Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung - 2020 30 Jahre VCÖ-Schriftenreihe Mobilität mit Zukunft

 
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Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung - 2020 30 Jahre VCÖ-Schriftenreihe Mobilität mit Zukunft
mobilität mit zukunft

                        Mobilitätsfaktoren Wohnen
2020-04
                        und Siedlungsentwicklung

                                            2020
                                       30 Jah
                                       VCÖ-Sc re hriftenre
                                      Mobilitä            ihe
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                                                        kunft
Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung - 2020 30 Jahre VCÖ-Schriftenreihe Mobilität mit Zukunft
Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung - 2020 30 Jahre VCÖ-Schriftenreihe Mobilität mit Zukunft
Mobilitätsfaktoren Wohnen
und Siedlungsentwicklung
Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung - 2020 30 Jahre VCÖ-Schriftenreihe Mobilität mit Zukunft
Nachtzüge schaffen
 Jobs und Aufträge
 in Österreich
2.900 Mitarbeiter, 166 Lehrlinge in Ausbildung, 30 Patente pro Jahr,
verlässlicher Partner: Siemens Mobility ist ein wichtiger Motor für
die heimische Wirtschaft. Entwickeln und bauen wir Fahrzeuge wie
etwa die neuen Nachtreisezüge, vergeben wir auch wichtige
Folgeaufträge für unzählige Zulieferbetriebe. Mehr als die Hälfte
dieser Aufträge in Österreich gehen an kleine und mittelgroße
Unternehmen, für die Aufträge gerade in wirtschaftlich heraus-
fordernden Zeiten besonders wertvoll sind. Moving beyond.

                                              siemens.at/mobility
Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung - 2020 30 Jahre VCÖ-Schriftenreihe Mobilität mit Zukunft
Mobilität mit Zukunft 4/2020                                                            Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung                         3

Dank                                              Impressum
Publikationen des VCÖ dienen der fachlich         VCÖ                                     Als Autor zu zitieren:
fundierten Aufbereitung beziehungsweise           1050 Wien                               VCÖ, Wien, ­Österreich
                                                  Bräuhausgasse 7-9                       Medieninhaber, Heraus­geber
Diskussion von Themen aus dem B       ­ ereich    T +43-(0)1-893 26 97                    und ­Verleger:
­Mobilität, Transport und Verkehr. Die Art der    E vcoe@vcoe.at                          VCÖ, 1050 Wien
 Behandlung der Inhalte und die ­erarbeiteten     www.vcoe.at                             ZVR-Zahl 674059554
 Ergebnisse müssen nicht mit der M ­ einung der
                                                  VCÖ (Hrsg.):                            Titelbild:
 unterstützenden ­Institutionen ­und ­Personen    „Mobilitätsfaktoren Wohnen              Manuela Tippl
 übereinstimmen.                                  und Siedlungsentwicklung“               Layout: VCÖ 2020
                                                  VCÖ-Schriftenreihe ­                    Druck:
                                                  „Mobilität mit Z­ ukunft“               gugler GmbH,
Gedankt sei allen, die die Herausgabe dieser      4/2020                                  Auf der Schön 2
­Publikation finanziell unterstützt ­haben.       Wien 2020                               3390 Melk
                                                  ISBN 978-3-903265-07-3

                                                  Erstellt durch Beiträge von:

                                                  • Inhaltliche Mitarbeit
                                                  • Inhaltliche Inputs
                                                  • VCÖ-Redaktionsteam

                                                                                                                     Arbeitshuber
                                                                                   Gries                             Stefan
                                                                                   Jürgen               Weninger
                                                                                                        Andrea             Schäfer
                                                                                                                           Christian
                                                                              Juhasz
                                                                              Andreas
                                                                                                            Jany
                                                                                                            Andrea                     Beyer
                                                            Hertel
                                                                                                                                       Felix
                                                            Martina
                                                                                        Schwendinger                                                   Reinwald
                                                                                        Michael                                                        Florian
                                                                                                                 Rasmussen
                                                                      Drlik                                                               Gratzer
                                                                                                                 Ulla
                                                                      Stephanie                                                           Christian
                                                                                            Franz
                                                           Furchtlehner                     Gerald                                  Degros
                                                                                                                                    Aglaee            Wegener
                                                           Jürgen
                                                                                   Nowak                       Bittner                                Sandra
                                                                                   Willi                       Irene
                                                                                                                                                        Stude
                                                                                                                                                        Beatrice
                                                             Kozina                                                                    Wagenleitner
                                                                                                Monsberger
                                                             Christian
                                                                                                Markus                     Himmelbauer Viktoria
                                                                                                                           Paul
                                                                          Bauer                                  Regner
Inserate:                                                                 Sabine                                 Karl                      Schwab
Graz Köflacher Bahn                                                                         Zöhrer                                         Eva
                                                                                            Edith
Infineon                                                           Stark                                      Bell
                                                                                                              Daniel             Lampersberger
                                                                   Juliane
Rhomberg Bau                                                                                                                     Paul
Siemens Mobility Austria
                                                                                                 Preßmair
                                                                                                 Guntram
Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung - 2020 30 Jahre VCÖ-Schriftenreihe Mobilität mit Zukunft
Wir gestalten Zukunft.
                       Seit 50 Jahren.
                       Mikroelektronik von Infineon leistet entscheidende
                       Beiträge zu einer besseren Zukunft – damals wie
                       heute. Seit 50 Jahren entwickeln und produzieren
                       wir innovative Technologien.
                       Halbleiter von Infineon Austria senken den Energie-
                       verbrauch. Sie ermöglichen umweltgerechte Mobilität,
                       einen sicheren Datentransfer und die effiziente Erzeugung
                       erneuerbarer Energie. So wird das Leben einfacher,
                       sicherer und umweltfreundlicher.

                       www.infineon.com/austria

Ideen, die bestehen.
Rhomberg Bau

                                Heutemorgen-
                                denken
                                Wir wissen nicht, wie die Zukunft aussieht.
                                Aber wir können viel dafür tun, sie aktiv
                                mitzugestalten, indem wir bereits heute an
                                morgen und übermorgen denken.
                                Ob das die Renovierung eines bestehenden
                                Gebäudes ist, der Bau einer modernen
                                Wohnanlage oder die Entwicklung eines
                                großen Industriekomplexes: Wir setzen auf
                                eine nachhaltige Zukunft – mit Ideen, die
                                bestehen.

                                www.rhomberg.com
Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung - 2020 30 Jahre VCÖ-Schriftenreihe Mobilität mit Zukunft
Mobilität mit Zukunft 4/2020                                              Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung   5

                                      Vorwort
                                Unsere Art zu wohnen nimmt vorweg, wie wir mobil sind. Selbst
                                auf Energieeffizienz bedachte Haushalte lassen den Mobilitäts-
                                bereich oft ausgeblendet. Und so entstehen ganze Siedlungen
                                auf der „grünen Wiese“, oft sogar in Niedrigenergie- und
                                Passiv-Bauweise. Doch dieses Eigenheim, weitab in der Region,
                                verlangt nach dem Auto als Anbindung an soziale und gesell-
                                schaftliche Einrichtungen. Und die anfangs oft selbst gewählte
                                Auto-Abhängigkeit kann zur Kostenfalle werden. Im Gegensatz
                                dazu ermöglicht die Wohnung im Ortskern oder in verdichteter
                                Bauweise vielfältige, zeitsparende und kostengünstige tägliche
                                Wege zu Fuß, per Fahrrad oder im Öffentlichen Verkehr.
                                   Gesetzlich unterstützt wird die Autoorientierung des Wohnens
                                auch innerstädtisch. Der Zwang zur Errichtung von Pkw-Abstell-
                                plätzen leitet sich aus Hitlers Reichsgaragenordnung ab und
                                findet sich noch immer in den Bauordnungen der Bundesländer
                                Österreichs. Diese überkommene Pkw-Orientierung geht
                                inzwischen an der Lebensrealität vieler Menschen vorbei,
                                                                  verteuert Wohnbau enorm und

                »  Die Pkw-Stellplatzverpflichtung braucht                dringend den Ersatz
                                                                  durch zeitgemäße Mobilitätskon-
                verteuert den Wohnbau und ist                     zepte. Denn der Wunsch nach
                                                                  Auto-Besitz geht gerade mit der
                nicht mehr zeitgemäß.          «                  Baby-Boomer-Generation in
                                                                  Pension. In Städten wie Wien
                                fahren nicht einmal mehr zehn Prozent der Unter 30-jährigen mit
                                dem Auto zur Arbeit oder Ausbildung. Immer mehr Gemeinden
                                und Städte schaffen Platz auf der Straße und bieten ihren
                                Bürgerinnen und Bürgern Aufenthaltsqualität außerhalb der
                                eigenen vier Wände durch Bäume, Brunnen und freie Flächen
                                vor dem Erdgeschoß für Bank, Tisch und gepflegtes Grün.
                                   Politik und Verwaltung sind im Angesicht der Klimakrise
                                dringender denn je gefordert, nachhaltig enkeltauglich wirkende
                                Rahmenbedingungen zu setzen. Baulandwidmungen sind unter
                                die Lupe zu nehmen, die Wohnbauförderung sollte es nur dort
                                geben, wo Wohnraum nahe an einem öffentlichen Verkehrsmit-
                                tel geschaffen wird. Und nicht zuletzt braucht es einen Energie-
                                ausweis, der auch die Mobilität und die Mobilitätskosten mit
                                einbezieht.
                                   Wie es gelingen kann qualitätsvolles Wohnen in Kombination
                                mit gesicherter Mobilität zu ermöglichen, zeigt die VCÖ-Publi-
                                kation „Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung“.

                                      Willi Nowak
                                      VCÖ-Geschäftsführung
Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung - 2020 30 Jahre VCÖ-Schriftenreihe Mobilität mit Zukunft
Elektrifizierung der GKB:
                                                                                          Die Zukunft der öffentlichen
                                                                                          Mobilität in der Weststeiermark

         VCÖ-Magazin – Fundierte Analysen, Interviews
         und Infografiken zum Thema Arbeitswege auf
         Klimakurs bringen.

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          			www.vcoe.at

                                                                                                                                           Illustration: Manuela Tippl
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Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung - 2020 30 Jahre VCÖ-Schriftenreihe Mobilität mit Zukunft
Mobilität mit Zukunft 4/2020                               Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung   7

                               Inhaltsverzeichnis

                               Wohnen beeinflusst Klimabilanz der Mobilität stark                8

                               Kompakte‌ ‌Siedlungsstrukturen‌ ‌als‌ ‌Standard‌ ‌etablieren‌    13

                               Klimaverträgliche Flächengestaltung in der Stadt                 18

                               Soziale Zusammenhänge von Wohnen und Mobilität                   23

                               E-Mobilität im Wohnbau benötigt
                               geeignete Infrastruktur                                          27

                               Die Mobilitätswende mit veränderten
                               Richtlinien für den Wohnbau unterstützen                         30

                               Fahrrad-Abstellanlagen im Wohnbau als Antrieb
                               für mehr Radverkehr                                              34

                               Literatur, Quellen, Anmerkungen                                  38

                               VCÖ-Schriftenreihe Mobilität mit Zukunft                         40
Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung - 2020 30 Jahre VCÖ-Schriftenreihe Mobilität mit Zukunft
8                                                                                                                                                                    Mobilität mit Zukunft 4/2020

                                                                                                                                                                                                    Foto: privat
    Wohnen beeinflusst Klimabilanz
    der Mobilität stark
                                  Acht von zehn Wegen beginnen oder enden zu Hause. Die Wohnungs- und
                                  Siedlungspolitik ist damit ein wichtiger Hebel zum Erreichen der Klimaziele
                                  im Verkehr. Gemeinden haben es in der Hand, durch raumplanerische
                                  Vorgaben und neue Wohnformen den Verkehr zu reduzieren.

                                  Dem Wohnstandort kommt eine besondere Rolle                                                              Prozent mit dem Auto mit einem durchschnittli-
    Bauflächen und Straßen        bei der Förderung von umwelt- und klimaverträg-                                                          chen Besetzungsgrad von nur 1,15 Personen98
     sind für fast drei Viertel   licher Mobilität zu, da rund 80 Prozent der Wege                                                         zurückgelegt.11 Nur knapp 50 Prozent der
       des Bodenverbrauchs        zu Hause beginnen oder enden.11, 83 Mobile                                                               Bevölkerung Österreichs lebt an gut mit öffentli-
        in Österreich verant-
          wortlich. Nur durch     Menschen in Österreich legen im Schnitt 3,3                                                              chen Verkehrsmitteln versorgten Wohnstandor-
    kompaktes Bauen kann          Wege an einem Werktag zurück. Außer in Wien                                                              ten.28 Beispielsweise in der Ostregion Niederös-
         der Bodenverbrauch
            reduziert werden.     werden in Österreich diese Wege zu über 50                                                               terreich, Wien und Burgenland wohnen zwar
                                                                                                                                           etwa 90 Prozent der Pendelnden maximal neun
                                                                                                                                           Kilometer vom nächsten Bahnhof entfernt,
      Jährlicher Bodenverbrauch soll bis zum                                                                                               dennoch benutzen 57 Prozent den Pkw für den
      Jahr 2030 um 80 Prozent reduziert werden                                                                                             Arbeitsweg.11 Im Jahr 2014 erklärten zwei Drittel
                                                                                                                                           aller Arbeitnehmenden in der Ostregion, dass sie
       Zuwachs des Bodenverbrauchs in Quadratkilometer pro Jahr
                                                                                                                                           die Bahn für den Arbeitsweg nutzen könnten,
                                                                                                                                           und fast zwei Drittel, nur drei Kilometer vom
                 26,1                  5,3         Baufläche                                                                               nächsten Bahnhof entfernt zu leben.34
                                                                                                                                              Auch der Motorisierungsgrad ist in vielen
                                                                                                                                           Regionen Österreichs nach wie vor sehr hoch.
                                                                                     Quelle: Umweltbundesamt 202096, 95 Grafik: VCÖ 2020

                                                                                                                                           Während noch Anfang der 1990er-Jahre die
                  5,2                  1,1         Straße                                                                                  Anzahl der Pkw pro 1.000 Personen in ländlichen
                                                                                                                                           Regionen niedriger war als in Städten, ist es heute
                                                   restlicher                                                                              umgekehrt. In Wien, Graz und Innsbruck ist der
                 12,7                  2,6         Bodenverbrauch
                                                                                                                                           Motorisierungsgrad deutlich niedriger als im
                                                                                                                                           österreichischen Durchschnitt. Es ist absehbar,
             44,0 km2                9,0 km2          Bodenverbrauch in Österreich                                                         dass ohne lenkende Maßnahmen alleine aufgrund
           Ist Jahr 2019          Ziel Jahr 2030                                                                                           des Bevölkerungswachstums die Zahl der
                                                                                                                                           Autofahrten und damit die Verkehrsbelastungen
Mobilität mit Zukunft 4/2020                                                                                                                                               Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung                                                        9

weiter steigen. Der Verkehrssektor ist für fast ein                                                                   relevant. Bedarfssysteme wie beispielsweise das
Drittel der gesamten Treibhausgas-Emissionen                                                                          Anrufsammeltaxi ISTmobil sind mögliche
Österreichs verantwortlich. Seit dem Jahr 1990                                                                        Ansätze für die letzte Meile zu und von Bahnhof
sind die CO2-Emissionen des Verkehrs um 75                                                                            und Haltestellen.33
Prozent auf über 24 Millionen Tonnen im Jahr
2019 gestiegen.98 Auch wenn vier von zehn                                                                             Vier Übersiedlungen in einem Leben
Pkw-Wegen kürzer sind als fünf Kilometer und                                                                          Menschen in Österreich übersiedeln durch-
sechs von zehn Autofahrten kürzer als zehn                                                                            schnittlich vier Mal in ihrem Leben.55 Bei jedem
Kilometer, ist die Nutzung des Fahrrads außer im                                                                      Umzug werden Mobilitätsroutinen aufgebrochen.
Bundesland Vorarlberg mit 16 Prozent öster-                                                                           Zum Zeitpunkt des Wohnungswechsels sind
reichweit relativ gering.98, 2                                                                                        Personen besonders empfänglich für Neues. Wo
                                                                                                                      Menschen wohnen und vor allem wie sie wohnen,
Hohe Siedlungsdichte führt zu weniger Pkw                                                                             beeinflusst das tägliche Mobilitätsverhalten. Die
Die Siedlungsdichte, die Nutzungsdurchmischung,                                                                       Ausstattung am Wohnort mit Mobilitätsangebo-
das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln im                                                                        ten ist dabei ein Faktor für Verhaltensänderun-
Wohnumfeld sowie Restriktionen bei der Nutzung                                                                        gen. Die Umfeldqualität ist für das Mobilitätsver-
des Pkw spielen neben persönlichen Einstellungen                                                                      halten der Wohnbevölkerung wesentlich.99 Dafür
und Gewohnheiten für die Verkehrsmittelwahl                                                                           sind generell übergeordnete Planungsinstrumente
eine wesentliche Rolle. Je dichter besiedelt der                                                                      wie Bebauungspläne oder Flächenwidmungen, in
Raum ist, desto effektiver können öffentliche                                                                         welchen Stellplatzverpflichtungen wie Ausgleichs-
Verkehrsmittel eingesetzt werden: Gute Intervalle,                                                                    abgaben festgelegt sind und die auf kommunaler
das bedeutet etwa einen Fünf- bis Zehn-Minu-                                                                          Ebene umgesetzt werden, verantwortlich.40
ten-Takt in urbanen Räumen und einen 30-Minu-
ten-Takt in Regionen sowie ein dichtes Netz                                                                           Teure Infrastruktur und hohe externe Kosten
führen auch zu mehr Fahrgästen. Der Landbus                                                                           durch Zersiedelung                                                                   Der Flächenverbrauch
Bregenzerwald beispielsweise zeigt wie auch in                                                                        Je nach Wohnstandort fallen unterschiedliche                                         des Verkehrs in Öster-
ländlichen Regionen ein sehr gutes öffentliches                                                                       Kosten für die Nutzenden aber auch für die                                           reich ist seit dem Jahr
                                                                                                                                                                                                           1990 um 457 Quadrat-
Verkehrsangebot umgesetzt werden kann.64                                                                              Allgemeinheit an. Einen Teil der Fahrtkosten wie                                     kilometer gestiegen,
  Neben Intervallen und dem Ausbaugrad des                                                                            Tickets für Bus und Bahn im Öffentlichen                                             wobei der Straßenver-
                                                                                                                                                                                                           kehr 96 Prozent der Ver-
Öffentlichen Verkehrs sind auch Zugangswege                                                                           Verkehr oder Fahrzeugkauf und Fahrzeugbetrieb                                        kehrsfläche in Anspruch
vom Wohnstandort zu Bahnhof und Haltestelle                                                                           zahlen die Nutzenden, der Rest wird durch die                                        nimmt.

  Verkehr benötigt                                                                                                      Flächenverbrauch des Straßenverkehrs
  zu viel Fläche                                                                                                        in Österreich stark gestiegen
  Sonstige Flächen
  (Betriebsflächen, Erholung,                                                                                                                          Schienenverkehrsanlagen      Straßenverkehrsanlagen
  Friedhöfe, Abbauflächen)                  Bauflächen
                                                                                                                                                        2.500                                                2.075 km2
                           1.041
                                                                                                                                                                      1.618 km2
                                                                                                                       Flächeninanspruchnahme in km²

                           18 %                                                                                                                         2.000                                                    4%
                                             2.613
                                                                Quelle: Umweltbundesamt 202096, 95 Grafik: VCÖ 2020

                                                                                                                                                                                                                               Quelle: Umweltbundesamt 202096, 95 Grafik: VCÖ 2020

                                             46 %                                                                                                                        11 %
                            Fläche in km2                                                                                                               1.500                             + 28 %
                 2.075
                                5.729                                                                                                                                                   = 457 km2
                 36 %                                                                                                                                                                                           96 %
                                                                                                                                                        1.000
                                                                                                                                                                         89 %
 Verkehrsflächen                                                                                                                                          500
                                                                                                                                                                                      entspricht in etwa
                                                                                                                                                            0                         der Fläche Wiens
            Flächeninanspruchnahme in Österreich im Jahr 2019                                                                                                           1990                                    2019
10        Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung                                                                                Mobilität mit Zukunft 4/2020

                                                                                                                   maßgeblich zur Flächenversiegelung beiträgt.
                                            Beispiele der Mobilitätswende                                            Im Gegensatz zum Pkw-Verkehr ist nachgewie-
      Verkehrsknotenpunkt Obersteiermark                                                                           sen, dass Radfahren und Gehen Netto-Gewinne
                                                                                                                   für die Gesamtgesellschaft bringen, da keine
                                                                                                                   Luftschadstoffe und kein Lärm emittiert werden,
                                                                                                                   kaum Unfallkosten entstehen, aktive Mobilität zur
                                                                                                                   Gesundheit beiträgt und die Infrastruktur

                                                                                         Foto: VCÖ Irene Bittner
                                                                                                                   kostengünstig errichtet werden kann.69, 7

                                                                                                                   Ortsentwicklung statt Zersiedelung
                                                                                                                   Da in den meisten Gemeinden Österreichs bei der
                                                                                                                   Siedlungserweiterung immer noch Außen- vor
     Multimodaler Verkehrsknoten Trofaiach                                                                         Innenentwicklung praktiziert wird, steigen der
                                                                                                                   Bodenverbrauch und die Nutzung des Pkw
     Die Stadt Trofaiach ist ein zentraler Verkehrsknotenpunkt in der Obersteiermark
                                                                                                                   weiterhin an.52, b Zersiedelung bedeutet nicht nur
     und zielt darauf ab, mit multimodalen Verkehrslösungen nicht nur den Öffent-                                  einen verschwenderischen Zugriff auf den Boden,
     lichen Verkehr in, sondern auch rund um die Gemeinde klimaverträglicher zu                                    sondern fördert auch die Abhängigkeit vom Auto.
     organisieren. Im Jahr 2017 wurden vor allem Bike-and-Ride sowie Park-and-Ride                                 Da die Infrastrukturkosten mit der Bebauungsdich-
     Lösungen forciert. Um dieses Angebot zu attraktivieren, fährt vom multimodalen                                te sinken, können Innenentwicklung und Nachver-
                                                                                                                   dichtungsmaßnahmen ein gutes Mittel sein, Flächen
     Knoten an der Trofaiacher Hauptstraße im 15-Minuten-Takt ein Solar-Bus nach
                                                                                                                   effizienter zu nutzen. Reihenhäuser und Geschoß-
     Leoben. Dieser Knotenpunkt bietet neben einem modernen Bus-Terminal auch
                                                                                                                   wohnbauten bedeuten im Gegensatz zum Einfami-
     überdachte Fahrrad-Abstellplätze sowie Abstellplätze für Pkw inklusive E-Ladesta-
                                                                                                                   lienhaus geringere Infrastrukturkosten für Gemein-
     tionen. Der Knotenpunkt ist der Anfang eines umfassenderen Verkehrskonzeptes                                  den und damit mehr Spielräume für andere
     und wird bis zum Jahr 2024 um ein Radroutennetz erweitert werden.                                             Maßnahmen, die der Allgemeinheit dienen.
                                                                                                                   Zielgerichtete Maßnahmen eines Moblitätsmanage-
                                                                                                                   ments und ergänzende Angebote wie Car- oder
                                  Öffentliche Hand beigesteuert. Dagegen werden                                    Bikesharing für mehrgeschoßige Wohnbauten
                                  die Bereitstellung und die Instandhaltung der                                    helfen, die Abhängigkeit vom Pkw zu reduzieren.74
                                  Infrastruktur im Allgemeinen, Unfallfolgekosten
                                  und Umweltkosten in die privaten Kosten nicht                                    Hohe private Kosten für Mobilität
                                  eingerechnet, sondern fallen bei der Bevölkerung                                 Nicht nur Gemeinden tragen hohe Mobilitäts-
                                  insgesamt und der Öffentlichen Hand als Kosten                                   und Infrastrukturkosten. Die Bevölkerung
                                  an. Die Infrastrukturkosten – neben Straßen auch                                 Österreichs gibt etwa 14 Prozent ihres Haus-
                                  die Bereitstellung von Leitungen und Wasseran-                                   haltseinkommens für Mobilität aus.91 Damit
                                  schlüssen – sind bei weniger dichten Siedlungs-                                  liegen diese Ausgaben nach dem Wohnen mit 23
                                  formen besonders hoch.16 Die sogenannten                                         Prozent des Haushaltseinkommens an zweiter
                                  externen Kosten des Verkehrs, wie beispielsweise                                 Stelle. Die Ausgaben sind dabei ganz wesentlich
                                  Umwelt- und Gesundheitsschäden, gehen immer                                      durch den Pkw-Besitz geprägt. Es gibt auch einen
                                  zu Lasten der Allgemeinheit und damit auch                                       räumlichen Zusammenhang von Mobilitätsausga-
                                  künftiger Generationen. Denn der Pkw-Verkehr                                     ben und Gemeindegröße sowie Wohnstandort.
                                  erfordert zwar Investitionen in die Infrastruktur                                So gibt es große Unterschiede zwischen unter-
                                  und deren Unterhalt, bringt aber Kommunen                                        schiedlichen sozio-ökonomischen Gruppen und
                                  keine unmittelbare Einnahmen wie der Öffentli-                                   Regionen. Auto-Haushalte mit geringerem
                                  che Verkehr.69 Gemeinden müssen nicht nur den                                    Einkommen haben prozentuell deutlich höhere
                                  größten Anteil aller Straßen in Österreich                                       Ausgaben für Mobilität. Die Steuerung der
                                  errichten und erhalten, sondern stellen auch viele,                              Siedlungsentwicklung in der Nähe von gut
                                  meist kostenlose Abstellflächen für Pkw im                                       ausgebauten Infrastrukturen für den Öffentlichen
                                  öffentlichen Raum zur Verfügung, was die                                         Verkehr und Radverkehr ist daher die Grundlage
                                  Kosten für die Allgemeinheit weiter erhöht und                                   für leistbare Mobilität.38
Mobilität mit Zukunft 4/2020                                                                         Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung                                                                         11

Sozialökologische Steuerreform
Volkswirtschaftlich betrachtet sollten Ressourcen
                                                                                                                  Beispiele der Mobilitätswende
optimal eingesetzt werden. Externe Kosten und                                  Lebendiges Ortszentrum statt Pkw
Nutzen müssten dementsprechend internalisiert
werden, das heißt den Verursachenden verrechnet
werden. Welchen Gebietskörperschaften die
Einnahmen zufließen, könnte über den Finanz-

                                                                                                                                                                                                                            Foto: Fritz Hudribusch
ausgleich geregelt werden, Rückflüsse an be-
stimmte Gruppen wären über Fördermechanis-
men abdeckbar. Wichtig für den effektiven
Einsatz von Steuermitteln ist daher der Abbau
von Ineffizienzen und mangelnder sozialer sowie
ökologischer Treffsicherheit im Förder- und                           Umgestaltung Bugo-Platz Göfis in Vorarlberg
Anreizsystem.38 Dazu zählen die Reform des
                                                                      Die Umgestaltung des zentralen Dorfplatzes, welcher bis dahin vorrangig als Ab-
Pendelpauschales und der Wohnbauförderung
nach sozialökologischen Kriterien beispielsweise                      stellplatz für Autos genutzt wurde, startete im Jahr 2014. Mit der Belebung des
durch höhere Förderungen für Sanierungen,                             Ortszentrums wollte die Gemeinde Göfis in Vorarlberg verhindern, dass die Be-
Innenentwicklung sowie eine Parkraumbewirt-                           wohnerinnen und Bewohner das gesellschaftliche Leben nur in den Nachbarge-
schaftung. So könnten Rückflüsse über Bundes-                         meinden stattfinden lassen. So wurde das Ortszentrum zu einem Treffpunkt ohne
mittel nach Vorbild der Schweizer Agglomerati-
                                                                      Konsumzwang, an dem ein Miteinander zwischen Jung und Alt, Kulturveranstal-
onsprogramme geregelt werden. Kommunen
                                                                      tungen und Märkte stattfinden. Neben dem Bugo-Garten mit Spielplatz befinden
erhalten dann ergänzende Fördermittel für
                                                                      sich ein Café und die Bücherei auf dem Platz, der zum Verweilen einlädt. Ziel war
Infrastrukturen für Gehen und Radfahren oder
Angebote im Öffentlichen Verkehr, wenn deren                          es den Ortskern bestmöglich zu beleben sowie die soziale und alltägliche Infra-
zielgerichtete Wirkungen wie die Verlagerungen                        struktur in der Gemeinde aufrecht zu erhalten.
vom Pkw auf andere Verkehrsmittel nachgewie-
sen werden. Mit einer Zweckwidmung der
eingenommenen Mittel ließen sich Maßnahmen          scher Qualität umgesetzt. Ungelöst bleibt dabei                                Die Wohnflächen sind
zur Steigerung der Angebotsqualität für Gehen,      noch die Frage der Pkw-Abstellplätze, da diese                                 in den vergangenen
                                                                                                                                   30 Jahren um über ein
Radfahren und Öffentlichen Verkehr – idealer-       auch bei Nachverdichtung aufgrund der gesetzli-                                Drittel größer geworden,
weise auf lokaler Ebene – mitfinanzieren oder       chen Vorgaben errichtet werden müssen. Bei der                                 die Bauflächen sind
                                                                                                                                   fast doppelt so stark
Spielräume für gezielte Förderungen von einkom-     Wohnbauförderung sollten künftig Nachverdich-                                  gestiegen wie die Bevöl-
mensschwachen Haushalten schaffen.                  tungen und kompaktes Bauen besonders hervor-                                   kerungszahl.

Sanierung, Nachnutzung und Nachverdichtung
Vor allem in Ballungsräumen ist die Schaffung            Flächenverbrauch steigt stärker als
von neuem Wohnraum eine große Herausforde-               Bevölkerungszahl
rung. Städte setzen daher auf Innenentwicklung.
                                                                                 Durchschnittliche                            +37 %
Dabei spielt die Mobilisierung von Nachverdich-                                  Wohn-Nutzfläche
                                                                                                                                       = 45,3 m²
                                                                                                                                                       Quelle: Statistik Austria 202092, 86, UBA 202096, Grafik: VCÖ 2020

tungsreserven eine zentrale Rolle. Die Möglich-                                  pro Person in m²        +32 %
                                                     Ausgangsbasis Jahr 1991

keiten der Mobilisierung bestehender Grund-
                                                                                 Baufläche in km²
stücks- oder Gebäudereserven beinhaltet große
                                                                                                                              +26 %
Potenziale, zum Beispiel in Salzburg.68 So                                       Bevölkerung
                                                                                                                                       = 2.613 km²
könnten in verschiedenen Siedlungsgebieten                                                               +18 %
zwischen 25 und 80 Prozent zusätzliche Haushal-
te durch Nachverdichtung untergebracht werden.                                                                                +14 %
                                                                                                                                       = 8.877.637
Explizit müssen dabei Begrünungspotenziale                                                               +7 %                            Per-
inkludiert werden, um Verdichtungsfolgen wie                                                                                           sonen
Hitzeinseln hintanzuhalten. So werden geeignete
                                                                        1991                              2011                     2019
Maßnahmen der Bepflanzung und architektoni-
12        Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung                                                                                    Mobilität mit Zukunft 4/2020

                                                                                                                      Zahl an Pkw-Abstellplätzen besteht Potenzial. In
                                             Beispiele der Mobilitätswende                                            dicht bebauten, urbanen Gebieten, wo das
      Mobilitätskonzept für Stadterweiterung                                                                          Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln und
                                                                                                                      Fahrradinfrastruktur sehr gut ist und auch
                                                                                                                      angenommen wird, ist hingegen der Leerstand in
                                                                                                                      Tiefgaragen in den letzten Jahren ein weiteres
                                                                                                                      Problem.a Ober- wie unterirdische Garagenbauten

                                                                                            Foto: Heiko Kienleitner
                                                                                                                      tragen wesentlich zur Versiegelung der Grund-
                                                                                                                      stücksflächen bei. Beispielsweise kann ein städti-
                                                                                                                      sches Grundstück oberirdisch zu 40 Prozent mit
                                                                                                                      einem Wohngebäude versiegelt sein. Die dazuge-
                                                                                                                      hörige Tiefgarage hingegen versiegelt die Fläche
     Stadtteilentwicklung Reininghaus-Gründe in Graz                                                                  unterirdisch bis zu 90 Prozent.50 Das erschwert
                                                                                                                      das Regenwassermanagement zur Bewässerung
     Durch die nachhaltige Stadtteilentwicklung auf den Reininghaus-Gründen entsteht
                                                                                                                      der klimatisch wichtigen grünen Infrastrukturen
     ein neues urbanes Zentrums im Westen von Graz. Auf dem ehemaligen Areal der                                      an der Oberfläche. Maßnahmen zur Förderung
     Brauerei Reininghaus entsteht seit dem Jahr 2019 ein Stadtteil mit vielfältigen Nut-                             aktiver Mobilität, des Öffentlichen Verkehrs sowie
     zungsmöglichkeiten. Der Rahmenplan für diese Stadtteilentwicklung verfolgt neben                                 Sharing-Angeboten können Pkw-Abstellplätze
     der Schaffung von Wohnraum mit qualitativ hochwertigen Freiflächen und einer gu-                                 ersetzen. Mit Ausnahme von Wien und Vorarlberg
                                                                                                                      reagieren die Bauordnungen und die gesetzlich
     ten Nachbarschaft insbesondere auch ein zukunftsorientiertes Mobilitätskonzept.
                                                                                                                      verankerte Verpflichtung zur Errichtung von
     Neben einer optimalen Anbindung an Straßenbahn- und Buslinien gibt es auch
                                                                                                                      Pkw-Abstellplätzen darauf jedoch noch nicht.
     zwei tim-Knotenpunkte, an denen diverse Sharing-Fahrzeuge zum Verleih angebo-
                                                                                                                      Politisches Umdenken, weg von der gesetzlichen
     ten werden. Für jede Wohnung wird zudem ein Jahr lang eine Öffi-Karte zur Verfü-                                 Stellplatzverpflichtung hin zu einer Mobilitätsga-
     gung gestellt. Gleichzeitig wird das Radwegenetz in den nächsten Jahren weiter                                   rantie, ist dringend notwendig.
     ausgebaut und optimal in das Stadtgefüge eingeflochten.

                                  gehoben werden. Das Nachverdichtungsprojekt
                                  Friedrich-Inhauser-Straße in der Stadt Salzburg
                                  zeigt beispielsweise Potenziale zeilenförmiger                                        Wohnen und Mobilität
                                  Wohnbauten mit geringeren Dichten, wie sie
                                  zahlreich in den 1960er- bis 1970er-Jahren
                                                                                                                        gemeinsam denken
                                  errichtet wurden.26                                                                   • Dem Wohnstandort kommt eine besondere Rolle
                                                                                                                          bei der Förderung von umwelt- und klimaver-
                                  Wohnen trägt zum Klimaschutz im Verkehr bei                                             träglicher Mobilität zu, da acht von zehn Alltags-
                                  Private Haushalte und Verkehr sind für mehr als                                         wegen zu Hause beginnen oder enden.
                                  die Hälfte des Energiebedarfs in Österreich                                           • Ein vielfältiges Mobilitätsangebot ist beim Wohn-
                                  verantwortlich.10 Die Verkehrsinfrastruktur                                             bau viel stärker zu berücksichtigen.
                                  beanspruchte im Jahr 2019 österreichweit bereits
                                                                                                                        • In Österreich ist eine Reform von Pendelpau-
                                  2.075 Quadratkilometer.96 Vor allem in Städten ist
                                                                                                                          schale und Wohnbauförderung nach sozialökolo-
                                  der Platz knapp. Zukünftig müssen ein gutes
                                                                                                                          gischen Kriterien überfällig.
                                  Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln, eine
                                  Reduktion des Flächenverbrauchs und die                                               • Nachverdichtungsmaßnahmen haben großes
                                  Schaffung von multimodalen Mobilitätsknoten im                                          Potenzial. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen,
                                  Vordergrund stehen. Durch eine effizientere                                             wie Verpflichtungen zur Errichtung von Pkw-Ab-
                                  Flächennutzung im Wohnbau mit weniger                                                   stellplätzen, sind dabei zu adaptieren.
                                  Pkw-Abstellplätzen ergeben sich neue Spielräu-                                        • Österreich braucht treffsichere Förderprogram-
                                  me. Bei Nachverdichtungen in Siedlungsgebieten                                          me, die abgestimmte Maßnahmen von Sied-
                                  mit geringeren Siedlungsdichten und einer hohen                                         lungs- und Verkehrsentwicklung unterstützen.
Mobilität mit Zukunft 4/2020                                                                                                                                                                             13
      privat Schoenen
Foto: Daniel

                        Kompakte Siedlungsstrukturen
                        als Standard etablieren
                        Ein wesentlicher Grund dafür, dass der Autoverkehr in den vergangenen
                        Jahrzehnten stark zugenommen hat, ist die noch immer voranschreitende
                        Zersiedelung. Die Siedlungspolitik verpflichtet nicht zu kompaktem Bauen
                        nahe dem Öffentlichen Verkehr. Umso wichtiger ist es, bundesweit
                        einheitliche Standards in der Raumordnung herzustellen.

                        Der Verkehrsaufwand ist in den vergangenen           In Städten werden kürzere durchschnittliche
                        Jahren stark gestiegen. Im Jahr 1995 wurden in       Tagesweglängen, beispielsweise in Wien 28 km,
                        Österreich in Schnitt 206 Millionen Personenkilo-    als in peripheren Regionen mit rund 41 Kilome-                    Haushalte in weniger
                        meter pro Tag zurückgelegt, im Jahr 2014 waren       ter zurückgelegt.                                                 dicht besiedelten Regio-
                                                                                                                                               nen besitzen im Durch-
                        es bereits 273 Millionen Personenkilometer und         Das Verkehrsaufkommen und damit das                             schnitt mehr Pkw. Dich-
                        für das Jahr 2019 ist bereits von täglich rund 300   Mobilitätsverhalten hat mit der Siedlungsentwick-                 te Besiedlungsstrukturen
                                                                                                                                               sind ein wichtiger Faktor,
                        Millionen Personenkilometer auszugehen.11 Auch       lung und Siedlungsdichte zu tun. Ungünstige                       um klimaverträglicheren
                        der Modal Split hat sich verändert: Der Pkw war      Planung von Siedlungsstrukturen an peripheren                     Verkehr zu ermöglichen.
                        im Jahr 1995 etwa bei der Hälfte aller Wege das
                        Hauptverkehrsmittel, im Jahr 2014 waren es
                        bereits 57 Prozent und ist seither nicht gesun-        Motorisierungsgrad niedriger bei
                        ken.11 Der Autoverkehr hat stark zugenommen.           höherer Besiedlungsdichte
                        Die Anzahl der Pkw pro 1.000 Einwohnerinnen            Anzahl Pkw pro 1.000 Einwohnenden in Österreich im Jahr 2019
                        und Einwohner ist von 452 Pkw im Jahr 1995             700
                        auf 566 Anfang 2020 gestiegen. Grundsätzlich           600
                        gilt je zentraler der Wohnstandort, umso geringer      500
                                                                                                                                                                     Quelle: Statistik Austria 202087, 88, 90 Grafik: VCÖ 2020

                        der Motorisierungsgrad. In dünn besiedelten                    667
                                                                               400                     603             585             584                483
                        Bezirken wie Waidhofen an der Thaya, Zwettl,           300
                        Horn, Gmünd, Güssing, Jennersdorf, Südoststei-         200
                        ermark und Hartberg-Fürstenfeld liegt der              100
                        Motorisierungsgrad bereits bei über 700 Pkw pro          0
                        1.000 Personen.88 Massiv gestiegen ist die Anzahl
                                                                                           0

                                                                                                         0

                                                                                                                       00

                                                                                                                                          00

                                                                                                                                                          00
                                                                                      25

                                                                                                       50

                                                                                                                                       2.0
                                                                                                                       0

                                                                                                                                                          0
                                                                                                                    1.

                                                                                                                                                       2.

                        der Zweit- und Drittautos der Haushalte, die sich
                                                                                     bis

                                                                                                   bis

                                                                                                                                   bis
                                                                                                                 bis

                                                                                                                                                     er
                                                                                                   0

                                                                                                                                                   üb
                                                                                                25

                                                                                                                                00
                                                                                                                0

                        von rund 706.000 im Jahr 2000 auf rund 1,6
                                                                                                              50

                                                                                                                             1.0

                                                                                     Besiedlungsdichte (Einwohnende pro Quadratkilometer Dauersiedlungsraum)
                        Millionen im Jahr 2018 mehr als verdoppelt hat.
14     Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung                                                                     Mobilität mit Zukunft 4/2020

      Städte und Gemeinden
     in Ballungsräumen sind
     gut an den Öffentlichen      Fast die Hälfte der Gemeinden Österreichs ist unzureichend mit
        Verkehr angebunden.
     Vor allem im ländlichen
                                  Öffentlichem Verkehr versorgt
     Raum gibt es oft nur ei-     Erschließung mit Öffentlichem Verkehr im Jahr 2019 (ÖV-Güteklassen, ÖROK)

                                                                                                                                                      Quelle: ÖROK AustriaTech 202056, Hiess 201728, BEV 20206 Grafik: VCÖ 2020
       ne Basiserschließung.
                                     sehr gut (A, B)      gut (C, D)       schlecht (E-G, ohne Güteklasse)
                                                                                                                                         46
                                                           404                                                                      19
                                                                                                                             46
                                                           19 %                        Anteil Gemeinden                 20
                                                                                          in Prozent
                                   954       Anzahl Gemeinden                                                      38                           60
                                                                                                             29
                                   46 %      Anteil Gemeinden                                                                              9
                                                              738               34   33              42                             46
                                                                                              22
                                                              35 %                                                      45    15
                                                                                                                  16

                                                                                                   Raumordnung vermeidet Verkehr
                                  ÖV-Güteklasse        Qualitätsbeschreibung
                                                                                                   Die gesetzliche Regelung der Raum- sowie
                                         A             höchstrangige ÖV-Erschließung               Bauordnung in Österreich liegt aufgrund der
                                         B             hochrangige ÖV-Erschließung                 föderalen Staatsstruktur auf der Ebene der
                                         C             sehr gute ÖV-Erschließung                   Bundesländer. Grundsätzlich sollten Fragen
                                         D             gute ÖV-Erschließung                        der Bauordnung, Raumplanung sowie der
                                         E             sehr gute Basiserschließung                 räumlichen Entwicklung als gemeinsame
                                                                                                   Aufgabe von Bund, Bundesländern, Städten
                                         F             gute Basiserschließung
                                                                                                   und Gemeinden festgelegt werden. Die
                                         G             Basiserschließung
                                                                                                   übergeordnete Institution Österreichische
                                                                                                   Raumordnungskonferenz (ÖROK) ist mit der
                                Standorten mit schlechter Anbindung an den                         bundesweiten räumlich-strategischen Entwick-
                                Öffentlichen Verkehr verursachen zusätzliche                       lung befasst, die jedoch nur Empfehlungscha-
                                einmalige wie längerfristige Infrastrukturkosten                   rakter aufweist.22, 23 Hinsichtlich der Raumord-
                                für Ver- und Entsorgungsanlagen, für Straßenbau                    nungsgesetze wird seitens der Bundesländer
                                und -erhaltung sowie Kosten für die Einrichtung                    vermehrt versucht, diese Planungsgrundsätze
                                und den Betrieb des Öffentlichen Verkehrs.                         zumindest ansatzweise umzusetzen. Eine
                                  Wesentliche Aufgaben der Siedlungsentwick-                       erfolgreiche operative Umsetzung von Sied-
                                lung in Bezug auf Wohnen und Mobilität sind:                       lungsentwicklung erfordert aber eine Mehrebe-
                                1. Die Vermeidung von Zersiedelung mit den                         nen-Strategie mit einem durchgängig konsisten-
                                daraus resultierenden Nachteilen des erhöhten                      ten Regelsystem.
                                Verkehrsaufkommens, des Leerstands in den                             Derzeit weisen die meisten Raumordnungsge-
                                Ortskernen und der höheren Umwelt- und                             setze keine ausreichenden inhaltlichen Konkreti-
                                Gesundheitskosten für die Allgemeinheit.j                          sierungen und zu geringe Verbindlichkeit auf.
                                2. Wirksame Mittel gegen die Klimakrise bei-                       Aufsichtsbehörden der Gemeindeplanung haben
                                spielsweise durch Vermeidung von Zusatzverkeh-                     im Genehmigungsverfahren von Örtlichen
                                ren sowie energieeffiziente Raum- und Siedlungs-                   Entwicklungskonzepten (ÖEK) und Flächenwid-
                                strukturen zu entwickeln.                                          mungsplänen kaum eine Handhabe. Durch die
                                3. Eine wachsende Flächeninanspruchnahme für                       Novellierung des Burgenländischen Raumpla-
                                Wohnen, Verkehr, Versorgung, Erholung und                          nungsgesetzes wurde seit dem Jahr 2019 das
                                Freizeit vermeiden auch bei Bevölkerungswachs-                     ÖEK als verpflichtendes kommunales Planungs-
                                tum in den Zentralräumen.                                          instrument eingeführt.14 Es sieht unter anderem
Mobilität mit Zukunft 4/2020                                                                      Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung     15

eine verstärkte Einbindung der Bevölkerung, der
Nachbargemeinden sowie der Regionalverbände
                                                                                                               Beispiele der Mobilitätswende
vor. Bei der Entwicklung wie Erweiterung von                               Superblocks für Wien
Siedlungsstrukturen ist darauf zu achten, dass
Wohnen, Arbeiten und Freizeitgestaltung
möglichst engräumig funktional verbunden
werden. Das verhindert erhöhtes Verkehrsauf-

                                                    Foto: SUPERBE-Team2
kommen und vermehrten Energiebedarf.
   Kompakte Siedlungsstrukturen im fußläufigen
Einzugsbereich von Haltestellen des Öffentli-
chen Verkehrs sind eine wesentliche Vorausset-
zung, damit hohe Fahrgastzahlen und hohe
Wirtschaftlichkeit erreicht werden können.                                Forschungsprojekt SUPERBE
Wesentliche räumliche Ziele sind auch polyzent-
                                                                          Das Forschungsprojekt SUPERBE untersucht, für welche Stadtteile in Wien der
rische Strukturen und die Stützung von Klein-
und Mittelzentren unter anderem durch eine gute                           Superblock-Ansatz umgesetzt werden kann. Dieses Konzept zielt darauf ab,
Erreichbarkeit durch den Öffentlichen Verkehr.                            Häuserblocks, die in fußläufiger Erreichbarkeit liegen, zusammenzuschließen
Auch eine fußläufige Erreichbarkeit etwa von                              und in diesem zusammenhängenden Gebiet verkehrsberuhigende Maßnahmen
Arbeit, Einkauf, Schule und Gesundheitsversor-                            durchzuführen. Durch die Verlagerung des Kfz-Verkehrs auf die Hauptver-
gung wären mitzudenken. Bezogen auf die
                                                                          kehrsadern entsteht ein lebenswertes Wohnumfeld mit hochwertigen, öffentli-
ausreichende Erschließung mit Öffentlichem
                                                                          chen Freiräumen. Radfahren und Gehen haben Vorrang. Nachhaltige Mobilität
Verkehr wird diese in den neun Raumordnungs-
                                                                          verringert Energiebedarf und Emissionen. Das Wohnumfeld wird klimaverträg-
gesetzen nur sehr allgemein als „Abdeckung der
Verkehrsbedürfnisse“ umschrieben. Im Raum-                                licher gestaltet und grüne Infrastruktur ausgeweitet, wodurch das Stadtklima
ordnungsgesetz der Steiermark wird immerhin                               positiv beeinflusst sowie urbane Hitzeinseln reduziert werden.
auf die Kosten zur Aufrechterhaltung des
Öffentlichen Verkehrs hingewiesen.93 In den
Landesgesetzen des Burgenlands und Kärntens         die Straßen durch den Pkw-Verkehr stark
kommt der Begriff „Öffentlicher Verkehr“            überlastet sind.
explizit nicht vor.                                    Einen qualitativ hochwertigen dichten Öffentli-
                                                    chen Verkehr zur Verfügung zu stellen, ist in
Stadt-Land-Gefälle in der Mobilität                 dünn besiedelten ländlichen Gebieten eine große
Der Öffentliche Verkehr als Hauptverkehrsmit-       Herausforderung. Weitläufigkeit sowie geringe
tel hat in Österreich zwischen den Jahren 1995      Bevölkerungsdichte machen einen wirtschaftli-
und 2014 leicht zugenommen von 17 auf 18            chen Betrieb schwierig. Zum größten Teil
Prozent.11 Die mit der Bahn in Österreich           beschränkt sich das Angebot auf den Schulver-
gefahrenen Kilometern sind zwischen den             kehr. Beispielsweise verkehren im niederösterrei-
Jahren 2014 und 2019 um elf Prozent auf 13,4        chischen Bezirk Waidhofen an der Thaya von 29
Milliarden Personenkilometer gestiegen.67 Im        öffentlichen Buslinien mehr als die Hälfte (55
ländlichen Raum weist der Linienbus-Verkehr         Prozent) nur an Schultagen, nur zwei Linien
stagnierende beziehungsweise rückläufige            weisen einen Taktverkehr auf.44 Generell stellt
Zahlen auf. Vor allem nicht-wahlfrei Nutzende,      sich das Fahrplanangebot im ländlichen Raum
sogenannte „captive riders“, nehmen den             eher bedarfs- als angebotsorientiert dar. Etwas
Öffentlichen Verkehr in ländlichen Regionen in      günstiger sieht die Situation bei Regionalbahnen
Anspruch. Erfahrungsgemäß entwickelt sich           aus, jedoch bedienen diese die Region zumeist
der Öffentliche Verkehr, Bahn wie Bus, entlang      nur in einem kleinen Bereich. Je nach Umsteigesi-
von Hauptverkehrsachsen hingegen sehr               tuation oder Durchbindung zur Hauptstrecke
zufriedenstellend. Dies trifft bei umsteigefreien   kommen hier Park-and-Ride, Bike-and-Ride
Direkt-Linienverkehren um die Ballungszentren       sowie Bedarfssysteme wie Anrufsammeltaxi
besonders zu, also auch in Bereichen, in denen      (AST) oder Rufbusse zum Tragen.e, f
16        Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung                                                                                                                                                      Mobilität mit Zukunft 4/2020

                                                                                                                                                                                         Fahrräder sowie E-Fahrräder eine größere Rolle
                                                Beispiele der Mobilitätswende                                                                                                            spielen. Allerdings bedingt dies gesicherte
      Mobilitätsszenarien vorab simulieren                                                                                                                                               Abstellmöglichkeiten möglichst mit Ladestatio-
                                                                                                                                                                                         nen bei den Haltestellen. Generell ist das Fahrrad
                                                                                                                                                                                         als Alltagsverkehrsmittel ein wesentlicher Hoff-
                                                                                                                                                                                         nungsträger auch für periphere Regionen. Auch
                                                                                                                                                                                         E-Fahrräder sind für kurze Strecken eine gute

                                                                                               Foto: Serjoscha Düring
                                                                                                                                                                                         Alternative. Neben bewusstseinsbildenden
                                                                                                                                                                                         Maßnahmen ist der umfassende Ausbau der
                                                                                                                                                                                         Infrastruktur von zentraler Bedeutung. Derzeit
                                                                                                                                                                                         fehlen häufig gute Wegenetze und Radwege
                                                                                                                                                                                         außerorts entlang von Hauptverkehrsachsen.
     Digitale Planungsplattform InFraReD                                                                                                                                                 Wichtig ist zudem, dass Hauptstraßen für
                                                                                                                                                                                         Radfahrende einfach und sicher gequert werden
     Die digitale Planungsplattform InFraReD simuliert mit Hilfe von Künstlicher Intel-
                                                                                                                                                                                         können, die Radwege gut beschildert sind und es
     ligenz, Big Data und Augmented Reality die Mobilität in der Stadtplanung. Die von                                                                                                   dort, wo nötig eine Beleuchtung gibt. Auch in die
     AustriaTech entwickelte Plattform ermöglicht bereits im Planungsprozess das                                                                                                         Fahrbahn integrierte seitliche Radschutzstreifen
     Durchspielen verschiedener Erreichbarkeits- und Mobilitätsszenarien, wodurch in                                                                                                     und eine mittige Kernfahrbahn für Kfz ähnlich
     der Umsetzung das beste Modell realisiert werden kann. Dieses soll den Bewoh-                                                                                                       wie in Frankreich könnten eine Lösung sein.19
     nerinnen und Bewohnern erlauben, in 15 Minuten alle wichtigen Erledigungen
                                                                                                                                                                                         Vernetzung als Hebel für Mobilitätswende
     durchzuführen. Durch diese ganzheitliche Mobilitätsplanung soll aufgezeigt wer-
                                                                                                                                                                                         Siedlungsentwicklung bedarf einer guten Pla-
     den, dass die alltäglichen Wege einfach und schnell, zu Fuß oder mit dem Rad
                                                                                                                                                                                         nung. Ein gutes Beispiel für Förderung kompak-
     zurückgelegt werden können. Mit dieser Plattform wird auf eine nachhaltige Pla-                                                                                                     ter Siedlungsstrukturen ist das Rheintal in
     nung und Entwicklung der Stadt fokussiert.                                                                                                                                          Vorarlberg.105 In den letzten 50 Jahren hat das
                                                                                                                                                                                         Rheintal einen massiven Wandel durchlebt. Eine
                                                                                                                                                                                         Region aus ursprünglich 29 Gemeinden ist im
                                                                                                                                                                                         Laufe der Zeit zu einem vernetzten Lebensraum
         Im Jahr 1991 gab es in        Multimodale Infrastrukturen umsetzen                                                                                                              zusammengewachsen. Aus den verstreuten
        vielen Regionen weniger        Bei der Verkehrsmittelwahl spielt die Erreichbar-                                                                                                 Dörfern und kleinen Städten der 1960er-Jahre hat
       Autos als in den Städten.
             Dieses Verhältnis hat     keit der Haltestellen eine entscheidende Rolle. In                                                                                                sich ein geschlossenes Siedlungsband von
       sich umgedreht, heute ist       der Regel gelten rund 500 Meter für die fußläufi-                                                                                                 Feldkirch bis Bregenz entwickelt. Diese zusam-
          der Motorisierungsgrad
          in den meisten Städten       ge Entfernung als noch akzeptabel.108 Zur                                                                                                         mengewachsene Region aus einzelnen Gemein-
           niedriger als am Land.      Ausweitung dieser Akzeptanzgrenze könnten                                                                                                         den wird heute von rund 240.000 Menschen als
                                                                                                                                                                                         Ganzes genutzt. Während sich in anderen
                                                                                                                                                                                         Regionen sämtliche wichtige Einrichtungen in
          Früher in einigen Städten mehr Pkw                                                                                                                                             einem Zentrum ballen, sind sie im Rheintal auf
          als in ländlichen Regionen                                                                                                                                                     verschiedene Standorte verteilt. Diese polyzentri-
                                                                                                    Quelle: Statistik Austria 202089, Statistisches Zentralamt 199258 Grafik: VCÖ 2020

          Motorisierung (Pkw pro 1.000 Einwohnende)
                                                                                                                                                                                         sche Grundstruktur bringt Größenvorteile und
                                                                                                                                                                                         Synergien. So ist in den Bereichen Wirtschaft,
                Jahr 1991
                                                                                                                                                                                         Kultur, Bildung, Freizeit, Konsum und Verwal-
                Jahr 2019                                      Linz    St.Pölten        Wien
                                                                                                                                                                                         tung ein Angebot entstanden, wie es sonst nur in
                                                                            Eisenstadt                                                                                                   Großstädten zu finden ist. Voraussetzung ist, dass
                                                                            658
                                                                                                                                                                                         alle Gemeinden des Rheintals gemeinsam planen,
                              567                    587 515
                   364 370           434   386 422                393 422         477                                                                                                    hinsichtlich der besten Standorte für Schulen,
         Bregenz
                   Innsbruck                 Salzburg                   Graz                                                                                                             Kindergärten, Einkaufs- und Freizeitmöglichkei-
                                                          Klagenfurt                                                                                                                     ten sowie mit guter Anbindung an den Öffentli-
              Bundesland                                                                                                                                                                 chen Verkehr. Obwohl Nutzungswünsche,
              Landeshauptstadt                                                                                                                                                           Raumansprüche und Mobilität der Bewohnerin-
                                                                                                                                                                                         nen und Bewohner des Rheintals stetig wachsen,
Mobilität mit Zukunft 4/2020                                                            Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung             17

wird versucht nur innerhalb bestehender Bebau-
ungsgrenzen neue Siedlungen zu errichten. Der
                                                                                                     Beispiele der Mobilitätswende
strenge Schutz von Grünzonen war dazu eine                  Öffi-Tickets als Mobilitätsstartpaket
wesentliche Voraussetzung. Das könnte Vorbild-
wirkung für andere Regionen in Österreich
haben. Ziel von kompakten Siedlungsstrukturen
sollte sein, dass sich auch vermehrt Betriebe in

                                                                                                                                                  Foto: Fritz Hudribusch
der Nachbarschaft ansiedeln, wodurch für die
Bevölkerung Wohnen und Arbeiten wieder näher
zusammenrücken. Dadurch kann unnötiger
Verkehr vermieden und eine Verringerung der
täglichen Wegstrecken erzielt werden. Vor allem
in dünn besiedelten, peripheren Regionen sollen           Wohnanlage in Wiener Neudorf
in Zukunft Raum- und Siedlungsentwicklung
                                                          Am Areal des ehemaligen Versteigerungshauses wurde im Jahr 2019 mit der Er-
dahingehend erfolgen, dass wirtschaftlich                                                                                               Wiener Neudorf
                                                    Bahnstraße 1 / Wiener Straße 17 - Schaubild
attraktive Standorte für Betriebsansiedlungen             richtung einer neuen Wohnanlage begonnen. Die Haltestelle der Badener Bahn    liegt
                                                                                                                                Konzept vom 08.03.2018

entstehen können und zur Schaffung regionaler             in fußläufiger Entfernung und die Wohnanlage wird an das Radwegenetz angebun-
Arbeitsplätze beitragen.                                  den. Neben einem intelligenten Mobilitätskonzept für über 100 neue Wohnungen,
                                                          stehen mit insgesamt 400.000 Euro jährlich 600 Euro pro Person und 1.200 Euro
Wohnbau nahe am Öffentlichen Verkehr                      pro Wohneinheit für Öffi-Jahreskarten zur Verfügung. Das Wohnquartier verfügt zu-
Im Regierungsprogramm von Österreichs
                                                          dem über ein Sharing-Angebot mit fünf Carsharing-Autos und zehn Elektro-Fahrrä-
aktueller Bundesregierung63 wird vorgeschlagen,
                                                          dern. Aufgrund des Mobilitätskonzeptes ist es möglich, weniger Pkw-Stellplätze,
Investitionsanreize für Sanierungen und Neubau
insbesondere auch durch Abschluss eines neuen             überdurchschnittlich viele Radabstellplätze, eine persönliche Mobilitätsberatung so-
Finanzausgleichs ab dem Jahr 2022 zu setzen,              wie eine Fahrrad-Werkstatt zu errichten und somit dem Pkw-Verkehr eine unterge-
wobei klimaverträgliche Maßnahmen in allen                ordnete Rolle zuzuschreiben.
neun Bauordnungen Österreichs verankert
werden sollen und Wohnbauförderung nur noch
nach umweltschonenden Kriterien, die es auch
im Bereich Mobilität zu definieren gilt, vergeben
werden darf. Zudem soll die Bundesfinanzie-
rung von Infrastruktur für Radverkehr und
Öffentlichen Verkehr ausgebaut werden, um
zielgerichtete Mobilitätsformen zu unterstützen.
In der Schweiz wird dies längst systematisch
getan. Mit dem Bundes-Programm „Agglomera-
tionsverkehr“ profitieren Städte und Ballungs-
                                                       Kompakt bauen nahe am Öffentlichen Verkehr
räume, indem sich der Bund finanziell an               • Klare, möglichst bundesweit einheitliche Vorgaben zur Erschließung mit
Verkehrsprojekten beteiligt – allerdings nur             Öffentlichem Verkehr entlang der ÖV-Güteklassen der ÖROK in den Raum-
dann, wenn die Verkehrs- und die Siedlungsent-           ordnungsgesetzen in Bezug auf Baulandwidmungsverfahren verankern.
wicklung wirkungsvoll aufeinander abgestimmt           • Kriterium der Erschließung mit Öffentlichem Verkehr in den Gemeinde-
sind.8 Die Förderungen des Schweizer Bundes              Finanzausgleich aufnehmen.
kommen den Gemeinden zugute, sofern eine               • Bedingungen für Wohnbauförderung an die Erschließung mit Öffentlichem
Siedlungsentwicklung nach innen geplant ist und          Verkehr knüpfen.
das Verkehrs-
                                                       • Finanzielle Förderungen von Gemeinden (auch) für Verkehrsmaßnahmen
angebot nachweislich dort ausgebaut wird, wo
                                                         zur kleinräumigen Feinerschließung.
tatsächlich Bedarf besteht. Finanziell gefördert
                                                       • Neben Mikro-ÖV-Konzepten in der „Fläche“ verstärkt auch das Alltagsrad-
werden daher insbesondere Maßnahmen im
Radverkehr, beim Gehen und im Öffentlichen               fahren fördern.
Verkehr.49
18                                                                                                                                                                                             Mobilität mit Zukunft 4/2020

                                                                                                                                                                                                                              Foto: Johannes Hloch
     Klimaverträgliche Flächengestaltung
     in der Stadt
                                                              Das Bevölkerungswachstum in Städten bedeutet in Zeiten der
                                                              Klimaerhitzung eine zunehmende Herausforderung zur Schaffung kühlender
                                                              grün-blauer Infrastrukturen bei gleichzeitig hohen Bebauungsdichten.
                                                              Straßenräume haben besonders hohes Innovationspotenzial für
                                                              Klimaanpassungsstrategien durch Entsiegelung und Begrünung.

     Die dichtest bewohnten                                   Die Klimaerhitzung macht uns in Städten bereits                                                         Tagen auf und geben die Wärme bis in die
     Bezirke Wiens verfügen                                   heute gehörig zu schaffen. Dichte Gebäudestruk-                                                         Abendstunden ab. Solche urbanen Hitzeinseln
         über einen geringen
     Grün- flächenanteil und                                  turen, überwiegend versiegelte Oberflächen und                                                          sind gerade für vulnerable Bevölkerungsgruppen
     etwas weniger Straßen-                                   wenig Grün fördern die Bildung von Hitzein-                                                             wie ältere Menschen oder Kinder, sowie für
      bäume, die zur Abküh-
       lung des Mikroklimas                                   seln.111 Gebäude, Fahrzeuge, Straßen und                                                                Städterinnen und Städter, die über keinen Zugang
                   beitragen.                                 versiegelte Oberflächen heizen sich an heißen                                                           zu grünen Naherholungsgebieten verfügen, in
                                                                                                                                                                      hohem Maße gesundheitsbelastend oder sogar
                                                                                                                                                                      gesundheitsgefährdend. Bis zum Jahr 1990 betrug
       Viel Verkehrsfläche, wenig Grün                                                                                                                                der 30-Jahres-Durchschnitt in Wien rund zehn
       in dicht bewohnten Bezirken Wiens                                                                                                                              Hitzetage mit über 30 Grad Celsius Lufttempera-
                                                                                                                                                                      tur pro Jahr. Bis zum Jahr 2010 waren es im
                                       60                                                          Grünflächen                                                        30-Jahresschnitt bereits 15 Hitzetage pro Jahr. Im
                                                                                                   Verkehrsfläche                                                     Jahr 2019 wurden allein im Juni zwölf Hitzetage
      Anzahl Straßenbäume pro Hektar
       Flächenanteile in Prozent und

                                       50
                                                                                                   Straßenbäume                                                       gezählt und im gesamten Jahr 38 Tage.84 Vor
                                       40                                                                                                                             allem Wohngebiete in dicht bebauten Stadtteilen
                                                                                                                                                                      oder entlang von stark frequentierten Ausfalls-
                                       30
                                                                                                                                                                      straßen sind in der Hitzekarte der Stadt Wien mit
                                                                                                                                                                      einem hohen Anteil an vulnerablen Gruppen, die
                                                                                                                         Quelle: Stadt Wien 202081 Grafik: VCÖ 2020

                                       20
                                                                                                                                                                      besonders von Hitze betroffen sind, ausgewie-
                                       10
                                                                                                                                                                      sen.85
                                        0                                                                                                                                Neben den Städten leiden aber auch die
                                                         Einwohnerinnen und Einwohner pro Quadratkilometer
                                                                                                                                                                      Regionen an den steigenden Temperaturen unter
                                             bis 5.000       5.000 bis 10.000 10.000 bis 20.000            über 20.000
                                                                                                                                                                      der zunehmenden Unbeständigkeit des Klimas,
        Bezirke                             11, 13, 14, 19,   1, 2, 10, 17, 18      3, 4, 9, 12,          5, 6, 7, 8
                                            21, 22, 23                              15, 16, 20                                                                        unter jahreszeitlichen Verschiebungen und unter
                                                                                                                                                                      der Zunahme von Extremwetterereignissen.13 Es
Mobilität mit Zukunft 4/2020                                                             Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung                                                                                        19

wird wärmer und trockener sowie Starkregener-
eignisse nehmen zu.
                                                                                                             Beispiele der Mobilitätswende
                                                          Grün-blaue Infrastruktur stärken
Städte benötigen in der Klimakrise mehr blaue

                                                                                                                                                                                                                            Foto: cuulbox, 3zu0 Landschaftsarchitektur
und grüne Infrastruktur
Hitzeperioden, zu wenig und punktuell viel zu
viel Wasser – das ist für die Planung von Außen-
anlagen mit vegetativen Oberflächen, die kühlend
auf das Mikroklima als Klimaanpassungsstrategie
einwirken sollen, keine leichte Aufgabe. Jede
Grünanlage ist ein eigenes kleines Ökosystem, sie
ist aber auch Teil eines stadtweiten übergeordne-
ten Grün- und Naturverbundes und Teil des               Das Schwammstadt-Prinzip für Straßenbäume
systemischen Wasserhaushalts einer Stadt. Je
                                                        Beim Schwammstadt-Prinzip ist der technische Aufbau des Unterbaus so gestal-
umfassender die blau-grüne Infrastruktur einer
Stadt, also Grün- und Wasserflächen, in ihrer           tet, dass große Wassermengen bei Starkregen gespeichert und bei Hitzeperioden
Gesamtheit konzipiert ist, desto effektiver wirken      abgegeben werden. Die Mischung im Boden aus Splitt, Pflanzkohle, Kompost und
sie als Klimapuffer gegen den urbanen Hitzein-          weiteren Substanzen bietet ausreichend Wurzelraum für die Speicherung von
sel-Effekt. Bei Grünflächen kommt hinzu, dass           Wasser, Luft und Nährstoffen. Zusätzlich bieten die Strukturen im Untergrund
sie nur durch ausreichende Bewässerung einen
                                                        ausreichend Stabilität für die Funktionen der Straßenräume. So sorgt das
kühlenden Effekt erzielen – eine besondere
                                                        Schwammstadt-Prinzip für eine längere Lebensdauer von Bäumen, die als Schat-
Herausforderung für dicht bebaute Stadtteile.
                                                        tenspender kühlend auf das Mikroklima wirken. In Österreich wurde das Prinzip
   Herkömmliche Stadtstrukturen machen urbane
Agglomerationen nicht nur zu beträchtlichen Mit-        das erste Mal im Jahr 2017 in Graz umgesetzt. Es folgten im Frühjahr 2019 Möd-
verursachern der Klimaerhitzung, Städte mit             ling und im Jahr 2020 Wien.
hohen Bebauungs- und Versiegelungsgraden und
veralteten, auf den Autoverkehr basierenden
Mobilitätssystemen verlieren in der Klimakrise       und seiner Wasserspeicher- und Wasserableit-                                       In Kopenhagen und
                                                                                                                                        Rotterdam sind fast 50
auch erheblich an Lebensqualität. Beispielsweise     funktion wird in der Klimakrise zunehmend zum                                      Prozent des Straßen-
schwankt in Wien der Grünanteil je nach Lage in      Problem. Denn versiegelte Oberflächen heizen                                       profils in dicht bebauten
                                                                                                                                        Wohnvierteln aktiver
der Stadt. Innerstädtische Bezirke verfügen über     sich nicht nur stärker auf, sie erzwingen auch das                                 Mobilität vorbehalten, in
zwei bis 15 Prozent Grünanteil, westliche            Abfließen von Regenwasser in den Kanal und                                         Wien etwa 30 Prozent.
Stadtteile am Rande des Wienerwaldes erreichen
bis zu 70 Prozent Grünanteil.81 Stadträumliche
Klimaanpassungsstrategien sind als lokale              Wiens Nebenstraßen haben wenig
Lösungen notwendig, um unsere Lebensräume              Platz für aktive Mobilität und wenige Straßenbäume
grüner und dadurch kühler und biodiverser zu
                                                                                  Anteil Geh- und Radwege, Fahrbahn, ruhender Verkehr, Straßenbegleitgrün
machen.
                                                       Anteil Straßen mit Alleebäumen
                                                                                                                                                     P
Oberflächen entsiegeln, begrünen, aufhellen
                                                                                                      48 %                         37 %             15 %
Österreichs Landeshauptstädte und deren                 Rotterdam 8 von 10
                                                                                                                                                                     Quelle: Furchtlehner & Licka 201921 Grafik: VCÖ 2020

Umlandgemeinden verzeichnen wachsende
Bevölkerungszahlen. Das Bevölkerungswachstum                                                        46 %                        38 %               16 %
                                                        Kopenhagen 5 von 10
geht mit einer kontinuierlichen Flächenausdeh-
nung sowie mit einer Verdichtung der Bestands-                                                   36 %                      39 %              21 % 4 %
stadt einher. Beides hat eine Zunahme an                München 5 von 10
versiegelten Flächen zur Folge, also die zuneh-
mende Bedeckung von gewachsenen Böden mit                                                     30 %                     40 %                 28 %        2%
                                                        Wien 3 von 10
wasserundurchlässigen Belägen oder mit Gebäu-
                                                                       Fallstudie, Boku Wien, von Straßenprofilen in dicht bebauten, innerstädtischen Wohnbezirken
den. Doch gerade diese Zerstörung des Bodens
20     Mobilitätsfaktoren Wohnen und Siedlungsentwicklung                                                                                      Mobilität mit Zukunft 4/2020

                                   somit die Entnahme aus dem lokalen Wasser-                      Grüne Stadtteile als Klimapuffer
                                   kreislauf. Das wiederum macht das Leben für                     Ein Beispiel, das den Anspruch der Klimaanpas-
                                   Pflanzen in einer trocken-heißen Beton- und                     sung zu erfüllen versucht, ist in Wien die
                                   Asphaltlandschaft zunehmend prekär. Um der                      „Biotope City“ am Wienerberg, die bis zum Jahr
                                   enormen Flächenversiegelung und dem Zurück-                     2021 in Wien-Favoriten auf einem etwa fünf
                                   drängen von Naturräumen und Pflanzen entge-                     Hektar großen ehemaligen Betriebsareal entsteht.
                                   genzuwirken, braucht es ein grundsätzliches                     Das neue Stadtquartier wurde zu einem Teil
                                   Umdenken in der Baukultur, die grüner und                       Stadtnatur mit wichtigen lokalen wie regionalen
                                   somit nachhaltiger werden muss. Eine nachhaltige                mikroklimatischen und ökologischen Effekten.
                                   Baukultur schließt auch die Unterstützung und                   Bauplatzübergreifende grüne Außenanlagen und
                                   Berücksichtigung der Mobilitätswende mit ein.                   weitreichende Maßnahmen zur Gebäudebegrü-
                                   Denn die Schaffung von Platz für klimaverträgli-                nung sind ebenso Teil des Gesamtkonzeptes, wie
                                   che und gesunde Mobilität anstelle des Pkw-Ver-                 ein Areal-umfassendes Regenwassermanagement,
                                   kehrs ist vor allem auch eine stadtplanerische                  das Wasser nicht ableitet, sondern auf dem
                                   Aufgabe.                                                        Grundstück belässt. Um möglichst großzügige
                                     Im „Urban Heat Islands Strategieplan Wien“                    Freiflächen und einen hohen Anteil an unversie-
                                   werden Möglichkeiten zur Abkühlung städtischer                  gelten, aufnahmefähigen Oberflächen zu ermögli-
                                   Hitzeinseln aufgezeigt, wie Aufhellen von                       chen, musste dicht und kompakt gebaut werden.
                                   Oberflächenmaterialien, zunehmende Begrünung                    Die Förderung von zeitgemäßen, städtischen
                                   und Bewässerung des Außenraums von Gebäu-                       Mobilitätsformen wird berücksichtigt. Dafür
                                   den, Vernetzung von Freiräumen zur Schaffung                    wurde eine entsprechende Infrastruktur für
                                   von Freiluftschneisen oder Anpassung von                        Gehen und Radfahren und gemeinschaftlich
                                   Siedlungsstrukturen.82 Im Programm „Infrastruk-                 betriebene Mobilitätsangebote vorgesehen. Die
                                   turelle Anpassungen an den Klimawandel“ soll                    Freiflächen der Biotope City sind autofrei
            Asphalt verursacht     der Strategieplan umgesetzt werden. Das bereits                 konzeptioniert, die Zufahrt erfolgt zu Garagen
               mehr Treibhaus-     angelaufene Programm koordiniert die vielen Ma-                 am Grundstücksrand. Bus- und Straßenbahnver-
       gas-Emissionen als die
      meisten versickerungs-       gistratsabteilungen, die mit der Thematik befasst               bindungen sind in Gehdistanz, die Verlängerung
          fähigen Oberflächen.     sind (Umweltschutz, Wasser, Mobilität, Wohn-                    der U-Bahn-Linie U2 zum Wienerberg ist
     Die Werte umfassen den        bauförderung etc.) und evaluiert Umsetzungen in                 geplant.
      gesamten Lebenszyklus
        von Produktion, Trans-     Hinblick auf eine klimasensible Planung. Auch in                   Wohnungsneubau verursacht viel zusätzlichen
     port der Rohmaterialien,      der Stadt Graz wurden ein Klimaanpassungsstra-                  Verkehr. Deshalb wurde bereits in der Bauphase
          Herstellung, Nutzung
         bis zu Recycling oder     tegieplan im Jahr 2016 erarbeitet.73 In Linz und                der Biotope City auf Nachhaltigkeit geachtet. Das
                   Entsorgung.     Innsbruck sind ähnliche Strategien angekündigt.                 ist bei Bauprojekten wichtig, weil der Wohnungs-

       Entsiegelte Oberflächen sind klimaverträglicher als Asphalt
        Oberflächen-          Anwendungs-           Treibhausgas-Emission, gesamter   Versickerungsvermö-
        befestigung           beispiele             Lebenszyklus des Belags in Ton-   gen in Liter pro Sekunde
                                                    nen-CO2-Äquivalente pro 200 m2    und Hektar
                                                                                                                 Foto: Greenpass 2019

        Kalkschotterdecke     Pkw-Abstellplatz                11,4 (Rang 1)           100-1.000 (Rang 1)
                                                                                                                                                                       Quelle: Land NÖ 202042, Stadt Wien 201179 Grafik: VCÖ 2020

                              Fußweg,
        Drainasphalt                                          12,6 (Rang 2)           100-400 (Rang 3)
                              Pkw-Abstellplatz
                                                                                      bei ≤ 5 % Fugenbreite:
        Betonsickerpflaster   Pkw-Abstellplatz                15,4 (Rang 3)
                                                                                      8-20 (Rang 6)
        Rasengittersteine     Pkw-Abstellplatz                16,9 (Rang 4)           50-1.600 (Rang 2)
        Betonsteine           Fußgängerzone                                           bei 5-10 % Fugenbreite:
                                                              25,7 (Rang 5)
        ungebunden            Pkw-Abstellplatz                                        20-220 (Rang 5)
                                                                                                                 Foto: Greenpass 2019

        Asphaltbeton auf      Gehsteig, Fahrbahn,                                     nicht wasserdurchlässig
                                                              27,6 (Rang 6)
        Bitukies              Pkw-Abstellplatz                                        (Rang 7)
        Natursteinplatten     Fußgängerzone,
                                                              28,3 (Rang 7)
                                                                                      bei 10-35 % Rasenfugen:                                        20°C
        ungebunden            Pkw-Abstellplatz                                        50-800 (Rang 4)                                   50°C
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