KURZ ERKLÄRT 2020 - Auch als App - Admin.ch

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DER BUND
KURZ ERKLÄRT   2020

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KURZ ERKLÄRT 2020 - Auch als App - Admin.ch
Titelbild
In grossen Schlaufen fliesst die Klön in den
Klöntalersee. Wo das Wasser wenig tief ist,
gefriert es und zeichnet im Uferdelta ein
Marmorbild. Der Klöntalersee liegt im Kanton
Glarus und ist einer der ältesten Speicher-
seen der Schweiz: Seit 1908 wird er für die
Gewinnung von Elektrizität genutzt.
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Liebe Leserin, lieber Leser

   «Veränderungen an der     Die Bundesverfassung von 1848 wurde in nur 51 Tagen, aber
                             mit viel Umsicht geschrieben. Einiges von dem, was dort ver-
        Verfassung waren     ankert wurde, hat bis heute Bestand, insbesondere die Institu-
von Anfang an eingeplant.»   tionen «Bundesrat», «National­rat» und «Ständerat». Damals
                             gab es das Parlaments­gebäude noch nicht (es wurde erst
                             1902 bezogen), aber das Bundesratszimmer im heutigen
                             Bundeshaus West – dem 1857 fertiggestellten sogenannten
                             «Bundes-Rathaus» – würden noch einige Verfassungsväter er-
                             kennen.

                             Gleichzeitig würden sie wohl staunen, was sich seit 1848 alles
                             verändert hat: Die Aufgaben des Bundes haben deutlich zuge-
                             nommen. Die Verwaltung ist gewaltig gewachsen. Der Natio-
                             nalrat ist grösser (heute 200 Sitze, im Gegensatz zu 111 Sitzen
                             damals). Zum Bundesgericht kamen ein Bundesstrafgericht
                             hinzu, ein Bundesverwaltungsgericht und ein Bundespatent-
                             gericht. Die politischen Rechte wurden beträchtlich ausgebaut
                             (Referendum, Volksinitiative). Ein neuer Kanton wurde ge-
                             schaffen, und das erst noch friedlich. Die Frauen bekamen –
                             spät, nämlich erst 1971 – das Stimm- und Wahlrecht und sind
                             heute sowohl im Parlament als auch im Bundesrat vertreten. Es
                             gibt mehr Parteien. Und es spielt keine Rolle mehr, ob ein Mit-
                             glied des Bundesrats katholisch ist oder protestantisch.

                             Veränderungen waren von Anfang an eingeplant. Die Verfas-
                             sung soll angepasst werden können, das Umfeld ändert sich
                             auch. Und zu Recht schrieb der Historiker Edgar Bonjour des-
                             halb über die Verfassungsväter: «Für sie war das schweizerische
                             Vaterland nicht so sehr das Land der Vorfahren als vielmehr der
                             Nach­fahren.» Trotzdem: Wären sie heute im Bundeshaus zu
                             Gast, sie wären wohl dankbar, sich mit der vorliegenden
                             Broschüre eine Übersicht verschaffen zu können. Und vielleicht
                             geht es Ihnen ja auch so. Gute Lektüre!

                             Bundeskanzler Walter Thurnherr

                                                                                               3
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INTERVIEW UND FAKTEN                    FUNDAMENT
                                SCHWEIZ                                 DIREKTE DEMOKRATIE

                                6                                       14

                              Bundespräsidentin                      Gewaltenteilung                     16
                              Simonetta Sommaruga im
                              Gespräch                         6     Wählen und abstimmen                18

                              Bevölkerung                      8     Parteien von links bis rechts       20

                              Finanzen des Bundes              9     Parteien in Kürze                   22

                              Geschichte der Schweiz          10

                              Föderalismus                    12

              Die App zur Broschüre                    Leitprogramm DER BUND KURZ ERKLÄRT
              DER BUND KURZ ERKLÄRT                    Didaktische Unterlagen auf Deutsch, Französisch
                                                       und Englisch:
              iOS / Android                            www.hep-verlag.ch/der-bund-kurz-erklaert

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LEGISLATIVE                      EXEKUTIVE                             JUDIKATIVE
  PARLAMENT                        REGIERUNG                             GERICHTE

  24                               40                                    76

National- und Ständerat     26   Bundesrat                       42    Justiz                      78

Das Parlament in Zahlen     27   Bundesverwaltung                44    Bundesgericht und
                                                                       erstinstanzliche Gerichte
Organisation der Räte       28   Eidgenössisches Departement           des Bundes                  80
                                 für auswärtige Angelegenheiten
Mechanik des Parlaments     31   EDA                            46

Milizparlament              32   Eidgenössisches Departement
                                 des Innern EDI                  50
Vernetzung mit der Welt     33
                                 Eidgenössisches Justiz- und
Parlamentsdienste           34   Polizeidepartement EJPD         54

Verteilung der                   Eidgenössisches Departement
Kommissionssitze            35   für Verteidigung, Bevölkerungs-
                                 schutz und Sport VBS            58
Weg zu einem neuen Gesetz   36
                                 Eidgenössisches Finanz­
Parlamentsgebäude           38   departement EFD                 62

                                 Eidgenössisches Departement
                                 für Wirtschaft, Bildung und
                                 Forschung WBF                   66

                                 Eidgenössisches Departement
                                 für Umwelt, Verkehr, Energie und
                                 Kommunikation UVEK               70

                                 Bundeskanzlei BK                74

                                                                                                        5
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Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga im Gespräch

              DIE PRÄSIDENTIN, DIE BÄUERIN UND
              DER SKIRENNFAHRER
              Die Schweiz ist vom Klimawandel besonders betroffen.         peraturen, schmelzende Gletscher und extremes Wetter
              Das erleben Menschen wie der Skirennfahrer Daniel            fordern uns heraus. Wenn wir die richtigen Massnah-
              Yule und die Bäuerin Valérie Piccand hautnah. Bundes-        men ergreifen, sind sie aber auch eine Chance – für eine
              präsidentin Simonetta Sommaruga hat mit ihnen dar-           klimafreundliche und innovative Wirtschaft, für die
              über gesprochen. Alle drei sind sich einig: Höhere Tem-      Wissenschaft und den Tourismus.
SCHWEIZ

              Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (BPSO): Sie            Daniel Yule (DY): Auch in den Alpen haben die Wetter­
              beide halten sich täglich in der Natur auf. Wie wirkt sich   ausschläge zugenommen: An einem Tag fahren wir Ski bei
              der Klimawandel auf Ihre Arbeit aus?                         einer Temperatur von minus zehn Grad – am Tag darauf
              Valérie Piccand (VP): Auf unserem Hof im Berner Jura kann    brennt die Sonne vom Himmel und der Schnee schmilzt
              das Wasser nach zwei heissen Wochen knapp werden. Zu-        weg. Das macht das Trainieren schwierig.
              dem gibt es mehr Wetterextreme – mit Kälte und viel Regen.
              Diese Tendenz hat sich in den letzten Jahren verstärkt.      BPSO: Was Sie schildern, bestätigt den Befund der Wis-
              Deshalb passen wir unseren Betrieb an den Klimawandel an.    senschaft: Der Klimawandel trifft die Schweiz hart.
                                                                           DY: Ja, die Gletscher verschwinden in rasantem Tempo. Je
              BPSO: Was unternehmen Sie?                                   nach Gletscher können wir nach dem Training mit den
              VP: Wir ergänzen unsere Wiesen mit Pflanzensorten, die       Skiern nicht mehr bis zur Bergstation fahren. Noch vor
              widerstandsfähiger sind als die herkömmlichen Gräser,        wenigen Jahren war das zum Beispiel in Zermatt problem-
              und wir halten genügsame Kuhrassen, die auch mit etwas       los möglich. Zudem ist die Schneefallgrenze in den letzten
              weniger Futter genug Milch geben.                            Jahren gestiegen.

          6   Der Bund kurz erklärt 2020 | Schweiz
KURZ ERKLÄRT 2020 - Auch als App - Admin.ch
BPSO: Es beeindruckt mich, dass          Klima. Es ist aber auch positiv für       BPSO: Stichwort Zukunft: Im Jahr
Sie als junger Mensch diese Unter-       das Wohl der Tiere, die Qualität der      2050 will die Schweiz unter dem
schiede so deutlich bemerken. Das        Lebensmittel und das Einkommen            Strich keine Treibhausgasemissio-
zeigt, wie schnell der Klimawandel       der Bauern. Sich konzentrieren auf        nen mehr ausstossen. Sie, Herr
voranschreitet. Welche Massnah-          Schweizer Milch und lokal produzier-      Yule, sind dann jünger als ich es
men soll die Politik aus Ihrer Sicht     tes Fleisch: Das ist eine grosse Chance   jetzt bin. Wir haben dreissig Jahre
für den Klimaschutz ergreifen?           für uns Bäuerinnen und Bauern!            Zeit für die Umstellung auf ein
DY: Es kann nicht sein, dass ein Flug                                              Leben ohne fossile Energie. Sie
von Genf nach London billiger ist als    BPSO: Klimaschutzmassnahmen               beide sind mit Ihrem Engagement

                                                                                                                               SCHWEIZ
eine Zugfahrt von Martigny nach          sind ohnehin eine Chance für die          gross­artige Botschafter. Sie ma-
Zürich. Daher finde ich es richtig,      Wirtschaft; etwa für das Gewerbe,         chen Mut und zeigen: Der Wandel
wenn auf Flugtickets eine Abgabe er-     das Solarpanels montiert, oder für        ist möglich!
hoben wird. Generell sollte der Preis    die Forscherinnen und Forscher, die
eines Produkts auch seine Kosten für     klimafreundliche Technologien ent-
die Umweltbelastung abdecken.            wickeln. Das schafft Arbeitsplätze
                                         und stärkt die Exportindustrie.             Valérie Piccand (geboren 1979)
                                         DY: Der Klimawandel kann auch eine          ist Agrar-Ingenieurin. Sie be-
                                         Chance für den Tourismus sein. In           wirtschaftet in Les Reussilles
                                         Orten, die bislang vom Wintertouris-
«Der Wandel ist                          mus gelebt haben, werden die Som-
                                                                                     (BE) einen Bauernhof mit Gras-
                                                                                     und Viehwirtschaft. Sie ist Co-
                                         mermonate wichtiger – und damit
  möglich.»                              Sportarten, für die es keinen Schnee
                                                                                     Präsidentin der Genossenschaft
                                                                                     «Autrement», die in Tramelan
                                         braucht.                                    einen Laden mit lokalen Bio-
    Simonetta Sommaruga                                                              Produkten betreibt.
                                         BPSO: Ihre Beispiele gefallen mir,
                                         denn sie zeigen, dass uns der Klima-        Daniel Yule (geboren 1993)
                                         wandel zwar herausfordert, dass wir         gehört der alpinen Skinational-
BPSO: Völlig einverstanden. Die          ihn aber positiv gestalten können.          mannschaft an. Der Walliser
Auswirkungen unseres Verhaltens          Mit unseren Klimazielen wollen wir          Slalom-Spezialist gewann im
auf die Umwelt müssen ihren Preis        wegkommen von Erdöl und Gas.                Mannschaftswettbewerb die
haben. Ich bin überzeugt: Die Men-       Wenn wir sie durch einheimische             Goldmedaille bei den Olympi-
schen sind bereit, diesen Preis zu       Sonnen- und Wasserenergie erset-            schen Spielen 2018 und bei
bezahlen. Denn sie wissen eigent-        zen, investieren wir bei uns statt im       den Weltmeisterschaften 2019.
lich, dass man bezahlen sollte, was      Ausland und erhöhen die Versor-             Als Athletensprecher des Inter-
man verursacht.                          gungssicherheit. Denn Sonne und             nationalen Skiverbands FIS äus­
VP: Nicht nur der Verkehr, sondern       Wasser sind verlässlicher als Öl-           sert er sich immer wieder zum
auch die Landwirtschaft muss ihren       quellen in Libyen oder Kasachstan.          Klimawandel.
Beitrag an den Klimaschutz leisten.      VP: Die Landwirtschaft kann bei die-
Auch sie verursacht Treibhausgase.       sen sauberen Energien mithelfen.
Ich wünsche mir, dass der Staat uns      Auf Stall- und Scheunendächern hat
darin unterstützt, die Emissionen zu     es viel Platz für Solaranlagen.
verringern und die Energieeffizienz      DY: Die Investitionen für Solaranlagen
der Bauernhöfe zu verbessern. Wir        oder Wärmepumpen mögen heute
können viel tun: Landwirtschaftlich      teuer erscheinen. Auf lange Frist loh-
                                                                                                  Informationen zum
genutzte Böden speichern grosse          nen sie sich aber, weil sich so viel                     Bundespräsidium und
Mengen CO₂. Wenn unsere Kühe zu-         Energie einsparen lässt. Ich möchte                      zu den Aktivitäten der
dem auf der Weide grasen statt Soja      auch meinen Kindern noch zeigen                          Bundespräsidentin:
                                                                                                  www.admin.ch >
zu fressen, das von weit her impor-      können, wie viel Freude man beim                         Bundespräsidium
tiert wird, dann ist auch das gut fürs   Skifahren erlebt.

                                                                                                                           7
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Die Schweiz in Zahlen

              BEVÖLKERUNG

              8,5 Millionen Menschen                                            4 Landessprachen
                                                                                                                          Deutsch
                                                                                                                          63%
                                                                                      Französisch
                                                                                      23%

                                                                                                                                     Rätoromanisch
                                                                                                                                     0,5%
SCHWEIZ

                                                                                                                                    Italienisch
                                                                                                                                    8%

                  8 544 500 Einwohnerinnen und Einwohner                         Andere Sprachen
                                                                                 25%
                  2 148 300 davon ohne Schweizer Pass                                                           Mehrfachnennungen möglich

              In der Schweiz leben 8,5 Millionen Menschen. Der                  Die Schweiz ist ein vielsprachiges Land. Es gibt
              Ausländeranteil beträgt 25%. Mehr als die Hälfte                  vier Landessprachen: Deutsch, Französisch, Italie­
              der Personen ohne Schweizer Staatsbürgerschaft                    nisch und Rätoromanisch. 63% der Bevölkerung
              ist entweder in der Schweiz geboren oder lebt seit                sprechen hauptsächlich (Schweizer-)Deutsch,
              mindestens zehn Jahren hier. Die Mehrheit der                     23% Französisch, 8% Italienisch und 0,5% Räto-
              ausländischen Bevölkerung kommt aus einem EU-                     romanisch. Auch andere Sprachen werden in der
              oder EFTA-Land. Den grössten Anteil machen Per-                   Schweiz gesprochen: Englisch, Portugiesisch,
              sonen aus Italien (15% der Ausländer), Deutsch-                   Albanisch (je 3 bis 5%) und verschiedene andere
              land (14%) und Portugal (12%) aus. 17% der                        Sprachen. Viele geben zwei Sprachen als Haupt-
              ausländischen Bevölkerung kommen aus nicht­                       sprachen an.
              europäischen Staaten.

              Mehrheitlich christlich

              67% der Menschen in der Schweiz gehören einer
              christlichen Glaubensgemeinschaft an. In 14 Kan-
              tonen machen die Katholiken den grössten Bevöl-
              kerungsanteil aus, in drei Kantonen die Refor­
              mierten. In den restlichen Kantonen sind die
              Verhältnisse weniger deutlich. Der Anteil jener, die
              keiner Glaubensgemeinschaft angehören, beträgt
              25% – er nimmt seit Jahren zu.

                                                                                37% Römisch-katholisch               6% Andere christliche Gemeinschaften
                                                                                24% Evangelisch-reformiert           5% Islamische Gemeinschaften
                                                                                25% Konfessionslos                   3% Übrige/unbekannt

                                                                     Alle Zahlen sind gerundet. Weitere Informationen zur Bevölkerung: www.statistik.ch

          8   Der Bund kurz erklärt 2020 | Schweiz
KURZ ERKLÄRT 2020 - Auch als App - Admin.ch
FINANZEN DES BUNDES

73,51 Milliarden Einnahmen (2018)                                                                                        70,57 Milliarden Ausgaben (2018)

 Mehrwertsteuer 31%
			                                                                                                                                                 32% Soziale Wohlfahrt
 Direkte Bundessteuer 31%
			                                                                                                                                                 15% Verkehr
 Verrechnungssteuer 11%
			                                                                                                                                                 14% Finanzen und Steuern
 Mineralölsteuer 6%
			                                                                                                                                                 11% Bildung und Forschung

                                                                                                                                                                                         SCHWEIZ
 Tabaksteuer 3%
			                                                                                                                                               8% Sicherheit

 Stempelabgaben 3%
			                                                                                                                                               5% Beziehungen zum Ausland

Übrige Fiskaleinnahmen 9%
			                                                                                                                                               5% Landwirtschaft und Ernährung

Nichtfiskalische Einnahmen 7%
			                                                                                                                                                 10% Übrige Aufgaben

Die wichtigsten Einnahmequellen des Bundes sind die                                                                      Knapp ein Drittel seiner Ausgaben investiert der Bund in
Mehrwertsteuer und die direkte Bundessteuer. Sie machen                                                                  den Bereich «Soziale Wohlfahrt»: 22 Milliarden Franken.
zusammen rund 45 Milliarden Franken aus. Die direkte                                                                     Die Hälfte davon geht an die Altersvorsorge (AHV), ein
Bundessteuer wird bei Privatpersonen auf dem Einkom-                                                                     Sechstel an die Invalidenversicherung (IV). Weitere wich-
men erhoben (progressiv, maximal 11,5%), bei Unterneh-                                                                   tige Bereiche der sozialen Wohlfahrt sind die
men auf dem Gewinn (8,5%). Für die meisten Waren und                                                                     Krankenversiche­ r ungen (Prämienverbilligungen), die
Dienstleistungen gilt ein Mehrwertsteuersatz von 7,7%.                                                                   Migrationsausgaben und die Ergänzungsleistungen. Die
Welche Steuern der Bund erheben darf, ist in der Bundes-                                                                 soziale Wohlfahrt gehört zu den am stärksten wachsenden
verfassung festgehalten.                                                                                                 Aufgabenbereichen des Bundes.

Schuldenbremse

                                                                                                                                             Der Bund ist verpflichtet, seine Aus-
Mia. Franken                                                                                                     Sozialversicherungen        gaben und Einnahmen auf Dauer im
        250                                                                                                                                  Gleichgewicht zu halten. Bei guter
                                                                                                                                             Konjunktur muss er einen Überschuss
        200                                                                                                                                  erwirtschaften, bei schlechter darf
                                                                                                                                Gemeinden    er mehr ausgeben als einnehmen.
        150                                                                                                                                  2003 wurde diese «Schuldenbremse»
                                                                                                                                  Kantone    zum ersten Mal angewendet. Seither
        100                                                                                                                                  konnten die Bundesschulden von
                                                                                                                                             124 Milliarden Franken um einen
         50                                                                                                                         Bund     Viertel auf 99 Milliarden reduziert
                                                                                                                                             werden. Im internationalen Vergleich
          0                                                                                                                                  steht die Schweiz sehr gut da: Die
                                                                                                                                             Schuldenquote des Gesamtstaats be-
               2003

                      2004

                             2005

                                    2006

                                           2007

                                                  2008

                                                         2009

                                                                2010

                                                                       2011

                                                                              2012

                                                                                     2013

                                                                                            2014

                                                                                                   2015

                                                                                                          2016

                                                                                                                  2017

                                                                                                                         2018

                                                                                                                                             trägt knapp 28% des Bruttoinland­
                                                                                                                                             produkts (BIP).

Alle Zahlen sind gerundet. Weitere Informationen zum Bundeshaushalt: www.efv.admin.ch

                                                                                                                                                                                     9
KURZ ERKLÄRT 2020 - Auch als App - Admin.ch
Vom Staatenbund zum Bundesstaat

                 GESCHICHTE DER SCHWEIZ

                 Die Schweiz entwickelte sich über Jahrhunderte aus einem          Das politische System geht auf die Bundesverfassung von
                 Geflecht verschiedener Bündnisse über einen Staatenbund           1848 zurück. Seither haben die Kompetenzen des Bundes,
                 hin zum Bundesstaat. Landesgrenzen und Neutralität wur-           die Volksrechte und die politische Vielfalt zugenommen.
                 den 1815 international festgelegt und anerkannt.

                    1291 | Alte Eidgenossenschaft              1803 –1814 | Mediation                     1847–1848 | Sonderbundskrieg
                    BÜNDNISPARTNER­                            GELOCKERTE                                 LIBERALE GEGEN
                    SCHAFTEN                                   FREMDHERR­                                 KONSERVATIVE
                                                               SCHAFT
SCHWEIZ

                    Wechselnde Bündnisse zwischen                                                         Bei der Frage nach der Ausgestal­
                    Städten und Landschaften bezwe­                                                       tung des Bundes kommt es schluss­
                                                               Nach Bürgerkriegen zwischen Föde­
                    cken die Sicherung der politischen                                                    endlich zu einem Bürgerkrieg zwi­
                                                               ralisten und Anhängern der Helveti­
                    Ordnung gegen innen und der Un­                                                       schen liberalen und katholisch-­
                                                               schen Republik gibt Napoleon der
                    abhängigkeit gegen aussen. 1291                                                       konservativen Kantonen. Der Son­
                                                               Schweiz eine Mediationsverfas­
                    schliessen Uri, Schwyz und Unter­                                                     derbundskrieg endet mit dem Sieg
                                                               sung. Sie gibt den Kantonen eine
                    walden das erste dokumentierte                                                        der liberalen Kräfte.
                                                               gewisse Eigenständigkeit zurück
                    Bündnis ab. Der Begriff «Eitgenoze»
                                                               und legt die meisten Kantons­
                    taucht 1315 auf. Im Lauf der Jahr­
                                                               grenzen fest.
                    hunderte wächst die Eidgenossen­
                    schaft durch weitere Bündnisse und
                    durch Gebietseroberungen.

               1200                                     1800                                            1850

                                                                                                          1848 | Bundesverfassung
                                                                                                          DEMOKRATISCHER
                                                               1815 | Bundesvertrag
                                                                                                          BUNDESSTAAT
                                                               NEUTRALITÄT UND
                                                               STAATENBUND                                Die Bundesverfassung gewährt den
                    1798 –1802 | Helvetik                                                                 meisten Bürgern – Männern – ver­
                    EINHEITSSTAAT                              Nach dem Sturz Napoleons aner­             schiedene Rechte und Freiheiten,
                                                               kennen die europäischen Gross­             u. a. das Stimm- und Wahlrecht. Auf
                    UNTER FREMDER                              mächte die Neutralität der Schweiz         Bundesebene wird nach amerika­
                    HERRSCHAFT                                 und die heute gültigen Landes­             nischem Vorbild das Zweikammer­
                                                               grenzen werden fixiert. Der Bundes­        system eingeführt, mit einem Natio­
                    Nach dem Einmarsch französischer           vertrag von 1815 fasst die verschie­       nal- und einem Ständerat, die den
                    Truppen wird die Eidgenossen­              denen eidgenössischen Bündnisse            Bundesrat wählen. Einige Bereiche
                    schaft zur Helvetischen Republik           zu einem einzigen Staatenbund zu­          werden zentralisiert. Die Schweiz
                    umgestaltet: zu einem Einheitsstaat        sammen. Dieser ist für die Sicher­         entwickelt sich zum einheitlichen
                    unter Pariser Kontrolle.                   heitspolitik zuständig.                    Rechts- und Wirtschaftsraum.

          10     Der Bund kurz erklärt 2020 | Schweiz
1874, 1891 |                           1919, 1929 | Proporz                 1971 | Gleichberechtigung
Ausbau der Demokratie
                                       WEITER RICHTUNG                      STIMMRECHT FÜR
INITIATIVE,                            KONSENS­                             FRAUEN
REFERENDUM                             DEMOKRATIE
                                                                            Im Februar 1971 nehmen die Stimm­
Die revidierte Bundesverfassung                                             bürger das eidgenössische Stimm-
                                       1919 wird der Nationalrat zum ers­
überträgt dem Bund mehr Aufgaben                                            und Wahlrecht für Frauen mit 66%
                                       ten Mal im Proporzverfahren ge­
und weitet die demokratischen                                               Ja-Stimmen an. Die meisten Kan­
                                       wählt, und im Bundesrat sitzt nun
Rechte auf Bundesebene aus. 1874                                            tone und Gemeinden führen das
                                       ein zweites katholisch-konservati­
wird das Referendum eingeführt,                                             Frauenstimmrecht nun auch auf
                                       ves Mitglied. Ab 1929 ist auch ein
1891 die Volksinitiative. 1891 wählt                                        kantonaler und kommunaler Ebene
                                       Mitglied der Bauern-, Gewerbe- und
das Parlament zum ersten Mal einen                                          ein.
                                       Bürgerpartei (heute SVP) im Bun­
Vertreter der Katholisch-Konservati­   desrat vertreten.
ven (heute CVP) in die Regierung:
Erstmals seit 1848 besteht der Bun­
desrat nicht mehr nur aus Freisinni­
gen.

                                                                                                                      SCHWEIZ
1900                                                 1950                                               2000

                                                                            2000 | Dritte Bundesverfassung
                                       1939 –1945 | Zweiter Weltkrieg
                                                                            BEWAHRUNG UND
                                       EINBINDUNG DER                       OFFENHEIT
1914 –1918 |                           LINKEN
Erster Weltkrieg, Generalstreik                                             Die totalrevidierte Bundesverfas­
                                       Vor dem Hintergrund des Zweiten      sung betont die partnerschaftliche
SOZIALISTISCHE                         Weltkriegs rücken die politischen    Zusammenarbeit zwischen Bund
IDEEN                                  Kräfte von links bis rechts zusam­   und Kantonen und regelt die Aufga­
                                       men: 1943 wählt das Parlament        benteilung. Das Schweizer Volk
Armut und Arbeitslosigkeit während     einen Sozialdemokraten in die Re­    stimmt den bilateralen Verträgen
des ersten Weltkriegs sowie die so­    gierung, 1951 einen zweiten. Seit    zwischen der Schweiz und der
zialistischen Ideen der Russischen     1959 setzt sich der Bundesrat aus    Europäischen Union (EU) zu. Zwei
Revolution gipfeln 1918 im landes­     vier Parteien zusammen («Zauber­     Jahre später (2002) entscheidet es
weiten Generalstreik.                  formel», S. 43).                     sich für den Beitritt zur UNO.

                                                                                                                 11
Bund, Kantone und Gemeinden

               FÖDERALISMUS

                                                         1
SCHWEIZ

                                                       26

                                                      2202

          12   Der Bund kurz erklärt 2020 | Schweiz
Die Schweiz ist ein föderalistischer Staat: Die Macht ist    möglich, dass die Schweiz als Einheit bestehen kann –
zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden aufgeteilt.            trotz vier Sprachkulturen und unterschiedlicher regio-
Kantone und Gemeinden haben grosse Spielräume, um            naler Eigenheiten.
ihre Aufgaben zu erfüllen. Der Föderalismus macht es

Bund

Seit 1848 ist die Schweiz ein Bundesstaat, bezeichnet auch
als «Eidgenossenschaft» oder als «Bund». Die Bundes­                   • Elf Prozent der Schweizerinnen und
verfassung legt die Aufgaben des Bundes fest. Dazu gehö-                 Schweizer leben im Ausland («Ausland-
ren u. a. die Beziehungen zum Ausland, die Landesvertei-                 schweizer»).
digung, das Nationalstrassennetz und die Kernenergie.                  • 85 Prozent der Einwohnerinnen und Ein-
National- und Ständerat bilden das eidgenössische Par­                   wohner leben in städtischen Gebieten.
lament, die Landesregierung besteht aus sieben Bundes-                 • Die Einnahmen aus der direkten Bundes-
räten, das Bundesgericht stellt die nationale Recht­                     steuer machen 31 Prozent der Einnahmen
sprechung sicher. Zu seiner Finanzierung erhebt der Bund                 des Bundes aus.
u. a. die direkte Bundessteuer.

                                                                                                                            SCHWEIZ
Kantone

Der Bund besteht aus 26 Kantonen, auch «Stände» ge-
nannt. Jeder Kanton hat ein eigenes Parlament, eine eigene             • Im Kanton Basel-Stadt ist das Bruttoinland-
Regierung, eigene Gerichte und eine eigene Verfassung.                   produkt (BIP) pro Kopf mehr als dreimal so
Diese darf der Bundesverfassung nicht widersprechen. Die                 gross wie im Kanton Uri.
Kantone setzen die Vorgaben des Bundes um, gestalten ihre              • In den Nationalen Finanzausgleich zahlen
Tätigkeit aber nach eigenen Bedürfnissen. Grossen Gestal-                der Bund und sieben Kantone ein, 19 Kan-
tungsspielraum haben sie z. B. im Schul- und Spitalwesen,                tone erhalten daraus Ausgleichszahlungen.
im Bereich Kultur sowie bei der Polizei. Jeder Kanton er-              • In den Kantonen Appenzell Innerrhoden
hebt zu seiner Finanzierung kantonale Steuern.                           und Glarus finden noch Landsgemeinden
                                                                         statt.

Gemeinden

Die 26 Kantone sind in Gemeinden gegliedert. Jeder Kan-
ton regelt die Aufgabenteilung zwischen sich und seinen                • In der kleinsten Gemeinde (Kammersrohr,
Gemeinden selbst. Zu den Aufgaben von Gemeinden gehö-                    SO) leben 29 Menschen, in der grössten
ren z. B. die Ortsplanung, der Schulbetrieb, das Fürsorge-               rund 415 000 (Stadt Zürich).
wesen und die Feuerwehr. Grössere Gemeinden und Städte                 • Jedes Jahr gibt es wegen Fusionen im
haben Parlamente und Volksabstimmungen. In kleineren                     Durchschnitt rund 30 Gemeinden w
                                                                                                        ­ eniger.
Gemeinden entscheiden die Bürgerinnen und Bürger an                    • In vier von fünf Gemeinden entscheiden
Gemeindeversammlungen über politische Vorlagen. Jede                     die Stimmberechtigten an Gemeinde­
Gemeinde zieht Gemeindesteuern ein.                                      versammlungen über politische Vorlagen.

                Video Föderalismus:
                www.youtube.com/chchportal > Föderalismus

                                                                                                                       13
Fundament

                   DIREKTE
                   DEMOKRATIE
D EMOKRATIE

                        Bundeshaus Bern: Die Kleinbauern-Vereinigung reicht eine Petition
                        zum Thema Gentechnik ein. Eine Vertreterin der Parlamentsdienste
                        nimmt die Unterschriftenbögen entgegen.

              14   Der Bund kurz erklärt 2020 | Direkte Demokratie
Gewaltenteilung        16

Wählen und abstimmen   18

Parteien               20

                                 D EMOKRATIE

                            15
Ein Grundprinzip der Demokratie

                   GEWALTENTEILUNG

                   Gewaltenteilung verhindert die Konzentration von Macht bei einzelnen
                   Personen oder Institutionen und schiebt dem Machtmissbrauch einen Rie-
                   gel. Die Macht ist auf die drei Staatsgewalten Legislative, Exekutive und
                   Judikative verteilt. Eine Person darf gleichzeitig nur einer der drei Staats-
                   gewalten angehören. Die Schweiz hat die Gewaltenteilung mit dem Bun-
                   desstaat von 1848 eingeführt.
D EMOKRATIE

                                       Die Regierung                                               Die Bundesversammlung
                                      setzt Gesetze um                                                  erlässt Gesetze

                                                                                                          NATIONALRAT

                              BUNDESRAT UND VERWALTUNG                                                     STÄNDERAT

                                          EXEKUTIVE                                                      LEGISLATIVE

                   Gesetze umsetzen                                                         Gesetze beschliessen
                   Der Bundesrat ist die Regierung der                                      Das Parlament besteht aus dem National-
                   Schweiz. Er führt die laufenden Geschäfte                                und Ständerat. Die beiden Räte sind gleich­
                   und setzt die Gesetzesbeschlüsse des Par­                                berechtigt; zusammen ­bilden sie die Bun­
                   laments um. Jedes der sieben Bundesrats­                                 desversammlung. Das Parlament erlässt
                   mitglieder steht e
                                    ­inem Departement vor.                                  Gesetze und überwacht die Geschäfts­      ­
                   Zusammen mit der Bundeskanzlei bilden                                    führung des Bundesrats und des Bundes­
                   die sieben Departemente die Bundesver­                                   gerichts.
                   waltung.

              16   Der Bund kurz erklärt 2020 | Direkte Demokratie
Wer wählt wen?

                                             In der Schweiz können rund 5,5 Millionen Frauen
                                             und Männer an den eidgenössischen Wahlen teilneh-
                                             men. Unter 18-Jährige sowie ausländische Staats­
                                             angehörige haben auf Bundesebene kein Wahlrecht.

                                             Das Schweizer Volk wählt das Parlament (Legisla-
                                             tive). Das Volk ist somit die oberste politische Instanz
                                             der Schweiz. Der Nationalrat repräsentiert die
                                             gesamte Bevölkerung, der Ständerat vertritt die
                                             26 Kantone. Die eidgenössischen Wahlen finden
                                             alle vier Jahre statt.

                                             Das Parlament wählt mehrere Instanzen, nämlich:

                                                                                                             D EMOKRATIE
                                             • die Exekutive: die sieben Mitglieder des Bundes-
                                               rats und die Bundeskanzlerin oder den Bundes-
                                               kanzler. Ihre Amtsdauer beträgt vier Jahre; eine
                                               Wiederwahl ist möglich. ( S. 42)
                                             • die Judikative: den Bundesgerichtspräsidenten
                                               sowie die Richterinnen und Richter des Bundes­
                                               gerichts und der drei erstinstanzlichen Gerichte.
                                               ( S. 80)
                                             • den Bundesanwalt: Er leitet die Bundesanwalt-
                                               schaft. Diese verfolgt unter anderem Delikte im
    Die Eidgenössischen Gerichte               Zusammenhang mit Sprengstoff und Spionage
        setzen Gesetze durch                   sowie Amts­delikte von Bundesangestellten.
                                               www.bundesanwaltschaft.ch

                                             Wer kontrolliert wen?

                                             Das Parlament hat die Oberaufsicht über den Bun-
                                             desrat und die Bundesverwaltung sowie über die eid-
               4 GERICHTE                    genössischen Gerichte und die Bundesanwaltschaft.
                                             Die Parlamentsmitglieder wiederum werden vom
                                             Volk gewählt. Ihm sind sie Rechenschaft schuldig.
             JUDIKATIVE

Recht sprechen
Das Bundesgericht ist das höchste Gericht
der Schweiz. Es sorgt für die einheitliche
                                                           Info-Plattform Demokratie:
Anwendung des Rechts und schützt die            QR-        www.ch.ch/demokratie
Rechte der Bürgerinnen und Bürger. Zudem              QR-Code
entscheidet es als oberste Instanz über
Rechtsstreitigkeiten zwischen Bürger und
Staat oder Bund und Kantonen.

                                                                                                        17
Politische Rechte

                   WÄHLEN UND ABSTIMMEN

                   In kaum einem anderen Staat hat das Volk derart weitrei-
                   chende Mitbestimmungsrechte wie in der Schweiz. Schwei-                                      WAHLRECHT
                   zerinnen und Schweizer, die mindestens 18-jährig sind,
                   dürfen auf nationaler Ebene wählen und abstimmen. Ne-
                   ben den Parlamentswahlen, die alle vier Jahre stattfinden,
                   können sich die Stimmberechtigten bis zu viermal pro Jahr
                   in Volksabstimmungen zu politischen Sachfragen äussern.                        Wählende

                   Meistens stehen bei einem Urnengang gleich mehrere Vor-
                   lagen zur Diskussion.

                   Über Verfassung und Gesetz
                   Über jede Änderung der Verfassung wird abgestimmt
                   (obligatorisches Referendum). Verfassungsänderungen
                   brauchen die Zustimmung einer Mehrheit des Volks und
                   der Kantone (doppeltes Mehr). Über ein revidiertes oder
D EMOKRATIE

                   neues Gesetz wird hingegen nur abgestimmt, wenn ein fa-
                   kultatives Referendum dies verlangt. Das Gesetz ist ange-                                                         National- und
                                                                                                Kandidierende       Volkswahl         Ständerat
                   nommen, wenn das Volk mehrheitlich zustimmt (einfaches
                   Mehr).

                   Wahlen und Abstimmungen 2020                                              Wählen und gewählt werden
                   2020 finden die eidgenössischen Abstimmungen an fol-                      Alle Wahlberechtigten können einerseits Mitglieder
                   genden Sonntagen statt:                                                   für das Parlament wählen (aktives Wahlrecht) und
                   9. Februar, 17. Mai, 27. September und 29. November.                      andererseits selbst für einen Parlamentssitz kandi-
                   Jeweils mindestens vier Monate im Voraus legt der Bun-                    dieren (passives Wahlrecht). Für den Nationalrat
                   desrat fest, welche Vorlagen zur Abstimmung gelangen.                     sind auch die Auslandschweizerinnen und -schwei-
                                                                                             zer wahlberechtigt, in gewissen Kantonen auch für
                                                                                             den Ständerat.
                                              Videos zu den Abstimmungsvorlagen:
                                              www.admin.ch/videos
                                                                                             Nationalrat und Ständerat
                                                                                             Die 200 Mitglieder des Nationalrats und 46 Mitglie-
                                                                                             der des Ständerats werden direkt vom Volk gewählt.
                                                                                             Die Wahlen erfolgen alle vier Jahre schriftlich. Einzig
                                                                                             in Appenzell Innerrhoden wählt die Landsgemeinde
                                              VoteInfo:
                                              Die App mit Informationen zu eidgenössischen
                                                                                             ihre Vertretung im Ständerat per Handerheben.
                                              und kantonalen Abstimmungen
                                              Erhältlich im App Store und bei Google Play

                   Eidgenössische Wahlen finden alle vier Jahre statt. Die
                   letzten Wahlen wurden am 20. Oktober 2019 durchge-
                   führt.                                                                    • Die Wahlbeteiligung bei den eidgenössischen
                                                                                               Wahlen 2019 betrug 45% (2015: 48%).
                                                                                             • 4645 Frauen und Männer hatten 2019 für den Na-
                                              Informationen zu den eidgenössischen
                                              Wahlen 2019:                                     tionalrat kandidiert (2015: 3788).
                                              www.ch.ch/wahlen2019                           • Auf Bundesebene sind die Frauen seit 1971 stimm-
                                                                                               und wahlberechtigt.

              18   Der Bund kurz erklärt 2020 | Direkte Demokratie
DIREKTDEMOKRATISCHE INSTRUMENTE

                VOLKSINITIATIVE                                FAKULTATIVES REFERENDUM

                                                 JA                                                        JA

                                                    NEIN                                                      NEIN

                                               NEIN                                                      NEIN

                                                    JA                                                        JA
                                          NE                                                        NE
                                            IN                                                        IN

                                               JA                                                        JA

                                                                                                                          D EMOKRATIE
       Für eine           100 000          Volks-              Gegen eine          50 000            Volks-
 Verfassungsänderung   Unterschriften   abstimmung          Gesetzesänderung    Unterschriften    abstimmung

 Die Verfassung ändern                                     Ein neues Gesetz stoppen
 Bürgerinnen und Bürger können mit einer Volks­            Das Parlament verabschiedet neue oder geänderte
 initiative eine Änderung der Verfassung – nicht aber      Gesetze. Bürgerinnen und Bürger können dagegen
 eines Gesetzes – verlangen. Alle wahlberechtigten         und gegen gewisse Staatsverträge ein Referendum
 Schweizerinnen und Schweizer können eine Volks­           ergreifen. Auch das Referendumsrecht ist ein wichti-
 initiative unterzeichnen und in einer Gruppe von          ger Bestandteil der direkten Demokratie.
 mindestens sieben Personen (Initiativkomitee) auch
 selbst eine Volksinitiative lancieren.                    50 000 Unterschriften
                                                           Wahlberechtigte Schweizerinnen und Schweizer
 100 000 Unterschriften                                    können ein Referendum unterzeichnen. Für eine
 Damit eine Volksinitiative zustande kommt, sind           Volksabstimmung sind die gemeinsame Forderung
 100 000 gültige Unterschriften nötig. Diese müssen        von acht Kantonen (Kantonsreferendum) oder
 innerhalb von 18 Monaten gesammelt werden. Bun-           50 000 gültige Unterschriften nötig. Diese müssen
 desrat und Parlament empfehlen eine Annahme oder          innerhalb von 100 Tagen gesammelt werden. Die
 Ablehnung der Volksinitiative. Für eine Zustimmung        Vorlage tritt in Kraft, wenn die Mehrheit des Volks
 ist die Mehrheit von Volk und Kantonen notwendig          Ja sagt (einfaches Mehr). Sagt es Nein, gilt das bis-
 (doppeltes Mehr). Bei einer Annahme erfolgt die           herige Recht.
 konkrete Umsetzung, bei einer Ablehnung gilt das
 bisherige Recht.

 • Volksinitiativen gibt es auf Bundesebene seit 1891.     • 1874 wurde das Referendum eingeführt.
 • 216 Volksinitiativen kamen seither zur Abstim-          • 190 fakultative Referenden kamen seither zu-
   mung. 22 wurden angenommen.                               stande, 80 Vorlagen wurden vom Volk gestoppt.
 • Am 31.12.2019 waren 16 Initiativen im Sammel­           • Am 31.12.2019 lief für 21 Bundesgesetze und Bun-
   stadium, 16 beim Bundesrat oder Parlament hän-            desbeschlüsse die Referendumsfrist. Gegen sechs
   gig und drei waren abstimmungsreif.                       Vorlagen wurden Unterschriften gesammelt.

                                                                                                                     19
Bindeglieder zwischen Volk und Staat

                   PARTEIEN VON LINKS BIS RECHTS

                   Parteien sind für das Funktionieren der Demokratie unent-                   Linke Parteien befürworten einen ausgebauten Sozial-
                   behrlich: Sie tragen zur politischen Meinungsbildung bei,                   staat, rechte Parteien setzen vor allem auf eine liberale
                   stellen Kandidierende für öffentliche Ämter und ergreifen                   Wirtschaftspolitik und auf die Verantwortung jedes Einzel-
                   Initiativen oder Referenden. Parteien unterscheiden sich                    nen. Neben der Links-rechts-Frage gibt es die Umweltfrage,
                   voneinander durch ihre Auffassungen von Staat, Gesell-                      die Frage der Öffnung der Schweiz gegenüber Europa und
                   schaft und Wirtschaft.                                                      internationalen Organisationen und die Frage der libera-
D EMOKRATIE

                                                                             Links                                                                          Mi

                                                           Was heisst «links»?

                                                           •   Ein starker Sozialstaat, der die sozialen Unterschiede ausgleicht
                                                           •   Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Vordergrund
                                                           •   Preiskontrollen, Service public
                                                           •   Mehr Friedenspolitik, weniger Armee

              20   Der Bund kurz erklärt 2020 | Direkte Demokratie
len Werte (z. B. gleichgeschlechtliche Partnerschaft).        (National- und Ständerat) eine Parteistärke von mehr als
      Mitteparteien arbeiten je nach Thema mit linken oder mit      10%: SVP (24%), SP (20%), FDP (17%), CVP (15%) und
      rechten Parteien zusammen.                                    Grüne (13%). Diese Parteien sind im Bundesrat vertreten,
      Die Parteienlandschaft der Schweiz besteht aus vielen         mit Ausnahme der Grünen, die erstmals bei den Parla-
      Parteien, von denen auf Bundesebene keine die Mehrheit        mentswahlen 2019 eine Wählerstärke über 10% erreich-
      hat. Fünf Parteien erreichen in der Bundesversammlung         ten.

tte                                                                       Rechts                                                    D EMOKRATIE

                 Was heisst «rechts»?

                 •   Freiheit und Selbstverantwortung, Staat greift nur zur Not ein
                 •   Interessen der Arbeitgeber im Vordergrund
                 •   Freies Unternehmertum, ökonomische Anreize
                 •   Starke Landesverteidigung

                                                                                                                               21
Die zwölf Parteien auf Bundesebene

                   PARTEIEN IN KÜRZE

                   In der Legislatur 2019 – 2023 setzt sich der Nationalrat
                   aus zwölf Parteien zusammen. Fünf davon sind auch im
                   Ständerat vertreten, vier im Bundesrat. Die Parteien
                   auf Bundesebene sind hier kurz vorgestellt. Die Reihen-
                   folge entspricht der Anzahl Sitze in der Bundesver-
                   sammlung.

                   SVP Schweizerische Volkspartei
                                    Parteipräsident                          Ständerat       Nationalrat      Bundesrat       Gründungsjahr
                                                                                                                              1971 (BGB 1917)
                                    Albert Rösti
                                    (bis März 2020)
                                                                     24,0%        6             53                2
                                    www.svp.ch                                                 13      40
D EMOKRATIE

                   SP Sozialdemokratische Partei der Schweiz
                                    Parteipräsident                          Ständerat       Nationalrat      Bundesrat       Gründungsjahr
                                                                                                                              1888
                                    Christian Levrat
                                    (bis April 2020)
                                                                     19,5%        9             39                2
                                    www.sp-ps.ch                               3         6     25      14        1      1

                   FDP FDP.Die Liberalen
                                    Parteipräsidentin                        Ständerat       Nationalrat      Bundesrat       Gründungsjahr
                                                                                                                              1894 (Fusion 2009)
                                    Petra Gössi
                                                                     16,7%     12               29                2
                                    www.fdp.ch                                1       11       10      19        1      1

                   CVP Christlichdemokratische Volkspartei
                                    Parteipräsident                          Ständerat       Nationalrat      Bundesrat       Gründungsjahr
                                                                                                                              1912
                                    Gerhard Pfister
                                                                     15,4%     13               25                1
                                    www.cvp.ch                                 4         9     7      18

                   Grüne Grüne Partei der Schweiz
                                    Parteipräsidentin                        Ständerat       Nationalrat                      Gründungsjahr
                                                                                                                              1983
                                    Regula Rytz
                                    (bis April 2020)
                                                                     13,4%        5             28
                                    www.gruene.ch                              4         1     17      11

                                                                                                    Ein Mitglied des Nationalrats gehört keiner Partei an
              22   Der Bund kurz erklärt 2020 | Direkte Demokratie                                  («parteilos»).
glp Grünliberale Partei Schweiz
         Parteipräsident                                 Nationalrat   Gründungsjahr
                                                                       2007
         Jürg Grossen
                                                6,5%        16
         www.grunliberale.ch                                8      8

BDP Bürgerlich-Demokratische Partei der Schweiz
         Parteipräsident                                 Nationalrat   Gründungsjahr
                                                                       2008
         Martin Landolt
                                                1,2%         3
         www.bdp.info                                       1      2

EVP Evangelische Volkspartei der Schweiz
         Parteipräsidentin                               Nationalrat   Gründungsjahr
                                                                       1919
         Marianne Streiff-Feller
                                                1,2%         3
         www.evppev.ch                                      2      1

                                                                                                                 D EMOKRATIE
EDU Eidgenössisch-Demokratische Union
         Parteipräsident                                 Nationalrat   Gründungsjahr
                                                                       1975
         Hans Moser
                                                0,4%         1
         www.edu-schweiz.ch

LdT Lega dei Ticinesi
                                                                                                        I
                                                                                       LE
                                                                                        G

                                                                                                      ES
                                                                                            A
                                                                                                DEI TICIN

                                                         Nationalrat   Gründungsjahr
                                                                       1991
                                                0,4%         1
         www.lega-dei-ticinesi.ch

PdA Partei der Arbeit der Schweiz
         Parteipräsident                                 Nationalrat   Gründungsjahr
                                                                       1944
         Gavriel Pinson
                                                0,4%         1
         www.pda.ch

solidaritéS
         Parteipräsidentin                               Nationalrat   Gründungsjahr
                                                                       1992
         Jocelyne Haller
                                                0,4%         1
         www.solidarites.ch

      Prozentualer Sitzanteil in der Bundesversammlung
      (National- und Ständerat), gerundet                                                                   23
Legislative

                  PARLAMENT
PARLAMEN T

             24   Der Bund kurz erklärt 2020 | Parlament
National- und Ständerat   26   Vernetzung mit der Welt                             33

Das Parlament in Zahlen   27   Parlamentsdienste                                   34

Organisation der Räte     28   Verteilung der Kommissionssitze                     35

Mechanik des Parlaments   31   Weg zu einem neuen Gesetz                           36

Milizparlament            32   Parlamentsgebäude                                   38

                                                                                                PARLAMEN T

                                  Am 2. Dezember 2019 wurden die neu gewählten National-
                                  rätinnen und Nationalräte im Plenum vereidigt.

                                                                                           25
Zwei Räte – ein Parlament

                  NATIONAL- UND STÄNDERAT

                  Eine Vertretung von Volk und Kantonen                        Vereinigte Bundesversammlung

                  Das Schweizer Parlament, die Legislative, besteht aus zwei   Die Vereinigte Bundesversammlung tagt im Nationalrats-
                  Kammern, die einander gleichgestellt sind und sich doch      saal. Während die Mitglieder des Nationalrats an ihren an-
                  unterscheiden: Im Nationalrat, der Grossen Kammer, sit-      gestammten Plätzen sitzen, nehmen die Ständerätinnen
                  zen die Volksvertreterinnen und -vertreter, im Ständerat,    und Ständeräte an der Rückwand des Saals ihre nach Kan-
                  der Kleinen Kammer, die Kantonsvertreterinnen und -ver-      ton angeordneten Sitze ein. Die Leitung hat der oder die
                  treter. Zusammen bilden die beiden Kammern die Verei-        jeweilige Vorsitzende des Nationalrats inne. Er oder sie
                  nigte Bundesversammlung. Die 246 Parlamentsmitglieder        wird deshalb als höchster Schweizer oder höchste Schwei-
                  stehen für die unterschiedlichen Sprachgemeinschaften,       zerin bezeichnet.
                  Parteien, Interessen, Weltanschau­ungen und Regionen der
                  Schweiz.
                                                                               Zweikammersystem
                  Die 200 Nationalrätinnen und Nationalräte repräsentie-
PARLAMEN T

                  ren die rund acht Millionen Einwohnerinnen und Einwoh-       Ein Zweikammersystem ist keine Selbstverständlichkeit –
                  ner der Schweiz – jedes Nationalratsmitglied vertritt also   in vielen Ländern gibt es nur eine Parlamentskammer. Wo
                  rund 42 000 Personen. Am grössten ist die Zürcher Dele-      es zwei Kammern gibt, hat in der Regel die «grosse» Kam-
                  gation mit 35 Mitgliedern. Da gemäss Bundesverfassung        mer, die meist eine Volksvertretung ist, mehr zu sagen als
                  jeder Kanton Anspruch auf mindestens einen Nationalrats­     die «kleine», die oft die Regionen vertritt. In der Schweiz
                  sitz hat, entsendet auch Appenzell Innerrhoden mit seinen    ist das anders: Beide Räte haben dieselben Kompetenzen,
                  16 000 Einwohnerinnen und Einwohnern einen Volksver-         sie behandeln dieselben Geschäfte auf dieselbe Art. Das
                  treter nach Bern.                                            gilt auch für Budgetfragen. Abwechslungsweise berät der
                                                                               eine oder der andere Rat ein Geschäft zuerst. Beide Räte
                  Die 46 Mitglieder des Ständerats repräsentieren ihren        müssen übereinstimmende Beschlüsse fassen, damit diese
                  Kanton bzw. Stand. Es sind je zwei pro Kanton, wobei es      gültig sind. Auch die einzelnen Mitglieder des Ständerats
                  auch hier eine Ausnahme gibt: Die Kantone Obwalden,          und des Nationalrats haben dieselben Rechte: Jeder und
                  Nidwalden, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Appenzell          jede kann Gesetzesentwürfe oder Aufträge an den Bundes-
                  Ausser­rhoden und Appenzell Innerrhoden entsenden als        rat einreichen.
                  ehemalige Halbkantone nur je einen Vertreter. Die Mitglie-
                  der des Ständerats werden in direkter Wahl bestimmt.         Wegen der unterschiedlichen politischen Zusammenset-
                                                                               zung kommen die Kammern oft nicht zu denselben Ent-
                  National- und Ständerat tagen in der Regel getrennt,         scheidungen. Dabei hat auch die Grösse eines Rats ihren
                  gewisse Geschäfte behandeln sie als Vereinigte Bundes­       Einfluss: Die 46 Mitglieder des Ständerats können sich zu
                  versammlung jedoch gemeinsam. Dazu gehören unter             jedem Geschäft spontan äussern, während für die 200 Mit-
                  anderem die Wahl der Mitglieder des Bundesrats und           glieder des Nationalrats eine komplexe Redeordnung gilt,
                  der Bundesgerichte. Die Bundesversammlung übt damit –        die spontane Voten kaum zulässt. Deshalb ist es im Stän-
                  unter Vorbehalt der Rechte von Volk und Ständen – die        derat einfacher als im Nationalrat, mit guten Argumenten
                  oberste Gewalt im Bund aus. Das ist eine Schweizer Beson-    eine Abstimmung zu beeinflussen.
                  derheit: Im Unterschied zu anderen Ländern wählt in der
                  Schweiz das Parlament die Regierung und das oberste          Bis ein Gesetz in beiden Kammern völlig gleichlautend be-
                  Gericht. Die Entscheide des Parlaments kann kein Gericht     schlossen ist, vergeht oft einige Zeit. Wenn es aber einmal
                  überprüfen. Ausserdem kann das Parlament nicht vor           beschlossen ist und die Hürde eines eventuellen Referen­
                  Ablauf einer Legislatur aufgelöst werden.                    dums genommen hat, hat es auch Bestand.
                                                                                         Weitere Informationen zum Parlament: www.parlament.ch

             26   Der Bund kurz erklärt 2020 | Parlament
Auf einen Blick

DAS PARLAMENT IN ZAHLEN

Altersgruppen in der Schweizer                                                  Frauen und Männer im Parlament
Bevölkerung und im Parlament

18 – 30   31 – 40   41 – 50   51 – 60   61 – 70   71+                                           1972             1988             2004              2020
                                                                                200

                                                                                180

                                                                                160

                                                        % in der Bevölkerung    140

                                                                                120
                                                        % im Parlament
                                                                                100

                                                                                 80

                                                                                 60

                                                                                 40

                                                                                 20

                                                                                  0
                                                                                           SR   NR          SR   NR          SR   NR          SR    NR

                                                                                                                                                                PARLAMEN T
                                                                                                                                            Frauen
                                                                                                                                            Männer

Stärke der Fraktionen im Parlament

     Nationalrat                                                                          Ständerat

                                        31                                                                                                     SVP
                         16                                                                                                                        SP
                                                        29
                                                                                                                                    Mitte-Fraktion
                                                                                                                                             Grüne
          39
                                                                                                                                       FDP-Liberale
                                                                                                                                               GLP
                                                                                                       13
                                                                           55                                           12
                                                                                      9
30

                                                                                                                             7
                                                                                 5

                                                                                                 Film «Erklär mir das Parlament»:
                                                                                                 www.parlament.ch > Über das Parlament >
                                                                                                 Wie funktioniert das Parlament? > Film

                                                                                                                                                           27
Gewählt – was nun?

                  ORGANISATION DER RÄTE

                  Organe des Parlaments

                  In jeder grösseren Gruppe bedarf es Regeln, so auch im                                             Für die Ratsmitglieder ist es eine schwierige Aufgabe, sich
                  National- und Ständerat: Jedem Ratsmitglied wird ein Sitz-                                         in der Überfülle der Geschäfte, die oft auch eher technische
                  platz zugeteilt, wobei Mitglieder der gleichen Partei in der                                       Fragen behandeln, eine fundierte Meinung zu bilden. Be-
                  Regel beieinander sitzen. An der ersten Sitzung der neuen                                          vor die Geschäfte in den Rat kommen, werden sie deshalb
                  Legislatur wählt jeder Rat seinen Vorsitz und die Mitglie-                                         in den Fraktionen diskutiert: Man versucht, sich auf ein-
                  der des Ratsbüros. Der Ratspräsident oder die Ratspräsi-                                           heitliche Positionen festzulegen, die von den Fraktions­
                  dentin leitet die Ratssitzungen. Er oder sie wird dabei vom                                        mitgliedern dann im Rat sowie gegenüber den Medien und
                  Ratssekretariat unterstützt.                                                                       der Öffentlichkeit vertreten werden. Die Rats­mitglieder
                                                                                                                     stimmen jedoch ohne Weisungen: Es ist jedem Ratsmit-
                  Die Mitglieder einer Partei oder gleichgesinnter Parteien                                          glied freigestellt, bei den Abstimmungen im Rat von der
                  formieren sich zu Fraktionen. Zur Bildung einer Fraktion                                           Fraktionsmeinung oder der Position eines Kantons oder
                  sind mindestens fünf Mitglieder aus einem Rat erforder-                                            eines Verbands abzuweichen.
PARLAMEN T

                  lich. Im Nationalrat haben bei den allermeisten Geschäften
                  nur Mitglieder einer Fraktion das Recht zu sprechen. Zu-                                           Die Kommissionen bieten Raum, um ausführliche und
                  dem ist dort die Fraktionszugehörigkeit Voraussetzung,                                             vertiefte Diskussionen zu führen, Sachfragen zu klären,
                  um in einer Kommission Einsitz nehmen zu können. Nur                                               Fachleute der Verwaltung, Expertinnen und Experten und
                  wer einer Fraktion angehört, kann also wirksam Politik be-                                         die betroffenen Kreise anzuhören und sich mit den Bun-
                  treiben. Parteien mit weniger als fünf Parlamentsmitglie-                                          desrätinnen und Bundesräten auszutauschen. Sie sind
                  dern bemühen sich deshalb um Anschluss an eine Fraktion.                                           aber auch der Ort, wo ausprobiert werden kann, ob be-
                  Sie werden umgekehrt aber auch umworben. Je grösser                                                stimmte Ideen über Parteigrenzen hinweg mehrheitsfähig
                  nämlich eine Fraktion ist, desto mehr Kommissionssitze                                             sind.
                  stehen ihr zu und desto grösser ist ihr Einfluss im Rat.

                       Sessionsdaten 2020
                                                                                                                                                                                            30.11. – 18.12.
                                                                                             Sommer
                                                     Frühling
                                                                2.3 .– 20.3.

                                                                                                      2.6. – 19.6.

                                                                                                                                                      7.9. – 25.9.
                                                                                                                                             Herbst

                                                                                                                                                                                   Winter

                       Jan.            Feb.             März                   April   Mai      Juni                  Juli       Aug.       Sept.                    Okt.   Nov.      Dez.

                                                                                                                        Wahl Präsident/in­­Nationalrat und Ständerat 2021
                                                                                                                                                               30.11.2020
                                                                                              Wahl Bundespräsident/in und Vizepräsident/in des Bundesrats 2021
                                                                                                                                                     9.12.2020

             28   Der Bund kurz erklärt 2020 | Parlament
Zuständigkeiten

Die Hauptaufgabe des Parlaments ist es, Gesetze zu be-
schliessen. Das Spektrum erstreckt sich vom Ausland-
schweizergesetz bis zum Zivildienstgesetz, von Fragen des     Allianzen
Naturschutzes bis zum Autobahnbau, vom Kriegsmaterial-
gesetz bis zur Friedensförderung.                             Allein bringt keine Fraktion ein Geschäft durch; um
                                                              zu gewinnen, braucht es Allianzen. Meist teilt sich
Das Parlament ist aber auch zuständig für:                    das Parlament bei strittigen Vorlagen in ein eher bür-
• die Freigabe von finanziellen Mitteln (Budget) und die      gerliches und ein eher linkes Lager. Damit entschei-
  Genehmigung der Staatsrechnung des Bundes;                  det letztlich die politische Mitte über Ja oder Nein,
• die Aufsicht über Bundesrat, Verwaltung und Bundes­         je nachdem, auf welche Seite sie sich schlägt. Ab und
  gerichte;                                                   zu kommt es allerdings auch zu einer sogenannt
• die Wahl der Mitglieder des Bundesrats und der Bundes-      unheiligen Allianz: Die linke – SP und Grüne – und

                                                                                                                              PARLAMEN T
  gerichte sowie des Bundeskanzlers;                          die rechte Ratsseite – SVP – spannen zusammen, um
• völkerrechtliche Verträge, für deren Abschluss nicht der    eine Vorlage mit vereinten Kräften, aber aus teils völ-
  Bundesrat zuständig ist, und                                lig entgegengesetzten Motiven, grundlegend zu ver-
• für die Beziehungspflege zu ausländischen Parlamenten.      ändern oder gar abzulehnen.

Nationalratspräsidentin 2019/20                                                            Ständeratspräsident 2019/20

                                           Isabelle Moret
                                     FDP-Liberale / Waadt
                                   seit 2006 im Nationalrat

                                                                                                     Hans Stöckli
                                                                              Sozialdemokratische Partei SP / Bern
                                                                                            seit 2011 im Ständerat

                Informationen zur Nationalratspräsidentin                   Informationen zum Ständeratspräsidenten
                Isabelle Moret:                                             Hans Stöckli:
                www.parlament.ch > Organe > Nationalrat >                   www.parlament.ch > Organe > Ständerat >
                Präsidentin                                                 Präsident

                                                                                                                         29
SITZVERTEILUNG
                  NATIONALRAT
PARLAMEN T

                                             Wer sitzt wo? Interaktive Darstellung auf www.parlament.ch > Organe > Sitzordnung

                  SITZVERTEILUNG
                  STÄNDERAT                                                                      Fraktionen
                                                                                                    SVP                Grüne
                                                                                                    SP                 FDP-Liberale
                                                                                                    Mitte-Fraktion     GLP

             30    Der Bund kurz erklärt 2020 | Parlament
Wie man sein Anliegen ein- und durchbringt

MECHANIK DES PARLAMENTS

Parlamentarische Instrumente                                  Kommissionen

Jedes Mitglied von National- und Ständerat kann mit ei-       Manch einer staunt vielleicht ob der halbleeren Säle von
nem sogenannten Vorstoss die Einführung neuer Verfas-         National- und Ständerat. Wenn ein Geschäft im Rat behan-
sungsbestimmungen und Gesetze oder deren Änderung             delt wird, ist ein Grossteil der parlamentarischen Arbeit
beantragen. Es kann Bundesrat und Verwaltung auch             jedoch schon gemacht und viele Vorentscheide sind getrof-
Berichte in Auftrag geben oder Auskünfte von ihnen ver-       fen. Das geschieht in den Kommissionen; dort werden die
langen.                                                       meisten Geschäfte vorberaten.

Jeder Vorstoss bedeutet, dass Bundesrat und Verwaltung        Es gibt neun Sachbereichskommissionen, die sich vor
Abklärungen treffen und Stellung nehmen müssen, bevor         allem mit der Vorberatung von Gesetzen befassen. Ihnen
in der zuständigen Kommission und im Rat darüber bera-        sind bestimmte Themenkreise wie Verkehr, Rechtsfragen,
ten und entschieden wird.                                     Aussen- oder Sozialpolitik usw. zugeordnet. Zusätzlich
Damit Vorstösse weiterverfolgt werden, braucht es Mehr-       gibt es die Finanzkommission und die Geschäftsprüfungs-

                                                                                                                                    PARLAMEN T
heiten: in den vorberatenden Kommissionen, in einem           kommission, die sich mit den Bundesfinanzen und der
oder gar in beiden Räten. Da Vorstösse aber meistens poli-    Geschäftsführung von Bundesrat und Verwaltung befassen
tisch umstrittene Themen behandeln, ist es nicht selbstver-   und diese überwachen.
ständlich, dass dies gelingt.                                 In speziellen Fällen kann eine Parlamentarische Untersu-
                                                              chungskommission (PUK) bestimmte Vorgänge und Berei-
Die parlamentarischen Instrumente werden rege genutzt:        che untersuchen.
1996 reichte jedes Ratsmitglied im Schnitt 3,6 Vorstösse
ein. 2009 waren es 9,4, danach sank die Zahl wieder leicht    Im Gegensatz zu den Sitzungen von National- und Stände-
auf 8 Vorstösse pro Ratsmitglied im Jahr 2011. In den letz-   rat sind Kommissionssitzungen nicht öffentlich – die ver-
ten Jahren stieg die Anzahl der Vorstösse stetig an. Nach     traulichen Beratungen sollen eine offenere Diskussion
2018 (9,6 Vorstösse), stellte das Jahr 2019 mit 10,3 Vor-     unter den Mitgliedern ermöglichen. Die Kommissionen
stössen pro Ratsmitglied einen erneuten Höhepunkt dar.        informieren die Medien aber nach ihren Sitzungen über die
                                                              Ergebnisse.
                                                              Den Kommissionen des Nationalrats gehören je 25 Mitglie-
                                                              der an, denjenigen des Ständerats je 13. Ihre Zusammen-
                                                              setzung richtet sich nach der Stärke der Fraktionen.

  Mit einer parlamentarischen Initiative kann ein
  Ratsmitglied vorschlagen, dass das Parlament selber         Die Kommissionen im Detail:
  ein Gesetz erlässt, indem es die Idee oder gleich den       www.parlament.ch > Organe > Kommissionen
  Gesetzesentwurf formuliert. Mit einer Motion kann
  das Ratsmitglied den Ball dem Bundesrat zuspielen
  und verlangen, dass dieser gesetzgeberisch tätig wird.
  Mit einem Postulat wird der Bundesrat lediglich be-
  auftragt zu prüfen, ob ein Gesetzes- oder Beschlusstext                     Film «Zimmer 286»:
  vorzulegen oder eine Massnahme zu treffen sei, wäh-                         Kommissionsarbeit hinter verschlossenen Türen:
                                                                              www.parlament.ch > Organe > Kommissionen >
  rend eine Interpellation vom Bundesrat Auskunft
                                                                              Links > Film
  über Angelegenheiten des Bundes verlangt.

                                                                                                                               31
Vom Arbeitsplatz ins Bundeshaus

                  MILIZPARLAMENT

                  Teilzeitmandat

                  Das Schweizer Parlament ist ein sogenanntes Milizparla-
                  ment: Seine Mitglieder widmen zwar ihrem Parlaments-
                  mandat viel Zeit, die meisten gehen jedoch weiterhin einer     Geregeltes Einkommen
                  beruflichen Tätigkeit nach. Wegen dieser hohen Arbeits-
                  belastung gibt es Stimmen, die das Milizsystem hinter­         Gesetz und Verordnung regeln die Bezüge der Parla-
                  fragen und – auch wegen der steigenden Anzahl und der          mentarierinnen und Parlamentarier:
                  thematischen Vielfalt der Geschäfte – ein Berufsparlament
                  fordern. Dem wird entgegengehalten, Teilzeitparlamenta-        • Das Jahreseinkommen für die Vorbereitung der
                  rierinnen und -parlamentarier seien volksnäher und könn-         Ratsarbeit beträgt 26 000 Franken.
                  ten aufgrund ihrer beruflichen Erfahrungen wertvolles          • Pro Sitzungstag im Rat, in der Fraktion oder in
                  Fachwissen in die Diskussionen einbringen.                       Kommissionen wird ein Taggeld von 440 Franken
                                                                                   entrichtet.
PARLAMEN T

                  Die Ratsmitglieder verbringen viele Tage in Bern. Zur Prä-     • Die Jahresentschädigung für Personal- und Sach­
                  senz während der Sessionen sind noch die Sitzungstage in         ausgaben beläuft sich auf 33 000 Franken.
                  den Kommissionen zu rechnen. Die Mitglieder des Natio-         • Dazu kommen Entschädigungen für Mahlzeiten,
                  nalrats sitzen in ein bis zwei, diejenigen des Ständerats in     Reise- und Übernachtungskosten.
                  drei bis vier Kommissionen. Das bedeutet, dass die Natio-      • Ein Ratsmitglied, das einen Rat präsidiert oder
                  nalrätinnen und ­Nationalräte an weiteren 30 bis 50 Tagen        ein Vizepräsidium innehat, erhält eine zusätzli-
                  und die Ständerätinnen und Ständeräte an 40 bis 70 Tagen         che Entschädigung.
                  in die Bundesstadt reisen müssen.
                                                                                 Neben diesem Einkommen und den Spesenentschä-
                                                                                 digungen erhalten die Ratsmitglieder einen Beitrag
                  Berufliche Vielfalt                                            an die berufliche Vorsorge.
                                                                                 Auf dem Einkommen sind AHV/IV/EO/ALV-
                  Zwar geben bereits rund 18 Prozent der Nationalräte bzw.       Beiträge zu leisten; das Einkommen der Ratsmitglie-
                  40 Prozent der Ständeräte an, Berufspolitiker zu sein, die     der ist zudem zu versteuern.
                  meisten Parlamentarier sind aber auch noch anderweitig         Auf Entschädigungen sind keine Sozialbeiträge zu
                  aktiv. Dabei reicht das Berufsspektrum von der Ärztin oder     leisten, sie sind steuerfrei.
                  der Anwältin über den Handwerker und den Unternehmer
                  bis hin zum Verbandspräsidenten. Aber auch Bauern, Ban-        www.parlament.ch > Organe > Bezüge
                  ker und Gemeinde­politikerinnen nehmen Einsitz im Parla-
                  ment.

             32   Der Bund kurz erklärt 2020 | Parlament
Parlamentarische Diplomatie

VERNETZUNG MIT DER WELT

Es ist zwar der Bundesrat, der die Schweiz nach aussen ver-   Der Bundesrat konsultiert seither die für die Aussenpolitik
tritt und für auswärtige Angelegenheiten zuständig ist,       zuständigen Kommissionen bei vielen Vorhaben. Ausser-
auch indem er Verträge aushandelt und ratifiziert. Er hat     dem wirkt die Bundesversammlung in internationalen
dabei aber die Mitwirkungsrechte der Bundesversamm-           parlamentarischen Versammlungen mit und pflegt die
lung zu wahren und ihr Verträge zur Genehmigung zu un-        Beziehung zu ausländischen Parlamenten. Die parlamen-
terbreiten.                                                   tarische Aussenpolitik ermöglicht es den zuständigen
                                                              Organen (Ratspräsidien, Kommissionen, ständigen oder
In den vergangenen Jahrzehnten kam es auf wirtschaftli-       nicht ständigen Delegationen) und Mitgliedern des Parla-
cher Ebene stetig zu einer Intensivierung der internationa-   ments, eigene aussenpolitische Erfahrungen zu sammeln
len Zusammenarbeit, womit auch die Zahl der Staatsver-        und Zugang zu Informationen aus erster Hand zu erhalten.
träge stieg. Da sich diese Staatsverträge in der Regel auf    Ferner ermöglicht die parlamentarische Aussenpolitik die
das innerstaatliche Recht auswirken, ging mit dieser Ent-     Mitgestaltung und Einflussnahme auf die politische Arbeit

                                                                                                                                 PARLAMEN T
wicklung der Wunsch des Parlaments einher, als Legislative    in den interparlamentarischen Organisationen, die Vertre-
möglichst früh in den Verhandlungsprozess eingebunden         tung der Schweizer Interessen an internationalen parla-
zu sein. Seit der Jahrtausendwende ist die Aussenpolitik      mentarischen Treffen, die Etablierung einer zur Regie-
somit ein Feld der Kooperation zwischen Exekutive und         rungsebene ergänzenden Kommunikationsebene sowie
Legislative.                                                  den Aufbau eines parlamentarischen Beziehungsnetzes.

Die ehemalige Nationalratspräsidentin begrüsst den Parla­
mentspräsidenten der Mongolei in der Schweiz.                 Besuch des ehemaligen Ständeratspräsidenten in Portugal

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