Der naive Türöffner Luxemburgs blauäugige Wirtschaftsbeziehungen mit China - Forum.lu
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
China – Menschenrechte – Luxemburg Februar 2021 35 Laurent Schmit Der naive Türöffner Luxemburgs blauäugige Wirtschaftsbeziehungen mit China „We never closed our doors. We never Abkommen bis heute geheim: vor den Zuvor standen die EU-Länder im Wett- try to avoid Chinese investment in Lux- Bürgern, den Abgeordneten und Journa- bewerb um chinesische Investoren. Seit- embourg. The opposite is the case. We’re listen. Reporter.lu konnte das Dokument dem sind viele Staaten deutlich vorsich- coming to China to find investors which dennoch einsehen.2 Der Inhalt ist bezeich- tiger geworden“, sagt der China-Experte might use Luxembourg as their European nend für die Beziehungen zwischen China Frans-Paul van der Putten. Für den For- hub, as their gateway to Europe“, sagte und Luxemburg. Peking erlangte einen scher des Clingendael-Institut für inter- der damalige Wirtschaftsminister und diplomatischen Erfolg, indem mit dem nationale Beziehungen in Den Haag war Vizepremier Etienne Schneider (LSAP) Großherzogtum ein weiteres Mitglied der die Übernahme des deutschen Roboter- dem chinesischen Staatssender CTGN im entwicklers Kuka durch ein chinesisches August 2018.1 Unternehmen 2016 ein Schlüsselmoment. Wie so oft sprach Etienne Schneider das Als damals zuständiger Minister Nach dem Einstieg der Chinesen bei aus, was andere Minister nur denken. überging Etienne Schneider alle Cargolux 2014 ging in Luxemburg der Es ging um die Belt and Road-Initiative Bedenken der Öffentlichkeit und „Ausverkauf“ weiter. 2018 wurde die chi- – besser bekannt als Neue Seidenstraße – des grünen Koalitionspartners. nesische Legend Holdings Mehrheitsakti- und Luxemburgs Unterstützung für das onärin der Luxemburger Traditionsbank Lieblingsprojekt von Chinas Staatspräsi- BIL. Im gleichen Jahr förderte die Regie- dent Xi Jinping. „I will not tell you which rung, dass der Staatskonzern China Sou- country but it was a very big country Europäischen Union das machtstrategi- thern Power Grid (CSG) sich zu knapp which didn’t really want us to become a sche Projekt unterstützte. Im Gegenzug einem Viertel an Encevo beteiligte – dem part of this initiative. But we didn’t care erhielt Luxemburg denkbar wenig: Plat- Mutterhaus von Enovos und Creos. Als about that because we have a really good titüden zu einer verbesserten Kooperation damals zuständiger Minister überging experience with our Chinese partners“, und einen warmen Händedruck. Etienne Schneider alle Bedenken der sagte Schneider. Öffentlichkeit und des grünen Koalitions- „Ausverkauf“ in Luxemburg, partners.3 Die Irritationen in Deutschland Die Botschaft des damaligen Vizepremiers Skepsis anderswo ließen ihn kalt. Encevo gehören auch in kam in Peking an. Sieben Monate später Deutschland Strom- und Gasnetze. Die unterzeichneten China und Luxemburg Bezeichnend ist ebenfalls, dass Luxemburg Bundesregierung hatte kurz zuvor den ein Memorandum of Understanding (MoU) das bisher letzte EU-Land ist, das sich for- Einstieg eines chinesischen Konzerns zur Belt and Road-Initiative (BRI). Die mell der chinesischen Initiative anschloss. beim Netzbetreiber 50Hertz verhindert. Luxemburger Regierung hält dieses Es scheint, als ob das Großherzogtum den In Belgien scheiterte 2016 die Beteiligung Anschluss an seine europäischen Partner eines chinesischen Investors am Stromun- Laurent Schmit ist Journalist und schreibt für das verloren hatte und alleine vorpreschte. ternehmen Eandis an der Warnung des Online-Magazin reporter.lu. „Der Trend wendete sich ab 2017, 2018. belgischen Geheimdienstes.
36 forum 414 Dossier © Carlo Schmitz Gerade in den Nachbarländern wuchs ist. Er soll der Europäischen Kommission sieht außerdem vor, dass die Mitgliedstaa- demnach die Skepsis im Umgang mit und den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ten nationale Regeln zur Überprüfung von China. Vor allem das politische Risiko geben, Investitionen in sensiblen Bran- Investoren einführen können. Deutsch- einer zu großen Abhängigkeit gegen- chen zu „filtern“ und sich dazu auszutau- land, Frankreich, Spanien und Italien aber über der erwachenden Großmacht sorgte schen. „Wir brauchen Kontrolle über die auch Malta und Dänemark haben der für ein Umdenken. Deutschland warb Ankäufe ausländischer Unternehmen, die Kommission entsprechende Gesetze und zusammen mit Italien und Frankreich auf Europas strategische Güter abzielen“, Verordnungen gemeldet. Die Luxemburger für eine schärfere Kontrolle chinesischer so Jean-Claude Juncker bei der Annahme Regierung arbeitet an einem Gesetzent- Investoren. der Verordnung im April 2019.5 wurf, der einen „nationalen Kontrollme- chanismus für ausländische Direktinves- „Keine naiven Freihändler“ Seit Oktober sollen die Mitgliedstaaten titionen in Luxemburger Gesellschaften“ Informationen über geplante ausländische einführen soll, bestätigt das Außenminis- „Lassen Sie es mich ein für alle Mal Investitionen unter sich und mit Brüssel terium. Der Text solle „demnächst“ in die sagen: Wir sind keine naiven Freihändler. austauschen, falls diese Einfluss auf die legislative Prozedur gehen. Europa muss immer seine strategischen Sicherheit der Länder oder der EU haben. Interessen verteidigen“, sagte der damalige In Luxemburg steht das noch aus: „Seit Härterer Kurs zwingt Peking zu Kommissionspräsident Jean-Claude Jun- 2019 arbeitet eine Arbeitsgruppe mit Mit- Zugeständnissen cker 2017 in Reaktion auf diese Debatte.4 gliedern verschiedener Ministerien daran, Brüssel schlug einen EU-Mechanismus die nötige Strukturen für diese Kooperation Die Investitionskontrolle gilt für alle zum Screening von Beteiligungen vor, zu schaffen“, heißt es auf Nachfrage aus außereuropäischen Länder, aber China der seit Oktober 2020 endgültig in Kraft dem Außenministerium. Die Verordnung steht im Fokus. Auf den ersten Blick
China – Menschenrechte – Luxemburg Februar 2021 37 scheint es also widersprüchlich zu sein, chinesische Führung öffentlich kritisiert genauso sieht, ist zumindest fraglich. Wirt- dass die EU sich am 30. Dezember mit hatte. schaftsminister Franz Fayot (LSAP) verhin- Peking auf ein Investitionsabkommen ver- derte laut einem Bericht des Lëtzebuerger ständigt hat. Die europäischen Unterneh- Anfang Januar drohte Peking inländischen Land in letzter Minute, dass der Staats- men erhalten einen vereinfachten Zugang und ausländischen Firmen, die im Handel betrieb Post sein 5G-Mobilfunknetz mit zum chinesischen Markt. Die Luxembur- Sanktionen anderer Länder beachten. Das Material des chinesischen Konzerns Hua- ger Regierung erwartet sich viel von die- betrifft etwa Maßnahmen der USA gegen wei aufbaute.8 Sowohl in Brüssel als auch sem Text. „Im Bereich der Finanzdienst- chinesische Offizielle, die an der Verfol- in Washington besteht die Sorge, dass der leistungen verpflichtet sich China durch gung der Demokratiebewegung in Hong chinesische Geheimdienst sich eine Hin- das Investitionsabkommen die Branche Kong beteiligt sind. Die Drohung richtet tertür in die 5G-Ausrüstung von Huawei weiter zu liberalisieren und mit der Öff- sich aber auch gegen westliche Länder, gesichert habe oder sichern könnte. nung weiter voranzuschreiten. So werden die Unternehmen verpflichten wollen, zum Beispiel Obergrenzen für ausländi- Zwangsarbeit der Uiguren in Lieferketten Nicht nur wich die Regierung im Fall sche Beteiligungen im Bankwesen, beim zu unterbinden. Die chinesische Führung Huawei von der Doktrin der offenen Handel mit Wertpapieren und Versiche- nimmt dabei bewusst schweren wirtschaft- Türen ab, sondern selbst mit ausgeleg- rungen und für die Vermögensverwaltung lichen Schaden in Kauf. Die Durchsetzung tem rotem Teppich sind die Resultate abgeschafft. Für einen Finanzplatz wie machtpolitischer Ziele steht unumstritten ernüchternd. Der grüne Verkehrsminister Luxemburg ist die Stärkung von Wett- an erster Stelle. Mittelbar könnte sich das und Vizepremier François Bausch räumte bewerbsgleichheit durch ein derartiges auch auf den Luxemburger Finanzplatz im Januar in einer Antwort auf eine par- Abkommen wichtig“, heißt es auf Nach- lamentarische Frage ein, dass es keine frage aus dem Finanzministerium. direkte Frachtzugverbindung zwischen Luxemburg und China geben wird. 2019 Für den Experten Frans-Paul van der gab es einen „Testzug“ zwischen dem Hub Putten hängen Kontrolle und Abkommen Selbst bei den Exportzahlen hat Bettemburg-Düdelingen und dem chine- zusammen: „Der Status quo war zum Vor- China die gleiche Bedeutung für sischen Zhengdu. Letztlich entschied sich teil Chinas. Chinesische Unternehmen die hiesige Wirtschaft wie etwa die chinesische Seite aber für deutsche konnten in Europa ohne weitere Ein- Schweden oder Österreich. Frachtterminals. schränkungen investieren.“ Dass sich das nun ändern wird, sei für Peking ein Anreiz Die nackten Zahlen sind ebenfalls enttäu- gewesen, das Investitionsabkommen abzu- schend. Bei den Direktinvestitionen von schließen, meint der Niederländer. auswirken. Alipay soll von hier aus den und nach Luxemburg steht laut Daten EU-Markt abdecken. Doch die Zukunft des Internationalen Währungsfonds Wandel durch Handel? des gesamten Konzerns ist aktuell unklar. zwar Hong Kong unter den 20 wich- „Wandel durch Handel“ hieß die Strate- tigsten Partnern, aber nicht das Festland Das Timing des Abkommens sorgte seit gie vieler europäischer Länder gegenüber China. Diese Zahlen sind stark beeinflusst Jahresbeginn für eine heftige Debatte. China. Gerade Deutschland vertraute dar- durch den Finanzplatz. Aber selbst bei Das Team des US-Präsidenten Joe Biden auf, dass eine stärkere Einbindung Chinas den Exportzahlen hat China die gleiche warnte die EU noch vor dessen Amtsüber- in die Weltwirtschaft zu einer politischen Bedeutung für die hiesige Wirtschaft wie nahme vor diesem Schritt. Für China ist Öffnung führen und die autoritären Ten- etwa Schweden oder Österreich. die Übereinkunft wichtig, um eine geeinte denzen abschwächen würde. Diese Hoff- US-EU-Handelsfront zu vermeiden. nung bezeichnen Experten inzwischen als Eingeklemmt zwischen geostrategi- illusorisch.6 schen Interessen Umstritten ist das Abkommen mit China aber auch, weil sich Peking in den vergan- Das Fehlen einer Strategie Ernüchterung ist dabei ein generel- genen Monaten noch autoritärer zeigte. ler Trend. Das Europäische Parlament Die Demokratiebewegung in Hong Kong „Wir sind uns natürlich bewusst, dass schätzte Ende Januar die Zusammenarbeit merzt Peking konsequent aus. Die bru- China nicht nur ein Partner ist, sondern mit China an der „Neuen Seidenstraße“ tale Unterdrückung und Ausbeutung der gleichzeitig ein Konkurrent, der andere als „bislang nur mäßig erfolgreich“ ein.9 muslimischen Minderheit der Uiguren Werte und eine andere Vision der Welt- Es solle zwar eine Kooperation geben, aber dringt mit immer hässlicheren Details ordnung hat als wir“, sagte Jean Asselborn nur falls das den politischen Zusammen- an die Weltöffentlichkeit. Im November (LSAP) in seiner Deklaration zur Außen- halt der EU und ihre Grundprinzipien stoppten die chinesischen Behörden den politik im vergangenen Dezember. Luxem- nicht gefährde. „Brutales Vorgehen“ gegen Börsengang von Ant Financial (Alipay), burg spreche regelmäßig auf bi- und mul- Drittländer sei ebenfalls nicht akzeptabel. einem von Luxemburg umworbenen tilateraler Ebene die „ganz beunruhigende Finanzdienstleister. Der Schritt gilt als Situation der Menschenrechte in Xinjiang Auch die USA werden den politischen Vergeltung dafür, dass der Gründer des und in Hong Kong“ an, so der Außen- Preis guter Beziehungen mit China für Mutterkonzerns Alibaba, Jack Ma, die minister.7 Ob die restliche Regierung das Luxemburg in die Höhe treiben. Unter
© Carlo Schmitz Präsident Joe Biden wird der harte Kurs – wird es Blau-Rot-Grün künftig nicht 1 https://news.cgtn.com/news/3d3d674e34 677a4e79457a6333566d54/index.html (alle wahrscheinlich weitergehen. Einen Vor- mehr sein, wie ihr Umwerben Chinas Internetseiten, auf die in diesem Beitrag verwiesen geschmack gab der neue Außenminister unter den demokratischen Partnerstaaten wird, wurden zuletzt am 25. Januar 2021 Antony Blinken, als er die Einschätzung aufgenommen wird. aufgerufen). seines Vorgängers bestätigte, dass China 2 https://www.reporter.lu/belt-and-road- luxemburg-china-einblicke-in-geheimes- einen „Genozid“ an den Uiguren begehe.10 Dieser Text erscheint zeitgleich auf reporter.lu. Wir danken dem Autor und dem Magazin für diese Zusam- memorandum/ menarbeit. 3 https://tinyurl.com/y77ul8g8 „Das politische Risiko in den Beziehun- 4 https://tinyurl.com/y2w5qnqz gen zu China ist deutlich gestiegen. Was die Länder davon haben, ist aber nicht so 5 https://ec.europa.eu/commission/presscorner/ detail/de/IP_18_6467 klar“, fasst der Experte Frans-Paul van der 6 https://tinyurl.com/y5ab7ut8 Putten die Lage zusammen. Gleichzeitig ist Luxemburg besonders gefährdet, falls 7 https://tinyurl.com/y2gt597x die USA und China vollends auf Kon- 8 https://www.land.lu/page/article/103/337103/ FRE/index.html frontationskurs gehen. Wie viel diploma- 9 9 https://www.europarl.europa.eu/doceo/ tischer Spielraum bleibt, wenn chinesische document/TA-9-2021-0016_DE.html Staatsunternehmen wesentlichen Einfluss 10 https://tinyurl.com/yyvpzhmz bei Encevo und Cargolux haben? Lässt Luxemburg seine Tür für China offen, droht ernster Streit mit dem strate- gisch und wirtschaftlich deutlich wichti- geren Partner USA. Schließt sich die Tür auch nur einen Spalt, wird das in Peking alles andere als positiv aufgenommen wer- den. Klar ist aber vor allem eins: „Egal“ – wie es Etienne Schneider formulierte
Sie können auch lesen