Diakonie zieht Bilanz zu Ein-Euro-Jobs - Rheinland Westfalen Lippe
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Rheinland Westfalen Lippe Diakonie zieht Bilanz zu Ein-Euro-Jobs Umsetzung von Arbeits- Zusammenstellung gelegenheiten für Lang- einiger zentraler zeitarbeitslose (nach SGB Forschungsergebnisse II, § 16) in Mitgliedsein- aus der Langzeit- richtungen des Diako- studie nischen Werkes der Evangelischen Kirche im Rheinland e.V. Autor: Michael Wiedemeyer koelnInstitut iPEK
3 Inhalt 1. Das empirische Forschungsvorhaben „Arbeitsgelegenheiten in der Diakonie Rheinland“ 2. Zur Struktur der Ein-Euro-Kräfte 3. Erwerbsstatus der früheren Ein-Euro-Kräfte 4. Beschäftigungsverhältnisse und prekäre Arbeitsmarktlage 5. Laufzeiten der Ein-Euro-Jobs 6. Eingliederungseffekte differenziert nach Qualifikationsniveau 7. Eingliederungseffekte differenziert nach Verbleibsdauer 8. Eingliederungseffekte differenziert nach Dauer der vorangegangenen Arbeitslosigkeit 9. Erhöhen die Ein-Euro-Jobs die individuellen Arbeitsmarktchancen? 10. Gesteigerte Lebensqualität 11. Noch einmal einen Ein-Euro-Job?
Edited by Foxit PDF Editor 4 Diakonie zieht Bilanz zu Ein-Euro-Jobs Copyright (c) by Foxit Software Company, 2004 For Evaluation Only. 1. Das empirische Forschungsvorhaben „Arbeitsgelegenheiten in der Diakonie Rheinland“ Der diakonische Wohlfahrtsverband „Die Diakonie weiß, wovon sie redet, denn ist bundesweit einer der Hauptak- allein in Nordrhein-Westfalen sind bei teure bei der Durchführung der diakonischen Trägern mehr als 18 000 Personen Arbeitsgelegenheiten für Langzeit- als Ein-Euro-Jobber in Maßnahmen tätig.“ Dr. Uwe Becker arbeitslose (nach § 16, Sozialge- setzbuch II). die Praxis der Ein-Euro-Jobs und Die umgangssprachlich als Ein-Euro- speziell ihre Umsetzung im eigenen Jobs bekannten Maßnahmen wurden Verband genauer zu untersuchen. seit Jahresbeginn 2005 mit Inkrafttreten Bei der Konzeption „Unsere Ergebnisse resultieren nicht aus dem Abgleich von des Forschungsvor- vorhandenem statistischen Material, sie basieren vielmehr auf habens wurde den Selbstaussagen der Menschen in den Maßnahmen. Damit „Ein-Euro-Kräften“ reflektiert das methodische Vorgehen der Studie das Profil der besondere Auf- Dr. Uwe Becker, Diakonie, nämlich den Ansatz bei den konkreten Menschen. In merksamkeit dieser Hinsicht ist die Studie einzigartig.“ Vorstand der Diakonie gewidmet; deren Michael Wiedemeyer Rheinland-Westfalen-Lippe Eindrücke, Ein- schätzungen und des Hartz-IV-Gesetzes zügig zum Erfahrungen sollten in erster Linie dominierenden arbeitsmarktpolitischen ermittelt werden. Die in diesem Text Instrument für Arbeitslosengeld II-Emp- präsentierten Ergebnisse fußen auf einer fänger ausgebaut. Nicht zuletzt diese „Offenkundig gelingt es Langzeitarbeitslosen selbst in Zeiten Tatsache hat das des wirtschaftlichen Aufschwungs kaum, über instabile Diakonische Werk und latent gefährdete Arbeitsstellen mit geringer Bezahlung Rheinland bereits hinauszukommen. Gerade diese Arbeitsverhältnisse sind es, im Sommer 2005 von denen zu befürchten ist, dass sie der Rezession zum Opfer fallen.“ dazu veranlasst, Michael Wiedemeyer eine Studie in Auftrag zu geben Michael Wiedemeyer, mit der Zielsetzung, Serie von drei empirischen Erhebungs- Sozialforscher, koelnInstitut iPEK, runden, die zu diesem Zweck im Verfasser der Studie „Die Menschen, die in unseren Einrichtungen als Diakonischen Werk Rheinland Ein-Euro-Jobber beschäftigt sind, bescheinigen durchgeführt wurden: Im Sommer der Diakonie eine gute Arbeit. Das ändert aber 2006 wurde in einem ersten nichts daran, dass die Integrationserfolge unserer Schritt eine Stichprobe von 263 Beschäftigungs- und Qualifizierungsträger jetzt Teilnehmerinnen und Teilnehmern innerhalb kürzester Zeit den Bach runter zu in Arbeitsgelegenheiten in gehen drohen“, Einzelgesprächen mittels eines Dr. Uwe Becker standardisierten Fragebogens eingehend interviewt.
Diakonie zieht Bilanz zu Ein-Euro-Jobs 5 Im Frühjahr 2007 fand dann bei diesem die drei Befragungen als auch für den Personenkreis eine erste telefonische Längsschnitt über die drei Erhebungs- Nacherhebung statt. Die Erkenntnisse, zeitpunkte ist eine solide empirische die durch diese beiden Befragungen Datenbasis gegeben (vgl. nachfolgende gewonnen werden konnten, wurden Tabelle). Ende 2007 in einem ersten Forschungsbericht veröffentli- „Wir brauchen eine wesentlich längere und nachhaltige Förderkette unterschiedlicher cht (vgl. Diakonisches Werk Maßnahmen. Das Programm ‚Job-Perspektive’, (Hrsg.): Ein-Euro-Jobs – um- das auf einen dauerhaft subventionierten Zweiten stritten und reformbedürftig, Arbeitsmarkt setzt, ist der richtige Schritt in die Düsseldorf 2007). richtige Richtung“, Nikolaus Immer Zwei Jahre nach Start der ersten Befragungswelle wurde im Sommer 2008 eine zweite Nikolaus Immer, telefonische Nacherhebung realisiert. Leiter des Geschäftsbereiches Soziales Eine Reihe von Befunden, die diese und Integration der Diakonie erneute Befragung erbracht hat, wird in Rheinland-Westfalen-Lippe diesem Text dargestellt. Es handelt sich bei dieser Langzeitstudie um keine Repräsentativerhebung, aber sowohl für Tabelle: Verlauf der drei Erhebungsrunden im Diakonischen Werk Rheinland (1) Ausgangsbefragung im Sommer 2006 Durchgeführt werden insgesamt 263 Interviews; 185 Befragte aus diesem Kreis erklären zusätzlich ihre Einwilligung in mögliche spätere Telefoninterviews. (2) Erste Telefonbefragung im Frühjahr 2007 Durchgeführt werden insgesamt 127 Interviews; dies entspricht einer Quote von 69 % der Personen, die in Telefoninterviews eingewilligt haben. (3) Zweite Telefonbefragung Sommer 2008 Durchgeführt werden insgesamt 103 Interviews; dies entspricht einer Quote von 56 % der Personen, die in Telefoninterviews eingewilligt haben.
6 Diakonie zieht Bilanz zu Ein-Euro-Jobs 2. Zur Struktur der Ein-Euro-Kräfte Die nachfolgende Tabelle ermöglicht die Gegenüberstellung der diakonischen Stichprobe zur Gesamtstruktur der Arbeitsgele- genheiten in Westdeutschland. Die aufgelisteten Strukturmerkmale liefern zudem Anhaltspunkte dazu, in welchem Umfang bestimmte Zielgruppen erreicht werden. Tabelle: Teilnehmende an Arbeitsmarktgelegenheiten nach ausgewählten personenbezogenen Strukturmerkmalen (Angaben in Prozent)12 Westdeutschland Stichprobenerhebung im insgesamt 1 Diakonischen Werk 2 Ausgangs- Telefon- Merkmal 2006 2007 befragung befragungen 2006 2007 2008 Geschlecht männlich 65 63 67 61 63 weiblich 35 37 33 39 37 Alter (in Jahren) 15 bis 24 24 21 9 6 6 25 bis 29 11 10 8 8 8 30 bis 39 22 22 27 29 32 40 bis 49 27 29 30 27 28 50 bis 54 10 12 14 17 16 55 bis 64 7 7 11 13 13 Migrationshintergrund Ausländerinnen/Ausländer 14 14 13 11 12 Deutsche insgesamt 86 86 87 89 88 Berufsausbildung Daten für 2005 ohne Berufsabschluss 61 49 45 41 Lehr-/Fachschulabschluss 37 44 45 50 Hoch/Fachhochschulabschluss 3 7 10 10 Schulbildung kein Schulabschluss 25 26 16 12 14 Hauptschule/mittlere Reife 67 66 68 71 70 Hoch-/Fachhochschulreife 7 7 16 17 17 Dauer der Arbeitslosigkeit vor Eintritt in die Arbeitsgelegenheit bis 12 Monate 72 73 35 31 30 13 bis 24 Monate 16 14 25 31 29 mehr als 24 Monate 12 13 40 39 41 1 Quelle: Statistiken der Bundesagentur für Arbeit 2 Durchgeführte Befragungen der Ein-Euro-Kräfte in diesem Forschungsprojekt
Diakonie zieht Bilanz zu Ein-Euro-Jobs 7 3. Erwerbsstatus der früheren Ein-Euro-Kräfte Von 103 in der letzten Telefonbefragung interviewten Personen geben 47 (46 Prozent) an, zum Zeitpunkt der Befragung arbeits- los zu sein. 56 Personen, das heißt 54 Prozent der Interviewten, sind nach eigener Auskunft zum Zeitpunkt der Befragung nicht arbeitslos. Zu diesem Kreis zählen 25 Personen (24 Prozent), die derzeit erwerbstätig sind (darunter die Mehrzahl, nämlich 24 (23 Prozent) in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis); 27 Personen (26 Prozent) nehmen an unter- schiedlichen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teil; weitere vier Personen (vier Prozent) stehen dem Arbeitsmarkt nicht oder nicht uneingeschränkt zur Verfügung (Familienzeit, Wehrpflicht etc.). Schaubild: Erwerbsstatus der Ein-Euro-Kräfte zum Zeitpunkt der zweiten Telefonbefragung (Sommer 2008) 4% 24% 46% 26% erwerbstätig arbeitsmarktpolitische Maßnahme arbeitslos sonstiges Stellt man diese diakonischen Zahlen entsprechenden Daten für Gesamtdeutschland gegenüber, wie sie in der amtlichen Statistik der Bundesagentur für Arbeit zu finden sind, zeigt sich, dass dort ähnliche Effekte registriert werden. So wird für die Gesamtheit der Arbeitsgelegenheiten in Deutschland zum Sommer 2008 beispielsweise die Quote derjenigen, die sechs Monate nach Ende ihrer Arbeitsgelegenheit nicht arbeitslos sind, mit 56 Prozent angegeben, und der Anteil von zwischenzeit- lich sozialversicherungspflichtig Beschäftigten beträgt 17 Prozent. 1 1 Diese Datengegenüberstellung erlaubt nicht mehr als eine grobe Einschätzung. Weiterreichende Schlussfolgerungen können nicht abgeleitet werden, da aufgrund einer Vielzahl statistischer Faktoren die Vergleichbarkeit der beiden Auswertungen nur eingeschränkt gewährleistet ist.
8 Diakonie zieht Bilanz zu Ein-Euro-Jobs 4. Beschäftigungsverhältnisse und prekäre Arbeitsmarktlage Von den 24 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gehen 14 Personen (15 Prozent aller Befragten) einer Vollzeit-Erwerbs- tätigkeit nach, zehn Personen (neun Prozent) üben eine Teilzeitbeschäftigung aus. Davon gibt die Hälfte an, dass es sich um einen so genannten Midi-Job (Einkommen zwischen 400 und maximal 800 Euro) handelt. Aufschlussreich ist die Verteilung der Erwerbstätigkeit in geschlechtsspezifischer Hinsicht; die Angaben in nachfolgender Tabelle verdeutlichen, dass das traditionelle Muster „Frauen arbeiten Teilzeit, Männer hingegen Vollzeit“ dominiert. In der Gesamtbilanz unterscheiden sich beide Ge- schlechter nicht voneinander, beide weisen eine gleich hohe Integrationsquote in Erwerbstätigkeit auf. Tabelle: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Geschlecht Erwerbstätigkeit Frauen Männer Alle Vollzeit 2 12 14 Teilzeit 7 3 10 darunter Mini-Job 4 1 5 Gesamt* 9 (23,7 %) 15 (23,1 %) 24 (23,3 %) Mini-Job (nicht sv-pflichtig) 1 1 * In Klammern: Anteil an allen Befragten der jeweiligen Gruppe (Angaben in Prozent) Mehr als die Hälfte dieser Stellen, nämlich 14, waren zum Befragungszeitpunkt zeitlich befristet. Immerhin sechs der sozialver- sicherungspflichtig Beschäftigten, darunter die Mehrzahl im Teilzeitbereich, beziehen aufstockendes Arbeitslosengeld II. Annähernd die Hälfte aller erwerbstätigen Personen (elf) war seit Ende ihres individuellen Ein-Euro-Jobs, was eine Zeitspanne von einem bis maximal 24 Monate ausmachen kann, mindestens für eine Phase arbeitslos. Drei Personen, darunter zwei in Vollzeit, arbeiten in Leiharbeitsverhältnissen. Diese Details zur Erwerbssituation der ehemaligen Ein-Euro-Kräfte sind im Kontext der aktuellen Debatte über die zunehmende Prekarisierung der Beschäftigungsverhältnisse zu sehen. Für den befragten Personenkreis zeigt sich, dass die Mehrzahl der- jenigen, denen der Sprung in eine irgendwie geartete Erwerbstätigkeit gelungen ist, sich gleichwohl in einer instabilen und latent gefährdeten Position befindet. Diese ist charakterisiert durch Befristung der Beschäftigungsverhältnisse, geringe Lohnhö- hen und Brüche in der Erwerbsbiografie. Auch der hohe Anteil von Personen, die sich bereits wieder in einer arbeitsmarktpoli- tischen Maßnahme befinden, belegt, dass die Perspektive der nachhaltigen Integration in Erwerbsarbeit hier überwiegend nicht gegeben ist. Bedenklich muss stimmen, dass diese Effekte während eines Zeitraums von zwei Jahren zu beobachten waren, der durch einen konjunkturellen Aufschwung geprägt war und damit als günstig für Prozesse der Erwerbsintegration zu charak- terisieren ist. Das lässt für die aktuelle Wirtschaftskrise wenig Gutes erwarten.
Diakonie zieht Bilanz zu Ein-Euro-Jobs 9 5. Laufzeiten der Ein-Euro-Jobs Die ursprüngliche arbeitsmarktpolitische Konzeption bei Start bestehende strukturelle Arbeitsplatzdefizite für bestimmte des Sozialgesetzbuches II im Jahr 2005 sah vor, die neuen arbeitsmarktferne Personengruppen im Beschäftigungssys- Arbeitsgelegenheiten mehrheitlich auf eine Dauer von maximal tem eine grundsätzlich längerfristig orientierte Ausrichtung der sechs Monaten zu begrenzen. Dies folgte aus der Intention, öffentlich geförderten Beschäftigung als sinnvoll reklamiert. In längere Laufzeiten und den Einstieg in so genannte „Maßnah- der Praxis werden zwischenzeitlich vielerorts längere durch- menketten“ zu vermeiden, um nicht die vermeintlichen Fehler schnittliche Laufzeiten realisiert. Aus den Angaben der bei der Umsetzung früherer arbeitsmarktpolitischer Instru- Befragten errechnet sich in dieser Studie eine durchschnitt- mente zu wiederholen. Die Zielsetzung der zügigen Heranfüh- liche Verweildauer von 11,8 Monaten. Mit anderen Worten: Im rung der ALG II-Empfängerinnen und -Empfänger an den Mittel sind die Ein-Euro-Kräfte, die im Sommer 2006 erstmals regulären Arbeitsmarkt sollte nicht von vornherein durch die befragt wurden, ziemlich genau ein Jahr in ihren Maßnahmen Länge der Maßnahme konterkariert werden. Von vielen Seiten geblieben. In dem nachfolgenden Schaubild werden drei – nicht zuletzt aus diakonischen Zusammenhängen – ist diese Gruppen mit unterschiedlich langen Laufzeiten voneinander restriktive zeitliche Ausrichtung von Beginn an kritisiert abgegrenzt. Es zeigt sich, dass knapp die Hälfte (46 Prozent) worden. Begründet wurde dies damit, dass eine derart der Ein-Euro-Kräfte zwischen zehn und 15 Monaten in ihrer pauschale Handhabung die notwendige Zielgruppendifferen- Maßnahme verblieben sind; 17 Prozent arbeiten dort länger zierung und eine an Stabilisierungsbedürfnissen des Klientels als 16 Monate. Unterschiede treten auch zutage, wenn die ausgerichtete individuelle Ausgestaltung erschwere oder Dauer vorangegangener Arbeitslosigkeit der Betroffenen oder sogar unmöglich mache. Darüber hinaus wurde mit Blick auf die Trägergröße Berücksichtigung finden. Tabelle: Laufzeiten der Ein-Euro-Jobs (Angaben in Prozent) Verbleibsdauer im Ein-Euro-Job (in Prozent)* Strukturmerkmale 1 bis 9 Monate 10 bis 15 Monate 16 und mehr Monate (1) Dauer an vorausgehender individueller Arbeitslosigkeit 0 bis 12 Monate 36 % 42 % 23 % 13 bis 24 Monate 50 % 37 % 13 % mehr als 24 Monate 31 % 55 % 14 % (2) Größe des Beschäfigungsträgers (nach Anzahl durchgeführter Arbeitsgelegenheiten) groß bis sehr groß (151 und mehr AGen) 36 % 43 % 21 % mittel (51 bis 150 AGen) 47 % 37 % 16 % klein (maximal 50 AGen) 36 % 55 % 10 % Gesamt 38 % 46 % 17 % * Die Prozentangaben addieren sich über die Spalten zu 100 Prozent (Abweichungen aufgrund Auf- und Abrundungen möglich).
10 Diakonie zieht Bilanz zu Ein-Euro-Jobs 6. Eingliederungseffekte differenziert nach Qualifikationsniveau Unter den Empfängerinnen und Empfängern von Arbeitslo- Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse, die im nachfol- sengeld II stellen Menschen, die über keinen beruflichen genden Schaubild erfasst sind, zu interpretieren. Es zeigt sich, Abschluss verfügen, einen überproportional hohen Anteil. dass Personen ohne Abschluss geringere Chancen auf Eintritt Hinzu kommt: Eine größere Arbeitsmarktferne als Folge in eine Erwerbstätigkeit haben, solche mit Berufsbildungsab- langfristiger Arbeitslosigkeit ist häufig gegeben. schluss hingegen größere. Mit anderen Worten: Menschen mit geringerem formalem Qualifikationsniveau tragen nach Absol- Die Heranführung an Arbeitsmarkt und Erwerbstätigkeit ist für vierung eines Ein-Euro-Jobs ein höheres Risiko, erneut diesen Personenkreis eine zentrale Zielsetzung. arbeitslos zu werden (und auch zu bleiben). Schaubild: Erwerbsstatus der ehemaligen Ein-Euro-Kräfte – differenziert nach Qualifikationsniveau (Angaben in Prozent)* 60% 50% 52% 46% 40% 37% 30% 29% 31% 26% 20% 24% 21% 21% 10% 0% erwerbstätig amp Maßnahme arbeitslos Gesamt Lehr-/Fachschulabschluss ohne Abschluss * Die Gruppe „Personen mit Hoch-/Fachhochschulabschluss“ wurde in dieser Darstellung aufgrund ihres geringen zahlenmäßigen Umfangs an der Stichprobe nicht berücksichtigt. Zudem wurde bei den Verbleibsangaben die Kategorie „Sonstiges“ nicht ausgewiesen, daher addieren sich die Angaben für die einzelnen Qualifikationsstufen nicht zu 100 Prozent. Auffällig an den erhobenen Daten ist ein weiterer Aspekt: chend. Es wäre vertiefend zu klären, inwieweit dieser Befund Menschen ohne formale Qualifikation berichten seltener, dass auf die Zuweisungspraxis der Arbeitsmarktagenturen und/ sie zwischenzeitlich in eine weiterführende oder erneute oder auf das „Einstellungsverhalten“ der Beschäftigungsträger arbeitsmarktpolitische Maßnahme vermittelt worden sind. zurückzuführen ist oder aber, ob er primär der Tatsache Dieses Ergebnis verwundert. Mit Blick auf ihre besondere geschuldet ist, dass in Relation zur Zahl an Arbeitslosen Problemlage am Arbeitsmarkt könnte man eine genau gegen- dieses Qualifikationsniveaus geeignete arbeitsmarktpolitische läufige Bilanz erwarten. Die verfügbare Datenlage ist für eine Instrumente in zu begrenztem Umfang zur Verfügung stehen. umfassende Einschätzung dieses Sachverhalts nicht ausrei-
Diakonie zieht Bilanz zu Ein-Euro-Jobs 11 7. Eingliederungseffekte differenziert nach Verbleibsdauer Auf die unterschiedliche Länge absolvierter Laufzeiten in den Ein-Euro-Jobs wurde bereits eingegangen. Diese Analyse wird ergänzt um die Betrachtung der diesbezüglichen Eingliederungseffekte (vgl. nachfolgendes Schaubild). Schaubild: Erwerbsstatus der ehemaligen Ein-Euro-Kräfte – differenziert nach Laufzeit der absolvierten Arbeitsgelegenheit (Angaben in Prozent) 60% 1 bis 9 Monate 50% 10 bis 15 Monate 16 Monate und mehr 40% 30% 20% 10% 0% erw erbstätig amp. Maßnahme arbeitslos Es fällt auf, dass eine höhere Betroffen- Laufzeiten die „weniger Angepassten“ auf Erfolg um ihren Erwerbseinstieg zu heit durch Arbeitslosigkeit bei solchen finden, das heißt Personen, die nicht kümmern. In der Gruppe mit mittleren Personen zu finden ist, die entweder längerfristig in der Maßnahme „gehal- Laufzeiten scheint eine intensivere kürzere oder aber eher lange Laufzeiten ten“ werden. Diese Vermutung nährt arbeitsmarktpolitische Betreuung zu in den Ein-Euro-Jobs verbracht haben. sich auch aus der Beobachtung, dass in greifen, was sich im hohen Anteil Für die zweite Gruppe kann unterstellt dieser Gruppe das Volumen an weiteren weiterer arbeitsmarktpolitischer Maß- werden, dass es sich um Personen mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen nahmen niederschlägt. größeren Vermittlungshemmnissen gering ausfällt. handelt. Ein kurzes Fazit aus diesen Beobach- Was die Integration in Erwerbstätigkeit tungen: Die Ein-Euro-Jobs sind nicht Aufgrund des geringeren zeitlichen Ab- betrifft, zeigen sich die beiden Gruppen gleichermaßen geeignet für alle Perso- stands zur Maßnahme sind bei diesem mit weniger langen Laufzeiten erfolg- nenkreise. Positive Effekte können sich Personenkreis Integrationseffekte reicher. Auch hier drängen sich Mut- da entfalten, wo für ausgewählte Ziel- möglicherweise auch noch nicht in maßungen auf: In der Gruppe mit den gruppen mittellange Laufzeiten kombi- Gänze zur Entfaltung gekommen. geringen Laufzeiten dürften sich häu- niert mit intensiver arbeitsmarktpoli- Demgegenüber ist zu vermuten, dass figer Personen finden, die in der Lage tischer Unterstützung realisiert werden. sich in der Gruppe mit den kurzen sind, sich eigenständig und mit Aussicht
12 Diakonie zieht Bilanz zu Ein-Euro-Jobs 8. Eingliederungseffekte differenziert nach Dauer der vorangegangenen Arbeitslosigkeit Ein interessantes Bild ergibt sich eben- Ihr Arbeitslosenanteil fällt am höchsten Bereitschaft der Betroffenen. So gaben falls, wenn die ehemaligen Ein-Euro- aus, ihre Partizipation an arbeitsmarkt- nahezu 80 Prozent der Personen aus Kräfte nach der Dauer ihrer vorherge- politischen Folgemaßnahmen am ge- dieser Gruppe an, sich „freiwillig“ für henden Arbeitslosigkeit differenziert ringsten. ihren Ein-Euro-Job entschieden zu werden (vgl. nachfolgendes Schaubild). haben, und 55 Prozent sind dabei Es erscheint aus Sicht dieser Erhebung eigeninitiativ tätig geworden. Bei Betrachtung der Abbildung fällt ein überaus lohnend, tiefergehend als das Zusammenhang besonders ins Auge: auf Basis des hier verfügbaren Daten- Beide Werte liegen über den entspre- materials möglich ist zu analysieren, wie chenden Anteilen in den beiden anderen Offenkundig stehen die Personen mit dieser unerfreuliche Sachverhalt, näm- Gruppen. der – zumindest zeitlich – größten lich dass die längerfristig Arbeitslosen Distanz zum Erwerbsleben, also eigent- am wenigsten nachhaltig erreicht Auch wenn diese Selbsteinschätzungen lich die prominenteste Zielgruppe dieses werden, zu erklären ist. nicht überbewertet werden sollten, arbeitsmarktpolitischen Instruments, zeigen sie doch, dass die einfache nach Absolvierung der Maßnahme Dabei ist vorweg zu schicken, dass es Zuschreibung „fehlende Arbeitsbereit- deutlich schlechter da als die beiden an einem Faktor offenbar nicht liegen schaft“ keine ausreichende Erklärungs- anderen ausgewiesenen Gruppen. kann, nämlich an der mangelnden kraft besitzt. Schaubild: Erwerbsstatus der ehemaligen Ein-Euro-Kräfte – differenziert nach Dauer der vorangegangenen Arbeitslosigkeit (Angaben in Prozent) 60% 0 bis 12 Monate 50% 13 bis 24 Monate mehr als 24 Monate 40% 30% 20% 10% 0% erwerbstätig amp. Maßnahme arbeitslos
Diakonie zieht Bilanz zu Ein-Euro-Jobs 13 9. Erhöhen die Ein-Euro-Jobs die individuellen Arbeitsmarktchancen? Auf die Frage, ob sie glauben, dass ihr damaliger Ein-Euro- Die geringste Zustimmung findet sich bei den aktuell Arbeits- Job ihre Chancen im Arbeitsmarkt verbessert habe, antwor- losen. Die höchste Zustimmungsrate ist bei den Erwerbstäti- teten in der hier zugrunde liegenden Telefonbefragung gen gegeben. Bei Letzteren ist jedoch eine deutliche Zweitei- insgesamt 37 Prozent der Befragten mit „Ja, deutlich“ oder lung zu erkennen: „Ja, deutlich“ antworten ausschließlich doch zumindest mit „Ja, geringfügig“; 53 Prozent sagten solche Personen, die vorher angegeben haben, dass ihre eindeutig „Nein“, weitere zehn Prozent waren sich unsicher frühere Tätigkeit als Ein-Euro-Kraft unmittelbar wichtig war für (vgl. nachfolgende Tabelle). den Eintritt in die Erwerbstätigkeit; jene hingegen, die anga- ben, dass der frühere Ein-Euro-Job keine Relevanz für ihre Im Vergleich zu den ersten beiden Erhebungsrunden bedeutet Beschäftigung hatte, antworten demgegenüber ganz überwie- das eine eindeutig pessimistischere Gesamteinschätzung. gend mit „Nein“. Solange die Menschen in ihren Arbeitsgelegenheiten tätig Zurückhaltend fällt auch das Votum derjenigen aus, die an waren, hegten sie offenbar eine optimistischere Erwartungs- arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teilnehmen, auch wenn haltung und schöpften daraus Motivation. Mit wachsendem rund ein Viertel hohe Erwartungen hat. Letzteres bestätigt den zeitlichem Abstand scheinen aber diese positiven Einschät- zuvor konstatierten positiven, aber zugleich labilen Motivati- zungen, Erwartungen und Hoffnungen enttäuscht worden zu onseffekt, der aus der Maßnahmenteilnahme erwachsen kann. sein. Tabelle: Erhöhen Ein-Euro-Jobs Chancen im Arbeitsmarkt? (Angaben in Prozent)* Antwort Derzeitiger Erwerbsstatus Ja, deutlich Ja, geringfügig Nein weiß nicht/k. A. erwerbstätig 28 % 20 % 52 % ./. arbeitsmarktpolitische Maßnahme 26 % 11 % 56 % 7% arbeitslos 9% 26 % 51 % 15 % Gesamt 18 % 19 % 53 % 10 % * Die Prozentangaben addieren sich über die Spalten zu 100 Prozent (Abweichungen aufgrund Auf- und Abrundungen möglich).
14 Diakonie zieht Bilanz zu Ein-Euro-Jobs 10. Gesteigerte Lebensqualität Zu keinem einmütigen Ergebnis kommen die ehemaligen der finanzielle Aspekt angeführt, aber es ist eindeutig, dass Ein-Euro-Kräfte bei der Frage, wie sie ihre aktuelle persönliche dies nicht der allein ausschlaggebende Faktor ist. Lebenssituation im Vergleich zur Phase vor Antritt des Ein-Euro-Jobs einschätzen (vgl. nachfolgende Tabelle). Die Bedeutsamkeit der Erwerbsarbeit – mit ihrer finanziellen Dimension wie ihrer gesellschaftlichen Wertzuschreibungs- Die offenkundig markanten Unterschiede erklären sich aus der funktion – könnte kaum deutlicher attestiert werden als in erwerbsbiografischen Situation der Betroffenen: Während sich diesem Ergebnis. Es ruft geradezu danach, die so genannte nahezu alle aktuell Erwerbstätigen überzeugt zeigen, dass „Nach-Maßnahme-Zeit“ bei der Umsetzung und Ausgestal- sich ihre Lebenssituation verbessert habe, gilt dies nur für tung der arbeitsmarktpolitischen Aktivität stärker in den Blick einen ganz kleinen Teil der Arbeitslosen. Bei diesen wenigen zu nehmen als dies üblicherweise der Fall ist. scheinen ganz spezifische individuelle Sonderfaktoren eine Rolle zu spielen. Bemerkenswert scheint in diesem Zusammenhang auch der offenkundige persönlichkeitsstabilisierende Effekt laufender Gut die Hälfte der Arbeitslosen fühlt sich quasi in die frühere arbeitsmarktpolitischer Aktivitäten, der sich in den Antworten Situation zurückversetzt, fast 40 Prozent sind entweder un- der Personen, die sich aktuell in solchen Maßnahmen befin- sicher oder sogar deutlich der Ansicht, dass sich ihre Situa- den, niederschlägt. tion verschlechtert habe. Häufig wird bei dieser Abwägung Tabelle: Einschätzung der persönlichen Lebenssituation im Vergleich zur Phase vor dem Ein-Euro-Job (Angaben in Prozent)* Antwort Derzeitiger Erwerbsstatus besser unverändert schlechter weiß nicht/k. A. erwerbstätig 88 % 12 % ./. ./. arbeitsmarktpolitische Maßnahme 63 % 30 % 4% 4% arbeitslos 9% 53 % 23 % 15 % Gesamt 45 % 36 % 12 % 8% * Die Prozentangaben addieren sich über die Spalten zu 100 Prozent (Abweichungen aufgrund Auf- und Abrundungen möglich).
Diakonie zieht Bilanz zu Ein-Euro-Jobs 15 11. Noch einmal einen Ein-Euro-Job? Vier von fünf Befragten (81 Prozent) anzumerken, dass auch Arbeitslosen Einschätzung der arbeitsmarktpoli- zeigen sich rückblickend überzeugt, das Recht zugestanden werden sollte, tischen Maßnahme in allererster Linie dass es die richtige „Entscheidung“ war, sich vor dem Hintergrund ihres individu- davon ab, ob durch diese eine Beschäf- am damaligen Ein-Euro-Job teilzuneh- ellen Lebensentwurfs abwägend und mit tigungsperspektive im Ersten – oder men. Blick auf das Regelwerk auch ableh- auch im Zweiten – Arbeitsmarkt eröffnet nend zu Einsatz und Ausführung eines wird. Dies hat Konsequenzen für die Es entbehrt aber nicht eines gewissen arbeitsmarktpolitischen Instruments zu Umsetzung von Arbeitsmarktpolitik. Zynismus im Kontext der Arbeitsgele- verhalten. genheiten von einer „freien Entschei- Da gerade die Arbeitsgelegenheiten in dung“ der Arbeitslosen zu sprechen. Ingesamt skeptischer zeigen sich jene besonderer Weise auf die Steigerung Personen, die zum Befragungszeitpunkt von Beschäftigungsbefähigung im Mit Blick auf die individuelle erwerbsbio- erneut arbeitslos waren. Dies erweist weitesten Sinne (persönliche Stabilisie- grafische Situation der Teilnehmenden sich besonders deutlich bei der Frage, rung, Vermittlung zusätzlicher Kompe- zeigt sich jedoch, dass diese ihren ob sie erneut einen Ein-Euro-Job tenzen etc.) gerichtet sind bzw. sein Ein-Euro-Job mehrheitlich – vielfach antreten würden (vgl. nachfolgende sollen, darf darüber die Anschlussper- nach dem Motto „besser als gar nichts Tabelle). spektive für die Teilnehmenden nicht ...“ – der Arbeitslosigkeit vorziehen. aus dem Blick geraten. Andernfalls Während sich zwei Drittel aller Befragten besteht große Gefahr, dass die be- Über die drei Erhebungsrunden findet zu dieser Frage positiv äußern, ist es bei schriebenen Demotivierungseffekte sich kein handfestes Indiz für „mangeln- den Arbeitslosen nur knapp die Hälfte. ausgelöst werden. de Teilnahmebereitschaft“. Dabei gilt es Im Urteil der Betroffenen hängt die Tabelle: Würden Sie erneut einen Ein-Euro-Job antreten? (Angaben in Prozent)* Antwort Derzeitiger Erwerbsstatus Ja Nein bzw. weiß nicht erwerbstätig 84 % 16 % arbeitsmarktpolitische Maßnahme 74 % 26 % arbeitslos 49 % 51 % Gesamt 65 % 36 % * Die Prozentangaben addieren sich über die Spalten zu 100 Prozent (Abweichungen aufgrund Auf- und Abrundungen möglich).
Impressum Herausgeber Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V. Geschäftsstelle Düsseldorf Lenaustraße 41, 40470 Düsseldorf Telefon 0211 6398-0 Telefax 0211 6398-299 E-Mail info@diakonie-rwl.de Text Michael Wiedemeyer koelnInstitut iPEK GmbH Gotenring 4, 50679 Köln Eine Langfassung zu den Befragungser- gebnissen ist zu beziehen über: www.koelninstitut-ipek.de/publikationen (Schluss-)Redaktion Volker König, Diakonie RWL Stabsstelle Diakonisches Profil und Kommunikation Telefon 0211 6398-217 E-Mail v.koenig@diakonie-rwl.de Grafische Gestaltung Claudia Broszat, Diakonie RWL Stabsstelle Diakonisches Profil und Kommunikation Telefon 0211 6398-219 E-Mail c.broszat@diakonie-rwl.de
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