Deutsches Stabilitätsprogramm 2019 - Bundesfinanzministerium
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Deutsches Stabilitätsprogramm 2019
Deutsches Stabilitätsprogramm 2019
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Inhalt Seite 3 Inhalt Seite Vorbemerkungen zum Deutschen Stabilitätsprogramm 2019.......................................................... 5 1. Zusammenfassung................................................................................................................................ 6 2. Gesamtwirtschaftliches Umfeld in Deutschland....................................................................11 2.1 Gesamtwirtschaftliche Lage in Deutschland im Jahr 2018....................................................... 11 2.2 Kurz- und mittelfristige Perspektiven der Gesamtwirtschaft 2019 bis 2023.................... 12 3. Deutsche Finanzpolitik im europäischen Kontext................................................................17 3.1 Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts und des Fiskalvertrags und deren Umsetzung in Deutschland..................................................................................................................... 17 3.2 Finanzpolitische Ausgangslage und strategische Ausrichtung............................................... 19 3.3 Finanzpolitische Maßnahmen auf der Ausgaben- und Einnahmenseite........................... 22 3.4 Umsetzung der finanzpolitischen länderspezifischen Empfehlungen............................... 28 4. Projektion der Entwicklung des gesamtstaatlichen Finanzierungssaldos und Schuldenstands.....................................................................................................................................29 4.1 Entwicklung gesamtstaatlicher Einnahmen und Ausgaben.................................................... 29 4.2 Entwicklung des Finanzierungssaldos............................................................................................... 31 4.3 Entwicklung struktureller Indikatoren............................................................................................. 32 4.4 Sensitivität der Projektion des Finanzierungssaldos................................................................... 35 4.5 Entwicklung des Schuldenstands......................................................................................................... 36 5. Langfristige Tragfähigkeit und Qualität der öffentlichen Finanzen...............................37 5.1 Herausforderungen für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen................................. 37 5.2 Staatliche Einnahmen und Ausgaben in der langfristigen Perspektive.............................. 39 5.3 Maßnahmen zur Sicherung der langfristigen Tragfähigkeit.................................................... 40 5.4 Maßnahmen zur Steigerung von Wirksamkeit und Effizienz öffentlicher Einnahmen und Ausgaben...................................................................................................................... 44
Seite 4 Tabellen/Abbildungen Tabellen/Abbildungen Tabellen Seite Tabelle 1: Entwicklung der staatlichen Einnahmequote....................................................................... 30 Tabelle 2: Entwicklung der Staatsquote........................................................................................................ 31 Tabelle 3: Entwicklung des gesamtstaatlichen Finanzierungssaldos............................................... 31 Tabelle 4: Finanzierungssalden nach staatlichen Ebenen..................................................................... 32 Tabelle 5: Struktureller Finanzierungssaldo im Vergleich zum tatsächlichen Finanzierungssaldo sowie zur Entwicklung des BIP.......................................................... 33 Tabelle 6: Ausgabenregel: Projektion der Ausgaben und des Produktionspotenzials .............. 34 Tabelle 7: Sensivität der Projektion des gesamtstaatlichen Finanzierungssaldos...................... 35 Tabelle 8: Entwicklung der gesamtstaatlichen Schuldenstandsquote............................................. 36 Tabelle 9: Projektion der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung........................................................ 47 Tabelle 10: Preisentwicklung - Deflatoren...................................................................................................... 48 Tabelle 11: Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt........................................................................................... 49 Tabelle 12: Salden der Sektoren........................................................................................................................... 50 Tabelle 13: Entwicklung der Staatsfinanzen.................................................................................................. 51 Tabelle 14: Projektionen bei unveränderter Politik.................................................................................... 53 Tabelle 15: Bereinigungspositionen zur Bestimmung der Ausgabenreferenzgröße................... 53 Tabelle 16: Entwicklung des Schuldenstandes des Staates (Maastricht-Schuldenstand).......... 53 Tabelle 17: Konjunkturelle Entwicklungen.................................................................................................... 54 Tabelle 18: Gegenüberstellung der Projektionen des Stabilitätsprogramms April 2019 und April 2018...................................................................................................................................... 55 Tabelle 19: Entwicklung altersabhängiger Staatsausgaben in langfristiger Perspektive........... 56 Tabelle 20: Technische Annahmen..................................................................................................................... 57 Tabelle 21: Eventualverbindlichkeiten............................................................................................................. 57 Abbildungen Abbildung 1: Zinsausgaben der staatlichen Haushalte im historischen Vergleich........................ 10 Abbildung 2: Entwicklung der Steuerquote 2010 - 2023........................................................................... 10 Abbildung 3: Wachstumsbeiträge zum Anstieg des realen BIP in Prozentpunkten..................... 15 Abbildung 4: Kapazitätsauslastung in Deutschland.................................................................................... 15 Abbildung 5: Arbeitsmarktentwicklung in Deutschland.......................................................................... 16 Abbildung 6: Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt.................................................................................... 16 Abbildung 7: Struktureller und tatsächlicher Finanzierungssaldo im Vergleich (in % des BIP).................................................................................................................................... 18 Abbildung 8: Entwicklung der strukturellen Nettokreditaufnahme des Bundes (in % des BIP).................................................................................................................................... 21 Abbildung 9: Gesamtstaatliche Einnahmen- und Ausgabenstruktur 2018...................................... 27 Abbildung 10: Entwicklung des deutschen Produktionspotentials 2010 - 2023............................ 38 Abbildung 11: Leistungen des Bundes zur gesetzlichen Rentenversicherung................................ 43
Deutsches Stabilitätsprogramm 2019 Seite 5 Vorbemerkungen zum Deutschen Stabilitätsprogramm 2019 Bis Ende April jeden Jahres legen die Mit- die Überwachung und Bewertung der Über- gliedstaaten der Europäischen Union (EU) sichten über die Haushaltsplanung vollum- ihre mittelfristigen Finanzplanungen der fänglich nach. Europäischen Kommission und dem Rat der Die im Stabilitätsprogramm enthaltenen Wirtschafts- und Finanzminister (ECOFIN- Projektionen der Haushaltsentwicklung al- Rat) vor. Dabei folgen die Mitgliedstaaten ler staatlichen Ebenen beruhen auf allen bis des Euroraums mit ihren so genannten ak- zum Veröffentlichungszeitpunkt bekannten tualisierten Stabilitätsprogrammen den Be- Informationen, insbesondere der Jahrespro- stimmungen des Stabilitäts- und Wachs- jektion der Bundesregierung zur gesamt- tumspakts (SWP), nach denen auch alle wirtschaftlichen Entwicklung vom 30. Janu- weiteren EU-Staaten aktualisierte Konver- ar 2019 sowie den daraufhin aktualisierten genzprogramme vorzulegen haben. Ergebnissen des Arbeitskreises Steuerschät- Die vorliegende Aktualisierung des deut- zungen vom 25. Oktober 2018. Die aktuel- schen Stabilitätsprogramms hat das Bun- le Frühjahrsprojektion der Bundesregierung deskabinett am 17. April 2019 gebilligt. zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Das Programm folgt den Vorgaben, die in in Deutschland, die taggleich am 17. April den Vereinbarungen zu Form und Inhalt 2019 veröffentlicht worden ist, ist im Stabi- der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme litätsprogramm im Kapitel 2 und den ent- („Verhaltenskodex“) festgelegt wurden. Die sprechenden Tabellen noch nicht enthal- jeweilige Aktualisierung des deutschen Sta- ten; sie bildet die Grundlage für die Anfang bilitätsprogramms wird von der Bundesre- Mai 2019 anstehende Steuerschätzung des gierung an die zuständigen Fachausschüsse Arbeitskreises. des Deutschen Bundestags, an die Finanz- Das Bundesministerium der Finanzen ministerkonferenz und an den Stabilitätsrat veröffentlicht das aktualisierte Stabilitäts- übermittelt. Nach der Befassung im ECO- programm sowie die Programme der ver- FIN-Rat wird die Bundesregierung auch die gangenen Jahre auf der Seite: Ratsstellungnahme zum Programm an diese http://www.bundesfinanzministerium.de Stellen übersenden. Die Programme aller EU-Mitgliedstaa- Mit der Vorlage des aktualisierten deut- ten sowie die entsprechenden Analysen schen Stabilitätsprogramms, welches die der Europäischen Kommission und die Projektion der Haushaltsentwicklung al- Empfehlungen des ECOFIN-Rats sind auf ler staatlichen Ebenen (Bund, Länder, Ge- der Seite der Europäischen Kommission meinden und Sozialversicherungen) um- veröffentlicht: fasst, kommt die Bundesregierung für das h t t p : //e c . e u r o p a . e u / i n f o / b u s i n e s s - Jahr 2019 ihrer Verpflichtung zur Übermitt- economy-euro/economic-and-fiscal-policy- lung der nationalen mittelfristigen Finanz- coordination/eu-economic-governance- planung nach Artikel 4 der Verordnung (EU) m o n i t o r i n g - p re ve n t io n - co r re c t io n / Nr. 473/2013 über die Bestimmungen für stability-and-growth-pact/stability-and- convergence-programmes_en
Seite 6 Zusammenfassung 1. Zusammenfassung Die Bundesregierung hat sich zum Ziel ge- liche Erwerbstätigenzahl hat im Jahr 2018 setzt, die Zukunftsfähigkeit und die Wachs- mit über 44,8 Millionen Personen ein neu- tumsgrundlagen der deutschen Wirtschaft es Rekordhoch erreicht. Löhne und Gehäl- zu verbessern, den Zusammenhalt in der ter verzeichneten nennenswerte Zuwäch- Gesellschaft zu stärken und zugleich die So- se. Höhere Steuereinnahmen und zugleich lidität der öffentlichen Finanzen sicherzu- erhebliche Zinsminderausgaben haben stellen. Mit ihrer Finanzpolitik bildet sie die- die öffentlichen Finanzen begünstigt. Die se Zielsetzungen systematisch ab. Zinsausgaben der öffentlichen Hand in Der konjunkturelle Aufschwung in Deutschland verringerten sich im Jahr 2018 Deutschland hat sich im Jahr 2018 mit ei- auf nur noch 0,9 % der Wirtschaftsleistung nem realen Wachstum des Bruttoinlands- und damit auf den tiefsten Stand seit 50 Jah- produkts (BIP) von 1,4 % im neunten Jahr ren (siehe Abbildung 1). in Folge fortgesetzt. Gleichwohl hat sich die Im Ergebnis erzielte Deutschland im Dynamik deutlich abgeschwächt, nicht zu- Jahr 2018 einen gesamtstaatlichen Finan- letzt angesichts eingetrübter weltwirtschaft- zierungsüberschuss in Höhe von 1,7 % des licher Perspektiven, auch geprägt durch Un- BIP. Der Überschuss entfiel dabei zu fast sicherheiten bezüglich der internationalen gleichen Teilen auf die Gebietskörperschaf- Handelspolitik und des Austritts des Verei- ten Bund, Länder und Gemeinden sowie nigten Königreichs aus der EU. Zudem hat- auf die Sozialversicherungen. Die gesamt- te die Umstellung auf neue EU-Abgasmess- staatliche Schuldenstandsquote sank im standards erhebliche Lieferverzögerungen Jahr 2018 um 3,6 Prozentpunkte auf 60,9 % in der Schlüsselindustriebranche Automo- des BIP. Deutschland hat damit alle Vorga- bilbau zur Folge. ben des Stabilitäts- und Wachstumspakts Die Voraussetzungen für die Finanzpo- (SWP) wie auch des Fiskalvertrags in vollem litik blieben unbeschadet dessen günstig. Umfang erfüllt. Die Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt war unverändert robust; die durchschnitt-
Deutsches Stabilitätsprogramm 2019 Seite 7 Bei der Einordnung des hohen Finan- samtstaatlichen Investitionen um 7,6 % auf zierungsüberschusses ist zu bedenken, dass 78,9 Mrd. Euro gestiegen. Die staatlichen In- die Bildung einer neuen Koalitionsregie- vestitionen haben somit ein neues Hoch er- rung auf Bundesebene erhebliche Zeit in reicht; die Steigerungsrate lag deutlich über Anspruch nahm und daher erst im vergan- dem nominalen BIP-Wachstum. Dieser genen Juni das Bundeshaushaltsgesetz 2018 Trend wird mit der eingeschlagenen Finanz- im Bundestag verabschiedet werden konn- politik fortgesetzt. te. Bis dahin herrschte auf Bundesebene Die in den letzten Jahren ausgesprochen vorläufige Haushaltsführung, so dass kei- gute Lage am Arbeitsmarkt hat durch kon- ne neuen finanzwirksamen Maßnahmen tinuierliches Wachstum von Beschäftigung ausgeführt werden konnten, insofern die- und Löhnen zu höheren Steuereinnahmen se nicht sachlich und zeitlich unabweisbar beigetragen. Auch aus diesem Blickwinkel waren. Die im Koalitionsvertrag der Bun- hat die Bundesregierung wichtige Maßnah- desregierung vereinbarten ausgaben- und men für eine wachstumsfreundliche und einnahmeseitigen Maßnahmen werden da- sozial gerechte Steuer- und Abgabenpoli- her ganz überwiegend erst ab dem Jahr 2019 tik auf den Weg gebracht. Steuer- und Ab- und in den Folgejahren finanzwirksam. gabensenkungen, insbesondere für Fami- Das Bundeshaushaltsgesetz 2019, der lien und Bezieher kleinerer und mittlerer Eckwertebeschluss für den Bundeshaushalt Einkommen, stärken die verfügbaren Ein- 2020 und die Folgejahre bis 2023 konkreti- kommen und setzen positive Anreize für sieren diese Maßnahmen. So wird die Bun- die Arbeitsmarktbeteiligung. Die entlasten- desregierung finanzpolitische Spielräume den Maßnahmen betreffen vor allem den nutzen, um die öffentlichen Investitionen in Ausgleich der kalten Progression durch hö- Infrastruktur, Bildung und Forschung wei- here Grundfreibeträge und Erhöhung der ter zu stärken. Auch zu diesem Zweck haben übrigen Eckwerte des Einkommensteuer- der Deutsche Bundestag und der Bundes- tarifs, deutlich höhere Familienleistungen rat eine Verfassungsänderung beschlossen, u.a. beim Kindergeld, geringere Sozialbei- die es der Bundesregierung fortan ermög- träge für Geringverdiener, die Wiederher- licht, Länder und Gemeinden u.a. bei der Fi- stellung der paritätischen Finanzierung in nanzierung von Schulen, öffentlichem Nah- der gesetzlichen Krankenversicherung und verkehr und auch weiterhin beim sozialen die Beitragssatzsenkung in der Arbeitslo- Wohnungsbau unmittelbar zu unterstützen senversicherung. Vereinbart ist zudem, in (Näheres hierzu siehe Seite 23). einem ersten Schritt ab dem Jahr 2021 den Länder und Gemeinden stehen vor ent- Solidaritätszuschlag für 90 % der vom Soli- scheidenden Aufgaben, geeignete Investiti- daritätszuschlag betroffenen Einkommen- onsprojekte zu identifizieren, planungs- und steuerzahler abzuschaffen. Vorgesehen ist ausschreibungsrechtlich umzusetzen und auch die Einführung einer steuerlichen For- gewerblich zu beauftragen. Die erheblichen schungsförderung, die im Unternehmens- Mittel, die der Bund an Länder und Gemein- bereich für zielgerichtete Entlastungen den weitergibt, sollten dazu führen, dass sorgt und die Investitionsfreundlichkeit des Haushaltsspielräume in den nächsten Jah- Steuersystems verbessert. Im Ergebnis wer- ren auch bei den Ländern und Gemeinden den die steuerlichen Maßnahmen der Jah- genutzt werden. Die Bundesregierung ver- re 2019 bis 2021 in voller Jahreswirkung ein stetigt damit ihre Politik, mit Investitionen Volumen erreichen, das deutlich über die in Bildung und Infrastruktur die Grund- 25 Milliarden Euro-Marke hinausgeht. So- lagen für künftiges Wachstum zu stärken. mit wird die Umsetzung dieser Maßnahmen Schon im vergangenen Jahr sind die ge- nach aktuellen Projektionen dazu beitragen,
Seite 8 Zusammenfassung die Steuerquote, die zuletzt auf ein Hoch Ländern, ihre Haushalte ab dem Jahr 2020 von 23,7 % des BIP gestiegen ist, im Verlauf ohne Nettokreditaufnahme auszugleichen. der Legislaturperiode auf das Anfangsniveau Für den Bundeshaushalt gilt nach Maßga- zurückzuführen. be des Grundgesetzes eine Obergrenze von Ein wichtiges Ziel der Finanzpolitik der 0,35 % des BIP für die strukturelle, d.h. um Bundesregierung ist es, den sozialen Zusam- Konjunktureffekte und Einmalmaßnahmen menhalt in der Gesellschaft zu stärken, da- bereinigte, Nettokreditaufnahme. mit möglichst alle Bürgerinnen und Bürger Bis Ende der Finanzplanungsperio- von der guten wirtschaftlichen Lage profi- de im Jahr 2023 plant die Bundesregierung tieren. Dazu hat die Bundesregierung um- mit fortgesetzt ausgeglichenen Haushalten fangreiche Maßnahmen beschlossen, wie ohne Neuverschuldung und stellt so auch etwa Lohnkostenzuschüsse zur Integrati- die Einhaltung der verfassungsrechtlichen on von Langzeitarbeitslosen in den Arbeits- Schuldenregel sicher. In den vorliegenden markt sowie geringere Kitagebühren und Projektionen geht sie davon aus, dass die ge- ein besseres Betreuungsangebot ab Jah- samtstaatlichen Finanzierungsüberschüsse resbeginn 2019, einen erhöhten Kinderzu- sich zwar deutlich verringern, aber mittel- schlag für einkommensschwache Familien fristig – nicht zuletzt aufgrund der besseren ab Mitte 2019 und Finanzhilfen für den so- Finanzausstattung der Länder und Gemein- zialen Wohnungsbau. Zudem sollen ab dem den – noch im Positiven verbleiben. Auch Jahr 2021 Kindergeld und Kinderfreibetrag infolgedessen wird die Schuldenstandsquo- nochmals deutlich erhöht werden. te in diesem Jahr auf unter 60 % des BIP sin- Für das Jahr 2019 sind Maßnahmen der ken und damit erstmals seit dem Jahr 2002 deutschen Finanzpolitik vorgesehen, die wieder die Obergrenze gemäß Maastricht- zu Mehrausgaben in Höhe von 0,5 % des Vertrag von 60 % unterschreiten. BIP sowie Mindereinnahmen einschließ- Die fortgesetzte Konsolidierung der öf- lich Steuersenkungen in Höhe von 0,2 % des fentlichen Haushalte ist aus diesem Blick- BIP führen. Im Jahr 2019 ist die Finanzpoli- winkel auch eine wichtige Vorausset- tik deutlich expansiv ausgerichtet. Trotz des zung für die weitere Handlungsfähigkeit aktuell abgeschwächten Wirtschaftswachs- Deutschlands angesichts vielfacher künfti- tums sind die Kapazitäten in der deutschen ger Herausforderungen und Aufgaben. Dazu Wirtschaft weiterhin leicht überausgelas- zählen unter anderem die Finanzierung des tet; dies gilt insbesondere für einige Indus- Klimaschutzes und damit zusammenhän- triebranchen, den Bausektor sowie die Be- gend der von einer Expertenkommission reiche IT- und Pflegedienstleistungen, in unlängst empfohlene Ausstieg Deutschlands denen Fachkräfte knapp sind. Insgesamt er- aus dem Kohleabbau und der Kohleverstro- scheint für Deutschland eine Finanzpolitik mung, die Übernahme internationaler Ver- angemessen, die die Wachstumspotentiale antwortung in der sicherheits- und ent- der deutschen Wirtschaft strukturell zu ver- wicklungspolitischen Zusammenarbeit bessern hilft und zugleich mit ihrer expan- und die künftigen Finanzierungsbeiträge siven Ausrichtung auch dafür Sorge trägt, Deutschlands zum Haushalt der EU. angesichts außenwirtschaftlicher Konjunk- Zudem stehen die Herausforderun- turrisiken den daraus resultierenden negati- gen des demografischen Wandels der deut- ven Entwicklungen zu begegnen. schen Gesellschaft schon bald bevor. Die ge- Angesichts der derzeitigen Abschwä- burtenstarke Generation der Babyboomer chung der Konjunktur gilt es, sich auf fi- steht kurz vor dem Ausscheiden aus dem nanzpolitisch schwierigere Zeiten einzustel- Erwerbsleben, das Verhältnis der Bevölke- len. Die Schuldenbremse erfordert von den rung im Rentenalter zur Bevölkerung im er-
Deutsches Stabilitätsprogramm 2019 Seite 9 werbsfähigen Alter wird sich von rund 33 % forderungen hat die Bundesregierung die im Jahr 2018 auf knapp 44 % im Jahr 2030 „Kommission Verlässlicher Generationen- erhöhen. Die Folgen dieser Entwicklung vertrag“ eingesetzt, die sich mit der nach- werden die Finanzpolitik auf die Probe stel- haltigen Sicherung und Fortentwicklung len. Zugleich steht die Politik vor der Auf- der Alterssicherung befassen und bis zum gabe, sowohl für Leistungsempfänger wie März 2020 Empfehlungen vorlegen wird. auch für Beitragszahler die Akzeptanz und Die konkreten Maßnahmen der Bun- Verlässlichkeit der Sozialsysteme weiterhin desregierung für Wachstum und Beschäfti- zu sichern. Für die gesetzliche Rentenver- gung sind im Nationalen Reformprogramm sicherung hat der Gesetzgeber geregelt, im (NRP) detailliert dargestellt, das am 10. Ap- Bedarfsfall bis zum Jahr 2025 Maßnahmen ril 2019 von der Bundesregierung beschlos- zur Stabilisierung des Sicherungsniveaus zu sen wurde und bis Ende April der Europä- ergreifen wie auch durch Bundeszuschüs- ischen Kommission vorgelegt wird. Darin se den Beitragssatz zu beschränken. Außer- führt die Bundesregierung unter anderem dem wurden die Rentenansprüche für er- aus, wie sie den gesamtwirtschaftlichen He- werbsgeminderte Personen verbessert und rausforderungen begegnet, die die Europä- die Anrechnung geleisteter Erziehungszei- ische Kommission in ihrem Länderbericht ten erhöht. Die Leistungen des Bundes an vom 27. Februar 2019 beschreibt. Dabei wer- die gesetzliche Rentenversicherung wer- den auch die Fortschritte Deutschlands hin- den im Jahre 2019 insgesamt 98 Mrd. Euro sichtlich der Umsetzung der vom Rat der erreichen und bis zum Jahr 2023 auf 114 Europäischen Union im Jahr 2018 ausge- Mrd. Euro steigen. Über die Entwicklung sprochenen länderspezifischen Empfehlun- der Tragfähigkeit der öffentlichen Finan- gen aufgezeigt. zen wird das Bundesministerium der Fi- nanzen voraussichtlich um die Jahreswende 2019/20 in seinem nächsten Tragfähigkeits- bericht informieren. Eine noch höhere Erwerbstätigkeit ins- besondere von Älteren, Frauen und Zuge- wanderten und ein stärkeres Produktivitäts- wachstum bleiben wesentlich für dauerhaft solide Finanzen. Die Bundesregierung er- leichtert daher die Eingliederung von Älte- ren in den Arbeitsmarkt, verbessert die Ver- einbarkeit von Familie und Beruf durch den Ausbau der Ganztagesbetreuung weiter und ermöglicht eine gezieltere Steuerung der Zuwanderung von Fachkräften. Weitere Po- tentiale entstehen durch produktivitätsstei- gernde Maßnahmen, u.a. durch eine bes- sere Qualifizierung der Erwerbstätigen in Kombination mit lebenslangem Lernen, ei- ner konsequenten Digitalisierung von Wirt- schaft und öffentlicher Verwaltung sowie investitions- und innovationsfreundlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen. Angesichts der demografischen Heraus-
Seite 10 ZUSAMMENFASSUNG Abbildung 1: Zinsausgaben der staatlichen Haushalte im historischen Vergleich in % des BIP 4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 Zinsausgaben (gem. Abgrenzung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung) Quelle: Statistisches Bundesamt, Februar 2019 Abbildung 2: Entwicklung der Steuerquote 2010 - 2023 in Relation zum BIP (%) 25,5 Projektion 24,5 23,5 22,5 21,5 20,5 19,5 Steuerquote Quelle: 1991-2018: Statistisches Bundesamt; 2019-2023: BMF-Projektion.
Deutsches Stabilitätsprogramm 2019 Seite 11 2. Gesamtwirtschaftliches Umfeld in Deutschland 2.1 Gesamtwirtschaftliche witterungsbedingte Logistikengpässe insbe- sondere in der Chemiebranche ins Gewicht. Lage in Deutschland Insgesamt stiegen die preisbereinigten Ex- im Jahr 2018 porte im Jahr 2018 lediglich um 2,0 %, nach einer Wachstumsrate von 4,6 % im Vorjahr. Die deutsche Wirtschaft befand sich im Jahr Da die preisbereinigten Importe mit +3,3 % 2018 weiter auf Wachstumskurs, hat jedoch deutlich kräftiger stiegen, verminderte der in der zweiten Jahreshälfte deutlich an Dy- Außenbeitrag rein rechnerisch das BIP- namik verloren. Das preisbereinigte BIP ist Wachstum um -0,4 %. gegenüber dem Vorjahr um 1,4 % gestiegen. Dagegen trug die Binnenwirtschaft posi- Der Anstieg lag damit spürbar unter den tiv zum Wirtschaftswachstum bei. Dies zeigt Wachstumsraten der beiden Vorjahre (je- sich im kräftigen Anstieg der Inlandsnach- weils +2,2 %) und leicht unterhalb des ge- frage (+1,9 %) gegenüber dem Vorjahr. Der samtwirtschaftlichen Produktionspotentials starke Beschäftigungszuwachs und steigen- von 1,6 % p.a. de Einkommen sorgten für ein günstiges Die gebremste konjunkturelle Dyna- Konsumklima und trugen auch zu erhöh- mik zeigte sich insbesondere in der schwä- ten Investitionen im privaten Wohnungs- cheren Exportentwicklung. Seit Juni legten bau bei. Allerdings stieg der private Konsum die deutschen Warenexporte nur gering- angesichts des schwachen dritten Quar- fügig zu. Neben einer allgemein geringe- tals 2018 preisbereinigt um lediglich 1,0 % ren weltwirtschaftlichen Dynamik wirkten an. Im Vergleich dazu stiegen die priva- sich insbesondere auch Unsicherheiten we- ten Bauinvestitionen deutlich kräftiger an gen drohender Handelskonflikte und der mit einem preisbereinigten Plus von 2,4 % Ungewissheiten über den Austritt des Ver- gegenüber dem Vorjahr. Niedrige Kapital- einigten Königreichs aus der EU negativ marktzinsen und eine sehr hohe Kapazitäts- aus. Ebenso fielen Umstellungsprobleme im auslastung in der Industrie trugen dazu bei, deutschen Automobilsektor auf den EU-Ab- dass die Ausrüstungsinvestitionen um preis- gasmessstandard (Worldwide Harmonized bereinigt +4,2 % gegenüber dem Vorjahr Light-Duty Vehicles Test Procedure) wie auch aufgestockt wurden.
Seite 12 GESAMTWIRTSCHAFTLICHES UMFELD IN DEUTSCHLAND Der Arbeitsmarkt entwickelte sich wei- 2.2 Kurz- und mittelfristige terhin sehr positiv. Nach vorläufigen Be- Perspektiven der Gesamt- rechnungen des Statistischen Bundesamts wirtschaft 2019 bis 2023 stieg die Erwerbstätigkeit im Jahr 2018 auf durchschnittlich 44,8 Millionen Personen und damit auf einen neuen Höchststand Die Frühindikatoren lassen eine weiterhin seit der Wiedervereinigung. Der Anstieg ist gebremste konjunkturelle Dynamik für das insbesondere auf die höhere Anzahl sozial- Jahr 2019 erwarten. Die Stimmung der Un- versicherungspflichtiger Beschäftigungsver- ternehmen bleibt eingetrübt und die Expor- hältnisse zurückzuführen. Die Betrachtung terwartungen im Verarbeitenden Gewerbe nach Branchen zeigt fast durchweg Anstie- deuten auf ein Fortbestehen der außenwirt- ge in der Beschäftigung. Besonders zule- schaftlichen Unsicherheiten hin. Positivere gen konnte in der absoluten Betrachtung Signale kommen hingegen vom Konsumkli- das Verarbeitende Gewerbe; überdurch- ma. Steigende Löhne und Beschäftigung so- schnittliche Zuwächse wurden zudem in wie höhere monetäre Sozialleistungen tra- den unternehmensnahen Dienstleistungs- gen zur positiven Stimmung bei. bereichen sowie im Gesundheits- und Sozi- Die Bundesregierung geht in ihrer Jah- alwesen verzeichnet. Die Zahl der Arbeits- resprojektion für das Jahr 2019 von einem losen hat im Jahr 2018 mit durchschnittlich moderaten Anstieg des preisbereinigten BIP 2,34 Millionen Personen ein neues langjäh- von 1,0 % aus. Die geringere jahresdurch- riges Rekordtief seit der Wiedervereinigung schnittliche Wachstumsrate im Vorjahres- erreicht. Die jahresdurchschnittliche Ar- vergleich ist dabei in Teilen auch durch ei- beitslosenquote betrug lediglich 5,2 %. Laut nen sehr geringen statistischen Überhang Bundesagentur für Arbeit ist es in einer Rei- aus dem Vorjahr bedingt. Der BIP-Zuwachs he von Berufen deutlich schwieriger gewor- ist vor allem auf die weiterhin starke In- den, Fachkräfte zu finden. Davon besonders landsnachfrage zurückzuführen (siehe Ab- betroffen sind technische Berufe, Bauberufe bildung 3). Der private Konsum steigt im sowie Gesundheits- und Pflegeberufe. Jahr 2019 preisbereinigt voraussichtlich um Die Verbraucherpreise in Deutschland 1,3 % und setzt damit merkliche Wachstum- erhöhten sich im Jahresdurchschnitt 2018 simpulse. Die Entwicklung wird maßgeblich um 1,8 % gegenüber dem Vorjahr. Zum An- von fortgesetzten Einkommens- und Be- stieg trugen insbesondere höhere Energie- schäftigungszuwächsen getragen. So erhö- preise für leichtes Heizöl und Kraftstoffe hen sich die Bruttolöhne und -gehälter vo- bei. Die Kerninflationsrate, also die Preis- raussichtlich um 4,2 %. Zum Jahresbeginn entwicklung ohne Einbeziehung von Nah- 2019 traten zudem Änderungen bei Steu- rungsmittel- und Energiepreisen, lag im ern und Abgaben in Kraft, die den Steuer- Jahresdurchschnitt bei 1,3 %. progressionseffekten entgegenwirken und sich damit spürbar positiv auf die Netto- löhne (+4,8 %) auswirken. Infolge der Erhö- hung der monetären Sozialleistungen, auch bedingt durch Beschlüsse der Bundesregie- rung, sowie der zum 1. Juli zu erwartenden Rentenerhöhung ist anzunehmen, dass die verfügbaren Einkommen mit +2,8 % kräf- tig zulegen.
Deutsches Stabilitätsprogramm 2019 Seite 13 Die Bruttoanlageinvestitionen dürften Der Arbeitsmarkt dürfte sich weiterhin trotz Unsicherheiten aus dem außenwirt- robust entwickeln und eine wichtige Stüt- schaftlichen Umfeld weiterhin steigen, da ze der deutschen Konjunktur bleiben. Aller- es auch für Erweiterungsinvestitionen im dings haben einige Arbeitsmarkt-Frühindi- Unternehmenssektor gute Gründe gibt. Zu katoren, wie der Bestand an offenen Stellen, nennen sind hier insbesondere die hohe kürzlich leicht nachgegeben. Folglich ist da- Kapazitätsauslastung, gefüllte Auftragsbü- mit zu rechnen, dass die Beschäftigung im cher sowie günstige Finanzierungsbedin- laufenden Jahr nicht mehr ganz so stark an- gungen, die sich aus dem Niedrigzinsumfeld steigen könnte wie in den Vorjahren. Insge- und der hohen Liquidität der Unternehmen samt dürfte die Zahl der Erwerbstätigen im ergeben (siehe Abbildung 4). Die Dynamik Jahr 2019 um rund 390.000 Personen zuneh- bei Ausrüstungsinvestitionen (+2,3 %) wird men. Damit würde die Erwerbstätigkeit ein dennoch angesichts schwächerer Impul- neues Rekordniveau von 45,2 Millionen Per- se der Weltkonjunktur voraussichtlich et- sonen erreichen. was geringer ausfallen als im Vorjahr. Hin- Der Anstieg des Verbraucherpreisniveaus gegen dürften die Bauinvestitionen (+2,9 %) wird im Jahr 2019 mit voraussichtlich 1,5 % im Jahr 2019 merklich steigen, da der ro- geringer ausfallen als im Vorjahr. Hierbei buste Arbeitsmarkt, Einkommenszuwächse schlägt zu Buche, dass Energiegüter im Ver- der privaten Haushalte sowie niedrige Zin- gleich zum Vorjahr günstiger sein dürften. sen weiterhin den privaten Wohnungsbau Die Kerninflationsrate liegt voraussichtlich begünstigen. Auch die investiven Ausgaben bei +1,6 %. der öffentlichen Hand werden im Jahr 2019 Durch das etwas schwächere Wachs- deutlich expandieren. Allerdings deuten tum im Jahr 2018 hat sich die positive Pro- merklich steigende Baupreise auf zuneh- duktionslücke zwischen tatsächlichem BIP mende Angebotsrestriktionen hin. und Produktionspotential leicht verringert. Das globale Wachstum hat im letzten In diesem Jahr wird sich die Produktions- Jahr an Tempo verloren. Im Euroraum ver- lücke angesichts des erwarteten schwäche- zeichneten alle größeren Mitgliedstaaten ren Wirtschaftswachstums voraussichtlich ein geringeres Wachstum als im Vorjahr. Ge- um 0,4 Prozentpunkte auf 0,4 % des Produk- mäß den Erwartungen internationaler Or- tionspotentials weiter verkleinern. Für das ganisationen dürfte die konjunkturelle Dy- Jahr 2020 geht die Bundesregierung von ei- namik im laufenden Jahr abermals leicht an ner Zunahme des preisbereinigten BIP um Fahrt verlieren. Daher ist bei den preisbe- 1,6 % aus, wobei hierzu mit rund +0,4 Pro- reinigten Exporten im Jahr 2019 erneut nur zentpunkten ein Effekt wegen zusätzli- ein moderater Zuwachs von 2,7 % zu erwar- cher Arbeitstage im Kalenderjahr 2020 zu ten. Positive Impulse könnten sich hinge- Buche schlägt. In der Mittelfristprojek- gen nach Lösung der Umstellungsprobleme tion für den Zeitraum von 2021 bis 2023 in der Automobilindustrie ergeben. Für die wird eine durchschnittliche Wachstumsra- Importe wird aufgrund der dynamischen te des BIP von jährlich 1,1 % angenommen Inlandsnachfrage ein vergleichsweise star- (siehe Abbildung 6). Die positive Entwick- ker Zuwachs von 4,0 % erwartet. Der Leis- lung am Arbeitsmarkt dürfte sich fortset- tungsbilanzsaldo wird sich weiter zurückbil- zen. Die Zahl der Erwerbstätigen wird vor- den auf rund 7 ¼ % des BIP. aussichtlich bis zum Jahr 2023 auf etwa 45,4 Millionen Personen steigen. Die Inlands- nachfrage bleibt eine wichtige Stütze des Wirtschaftswachstums.
Seite 14 GESAMTWIRTSCHAFTLICHES UMFELD IN DEUTSCHLAND Die moderate Wachstumsrate des BIP im Zeitraum von 2021 bis 2023 wird zum einen durch die technische Annahme ei- ner geschlossenen Produktionslücke im Jahr 2023 bedingt. Zum anderen nimmt die Wachstumsrate des geschätzten Produk- tionspotentials von derzeit 1,5 % auf 1,2 % im Jahr 2023 ab. Ursache hierfür ist ein ge- dämpfter und im Jahr 2023 sogar nega- tiver Wachstumsbeitrag des Faktors Ar- beit. Die aktuelle Erwerbsbeteiligung ist bereits ausgesprochen hoch und die struk- turelle Arbeitslosigkeit sehr niedrig, so dass durch eine weitere Aktivierung der inlän- dischen Erwerbsbevölkerung kaum poten- tialsteigernde Effekte zu erwarten sind. In absehbarer Zukunft dürften daher neben qualifizierter Zuwanderung produktivitäts- steigernde Maßnahmen auch durch die ver- stärkte Nutzung digitaler Technologien so- wohl in der privaten Wirtschaft wie auch in der öffentlichen Verwaltung noch stärker an Bedeutung gewinnen. Die demografische Entwicklung mit dem verstärkten Abgang der Baby-Boomer-Generation in den Ru- hestand macht diese Fortentwicklung noch dringlicher.
Deutsches Stabilitätsprogramm 2019 Seite 15 Abbildung 3: Wachstumsbeiträge zum Anstieg des realen BIP in Prozentpunkten 3,0 2,5 2,0 Prognose 1,5 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Inlandsnachfrage Außenbeitrag Bruttoinlandsprodukt Quelle: 2015-2018: Statistisches Bundesamt; 2019-2023: Jahresprojektion 2019 der Bundesregierung. Abbildung 4: Kapazitätsauslastung in Deutschland 100 90 80 Index 70 60 50 Verarbeitendes Gewerbe Bauwirtschaft Quelle: Ifo-Institut
Seite 16 Abbildung 5: Arbeitsmarktentwicklung in Deutschland 280 Offene Stellen und Erwerbstätigkeit 46 260 45 240 44 43 220 42 200 41 Millionen 180 Index 40 160 39 140 38 120 37 100 36 offene Stellen Erwerbstätige, rechte Achse Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Statistisches Bundesamt. Abbildung 6: Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt 5 130 4 125 3 2 120 1 115 0 Index 2010=100 -1 110 Prozent -2 Projektion 105 -3 -4 100 -5 95 -6 -7 90 Veränderung gegenüber Vorjahr in Prozent Bruttoinlandsprodukt Kettenindex Quelle: 2000-2018: Statistisches Bundesamt; 2019-2023: Jahresprojektion 2019 der Bundesregierung.
Deutsches Stabilitätsprogramm 2019 Seite 17 3. Deutsche Finanzpolitik im europäischen Kontext 3.1 Vorgaben des Stabilitäts- Deutschland hat die Vorgaben des und Wachstumspakts und SWP im Jahr 2018 erneut vollständig er- des Fiskalvertrags und füllt. Deutschland hat die Obergrenze ei- nes nominalen Haushaltsdefizits von 3 % deren Umsetzung in in Relation zum BIP mit deutlichem Ab- Deutschland stand unterschritten. So lag der tatsächliche Finanzierungssaldo des gesamtstaatlichen Der SWP verpflichtet die Mitgliedstaaten, Haushalts (Bund, Länder, Gemeinden und den gesamtstaatlichen Haushalt mittelfris- Sozialversicherungen einschließlich ihrer tig nahezu auszugleichen und sich hier- Extrahaushalte) im Jahr 2018 bei +1,7 % des zu verbindliche Ziele zu setzen. Zudem gibt BIP. Im Jahr 2018 hat der Gesamtstaat auch der Pakt Obergrenzen für Haushaltsdefizit einen strukturellen Überschuss in Höhe von und Schuldenstand vor. Die Einhaltung die- 1,4 % erzielt, wie Abbildung 7 zeigt. ser Ziele und Grenzmarken sichert die fi- nanzielle Handlungsfähigkeit eines jeden einzelnen Mitgliedstaats der Wirtschafts- und Währungsunion. Der Pakt beinhal- tet flexible Regelungen unter anderem zur Berücksichtigung von Investitionen und strukturellen Reformen zur Stärkung des Wachstumspotentials. Er verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten somit zu einer stabili- tätsorientierten Finanzpolitik als eine Vo- raussetzung für ein starkes, nachhaltiges Wachstum in Europa.
Seite 18 DEUTSCHE FINANZPOLITIK IM EUROPÄISCHEN KONTEXT Abbildung 7: Struktureller und tatsächlicher Finanzierungssaldo im Vergleich (in % des BIP) 2 1 0 -1 -2 -3 -4 -5 -6 Maastricht-Finanzierungssaldo Maastricht-Referenzwert (Obergrenze für Maastricht-Defizit) Struktureller Finanzierungssaldo Mittelfristiges Haushaltsziel (MTO - Obergrenze für strukturelles Defizit) 1995: Ohne die Vermögenstransfers infolge der Übernahme der Schulden der Treuhandanstalt und der Wohnungsbauunternehmen der DDR. Inklusive dieses Effekts belief sich das gesamtstaatliche Defizit auf 9,4 % des BIP.. Inklusive dieses Effekts belief sich das gesamt- staatliche Defizit auf 9,4 % des BIP. 2000: Ohne UMTS-Erlöse. Inklusive dieses Effekts wies der Staatshaushalt einen Überschuss in Höhe von 0,9 % des BIP auf. Quelle: Statistisches Bundesamt, Februar 2019; eigene Berechnungen. Die Überschüsse im Staatshaushalt ha- Deutschland folgt daraus die Anforderung, ben in den vergangenen Jahren neben dem den Schuldenstand im maßgeblichen Drei- anhaltenden BIP-Wachstum zur Rückfüh- jahreszeitraum 2016-2018 im Jahresdurch- rung der Schuldenstandsquote maßgeblich schnitt um rund 3 Prozentpunkte bemessen beigetragen. Diese befindet sich auf einem am BIP abzubauen. Tatsächlich wurde der anhaltenden Abwärtspfad. Im Jahr 2018 Schuldenstand noch stärker zurückgeführt; sank die Schuldenstandsquote um 3,6 Pro- damit hält Deutschland auch diese Vorga- zentpunkte auf 60,9 % des BIP. Mit der Re- be des SWP zum Schuldenabbau mit deutli- form zur Stärkung des Stabilitätspakts im chem Abstand ein. Jahr 2011 ist die so genannte 1/20-Regel Deutschland unterliegt derzeit dem so hinsichtlich der Rückführung übermäßi- genannten präventiven Arm des SWP. Mit- ger Schuldenstände verbindlich für alle Mit- gliedstaaten, für welche die Maßgaben des gliedstaaten vereinbart worden. Diese Regel präventiven Arms des SWP gelten, müssen sieht vor, dass der über die Maastricht-Ober- mittelfristig einen nahezu ausgeglichenen grenze von 60 % des BIP hinausgehen- Haushalt oder einen Haushaltsüberschuss de Schuldenstand um jährlich mindestens erreichen. Dafür setzen sich diese Mitglied- ein Zwanzigstel im Durchschnitt der letz- staaten selbst ein mittelfristiges Haushalts- ten drei Jahre verringert werden muss. Für ziel (medium term objective, MTO) für den
Deutsches Stabilitätsprogramm 2019 Seite 19 strukturellen gesamtstaatlichen Finanzie- 3.2 Finanzpolitische Ausgangs- rungssaldo. Dieser Saldo wird ermittelt, in- lage und strategische dem der nominale Finanzierungssaldo um Ausrichtung konjunkturelle Effekte und um Einmalef- fekte bereinigt wird. Für die Euro-Mitglied- staaten gilt außerdem der Fiskalvertrag Gemäß der allgemeinen Empfehlungen des ECOFIN-Rats an die Euro- („Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Staaten bezüglich ihrer Finanzpolitik vom 22. Januar 2019 sollen die Steuerung in der Wirtschafts- und Wäh- Mitgliedstaaten rungsunion“). Nach dessen Vorgabe muss „unter uneingeschränkter Einhaltung des Stabilitäts- und der gesamtstaatliche Haushalt ausgegli- Wachstumspakts bei der Verfolgung ihrer Politik öffentliche und private chen oder im Überschuss sein. Dies ist er- Investitionen fördern und die Qualität und Zusammensetzung der reicht, wenn das MTO eingehalten wird. Ein öffentlichen Finanzen verbessern; erneut Haushaltspuffer aufbauen, Mitgliedstaat, bei dem das Verhältnis zwi- insbesondere in Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets, in denen schen öffentlichem Schuldenstand und die Staatsverschuldung nach wie vor hoch ist; die Maßnahmen der BIP zu Marktpreisen erheblich unter 60 % EU zur Bekämpfung der aggressiven Steuerplanung unterstützen liegt und zugleich die Risiken für die lang- und umsetzen; den Faktor Arbeit steuerlich entlasten und die Systeme fristige Tragfähigkeit der öffentlichen Fi- der allgemeinen und beruflichen Bildung und Investitionen in den nanzen gering sind, kann sein mittelfristi- Erwerb von Kompetenzen und Qualifikationen sowie die Wirksamkeit ges Haushaltsziel für das strukturelle Defizit aktiver Arbeitsmarktstrategien, die erfolgreiche Arbeitsmarktübergänge auf maximal 1,0 % des BIP zu Marktprei- unterstützen, fördern; die Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze fördern sen erhöhen. Deutschland behält mit sei- und Maßnahmen gegen die Segmentierung des Arbeitsmarktes ergreifen nem Stabilitätsprogramm das mittelfristi- und adäquate und tragfähige Sozialschutzsysteme im gesamten Euro- ge Haushaltsziel eines strukturellen Defizits Währungsgebiet gewährleisten.“ von maximal 0,5 % des BIP bei. Ergänzt werden die Vorgaben im präven- tiven Arm des SWP durch eine Ausgaben- Die Bundesregierung berücksichtigt mit regel. Diese beschränkt die zulässige Ausga- ihrer Finanzpolitik diese Leitlinien. Sie hat bensteigerung für Mitgliedstaaten, die auf sich zum Ziel gesetzt, die Zukunftsfähigkeit dem Anpassungspfad zu ihrem mittelfris- und die Wachstumsgrundlagen der deut- tigen Haushaltsziel sind oder es gerade er- schen Wirtschaft zu verbessern, den sozi- reichen. Wird das länderspezifische MTO alen Zusammenhalt in der Gesellschaft zu übertroffen und ist seine Einhaltung im ge- stärken und zugleich die Solidität der öf- samten Programmzeitraum ungefährdet, ist fentlichen Finanzen sicherzustellen. Das diese Ausgabenregel nicht bindend. Dies ist finanzpolitische Umfeld mit robustem für Deutschland der Fall. Arbeitsmarkt und Rekordbeschäftigung, überdurchschnittlichen Steuereinnahmen und niedrigen Zinsen auf Staatsschulden ist bislang ausgesprochen günstig gewesen. Al- lerdings gilt es, sich auf vielfache Heraus- forderungen, vor denen Deutschland steht, vorzubereiten. Zu den Herausforderungen zählen unter anderem die Klimaschutzfinanzierung, der von einer Expertenkommission empfohlene Ausstieg Deutschlands aus dem Kohleabbau und der Kohleverstromung, die Übernah- me internationaler Verantwortung in der sicherheits- und entwicklungspolitischen
Seite 20 DEUTSCHE FINANZPOLITIK IM EUROPÄISCHEN KONTEXT Zusammenarbeit und die künftigen Finan- Die Politik der Bundesregierung trägt zierungsbeiträge Deutschlands zum EU- ferner dazu bei, dass im Jahr 2019 sowohl Haushalt. Zudem steht der Abgang der ge- die gesamtstaatlichen Investitionen der öf- burtenstarken Generation der Babyboomer fentlichen Hand (+ 7 ¾ % gegenüber Vor- aus dem Arbeitsmarkt schon bald bevor. Die jahr) als auch die Investitionen des Bundes Folgen dieser Entwicklung werden die Fi- (38,9 Mrd. Euro) auf ein neues Hoch stei- nanzpolitik auf die Probe stellen. Die Bun- gen. Bis zum Jahr 2023 fokussiert die Bun- desregierung hat daher die „Kommission desregierung ihre Zukunftsinvestitionen auf Verlässlicher Generationenvertrag“ einge- Infrastruktur, Bildung, Hochschulen, For- setzt, die sich mit der nachhaltigen Siche- schung und Digitalisierung. Da viele dieser rung und Fortentwicklung der gesetzlichen Bereiche in der Verantwortung der Länder Rentenversicherung wie auch der beiden und Gemeinden liegen, hat die Bundesregie- weiteren Rentensäulen ab dem Jahr 2025 be- rung die Weichen dafür gestellt, dass diese fassen und bis zum März 2020 Empfehlun- Gebietskörperschaften über umfangreiche gen vorlegen wird. Mittel verfügen, um Investitionsvorhaben Die Bundesregierung verfolgt eine Fi- voranzubringen. nanzpolitik, die über höhere Investitio- Ein weiteres wichtiges Ziel der Bundes- nen Bildung, Forschung und Digitalisie- regierung ist es, soziale Gerechtigkeit zu rung voranbringt und damit Produktivität stärken und den gesellschaftlichen Zusam- und Wachstumspotential stärkt. Nach den menhalt zu sichern. Daher stärkt die Bun- aktuellen Projektionen der Bundesregie- desregierung die Bezieher von unteren und rung wird der gesamtstaatliche Haushalt mittleren Einkommen sowie Familien. Im auch im Jahr 2019 einen deutlichen Finan- Bereich des sozialen Wohnungsbaus werden zierungsüberschuss aufweisen, der jedoch die Mittel im Jahr 2019 angehoben. Zudem geringer ausfällt als im Vorjahr (+¾ % des werden die Ausgaben für die Eingliederung BIP im Jahr 2019 gegenüber +1,7 % im Jahr von Langzeitarbeitslosen erhöht. Diese Ziel- 2018). Für das Jahr 2019 sind Maßnahmen setzung bildet sich in Ausgaben des Bundes der deutschen Finanzpolitik vorgesehen, für Soziales ab. So werden die Sozialausga- die zu Mehrausgaben in Höhe von 0,5 % des ben im Jahr 2019 auf 173 Mrd. Euro, der An- BIP sowie Mindereinnahmen einschließ- teil am Bundeshaushalt zugleich auf über lich Steuersenkungen in Höhe von 0,2 % des 50 % steigen. Auf gesamtstaatlicher Ebene BIP führen. Der konjunkturbereinigte Pri- werden die Sozialausgaben einen Anteil von märsaldo wird sich im Jahr 2019 nach der 24 ¼ % des BIP haben. Projektion um ¾ Prozentpunkte von 2,2 % auf 1 ½ % des BIP verringern; demnach ist die Ausrichtung der Finanzpolitik als deut- lich expansiv einzuordnen. Trotz des abge- schwächten Wirtschaftswachstums sind die Kapazitäten in der deutschen Wirtschaft weiterhin leicht überausgelastet; die posi- tive Produktionslücke wird sich von 0,8 % des potentiellen BIP im Jahr 2018 auf 0,4 % im Jahr 2019 verringern. Die expansive Aus- richtung der Finanzpolitik erscheint ange- messen, um Konjunktur- und Außenwirt- schaftsrisiken zu mindern.
Deutsches Stabilitätsprogramm 2019 Seite 21 Abbildung 8: Entwicklung der strukturellen Nettokreditaufnahme des Bundes (in % des BIP) 2010 festgelegter Abbaupfad für die strukturelle Neuverschuldung 2,0 1,90 1,59 Maximal zulässige strukturelle Nettokreditaufnahme (0,35 % des BIP ab 1,5 2016) 1,28 Strukturelle Nettokreditaufnahme: Ist 0,97 2011 bis 2018; negative Werte stellen 1,0 Überschüsse dar 0,66 0,85 0,5 0,35 0,35 0,35 0,35 0,35 0,35 0,35 0,35 0,34 0,09 0,0 0,14 -0,16 -0,03 -0,15 -0,27 -0,5 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Hierbei werden die für die Berechnung der strukturellen Nettokreditaufnahme des Bundes relevanten Finanzierungssalden der Sonderver- mögen „Energie- und Klimafonds“ (ab 2011), „Aufbauhilfefonds“ (ab 2013), „Kommunalinvestitionsförderungsfonds“ (ab 2015) und „Digitale Infrastruktur“ (ab 2018) berücksichtigt. Quelle: Bundesministerium der Finanzen
Seite 22 DEUTSCHE FINANZPOLITIK IM EUROPÄISCHEN KONTEXT 3.3 Finanzpolitische Maßnah- Die Bundesregierung hat das Sondervermö- men auf der Ausgaben- und gen im Jahr 2018 bereits mit 2,4 Mrd. Euro Einnahmenseite dotiert. Ab diesem Jahr werden die Einnah- men aus der Vergabe der 5G-Frequenzen dem Sondervermögen zugeführt werden. Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Zur Umsetzung eines Teils der Entlas- Forschung zielen auf eine Anhebung des tungen der Länder und Kommunen bedarf Wachstumspotentials. In der laufenden Le- es einer Änderung des Grundgesetzes. gislaturperiode liegt ein finanzpolitischer Schwerpunkt der Bundesregierung auf hö- heren öffentlichen Investitionen. Für Inves- titionen in die Bundesverkehrswege hat der Bund im Jahr 2018 insgesamt 14,3 Mrd. Euro bereitgestellt; er wird die investiven Mit- tel hierfür im Jahr 2019 auf rund 14,6 Mrd. Euro weiter anheben. Zudem setzt die Bun- desregierung ihren Kurs fort, Länder und Gemeinden bei ihren Investitionen zu un- terstützen, u.a. beim sozialen Wohnungs- bau und dem öffentlichen Personennah- verkehr. Dies geschieht durch eine höhere Beteiligung der Länder an der Umsatzsteu- er wie auch ab dem Jahr 2020 über erhöhte Ergänzungszuweisungen an finanzschwä- chere Länder, so wie in der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen aus dem Jahr 2017 vorgesehen. Daneben stellt die Bundesregierung für den Bereich des sozialen Wohnungsbaus für den Zeitraum von 2018 bis einschließlich 2021 insgesamt 5 Mrd. Euro zur Verfügung. Zudem werden die Mittel des Bundes für den öffentlichen Personennahverkehr für den Zeitraum bis 2022 um 1,7 Mrd. Euro aufgestockt. Die Bundesregierung hat darüber hinaus ein Sondervermögen „Digitale Infrastruk- tur“ geschaffen; 70 % der Mittel sollen für die Unterstützung des flächendeckenden Gigabit-Netzausbaus verwandt werden. Es erfolgt eine Kofinanzierung durch die Län- der und Gemeinden. Die restlichen 30 % des Sondervermögens dienen dazu, die Länder bei der Umsetzung des „Digitalpakt Schule“ zu unterstützen. Mit diesem Pakt sollen die Voraussetzungen für eine stärker an digita- len Prozessen ausgerichtete Bildung an allen Schulen in Deutschland verbessert werden.
Deutsches Stabilitätsprogramm 2019 Seite 23 Änderung des Grundgesetzes (GG) zur Ausweitung der finanziellen Unterstützung von Länderaufgaben durch den Bund Mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (insbesondere Artikel 104c, 104d ,125c) erhält der Bund zusätzliche Kompetenzen zur finanziellen Unterstützung von Investitionen der Länder und Gemeinden in die kommunale Bildungsinfrastruktur, in den sozialen Wohnungsbau und in den schienengebundenen öffentlichen Personennahverkehr. Die Zuständigkeit für die Bildungsinfrastruktur liegt nach der Verfassung grundsätzlich bei den Ländern. Angesichts des hohen Investitionsbedarfs soll der Bund fortan in die Lage versetzt werden, durch zweckgebundene Mitfinanzierung die Länder stärker bei bestimmten Aufgaben zu unterstützen; dies betrifft die kommunale Bildungsinfrastruktur, insbesondere Ganztagsschul- und Betreuungsangebote, Digitalisierung und berufliche Schulen. Bislang war die Finanzhilfekompetenz des Bundes auf die Mitfinanzierung von Investitionen finanzschwacher Kommunen beschränkt. Diese Beschränkung ist nunmehr aufgehoben worden (Artikel 104c GG). Die soziale Wohnraumförderung wurde mit der Föderalismusreform I im Jahr 2006 in die alleinige Verantwortung der Länder übertragen. Die Situation auf den Wohnungsmärkten hat sich in den letzten Jahren allerdings in vielen Regionen, insbesondere in den großen Ballungsgebieten, deutlich angespannt; die Wohnimmobilienpreise und die Mieten sind deutlich gestiegen. Dem Bund soll es ermöglicht werden, der angespannten Lage entgegenzuwirken, indem Mittel für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellt werden können. Der Bund kann danach die Länder durch zweckgebundene Finanzhilfen beim sozialen Wohnungsbau unmittelbar unterstützen (neuer Artikel 104d GG). Mit der Änderung des Grundgesetzes (Artikel 125c GG) wird ferner der Bundesregierung schon jetzt ermöglicht, Mittel für besondere Programme beim schienengebundenen öffentlichen Personennahverkehr (§ 6 Absatz 1 Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz) aufzustocken; bislang wäre dies gemäß der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen aus dem Jahr 2017 erst zum Jahr 2025 möglich geworden.
Seite 24 DEUTSCHE FINANZPOLITIK IM EUROPÄISCHEN KONTEXT Mit gezielten Maßnahmen bei der Steu- sung an die Länder in Höhe von 2 Mrd. Euro. erpolitik, im Bildungsbereich und bei der Ferner übernahm die Bundesregierung voll- sozialen Sicherung stärkt die Bundesregie- ständig die zusätzlichen Unterkunftskosten rung den Zusammenhalt in der Gesellschaft. für anerkannte Asyl- und Schutzberechtig- Um die frühkindliche Bildung, Betreuung te. Insgesamt beliefen sich die flüchtlingsbe- und Erziehung wie auch die Vereinbarkeit zogenen Entlastungen zugunsten der Län- von Familie und Beruf zu fördern, wendet der und Gemeinden im Jahr 2018 auf rund der Bund bis zum Jahr 2022 5,5 Mrd. Euro 7,5 Mrd. Euro. Auch im Jahr 2019 werden für die Weiterentwicklung der Qualität in diese Entlastungen fortgesetzt, hierfür sind der Kindertagesbetreuung und zur Entlas- im Bundeshaushalt 2019 insgesamt rund tung der Eltern bei den Gebühren auf. Zu- 6,2 Mrd. Euro vorgesehen. dem wird der Höchstsatz des Kinderzu- Die Bundesregierung wendet auch er- schlags zum 1. Juli 2019 von 170 Euro auf hebliche Mittel auf, um in Krisenregionen 185 Euro pro Monat und Kind angehoben. und in Hauptherkunftsländern von Flücht- Dieser Zuschlag sichert den Grundbedarf lingen Hilfe zu leisten und so auch mögli- von Kindern in einkommensschwachen Fa- che Abwanderung zu mindern. Im letzten milien, in denen das Erwerbseinkommen Jahr waren rund 6,9 Mrd. Euro für die Min- der Eltern den Mindestbedarf der Kinder derung von Fluchtursachen einschließlich nicht vollständig deckt. der Unterstützung von Flüchtlingen in ih- Mit dem so genannten Baukindergeld ren Herkunftsregionen vorgesehen. Im lau- werden seit September 2018 gezielt Famili- fenden Jahr plant die Bundesregierung wei- en und Alleinerziehende mit Kindern beim tere 6,9 Mrd. Euro aufzuwenden. erstmaligen Erwerb von selbstgenutztem In der internationalen Entwicklungszu- Wohneigentum unterstützt. Die familien- sammenarbeit hat sich ferner die Bundes- bezogene Förderung erfolgt über maximal regierung unter Finanzierungsvorbehalt zehn Jahre mit einem Zuschuss von 1.200 dazu bekannt, die ODA-Quote („Official De- Euro pro Jahr und minderjährigem Kind. Im velopment Assistance“, Aufwand in Relation Bundeshaushalt 2019 sind dafür 570 Mio. zum Bruttonationaleinkommen) ohne Ein- Euro eingestellt; für die Jahre bis 2023 sind beziehung der ODA-anrechenbaren inlän- hierfür rund 3,8 Mrd. Euro eingeplant. dischen Flüchtlingskosten mindestens sta- Finanzielle Mehrbelastungen sind für die bil zu halten. Deutschland hat im Jahr 2017 Bundesregierung in den letzten Jahren da- nach der Berechnung der OECD ODA-Mit- rüber hinaus durch die Aufnahme einer er- tel in Höhe von 25,0 Mrd. US-Dollar aufge- heblichen Anzahl an Flüchtlingen aufge- bracht; die ODA-Quote (einschließlich der kommen. Die Bundesregierung hat Länder ODA-anrechenbaren Anteile der Inlands- und Gemeinden bei den flüchtlingsbezoge- flüchtlingskosten) lag damit bei 0,67 % des nen Aufwendungen seit dem Jahr 2015 er- Bruttonationaleinkommens. heblich entlastet. Die Länder erhalten für Die Verteidigungsausgaben nach NA- Asylbewerber 670 Euro je Verfahrensmo- TO-Kriterien erhöhen sich im Jahr 2019 im nat sowie für jeden abgelehnten Asylbewer- Vergleich zu den diesbezüglichen Ist-Aus- ber pauschal 670 Euro. Einschließlich Spitz- gaben des Jahres 2018 um rund 5,2 Mrd. abrechnungen und einer Abschlagzahlung Euro auf insgesamt 47,3 Mrd. Euro; dies er- für die Monate September bis Dezember be- möglicht der Bundeswehr, Personal auf- trug die weitere Bundesbeteiligung für das zustocken, die Ausrüstung weiter zu mo- Jahr 2018 insgesamt rund 1,6 Mrd. Euro. Zu- dernisieren und damit die eingeleiteten dem leistete die Bundesregierung für Integ- Trendwenden zu verstetigen – auch in Erfül- rationsmaßnahmen eine pauschale Zuwei- lung der Beistandsverpflichtungen gegen-
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