Deutsches Stabilitätsprogramm 2018 - Bundesfinanzministerium
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Deutsches Stabilitätsprogramm 2018
Deutsches Stabilitätsprogramm 2018
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Inhalt Seite 3 Inhalt Seite Vorbemerkung zum deutschen Stabilitätsprogramm 2018................................................................ 5 1. Zusammenfassung................................................................................................................................ 6 2. Gesamtwirtschaftliches Umfeld in Deutschland...................................................................... 9 2.1 Gesamtwirtschaftliche Lage in Deutschland im Jahr 2017..........................................................9 2.2 Kurz- und mittelfristige Perspektiven der Gesamtwirtschaft 2018 bis 2022.................... 11 3. Deutsche Finanzpolitik im europäischen Kontext................................................................15 3.1 Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspakts und des Fiskalvertrags und deren ......... Umsetzung in Deutschland..................................................................................................................... 15 3.2 Finanzpolitische Ausgangslage und strategische Ausrichtung............................................... 17 3.3 Finanzpolitische Maßnahmen auf der Ausgaben- und Einnahmenseite........................... 23 3.4 Neuordnung der Bund-Länder Finanzbeziehungen................................................................... 27 3.5 Umsetzung der finanzpolitischen länderspezifischen Empfehlungen............................... 28 4. Projektion der Entwicklung des gesamtstaatlichen Finanzierungssaldos und Schuldenstands.....................................................................................................................................29 4.1 Entwicklung gesamtstaatlicher Einnahmen und Ausgaben.................................................... 30 4.2 Entwicklung des Finanzierungssaldos............................................................................................... 31 4.3 Entwicklung struktureller Indikatoren............................................................................................. 33 4.4 Sensitivität der Projektion des Finanzierungssaldos................................................................... 35 4.5 Entwicklung des Schuldenstands......................................................................................................... 36 4.6 Auswirkungen der im Koalitionsvertrag quantifizierten Maßnahmen auf den gesamtstaatlichen Finanzierungssaldo.............................................................................................. 37 5. Langfristige Tragfähigkeit und Qualität der öffentlichen Finanzen...............................39 5.1 Herausforderungen für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen................................. 39 5.2 Staatliche Einnahmen und Ausgaben in der langfristigen Perspektive.............................. 42 5.3 Maßnahmen zur Sicherung der langfristigen Tragfähigkeit.................................................... 42 5.4 Maßnahmen zur Steigerung von Wirksamkeit und Effizienz öffentlicher Einnahmen und Ausgaben...................................................................................................................... 44
Seite 4 Tabellen/Abbildungen Tabellen/Abbildungen Tabellen Seite Tabelle 1: Entwicklung der staatlichen Einnahmequote....................................................................... 30 Tabelle 2: Entwicklung der Staatsquote........................................................................................................ 31 Tabelle 3: Entwicklung des gesamtstaatlichen Finanzierungssaldos............................................... 32 Tabelle 4: Finanzierungssalden nach staatlichen Ebenen..................................................................... 33 Tabelle 5: Struktureller Finanzierungssaldo im Vergleich zum tatsächlichen Finanzierungssaldo sowie zur Entwicklung des BIP.......................................................... 34 Tabelle 6: Ausgabenregel: Projektion der Ausgaben und des Produktionspotenzials .............. 35 Tabelle 7: Sensivität der Projektion des gesamtstaatlichen Finanzierungssaldos...................... 36 Tabelle 8: Entwicklung der Schuldenstandsquote.................................................................................... 36 Tabelle 9: Geschätzte Wirkung quantifizierter Maßnahmen des Koalitionsvertrages auf den gesamtstaatlichen Finanzierungssaldo.................................................................... 38 Tabelle 10: Projektion der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung........................................................ 47 Tabelle 11: Preisentwicklung - Deflatoren...................................................................................................... 48 Tabelle 12: Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt........................................................................................... 49 Tabelle 13: Salden der Sektoren........................................................................................................................... 50 Tabelle 14: Entwicklung der Staatsfinanzen.................................................................................................. 51 Tabelle 15: Projektionen bei unveränderter Politik.................................................................................... 53 Tabelle 16: Bereinigungspositionen zur Bestimmung der Ausgabenreferenzgröße................... 53 Tabelle 17: Entwicklung des Schuldenstandes des Staates (Maastricht-Schuldenstand).......... 53 Tabelle 18: Konjunkturelle Entwicklungen.................................................................................................... 54 Tabelle 19: Gegenüberstellung der Projektionen des Stabilitätsprogramms April 2018 und April 2017...................................................................................................................................... 55 Tabelle 20: Entwicklung altersabhängiger Staatsausgaben in langfristiger Perspektive........... 56 Tabelle 21: Technische Annahmen..................................................................................................................... 57 Tabelle 22: Eventualverbindlichkeiten............................................................................................................. 57 Abbildungen Abbildung 1a: Kapazitätsauslastung in Deutschland.................................................................................. 10 Abbildung 1b:Arbeitsmarktentwicklung in Deutschland........................................................................ 11 Abbildung 2: Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt................................................................................... 14 Abbildung 3: Struktureller und tatsächlicher Finanzierungssaldo im Vergleich (in % des BIP).................................................................................................................................... 16 Abbildung 4: Entwicklung der strukturellen Nettokreditaufnahme des Bundes (in % des BIP).................................................................................................................................... 19 Abbildung 5: Gesamtstaatliche Bruttoanlageinvestitionen.................................................................... 24 Abbildung 6: Gesamtstaatliche Einnahmen- und Ausgabenstruktur 2017..................................... 27 Abbildung 7: Entwicklung des deutschen Produktionspotenzials 2011 - 2022............................. 41
Deutsches Stabilitätsprogramm 2018 Seite 5 Vorbemerkung zum deutschen Stabilitätsprogramm 2018 Die vorliegende Aktualisierung des deut- Das Bundesministerium der Finanzen schen Stabilitätsprogramms hat das Bun- (BMF) veröffentlicht das aktualisierte Stabi- deskabinett am 18. April 2018 gebilligt. litätsprogramm sowie die Programme der Das Programm folgt den Vorgaben, die in vergangenen Jahre auf der Seite: den Vereinbarungen zu Form und Inhalt http://www.bundesfinanzministerium.de der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme Die Programme aller EU-Mitgliedstaa- („Verhaltenskodex“) festgelegt wurden. Die ten sowie die entsprechenden Analysen jeweilige Aktualisierung des deutschen Sta- der Europäischen Kommission und die bilitätsprogramms wird von der Bundesre- Empfehlungen des ECOFIN-Rats sind auf gierung an die zuständigen Fachausschüsse der Seite der Europäischen Kommission des Deutschen Bundestags, an die Finanz- veröffentlicht: ministerkonferenz und an den Stabilitätsrat http://ec.europa.eu/info/business- übermittelt. Nach der Befassung im ECO- economy-euro/economic-and-fiscal-pol- FIN-Rat wird die Bundesregierung auch die icy-coordination/eu-economic-govern- Ratsstellungnahme zum Programm an diese ance-monitoring-prevention-correction/ Stellen übersenden. stability-and-growth-pact/stability- Mit der Vorlage des aktualisierten deut- and-convergence-programmes_en schen Stabilitätsprogramms, welches die Projektion der Haushaltsentwicklung al- ler staatlichen Ebenen (Bund, Länder, Ge- meinden und Sozialversicherungen) um- fasst, kommt die Bundesregierung für das Jahr 2018 ihrer Verpflichtung zur Übermitt- lung der nationalen mittelfristigen Finanz- planung nach Artikel 4 der Verordnung (EU) Nr. 473/2013 über die Bestimmungen für die Überwachung und Bewertung der Über- sichten über die Haushaltsplanung vollum- fänglich nach.
Seite 6 Zusammenfassung 1. Zusammenfassung Die öffentlichen Finanzen in Deutsch- Bei anhaltendem konjunkturellem Auf- land haben sich im vergangenen Jahr wei- schwung dürfte der Staatshaushalt auch in ter günstig entwickelt. Die kräftige wirt- den kommenden Jahren weitere Überschüs- schaftliche Entwicklung mit einem realen se aufweisen. Die Bundesregierung geht in Wirtschaftswachstum oberhalb des Wachs- ihren Projektionen zur Entwicklung der öf- tumspotenzials, mit Rekordbeschäftigungs- fentlichen Haushalte entsprechend davon ständen auf dem Arbeitsmarkt wie auch die aus, dass die Schuldenstandsquote weiter in Minderausgaben für öffentliche Schuldtitel Richtung der Vorgabe des Maastricht-Ver- aufgrund extrem niedriger Zinsen auf dem trags von maximal 60 % des BIP fallen wird. Kapitalmarkt haben außergewöhnlich gute Zuletzt hatte Deutschland im Jahr 2002 die- Voraussetzungen für die Finanzpolitik ge- se wichtige Grenzmarke unterschritten. schaffen. Dies ermöglichte im Jahr 2017 un- Mit Beendigung der 18. Legislaturperi- ter anderem erneut gesamtstaatliche Haus- ode durch die konstituierende Sitzung des haltsüberschüsse. Die Bundesregierung hat 19. Deutschen Bundestages am 24. Okto- ihren zukunfts- und wachstumsorientierten ber 2017 ist der Entwurf des Haushaltsge- Kurs der vergangenen Jahre weiter fortge- setzes 2018 der sachlichen Diskontinuität setzt und dazu beigetragen, die gesamtwirt- unterfallen (vgl. § 125 Satz 1 der Geschäfts- schaftliche Schuldenstandsquote im Jahr ordnung des Deutschen Bundestages). Seit 2017 auf 64,1 % des Bruttoinlandsprodukts dem 1. Januar 2018 gilt die Regelung des Ar- (BIP) zu senken. tikels 111 des Grundgesetzes (GG). Das be- Deutschland hat die Vorgaben des deutet, neue finanzwirksame Maßnahmen SWP im Jahr 2017 in vollem Umfang er- dürfen während der vorläufigen Haushalts- füllt. Der Staatshaushalt von Bund, Län- führung grundsätzlich nicht ergriffen wer- dern, Gemeinden und Sozialversicherun- den – es sei denn, sie sind sachlich und zeit- gen erzielte im vergangenen Jahr einen lich unabweisbar. Die Bundesregierung wird Überschuss in Höhe von 1,1 % des BIP. Ins- den Gesetzentwurf für den Bundeshaushalt besondere die Länder und Gemeinden ver- 2018 unter Berücksichtigung der im Koaliti- buchten außergewöhnlich hohe Finanzie- onsvertrag vereinbarten Maßnahmen in das rungsüberschüsse; auch der Bund hatte parlamentarische Verfahren einbringen. einen positiven Anteil am gesamtstaatlichen Finanzierungsüberschuss.
Deutsches Stabilitätsprogramm 2018 Seite 7 Die Bundesregierung wird auf der vor, dass konjunkturell bedingte staatliche Grundlage ausgeglichener Haushalte ohne Mehreinnahmen keine zusätzlichen fiskali- Neuverschuldung ihre wachstums- und zu- schen Spielräume für Staatsausgaben bzw. kunftsorientierte Ausrichtung der Finanz- Steuerentlastungen eröffnen. politik fortsetzen. Die Koalitionsparteien Schon seit einigen Jahren führen die bei haben sich im Koalitionsvertrag darauf ver- Rekordbeschäftigung am Arbeitsmarkt wie- ständigt, finanzpolitische Handlungsspiel- der deutlich dynamischer steigenden Löh- räume unter anderem zu nutzen, um In- ne und Gehälter unter anderem auch steu- vestitionen in Infrastruktur, Bildung und erprogressionsbedingt zu einem spürbaren Forschung weiter zu stärken. Im Jahr 2017 Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Steuer- sind die gesamtstaatlichen Investitionen mit und Abgabenquote. Sie liegt aktuell mit einem Zuwachs von 6,5 % auf ein Rekordvo- 40 % des BIP1 deutlich über ihrem langfris- lumen von 71,1 Mrd. Euro gestiegen und da- tigen Durchschnitt. Ein wichtiges Ziel für mit stärker als das nominale BIP wie auch die Bundesregierung besteht daher weiter- die öffentlichen Ausgaben insgesamt. hin in der wachstums- und beschäftigungs- Trotz der derzeit außergewöhnlich gu- freundlichen Begrenzung der Steuer- und ten Ausgangslage für die Finanzpolitik dür- Abgabenbelastung und der Sicherung der fen bereits eingetretene wie auch abseh- internationalen Wettbewerbsfähigkeit des bare strukturelle Veränderungen bei den deutschen Steuersystems. Rahmenbedingungen nicht übersehen wer- Des Weiteren darf nicht von einer dau- den. Die Finanzpolitik muss sich mehrfa- erhaften Entlastung der öffentlichen Haus- chen Herausforderungen stellen, um die halte durch das nach wie vor außergewöhn- derzeit gute wirtschaftliche Entwicklung liche Niedrigzinsumfeld am Kapitalmarkt abzusichern, die internationale Wettbe- ausgegangen werden. Schon in den zurück- werbsfähigkeit des Standorts Deutschland liegenden Monaten sind an den Kapital- auch steuerpolitisch zu erhalten und die märkten die Renditen mittel- und langfris- langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen tiger Staatsschuldverschreibungen wieder Finanzen dauerhaft zu gewährleisten. leicht angestiegen. Die Bundesregierung Die deutsche Wirtschaft befindet sich stellt sich daher in der vorliegenden Finanz- derzeit allgemein in einem Zustand leicht planung bis zum Jahr 2021 auf eine notwen- überausgelasteter Kapazitäten; in einigen dige Normalisierung des Kapitalmarktum- Wirtschaftsbranchen wie zum Beispiel im felds ein. Bausektor begrenzen bereits heute Kapazi- Schließlich spiegelt sich die erwarte- tätsengpässe einschließlich eines knappen te demografische Entwicklung Deutsch- Fachkräfteangebots die wirtschaftliche Dy- lands bereits in den Projektionen dieses namik. In Zeiten der Hochkonjunktur ist Stabilitätsprogramms wider. Die gegenwär- eine Finanzpolitik geboten, die durch Be- tig noch vorherrschende sogenannte de- grenzung zusätzlicher staatlicher Mehraus- mografische Atempause neigt sich schon gaben wie auch angemessene steuerliche in der ersten Hälfte des kommenden Jahr- Entlastungen wirtschaftliche Anspannun- zehnts dem Ende zu, sobald die geburten- gen nicht weiter verschärft und somit dazu stärkeren Nachkriegsjahrgänge das Ru- beiträgt, die konjunkturelle Entwicklung vor hestandsalter erreichen. So wird sich das Überhitzungstendenzen abzuschirmen. Die Verhältnis von Rentnern und Pensionä- Vorgaben zur Umsetzung der verfassungs- ren zur Erwerbsbevölkerung bis zum Jahr gemäßen Verpflichtung zu ausgeglichenen 2025 von gut 32 % auf 37 % erhöhen. Diese öffentlichen Haushalten gemäß Artikel 109 1 Abgabenquote 2017 gemäß Definition der GG („Schuldenbremse“) sehen entsprechend Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.
Seite 8 Zusammenfassung strukturelle Verschiebung wird das gesamt- wirtschaftliche Wachstumspotenzial beein- trächtigen mit entsprechenden fiskalischen Auswirkungen auf der staatlichen Einnah- menseite. Zugleich wird die Alterung der Gesellschaft tendenziell höhere staatliche Ausgaben zu Folge haben. Die Sozialausga- ben – unter anderem für Pflege, Gesundheit und Rente – stellen den mit Abstand größ- ten Ausgabenposten der öffentlichen Haus- halte von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen dar. Auch demogra- fiebedingt wird ihr Anteil der gegenwärti- gen Projektion zufolge weiter ansteigen. Die hohe Zuwanderung der letzten Jahre trägt zwar zu einer vorübergehenden Stabilisie- rung der Bevölkerungszahl bei, sie wird die fortschreitende Alterung der Bevölkerung aber nicht kompensieren können. Wesent- lich für dauerhaft solide Finanzen bleiben daher gezielte Maßnahmen für eine erhöhte Erwerbstätigkeit insbesondere von Älteren, Frauen und Zugewanderten. Die konkreten Maßnahmen der Bun- desregierung für Wachstum und Beschäfti- gung sind im Nationalen Reformprogramm (NRP) detailliert dargestellt, das am 25. Ap- ril 2018 von der Bundesregierung beschlos- sen und bis Ende April der Europäischen Kommission vorgelegt wird. Darin führt die Bundesregierung unter anderem aus, wie sie den gesamtwirtschaftlichen Herausforde- rungen begegnet, die die Europäische Kom- mission in ihrem Länderbericht vom 7. März 2018 beschreibt. Dabei werden auch die Fortschritte Deutschlands hinsichtlich der Umsetzung der vom Rat der Europäischen Union im Jahr 2017 ausgesprochenen län- derspezifischen Empfehlungen sowie der Europa 2020-Strategie für Wachstum und Beschäftigung aufgezeigt.
Deutsches Stabilitätsprogramm 2018 Seite 9 2. Gesamtwirtschaftliches Umfeld in Deutschland 2.1 Gesamtwirtschaftliche aufbau, steigende Einkommen und Löhne Lage in Deutschland und niedrige Zinsen begünstigten dabei den im Jahr 2017 privaten Konsum (preisbereinigt +1,9 % ge- genüber dem Vorjahr) sowie private Inves- Die deutsche Wirtschaft befindet sich in titionen in den Wohnungsbau. Die Bauin- einem der längsten konjunkturellen Auf- vestitionen verzeichneten insgesamt eine schwünge seit den 1980er Jahren. Das BIP Zuwachsrate von 2,7 %. Das Expansionstem- stieg im Jahr 2017 das achte Jahr in Folge; po in der Baubranche zeigte sich jedoch auf- das Wachstum hat sich gegenüber dem Vor- grund der Kapazitätsengpässe nach oben jahr noch einmal beschleunigt. Angesichts beschränkt. einer robusten Binnenwirtschaft und einer Der Arbeitsmarkt entwickelte sich wei- anziehenden außenwirtschaftlichen Nach- terhin sehr gut. Die Erwerbstätigkeit stieg frage war eine Wachstumsrate von preis- nach vorläufigen Berechnungen auf 44,29 bereinigt 2,2 % zu verzeichnen und damit Millionen Personen und damit auf einen der stärkste Anstieg seit dem Jahr 2011. Die neuen Höchststand. Der Anstieg ist insbe- deutsche Wirtschaft wuchs deutlich schnel- sondere auf die höhere Anzahl sozialversi- ler als ihr Potenzial, für das die Bundesregie- cherungspflichtiger Beschäftigungsverhält- rung eine Wachstumsrate von preisbereinigt nisse zurückzuführen, die vor allem bei den rund 1,8 % für das Jahr 2017 schätzt. Insge- unternehmensnahen Dienstleistungen so- samt lag in Deutschland eine überdurch- wie im Gesundheits- und Sozialwesen ent- schnittliche Auslastung der gesamtwirt- standen sind. Die Zahl der Arbeitslosen hat schaftlichen Kapazitäten vor. im Jahr 2017 mit durchschnittlich 2,53 Mil- Der kräftige Aufschwung ruht auf einem lionen Menschen den niedrigsten Stand breiten binnen- und außenwirtschaftlichen seit über 25 Jahren erreicht. Die Zahl offe- Fundament. Den Hauptimpuls für die kon- ner Stellen ist im Verhältnis zur Zahl der Er- junkturelle Entwicklung lieferte, wie schon werbstätigen außergewöhnlich hoch. Auch in den Vorjahren, die Inlandsnachfrage mit wenn noch nicht von einem flächendecken- einem Wachstumsbeitrag von 2,0 Prozent- den Fachkräftemangel gesprochen werden punkten. Der anhaltende Beschäftigungs- kann, zeigen sich laut Bundesagentur für
Seite 10 GESAMTWIRTSCHAFTLICHES UMFELD IN DEUTSCHLAND Arbeit bereits Engpässe in einzelnen Beru- Auch die zunehmenden Exporte tru- fen, insbesondere bei technischen Berufen, gen zum Wachstum der deutschen Volk- Bauberufen sowie bei einigen Gesundheits- wirtschaft bei. Die Belebung der Welt- und Pflegeberufen. wirtschaft in wichtigen Regionen wie der Die Erwerbsmigration trägt maßgeblich Europäischen Union und den USA führ- zu dem anhaltenden Beschäftigungsauf- te zu einer Ausweitung der Exporte und bau bei. So wurde der Anstieg der sozialver- in diesem Zusammenhang auch zu ei- sicherungspflichtigen Beschäftigung knapp nem Anstieg der Investitionen. Insbeson- zur Hälfte von Ausländern getragen. Das Er- dere die Ausrüstungsinvestitionen stie- werbspersonenpotenzial hat sich laut Insti- gen stärker als erwartet (+4,0 % ), während tut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung das Wachstum der Bauinvestitionen, wie trotz deutlicher Effekte des demografischen oben erwähnt, etwas schwächer ausfiel Wandels (-300.000 Personen) im Jahr 2017 (+2,7 % ). Die sonstigen Anlageinvestitio- um 570.000 Personen erhöht. Diese Erhö- nen, welche Investitionen in geistiges Ei- hung speiste sich etwa zu gleichen Teilen gentum einschließen, deren Bedeutung im aus der gestiegenen Erwerbsbeteiligung von Zuge der Digitalisierung deutlich zugenom- Frauen und Älteren sowie der Zuwanderung men hat, stiegen im Jahr 2017 um 3,5 %. (insbesondere aus Süd- und Osteuropa und Der Außenbeitrag, also die Differenz zwi- von Asylsuchenden). schen Exporten und Importen, hatte nur einen geringen positiven Effekt auf das Abbildung 1a: Kapazitätsauslastung in Deutschland ifo-Kapazitätsauslastung 100 90 80 Index 70 60 50 Verarbeitendes Gewerbe Bauwirtschaft Quelle: Ifo-Institut, Bundesanstalt für Arbeit, Statistisches Bundesamt.
Deutsches Stabilitätsprogramm 2018 Seite 11 BIP-Wachstum (+0,2 Prozentpunkte), da die 2.2 Kurz- und mittelfristige Importe weiterhin etwas kräftiger wuchsen Perspektiven der Gesamt- als die Exporte. Die Importe aus der Euro- wirtschaft 2018 bis 2022 zone nahmen im Jahr 2017 um 6,4 % zu. Sie beliefen sich auf knapp 37 % der deutschen Importe. Auch aus den USA wurde mehr im- Die Frühindikatoren zeichnen für das Jahr portiert (+5,3 %). Außenwirtschaftlich be- 2018 ein positives Bild. Die Stimmung der stehen weiterhin Unsicherheiten etwa mit Unternehmen sowie das Konsumklima sind Blick auf das mögliche Aufflammen protek- ausgesprochen gut. Die Auftragseingänge tionistischer Handelshemmnisse, die kon- aus dem In- wie aus dem Ausland sind deut- junkturelle Entwicklung in China, auf geo- lich aufwärtsgerichtet. Die Exporterwar- politische Konflikte und die Konsequenzen tungen des Verarbeitenden Gewerbes sta- des Brexit. bilisierten sich zu Jahresbeginn auf einem Die Verbraucherpreise in Deutschland hohen Niveau. zogen im Jahr 2017 mit 1,8 % deutlich stär- Die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt ist ker an als im Vorjahr. Angetrieben haupt- nach wie vor hoch. Die Beschäftigung ent- sächlich durch die stärkere Preisdynamik steht vor allem in Dienstleistungsbereichen, bei Energie und Nahrungsmitteln verzeich- aber auch weiterhin in der Industrie. Der nete die Inflation den stärksten Anstieg seit Beschäftigungsaufbau dürfte jedoch durch vier Jahren. das knapper werdende Arbeitskräfteangebot perspektivisch an Schwung verlieren und die Ausweitung der Produktion erschweren. Abbildung 1b: Arbeitsmarktentwicklung in Deutschland Offene Stellen und Erwerbstätigkeit 280 45 260 44 240 43 220 42 200 41 Millionen Index 180 40 160 39 140 38 120 37 100 36 offene Stellen Erwerbstätige, rechte Achse Quelle: Ifo-Institut, Bundesanstalt für Arbeit, Statistisches Bundesamt.
Seite 12 GESAMTWIRTSCHAFTLICHES UMFELD IN DEUTSCHLAND Die Bundesregierung geht in ihrer Jah- verstärken, als von einer nachlassenden Zu- resprojektion für 2018 von einer Fortset- wanderung aus der Europäischen Union zung des kräftigen Aufschwungs und einer auszugehen ist. Die Integration der Geflüch- Zunahme des preisbereinigten BIP um 2,4 % teten in den Arbeitsmarkt wird trotz inten- aus. Wie bereits im vergangenen Jahr wer- siver Integrationsbemühungen und der ho- den vom Konsum der privaten Haushalte hen Nachfrage nach Arbeitskräften nur mit einem weiteren Anstieg um 1,9 % starke allmählich gelingen. Die Zahl der Erwerbs- Wachstumsimpulse erwartet. Hierzu tragen tätigen dürfte daher insgesamt etwas we- die gute Perspektive am Arbeitsmarkt und niger stark steigen als im Vorjahr (um 1,1 % insbesondere eine günstige Einkommens- oder 490.000 Personen) und ein Niveau von entwicklung entscheidend bei. Die Brutto- 44,8 Millionen Personen erreichen. Der An- löhne und -gehälter je Arbeitnehmer dürf- stieg des Verbraucherpreisniveaus dürfte ten angesichts zunehmender Knappheit am im Jahr 2018 wegen der schwächeren Dyna- Arbeitsmarkt und guter Ertragslage der Un- mik der Energiepreise etwas geringer aus- ternehmen um 2,9 % deutlich zunehmen fallen als im Vorjahr (+1,7 % gegenüber dem (2017: +2,7 %). Die Bruttolöhne und -gehäl- Vorjahr) und insgesamt moderat bleiben. ter insgesamt erhöhen sich bei merklicher Die Kerninflation, also die Preisentwick- Beschäftigungszunahme um voraussichtlich lung ohne Einbeziehung von Nahrungsmit- 4,1 %. Neben dem Anstieg der Vermögens- tel- und Energiepreisen, steigt voraussicht- einkommen wird auch der Staatskonsum im lich auf +1,6 %. Jahr 2018 stärker als im Vorjahr steigen. Da- Der Zuwachs der Ausrüstungsinvestitio- her werden die verfügbaren Einkommen vo- nen dürfte sich beschleunigen auf preisbe- raussichtlich deutlich um 3,6 % zunehmen. reinigt rund 5,0 % gegenüber dem Vorjahr. Der Arbeitsmarkt bleibt ein wichtiger Darauf lassen das sich aufhellende weltwirt- Treiber für das deutsche Wirtschaftswachs- schaftliche Umfeld mit den damit verbun- tum. Er wird sich voraussichtlich weiter dy- denen verbesserten Absatzperspektiven, die namisch entwickeln, wenn auch mit ver- gute Gewinnsituation der Unternehmen, ringertem Tempo. Förderlich dürften dabei die weiterhin günstigen Finanzierungs- weiterhin eine zunehmende Erwerbsbeteili- bedingungen der Unternehmen sowie die gung von Älteren und Frauen sowie die Zu- überdurchschnittliche Kapazitätsauslastung wanderung, vor allem aus den Ländern der schließen. Die jüngste Konjunkturumfrage Europäischen Union, sein. In diesem Jahr des DIHK zeigt, dass sich die Investitions- erwartet die Bundesregierung einen weite- absichten der Unternehmen in der Indus- ren, wenngleich auch verlangsamten, Rück- trie aber auch in der Breite der Wirtschaft gang der Arbeitslosenzahl um rund 145.000 erhöht haben. Mit Blick auf die Investitions- Personen. Die Nachfrage nach Arbeitskräf- motive gewinnen demnach Erweiterungen ten wird zwar hoch bleiben, dafür sprechen und Rationalisierungen branchenübergrei- die Arbeitsmarktindikatoren und der hohe fend an Bedeutung. Die Bauinvestitionen Bestand an offenen Stellen. Da die Partizi- werden in diesem Jahr ebenfalls ansteigen pation der heimischen Bevölkerung am Ar- (+2,8 %). Eine wichtige Stütze ist dabei wei- beitsmarkt im internationalen Vergleich je- terhin der private Wohnungsbau, der ange- doch bereits sehr hoch ist, dürfte sich die sichts der Einkommenszuwächse der priva- weitere Ausschöpfung der „Stillen Reserve“ ten Haushalte sowie niedriger Zinsen weiter perspektivisch verlangsamen. Es wird im- zunehmen dürfte. Auch bei den sonstigen mer schwieriger, die negativen Auswirkun- Anlagen (einschließlich Investitionen in gen der demografischen Entwicklung auf Forschung und Entwicklung) ist ein dyna- das Arbeitskräfteangebot zu kompensie- mischer Anstieg zu erwarten – im Jahr 2018 ren. Diese Entwicklung dürfte sich insofern rechnet die Bundesregierung mit einem
Deutsches Stabilitätsprogramm 2018 Seite 13 Anstieg von 4,2 %. Mittlerweile wird von den Unternehmen etwa ein Viertel der Investi- tionen in geistiges Eigentum getätigt; es ist zu erwarten, dass dieser Anteil weiter stei- gen wird. Das weltwirtschaftliche Wachstum dürf- te sich in diesem Jahr nochmals leicht er- höhen und wird von nahezu allen Regionen getragen. Hiervon wird die Exporttätigkeit deutscher Unternehmen profitieren. Gleich- zeitig tragen die Zunahme der Ausfuhrtä- tigkeit sowie der Ausrüstungsinvestitionen – aufgrund ihres hohen Importgehalts – we- sentlich zu einer Ausweitung der Importe bei. Daher werden die Einfuhren mit preis- bereinigt +5,8 % voraussichtlich stärker an- steigen als die Exporte mit +5,3 %. Der Au- ßenbeitrag, also die Differenz zwischen Exporten und Importen, wird nur einen ge- ringen positiven Effekt auf das BIP-Wachs- tum (+0,2 Prozentpunkte) haben. Durch den kräftigen Aufschwung im Jahr 2017 ist das Bruttoinlandsprodukt er- neut stärker als das gesamtwirtschaftliche Produktionspotenzial gestiegen. Die Pro- duktionslücke wurde damit leicht posi- tiv. Sie wird sich vor dem Hintergrund des erwarteten Wirtschaftswachstums voraus- sichtlich in diesem und im nächsten Jahr weiter erhöhen. Für das Jahr 2018 erwar- tet die Bundesregierung eine preisbereinig- te Zunahme des Bruttoinlandsproduktes von 2,4 % und 1,9 % für das Jahr 2019. In der Mittelfristprojektion nimmt die Bundesre- gierung für den Zeitraum 2020-2022 eine durchschnittliche Wachstumsrate von etwa 1¼ % p.a. an. In dem Zeitraum wird sich die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt wei- ter fortsetzen. Die Zahl der Erwerbstätigen wird bis 2022 auf etwa 45,5 Millionen Per- sonen steigen. Das Potenzialwachstum wird auf rund 1½ % veranschlagt. Damit bildet sich annahmegemäß die positive Produk- tionslücke graduell bis zum Ende des mit- telfristigen Projektionszeitraums zurück, was eine Normalauslastung der gesamt- wirtschaftlichen Produktionskapazitäten im Jahr 2022 impliziert.
Seite 14 GESAMTWIRTSCHAFTLICHES UMFELD IN DEUTSCHLAND Abbildung 2: Bruttoinlandsprodukt, preisbereinigt Bruttoinlandsprodukt preisbereinigt 5 130 4 Projektion 125 3 120 2 1 115 Index 2010=100 0 Prozent 110 -1 -2 105 -3 100 -4 95 -5 -6 90 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022 Veränderung gegenüber Vorjahr in Prozent Bruttoinlandsprodukt Kettenindex
Deutsches Stabilitätsprogramm 2018 Seite 15 3. Deutsche Finanzpolitik im europäischen Kontext 3.1 Vorgaben des Stabilitäts- der tatsächliche Finanzierungssaldo des ge- und Wachstumspakts und samtstaatlichen Haushalts von Bund, Län- des Fiskalvertrags und dern, Gemeinden und Sozialversicherung einschließlich ihrer Extrahaushalte im Jahr deren Umsetzung in 2017 bei +1,1 % des BIP. Abbildung 3 ver- Deutschland deutlicht, dass der Gesamtstaat im Jahr 2017 einen strukturellen Überschuss von 1,3 % Der SWP verpflichtet die Mitgliedstaaten, erzielt hat. den gesamtstaatlichen Haushalt mittelfris- Diese Überschüsse im Staatshaushalt ha- tig nahezu auszugleichen und sich hierzu ben in den vergangenen Jahren – neben dem verbindliche Ziele zu setzen. Zudem gibt der kräftigen BIP-Wachstum – zur Rückführung Pakt Obergrenzen für Haushaltsdefizit und der Schuldenstandsquote maßgeblich bei- Schuldenstand vor. Die Einhaltung dieser getragen. Im Jahr 2017 sank die Schulden- Ziele und Grenzmarken sichert die finan- standsquote deutlich um 2 Prozentpunkte. zielle Handlungsfähigkeit eines jeden ein- Sie befindet sich somit auf einem anhalten- zelnen Mitgliedstaates der Wirtschafts- und den Abwärtspfad. Mit der Reform zur Stär- Währungsunion. Der Pakt beinhaltet bereits kung des Stabilitätspakts im Jahr 2011 ist flexible Regelungen für strukturelle Refor- die so genannte 1/20-Regel hinsichtlich der men zur Stärkung des Wachstumspotenzi- Rückführung übermäßiger Schuldenstän- als. Er verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten de verbindlich für alle Mitgliedstaaten ver- somit zu einer stabilitätsorientierten Fi- einbart worden. Diese Regel sieht vor, dass nanzpolitik als Voraussetzung für ein star- der über die Maastricht-Obergrenze von kes, nachhaltiges Wachstum in Europa. 60 % des BIP hinausgehende Schuldenstand Deutschland hat die Vorgaben des SWP um jährlich mindestens ein Zwanzigstel im im Jahr 2017 erneut vollständig erfüllt. Durchschnitt der letzten drei Jahre verrin- Deutschland ist es gelungen, die Obergrenze gert wird. Deutschland erfüllt diese Vorgabe eines nominalen Haushaltsdefizits von 3 % für den maßgeblichen Dreijahreszeitraum in Relation zum BIP mit deutlichem Si- 2015-2017. cherheitsabstand zu unterschreiten. So lag
Seite 16 DEUTSCHE FINANZPOLITIK IM EUROPÄISCHEN KONTEXT Abbildung 3: Struktureller und tatsächlicher Finanzierungssaldo im Vergleich (in % des BIP) 2 Maastricht-Finanzierungssaldo Maastricht-Referenzwert (Obergrenze für Maastricht-Defizit) Struktureller Finanzierungssaldo 1 Mittelfristiges Haushaltsziel (MTO - Obergrenze für strukturelles Defizit) 0 -1 -2 -3 -4 -5 -6 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 1995: Ohne die Vermögenstransfers infolge der Übernahme der Schulden der Treuhandanstalt und der Wohnungsbauunternehmen der DDR. Inklusive dieses Effekts belief sich das gesamtstaatliche Defizit auf 9,4 % des BIP. 2000: Ohne UMTS-Erlöse. Inklusive dieses Effekts wies der Staatshaushalt einen Überschuss in Höhe von 0,9 % des BIP auf. Datenbasis: Statistisches Bundesamt, März 2018 Deutschland unterliegt derzeit dem so vertrag („Vertrag über Stabilität, Koordi- genannten präventiven Arm des SWP. Mit- nierung und Steuerung in der Wirtschafts- gliedstaaten, für welche die Maßgaben des und Währungsunion“) ein strukturelles präventiven Arms des SWP gelten, müssen Defizit in Höhe von 0,5 % in Relation zum mittelfristig einen nahezu ausgeglichenen BIP nicht überschreiten. Diese Obergren- Haushalt oder einen Haushaltsüberschuss ze setzt sich auch Deutschland mit seinem erreichen. Dafür setzen sich diese Mitglied- Stabilitätsprogramm. staaten ein so genanntes Mittelfristziel für Ergänzt werden die Vorgaben im präven- den strukturellen gesamtstaatlichen Fi- tiven Arm des SWP durch eine Ausgaben- nanzierungssaldo (medium term objective, regel. Diese beschränkt die zulässige Ausga- MTO). Dieser Saldo wird ermittelt, indem bensteigerung für Mitgliedstaaten, die auf der nominale Finanzierungssaldo um kon- dem Anpassungspfad zu ihrem Mittelfrist- junkturelle Effekte und um Einmaleffek- ziel sind oder es gerade erreichen. Wird das te bereinigt wird. Das länderspezifische länderspezifische MTO übertroffen und ist MTO ist eine verbindliche Mindestanforde- seine Einhaltung im gesamten Programm- rung. Mitgliedstaaten mit einer über 60 % zeitraum ungefährdet, ist diese Ausgabenre- liegenden Schuldenstandsquote und Risi- gel nicht bindend. Dies ist für Deutschland ken für die langfristige Tragfähigkeit der der Fall. öffentlichen Finanzen dürfen laut Fiskal-
Deutsches Stabilitätsprogramm 2018 Seite 17 Die Europäische Kommission hatte un- 3.2 Finanzpolitische Ausgangs- ter anderem in ihrer Stellungnahme vom 22. lage und strategische November 2017 zur deutschen Haushalts- Ausrichtung planung (draft budgetary plan, DBP) Kritik an der Umsetzung der VO (EU) Nr. 473/2013 Folgende Empfehlungen zur Finanzpolitik geübt, nämlich hinsichtlich der in Artikel hat der ECOFIN-Rat für die Haushaltspolitik 4 Absatz 4 geforderten Unabhängigkeit ge- des Euro-Währungsgebiets am 22. Novem- samtwirtschaftlicher Prognosen der Bun- ber 2017 ausgesprochen: desregierung, welche der Haushaltsplanung Es sei „auf das rechte Maß zu achten zwi- zugrunde liegen. Wesentlicher Kritikpunkt schen Sicherstellung tragfähiger öffentli- der Europäischen Kommission war das Feh- cher Finanzen, insbesondere Verringerung len einer unabhängigen Einrichtung, wel- der Schuldenquoten da, wo sie hoch sind, und che die gesamtwirtschaftlichen Projekti- Unterstützung der wirtschaftlichen Erho- onen erstellt oder bestätigt, wobei hierfür lung. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstel- ein gesetzlicher Rahmen vorzusehen sei. len, dass ihr nationaler Haushaltsrahmen rei- Zur Umsetzung des VO (EU) Nr. 473/2013 bungslos funktioniert, und gleichzeitig unter wurden im Jahr 2017 das Gesetz zur Erstel- Beachtung des Stabilitäts- und Wachstum- lung gesamtwirtschaftlicher Vorausschät- spakts eine Fiskalpolitik verfolgen, die Inves- zungen der Bundesregierung (veröffent- titionen fördert und eine bessere Qualität und licht im Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 2080 Zusammensetzung der öffentlichen Finanzen ff.) beschlossen sowie die dazugehörige Ver- gewährleistet, auch im Wege von Ausgaben- ordnung (veröffentlicht im Bundesgesetz- überprüfungen und wachstumsfreundlichen, blatt Teil I, Seite 3378 ff.) erlassen. Das Ge- gerechten Steuerstrukturen.“ Ferner sollten setz kodifiziert das bestehende Verfahren „in Anbetracht der positiven Konjunktur alle der Erstellung gesamtwirtschaftlicher Vo- Mitgliedstaaten vorrangig Reformen verfol- rausschätzungen durch die Bundesregie- gen, die die Produktivität und das Wachstum- rung. Die Projektion der Bundesregierung spotenzial steigern, das institutionelle Umfeld orientiert sich an den Projektionen der Ge- und die Rahmenbedingungen für Unterneh- meinschaftsdiagnose, der führende Wirt- men verbessern, Investitionsengpässe beseiti- schaftsforschungsinstitute angehören. Die gen, die Schaffung hochwertiger Arbeitsplät- Gemeinschaftsdiagnose wird als unabhän- ze unterstützen und Ungleichheiten abbauen.“ gige Institution, beginnend ab Herbst 2018, Diese Leitlinien berücksichtigt die Bun- alle drei Projektionen der Bundesregierung desregierung für die Ausrichtung ihrer Fi- (Jahres-, Frühjahrs- und Herbstprojekti- nanzpolitik und stellt die Weichen, damit on) überprüfen und entsprechend Stellung die deutsche Volkswirtschaft auch weiter- nehmen. hin ihre Potenziale nutzen kann. Extrem niedrige Kapitalmarktzinsen, kräftiges Wirt- schaftswachstum oberhalb des Potenzi- alwachstums und ein Rekordbeschäfti- gungsstand auf dem Arbeitsmarkt haben außergewöhnlich gute Voraussetzungen für die Finanzpolitik geschaffen und gesamt- staatliche Haushaltsüberschüsse ermöglicht. Aus konjunkturpolitischer Sicht ist es wichtig, mögliche Überhitzungstendenzen und prozyklische Entwicklungen frühzei- tig zu erkennen. Grundsätzlich ist eine ex-
Seite 18 DEUTSCHE FINANZPOLITIK IM EUROPÄISCHEN KONTEXT pansiv ausgerichtete Fiskalpolitik in ei- 2015 wird der Haushalt auch in der Aufstel- ner Situation überausgelasteter Kapazitäten lung ohne Neuverschuldung ausgeglichen nicht angemessen. Übermäßige Ausga- (siehe Abbildung 4). Der Koalitionsvertrag, bensteigerungen würden Überhitzungsten- den die Koalitionsparteien am 12. März 2018 denzen unnötig verschärfen, insofern sie beschlossen haben, sieht ebenfalls keine nicht klar identifizierte Engpässe bei öf- neuen Schulden vor. Die Bundesregierung fentlichen Rahmenbedingungen beheben, tritt somit für eine Verstetigung eines Kur- wie zum Beispiel bei Infrastruktur und Bil- ses einer stabilitätsorientierten und demo- dung. Andernfalls könnten sie Gefahren für grafiegerechten Haushalts- und Finanzpo- die gesamtwirtschaftliche Stabilität her- litik ein. vorrufen, die der wirtschaftlichen Entwick- Ziel ihrer Finanzpolitik ist es, die bin- lung in Deutschland und darüber hinaus nenwirtschaftlichen Wachstumsgrundlagen auch in der Eurozone mittel- und langfris- zu stärken und die Weichen für tragfähige tig schadeten. öffentliche Haushalte zu stellen. Die Bun- Ein wesentlicher Indikator, um die Aus- desregierung beabsichtigt, in den nächsten richtung der Finanzpolitik und ihre Wir- vier Jahren in Umsetzung des Koalitionsver- kung auf die Konjunktur zu beurteilen, trags prioritäre Ausgaben in den folgenden ergibt sich aus der Veränderung des kon- Schwerpunkt-Bereichen: Zukunftsinvestiti- junkturbereinigten Primärsaldos der ge- onen in Bildung, Forschung, Hochschulen samtstaatlichen Haushalte. Im Jahr 2017 und Digitalisierung (rund 6 Mrd. Euro), Fa- blieb dieser Saldo unverändert gegenüber milien, Kindern und Soziales (12 Mrd. Euro), dem Vorjahr, so dass die Ausrichtung der Bauen und Wohnen (4 Mrd. Euro), gleich- deutschen Finanzpolitik auf die Konjunk- wertige Lebensverhältnisse, Landwirtschaft, tur als neutral einzustufen ist. Allerdings Verkehr und Kommunen (12 Mrd. Euro), in- stiegen die staatlichen Primärausgaben mit ternationale Verantwortung bei Sicherheit 3,4 % gegenüber dem Vorjahr stärker als das und Entwicklung (2 Mrd. Euro) sowie die nominale Produktionspotenzial (+3,3 %). steuerliche Entlastung der Bürger durch die Für eine stabilitätsorientierte Ausrich- schrittweise und weitgehende Abschaffung tung der Finanzpolitik darf ferner nicht des Solidaritätszuschlags (10 Mrd. Euro). Die übersehen werden, dass das Niedrigzinsum- finanzpolitische Ausrichtung einschließlich feld die öffentlichen Haushalte weiterhin der finanzwirksamen Maßnahmen für das spürbar entlastet, die Lage an den Kapital- Jahr 2018 dürfte insgesamt leicht expansiv und Finanzmärkten aber als außergewöhn- auf die konjunkturelle Entwicklung wirken. lich und nicht dauerhaft einzuordnen ist. Neben den aktuellen Herausforderun- Damit die öffentlichen Haushalte auch gen ist es für eine verantwortungsvolle Fi- künftig auf sicherem Fundament stehen, hat nanz- und Haushaltspolitik unerlässlich, sich die Finanzpolitik auf eine Normalisie- fundamentale Ausgabentrends und deren rung der globalen Finanzlage einzustellen. mittel- und langfristige Auswirkungen früh- Angesichts dessen ist eine vorausschau- zeitig zu erkennen, um auch hier gegebe- ende Finanzpolitik notwendig, um die nenfalls geeignete Maßnahmen zu ergrei- Handlungsfähigkeit des Staates für die Zu- fen. Der Anteil der Zinsausgaben an den kunft weiterhin vollständig zu wahren. Gute Gesamtausgaben des Bundeshaushalts (Zin- Zeiten sind zu nutzen, um die öffentlichen sausgabenquote in finanzstatistischer Ab- Haushalte konjunktur- und zinsfest zu ma- grenzung) ist von seinem Höchstwert mit chen. Bereits seit dem Jahr 2014 kommt 16,6 % im Jahr 1999 sukzessiv auf 5,3 % im der Bund im Haushaltsvollzug ohne neue Jahr 2017 gesunken. Der Rückgang der Zin- Schulden aus. Seit dem Bundeshaushalt sausgabenquote ist maßgeblich auf Zinsent-
Deutsches Stabilitätsprogramm 2018 Seite 19 Abbildung 4: Entwicklung der strukturellen Nettokreditaufnahme des Bundes (in % des BIP) 2,0 1,90 2010 festgelegter Abbaupfad für die strukturelle Neuverschuldung 1,59 Maximal zulässige strukturelle 1,5 Nettokreditaufnahme (0,35 % des BIP ab 2016) 1,28 Strukturelle Nettokreditaufnahme: Ist 2011 bis 2017; negative Werte stellen Überschüsse dar 0,97 1,0 0,85 0,66 0,5 0,35 0,35 0,35 0,35 0,35 0,35 0,35 0,34 0,10 0,0 0,14 -0,03 -0,15 -0,27 -0,5 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Hierbei werden die für die Berechnung der strukturellen Nettokreditaufnahme des Bundes relevanten Finanzierungssalden der Sonderver- mögen „Energie- und Klimafonds“ (ab 2011), „Aufbauhilfefonds“ (ab 2013) und „Kommunalinvestitionsförderungsfonds“ (ab 2015) berück- sichtigt. lastungen infolge der außergewöhnlichen sind die Ausgaben für monetäre Sozialleis- Maßnahmen der Geldpolitik und damit zu- tungen und soziale Sachleistungen über- sammenhängend der Lage an den euro- durchschnittlich gestiegen, zuletzt im Jahr päischen Kapitalmärkten zurückzuführen. 2017 mit +3,8 % gegenüber dem Vorjahr. Zu- Gleichwohl ist die Quote im vergangenen wächse ergaben sich unter anderem bei den Jahr nur noch marginal gesunken, weil sich Alterssicherungsausgaben und bei Gesund- an den Kapitalmärkten kein weiterer Rück- heit und Pflege. Ausgaben für Soziales blei- gang der Zinsen eingestellt hat. Die Entlas- ben der Projektion zufolge weiter auf einem tungen der öffentlichen Haushalte dürften hohen Niveau. Diese Ausgabentrends sind nicht als dauerhaft erachtet werden. Viel- sorgsam zu beobachten, um sicher zu stel- mehr ist notwendigerweise von einer Nor- len, dass die öffentlichen Haushalte weiter malisierung am Kapitalmarkt auszugehen, auch auf Zukunftsausgaben in Bildung, For- auf die sich die Finanzpolitik vorzubereiten schung und Technologie ausgerichtet wer- hat. Zudem sollte die Finanzpolitik die über- den können. durchschnittliche Steigerung der Primär- ausgaben im Blick behalten. Insbesondere
Seite 20 DEUTSCHE FINANZPOLITIK IM EUROPÄISCHEN KONTEXT Auszug aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 12. März 2018 aus dem Kapitel „Finanzen und Steuern“: Solide Finanzen Wir wollen die finanziellen Spielräume des Bundes, die aufgrund der guten wirtschaftlichen Lage bestehen, verantwortlich und sozial ausgewogen für politische Gestaltung nutzen. Wir sind uns über das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts ohne neue Schulden und unter Einhaltung der entsprechenden grundgesetzlichen Vorgaben einig. Wie im Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgesehen, wollen wir die gesamtstaatliche Schuldenstandsquote auf unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zurückführen. Das 2011 eingeführte Eckwerteverfahren („Top-Down“) zur Haushaltsaufstellung hat sich bewährt und wird fortgesetzt. Die bestehenden Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestags und seines Haushaltsausschusses bei finanzwirksamen Entscheidungen auf europäischer Ebene werden gewahrt. Auf Grundlage des ausgeglichenen Haushalts wollen wir mit den vorhandenen Mitteln noch mehr für die Bürgerinnen und Bürger bewirken. Hierzu gehört auch, durch umfassende Aufgabenkritik sowie durch die regelmäßige Überprüfung der Maßnahmen auf Effektivität und Effizienz zusätzliche Spielräume zu erarbeiten. Dazu werden die Ansätze zur Verbesserung der Wirkungsorientierung des Haushalts, z. B. einnahme- und ausgabeseitige Haushaltsanalysen, gestärkt und weiterentwickelt. Für die Jahre 2018 bis 2021 sind nach der Finanzplanung des Bundes für die Haushaltsaufstellung (51. Finanzplan) Ausgaben von 1,392 Billionen Euro vorgesehen. Über die dort eingeplanten Maßnahmen hinaus wollen wir den absehbaren finanziellen Spielraum der nächsten vier Jahre für prioritäre Ausgaben in den folgenden Schwerpunkt-Bereichen nutzen: Prioritäre Ausgaben in den folgenden Schwerpunkt-Bereichen 1. Investitionen in Zukunft: Bildung, Forschung, Hochschulen, Digitalisierung Maßnahme Summe 2018-21 Programm Ganztagsschule/Ganztagsbetreuung 2,0 Aufstiegsfortbildung in der beruflichen Bildung 0,35 Reform BAföG 1,0 Nachfolge Hochschulpakt (ab2021) 0,6 Anteil Bund am schrittweisen Erreichen 3,5-Prozent-Ziel Forschung 2,0 und Entwicklung bis 2025 Breitbandausbau, Digitalpakt Schulen (Infrastruktur1) Fonds Summe (Mrd.) 5,95
Deutsches Stabilitätsprogramm 2018 Seite 21 2. Familien, Kinder und Soziales Maßnahme Summe 2018-21 Erhöhung Kindergeld und Kinderfreibetrag (Anteil Bund) 3,5 Kita (Gebühren und Qualität) 3,5 Bekämpfung Kinderarmut durch Kinderzuschlag 1,0 Eingliederungstitel SGB II: Sozialer Arbeitsmarkt/Soziale Teilhabe 4,0 Summe (Mrd.) 12,0 3. Bauen und Wohnen Maßnahme Summe 2018-21 Weitere Förderung sozialer Wohnungsbau durch Bund in 2020/2021 2,0 Steuerliche Förderung von mehr Wohneigentum (AfA, energetische 2,0 Gebäudesanierung, Förderung Eigentum für Familien) Summe (Mrd.) 4,0 4. Gleichwertige Lebensverhältnisse, Landwirtschaft, Verkehr und Kommunen Maßnahme Summe 2018-21 Erhöhung der Mittel Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz 1,0 (GVFG) 2020/21 Regionale Strukturpolitik/ Strukturwandel Kohlepolitik 1,5 Ländliche Räume/ Landwirtschaft 1,5 Fortsetzung kommunaler wie auch Landesprogramme 8,0 Summe (Mrd.) 12,0 5. Internationale Verantwortung bei Sicherheit und Entwicklung Maßnahme Summe 2018-21 Erhöhung Etats für Verteidigung und ODA-Quote 2,0 Summe (Mrd.) 2,0 6. Entlastung der Bürger Maßnahme Summe 2018-21 Solidaritätszuschlag 10,0 Summe (Mrd.) 10,0 1. Die weiteren Maßnahmen werden im Rahmen der Haushaltsaufstellungen 2018/2019 geklärt.
Seite 22 DEUTSCHE FINANZPOLITIK IM EUROPÄISCHEN KONTEXT Weitere Maßnahmen, auf die sich die Koalition einigt, können finanziert werden, wenn sich zusätzliche finanzielle Spielräume ergeben oder eine entsprechende unmittelbare, vollständige und dauerhafte Gegenfinanzierung sichergestellt ist. Mit den Versteigerungserlösen der 5G-Lizenzen wollen wir einen Investitionsfonds einrichten, der für den Ausbau der digitalen Infrastruktur zur Verfügung steht. Wir stellen die weitere Finanzierung der laufenden Maßnahmen zur Entlastung von Ländern und Kommunen bei den Flüchtlingskosten (Integrationspauschale, Kosten der Unterkunft, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge) in den Jahren bis 2021 mit insgesamt weiteren acht Milliarden Euro sicher und gestalten sie gemeinsam – wo erforderlich – effizienter neu aus. Wir wollen durch die konkrete Programmgestaltung sicherstellen, dass die Mittel, die der Bund für definierte Aufgaben, z. B. den sozialen Wohnungsbau, an andere Gebietskörperschaften gibt, auch vollständig für genau diese Zwecke eingesetzt werden. Steuerpolitik Wir werden insbesondere untere und mittlere Einkommen beim Solidaritätszuschlag entlasten. Wir werden den Solidaritätszuschlag schrittweise abschaffen und ab dem Jahr 2021 mit einem deutlichen ersten Schritt im Umfang von zehn Milliarden Euro beginnen. Dadurch werden rund 90 Prozent aller Zahler des Solidaritätszuschlags durch eine Freigrenze (mit Gleitzone) vollständig vom Solidaritätszuschlag entlastet. Steuervereinfachung ist eine Daueraufgabe. Es ist ein wichtiges politisches Ziel, hier Schritt für Schritt voranzukommen und dabei insbesondere auch die technischen Möglichkeiten der modernen Datenver- arbeitung zu nutzen. Wir werden das Angebot an die Bürger für eine elektronische Kommunikation mit der Finanzverwaltung ausbauen. Wir streben die Einführung einer vorausgefüllten Steuererklärung für alle Steuerpflichtigen bis zum Veranlagungszeitraum 2021 an. Wir wollen eine gerechte Verteilung der Steuerlast bei Ehegatten. Wir wollen Ehegatten über das Fak- torverfahren besser informieren und die Akzeptanz stärken. Personen mit Steuerklassenkombination III/V sollen in den Steuerbescheiden regelmäßig über das Faktorverfahren informiert und auf die Mög- lichkeit des Wechsels zur Steuerklassenkombination IV/IV mit Faktor hingewiesen werden. Wir unterstützen in Europa eine gemeinsame Bemessungsgrundlage und Mindestsätze bei den Unter- nehmenssteuern. Hier wollen wir mit Frankreich Initiativen ergreifen, um auch eine Antwort auf inter- nationale Veränderungen und Herausforderungen, nicht zuletzt in den USA, zu geben. Die Abgeltungsteuer auf Zinserträge wird mit der Etablierung des automatischen Informationsaustau- sches abgeschafft; Umgehungstatbestände werden wir verhindern. An dem bisherigen Ziel der Einfüh- rung einer Finanztransaktionsteuer im europäischen Kontext halten wir fest.
Deutsches Stabilitätsprogramm 2018 Seite 23 In Deutschland wollen wir einen gerechten Steuervollzug – von der Steuererhebung bis zur Steuerprüfung. Sämtliche aus einer Straftat erlangten Vermögenswerte und alle rechtswidrigen Gewinne sollen konse- quent eingezogen werden. Das Erhebungs- und Erstattungsverfahren der Einfuhrumsatzsteuer stellt einen gravierenden Wettbe- werbsnachteil für die deutschen Industrie- und Handelsunternehmen sowie für die deutschen Flug- und Seehäfen dar. Wir werden daher diese Verfahren in Kooperation mit den Bundesländern optimie- ren. Wir werden die Rolle des Bundeszentralamtes für Steuern mit entsprechender Ausstattung stärken und weiterentwickeln. Es soll für Gebietsfremde zur zentralen Anlaufstelle für steuerliche Fragen und ver- bindliche Auskünfte werden. 3.3 Finanzpolitische Maßnah- Zur gesamtstaatlich positiven Investiti- men auf der Ausgaben- und onsdynamik hat die Bundesregierung auch Einnahmenseite durch die finanzielle Entlastung von Län- dern und Gemeinden, die gut zwei Drittel Die Bundesregierung setzte im vergange- der staatlichen Investitionen tragen, in ho- nen Jahr ihre zukunfts- und wachstumso- hem Maße beigetragen2. Zur weiteren Un- rientierte Finanzpolitik fort. Sie stockte In- terstützung finanzschwacher Gemeinden vestitionen in Infrastruktur, Bildung und im Bereich der Bildungsinfrastruktur hat die Forschung weiter auf und verbesserte da- Bundesregierung beispielsweise das Kom- rüber hinaus die Rahmenbedingungen für munalinvestitionsförderungsgesetz im Jahr private Investitionen. Beides zusammen 2017 geändert und den Kommunalinvesti- hat dazu beigetragen, das Produktionspo- tionsförderungsfonds aufgestockt. Das Mit- tenzial zu stärken. Dieser Fokus entspricht telvolumen wurde von bisher 3,5 Mrd. Euro den Empfehlungen des ECOFIN-Rates vom auf 7 Mrd. Euro verdoppelt. Der Bund ge- 11. Juli 2017 in seiner Stellungnahme zum währt den Ländern nunmehr auch Finanz- letztjährigen Stabilitätsprogramm, wonach hilfen in Höhe von 3,5 Mrd. Euro für Inves- Deutschland öffentliche Investitionen in titionen finanzschwacher Gemeinden in die wachstumsrelevanten Bereichen weiter er- Sanierung, den Umbau und die Erweiterung höhen solle. Unmittelbare Folge dieser von allgemein- und berufsbildenden Schu- wachstumsorientierten Finanzpolitik war len im Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis zum ein deutlicher Anstieg der gesamtstaatlichen 31. Dezember 2022. Förderfähig sind dem- Bruttoanlageinvestitionen im Jahr 2017 mit nach sämtliche notwendige Infrastruktur- einer Zuwachsrate von 6,5 % gegenüber dem maßnahmen einschließlich solcher zur Ge- Vorjahr. Dieser Zuwachs ist stärker als jener währleistung der digitalen Anforderungen der Staatsausgaben insgesamt (+3,6 %) und an Schulgebäude. des nominalen BIP (+3,8 %). Dies führt ein- mal mehr vor Augen, dass solide finanzier- 2 In Anlehnung an die im Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) te Haushalte und zusätzliche Investitionen verwendeten Begrifflichkeiten wird im Folgenden Hand in Hand gehen können. der Begriff „Gemeinden“ verwendet. Gemeint sind damit in der Regel Kommunen (Gemeinden und Gemeindeverbände).
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