Ein Schiff wird kommen? Deutschlands Optionen für einen Marineeinsatz in der Straße von Hormus - Deutsche Gesellschaft für Auswärtige ...
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DGAPkompakt Nr. 15 / August 2019 Ein Schiff wird kommen? Deutschlands Optionen für einen Marineeinsatz in der Straße von Hormus Carlo Masala, Christian Mölling, Torben Schütz In der Straße von Hormus gefährdet der Iran die Freiheit der Seefahrt. Deutschland sollte gemeinsam mit EU-Partnern eine maritime Mission entwickeln und gegebenen- falls auch führen. Dieses Kompakt zeigt, dass Europa über hinreichende militärische Fähigkeiten für eine Beobachter- oder eine Schutzmission verfügt. Die Mission sollte eng mit der geplanten See-Operation der USA koordiniert werden, sich aber nicht in einen Krieg hineinziehen lassen. Executive Summary diese leisten können. Nicht zuletzt ist die mangelnde In Deutschland wird seit Mitte Juli 2019 über eine Beteili- Leistungsfähigkeit der Deutschen Marine immer wieder gung an einer maritimen Mission im Persischen Golf disku- als Grund für die Nichtbeteiligung genannt worden.1 tiert. Die iranische Regierung behindert gegenwärtig die Deutsche Rolle: Deutschland sollte zum Erhalt seines Freiheit der Seefahrt in der Straße von Hormus erheblich. außenpolitischen Gestaltungsanspruchs und zur Wah- Die USA reagieren mit massivem Druck; eine US-geführte rung seiner Interessen eine Mission mitentwickeln und Marinemission soll folgen. Damit droht der eskalierende sie gegebenenfalls führen. Die europäischen Partner Konflikt zwischen Washington und Teheran über das scheinen ein allgemeines Interesse zu haben, an einer sol- iranische Nuklearprogramm und die Machtverhältnisse im chen Mission mitzuwirken, wenn ein europäisches Land Mittleren Osten eine neue Dimension zu erhalten. die Initiative ergreifen würde. In Paris nimmt zwar die Deutschland hat ein erhebliches Interesse an der Enttäuschung über das fehlende deutsche Engagement Durchsetzung des Prinzips der freien Seefahrt und am weiter zu. Dennoch wäre eine Beteiligung Frankreichs Erhalt des Iran-Nuklearabkommens. Es möchte aber aus politischer und operativer Sicht unabdingbar. ebenso wie andere nicht in einen möglichen militärischen Mission/Mandat: Bereits eine Beobachtermission Konflikt zwischen den USA und dem Iran hineingezogen kann einen gewissen sicherheitspolitischen Beitrag leis- werden. Die Bundesrepublik muss also ihr Engagement ten. Doch dafür müssen Missionsmandat und Einsatzre- für deutsche Interessen so gestalten, dass der Iran weiter- geln den Eingriff in Notsituationen erlauben, einschließ- hin ein Interesse an der Einhaltung der von ihm einge- lich der Anwendung von angemessener Gewalt und gangenen Verpflichtungen hat. zum Schutze anderer. Eine Mission sollte zudem einen Das Kanzleramt hat eine maritime Schutzmission ins definierten Endzustand oder -zeitpunkt haben. Spiel gebracht; der Außenminister eine Beobachtermis- Militärische Fähigkeiten: Die Marinestreitkräfte der sion. Einig ist man sich, dass eine Mission in jedem Fall EU-Länder verfügen über hinreichende Mittel, um eine gemeinsam mit europäischen Partnern durchgeführt wer- Beobachtermission oder auch eine Schutzmission durch- den soll. Offen ist, welche Art von Mandat und Aufgaben sich hinter den Begriffen verbergen, welche Partner ein Interesse an einer Teilnahme haben, und welche Beiträge
Ein Schiff wird kommen? Deutschlands Optionen für einen Marineeinsatz in der Straße von Hormus 2 zuführen. Bis zum Start einer solchen Mission braucht Inhaltsverzeichnis es jedoch Zeit, weil man Schiffe und andere Fähigkeiten aus bestehenden Verpflichtungen herauslösen muss. Jede Deutschland zwischen Wollen und Können 3 neue Operation wird also zulasten bestehender Aufgaben und der Ausbildung gehen. Deutschland selbst müsste In der Debatte: ständig mit mindestens einem Schiff an der Mission betei- Interessen, Reflexe und mögliche Folgen 3 ligt sein. Eine Mission in der Straße von Hormus würde Beobachter- oder Schutzmission – je nach benötigter Fähigkeit zwischen 10 und 30 Prozent Ziele und militärische Aspekte 4 der maritimen Fähigkeiten Europas erfordern. Diese Beobachtermission 5 Schätzung berücksichtigt nicht die tatsächliche Einsatz- bereitschaft – sie ist also sehr optimistisch. Daher wird 3.1.1 Welche Kräfte 5 man davon ausgehen müssen, dass sich der Beitrag nicht 3.1.2 Durchführung 5 beliebig erhöhen lässt. Diese Erkenntnis sollte unmittel- Schutzmission 5 bar Anlass geben, den Wiederaufwuchs der Marinestreit- kräfte in Europa zu beschleunigen. 3.2.1 Welche Kräfte 5 Europäische Partner: Deutschland und die EU sollten 3.2.2 Durchführung 6 sich bemühen, Nicht-EU-Staaten wie Norwegen, Kanada, Australien oder Neuseeland zur Teilnahme zu gewinnen. Was kann Europa leisten? 6 Bei Operationen im Mittleren und Nahen Osten bezie- Politische Interessen der Europäer 6 hungsweise am Persischen Golf wäre es aus Legitimitäts- EU und europäische Partner 7 gründen zweckmäßig, auch arabische oder nordafrikani- sche Staaten um eine – gegebenenfalls nur symbolische Vorhandene und verfügbare Fähigkeiten 7 – Beteiligung zu bitten. Darüber hinaus sollte Deutschland Militärische Führungsstrukturen und Stützpunkte 8 Großbritannien ermutigen, ein Schiff zu einer EU-Mission Verhältnis zu einer US-geführten Mission 8 beizusteuern. Der Umgang mit den USA: Jede europäische Mission Empfehlungen 9 wird sich mit der US-geführten Initiative aufs Engste Annex: koordinieren müssen. Denkbar ist auch eine Kooperation. Methodische Hinweise – was zählen wir, und wie? 10 Dies bedeutet aber nicht, Teil der US-Initiative zu werden. Deswegen sollte Deutschland zu Beginn erklären, welche Regeln für die Kooperation gelten, und dass man bei einer militärischen Eskalation durch die USA die Zusammenar- beit beenden würde. Abbildungsverzeichnis: Abb.1: Seegebiet und Inhalte einer Beobachter- oder Schutzmission 4 Abb.2: Potenzielle Truppensteller für Beobachter- oder Deutschland zwischen Wollen und Können Schutzmission 6 Am 19. Juli 2019 fragte Großbritannien in Berlin an, ob Deutschland bereit sei, sich gemeinsam mit anderen Abb. 3: Annahme zu Rotationen und Kräfteansatz 10 Partnern an einer Mission zum Schutz der Seewege in Tabellenverzeichnis: der Straße von Hormus zu beteiligen.2 An der seither in Deutschland geführten Debatte3 wird das Spannungs- Tab. 1: Bestände der Marinen der EU27 und ausgewählter verhältnis der deutschen Interessen sichtbar: Einerseits europäischer Partner 7 behindert die iranische Regierung gegenwärtig die Tab. 2: Verhältnis nominell vorhandener und benötigter Freiheit der Seefahrt in der Straße von Hormus erheblich.4 Kräfte für eine Beobachtermission 7 Andererseits will Deutschland ebenso wenig wie andere Tab. 3: Verhältnis von vorhandenem Material und Europäer in einen möglichen militärischen Konflikt zwi- geschätzten Anforderungen für eine Beobachtermission 8 schen den USA und dem Iran hineingezogen werden.5 Die Bundesrepublik muss also eine Balance zwischen einem Tab. 4: Verhältnis von vorhandenem Material und geschätzten Engagement zur Durchsetzung des Prinzips der freien Anforderungen für eine Schutzmission 8 Seefahrt und dem deutschen Interesse finden, den Iran DGAPkompakt / Nr. 15 / August 2019
Ein Schiff wird kommen? Deutschlands Optionen für einen Marineeinsatz in der Straße von Hormus 3 auch weiterhin zur Einhaltung seiner im JCPOA 6 zugesag- In der Debatte: ten Verpflichtungen zu animieren. Interessen, Reflexe und Folgen Ein vorläufiges Ende fand die Diskussion, als die USA Die Debatte über einen Einsatz in der Straße von Hormus ihre eigene Anfrage an Deutschland öffentlich machten hat die grundlegenden Charakteristika und Probleme und das Vereinigte Königreich sich von Europa ab- und den deutscher Außen- und Sicherheitspolitik wie unter einem USA zuwandte. Doch am 5. August konnte das Kanzleramt Brennglas sichtbar gemacht. einer Schutzmission einiges abgewinnen. Am selben Tag Deutsche Interessen waren kein zentraler Referenz- brachte der Außenminister persönlich eine Beobachtermis- punkt der Debatte: Teile der Regierungskoalition haben sion ins Spiel.7 Damit hat nicht nur die Bundesregierung von Beginn an – wie in vielen früheren Fällen – vor allem selbst die Debatte erneut angefacht, sondern zum ersten in den Vordergrund gestellt, dass sie nicht in einen militä- Mal auch deren mögliche Aufgaben angesprochen. rischen Konflikt hineingezogen werden wollen.9 Erst spä- Deshalb können nun die besonderen Optionen einer ter wurden deutsche Interessen, die auch im Weißbuch maritimen Mission beleuchtet werden. Sie könnte in der 201610 aufgeführt sind, stärker in die Debatte aufgenom- komplizierten Gemengelage von Interessen und Tabus men: Unter anderem gehören die ungehinderte Nutzung eine elegante Lösung bieten: Auf Grund der Tatsache, von Transport-, Versorgungs- und Handelslinien sowie dass der Einsatz von Marinestreitkräften per se weniger die Sicherheit der Rohstoff- und Energieversorgung zu eskalierend wirkt, als der Einsatz von Land-, Luft- oder den außen- und sicherheitspolitischen Prioritäten einer Spezialstreitkräften, sollte es möglich sein, sowohl dem vom Export abhängigen Nation wie der Bundesrepublik.11 deutschen Interesse an der Freiheit der Seefahrt Rech- Eine Beteiligung an einer US-geführten Mission ist der- nung zu tragen als auch einen partiell kooperativen Diplo- zeit politisch offensichtlich undenkbar.12 Reflexartig haben matie-Ansatz gegenüber dem Iran aufrecht zu erhalten. sich fast alle politischen Parteien im Bundestag von einer Nun stellen sich weitere Fragen: Welchen Beitrag kann solchen Mission distanziert. Einige hatten Bedenken, dass Deutschland politisch und militärisch leisten? Wie ist es eine Mission unter US-Führung eskalieren und Deutsch- tatsächlich um die Leistungsfähigkeit der Marine bestellt, land in einen Krieg hineingezogen werden könnte.13 deren Grenzen immer wieder als Grund für die Nichtbe- Deutlich wird ein sich verschärfender Widerspruch: teiligung genannt wurden?8 Zudem wird diese Mission Deutschland hat den Anspruch, eine kooperative Außen- nicht ohne Partner möglich sein: Welche Staaten haben politik zu betreiben, die sich auf Partner stützt – gleich- daran Interesse und können Beiträge leisten? Wird es zeitig aber werden konkrete Kooperationsoptionen nicht einen EU– oder einen weitergefassten europäischen Rah- genutzt, geschweige denn für Partner akzeptable Alterna- men geben? Oder können sogar mittel- und nahöstliche tiven vorgeschlagen. sowie asiatische Länder teilnehmen? Die Folgen sind für das Ansehen der Bundesrepublik Nicht zuletzt wird der bisherige Verlauf der Debatte im bisherigen Ergebnis dramatisch: Die Debatte um die einen wesentlichen Einfluss auf die Ausgestaltung einer Mission ist aus Sicht der Partner Deutschlands ein weite- solchen Mission haben. Hier haben verschiedene Akteure rer Beweis dafür, dass die Bundesrepublik in außen- und ihre Begründungen für und wider einen Einsatz dar- sicherheitspolitischen Fragen nur noch bedingt zuverläs- gestellt und damit unweigerlich auch eine Zustandsbe- sig ist. Sie reiht sich ein in die negative Wahrnehmung schreibung der deutschen Interessen sowie der Schwach- deutscher Positionen zu Themen wie dem Zwei-Prozent- stellen und blinden Flecken deutscher Außen- und Ziel für die Verteidigungsausgaben, der Gas-Pipeline Sicherheitspolitik geliefert. Dieser Stand der Debatte und Nord Stream 2 und der Syrienpolitik bis zurück zur damit der Argumente und Interessen wird in die weitere Libyenintervention 2011.14 politische Willensbildung in Berlin und anderen Haupt- Damit droht Deutschland, sich in außen- und si- städten einfließen. cherheitspolitischen Fragen weiter zu isolieren. Einige Dieses Papier ist mit seinem Blick auf Argumente und Beobachter warnen bereits, die Debatte um ein Engage- seinem Wissen um Partner und Auftrag als eine Moment- ment in der Straße von Hormus berge das Potential für aufnahme und Einschätzung zu verstehen. Die Autoren den Beginn einer Kernschmelze der deutschen Außen-, beabsichtigen, das Papier bei wesentlichen Veränderun- Sicherheits- und Verteidigungspolitik. An deren Ende gen anzupassen, um Aspekte zu ergänzen, die in dieser könnte der weitgehende Vertrauens- und Glaubwürdig- Version zu kurz gekommen sind, und dabei auch konst- keitsverlust der Bundesrepublik nicht nur bei den USA, ruktive Kritik aufzunehmen. sondern auch bei den europäischen Partnern stehen. Aber auch für die Europäische Union könnte die Frage nach möglichen Aktivitäten in der Straße von Hormus DGAPkompakt / Nr. 15 / August 2019
Ein Schiff wird kommen? Deutschlands Optionen für einen Marineeinsatz in der Straße von Hormus 4 zum Offenbarungseid werden. Denn sollten sich die Aufgrund der Geografie und der Territorialgewässer Union oder einzelne ihrer Mitgliedsstaaten nicht dazu wird es einer Beobachtermission nicht möglich sein, durchringen können, gemeinsam aktiv zu werden, oder den inneren Teil der Straße von Hormus (SoH) genau wenn sie sich in dieser Frage von den Vereinigten Staaten und dauerhaft zu überwachen. Die Missionskräfte sind spalten lassen sollten, wäre dies ein weiterer Beweis für davon zu weit entfernt. Auch wenn einzelne Kriegsschif- ihre mangelnde sicherheits- und verteidigungspolitische fe Transitpassagen machen, bleibt ihre Präsenz vor Ort Handlungsbereitschaft. sporadisch. Schutzoperationen im Bereich der Territori- algewässer sind aufgrund des Seerechts nur sehr ein- geschränkt möglich, wobei diese Untersuchung auf die Beobachter- oder Schutzmission: rechtliche Beurteilung dieser Grenzen verzichtet. Symbo- Ziele und militärische Aspekte lisch könnten sowohl Beobachtung als auch Geleit auf den Die Bundesregierung ist sich noch nicht einig, ob inneren Persischen Golf ausgedehnt werden, wobei davon Deutschland an einer Mission teilnehmen soll und welche nur eine sehr eingeschränkte Wirkung zu erwarten wäre. Ziele auf diese Weise verfolgt werden sollen. Denkbar Eine zentrale Rolle spielt die Frage, welchen Bedro- sind eine Beobachtermission oder eine Schutzmission für hungen die Mission ausgesetzt ist, unabhängig davon, ob die Schifffahrt. Die Art der Mission stellt unterschiedli- es eine Beobachtungs- oder Schutzmission ist. Unsere che Anforderungen nicht nur an die politische Führung Überlegungen gehen von der Annahme aus, dass die und Aufgabenstellung, sondern auch an die militärischen beteiligten Kräfte nicht von iranischer Seite angegriffen Fähigkeiten.15 werden. Trotzdem müssen sie in der Lage sein, sich selbst Abbildung 1: Seegebiet und Inhalte einer Beobachter- oder Schutzmission Beobachtermission Schutzmission IRAN Ziel: Kenntnis der Vorgänge in Ziel: Schutz der Schiffe der der Straße von Hormus für Teilnehmerstaaten, Einhaltung Öffentlichkeit und UN des Seerechts Straße von Form: Beobachtung, Dokumen- Hormus Form: Dokumentation, Persischer Seegrenze zwischen tation, Deeskalation Schutzbegleitung Golf Iran und Oman Grundbedarf Kräfte: Grundbedarf Kräfte: 5 Fregatten/Zerstörer 5 Fregatten/Zerstörer mit Bordhubschrauber BAHRAIN KATAR Golf von mit bewaffnetem 3 Seefernaufklärer Oman Bordhubschrauber 1-2 Versorger/Tanker plus 1 Führungsschiff 2 Korvetten Missionsbedarf VAE 3 Seefernaufklärer Realer Anteil am 15% 16% 1-2 Versorger/Tanker Gesamtbestand Vessel Protection Team 22% 7% Marine der EU27 (VPT) je begleitetem Handelsschiff Einsatzgebiet: SAUDI-ARABIEN Missionsbedarf OMAN 16% Erweitertes Seegbiet außerhalb Realer Anteil am 20% und an den Ausgängen der SoH Gesamtbestand 10% Internationaler Luftraum Marine der EU27 33% Versorgung: Arabisches Einsatzgebiet: Landbasis für Seefernaufklärer Meer Transitpassagen im inneren Teil Schiffe im Hafen und auf See der SoH, erweitertes Seegebiet JEMEN um die SoH, Führung: Internationaler Luftraum Operation von Hauptquartier auf See möglich Versorgung: Landbasis für Seefernaufklärer Schiffe im Hafen und auf See Führung: Ständiges Hauptqartier an Land oder in einem Hafen in der Region DSCHIBUTI Europäische Militärbasen in der Region: VAE BAHRAIN DSCHIBUTI Bildquellen: Fernglass (Dave Gandy, SiL Open Font License), Schild (Rudez Studio, CC BY 3.0), Kampfschiff/Flugzeug/Helikopter (ibrandify, https://www.iconfinder.com/ibrandify), Flaggen (Vathanx, CC BY-NC 3.0 NL) Bildquellen: Fernglass (Dave Gandy, SiL Open Font License), Schild (Rudez Studio, CC BY 3.0), Kampfschiff/Flugzeug/Helikopter (ibrandify), Flaggen (Vathanx, CC BY-NC 3.0 NL) DGAPkompakt / Nr. 15 / August 2019
Ein Schiff wird kommen? Deutschlands Optionen für einen Marineeinsatz in der Straße von Hormus 5 zu verteidigen. Wir nehmen für unsere Aussagen an, dass fünf Tage auf See versorgt werden. Sie sollte außerdem die Mission bei einer Verschärfung der Lage abgebrochen alle zwei bis drei Wochen einen Hafen anlaufen. Dafür wird. Aus diesen Gründen betrachten wir auch keine braucht man Absprachen mit Anrainerstaaten, jedoch Minenräummission.16 Das entspricht dem restriktiven nicht unbedingt ein Abkommen. Seefernaufklärer hinge- Ansatz dieser Untersuchung, die auf das operationelle gen brauchen eine Basis. Das erfordert eine feste Überein- Minimum ausgerichtet ist, das für eine sichtbare und kunft mit dem jeweiligen Staat. sinnvolle EU-Mission erforderlich ist. In einem alternati- Während der Operation sollte an den beiden Ausgän- ven Szenario würde der Ansatz für die Kräfte erheblich in gen der SoH ständig je ein Schiff im Einsatz sein. Die die Höhe gehen. Seefernaufklärer klären im internationalen Luftraum mit weitem Blick in die SoH auf. Die übrigen Schiffe begleiten Beobachtermission Tanker, zeigen Präsenz im erweiterten Seegebiet oder Eine Beobachtermission hat zum Ziel, deeskalierend zu frischen im Hafen auf. wirken, indem sie das örtliche Geschehen beobachtet, Der Verband kann entweder von Bord oder aus einem Rechtsverletzungen dokumentiert und das Verhalten der Land-HQ geführt werden. Dort wird auch das Lagebild Parteien der UN und der Weltöffentlichkeit zur Kenntnis zusammengefasst, dass das Produkt dieser Operation bringt. darstellt. Welche Kräfte Schutzmission Wir schätzen, dass für einen solchen Einsatz mindestens Geht es um den Schutz der Schifffahrt, ist das mögli- folgende Kräfte erforderlich sind: che Einsatzspektrum erheblich breiter. Dabei muss das .. fünf Fregatten oder Zerstörer mit Bordhubschraubern, Seegebiet, in dem der Schutz gilt, genauer beschrieben davon ein Führungsschiff, werden. Die Mission kann sich auf den Schutz der Schiffe .. drei Seefernaufklärer, der Teilnehmerstaaten beschränken oder die Freiheit der .. ein bis zwei Versorger/Tanker. Seefahrt für alle anstreben. Das anspruchsvollste Ziel wäre, das Seerecht grundsätzlich durchzusetzen. Eine Beobachtungsmission benötigt vor allem Kräfte Mit Blick auf die Gefährdungen gehen unsere Schät- zur Aufklärung von See und aus der Luft. Das zu beobach- zungen von dem am engsten begrenzten Fall aus: Ein- tende Seegebiet definiert dabei den Umfang der Mission. zelne Schiffe oder kleine Gruppen von Schiffen sollen Die folgenden Überlegungen konzentrieren sich auf die durch eine Gefahrenzone begleitet werden. Sie sind vor Straße von Hormus und ihre direkte Umgebung, weil das Angriffen kleiner Boote und kleiner unbemannter Luft- politische Ziel der Einhaltung des Seerechts vor allem fahrzeuge (Drohnen) zu schützen. dort herausgefordert ist. Zudem bestimmt die Geografie die Einsatzbedingun- Welche Kräfte gen: Die SoH ist eine Meerenge in den Hoheitsgewässern Wir schätzen, dass für einen solchen Einsatz mindestens Irans und Omans. Dort ist Kriegsschiffen nur die Transit- folgende Kräfte erforderlich sind: passage mit passiver17 Beobachtung und gegebenenfalls .. fünf Fregatten oder Zerstörer mit bewaffneten Bord- Nothilfe18 gestattet. Diese Einschränkung gilt gleicher- hubschraubern, davon ein Führungsschiff, maßen für militärische Flugzeuge im Luftraum direkt .. Ergänzend zwei Korvetten, über dem Gebiet. Die Beobachtermission ist deshalb im .. drei Seefernaufklärer, Wesentlichen außerhalb der SoH einzusetzen. Hinzu .. ein bis zwei Versorger/Tanker, kommt die gelegentliche Passage der Kriegsschiffe, die .. Vessel Protection Teams (VPT), zur Mission gehören. .. ein Force Headquarter20 im Einsatzgebiet. Fregatten sind das Mittel der Wahl, da sie mit Bordhub- schraubern und ihren sonstigen Sensoren über geeignete Damit wäre der für diesen Einsatz erforderliche Ver- Aufklärungsfähigkeiten verfügen. Sie sind durch Seefern- band ähnlich zusammengesetzt, aber etwas umfangrei- aufklärer zu ergänzen.19 cher als der für die Beobachtermission. Für diese Mission braucht man Kampfschiffe (Zerstörer, Fregatten, Korvet- Durchführung ten), Hubschrauber und natürlich ein Lagebild. Wesent- Die Missionsschiffe operieren außerhalb der Hoheitsge- liche zusätzliche Anforderungen sind Vessel Protection wässer Irans und Omans und werden durch ein Versor- Teams (VPT) und die Bewaffnung der Hubschrauber. Die gungsschiff unterstützt. Eine Fregatte sollte etwa alle VPT werden auf den zu schützenden Schiffen eingeschifft, DGAPkompakt / Nr. 15 / August 2019
Ein Schiff wird kommen? Deutschlands Optionen für einen Marineeinsatz in der Straße von Hormus 6 um das Kapern durch Boardingteams wie beim britischen Können die EU-Staaten oder eine Koalition europä- Tanker ‚Stena Impero‘ zu verhindern. ischer Staaten einen solchen Einsatz mit ihren Mitteln Die genaue Anzahl der benötigten Schiffe hängt überhaupt leisten? Gerade die deutsche Marine ist, wie davon ab, wie groß der Bedarf an Geleit ist. Wie bei der inzwischen regelmäßig diskutiert wird, an der Grenze Beobachtermission sollte die Mindestzahl fünf betragen. dessen, was sie an Einsätzen bewältigen kann.21 Ihr und Werden es mehr, steigt zugleich der Bedarf an Versor- anderen europäischen Marinen fehlt vor allem die Zeit gungsschiffen. für anspruchsvolle Ausbildung, weil sie seit nunmehr fast drei Jahrzehnten in Auslandseinsätzen gebunden und Durchführung dabei zahlenmäßig immer weiter geschrumpft sind. Wir nehmen an, dass ein einzelnes Kriegsschiff bis zu drei Die folgenden Seiten zeigen, dass die EU-Marinen Schiffe geleiten kann. Größere Gruppen müssen von meh- (wegen des Brexit hier als EU27 ohne Großbritannien reren Kriegsschiffen begleitet werden. Dabei wird jeweils definiert) grundsätzlich über hinreichende Mittel verfü- davon ausgegangen, dass bewaffnete Hubschrauber zur gen, um eine Beobachtermission oder eine Schutzmission Verfügung stehen und auf jedem Handelsschiff ein VPT durchzuführen. Die Größe der skizzierten Operationen eingeschifft ist. erlaubt einen Beitrag zur maritimen Sicherheit, der über Das HQ muss zusätzlich zur Beobachtermission die Zu- reine Symbolik hinausgeht. Dieser lässt sich aber nicht sammenarbeit mit der Schifffahrt koordinieren, Geleite beliebig erhöhen: Die Mittel sind in der Regel in vielen an- zusammenstellen und die Verbringung der VPT organisie- deren Verpflichtungen gebunden, darunter nationale und ren. Deshalb erscheint die Stationierung in einem Hafen multinationale Einsätze sowie in NATO-Verbänden. Jede oder an Land sinnvoll. neue Operation wird also zulasten bestehender Aufgaben und der Ausbildung gehen. Was kann Europa leisten? Politische Interessen der Europäer Deutschland strebt eine Mission mit europäischen Part- Die politischen Interessen in vielen europäischen Staaten nern an. Dabei ist der genaue Rahmen noch nicht geklärt. decken sich im Prinzip mit denen Deutschlands. Viele Vorstellbar ist eine EU-Mission (EUNAVOR) unter dem Staaten haben ein Interesse an der Durchsetzung des politischen Dach der EU oder eine Ad-Hoc-Koalition, an Prinzips der freien Seefahrt und sicherer Handelswege. der im Wesentlichen europäische Partner beteiligt sind, Sie sehen die Lage am Golf mit Sorge und wünschen sich die aber nicht Mitglied der EU sein müssen. eine Deeskalation. Zudem verspüren sie den wachsen- den Druck der USA, über die Beteiligung an einer US- Abbildung 2: Potenzielle Truppensteller für Beobachter- geführten Mission im Golf einen Beitrag für ihre eigene oder Schutzmission Sicherheit zu leisten.22 Deshalb laufen trotz des Ausstie- ges der Briten die Gespräche in einzelnen europäischen e Hauptstädten weiter. Am 8. August etwa hat Schweden hiff Bo rd fsc Nur Schutz hu seine Bereitschaft erklärt, an einer maritimen Mission p bs am c mitzuwirken.23 rk hr se Einzeln jedoch können die europäischen Staaten al- au as be erw NATO NATO lerdings keine sinnvollen Beiträge leisten. Es fehlt derzeit r Üb ein Akteur, der eine europäische Mission initiiert, zusam- mensetzt und dann auch führt. Viele Europäer hätten sich gern der britischen Mission angeschlossen oder haben Führung/Hauptquartier dies zumindest erwogen.24 Für eine Führungsrolle brin- gen Länder wie Italien derzeit nicht die politische Kraft NATO NATO auf. Dafür ist der Problemdruck nicht groß genug. Zudem e sind die Länder bereits zu stark in anderen maritimen eug Operationen eingebunden. gz Lo flu gis Eine neue Initiative aus Berlin oder/und Paris wäre gs ti k un hi deshalb willkommen – nicht zuletzt, weil die einzige sc l är ffe fk Au Alternative sonst die Beteiligung an der US-Mission ist. Bildquellen: Flaggen (Vathanx, CC BY-NC 3.0 NL) DGAPkompakt / Nr. 15 / August 2019
Ein Schiff wird kommen? Deutschlands Optionen für einen Marineeinsatz in der Straße von Hormus 7 EU und europäische Partner Die Zusammensetzung der beitragenden Staaten hat Potenzielle Teilnehmer an einer EU-/europäischen Rückwirkungen auf den Umfang der verfügbaren Fähig- maritimen Mission gibt es genug, wie aus Abbildung 3: keiten. Das kann ein Anreiz sein, Nicht-EU-Staaten einzu- Annahme zu Rotationen und Kräfteansatz (S. 10) hervor- binden, weil mit ihnen mehr Fähigkeiten zur Verfügung geht. Aus 16 von 27 EU-Staaten könnten Beiträge in Form stehen. Eine Beteiligung von weiteren NATO-Staaten wie von Schiffen oder Flugzeugen kommen, ebenso aus den Kanada, Großbritannien und Norwegen hätte, wie aus drei betrachteten Partnerstaaten Großbritannien, Kanada Tabelle 1 hervorgeht, einen entlastenden Effekt über alle und Norwegen. Beide Missionstypen (sowohl Beobach- Fähigkeiten hinweg. ter- als auch Schutzmission) könnten Einheiten von fast allen 16 Staaten nutzen. Schweden kommt mit Korvetten als Truppensteller in einer Schutzmission hinzu, ebenso Vorhandene und verfügbare Fähigkeiten wie Bulgarien mit Fregatten ohne Hubschrauberhangar.25 Die Anforderungen an die Ausrüstung unterscheiden sich Andere Länder, darunter die Balten, Finnland und Öster- bei den Missionstypen nicht erheblich. Vergleicht man reich, könnten VPT stellen und sich an den Führungsstä- die vorhandene Ausrüstung mit dem, was gebraucht wird, ben beteiligen. können auf den ersten Blick beide Missionstypen von den Gleichzeitig verdeutlicht die Abbildung 2 bereits, dass 27 EU-Staaten27 allein bestückt werden. Tabelle 2 zeigt es Bereiche gibt, die nur von wenigen Staaten abgedeckt am Beispiel der Beobachtermission 28, dass weniger als werden können: Nur fünf Staaten können Seeaufklärer zehn Prozent der nominellen Größe der EU-Marinen in und Führungsstrukturen stellen. Das bedeutet, dass ohne einer solchen Mission zum Einsatz kämen. Beiträge aus diesen Staaten keine Mission möglich ist. Tabelle 2: Verhältnis nominell vorhandener und Tabelle 1: Bestände der Marinen der EU27 und benötigter Kräfte für eine Beobachtermission ausgewählter europäischer Partner26 ÜW + Hangar HS LogS MPA Staat ÜW* HS* LogS* MPA* Bedarf für die Mission 5 7 2 3 Belgien 2 7 0 0 Vorhanden in der EU 93 286 27 59 Bulgarien 4 2 2 0 Anteil Missionsbedarf Dänemark 5 17 0 0 am Gesamtbestand Finnland 0 0 0 1 EU27-Marinestreitkräfte 5% 7% 2% 5% Frankreich 30 83 3 12 Deutschland 14 43 9 8 Doch dürfen die auf den ersten Blick sehr positiv ausse- henden Zahlen 29 nicht darüber hinwegtäuschen, dass Griechenland 18 18 3 0 mehrere Faktoren die Anzahl der tatsächlich für eine Irland 0 0 0 2 solche Mission zur Verfügung stehenden Einheiten massiv Italien 17 47 3 5 reduzieren. Drei möchten wir an dieser Stelle hervorhe- Niederlande 6 12 1 0 ben: Polen 3 19 2 10 .. Erstens gibt es in der EU kein Schiff ohne Aufgabe. Die Portugal 7 5 1 10 Schiffe sind langfristig für Operationen, Übungen und Rumänien 7 0 1 0 Ausbildung eingeplant. Für den Einsatz von Einheiten Spanien 11 28 2 11 für die hier betrachtete Operation müssen die Regie- Schweden 5 5 0 0 rungen also in die bestehenden Planungen eingreifen. Summe EU27 129 286 27 59 .. Zweitens erfordert ein längerer Einsatz die Rotation Kanada 6 13 1 9 der im Einsatz stehenden Einheiten. Sowohl Besat- Norwegen 4 25 0 4 zungen als auch die meisten Schiffe benötigen nach Großbritannien 19 58 7 0 vier bis sechs Monaten im Einsatzgebiet eine Unter- Summe EU27 + 158 382 35 72 brechung zur Regeneration und Wartung. Nur wenige GB + NOR + KAN Schiffstypen wie die neue deutsche Fregatte F-125 sind Mehrwert durch für längere Standzeiten und mehrere, am Einsatzort Beteiligung (in %) 22% 34% 30% 22% wechselnde Besatzungen konzipiert. Damit erhöht sich *Legende: ÜW = Überwasserkampfschiffe, HS = Hubschrauber, die Anzahl der erforderlichen Kräfte bei längeren Mis- LogS = Logistikschiffe, MPA = Maritime Patrol Aircraft (Seeaufklärer) sionen erheblich. In dieser Betrachtung wird mit einer Einsatzdauer von eineinhalb Jahren gerechnet, was DGAPkompakt / Nr. 15 / August 2019
Ein Schiff wird kommen? Deutschlands Optionen für einen Marineeinsatz in der Straße von Hormus 8 ungefähr eine Verdreifachung der benötigten Kräfte nien wurde aufgrund des Brexits nicht berücksichtigt). bedeutet (z.B. 15 Überwasserkampfschiffe statt fünf). Schließlich benötigt eine Schutzmission Kräfte, die als .. Drittens nimmt Abbildung 3 (S. 10) eine Einsatzbereit- Schutz an Bord von zivilen Schiffen stationiert werden schaft von 100 Prozent für alle vorhandenen Einhei- können (Vessel Protection Teams). Die Annahme hier ten an. Das ist in der Realität nicht zu erreichen, da ist, dass diese von vielen Staaten ohne Probleme gestellt stets Systeme in Wartung und Instandsetzung sind. werden können. An dieser Stelle gibt es also kein nen- Unfälle und Schäden können zudem zu ungeplanten nenswertes Problem mit knappen Fähigkeiten. Ausfällen führen. Aus zusammengetragenen Beobach- tungen lässt sich eine Spanne der Einsatzbereitschaft Militärische Führungsstrukturen und Stützpunkte von Schiffen in Europa zwischen 30 und 70 Prozent Eine EU-Mission wird in der Regel von einem Operati- annehmen. Diese Faktoren gelten, wenngleich auch onal Headquarters (OHQ) in einem der Mitgliedsstaa- mit anderen Werten, auch für die Bordhubschrauber, ten und einem Force HQ (FHQ) vor Ort geführt.30 Das Aufklärungsflugzeuge und Versorgungsschiffe. deutsche OHQ wäre Ulm. Hier gibt es jedoch nur geringe Erfahrung mit Marineoperationen. Es gibt drei weitere Bezieht man nur den ersten und zweiten Punkt ein, EU-Staaten sowie das Vereinigte Königreich, die maritime dann ergibt sich daraus, dass a) die Einsetzung einer HQ stellen können: Spanien, Italien und Frankreich. Das Mission Zeit braucht, weil man Schiffe und andere Fähig- spanische OHQ führt seit Frühjahr 2019 die EU-Mission keiten aus bestehenden Verpflichtungen herauslösen und Atalanta. Italien ist für die Mission Sophia verantwortlich. ersetzen muss; b) dass die geschätzte Inanspruchnahme Doch Frankreich führt derzeit keine maritime Mission. Es des europäischen Fähigkeitenpools je nach Fähigkeit könnte also die Rolle des OHQ übernehmen.31 zwischen 10 und 25 Prozent liegt (Tabelle 3). Für eine Beide Missionstypen müssten vorranging auf die Basen Schutzmission wäre sie noch etwas höher (Tabelle 4). von Partnerstaaten oder befreundeten Staaten in der Diese Schätzung ist angesichts des dritten Faktors, der Region zurückgreifen, um ihre Schiffe warten und die Einsatzbereitschaft, ohnehin noch sehr optimistisch. Flugzeuge betreiben zu können. Tabelle 3: Verhältnis von vorhandenem Material und Tabelle 4: Verhältnis von vorhandenem Material und geschätzten Anforderungen für eine Beobachtermission geschätzten Anforderungen für eine Schutzmission ÜW ÜW + Hangar HS LogS MPA + Hangar HS LogS MPA Bedarf für die Mission 5 7 2 3 Bedarf für die Mission 7 10 3 4 Vorhanden in der EU 93 264 27 33 Vorhanden in der EU 129 286 27 59 Rotationen 3 3 3 3 Rotationen 3 3 3 3 Bedarf unter Einbeziehung 15 21 6 9 Bedarf unter Einbeziehung 21 30 9 12 der Rotationen der Rotationen Anteil Missionsbedarf Anteil Missionsbedarf am Gesamtbestand am Gesamtbestand EU27-Marinestreitkräfte 16% 7% 22% 15% EU27-Marinestreitkräfte 16% 10% 33% 20% Die Schutzmission erfordert, wenn auch in begrenztem Dazu zählen neben denjenigen von regionalen Partnern Umfang, weitere Kräfte, insbesondere weitere Überwas- die US- und britischen Basen in Bahrain, die französische serkampfschiffe zum Geleit von zivilen Schiffen sowie Basis in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder, etwas mehr Hubschrauber und Versorgungsschiffe. Gleichzeitig weiter entfernt, die französische Basis in Djibouti, wo können hier aber auch andere Einheiten für Geleitschutz auch Deutschland einen einfachen Abstützpunkt betreibt. eingesetzt werden, wie Korvetten sowie Fregatten und Zerstörer ohne Bordhubschrauber. Das erhöht die Grund- Verhältnis zu einer US-geführten Mission gesamtheit der in den EU27 vorhandenen und einsatzfähi- Bereits an der Frage, welche Art von Mission Deutschland gen Kriegsschiffe für diesen Typ Mission. unterstützen oder gar initiieren würde, unterscheidet Zudem sollte bei einer solchen Operation zusätzlich zur sich die deutschen von den US-amerikanischen Über- lokalen schwimmenden Führungsstruktur ein landbasier- legungen. In Washington denkt man sowohl über eine tes Hauptquartier zur Führung der Mission zur Verfügung Beobachter- als auch eine Schutzmission nach, die zudem stehen. Hierfür kommen in der EU nur Hauptquartiere geografisch breiter angelegt werden soll (SoH und Bab in Spanien, Italien oder Frankreich in Frage (Großbritan- el-Mandeb). Allerdings sieht die amerikanische Adminis- DGAPkompakt / Nr. 15 / August 2019
Ein Schiff wird kommen? Deutschlands Optionen für einen Marineeinsatz in der Straße von Hormus 9 tration ihre Pläne auch als Teil der Maximum Pressure müssten. Eine Mission sollte zudem einen definierten Strategy gegenüber dem Iran, einer Position, die die Endzustand oder Zeitpunkt haben, an/zu dem die Opera- Bundesregierung dezidiert ablehnt. Zumindest das Aus- tion beendet wird. wärtige Amt ist offenbar überzeugt, dass eine mögliche Fähigkeiten und deutsche Beiträge: Die Verfügbar- europäische maritime Mission nur ein Teil einer größeren keiten der europäischen Marinestreitkräfte, insbesondere diplomatischen Anstrengung zur Befriedung der Situ- der Deutschen Marine, gibt unmittelbar Anlass zur Sorge. ation in der SoH sowie im Persischen Golf sein kann.32 Der begonnene Wiederaufwuchs muss dahingehend Dennoch wird keine europäische Mission umhinkommen, überprüft werden, ob und wie er beschleunigt werden ihre Bemühungen engstens mit der US-geführten Mission kann. Wenn Deutschland mitmacht, muss es ständig mit abzustimmen und zwar sowohl auf der operativen Ebene mindestens einem Schiff präsent sein. Das geht natürlich (etwa durch Verbindungsoffiziere in den entsprechenden zu Lasten anderer Aufgaben, nicht zuletzt der Ausbildung OHQ’s und FHQ’s als auch auf der diplomatischen Ebene in den High-End-Bereichen, die die Bundesmarine in den (regelmäßige Treffen der Politischen Direktoren). bisherigen Einsätzen des Internationalen Krisenmanage- ments (IKM) teilweise verlernt hat. Europäische und weitere Partner: Deutschland und Empfehlungen die EU sollten sich bemühen, auch Nicht-EU-Staaten zur Als im- und exportabhängige Nation hat Deutschland ein Teilnahme zu gewinnen wie etwa Norwegen, Kanada, vitales Eigeninteresse an der Freihaltung der Seewege. Australien oder Neuseeland. Bei Operationen im Mittle- Berlin sollte zum Erhalt seines Gestaltungsanspruchs und ren und Nahen Osten bzw. am Persischen Golf wäre es zur Wahrung seiner Interessen eine Mission mitentwi- aus Legitimitätsgründen zweckmäßig, auch arabische ckeln und sie gegebenenfalls führen. Es könnte sonst am oder nordafrikanische Staaten um eine gegebenenfalls Ende ohne Partner und Einfluss dastehen. Die derzeitigen auch nur symbolische Beteiligung zu bitten. Entwicklungen legen nahe, dass es eine US-Mission ge- Darüber hinaus sollte Deutschland Großbritannien ben wird. Ihr könnten sich europäische Partner anschlie- ermutigen, ein Schiff zu einer EU-Mission beizusteuern. ßen wollen, um ihre Interessen zu sichern – vor allem Zwar hat sich London der amerikanischen Initiative wenn es keine Alternative gibt. Gleichzeitig gibt es erste angeschlossen, dennoch gibt es mit Blick auf den Brexit Anzeichen, dass Russland und China eine eigene Mission ein deutsches und britisches Interesse, die EU nicht ohne starten könnten und damit ihren Gestaltungsanspruch Beteiligung Großbritanniens eine solche Mission durch- geltend machen. Eine EU-/europäische Mission mag nun führen zu lassen. Diese britische Beteiligung könnte spät kommen, aber für viele Europäer, die sich ungern an dann als eine Art Blaupause für die sicherheitspolitischen der US-Mission beteiligen würden, kann sie eine willkom- Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien nach mene Alternative sein. Zudem könnte Deutschland seinen dem Brexit dienen. angeschlagenen außen- und sicherheitspolitischen Ruf Der Umgang mit den USA: Eine integrierte Mission verbessern, wenn es die Initiative übernimmt, die mittler- mit den USA ist derzeit weder in Berlin noch in anderen weile gewachsenen Zweifel der Partner überwindet und Hauptstädten politisch denkbar. Gleichzeitig kann kein die Mission am Ende sogar führt. Dass es zu einer solchen europäischer Staat sein Engagement in der Region be- Leistung fähig ist, hat es 2006 gezeigt, als es die Marine- denken, ohne die USA, deren Mission und deren Konflikt komponente für UNIFIL organisierte. mit dem Iran in die eigenen Überlegungen einzubezie- Mission/Mandat: Bereits eine Beobachtermission hen. Deshalb wird sich jede europäische Mission mit der kann einen gewissen sicherheitspolitischen Beitrag leis- US-geführten Initiative aufs engste koordinieren müssen. ten. Doch dafür müssen Missionsmandat und Einsatzre- Auch eine enge Kooperation ist denkbar. Dies bedeutet geln die Möglichkeit einer „Srebrenica-Paralyse“ vermei- nicht, dass man Teil der US-Initiative wird. Dafür könn- den: Eine Beobachtermission, die nicht befugt ist, bei te Deutschland zum Beispiel vorab erklären, dass es an Gefahr für Leib und Leben unbeteiligter Seeleute einzu- keiner Aktion teilnehmen wird, die über den Schutz der greifen ist in jedem Fall zu vermeiden. Stattdessen muss durch die SoH fahrenden Schiffe hinausgeht. Sollten die das Mandat die Anwendung von angemessener Gewalt USA den Konflikt mit dem Iran militärisch eskalieren, zum Schutze Anderer ermöglichen. Dies dient auch dem würde die deutsche Marine ihre Zusammenarbeit mit Schutz des Verbandes selbst. Ein zu restriktives Mandat der amerikanischen Initiative sofort abbrechen. Es gibt könnte einen Anreiz setzen, die Europäer vorzuführen keinerlei Automatismus, der Deutschland zwingen würde, und sie als Abhängige der USA darzustellen, wenn sie im sich aktiv an einer solchen Eskalation zu beteiligen. Falle einer Eskalation die US-Verbände um Hilfe bitten DGAPkompakt / Nr. 15 / August 2019
Ein Schiff wird kommen? Deutschlands Optionen für einen Marineeinsatz in der Straße von Hormus 10 Annex: Methodische Hinweise – was zählen wenige Schiffstypen wie die neue deutsche Fregatte F-125 wir, und wie? sind für längere Standzeiten und mehrere, am Einsatzort Annahmen und Schätzungen sind die Grundlage für einige wechselnde Besatzungen, konzipiert. Zudem wurde an- zentrale Aussagen des Textes. Dieses Vorgehen ist üblich, genommen, dass die Kräfte des ersten Einsatzes auch die vor allem, wenn Werte nicht öffentlich verfügbar sind und vierte Rotation stellen, das heißt jeweils zwei Zeiträume die Annahmen auf transparente Weise gemacht werden. für Rückführung aus Einsatz, Wartung und gegebenen- Zahlreiche Annahmen haben wir bereits im Text offen- falls Training und Ausbildung hinreichend sind.33 gelegt. Die Anmerkungen hier beziehen sich im Wesentli- Bei der Betrachtung der Beobachtermission sind nur chen auf die Schätzungen in Kapitel 4. Schiffe mit Bordhubschrauberhangar berücksichtigt Die Klassifizierung der in die Zählung eingeflossenen worden. Bei der Schutzmission wiederum wurden auch Schiffe wurde zum überwiegenden Großteil vom Interna- andere hochseetüchtige Kriegsschiffe (hier: Korvetten) tional Institute for Strategic Studies (IISS) übernommen, und andere Überwasserkampfschiffe (Zerstörer, Fre- da nationale Klassifizierungen sich unterscheiden. Das gatten) ohne Hubschrauberhangar einbezogen. In der IISS nutzt in seinem Standardwerk zu militärischen Kräf- Entwicklung der Anforderungen beider Missionstypen ten, der Military Balance, Verdrängung als Klassifizie- wurde mit der Annahme von ein bis zwei Hubschraubern rungsmaßstab von Schiffen. Einzelne Reklassifizierungen pro Überwasserkampfschiff gearbeitet. wurden aufgrund von Rückmeldungen zur ersten Version Als Hubschrauber wurden den jeweiligen Marinen zu- des Papiers vorgenommen. geordnete Hubschrauber gezählt, unter Berücksichtigung der Rollen U-Jagd, Mehrzweckhubschrauber und Search Abbildung 3: Annahme zu Rotationen und Kräfteansatz and Rescue (SAR). Als Bewaffnung werden schwere Maschinengewehre angenommen, die zur Bekämpfung von kleinen Booten geeignet sind. Als Starrflügler zu Aufklärungszwecken wurden sowohl Seeaufklärer wie e3 Ein auch U-Jagdflugzeuge einbezogen. Die für den Einsatz in pp s Frage kommenden Versorgungsschiffe umfassen so- u at gr zg wohl Tanker als auch Mehrrollen-Einsatzversorger (wie Einsatz Monate ruppe 1 9-12 bzw. 13-18 Monate z.B. die deutschen Einsatzgruppenversorger der Berlin- 1-4 bzw. 1-6 13-16 bzw. 19-24 Klasse). Es wird angenommen, dass die in der Datenbasis aufgeführten Versorgungsschiffe zur Versorgung in See Monate 5-8 bzw. 7-12 geeignet sind. Ein 2 satzgruppe Prof. Dr. Carlo Masala ist Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München. Dr. Christian Mölling ist Stellvertretender Die Rotation von Kräften wurde mit einer Standzeit Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für von vier bis sechs Monaten berechnet und auf eineinhalb Auswärtige Politik (DGAP). Jahre Missionsdauer begrenzt. Sowohl Besatzungen als auch die meisten Schiffe benötigen dann eine Unterbre- Torben Schütz ist Associate Fellow im Programm chung des Einsatzes zur Regeneration und Wartung. Nur Sicherheit, Verteidigung und Rüstung in der DGAP. Anmerkungen 1 Dieses Papier hätte nicht ohne die unschätzbare 2 o.A., Militäreinsatz am Golf: SPD für Ablehnung (abgerufen am: 15.08.2019). und Peter Carstens, maritime Expertise mehrerer Angehöriger der der US-Anfrage, in: Welt, 31.07.2019, (abgerufen am: folgen Amerika, in: Frankfurter Allgemeine Zei- Military Balance 2019 (Aktualität der Daten ist 15.08.2019). tung, 06.08.2019, (abgerufen am: haben die Autoren vereinzelt Aktualisierungen 03.08.2019, minister talks Gulf crisis with NATO‘s Stoltenberg, DGAPkompakt / Nr. 15 / August 2019
Ein Schiff wird kommen? Deutschlands Optionen für einen Marineeinsatz in der Straße von Hormus 11 in: Deutsche Presse-Agentur, 31.07.2019, und (abgerufen am 19.8.2019) oder auch: Ischinger server.com/tickers/145606> (abgerufen am: Christian Hacke, Deutsche Außenpolitik; und die fordert deutsche Beteiligung an Marine-Mis- 22.08.2019). Verteidigungsministerin schweigt zu Hormus, in: sion im Persischen Golf, in: Welt, 28.07.2019, 24 o.A. EU states express interest in British plans Welt, 15.08.2019, (abgerufen am: 15.08.2019). 15.09.2019). 12 Paul-Anton Krüger, Berlin will im Golf Beobach- 25 Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die hier 5 Stine Jacobsen, Denmark backs Britain’s pro- termission, in: Süddeutsche Zeitung, 05.08.2019, aufgeführten Einheiten über unterschiedliche posed Hormuz naval mission, in: Reuters News, (abgerufen am: 15.08.2019). Mission strikt ab, in: Tagesspiegel, 30.07.2019, Fähigkeit, auf See zu versorgen (replenishment at 6 Joint Comprehensive Plan of Action, gemeinhin (abgerufen Schutzmission, weniger für die Beobachtermis- on im Persischen Golf, in: Euronews, 05.08.2019, am 19.8.2019) sion in Frage kommen, insbesondere Korvetten (abgerufen am: 15.08.2019). Georg Ismar, 2019. 27 Großbritannien ist zwar noch Mitglied der EU, Wie Berlin um eine Beteiligung an der Hormus- 15 Viele Marinebegriffe, insbesondere das Verständ- wird angesichts des bevorstehenden Brexits in Mission ringt, 05.08.2019, (abgerufen marineglossar/ (abgerufen am 19.08.2019) oder Fregatten) mit Hubschrauberhangar (um am: 15.08.2019); o.A.: Briten schließen sich 16 Die Fähigkeiten des Iran, mit Seestreitkräften, möglichst weiträumige Aufklärung zu gewähr- US-Mission im Persischen Golf an (abgerufen 19.08.2019). den ohnehin laufenden Sensoren beobachten. Dabei wird sowohl hier wie auch für eine Schutz- 8 Julia Emmrich, FDP regt Bundestagsmandat Kein Hubschrauber oder Drohneneinsatz, keine mission angenommen, dass die lokale Führung für Golf-Mission an; Fraktionsvize Lambsdorff: Feuerleitradars. des Einsatzes durch einen Stab auf einem der Bundeswehr könnte Kapazitäten aus anderen 18 Hilfe, wenn jemand angegriffen wird, ist immer Überwasserkampfschiffe gewährleistet wird. Einsätzen abziehen, in: Hamburger Abendblatt, erlaubt. 29 Bezieht sich auf das Verhältnis der Zahlen in 06.08.2019, betrachtet. 30 Council of the European Union: EU Concept for (abgerufen am: 15.08.2019). 20 Ein FHQ entsprechend der militärischen Organi- Military Command and Control. Brussels, 23 9 Stine Jacobsen, Denmark backs Britain’s pro- sation der EU. April 2019 26.07.2019, (abgerufen am: 15.08.2019). Allgemeine Zeitung, 06.08.2019, (abgerufen am: 15.08.2019), S. 48- 22 Sigmar Gabriel, Fremde Federn: Europas Verant- 32 Die Aussagen in diesem Unterkapitel beruhen auf 52. wortung für sichere Seewege, in: Frankfurter All- vertrauliche Gespräche mit Vertreterinnen und 11 Viel beachtete Beiträge waren u.a.: Claudia von gemeine Zeitung, 04.08.2019, (abgerufen am: DGAP (2018): “Protecting Europe - Meeting the schen Golf, in: Tagesspiegel, 23.07.2019
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