DIALOG GLOBAL INITIATIVE "KOMMUNALES KNOW-HOW FÜR NAHOST" Deutsch-türkische Städtepartnerschaften zur Stärkung von Aufnahmekommunen für ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
DIALOG GLOBAL INITIATIVE „KOMMUNALES KNOW-HOW FÜR NAHOST“ Deutsch-türkische Städtepartnerschaften zur Stärkung von Aufnahmekommunen für Geflüchtete in der Türkei | Nr. 64
Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) Telefon +49 228 20717-2670 info@service-eine-welt.de www.service-eine-welt.de Dialog Global – Schriftenreihe der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW), Heft 64 Inhaltlich verantwortlich: SKEW, Dr. Stefan Wilhelmy Projektleitung: Angela König Texte: Bülent Arslan, Fabian Papp, Stefanie Wulff, Angela König Titelfoto: Ansicht über Istanbul © xxoktayxx, Pixabay Gestaltung: designlevel 2, www.designlevel2.de Druck: Bonifatius GmbH Bonn, Oktober 2021 Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit vorheriger Genehmigung des Herausgebers. Die Reihe „Dialog Global“ wird finanziell gefördert durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie die Bundesländer Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Um die Lesbarkeit zu vereinfachen, sind in der vorliegenden Publikation die zur Gleichstellung der Geschlechter gebräuchlichen Schreibweisen nicht durchgängig verwendet worden. Sofern sich aus dem Kontext nicht explizit anderes ergibt, sind bei allen geschlechtsbezogenen Bezeichnungen selbstverständlich immer alle Geschlechter gleichermaßen angesprochen.
DIALOG GLOBAL INITIATIVE „KOMMUNALES KNOW-HOW FÜR NAHOST“ Deutsch-türkische Städtepartnerschaften zur Stärkung von Aufnahmekommunen für Geflüchtete in der Türkei | Nr. 64
DIE INI T I AT I V E „KOMMUN A L E S K NO W-HO W F ÜR N A HOS T “ INHALT Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 4 1. Die Initiative „Kommunales Know-how für Nahost“ und ihre deutsch-türkischen Projekte . . . . . 7 1.1. Berlin Friedrichshain-Kreuzberg – Istanbul Kadıköy (2019) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1.2. Mannheim – Kilis (2017, 2019-2021) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .12 1.3. Osnabrück – Çanakkale (2019, 2021-2022) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.4. Berlin Tempelhof-Schöneberg – Mersin Mezitli (2019) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.5. Schwäbisch Hall – Karesi (2019) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.6. Berlin Treptow-Köpenick – Eskişehir Tepebaşı (2018) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2. Gastbeitrag der GIZ: Bilaterale Zusammenarbeit mit Aufnahmekommunen von Geflüchteten in der Türkei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3. Rahmenbedingungen und Handlungsempfehlungen für kommunale deutsch-türkische Projektpartnerschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.1. Basiswissen: Soziodemografische und -ökonomische Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3.2. Kommunale Struktur und Handlungsspielräume heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3.3. Die Rolle der Zivilgesellschaft in der Türkei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3.4. Das Mediensystem der Türkei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3.5. Herausforderungen: Flucht & Migration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 4. Geschichtliche Hintergründe und ihr Einfluss auf die politische Kultur der heutigen Türkei . . . . 45 Anhang Informationen für den Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Förderer und Kooperationspartner – die Beteiligungsstruktur der SKEW . . . . . . . . . . . . . . . 63 Publikationen der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
VORWORT VORWORT Liebe Leserinnen und Leser, 5 kommunale Partnerschaften sind Ausdruck des gelebten Miteinanders, der interkulturellen Zusammenarbeit und des gemeinsamen Lernens. Angesichts der aufgrund der Migrationsgeschichte Dr. Stefan Wilhelmy engen Verbindungen zwischen Deutschland und © Martin Magunia der Türkei kommt den Partnerschaften zwischen Kommunen aus diesen beiden Ländern eine besondere Bedeutung zu. Die Vielfalt der kommu- tragen die Hauptlast der humanitären Krise. In nalen deutsch-türkischen Beziehungen reicht von der Türkei sind circa vier Millionen geflüchtete freundschaftlichen Kontakten über eine begrenzte Menschen registriert, davon 3,6 Millionen Syre- Projektpartnerschaft bis zu langjährigen Partner- rinnen und Syrer. Die meisten von ihnen leben in schaften auf Basis formeller Verträge. Schülerinnen Kommunen im Südosten der Türkei oder im und Schüler, Menschen aus Partnerschafts-, Großraum Istanbul. Das Land steht an erster Sport-, Umwelt- und Kulturvereinen begegnen Stelle der Aufnahmeländer. sich, lernen sich kennen und erhöhen ihre inter- kulturelle Kompetenz. Fachleute aus der Stadtver- Der Großteil der Geflüchteten lebt in Städten und waltung und kommunalen Unternehmen tauschen Gemeinden. Die Kommunen vor Ort stehen vor ihr Wissen aus und engagieren sich in gemeinsa- einer Vielzahl von Herausforderungen in der Auf- men Projekten. Auf die Entwicklung und Umset- rechterhaltung der Basisversorgung bei den kom- zung gemeinsamer Projekte ausgerichtete Part- munalen Kernaufgaben sowohl für die einheimi- nerschaften sind bisher in der Minderheit. Das sche Bevölkerung als auch für die Geflüchteten. Gros bilden Städtepartnerschaften und -freund- Es mangelt vor allem an Ressourcen, aber auch schaften. In der Datenbank des Rats der Gemein- an Know-how, um zum Beispiel die Abfallwirt- den und Regionen Europas (RGRE) haben sich schaft, die Wasser- und Energieversorgung und aktuell 84 Städtepartnerschaften und -freund- die kommunale Verwaltung zu stärken. Auch schaften zwischen deutschen und türkischen sozio-ökonomische und gesellschaftliche Heraus- Kommunen registriert. Insgesamt geht man forderungen der Integration sind groß. schätzungsweise von circa 100 kommunalen Partnerschaften zwischen beiden Ländern aus. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministe- Darüber hinaus gibt es Interesse von weiteren rium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und deutschen und türkischen Kommunen, neue Entwicklung (BMZ) 2016 die Initiative „Kommu- Beziehungen aufzubauen, voneinander zu lernen nales Know-how für Nahost“ (IKKN) ins Leben und gemeinsam an den Zielen der Agenda 2030 gerufen und die Servicestelle Kommunen in der zu arbeiten. Einen Welt (SKEW) von Engagement Global (EG) mit der Durchführung beauftragt; bis Ende 2018 Seit Beginn des Bürgerkrieges in Syrien mussten erfolgte die Umsetzung in Zusammenarbeit mit mehr als sechs Millionen Frauen, Männer und Connective Cities, der gemeinsamen internationa- Kinder ins Ausland fliehen. Die meisten registrier- len Städte-Plattform der Deutschen Gesellschaft ten Geflüchteten leben in den Nachbarländern für internationale Zusammenarbeit (GIZ), des Türkei, Libanon und Jordanien. Diese drei Länder Deutschen Städtetags und der SKEW.
DIE INI T I AT I V E „KOMMUN A L E S K NO W-HO W F ÜR N A HOS T “ Deutsche Kommunen sollen im Rahmen der Aus- Diese Publikation geht auf dieses Bedürfnis nach landskomponente der IKKN als entwicklungspoli- mehr Informationen ein und stellt unterschiedli- tische Akteurinnen unterstützt werden, um ihr che Facetten der aktuellen Situation und ihrer Know-how zur Stärkung und Stabilisierung der Genese dar. 6 Situation in den türkischen, libanesischen und jordanischen Aufnahmekommunen einzusetzen. Die kommunale Partnerschaftsarbeit steht in Dabei stehen der fachliche Austausch und die einem engen Zusammenhang mit den Maßnah- konstruktive Zusammenarbeit für die gemein- men der bilateralen Zusammenarbeit der GIZ mit same Entwicklung von lokalen Lösungsansätzen Aufnahmekommunen syrischer Geflüchteter in im Mittelpunkt. Gleichzeitig profitieren auch die der Türkei und ergänzt diese. Durch engen Aus- deutschen Kommunen im Rahmen des Aus- tausch und gemeinsame Veranstaltungen fördert tauschs. Sie lernen andere Herangehensweisen die IKKN die Kooperation. Einen Überblick über zum Umgang mit und zur Integration von die Maßnahmen und Wirkungen der Programme Geflüchteten kennen, ihre interkulturelle Kompe- der GIZ erhalten Sie in unserem Gastbeitrag ab tenz wird gestärkt und sie erhalten ein besseres Seite 22. Verständnis für globale Zusammenhänge. Wir freuen uns, Ihnen darüber hinaus die Partner- In Deutschland lebende Migrantinnen und Mig- schaftsprojekte, die in den letzten Jahren im Rah- ranten bringen sich in die Projekte ein und haben men der IKKN umgesetzt wurden, vorstellen zu diese in einigen Fällen auch mit initiiert. Diese können. Die deutsch-türkischen Projekte der Zusammenarbeit stärkt den gesellschaftlichen IKKN sind anschauliche Beispiele eines neuen Zusammenhalt. Im Rahmen der Inlandskompo- Selbstverständnisses der lokalen Zusammenar- nente der IKKN werden deutsche Kommunen bei beit in globaler Verantwortung. der Qualifizierung von syrischen Geflüchteten in deutschen Kommunalverwaltungen unterstützt. Wir hoffen, Ihnen somit interessante und nützliche Die Kommunen bieten mehrmonatige Praktika in Informationen zur Verfügung stellen zu können, verschiedenen Abteilungen der Kommunalverwal- und wünschen eine anregende Lektüre. tung an, in denen Themen vermittelt werden, die für einen zukünftigen Wiederaufbau von Kommu- nen in Syrien relevant sind. In den Landeskundekursen der IKKN zur Türkei wurde von den Teilnehmenden aus den Kommu- nen immer wieder betont, wie hilfreich das Wis- sen über den historischen, politischen und sozia- Dr. Stefan Wilhelmy len Hintergrund des Landes für die Entwicklung Leiter Servicestelle Kommunen in der Einen Welt und Interaktion in den Projektpartnerschaften ist. (SKEW) © istockphoto.com/seb_ra
KAPITELHEADLINE 1. DIE INITIATIVE „KOMMUNALES KNOW-HOW FÜR NAHOST“ 7 UND IHRE DEUTSCH-TÜRKISCHEN PROJEKTE
DIE INI T I AT I V E „KOMMUN A L E S K NO W-HO W F ÜR N A HOS T “ Die Mitte 2016 durch das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammen- 8 arbeit und Entwicklung (BMZ) ins Leben gerufene Initiative „Kommunales Know-how für Nahost“ (IKKN) fördert im Rahmen ihrer Auslandskompo- nente kommunalen Wissensaustausch und den Aufbau und die Weiterent- wicklung kommunaler Projektpartnerschaften zwischen deutschen Kommu- nen und den Aufnahmekommunen in Jordanien, im Libanon sowie in der Türkei. Die IKKN wird von der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) von Engagement Global umgesetzt; bis 2018 in Zusammenarbeit mit Connective Cities – der Internationalen Städte-Plattform für Nachhaltige Entwicklung, die kommunale Expertinnen und Experten aus Deutschland und Nahost in einen intensiven Fachaustausch gebracht hat. Für die Zusammenarbeit mit Kommunen in Jorda- Aktuell sind im Netzwerk der IKKN 47 deutsche nien, im Libanon und in der Türkei stehen folgende Kommunen aktiv. Seit 2017 konnten im Rahmen Angebote zur Verfügung: der finanziellen Förderung der IKKN, den Schnell- starterpaketen Nahost I und II, insgesamt 34 Beratung und Unterstützung bei der Gestaltung kommunale Partnerschaftsprojekte geplant, bera- und Weiterentwicklung bestehender sowie bei ten und umgesetzt werden, davon sechs deutsch- der Anbahnung neuer kommunaler Partner- türkische. Ab 2022 ist die Überführung des Schnell- schaften, auch zur Antragstellung von Förder- starterpakets I Nahost in das SKEW-Instrument projekten „Kleinprojektefonds“ (KPF) und ab 2023 die des Schnellstarterpakets II in das Instrument „Nach- Förderung von Wissensaustausch zu Themen haltige Kommunalentwicklung durch Partner- der kommunalen Daseinsvorsorge und von schaftsprojekte“ (Nakopa) vorgesehen. bilateralen Projektpartnerschaften (Schnellstar- terpakete Nahost), wie zum Beispiel Projektpla- nungsworkshops, Fachaustausch, Hospitationen und Entsendungen Qualifizierung und Vernetzung, wie zum Bei- spiel länderspezifische, interkulturelle sowie antragsrelevante Fortbildungen sowie Vernet- zungstreffen
1 . D I E I N I T I AT I V E U N D I H R E D E U T S C H -T Ü R K I S C H E N P R O J E K T E Die bisherigen Projekte im Rahmen der IKKN ori- bauen (Berlin Friedrichshain-Kreuzberg – Istanbul entieren sich an den Bedarfen und Kompetenzen Kadıköy, Osnabrück – Çanakkale, Berlin Tempel- 9 der beteiligten Kommunen und liegen bei den hof-Schöneberg – Mersin Mezitli, Schwäbisch-Hall deutsch-türkischen Partnerschaftsprojekten in – Karesi). Die Zusammenarbeit der Akteurinnen den Bereichen Gesundheitswesen, Bildung, Inte- und Akteure aus Mannheim und Kilis sowie Berlin gration, Umweltschutz und Stadtentwicklung. Treptow-Köpenick und Eskişehir Tepeba şı fußt auf Die Ausgangssituation der Zusammenarbeit war der Grundlage der Projektarbeit. Berlin Treptow- dabei sehr unterschiedlich. Die meisten Partner- Köpenick und Eskişehir Tepebaşı haben im Prozess kommunen konnten ihre Projektarbeit auf eine der Planung der Projektpartnerschaft einen Ver- langjährig bestehende Städtepartnerschaft auf- trag über eine Städtepartnerschaft abgeschlossen. Übersicht der deutsch-türkischen Projektpartnerschaften (gefördert über Schnellstarter-Pakete) Stand: Mai 2021
DIE INI T I AT I V E „KOMMUN A L E S K NO W-HO W F ÜR N A HOS T “ 1.1. BERLIN FRIEDRICHSHAIN-KREUZBERG – ISTANBUL KADIKÖY (2019) 10 Gesundheitsversorgung in Kadıköy verbessern Der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und Die Fachleute beider Kommunen waren sofort der Istanbuler Bezirk Kadıköy pflegen bereits seit interessiert, im gemeinsamen Austausch etwas 1996 eine Städtepartnerschaft. 2018 entstand in für die kommunale Daseinsvorsorge und die sozi- der Partnerschaft der Wunsch, sich vertieft zur ale Kohäsion in ihren Kommunen zu tun. Auch sozialen und gesundheitlichen Situation von im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg leben zahlrei- Geflüchteten sowie Bewohnerinnen und Bewoh- che geflüchtete Menschen. Gemeinsam wurde nern des Stadtbezirks auszutauschen. Die beiden nach Möglichkeiten gesucht, voneinander zu ler- Kommunen erhofften sich dadurch auch Impulse nen und übertragbare Versorgungskonzepte für zur Verbesserung der Lebenssituation der syri- die Geflüchteten zu identifizieren. Die Versor- schen Geflüchteten, die zurzeit in den Ruinen des gungssysteme und Zuständigkeiten in beiden Stadtteils Fikirtepe wohnen. Viele vor dem Bür- Bezirken sind jedoch sehr unterschiedlich. Zum gerkrieg geflüchtete Menschen ließen sich in den Beispiel sind die türkischen Kommunen anders letzten Jahren hier nieder. Die meisten Häuser als ihre deutschen Partnerkommunen nicht zustän- stehen schon länger leer und sollen abgerissen dig für Geflüchtete, sondern die formale Verant- werden. Die Mehrheit der Geflüchteten sind wortung liegt bei der Zentralregierung in Ankara Frauen und Kinder, die auf Familienzusammen- beziehungsweise beim Landrat (Kaymakam). Die führung mit ihren bereits in andere Länder Versorgung und Integration ist jedoch eine konti- geflüchteten Männern hoffen. Ihre Lebenssitua- nuierliche Herausforderung für die lokalen kom- tion ist gefährlich und prekär. munalen Dienste und die Stadtgesellschaft. Die Akteurinnen und Akteure in Kadıköy setzen bei der Versorgung der Geflüchteten daher auf eine enge kommunale Kooperation mit NROs im Rah- men der Freiwilligenarbeit. Projektanbah- nung Delegation Mai 2018 Berlin, © Bezirksamt Friedrichshain- Kreuzberg von Berlin
1 . D I E I N I T I AT I V E U N D I H R E D E U T S C H -T Ü R K I S C H E N P R O J E K T E Expertinnen und Experten aus den Gesundheits- präventive Lösungen in den Bereichen Gesund- und Sozialämtern, Sozialarbeiterinnen und Sozial- heit, soziale Entwicklung und psychosoziale arbeiter, Ärztinnen und Ärzte sowie Mitarbei- Dienste gehen. Doch die Corona-Pandemie tende von NROs beteiligten sich gemeinsam an bremste das Vorhaben zunächst aus. „Aber wir Fachkonferenzen, Planungsworkshops und Hospi- haben den festen Willen, die begonnene gute tationen. „Es war sehr wertvoll, dass sich die Ver- Zusammenarbeit künftig fortzusetzen“, so Knut waltungen der Kommunen auf diesem Niveau Mildner-Spindler. Durch den Austausch der kom- 11 austauschen konnten“, so der ehemalige stellver- munalen Expertinnen und Experten aus Kadıköy tretende Bezirksbürgermeister Knut Mildner- und Berlin untereinander und mit den ehren- und Spindler. „Die deutsch-türkischen Beziehungen hauptamtlichen Mitarbeitenden von NROs aus sind momentan auf Staatsebene angespannt. beiden Bezirken wurde die Zusammenarbeit der Doch auf kommunaler Ebene sind Treffen und Kommunen mit NROs und Ehrenamtlichen Austausch auch in schwierigen Zeiten möglich. bereits gestärkt. Man merkt: Wir haben gemeinsame Probleme und Themen.“ Der Fachaustausch, der über die Dass der Austausch auch in Zeiten von COVID-19 sonst üblichen freundschaftlichen Begegnungen weiterhin stattfindet, zeigte sich zuletzt mit hinausging, stärke die Städtepartnerschaft auch einem digitalen Bürgermeister-Fachaustausch am insgesamt, so der stellvertretende Bezirksbürger- 23. Juni 2021. Diesen haben die Berliner Bezirke meister. Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte gemeinsam mit den Istanbuler Bezirken Kadıköy sowie Ziel des Projektes war, die unterschiedlichen Ver- Beyoğlu (Partnerschaft mit Berlin Mitte) organi- sorgungsstrukturen vor Ort kennenzulernen und siert. Ausgetauscht haben sich die vier Innen- das Personal für die medizinische und psychoso- stadtbezirke zum Thema „Nutzung des öffentli- ziale Unterstützung der Menschen zu qualifizie- chen Raums in Großstädten: Herausforderungen ren sowie die Ehrenamtsstrukturen auszubauen. und Strategien im Umgang mit ihnen“. Das virtu- Das Projekt wurde gefördert mit Mitteln des elle Pilotprojekt diente auch dazu, neue Themen, Schnellstarterpakets I Nahost – und sollte erst Konzepte und Ideen über die bestehenden Part- der Anfang sein. Die Partnerkommunen wollten nerschaftsaktivitäten hinaus zu forcieren, um die direkt im Anschluss an das Projekt Ende 2019 an langjährigen Beziehungen noch weiter zu versteti- einem Folgeprojekt arbeiten. Dabei sollte es um gen und zu intensivieren. Delegationsreise Gesundheitsamt Mitarbeitende nach Kadıköy Juni 2019 © Bezirksamt Friedrichshain- Kreuzberg von Berlin
DIE INI T I AT I V E „KOMMUN A L E S K NO W-HO W F ÜR N A HOS T “ 1.2. MANNHEIM – KILIS (2017, 2019–2022) Integration durch Bildung – Kommunen und Religions- 12 gemeinschaften arbeiten zusammen beim Aufbau eines Gemeinschaftszentrums für Frauen Mit dem Ziel, die Bildungs- und Berufschancen rinnen und Vertreter beider Städte begleiteten die von geflüchteten sowie einheimischen Frauen zu Projektpartnerschaft von Beginn an intensiv. So verbessern, schlossen die Städte Mannheim und konnte auch ein intensiver Wissenstransfer über Kilis 2017 eine entwicklungspolitische Projekt- die Projektpartnerschaft hinausgehende Themen- partnerschaft. bereiche der Geflüchteten-Arbeit ermöglicht wer- den. Das in den Beziehungen aufgebaute Vertrauen Kilis liegt in unmittelbarer Grenznähe zu Syrien. half, auch in schwierigen Situationen die Projekt- Hier leben sehr viele syrische Geflüchtete. Zu partnerschaft fortzuführen und nach vorne zu einer Bevölkerung von 90.000 Menschen in Kilis blicken. Konkret geht es in der mit Mitteln der kamen seit Beginn des Bürgerkriegs rund 130.000 Schnellstarterpakete I und II Nahost geförderten Syrerinnen und Syrer hinzu. Die Initiative, einen Projektpartnerschaft darum, die Bildungsangebote Beitrag zu ihrer sozialen Integration in die türki- für Frauen zu erweitern und die Qualität von Bil- sche Gesellschaft zu leisten, ging von der migran- dungsangeboten der bereits existierenden Weiter- tischen Organisation „Arbeitskreis Islamischer bildungszentren für geflüchtete und einheimische Gemeinden Mannheim“ (AKIG) aus. Ehrenamtli- Frauen zu verbessern. Begegnungen und Beratung che des AKIG unterstützen die Partnerschaft sollen ermöglicht werden, um damit bessere aktiv und nehmen sowohl in sprachlicher als Zukunftsperspektiven zu eröffnen. Neben kom- auch in interkultureller Hinsicht eine wichtige munalen Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen sind Mittlerrolle in der Kommunikation zwischen den auch berufliche Lehrkräfte beider Städte in die beiden Projektparteien ein. Kommunale Vertrete- Projektpartnerschaft eingebunden. Links: Türkische Ausbilderinnen vertiefen ihre fachspezifischen Qualifikationen im Frisörhandwerk im Rahmen eines Workshops an der Justus-von-Liebig Schule (Dez. 2017) Mitte: Blick auf die Stadt Kilis © Stadt Mannheim
1 . D I E I N I T I AT I V E U N D I H R E D E U T S C H -T Ü R K I S C H E N P R O J E K T E Mit der Umsetzung des Schnellstarterpakets I Im Projektverlauf stellten aktuelle politische Ent- konnten exemplarisch die Voraussetzungen in wicklungen die Projektpartnerschaft immer wie- einem der zwölf „Multi-Service-Zentren“ in Kilis der vor Herausforderungen. So machten es Ver- verbessert werden. Aufbauend auf einer im Rah- haftungen deutscher Staatsbürgerinnen und -bür- men des Projektes durchgeführten Bedarfsana- ger in der Türkei und kriegerische Handlungen in lyse des lokalen Arbeitsmarktes und der Bildungs- der Region Kilis für deutsche Teilnehmende situation geflüchteter Frauen in Kilis tauschten unmöglich, zu einem geplanten Workshop in die 13 sich die kommunalen Fachleute und die Bildungs- Partnerkommune zu reisen. Die in Kilis geplante expertinnen und -experten in Workshops aus und Weiterbildungsmaßnahme wurde daher nach arbeiteten gemeinsam an der Diversifizierung der Mannheim verlegt. Angebote und Kurse. Als ein Ergebnis soll das Angebot an Spracherwerb und niederschwelligen Bevor Ende 2019 der mit einem Schnellstarterpa- Qualifizierungsangeboten, zum Beispiel in Fri- ket II finanzierte Aufbau eines modernen, bil- seurhandwerk, Kosmetik, Textil und Nahrung, in dungsorientierten kommunalen Gemeinschafts- einem neuen Zentrum um Kurse in Alltagsbetreu- zentrums für die neuen und alteingesessenen ung in der Altenpflege, hauswirtschaftliche Quali- Einwohnerinnen in Kilis begonnen wurde, muss- fikationen und Kinderpflege ergänzt werden. In ten die einzelnen Fortbildungsmodule mit dem zwei Workshops, die in Mannheim und Kilis statt- türkischen Bildungsministerium ausgehandelt fanden, erarbeiteten Expertinnen und Experten werden. Kinderbetreuung und soziale Beratung aus beiden Städten eine Strategie zur Förderung ergänzen das Fortbildungsangebot. Damit ent- der sozialen und wirtschaftlichen Integration der stand im September 2021 in Kilis ein weiterer geflüchteten Frauen. Beratungs- und Gesprächs- Ort für Begegnung und Beratung, Austausch und angebote sind wichtige Bestandteile der Strategie. Bildung. Die gute Zusammenarbeit der Verwal- tung der Stadt Mannheim mit dem Arbeitskreis Die zweite wichtige Projektkomponente fokussierte Islamischer Gemeinden hat viel zum bisherigen sich auf die Qualifizierung des Lehrpersonals. Erfolg des Projektes beigetragen und das ehren- Lehrkräfte einer kooperierenden Mannheimer amtliche Engagement sowie die Integration von Berufsschule führten die Workshops nach dem Migrantinnen und Migranten auch in Mannheim „Train the Trainer“-Ansatz durch. Im Anschluss gestärkt. haben die türkischen Ausbilderinnen ihr Wissen als Multiplikatorinnen weitergegeben. Langfristig geht es nun darum, in Anlehnung an das deutsche Vorbild das duale Ausbildungssystem in der Türkei zu fördern. Besichtigung des Grundstücks durch kommunale Exper- tinnen und Experten der Stadt Mannheim und der Stadt Kilis für den geplanten Bau des beruflichen Zentrums in Kilis (Juli 2017) © Stadt Mannheim
DIE INI T I AT I V E „KOMMUN A L E S K NO W-HO W F ÜR N A HOS T “ 1.3. OSNABRÜCK – ÇANAKKALE (2019, 2021-2022) 14 Interkommunaler Austausch zu Migration und Integration von Geflüchtetengemeinschaften arbeiten zusammen beim Aufbau eines Gemeinschaftszentrums für Frauen Die Verbesserung der Unterstützung von sozial Im Fokus des Projekts stand der gegenseitige benachteiligten Frauen und Kindern mit und Know-how-Transfer. In Workshops und bei ohne Fluchthintergrund in Çanakkale durch die Besichtigungen tauschten sich deutsche Verant- Entwicklung geeigneter Integrationsmaßnahmen wortliche aus der Stadtverwaltung, dem Integrati- ist das Ziel der geförderten Projektpartnerschaft onsbereich, der Sozialverwaltung, dem Bildungs- zwischen Osnabrück und Çanakkale. büro, dem Büro für Friedenskultur sowie der Arbeitsverwaltung mit Kolleginnen und Kollegen Beide Kommunen pflegen bereits seit 2004 eine türkischer Stadtverwaltungen, Ratsmitgliedern Städtepartnerschaft. Die Partnerstädte sind mit und NROs aus. Auch die Oberbürgermeister bei- einer Bevölkerung von jeweils circa 170.000 Ein- der Städte nahmen an den Veranstaltungen teil. wohnerinnen und Einwohnern ungefähr gleich „Wir haben sehr schnell viele Gemeinsamkeiten groß, wirtschaftlich relativ stabil und haben eine entdeckt, auch wenn die gesetzlichen Rahmenbe- eher liberale und aufgeschlossene Bevölkerung. dingungen in den Ländern unterschiedlich sind“, Çanakkale liegt in der Transitzone nach Griechen- sagt Seda Rass-Turgut, Leiterin des Fachbereichs land. Die Mehrheit der Geflüchteten hier sind Integration, Soziales und Bürgerengagement in Frauen und Kinder, die auf Familienzusammen- Osnabrück, die unter anderem für die Städtepart- führung mit den bereits nach Europa geflüchteten nerschaft mit Çanakkale zuständig ist. Wertschät- Männern hoffen. Gemeinsamer Workshop in Çanakkale mit dem Oberbürgermeister der Stadt, Ülgür Gökhan © Esra Sakinmaz, Seda Rass-Turgut
1 . D I E I N I T I AT I V E U N D I H R E D E U T S C H -T Ü R K I S C H E N P R O J E K T E 15 Pause im Osna- brücker Stadthaus während eines gemeinsamen Workshops © Johanna Lehmann zung füreinander und für die Arbeit der anderen Die positiven Erfahrungen, das neu entwickelte zu entwickeln, sei eine sehr wertvolle Erfahrung Bewusstsein füreinander und die vertieften per- für alle Beteiligten gewesen. „Das Projekt hat der sönlichen Kontakte legten den Grundstein für die Partnerschaftsarbeit eine ganz neue Qualität Entwicklung und Ausarbeitung weiterführender gegeben.“ Projektideen: Eine Gemeinschaftseinrichtung in Çanakkale soll einheimischen und geflüchteten Die deutsche Seite profitierte von den Erfahrun- Frauen und anderen benachteiligten Personen- gen der türkischen Seite, wie mit pragmatischen gruppen einen geschützten Ort der Begegnung Ansätzen die Aufnahme von Geflüchteten schnell, bieten. Es soll Beratung bei häuslicher Gewalt, aktiv und flexibel organisiert werden kann. In der aber auch Mentoring-Programme für junge Men- Türkei zeigten sich die deutschen Gäste beein- schen in der Ausbildung und viele weitere Bil- druckt von einer Einrichtung für syrische Geflüch- dungsangebote geben. Von diesem Vorhaben ver- tete im sozial benachteiligten Istanbuler Stadtteil sprechen sich die Partnerkommunen wertvolle Sultanbeyli, der zusätzlich zu den geflüchteten Impulse für mehr interkulturelles Miteinander in Syrerinnen und Syrern auch viele Binnenmigran- Çanakkale. „Außerdem haben sich die Kollegin- tinnen und Binnenmigranten aus dem Osten der nen und Kollegen Unterstützung beim Integrati- Türkei aufgenommen hat. Allerdings gibt es auch onsmanagement gewünscht“, so Seda Rass-Tur- ausgeprägte Vorbehalte den Geflüchteten gegen- gut. Um nachhaltige Strukturen für das Thema über und viele wirtschaftliche Probleme. Integration zu etablieren, soll unter anderem eine eigene Abteilung innerhalb der Sozialverwaltung Die türkischen Projektteilnehmenden gewannen von Çanakkale aufgebaut werden. Die Maßnah- während ihres Aufenthaltes in Osnabrück Einbli- men werden seit 2021 in einem Folgeprojekt im cke in das erfolgreich etablierte lokale Integrati- Rahmen des Schnellstarterpakets II Nahost wei- onsmanagement und die Netzwerkarbeit vor Ort. tergeführt und umgesetzt. Sie vertieften durch Besichtigungen und in den Diskussionen mit ihren Kolleginnen und Kollegen ihr Verständnis für interne Abläufe in der deut- schen Kommune und erlebten, wie verschiedene Fachverwaltungen kooperieren. Auch die Netz- werkarbeit der Kommune mit NROs, die Arbeit des Migrationskompetenzzentrums der Akademie Überlingen und das Wirken des Quartiersma- nagements in einem stark migrantisch geprägten Viertel Osnabrücks stießen auf viel Interesse.
DIE INI T I AT I V E „KOMMUN A L E S K NO W-HO W F ÜR N A HOS T “ 1.4. BERLIN TEMPELHOF-SCHÖNEBERG – MERSIN MEZITLI (2019) 16 Kommunaler Erfahrungsaustausch für eine bessere Integration geflüchteter Menschen aus Syrien Die Erfahrungen in der Integration Geflüchteter ausforderung dar, nicht zuletzt, weil bei der auszuwerten und darauf aufbauend verbesserte Ankunft der Geflüchteten kaum Daten erhoben Integrationsmaßnahmen und nachhaltige Integra- wurden und daher nur wenig über ihre tatsächli- tionsstrukturen aufzubauen, war das Anliegen chen Lebensumstände und Bedürfnisse bekannt der Projektpartnerschaft Berlin Tempelhof-Schö- ist. neberg und Mezitli. Beide Bezirke verbindet seit 2012 eine lebendige Städtepartnerschaft. Das Projekt startete mit einer vierwöchigen Hos- pitation der türkischen Stadtplanerin und Refe- Seit 2010 sind viele Menschen aus Syrien nach rentin des Bezirksbürgermeisters von Mezitli in Mezitli gekommen. In dem circa 200.000 Ein- der Verwaltung von Tempelhof-Schöneberg. Im wohnerinnen und Einwohner zählenden dicht Rahmen der Hospitation besuchte die Fachkraft besiedelten Bezirk leben mittlerweile rund 30.000 zahlreiche Einrichtungen der Geflüchteten-Arbeit registrierte und vermutlich noch einmal 30.000 und diskutierte mit Mitarbeitenden, Ehrenamt- nicht registrierte Geflüchtete. Ihre nachhaltige lichen und Geflüchteten vor Ort. Es ging dabei soziale Integration in Wirtschaft und Gesellschaft sowohl um Stadtplanung und Quartiersmanage- stellt für die Verwaltung in Mezitli eine große Her- ment als auch um die Arbeit von Nachbarschafts- Besuch in den Hobbygärten – die Idee dazu wurde aus der Tempelhof- Schöneberger Gartenarbeitsschule und den Hobbygär- ten des Quartiers- managements mitgebracht © Bezirksamt Tempelhof-Schöne- berg von Berlin
1 . D I E I N I T I AT I V E U N D I H R E D E U T S C H -T Ü R K I S C H E N P R O J E K T E 17 zentren, um Strukturen und Organisation in kann. Bei einem zweiten Fachaustausch in Berlin Geflüchtetenunterkünften und um die Zusam- besuchte die türkische Delegation verschiedene menarbeit von Ehrenamtlichen und Verwaltung Einrichtungen vor Ort und konkretisierte zusam- zur Unterstützung geflüchteter Menschen. Außer- men mit den Berliner Partnerinnen und Partnern dem konnte sie sich an Aktivitäten im Fachbereich die Überlegungen aus dem ersten Workshop. Stadtplanung, insbesondere im Bereich der Sozial- raumorientierung des Berliner Bezirks, beteiligen. Als eine Maßnahme zur verbesserten Integration Ihre „Lessons learnt“ brachte sie später in die möchte die Verwaltung von Mezitli in Zusammen- Stadtverordnetenversammlung in Mezitli ein und arbeit mit Berlin Tempelhof Schöneberg ein Haus wurde zur zentralen Ansprechperson für das des Ehrenamtes aufbauen. Die durch die Projekt- Design einer Datenerhebung und Studie zur partnerschaft gefestigten Strukturen der Zusam- Lebenssituation von Geflüchteten und dem Blick menarbeit und der stattgefundene Wissenstrans- der Mehrheitsgesellschaft auf die Geflüchteten. fer werden zu einer erfolgreichen Umsetzung bei- Die wichtigsten Ergebnisse der Studie wurden in tragen. einer Broschüre veröffentlicht. Auf einem Workshop in Mezitli zur Auswertung der Studienergebnisse entwickelten die Teilneh- menden aus Politik und Verwaltung in Mezitli und Berlin gemeinsame Überlegungen, wie auf die konkrete Situation der Geflüchteten und ihre Be- darfe von Seiten der Kommunen reagiert werden Die Delegation aus Berlin mit Hürrem Betül Levent Erdal (Referentin und Strategic Deve- lopment Planner) und Lehrkräften der Schule in der der Internationalen Arabischen NINOVA- Schule © Bezirksamt Tempelhof-Schöne- berg von Berlin
DIE INI T I AT I V E „KOMMUN A L E S K NO W-HO W F ÜR N A HOS T “ 1.5. SCHWÄBISCH HALL – KARESI (2019) Zusammenarbeit für eine saubere Umwelt 18 Schon seit 2006 pflegen Schwäbisch Hall und Eine zweite Delegation bestand aus einer Gruppe Karesi eine Städtepartnerschaft. Um den Umwelt- türkischer Schülerinnen und Schüler. Durch schutz in der Stadt zu stärken und alle Menschen Exkursionen und gemeinsame Aktivitäten sam- in der Stadt dabei mitzunehmen, starteten die melten sie viele Eindrücke und gründeten im Kommunen mit Mitteln des „Schnellstarterpakets Anschluss in Karesi eine Umweltschutzgruppe. I Nahost“ ein Projekt zur Trennung und Vermei- Die Schülerinnen und Schüler setzten sich zum dung von Müll sowie zur Bewusstseinsbildung für Beispiel für das Aufstellen von Pfandflaschen- das Thema Umweltschutz. Standen bisher zumeist Automaten in Karesi ein. Gemeinsam mit geflüch- der kulturelle Austausch und offizielle Anlässe im teten Jugendlichen stellten sie bei einem Work- Vordergrund, eröffnete das Projekt neue Wege shop Brieftaschen aus Tetra Paks her und schärf- der Zusammenarbeit, wobei auch die Verwaltun- ten so das Bewusstsein für die Möglichkeiten des gen wieder verstärkt ins Gespräch miteinander Upcyclings. kamen. Unvorhergesehene Entwicklungen zwangen die In der industriell geprägten Großstadt Karesi mit Projektkommunen zu Änderungen des geplanten ihren circa 180.000 Einwohnerinnen und Einwoh- Verlaufs. Bei der Kommunalwahl im März 2019 nern entstanden in den letzten Jahren viele Neu- wurde in Karesi ein neuer Bürgermeister gewählt. baugebiete. Viel Bauschutt, wenig Recyclingmög- Viele Verwaltungsangestellte wechselten in lichkeiten und ein insgesamt erhöhtes Müllvor- andere Bereiche. Durch zeitliche Verzögerungen kommen stellten die Stadt vor Herausforderungen. konnte eine Delegationsreise deutscher Fachleute Die beiden Partnerkommunen vereinbarten des- nach Karesi zunächst nicht stattfinden. Doch die halb, Karesi durch Expertenaustausch im Bereich Neubesetzungen in der Stadtverwaltung gaben Müllvermeidung, Sortierung und Entsorgung zu der Partnerschaft auch neue Impulse. Manche unterstützen. Zugleich sollte es beim Projekt um Kontakte im Bereich Schulaustausch, Bürger- die Sensibilisierung junger Menschen für Nach- schafts- oder Delegationsreisen waren aufgrund haltigkeitsthemen gehen. der aktuellen politischen Situation in der Türkei zuletzt schwieriger und seltener geworden. „Nun Zielgruppen des Projekts waren zum einen Exper- haben wir neue Ansprechpersonen und können tinnen und Experten aus beiden Stadtverwaltun- die Arbeit wieder intensivieren“, sagt Karin gen und zum anderen Schülerinnen und Schüler. Eißele-Kraft, Abteilungsleiterin für Bürgerschaft/ Die Jugendlichen gaben ihr Wissen und ihre krea- Gleichstellung/Städtepartnerschaften in Schwä- tiven Ideen anschließend an Gleichaltrige mit und bisch Hall. Sie ist überzeugt, dass das Thema ohne Fluchthintergrund weiter. In den vergange- Jugendbildung in Verbindung mit Müllvermeidung nen Jahren nahm Karesi rund 2.000 registrierte und Klimaschutz auch in Zukunft ein zentrales Geflüchtete auf. Viele geflüchtete Kinder und Thema für die Städtepartnerschaft bleiben wird. Jugendliche besuchen in Karesi die Regelschulen. Bei einer ersten Delegationsreise nach Schwä- bisch Hall informierten sich acht türkische Fach- leute über Möglichkeiten der Mülltrennung und -entsorgung sowie über die Verarbeitung von Biomüll in der deutschen Kommune.
1 . D I E I N I T I AT I V E U N D I H R E D E U T S C H -T Ü R K I S C H E N P R O J E K T E 19 Insgesamt ist es mit dem Projekt „Partnerschaft im Freien zum Thema Müll die deutschen Pro- für eine saubere Umwelt“ gelungen, viele Fach- jektpartnerinnen und -partner beeindruckt. Und leute und Jugendliche in Karesi für das Thema mit einem großen Müllfest würdigte Karesi Men- Müll zu sensibilisieren. Karin Eißele-Kraft betont, schen, die sich besonders fürs Müllsammeln dass der Wissenstransfer aber keine Einbahn- engagiert hatten. „Das wäre auch bei uns eine straße war. „Aus den Berichten über die rasche Möglichkeit. Denn die Disziplin, Müll zu trennen Umsetzung des Gelernten in der Türkei konnten und zu vermeiden, lässt bei uns leider wieder wir auch viele neue Ideen für uns gewinnen“, sagt nach“, so Karin Eißele-Kraft. sie. So hat ein in Karesi durchgeführter Filmabend Links: Informationsaustausch auf dem Werkhof der Stadt, Thema Stadtreinigung © Stadt Schwäbisch Hall Unten links: Schülerinnen und Schüler aus Karesi auf dem Wertstoffhof © Stadt Schwäbisch Hall Unten rechts: Kinder in Karesi sammeln recyclebare Materialien © Stadt Karesi
DIE INI T I AT I V E „KOMMUN A L E S K NO W-HO W F ÜR N A HOS T “ 1.6. BERLIN TREPTOW-KÖPENICK – ESKIŞEHIR TEPEBAŞI (2018) 20 Förderung sozialen Engagements und wirtschaftlicher Existenzen für junge Menschen und Geflüchtete Durch Existenzgründungsberatung die Integra- Existenzgründungszentrum für Kreativ- und Sozi- tion von Geflüchteten fördern und den Jugendli- alberufe der Stadtverwaltung Tepeba şı. Hier sol- chen der Stadt neue Einkommensmöglichkeiten len geflüchteten und einheimischen jungen Men- im Bereich der Sozial- und Kreativwirtschaft bie- schen durch Beratungs- und Schulungsangebote ten: Das war das Ziel einer Projektpartnerschaft Perspektiven zur Gründung eines eigenen Unter- des Berliner Bezirks Treptow-Köpenick mit dem nehmens aufgezeigt werden. Bezirk Eskişehir Tepeba şı, welche im Rahmen des Schnellstarterpakets I Nahost finanziell gefördert Zielgruppen des Projekts waren kommunale Fach- wurde. leute, zivilgesellschaftliche Partnerorganisationen sowie potenzielle Gründerinnen und Gründer. Die etwa 680.000 Einwohnerinnen und Einwoh- Junge Geflüchtete und Frauen standen dabei ner zählende Stadt Eskişehir mit ihrem Bezirk besonders im Fokus. Zum Projekt gehörten neben Tepeba şı ist eine moderne, weltoffene und wirt- interkulturellen Schulungen und Sprachkursen für schaftlich dynamische Großstadt. Dank der zwei Türkisch und Arabisch auch Planungsworkshops. großen Universitäten ist sie ein wichtiger Bil- Fachleute aus beiden Partnerkommunen entwi- dungsstandort in Anatolien. Dennoch ist die Situ- ckelten bei zwei Workshops in Deutschland und ation auf dem Arbeitsmarkt vor allem für junge in der Türkei ein erstes Kursprogramm zur Grün- Erwachsene angespannt. In der Altersgruppe der dungsförderung gemeinnütziger und kreativer 15- bis 24-Jährigen liegt die Arbeitslosenrate bei Vorhaben. Außerdem erarbeiteten die Teilneh- 34 Prozent. Viele gut qualifizierte Arbeitskräfte menden Qualifizierungsmaßnahmen für die Mit- suchen daher den Weg in die Selbstständigkeit. arbeitenden des Gründungszentrums und für Die Existenzgründungen scheitern jedoch häufig. Ehrenamtliche in der Geflüchteten-Arbeit. In der Folge sehen sich die jungen Menschen Das Gründungszentrum in Tepeba şı konnte gezwungen abzuwandern, sie werden erwerbslos schließlich mit dem erlangten Wissen in 2018 als oder müssen Arbeitsangebote annehmen, die gemeinsames Projektergebnis eröffnet werden. weit unter ihrer Qualifikation liegen. Professio- Durch eine Vielzahl an Angeboten und Struktu- nelle Gründungsberatung kann hier Unterstüt- ren werden hier Existenzgründerinnern und zung bieten – auch für viele der circa 5.000 -gründer bei der Planung und Realisierung ihrer Geflüchteten, die in Tepeba şı leben. Vorhaben unterstützt. Bei der Planung des Partnerschaftsprojektes ver- Das Projekt wird von beiden Seiten als sehr ständigten sich die beiden Kommunen darauf, erfolgreich und bereichernd für die 2017 offiziell dass das Kooperationsprojekt in gelebter interkul- besiegelte Städtepartnerschaft bewertet. Zwar tureller Zusammenarbeit einen Beitrag zur gab es im Projektverlauf Schwierigkeiten wegen Beschäftigungs-, Kreativitäts- und Gemeinwohl- der Entwertung der Lira und starker Inflation. förderung leisten sollte. Im Fokus stand das neue Dennoch gelang es, das Projekt in geplanter
1 . D I E I N I T I AT I V E U N D I H R E D E U T S C H -T Ü R K I S C H E N P R O J E K T E Weise durchzuführen. Zu den Erfolgsfaktoren Die erfolgreiche Zusammenarbeit konnte nach gehörte, dass Politik und Verwaltung in beiden dem Projektabschluss weitergehen. In Tepeba şı Kommunen das Projekt dauerhaft und mit ähnli- wurde mit Unterstützung des Programms „Fach- cher Intensität unterstützten und zahlreiche enga- kräfte für kommunale Partnerschaften weltweit“, gierte zivilgesellschaftliche Akteurinnen und das von GIZ und SKEW gemeinsam umgesetzt Akteure für eine Mitarbeit gewonnen werden wird, bis Herbst 2021 eine lokale Fachkraft einge- konnten. Auch dass beide Bezirke eine aktive stellt. 21 Kunst- und Kreativszene haben, die durch Profes- sionalisierung viele Möglichkeiten zur Existenz- gründung bieten kann, war von Vorteil. Links: Bürgermeister Dt. Ahmet Ataç im Gespräch mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern des ersten Existenzgründungsseminars. Das Existenzgründungs- zentrum in Tepebaşı bietet jungen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund Perspektiven © Ekişehir Tepebaşı Belediyesi Unten: Bezirksbürgermeister Oliver Igel besichtigt gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Bezirksverordnetenversammlung Treptow- Köpenick die Baustelle des neuen Existenz- gründungszentrums © Bezirksamt Treptow-Köpenick von Berlin/ Schmohl Oben: Im Dezember 2018 konnte das Existenzgründungszentrum feierlich eröffnet werden © Eskişehir Tepebaşı Belediyesi
2. GASTBEITRAG DER GIZ: BILATERALE ZUSAMMENARBEIT MIT AUFNAHMEKOMMUNEN VON GEFLÜCHTETEN IN DER TÜRKEI © GIZ
2. GASTBEITRAG DER GIZ 23 Kommunen in der Türkei und in Deutschland haben in den vergangenen Jahren eine Vielzahl vergleichbarer Erfahrungen bei der Aufnahme und Integration Geflüchteter gesammelt. Kommunen beider Länder eint das Bestreben, die Rahmenbedingungen für ein friedfertiges Zusammenleben in den Aufnahmegemeinden nachhaltig zu stärken. Integration und soziale Kohäsion werden hierbei werden Teil der Aufnahmegemeinde und Kom- als zentrale Bausteine kommunalen Handelns munen die zentralen Akteurinnen erfolgreicher aufgefasst. Insbesondere stehen dabei gleicher- Integration und friedlichen Zusammen- und Mit- maßen Geflüchtete wie auch andere vulnerable einanderlebens zwischen Einheimischen und Gruppen in den aufnehmenden Gemeinden im Zugewanderten. Fokus. Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Mittels des BMZ finanzierten Projekt-Clusters zur (BMZ) unterstützt die Deutsche Gesellschaft für Unterstützung von Geflüchteten und aufnehmen- Internationale Zusammenarbeit (GIZ) kommunale den Gemeinden (SRHC) setzt die GIZ breitenwirk- Akteurinnen und Akteure in der Türkei bei der same Maßnahmen in den Bereichen Bildung, nachhaltigen Bewältigung dieser Herausforderun- Beschäftigungsförderung, soziale Kohäsion, Kapa- gen. Die Arbeit der GIZ in der Türkei wird auch zitätsentwicklung sowie Psychische Gesundheit durch die Europäischen Union gefördert. und Psychosoziale Unterstützung (MHPSS) um. Sei es die Stärkung staatlicher Aufnahmestruktu- ren und des türkischen Migrationsmanagements, Kommunales Potenzial unterstützen die Verbesserung von Basisdienstleistungen, zum und umsetzen Beispiel über Gemeinschafts- und Gesundheits- In zahlreichen türkischen Aufnahmekommunen zentren, die Förderung wirtschaftlicher Perspek- unterstützt die GIZ eine Reihe kommunaler tiven oder Maßnahmen in frühkindlicher und Akteurinnen und Akteure, um Integration nach- beruflicher Bildung: Das Portfolio der GIZ unter- haltig zu gestalten. Hierbei werden Kommunen stützt Akteurinnen und Akteure darin, Beratung als zentraler Ort verstanden, an dem Integration und Unterstützung für Geflüchtete sowie vulnera- stattfindet: Geflüchtete finden ein neues Zuhause, ble Gruppen anzubieten und landesweit Orte der schließen erste Kontakte zu Einheimischen und Begegnung zwischen Einheimischen und Geflüch- lernen die Sprache des Aufnahmelandes. Sie fin- teten zu schaffen. Die Zusammenarbeit mit Kom- den ihre erste Arbeitsstelle in der Region und ihre munen und das Know-how ihrer Akteurinnen Kinder besuchen die lokalen Schulen. Geflüchtete und Akteure hat hierbei eine Schlüsselfunktion. Projektmaßnahme mit Kindern in Sanliurfa/Türkei Community Centres and Local Initatives Project (CLIP) © GIZ
DIE INI T I AT I V E „KOMMUN A L E S K NO W-HO W F ÜR N A HOS T “ Abbildung 1: Zusammenarbeit der GIZ Türkei mit Provinzen (Stand 2021) 24 Kommunales Kooperationsnetzwerk Engagement der GIZ in der Türkei Die Abbildungen 1 und 2 auf Seite 24 und 25 Partnerschaften auf Augenhöhe bilden den Kern geben einen Überblick über die Provinzen und der technischen Zusammenarbeit der GIZ. Ent- Gemeinden, mit denen das SRHC Cluster aktuell sprechend verfolgt die GIZ Türkei das Ziel, die in Kooperation steht. Bei diesen Partnern handelt Kapazitäten ihrer türkischen Partnerinstitutionen es sich insbesondere um Kommunen, in denen zur eigenständigen Bewältigung der Herausforde- eine hohe Anzahl von Geflüchteten leben. Die rungen von Flucht und Migration zu stärken. Mehrzahl der Partnergemeinden liegt nah an der türkisch-syrischen Grenze. Soziale Kohäsion Soziale Kohäsion in den aufnehmenden Gemein- Angebote adressieren nicht nur staatliche Akteu- den in der Türkei zu stärken, ist integraler Bestand- rinnen und Akteure, sondern auch Geflüchtete, teil aller Projekte des SRHC Clusters. Dem „Do-no- die türkische Bevölkerung sowie nichtstaatliche harm” Prinzip folgend unterstützen die Vorhaben Organisationen: Der Ansatz der kommunalen syrische Geflüchtete und Menschen in den auf- Zusammenarbeit der GIZ ist charakterisiert durch nehmenden Gemeinden gleichermaßen. Für eine ein duales Vorgehen. Einerseits werden in Koope- dauerhafte Lösung der Geflüchtetenaufnahme ist ration mit Kommunen kapazitätsbildende Maß- es unerlässlich, sozialen Spannungen entgegenzu- nahmen implementiert. Die GIZ arbeitet direkt wirken. mit Kommunen und Stadtverwaltungen, um die institutionellen und personellen Kapazitäten im Gemeindezentren spielen eine wichtige Rolle, um Migrationsmanagement nachhaltig zu stärken. Angebote für Geflüchtete an einem Ort zu bün- Andererseits werden in Absprache mit Kommunen deln und einen sicheren Raum für interkulturelle Maßnahmen in vorschulischen, mittelschulischen, Begegnungen zu schaffen. Die zivilgesellschaftli- technischen und berufsbildenden Bildungseinrich- chen Organisationen, welche einige der Gemein- tungen, Jugendzentren, Gemeinschafts- und dezentren betreiben, leisten ergänzend zu den Gesundheitszentren und zivilgesellschaftlichen staatlichen Angeboten einen wichtigen Beitrag und privatwirtschaftlichen Organisationen durch- zur sozialen Kohäsion in ihren Gemeinden. Diese geführt sowie unterstützt. bieten sowohl für die Aufnahmegemeinden als auch für Geflüchtete unter anderem nicht-formale Bildungskurse (zum Beispiel Sprachkurse), Bil- dungsberatung, Unterstützung bei der Schulregis- trierung sowie nicht zuletzt Kurse zur Vermitt-
2. GASTBEITRAG DER GIZ lung von lebens- und beschäftigungsrelevanten Abbildung 2: Zusammenarbeit mit Gemeinden in Kompetenzen (life and work skills) an. Ergänzend der Türkei (Stand 2021) – die Waben zeigen die bearbeitet die GIZ Türkei auch den Bereich des Namen der Provinzen, die zugehörigen Stadtbezirke Schutzes vulnerabler Personen am Schnittpunkt stehen seitlich. humanitärer und entwicklungsorientierter Arbeit. Çukurova Adana Seyhan Zudem unterstützt die GIZ Jugendzentren, um Yüreğir 25 mehr geflüchtete Kinder und Jugendliche zur Teil- nahme an kreativen und sportlichen Aktivitäten Keciören Ankara zu motivieren und somit einen Raum für gemein- same, außerschulische Zusammenkünfte zu schaffen. Hier werden auch gezielt Freiwillige aus Gürsü Bursa Yıldırım Aufnahmekommunen und Geflüchtete zusam- men ausgebildet und in der Implementierung von Aktivitäten zur Förderung der sozialen Kohäsion Kunduzhan Çorum unterstützt. Beschäftigungsförderung Eskişehis Eskişehir Die Projekte der GIZ zur Beschäftigungsförderung schaffen Perspektiven für bedürftige syrische und Şehitkamil Gaziantep türkische Familien. Dabei unterstützt die GIZ Şahinbey durch enge Zusammenarbeit mit dem Ministe- Altınözü rium für Familie, Arbeit und Soziales, der Türki- Başakşehir Antakya Beyoğlu Hatay schen Arbeitsagentur sowie Kommunen und zivil- Kırıkhan Esenler Reyhanlı gesellschaftlichen Organisationen die Umsetzung Esenyurt der Beschäftigungspolitik der türkischen Regie- Fatih İstanbul rung. Die Maßnahmen adressieren die individuel- KüÇükÇekmece Şişli len Bedürfnisse, Qualifikationen und Fähigkeiten Sultanbeyli der Zielgruppe und unterstützen die Teilnehmen- Tuzla İzmir Tepecik den bei der Suche nach einer Beschäftigung im Zeytinburnu privaten und öffentlichen Sektor. Darauf aufbau- end werden in der Beschäftigungsförderung für Kahra- Dulkadiroğlu manmaraş syrische Geflüchtete und arbeitssuchende Einhei- mische besondere Maßnahmen für vulnerable Gruppen ergriffen. So wird arbeitssuchenden Kilis Merkez Müttern der Zugang zu Kinderbetreuung ermög- licht. Sprachliche Förderung und interkulturelle Interaktion sind Bestandteil aller Maßnahmen Kızıltepe Mardin und Trainings zur Beschäftigungsförderung. Akdeniz Mersin Psychische Gesundheit und Psychosoziale Mezitli Unterstützung Die Auswirkungen psychischer und psychosozialer Canik Samsun Belastungen für Geflüchtete und die Bewohnerin- nen und Bewohner aufnehmender Gemeinden in Akçakale Eyyübiye der Türkei haben sich durch die Restriktionen zur Şanliurfa Haliliye Eindämmung der COVID-19 Pandemie verschärft. Suruç Mühsam aufgebaute Existenzgrundlagen und Per- Viranşehir spektiven wurden zerstört, Erinnerungen an trau- Ortahisar Trabzon matische Verlusterfahrungen geweckt und beste- hende soziale und psychische Belastungen erhöht. Um diesen vielschichtigen psychosozialen Her- Yozgat ausforderungen entgegenzuwirken, zielen die
DIE INI T I AT I V E „KOMMUN A L E S K NO W-HO W F ÜR N A HOS T “ Maßnahmen der GIZ darauf ab, die Zugangsmög- Kapazitätsentwicklung lichkeiten zu Leistungen im Bereich Mental Health Um die Kapazitäten lokaler Regierungsinstitutio- and Psychosocial Support (MHPSS) zu verbessern. nen zu stärken, werden Gemeinden durch kleine Zudem unterstützt die GIZ den Ausbau von Projektzuschüsse unterstützt. Zudem werden Dia- MHPSS-Leistungen sowie Weiterbildungen für log- und Austauschformate sowie Peer Learning MHPSS-Praktikerinnen und -Praktiker (z.B. psy- von Kommunen auf nationaler, regionaler und 26 chosoziale Beraterinnen und Berater, Therapeu- internationaler Ebene gefördert. Der kommunale tinnen und Therapeuten sowie Übersetzerinnen Dialog in der Türkei sowie auch über die Landes- und Übersetzer). grenzen hinaus liefert hierbei wichtige Impulse, um die Integration von Geflüchteten wirksam und Bildung nachhaltig zu gestalten. Beiträge der internationa- Die nationale Bildungsstrategie sieht eine Integra- len Gemeinschaft sind wichtig, um insbesondere tion von syrischen Kindern in das türkische Schul- die Bemühungen von aufnehmenden Gemeinden wesen vor. Durch eine Qualifizierung der Lehr- nachhaltig zu unterstützen. Kontinuierliche Dia- kräfte werden die Voraussetzungen für einen logprozesse und Austauschformate zeigen, dass gemeinsamen Unterricht von syrischen und türki- für eine wirksame und nachhaltige Umsetzung schen Kindern geschaffen. Die GIZ unterstützt das integrativer Maßnahmen der Austausch über Bildungsministerium bei der Umsetzung der natio- Erfahrungen und Praktiken überaus wertvoll ist. nalen Bildungsstrategien im Vorschulbereich. Sie sieht die Schulpflicht für alle türkischen Kinder wie auch geflüchteten Kinder ab dem 5. Lebensjahr Kommunen als gestaltende Kraft vor. Durch Trainings für Lehrpersonal und die Kommunen als Akteurinnen zwischen zentral- Bereitstellung von Lehrmaterial hat die GIZ außer- staatlichen Strukturen und Einheimischen und dem zu einer Anpassung des Unterrichts an die Geflüchteten haben eine Schlüsselfunktion inne, besondere Situation beigetragen: Lehrerinnen und um die Resilienz der Gemeinden und den sozia- Lehrer wurden in interkulturellen Kompetenzen, len Zusammenhalt nachhaltig zu stärken. Für die inklusiven Lehrmethoden und der Vermittlung aufnehmenden Gemeinden bleibt die gesellschaft- von Türkisch als Fremdsprache fortgebildet. liche und wirtschaftliche Integration der Geflüch- teten auf absehbare Zeit eine Aufgabe, die auch Zudem werden Schülerinnen und Schüler der eine breite internationale Unterstützung erfordert. Berufsschulen beraten, wie sie erfolgreich eine Dahingehend bietet der Beitrag einen ersten Arbeit suchen und finden können. Die Einführung Einblick in die Prozesse, welche die GIZ bereits der Berufsberatung für die 7. und 8. Klassen soll begleitet und zukünftig verfolgen wird, um lokale Schülerinnen und Schüler und deren Familien Partner bei der Gestaltung lokaler Lösungen zu dazu befähigen, fundierte Entscheidungen über unterstützen. Bildung und Ausbildung zu treffen. Vor allem für syrische Familien ist das Ziel, die berufliche Bil- dung und Ausbildung zu absolvieren. Links: Projektmaßnahme im Rahmen des Community Centres Projektes in Gaziantep/Türkei © GIZ Rechts: Istanbul, Außenansicht der Süleymaniye- Moschee © istockphoto.com/epicimages
Sie können auch lesen