter Herzog Christoph eingeführt wurde, trat in den Bereichen des Privatrechts, insbesondere des Erb- rechts, und der Zivilgerichtsbarkeit an die Stelle Der Herzog erließ eine Vielzahl v o n Ordnungen des »alten H e r k o m m e n s « . Herzog Christoph ge- und Reglementierungen, mit denen im Sinne der lang es auch, die Maße und Gewichte im Land zu »guten p o l i c e y « , das heißt eines guten Regiments, vereinheitlichen. Das bisher im Leonberger Raum die Verwaltung und das Wirtschaftsleben geregelt gebräuchliche sogenannte » L e o n b e r g e r M e ß « wurden, die aber auch den Untertanen Vorschrif- wurde abgeschafft. ten für ihr sittliches und religiöses L e b e n machten In Stuttgart entstanden mit dem für die innere und damit in deren individuelle Lebenssphäre ein- Verwaltung zuständigen Oberrat, mit dem für Kir- griffen. So wurden Höchstbeträge für Hochzeits- chen- und Schulangelegenheiten zuständigen Kir- und Taufgeschenke vorgeschrieben, das Gotteslä- chenrat und mit der für das Finanzwesen zuständi- stern und Zutrinken verboten, Fastnachtsmum- gen Rentkammer leistungsfähige Zentralbehör- merei und Maskeraden untersagt, der L u x u s in der den, in denen studierte Juristen saßen. Einzelne Kleidung eingeschränkt und festgelegt, bei wel- Landesherren faßten ihre engsten politischen Räte chen Anlässen das Tanzen erlaubt beziehungswei- ebenfalls in einem K o l l e g i u m zusammen, dem se verboten sein sollte. Hofrat oder (später) dem Geheimen Rat. Damit »ain ordnungliche pollicey erhallten, ge-
mainer nutz gefordert w e r d « , schrieb Herzog Chri- den Landtagen, wo dem Landesherrn also seine stoph den Pfarrern des Landes 1558 verbindlich Bezirksbeamten als Verhandlungspartner gegen- die Führung v o n Kirchenbüchern vor. Bereits übersaßen. Seit Anfang des 16. Jahrhunderts wur- 1551, also sieben Jahre bevor der Herzog die Perso- de das A m t des Vogts zusätzlich aufgewertet, da nenstandsführung durch die Kirche landesweit dieser nunmehr auch die Aufgaben des Kellers 9 anordnete, hatte der Eltinger Pfarrer Georg Fieß wahrnahm. ein Tauf- und Ehebuch angelegt. Fieß hatte diese Während sich die Amtsbezirke v o n Vogt und Kel- Einrichtung wohl in einer Reichsstadt (wahr- ler deckten, hatte der dritte landesherrliche Beam- scheinlich Straßburg, wo er 1544 als Schüler im te, der in L e o n b e r g saß, der Forstmeister, einen Haus eines Diakons gewohnt hatte) gesehen und bedeutend größeren Sprengel. Ihm oblag nämlich von dort übernommen. D i e Eltinger Kirchenbü- die Aufsicht über den Wald und die Jagd im Be- 7 cher sind damit die ältesten in ganz Württemberg. reich des sogenannten Leonberger Forsts. Dieser war kurz v o r der Mitte des 15. Jahrhunderts gebil- det w o r d e n und umfaßte v o m Neckar bis über die 10 Vogt, Keller, Forstmeister Würm das Gebiet zwischen Nesenbach und Enz. W i e der Keller war auch der Forstmeister (bis auf Einheitliche Verwaltungsstrukturen auf der Be- eine Ausnahme im 16. Jahrhundert) immer nicht- zirksebene waren bereits im Spätmittelalter mit adliger Herkunft. den Ämtern oder Vogteien geschaffen worden, an Da es keine Trennung zwischen Amts- und Privat- deren Spitze als Vertreter des Landesherrn jeweils v e r m ö g e n gab, mußten die Amtsinhaber mit ihrem ein adliger oder bürgerlicher Vogt stand, der zu- Privatvermögen für etwaige Verluste bei der gleich Vorsteher der Amtsstadt war, und in denen Amtsführung haften können. D i e nichtadligen lan- jeweils ein (immer nichtadliger) Keller die herr- desherrlichen Bezirksbeamten stammten deshalb schaftlichen Einkünfte in Stadt und A m t einzuzie- aus wenigen wohlhabenden, um nicht zu sagen hen und zu verwalten hatte. reichen Familien, die untereinander verwandt und Seit dem 14. Jahrhundert ist L e o n b e r g als Sitz verschwägert waren, den sogenannten Vogtsfami- eines Vogts genannt. Das A m t L e o n b e r g umfaßte lien. Eine solche typische Vogtsfamilie war etwa im 16. Jahrhundert außer der Amtsstadt die Stadt die in Eltingen und Leonberg begüterte Familie Heimsheim und die Dörfer Ditzingen, Eltingen, Schertlin: Aberlin Schertlin, 1470 mit ungefähr Gebersheim, Gerlingen, Heimerdingen, Höfingen, 6000 Gulden Vermögen bei weitem der reichste Mönsheim, Münklingen, Renningen, Rutesheim, Mann Leonbergs, war Keller in Leonberg; von sei- Warmbronn und Weilimdorf, außerdem die würt- nen Söhnen waren zwei V ö g t e in Calw beziehungs- tembergischen Anteile an H e m m i n g e n und weise Leonberg, ein dritter Schultheiß in Vaihin- 8 Hirschlanden. Soweit die V ö g t e nichtadlig waren, gen an der Enz und ein weiterer, Heinrich, der die waren sie nicht nur landesherrliche Beamte, son- geistliche Laufbahn eingeschlagen hatte, Speyrer 11 dern bis 1629 vertraten sie zusammen mit A b g e - Weihbischof. sandten der Amtsstadt ihren Amtsbezirk auch auf Einen Einschnitt für die Bezirksverwaltung brach-
Herzog Ulrich von Württemberg (1487 - 1550). amtenstellen angewiesen, verfügten doch nur die- se über den für die Amtsführung notwendigen finanziellen Rückhalt und über eine entsprechen- de Vorbildung. Ulrich versuchte deshalb die Macht der V ö g t e einzuschränken, indem er eine Institution ausbaute, die es schon vorher verein- zelt gegeben hatte: das A m t des Obervogts. Das L e o n b e r g e r Vögtamt wurde nunmehr ständig und durchgängig aufgeteilt in einen (in der R e g e l ) adli- gen Obervogt und einen bürgerlichen Untervogt. Letzterer führte die laufenden Geschäfte, während der Obervogt Repräsentativaufgaben wahrnahm, zu militärischen und diplomatischen Sonderauf- gaben herangezogen wurde und vor allem den Un- ten die Regierungsjahre Herzog Ulrichs (1498- tervogt politisch und überhaupt in seiner Amts- 1550). V i e l e V ö g t e opponierten schon bald g e g e n führung überwachen sollte, denn die Untervögte das verschwenderische, autokratische, Recht und würden, so eine Landesordnung v o n 1536, »zu Zei- Gesetz mißachtende und unbeherrschte Regiment ten durch die finger sehen, diejenen, so inen ge- des jungen Herzogs, was ihre führenden K ö p f e , freündt oder anhengig nit straffen, w i t w e n und der Cannstatter Vogt Konrad Vaut und die Brüder weisen bey irem rechten nit handthaben und un- 12 Sebastian und Konrad Breuning, V ö g t e zu Weins- billich b e s c h w e r e n « . berg und Tübingen, mit d e m L e b e n bezahlen muß- Mit der Institutionalisierung des Obervogtamts ten. Als Ulrich 1519 mitten im Frieden die Reichs- schuf Herzog Ulrich nicht nur ein Kontrollorgan stadt Reutlingen überfiel und sie seinem Territo- für die bürgerlichen V ö g t e , gleichzeitig gelang es rium angliederte, wurde er v o n den im Schwäbi- ihm damit, den A d e l , der sich in den Jahrzehnten schen Bund zusammengeschlossenen benachbar- zuvor der württembergischen Landeshoheit hatte ten Territorialherren und Reichsstädten vertrie- entziehen können, durch Versorgungsstellen an ben, sein Herzogtum kam unter österreichische sich zu binden, die dieser umgekehrt zur wirt- Herrschaft. D i e Angehörigen der Vogtsfamilien schaftlichen und politischen Existenzsicherung 13 waren größtenteils Parteigänger der neuen Her- brauchte. ren. Viele v o n ihnen verließen deshalb 1534, als Eine weitere gezielte Maßnahme zur Kontrolle der Ulrich sein L a n d zurückeroberte, aus A n g s t v o r bürgerlichen Bezirksbeamten war die personelle Racheakten des Herzogs das Land. G e g e n diejeni- Trennung zwischen Untervogt- und Kelleramt, ei- gen, die blieben, ging Ulrich gleich nach seiner ne Maßnahme, die nach d e m T o d Herzog Ulrichs Rückkehr energisch vor. Dennoch blieb der Her- allerdings wieder rückgängig gemacht w u r d e . 14 zog letztendlich auf die Angehörigen der alten Im Rahmen der v o n Herzog Ulrich 1534 eingeführ- Vogtsfamilien bei der Besetzung der Bezirksbe- ten Reformation wurde das Kirchengut eingezo-
Unten: Der Galgenberg auf dem Längenbühl, Hinrich- tungsstätte des Leonberger Hochgerichts (Ausschnitt aus der Forstkarte des Andreas Kieser von 1682). Auch in den Forstkarten von Georg Gadner aus dem Jahr 1592 (siehe Buchanfang) ist dieser Platz gekennzeich- net. Die dunkle Markierung ist die Straße von Eltin- gen nach Renningen. Die Galgen standen nördlich der Straße; die Kieserschen Karten sind von Norden her gezeichnet, Süden ist deshalb oben. gen und amtsweise zentral verwaltet. Damit war peinlichen Urteilsbuch des Stadtgerichts sind im- zunächst ein Mitglied des Leonberger Stadtge- merhin 27 Todesurteile überliefert. Die Hinrich- richts, Simon Weinmann, betraut, später der K e l - tungsstätte befand sich ursprünglich vor dem Obe- ler. Ab 1551 wurde diese Aufgabe v o n einem eige- ren Tor, seit dem 16. Jahrhundert war es der »Gal- 17 nen landesherrlichen Beamten, dem Geistlichen g e n b e r g « auf dem Längenbühl. 15 Verwalter, w a h r g e n o m m e n . N e b e n d e m herrschaftlichen Gericht gab es in El- tingen ein Gemeindegericht, das schon auf Seite 47 erwähnte »Birengericht« (Birnengericht). Wie der Gericht und Rat N a m e sagt, war der Schutz und die Verteilung des wilden Obstes seine Hauptaufgabe, aber auch Ver- Noch im 15. Jahrhundert war es den württem- gehen im Zusammenhang mit der Bestellung der bergischen Landesherren gelungen, eine einheitli- Ä c k e r und Weingärten wurden v o n ihm geahndet. che Gerichtsorganisation mit einem geregelten In- Gebildet wurde es, wenn wir die Zusammenset- 16 stanzenzug aufzubauen. Unterste Instanz waren zung der Renninger und Flachter Birengerichte die Dorfgerichte, zuständig für die niedere und auf Eltingen übertragen dürfen, von den Bauern, zivile Gerichtsbarkeit. G e g e n ihre zivilgerichtli- die einen Pflug besaßen. Es tagte sonntags vor chen Entscheidungen waren Appellationen an das oder nach der Predigt unter freiem Himmel. Von Leonberger Stadtgericht zulässig, das zugleich der Obrigkeit wurde diese dorfgenossenschaftli- Erstinstanz für die Stadtbewohner war. Von dort che Einrichtung nicht gern gesehen, gegen Ende 18 konnte man an das Tübinger Stadtgericht als des 17. Jahrhunderts sogar verboten. Obergericht und an das Hofgericht in Tübingen als D i e herrschaftlichen Gerichte waren nicht nur In- letzte Instanz appellieren. D e m Leonberger Stadt- stitutionen der Rechtsprechung, sondern auch der gericht oblag außerdem die niedere Gerichtsbar- keit in der Stadt, und schließlich übte es die hohe Gerichtsbarkeit aus, das heißt, v o r ihm wurden die peinlichen Sachen verhandelt, also solche Strafge- richtsfälle, in denen es um L e i b und L e b e n für den Angeklagten ging. In dieser Eigenschaft als Hoch- gericht umfaßte der Sprengel des Leonberger Ge- richts zunächst die Stadt L e o n b e r g und die Amts- dörfer, doch konnte es im 16. Jahrhundert auch die Heimsheimer Hochgerichtsfälle an sich ziehen und seine Zuständigkeit außerdem auf das K l o - steramt Merklingen ausdehnen. Gegen hochgerichtliche Entscheidungen gab es keine Berufungsmöglichkeiten, o b w o h l sehr harte Strafen verhängt wurden. Im ältesten erhaltenen
Das zwischen 1462 und 1482 erbaute Alte Rathaus in Leonberg beherrscht noch heute den Marktplatz. R e g e l auch den Schultheißen oder Vogt stellten, gewährleistet. Gericht und Rat traten auf den Rathäusern zusam- men, die im späten 15. und 16. Jahrhundert allent- halben gebaut wurden. Das L e o n b e r g e r Rathaus entstand zwischen 1462 und 1482 und löste ein älteres »Bürgerhaus« (wohl das heutige Gebäude Marktplatz Nr. 3) ab. Um 1580 wurde es durch einen Anbau im Renaissancestil erweitert. Es war ein multifunktionales Gebäude, besaß es doch ne- ben einer großen und kleinen Ratsstube auch ei- nen Tanzboden, und im offenen Erdgeschoß hat- Gemeindeselbstverwaltung. Da sie j e d o c h als ob- ten die Bäcker und Metzger ihre Verkaufsstände. rigkeitliche Organe galten, wurden in den Gemein- Im Renaissanceanbau schließlich befanden sich den für Angelegenheiten der Selbstverwaltung zu- zwei A r c h i v g e w ö l b e sowie das »Narrenhäuslein«, sätzlich Vertreter der » g e m e i n e n « Bürgerschaft ein Gefängnis, in das Übeltäter zur Sühnung klei- hinzugezogen, die sich bald zu einem eigenen Gre- nerer Vergehen für ein, zwei Tage gesteckt wur- 21 mium konstituierten, zum Rat oder, so die ur- d e n . In Eltingen, Gebersheim und H ö l i n g e n wer- sprüngliche Bezeichnung auf den Dörfern, Zusatz. den Rathäuser in der zweiten Hälfte des 16. Jahr- 22 In Leonberg ist der Rat erstmals 1502 genannt, er hunderts erwähnt , das Warmbronner allerdings 23 19 bestand dort aus acht M i t g l i e d e r n . In Eltingen erst im 17. Jahrhundert. Im Höfinger Rathaus gab es 1514 einen Zusatz, das Gremium „der vier- wurde auch Schule gehalten, und im Gebershei- 24 unndzwaintzig", 1617 neben d e m zwölfköpfigen mer befand sich im Erdgeschoß die K e l t e r . Gericht einen sechsköpfigen Rat, der in jener Zeit 20 auch für Renningen überliefert ist. Die Mitglieder v o n Gericht und Rat wurden nicht Gemeindeämter und -dienste von den Bürgern gewählt, sondern durch kompli- zierte jährliche Besetzungsverfahren bestimmt. Für die Gemeindeverwaltung gab es eine Vielzahl Das Leonberger Verfahren ist überliefert. Danach v o n Ämtern, deren Inhaber, meistens Mitglieder wählte der Vogt beim sogenannten Vogtgericht im des Gerichts oder des Rats j ä h r l i c h bestätigt wer- September jeweils den ersten Richter, danach der den mußten. Wichtigstes A m t war dasjenige, das Vogt und der erste Richter den zweiten Richter, mit der Führung der Gemeinderechnung betraut diese drei dann den dritten Richter und so fort, bis war. Dieses A m t wurde deshalb (soweit sich dies es zwölf Richter waren. Diese wählten dann den feststellen läßt) v o n zwei Personen, je einer aus Rat. Damit war eine Honoratiorenherrschaft weni- d e m Gericht und d e m Rat, wahrgenommen, die in ger einflußreicher Familien, die untereinander der Stadt Bürgermeister genannt wurden, in den verwandt und verschwägert waren und die in der Dörfern ursprünglich Heimbürgen, seit dem 16.
Titelblatt der Leonberger Bürgermei- sterrechnung (Stadtrechnung) von 1596/97 mit Nennung der die Rech- nung führenden damaligen Bürger- meister Claus Koch, Michael Beck und Jacob Mochel. Seit 1582 gab es in Leonberg drei Bürgermeister. dig war (siehe Seite 111). An weiteren Ämtern seien die Steuersetzer genannt, welche die Höhe der Steuer festlegten, die die einzelnen Bürger zu zah- len hatten, und die Untergänger, die bei Grenz- streitigkeiten im Ort oder auf dem Feld aufgrund eigenen Augenscheins zu entscheiden hatten und baupolizeiliche Aufgaben wahrnahmen. In Leon- berg, der Stadt, gab es außerdem eine ganze Reihe v o n Ämtern, die der Gewerbeaufsicht dienten: die Tuchsiegier, die Fleischschätzer, die Brotbeseher und die Lederschauer. Da es sich bei den Mitgliedern des Gerichts und des Rats sowie bei den übrigen Inhabern v o n Ge- meindeämtern um ehrenamtliche Funktionsträ- ger handelte, konnten diese Ä m t e r nur v o n Leuten übernommen werden, die » a b k ö m m l i c h « waren, das heißt die über ein gewisses Vermögen ver- Jahrhundert nach städtischem Vorbild auch Bür- fügten. germeister. Die beiden Bürgermeister oder Heim- Einziger hauptberuflicher Amtsträger auf Ge- bürgen sollten sich gegenseitig kontrollieren. In meindeebene war der Stadtschreiber in Leonberg, der Stadt standen die Bürgermeister nach d e m der zusammen mit seinen Gehilfen auch die anfal- Vogt an der Spitze der Ämterhierarchie mit Wei- lende Schreibarbeit für die Dörfer erledigte. Erst sungsbefugnis gegenüber den städtischen Be- 1618 wurde dafür eigens ein Amtsschreiber ange- diensteten. Ihre besondere Stellung k o m m t auch stellt. Der Stadtschreiber brauchte als einziger in in der offiziellen Titulatur des Stadtmagistrats der gemeindlichen Selbstverwaltung eine speziel- zum Ausdruck, die »Vogt, Bürgermeister, Gericht le Verwaltungsausbildung und war bei praktisch und Rat der Stadt L e o n b e r g « lautete. Jedes Jahr allen wichtigen Vorgängen und Entscheidungen wählte der Rat einen, seit 1582 zwei Bürgermeister als Protokollant und Schreiber dabei. aus dem Kreis der Richter und das Gericht einen N e b e n den Gemeindeämtern gab es eine Vielzahl 25 Bürgermeister aus dem Kreis der Ratsmitglieder. v o n nachgeordneten Gemeindediensten, angefan- Ein rechnungführendes A m t in der Gemeindever- gen beim Mesner bis hin zu den Hirten. waltung war auch das des Heiligenpflegers, das Im 16. Jahrhundert setzte sich zunehmend die heißt des Kirchenpflegers, das es in jeder Gemein- Schriftlichkeit auch in der Gemeindeverwaltung de gab. In Leonberg gab es zusätzlich den Spital- durch. D i e bisher mündlich weitergegebenen Ge- pfleger, der das Vermögen des 1485 gegründeten meindesatzungen wurden aufgezeichnet, so 1582 Spitals verwaltete, und den Heckenpfleger, der für in L e o n b e r g in einem Statutenbuch, so 1593 in eine Stiftung des Priesters Albrecht H e c k zustän- Höfingen in einem sogenannten Fleckenlager-
26 buch. Auch Eltingen und Warmbronn legten in Ein figürliches Grabmal konnten sich nur die Wohlha- dieser Zeit Fleckenlagerbücher an, die heute j e - benden leisten, wobei es bei der Darstellung weniger auf Ähnlichkeit als auf eine prächtige Ausstattung doch nicht mehr erhalten sind. D i e Rechnungsfüh- ankam. Der Leonberger Steinmetz Jeremias Schwartz rung hatte nun schriftlich zu erfolgen. A u c h in d e m fertigte das Epitaph des Burkhard Stickel, Obervogt in zu den »geringsten fleckhen« des A m t s L e o n b e r g Leonberg von 1592 bis 1613, in der Schorndorfer Stadt- kirche (links); an der Leonberger Stadtkirche sind die zählenden Wärmbronn, wo man noch zu Beginn Epitaphien des 1607 verstorbenen Ratsverwandten der 1580er Jahre nur mit Hölzern abrechnete, soll- Johann Sebastian Besserer (Mitte) und dessen Vaters, ten die Rechnungen »hinfüro« schriftlich geführt des 1593 verstorbenen Bürgermeisters Sebastian 27 Besserer, (rechts) angebracht. werden. ment Sebastian Besserers, eines der reichsten Bür- ger Leonbergs im 16. Jahrhundert, heißt es klipp Soziale Schichten und Gruppen und klar: »Wurde aber ain khind nit volgen, sonn- der one vorwissen unnd rath« der Eltern heiraten, 1 sollte es keinen Anspruch auf eine Mitgift haben. Wirtschaftliche Erwägungen spielten auch eine Haushalt und Familie wichtige Rolle, wenn die W i t w e eines Handwerks- meisters einen Gesellen heiratete, um den Betrieb Kleinste Einheit des sozialen Zusammenlebens ihres verstorbenen Mannes weiterzuführen, oder war die Familie, der Haushalt. Ein eigener Haus- wenn ein Witwer zur Versorgung der Kinder und halt wurde begründet durch die Heirat. Soweit die zur Führung des Haushaltes seine M a g d heiratete. finanziellen Verhältnisse es zuließen, brachte der A u f diese Weise konnte es sehr große Altersunter- Mann ein Pferd, die Frau eine »bereite bettstatt«, schiede zwischen den Ehepartnern geben. also ein Bett und Bettzeug, und eine K u h mit in die Z u m Haushalt gehörte auch das Gesinde, die Ehe. Wesentliche Faktoren bei der Partnerwahl Knechte, M ä g d e , Handwerksgesellen, und zum waren die Höhe und A r t der Mitgift, die soziale Haushalt konnten auch Verwandte gehören, etwa Herkunft des Partners, einfach Fragen w i e : Bringt Pflegekinder, der Großvater oder die Großmutter. die Frau eine Kuh mit in die Ehe? L i e g e n die Ä c k e r Der Haushalt war partriarchalisch organisiert; zu- der künftigen Frau bei den eigenen? Aus welcher mindest rechtlich stand ihm, soweit es sich nicht Familie kommt der Mann? Dabei beanspruchten um einen Witwenhaushalt handelte, der Mann vor. die Eltern natürlich ein Mitspracherecht. Im Testa- Die Rechtsfähigkeit weiblicher Haushaltsvorstän-
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