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Titelbild In grossen Schlaufen fliesst die Klön in den Klöntalersee. Wo das Wasser wenig tief ist, gefriert es und zeichnet im Uferdelta ein Marmorbild. Der Klöntalersee liegt im Kanton Glarus und ist einer der ältesten Speicher- seen der Schweiz: Seit 1908 wird er für die Gewinnung von Elektrizität genutzt.
Liebe Leserin, lieber Leser «Veränderungen an der Die Bundesverfassung von 1848 wurde in nur 51 Tagen, aber mit viel Umsicht geschrieben. Einiges von dem, was dort ver- Verfassung waren ankert wurde, hat bis heute Bestand, insbesondere die Institu- von Anfang an eingeplant.» tionen «Bundesrat», «Nationalrat» und «Ständerat». Damals gab es das Parlamentsgebäude noch nicht (es wurde erst 1902 bezogen), aber das Bundesratszimmer im heutigen Bundeshaus West – dem 1857 fertiggestellten sogenannten «Bundes-Rathaus» – würden noch einige Verfassungsväter er- kennen. Gleichzeitig würden sie wohl staunen, was sich seit 1848 alles verändert hat: Die Aufgaben des Bundes haben deutlich zuge- nommen. Die Verwaltung ist gewaltig gewachsen. Der Natio- nalrat ist grösser (heute 200 Sitze, im Gegensatz zu 111 Sitzen damals). Zum Bundesgericht kamen ein Bundesstrafgericht hinzu, ein Bundesverwaltungsgericht und ein Bundespatent- gericht. Die politischen Rechte wurden beträchtlich ausgebaut (Referendum, Volksinitiative). Ein neuer Kanton wurde ge- schaffen, und das erst noch friedlich. Die Frauen bekamen – spät, nämlich erst 1971 – das Stimm- und Wahlrecht und sind heute sowohl im Parlament als auch im Bundesrat vertreten. Es gibt mehr Parteien. Und es spielt keine Rolle mehr, ob ein Mit- glied des Bundesrats katholisch ist oder protestantisch. Veränderungen waren von Anfang an eingeplant. Die Verfas- sung soll angepasst werden können, das Umfeld ändert sich auch. Und zu Recht schrieb der Historiker Edgar Bonjour des- halb über die Verfassungsväter: «Für sie war das schweizerische Vaterland nicht so sehr das Land der Vorfahren als vielmehr der Nachfahren.» Trotzdem: Wären sie heute im Bundeshaus zu Gast, sie wären wohl dankbar, sich mit der vorliegenden Broschüre eine Übersicht verschaffen zu können. Und vielleicht geht es Ihnen ja auch so. Gute Lektüre! Bundeskanzler Walter Thurnherr 3
INTERVIEW UND FAKTEN FUNDAMENT SCHWEIZ DIREKTE DEMOKRATIE 6 14 Bundespräsidentin Gewaltenteilung 16 Simonetta Sommaruga im Gespräch 6 Wählen und abstimmen 18 Bevölkerung 8 Parteien von links bis rechts 20 Finanzen des Bundes 9 Parteien in Kürze 22 Geschichte der Schweiz 10 Föderalismus 12 Die App zur Broschüre Leitprogramm DER BUND KURZ ERKLÄRT DER BUND KURZ ERKLÄRT Didaktische Unterlagen auf Deutsch, Französisch und Englisch: iOS / Android www.hep-verlag.ch/der-bund-kurz-erklaert CH info 4
LEGISLATIVE EXEKUTIVE JUDIKATIVE PARLAMENT REGIERUNG GERICHTE 24 40 76 National- und Ständerat 26 Bundesrat 42 Justiz 78 Das Parlament in Zahlen 27 Bundesverwaltung 44 Bundesgericht und erstinstanzliche Gerichte Organisation der Räte 28 Eidgenössisches Departement des Bundes 80 für auswärtige Angelegenheiten Mechanik des Parlaments 31 EDA 46 Milizparlament 32 Eidgenössisches Departement des Innern EDI 50 Vernetzung mit der Welt 33 Eidgenössisches Justiz- und Parlamentsdienste 34 Polizeidepartement EJPD 54 Verteilung der Eidgenössisches Departement Kommissionssitze 35 für Verteidigung, Bevölkerungs- schutz und Sport VBS 58 Weg zu einem neuen Gesetz 36 Eidgenössisches Finanz Parlamentsgebäude 38 departement EFD 62 Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF 66 Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK 70 Bundeskanzlei BK 74 5
Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga im Gespräch DIE PRÄSIDENTIN, DIE BÄUERIN UND DER SKIRENNFAHRER Die Schweiz ist vom Klimawandel besonders betroffen. peraturen, schmelzende Gletscher und extremes Wetter Das erleben Menschen wie der Skirennfahrer Daniel fordern uns heraus. Wenn wir die richtigen Massnah- Yule und die Bäuerin Valérie Piccand hautnah. Bundes- men ergreifen, sind sie aber auch eine Chance – für eine präsidentin Simonetta Sommaruga hat mit ihnen dar- klimafreundliche und innovative Wirtschaft, für die über gesprochen. Alle drei sind sich einig: Höhere Tem- Wissenschaft und den Tourismus. SCHWEIZ Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (BPSO): Sie Daniel Yule (DY): Auch in den Alpen haben die Wetter beide halten sich täglich in der Natur auf. Wie wirkt sich ausschläge zugenommen: An einem Tag fahren wir Ski bei der Klimawandel auf Ihre Arbeit aus? einer Temperatur von minus zehn Grad – am Tag darauf Valérie Piccand (VP): Auf unserem Hof im Berner Jura kann brennt die Sonne vom Himmel und der Schnee schmilzt das Wasser nach zwei heissen Wochen knapp werden. Zu- weg. Das macht das Trainieren schwierig. dem gibt es mehr Wetterextreme – mit Kälte und viel Regen. Diese Tendenz hat sich in den letzten Jahren verstärkt. BPSO: Was Sie schildern, bestätigt den Befund der Wis- Deshalb passen wir unseren Betrieb an den Klimawandel an. senschaft: Der Klimawandel trifft die Schweiz hart. DY: Ja, die Gletscher verschwinden in rasantem Tempo. Je BPSO: Was unternehmen Sie? nach Gletscher können wir nach dem Training mit den VP: Wir ergänzen unsere Wiesen mit Pflanzensorten, die Skiern nicht mehr bis zur Bergstation fahren. Noch vor widerstandsfähiger sind als die herkömmlichen Gräser, wenigen Jahren war das zum Beispiel in Zermatt problem- und wir halten genügsame Kuhrassen, die auch mit etwas los möglich. Zudem ist die Schneefallgrenze in den letzten weniger Futter genug Milch geben. Jahren gestiegen. 6 Der Bund kurz erklärt 2020 | Schweiz
BPSO: Es beeindruckt mich, dass Klima. Es ist aber auch positiv für BPSO: Stichwort Zukunft: Im Jahr Sie als junger Mensch diese Unter- das Wohl der Tiere, die Qualität der 2050 will die Schweiz unter dem schiede so deutlich bemerken. Das Lebensmittel und das Einkommen Strich keine Treibhausgasemissio- zeigt, wie schnell der Klimawandel der Bauern. Sich konzentrieren auf nen mehr ausstossen. Sie, Herr voranschreitet. Welche Massnah- Schweizer Milch und lokal produzier- Yule, sind dann jünger als ich es men soll die Politik aus Ihrer Sicht tes Fleisch: Das ist eine grosse Chance jetzt bin. Wir haben dreissig Jahre für den Klimaschutz ergreifen? für uns Bäuerinnen und Bauern! Zeit für die Umstellung auf ein DY: Es kann nicht sein, dass ein Flug Leben ohne fossile Energie. Sie von Genf nach London billiger ist als BPSO: Klimaschutzmassnahmen beide sind mit Ihrem Engagement SCHWEIZ eine Zugfahrt von Martigny nach sind ohnehin eine Chance für die grossartige Botschafter. Sie ma- Zürich. Daher finde ich es richtig, Wirtschaft; etwa für das Gewerbe, chen Mut und zeigen: Der Wandel wenn auf Flugtickets eine Abgabe er- das Solarpanels montiert, oder für ist möglich! hoben wird. Generell sollte der Preis die Forscherinnen und Forscher, die eines Produkts auch seine Kosten für klimafreundliche Technologien ent- die Umweltbelastung abdecken. wickeln. Das schafft Arbeitsplätze und stärkt die Exportindustrie. Valérie Piccand (geboren 1979) DY: Der Klimawandel kann auch eine ist Agrar-Ingenieurin. Sie be- Chance für den Tourismus sein. In wirtschaftet in Les Reussilles Orten, die bislang vom Wintertouris- «Der Wandel ist mus gelebt haben, werden die Som- (BE) einen Bauernhof mit Gras- und Viehwirtschaft. Sie ist Co- mermonate wichtiger – und damit möglich.» Sportarten, für die es keinen Schnee Präsidentin der Genossenschaft «Autrement», die in Tramelan braucht. einen Laden mit lokalen Bio- Simonetta Sommaruga Produkten betreibt. BPSO: Ihre Beispiele gefallen mir, denn sie zeigen, dass uns der Klima- Daniel Yule (geboren 1993) wandel zwar herausfordert, dass wir gehört der alpinen Skinational- BPSO: Völlig einverstanden. Die ihn aber positiv gestalten können. mannschaft an. Der Walliser Auswirkungen unseres Verhaltens Mit unseren Klimazielen wollen wir Slalom-Spezialist gewann im auf die Umwelt müssen ihren Preis wegkommen von Erdöl und Gas. Mannschaftswettbewerb die haben. Ich bin überzeugt: Die Men- Wenn wir sie durch einheimische Goldmedaille bei den Olympi- schen sind bereit, diesen Preis zu Sonnen- und Wasserenergie erset- schen Spielen 2018 und bei bezahlen. Denn sie wissen eigent- zen, investieren wir bei uns statt im den Weltmeisterschaften 2019. lich, dass man bezahlen sollte, was Ausland und erhöhen die Versor- Als Athletensprecher des Inter- man verursacht. gungssicherheit. Denn Sonne und nationalen Skiverbands FIS äus VP: Nicht nur der Verkehr, sondern Wasser sind verlässlicher als Öl- sert er sich immer wieder zum auch die Landwirtschaft muss ihren quellen in Libyen oder Kasachstan. Klimawandel. Beitrag an den Klimaschutz leisten. VP: Die Landwirtschaft kann bei die- Auch sie verursacht Treibhausgase. sen sauberen Energien mithelfen. Ich wünsche mir, dass der Staat uns Auf Stall- und Scheunendächern hat darin unterstützt, die Emissionen zu es viel Platz für Solaranlagen. verringern und die Energieeffizienz DY: Die Investitionen für Solaranlagen der Bauernhöfe zu verbessern. Wir oder Wärmepumpen mögen heute können viel tun: Landwirtschaftlich teuer erscheinen. Auf lange Frist loh- Informationen zum genutzte Böden speichern grosse nen sie sich aber, weil sich so viel Bundespräsidium und Mengen CO₂. Wenn unsere Kühe zu- Energie einsparen lässt. Ich möchte zu den Aktivitäten der dem auf der Weide grasen statt Soja auch meinen Kindern noch zeigen Bundespräsidentin: www.admin.ch > zu fressen, das von weit her impor- können, wie viel Freude man beim Bundespräsidium tiert wird, dann ist auch das gut fürs Skifahren erlebt. 7
Die Schweiz in Zahlen BEVÖLKERUNG 8,5 Millionen Menschen 4 Landessprachen Deutsch 63% Französisch 23% Rätoromanisch 0,5% SCHWEIZ Italienisch 8% 8 544 500 Einwohnerinnen und Einwohner Andere Sprachen 25% 2 148 300 davon ohne Schweizer Pass Mehrfachnennungen möglich In der Schweiz leben 8,5 Millionen Menschen. Der Die Schweiz ist ein vielsprachiges Land. Es gibt Ausländeranteil beträgt 25%. Mehr als die Hälfte vier Landessprachen: Deutsch, Französisch, Italie der Personen ohne Schweizer Staatsbürgerschaft nisch und Rätoromanisch. 63% der Bevölkerung ist entweder in der Schweiz geboren oder lebt seit sprechen hauptsächlich (Schweizer-)Deutsch, mindestens zehn Jahren hier. Die Mehrheit der 23% Französisch, 8% Italienisch und 0,5% Räto- ausländischen Bevölkerung kommt aus einem EU- romanisch. Auch andere Sprachen werden in der oder EFTA-Land. Den grössten Anteil machen Per- Schweiz gesprochen: Englisch, Portugiesisch, sonen aus Italien (15% der Ausländer), Deutsch- Albanisch (je 3 bis 5%) und verschiedene andere land (14%) und Portugal (12%) aus. 17% der Sprachen. Viele geben zwei Sprachen als Haupt- ausländischen Bevölkerung kommen aus nicht sprachen an. europäischen Staaten. Mehrheitlich christlich 67% der Menschen in der Schweiz gehören einer christlichen Glaubensgemeinschaft an. In 14 Kan- tonen machen die Katholiken den grössten Bevöl- kerungsanteil aus, in drei Kantonen die Refor mierten. In den restlichen Kantonen sind die Verhältnisse weniger deutlich. Der Anteil jener, die keiner Glaubensgemeinschaft angehören, beträgt 25% – er nimmt seit Jahren zu. 37% Römisch-katholisch 6% Andere christliche Gemeinschaften 24% Evangelisch-reformiert 5% Islamische Gemeinschaften 25% Konfessionslos 3% Übrige/unbekannt Alle Zahlen sind gerundet. Weitere Informationen zur Bevölkerung: www.statistik.ch 8 Der Bund kurz erklärt 2020 | Schweiz
FINANZEN DES BUNDES 73,51 Milliarden Einnahmen (2018) 70,57 Milliarden Ausgaben (2018) Mehrwertsteuer 31% 32% Soziale Wohlfahrt Direkte Bundessteuer 31% 15% Verkehr Verrechnungssteuer 11% 14% Finanzen und Steuern Mineralölsteuer 6% 11% Bildung und Forschung SCHWEIZ Tabaksteuer 3% 8% Sicherheit Stempelabgaben 3% 5% Beziehungen zum Ausland Übrige Fiskaleinnahmen 9% 5% Landwirtschaft und Ernährung Nichtfiskalische Einnahmen 7% 10% Übrige Aufgaben Die wichtigsten Einnahmequellen des Bundes sind die Knapp ein Drittel seiner Ausgaben investiert der Bund in Mehrwertsteuer und die direkte Bundessteuer. Sie machen den Bereich «Soziale Wohlfahrt»: 22 Milliarden Franken. zusammen rund 45 Milliarden Franken aus. Die direkte Die Hälfte davon geht an die Altersvorsorge (AHV), ein Bundessteuer wird bei Privatpersonen auf dem Einkom- Sechstel an die Invalidenversicherung (IV). Weitere wich- men erhoben (progressiv, maximal 11,5%), bei Unterneh- tige Bereiche der sozialen Wohlfahrt sind die men auf dem Gewinn (8,5%). Für die meisten Waren und Krankenversiche r ungen (Prämienverbilligungen), die Dienstleistungen gilt ein Mehrwertsteuersatz von 7,7%. Migrationsausgaben und die Ergänzungsleistungen. Die Welche Steuern der Bund erheben darf, ist in der Bundes- soziale Wohlfahrt gehört zu den am stärksten wachsenden verfassung festgehalten. Aufgabenbereichen des Bundes. Schuldenbremse Der Bund ist verpflichtet, seine Aus- Mia. Franken Sozialversicherungen gaben und Einnahmen auf Dauer im 250 Gleichgewicht zu halten. Bei guter Konjunktur muss er einen Überschuss 200 erwirtschaften, bei schlechter darf Gemeinden er mehr ausgeben als einnehmen. 150 2003 wurde diese «Schuldenbremse» Kantone zum ersten Mal angewendet. Seither 100 konnten die Bundesschulden von 124 Milliarden Franken um einen 50 Bund Viertel auf 99 Milliarden reduziert werden. Im internationalen Vergleich 0 steht die Schweiz sehr gut da: Die Schuldenquote des Gesamtstaats be- 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 trägt knapp 28% des Bruttoinland produkts (BIP). Alle Zahlen sind gerundet. Weitere Informationen zum Bundeshaushalt: www.efv.admin.ch 9
Vom Staatenbund zum Bundesstaat GESCHICHTE DER SCHWEIZ Die Schweiz entwickelte sich über Jahrhunderte aus einem Das politische System geht auf die Bundesverfassung von Geflecht verschiedener Bündnisse über einen Staatenbund 1848 zurück. Seither haben die Kompetenzen des Bundes, hin zum Bundesstaat. Landesgrenzen und Neutralität wur- die Volksrechte und die politische Vielfalt zugenommen. den 1815 international festgelegt und anerkannt. 1291 | Alte Eidgenossenschaft 1803 –1814 | Mediation 1847–1848 | Sonderbundskrieg BÜNDNISPARTNER GELOCKERTE LIBERALE GEGEN SCHAFTEN FREMDHERR KONSERVATIVE SCHAFT SCHWEIZ Wechselnde Bündnisse zwischen Bei der Frage nach der Ausgestal Städten und Landschaften bezwe tung des Bundes kommt es schluss Nach Bürgerkriegen zwischen Föde cken die Sicherung der politischen endlich zu einem Bürgerkrieg zwi ralisten und Anhängern der Helveti Ordnung gegen innen und der Un schen liberalen und katholisch- schen Republik gibt Napoleon der abhängigkeit gegen aussen. 1291 konservativen Kantonen. Der Son Schweiz eine Mediationsverfas schliessen Uri, Schwyz und Unter derbundskrieg endet mit dem Sieg sung. Sie gibt den Kantonen eine walden das erste dokumentierte der liberalen Kräfte. gewisse Eigenständigkeit zurück Bündnis ab. Der Begriff «Eitgenoze» und legt die meisten Kantons taucht 1315 auf. Im Lauf der Jahr grenzen fest. hunderte wächst die Eidgenossen schaft durch weitere Bündnisse und durch Gebietseroberungen. 1200 1800 1850 1848 | Bundesverfassung DEMOKRATISCHER 1815 | Bundesvertrag BUNDESSTAAT NEUTRALITÄT UND STAATENBUND Die Bundesverfassung gewährt den 1798 –1802 | Helvetik meisten Bürgern – Männern – ver EINHEITSSTAAT Nach dem Sturz Napoleons aner schiedene Rechte und Freiheiten, kennen die europäischen Gross u. a. das Stimm- und Wahlrecht. Auf UNTER FREMDER mächte die Neutralität der Schweiz Bundesebene wird nach amerika HERRSCHAFT und die heute gültigen Landes nischem Vorbild das Zweikammer grenzen werden fixiert. Der Bundes system eingeführt, mit einem Natio Nach dem Einmarsch französischer vertrag von 1815 fasst die verschie nal- und einem Ständerat, die den Truppen wird die Eidgenossen denen eidgenössischen Bündnisse Bundesrat wählen. Einige Bereiche schaft zur Helvetischen Republik zu einem einzigen Staatenbund zu werden zentralisiert. Die Schweiz umgestaltet: zu einem Einheitsstaat sammen. Dieser ist für die Sicher entwickelt sich zum einheitlichen unter Pariser Kontrolle. heitspolitik zuständig. Rechts- und Wirtschaftsraum. 10 Der Bund kurz erklärt 2020 | Schweiz
1874, 1891 | 1919, 1929 | Proporz 1971 | Gleichberechtigung Ausbau der Demokratie WEITER RICHTUNG STIMMRECHT FÜR INITIATIVE, KONSENS FRAUEN REFERENDUM DEMOKRATIE Im Februar 1971 nehmen die Stimm Die revidierte Bundesverfassung bürger das eidgenössische Stimm- 1919 wird der Nationalrat zum ers überträgt dem Bund mehr Aufgaben und Wahlrecht für Frauen mit 66% ten Mal im Proporzverfahren ge und weitet die demokratischen Ja-Stimmen an. Die meisten Kan wählt, und im Bundesrat sitzt nun Rechte auf Bundesebene aus. 1874 tone und Gemeinden führen das ein zweites katholisch-konservati wird das Referendum eingeführt, Frauenstimmrecht nun auch auf ves Mitglied. Ab 1929 ist auch ein 1891 die Volksinitiative. 1891 wählt kantonaler und kommunaler Ebene Mitglied der Bauern-, Gewerbe- und das Parlament zum ersten Mal einen ein. Bürgerpartei (heute SVP) im Bun Vertreter der Katholisch-Konservati desrat vertreten. ven (heute CVP) in die Regierung: Erstmals seit 1848 besteht der Bun desrat nicht mehr nur aus Freisinni gen. SCHWEIZ 1900 1950 2000 2000 | Dritte Bundesverfassung 1939 –1945 | Zweiter Weltkrieg BEWAHRUNG UND EINBINDUNG DER OFFENHEIT 1914 –1918 | LINKEN Erster Weltkrieg, Generalstreik Die totalrevidierte Bundesverfas Vor dem Hintergrund des Zweiten sung betont die partnerschaftliche SOZIALISTISCHE Weltkriegs rücken die politischen Zusammenarbeit zwischen Bund IDEEN Kräfte von links bis rechts zusam und Kantonen und regelt die Aufga men: 1943 wählt das Parlament benteilung. Das Schweizer Volk Armut und Arbeitslosigkeit während einen Sozialdemokraten in die Re stimmt den bilateralen Verträgen des ersten Weltkriegs sowie die so gierung, 1951 einen zweiten. Seit zwischen der Schweiz und der zialistischen Ideen der Russischen 1959 setzt sich der Bundesrat aus Europäischen Union (EU) zu. Zwei Revolution gipfeln 1918 im landes vier Parteien zusammen («Zauber Jahre später (2002) entscheidet es weiten Generalstreik. formel», S. 43). sich für den Beitritt zur UNO. 11
Bund, Kantone und Gemeinden FÖDERALISMUS 1 SCHWEIZ 26 2202 12 Der Bund kurz erklärt 2020 | Schweiz
Die Schweiz ist ein föderalistischer Staat: Die Macht ist möglich, dass die Schweiz als Einheit bestehen kann – zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden aufgeteilt. trotz vier Sprachkulturen und unterschiedlicher regio- Kantone und Gemeinden haben grosse Spielräume, um naler Eigenheiten. ihre Aufgaben zu erfüllen. Der Föderalismus macht es Bund Seit 1848 ist die Schweiz ein Bundesstaat, bezeichnet auch als «Eidgenossenschaft» oder als «Bund». Die Bundes • Elf Prozent der Schweizerinnen und verfassung legt die Aufgaben des Bundes fest. Dazu gehö- Schweizer leben im Ausland («Ausland- ren u. a. die Beziehungen zum Ausland, die Landesvertei- schweizer»). digung, das Nationalstrassennetz und die Kernenergie. • 85 Prozent der Einwohnerinnen und Ein- National- und Ständerat bilden das eidgenössische Par wohner leben in städtischen Gebieten. lament, die Landesregierung besteht aus sieben Bundes- • Die Einnahmen aus der direkten Bundes- räten, das Bundesgericht stellt die nationale Recht steuer machen 31 Prozent der Einnahmen sprechung sicher. Zu seiner Finanzierung erhebt der Bund des Bundes aus. u. a. die direkte Bundessteuer. SCHWEIZ Kantone Der Bund besteht aus 26 Kantonen, auch «Stände» ge- nannt. Jeder Kanton hat ein eigenes Parlament, eine eigene • Im Kanton Basel-Stadt ist das Bruttoinland- Regierung, eigene Gerichte und eine eigene Verfassung. produkt (BIP) pro Kopf mehr als dreimal so Diese darf der Bundesverfassung nicht widersprechen. Die gross wie im Kanton Uri. Kantone setzen die Vorgaben des Bundes um, gestalten ihre • In den Nationalen Finanzausgleich zahlen Tätigkeit aber nach eigenen Bedürfnissen. Grossen Gestal- der Bund und sieben Kantone ein, 19 Kan- tungsspielraum haben sie z. B. im Schul- und Spitalwesen, tone erhalten daraus Ausgleichszahlungen. im Bereich Kultur sowie bei der Polizei. Jeder Kanton er- • In den Kantonen Appenzell Innerrhoden hebt zu seiner Finanzierung kantonale Steuern. und Glarus finden noch Landsgemeinden statt. Gemeinden Die 26 Kantone sind in Gemeinden gegliedert. Jeder Kan- ton regelt die Aufgabenteilung zwischen sich und seinen • In der kleinsten Gemeinde (Kammersrohr, Gemeinden selbst. Zu den Aufgaben von Gemeinden gehö- SO) leben 29 Menschen, in der grössten ren z. B. die Ortsplanung, der Schulbetrieb, das Fürsorge- rund 415 000 (Stadt Zürich). wesen und die Feuerwehr. Grössere Gemeinden und Städte • Jedes Jahr gibt es wegen Fusionen im haben Parlamente und Volksabstimmungen. In kleineren Durchschnitt rund 30 Gemeinden w eniger. Gemeinden entscheiden die Bürgerinnen und Bürger an • In vier von fünf Gemeinden entscheiden Gemeindeversammlungen über politische Vorlagen. Jede die Stimmberechtigten an Gemeinde Gemeinde zieht Gemeindesteuern ein. versammlungen über politische Vorlagen. Video Föderalismus: www.youtube.com/chchportal > Föderalismus 13
Fundament DIREKTE DEMOKRATIE D EMOKRATIE Bundeshaus Bern: Die Kleinbauern-Vereinigung reicht eine Petition zum Thema Gentechnik ein. Eine Vertreterin der Parlamentsdienste nimmt die Unterschriftenbögen entgegen. 14 Der Bund kurz erklärt 2020 | Direkte Demokratie
Gewaltenteilung 16 Wählen und abstimmen 18 Parteien 20 D EMOKRATIE 15
Ein Grundprinzip der Demokratie GEWALTENTEILUNG Gewaltenteilung verhindert die Konzentration von Macht bei einzelnen Personen oder Institutionen und schiebt dem Machtmissbrauch einen Rie- gel. Die Macht ist auf die drei Staatsgewalten Legislative, Exekutive und Judikative verteilt. Eine Person darf gleichzeitig nur einer der drei Staats- gewalten angehören. Die Schweiz hat die Gewaltenteilung mit dem Bun- desstaat von 1848 eingeführt. D EMOKRATIE Die Regierung Die Bundesversammlung setzt Gesetze um erlässt Gesetze NATIONALRAT BUNDESRAT UND VERWALTUNG STÄNDERAT EXEKUTIVE LEGISLATIVE Gesetze umsetzen Gesetze beschliessen Der Bundesrat ist die Regierung der Das Parlament besteht aus dem National- Schweiz. Er führt die laufenden Geschäfte und Ständerat. Die beiden Räte sind gleich und setzt die Gesetzesbeschlüsse des Par berechtigt; zusammen bilden sie die Bun laments um. Jedes der sieben Bundesrats desversammlung. Das Parlament erlässt mitglieder steht e inem Departement vor. Gesetze und überwacht die Geschäfts Zusammen mit der Bundeskanzlei bilden führung des Bundesrats und des Bundes die sieben Departemente die Bundesver gerichts. waltung. 16 Der Bund kurz erklärt 2020 | Direkte Demokratie
Wer wählt wen? In der Schweiz können rund 5,5 Millionen Frauen und Männer an den eidgenössischen Wahlen teilneh- men. Unter 18-Jährige sowie ausländische Staats angehörige haben auf Bundesebene kein Wahlrecht. Das Schweizer Volk wählt das Parlament (Legisla- tive). Das Volk ist somit die oberste politische Instanz der Schweiz. Der Nationalrat repräsentiert die gesamte Bevölkerung, der Ständerat vertritt die 26 Kantone. Die eidgenössischen Wahlen finden alle vier Jahre statt. Das Parlament wählt mehrere Instanzen, nämlich: D EMOKRATIE • die Exekutive: die sieben Mitglieder des Bundes- rats und die Bundeskanzlerin oder den Bundes- kanzler. Ihre Amtsdauer beträgt vier Jahre; eine Wiederwahl ist möglich. ( S. 42) • die Judikative: den Bundesgerichtspräsidenten sowie die Richterinnen und Richter des Bundes gerichts und der drei erstinstanzlichen Gerichte. ( S. 80) • den Bundesanwalt: Er leitet die Bundesanwalt- schaft. Diese verfolgt unter anderem Delikte im Die Eidgenössischen Gerichte Zusammenhang mit Sprengstoff und Spionage setzen Gesetze durch sowie Amtsdelikte von Bundesangestellten. www.bundesanwaltschaft.ch Wer kontrolliert wen? Das Parlament hat die Oberaufsicht über den Bun- desrat und die Bundesverwaltung sowie über die eid- 4 GERICHTE genössischen Gerichte und die Bundesanwaltschaft. Die Parlamentsmitglieder wiederum werden vom Volk gewählt. Ihm sind sie Rechenschaft schuldig. JUDIKATIVE Recht sprechen Das Bundesgericht ist das höchste Gericht der Schweiz. Es sorgt für die einheitliche Info-Plattform Demokratie: Anwendung des Rechts und schützt die QR- www.ch.ch/demokratie Rechte der Bürgerinnen und Bürger. Zudem QR-Code entscheidet es als oberste Instanz über Rechtsstreitigkeiten zwischen Bürger und Staat oder Bund und Kantonen. 17
Politische Rechte WÄHLEN UND ABSTIMMEN In kaum einem anderen Staat hat das Volk derart weitrei- chende Mitbestimmungsrechte wie in der Schweiz. Schwei- WAHLRECHT zerinnen und Schweizer, die mindestens 18-jährig sind, dürfen auf nationaler Ebene wählen und abstimmen. Ne- ben den Parlamentswahlen, die alle vier Jahre stattfinden, können sich die Stimmberechtigten bis zu viermal pro Jahr in Volksabstimmungen zu politischen Sachfragen äussern. Wählende Meistens stehen bei einem Urnengang gleich mehrere Vor- lagen zur Diskussion. Über Verfassung und Gesetz Über jede Änderung der Verfassung wird abgestimmt (obligatorisches Referendum). Verfassungsänderungen brauchen die Zustimmung einer Mehrheit des Volks und der Kantone (doppeltes Mehr). Über ein revidiertes oder D EMOKRATIE neues Gesetz wird hingegen nur abgestimmt, wenn ein fa- kultatives Referendum dies verlangt. Das Gesetz ist ange- National- und Kandidierende Volkswahl Ständerat nommen, wenn das Volk mehrheitlich zustimmt (einfaches Mehr). Wahlen und Abstimmungen 2020 Wählen und gewählt werden 2020 finden die eidgenössischen Abstimmungen an fol- Alle Wahlberechtigten können einerseits Mitglieder genden Sonntagen statt: für das Parlament wählen (aktives Wahlrecht) und 9. Februar, 17. Mai, 27. September und 29. November. andererseits selbst für einen Parlamentssitz kandi- Jeweils mindestens vier Monate im Voraus legt der Bun- dieren (passives Wahlrecht). Für den Nationalrat desrat fest, welche Vorlagen zur Abstimmung gelangen. sind auch die Auslandschweizerinnen und -schwei- zer wahlberechtigt, in gewissen Kantonen auch für den Ständerat. Videos zu den Abstimmungsvorlagen: www.admin.ch/videos Nationalrat und Ständerat Die 200 Mitglieder des Nationalrats und 46 Mitglie- der des Ständerats werden direkt vom Volk gewählt. Die Wahlen erfolgen alle vier Jahre schriftlich. Einzig in Appenzell Innerrhoden wählt die Landsgemeinde VoteInfo: Die App mit Informationen zu eidgenössischen ihre Vertretung im Ständerat per Handerheben. und kantonalen Abstimmungen Erhältlich im App Store und bei Google Play Eidgenössische Wahlen finden alle vier Jahre statt. Die letzten Wahlen wurden am 20. Oktober 2019 durchge- führt. • Die Wahlbeteiligung bei den eidgenössischen Wahlen 2019 betrug 45% (2015: 48%). • 4645 Frauen und Männer hatten 2019 für den Na- Informationen zu den eidgenössischen Wahlen 2019: tionalrat kandidiert (2015: 3788). www.ch.ch/wahlen2019 • Auf Bundesebene sind die Frauen seit 1971 stimm- und wahlberechtigt. 18 Der Bund kurz erklärt 2020 | Direkte Demokratie
DIREKTDEMOKRATISCHE INSTRUMENTE VOLKSINITIATIVE FAKULTATIVES REFERENDUM JA JA NEIN NEIN NEIN NEIN JA JA NE NE IN IN JA JA D EMOKRATIE Für eine 100 000 Volks- Gegen eine 50 000 Volks- Verfassungsänderung Unterschriften abstimmung Gesetzesänderung Unterschriften abstimmung Die Verfassung ändern Ein neues Gesetz stoppen Bürgerinnen und Bürger können mit einer Volks Das Parlament verabschiedet neue oder geänderte initiative eine Änderung der Verfassung – nicht aber Gesetze. Bürgerinnen und Bürger können dagegen eines Gesetzes – verlangen. Alle wahlberechtigten und gegen gewisse Staatsverträge ein Referendum Schweizerinnen und Schweizer können eine Volks ergreifen. Auch das Referendumsrecht ist ein wichti- initiative unterzeichnen und in einer Gruppe von ger Bestandteil der direkten Demokratie. mindestens sieben Personen (Initiativkomitee) auch selbst eine Volksinitiative lancieren. 50 000 Unterschriften Wahlberechtigte Schweizerinnen und Schweizer 100 000 Unterschriften können ein Referendum unterzeichnen. Für eine Damit eine Volksinitiative zustande kommt, sind Volksabstimmung sind die gemeinsame Forderung 100 000 gültige Unterschriften nötig. Diese müssen von acht Kantonen (Kantonsreferendum) oder innerhalb von 18 Monaten gesammelt werden. Bun- 50 000 gültige Unterschriften nötig. Diese müssen desrat und Parlament empfehlen eine Annahme oder innerhalb von 100 Tagen gesammelt werden. Die Ablehnung der Volksinitiative. Für eine Zustimmung Vorlage tritt in Kraft, wenn die Mehrheit des Volks ist die Mehrheit von Volk und Kantonen notwendig Ja sagt (einfaches Mehr). Sagt es Nein, gilt das bis- (doppeltes Mehr). Bei einer Annahme erfolgt die herige Recht. konkrete Umsetzung, bei einer Ablehnung gilt das bisherige Recht. • Volksinitiativen gibt es auf Bundesebene seit 1891. • 1874 wurde das Referendum eingeführt. • 216 Volksinitiativen kamen seither zur Abstim- • 190 fakultative Referenden kamen seither zu- mung. 22 wurden angenommen. stande, 80 Vorlagen wurden vom Volk gestoppt. • Am 31.12.2019 waren 16 Initiativen im Sammel • Am 31.12.2019 lief für 21 Bundesgesetze und Bun- stadium, 16 beim Bundesrat oder Parlament hän- desbeschlüsse die Referendumsfrist. Gegen sechs gig und drei waren abstimmungsreif. Vorlagen wurden Unterschriften gesammelt. 19
Bindeglieder zwischen Volk und Staat PARTEIEN VON LINKS BIS RECHTS Parteien sind für das Funktionieren der Demokratie unent- Linke Parteien befürworten einen ausgebauten Sozial- behrlich: Sie tragen zur politischen Meinungsbildung bei, staat, rechte Parteien setzen vor allem auf eine liberale stellen Kandidierende für öffentliche Ämter und ergreifen Wirtschaftspolitik und auf die Verantwortung jedes Einzel- Initiativen oder Referenden. Parteien unterscheiden sich nen. Neben der Links-rechts-Frage gibt es die Umweltfrage, voneinander durch ihre Auffassungen von Staat, Gesell- die Frage der Öffnung der Schweiz gegenüber Europa und schaft und Wirtschaft. internationalen Organisationen und die Frage der libera- D EMOKRATIE Links Mi Was heisst «links»? • Ein starker Sozialstaat, der die sozialen Unterschiede ausgleicht • Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Vordergrund • Preiskontrollen, Service public • Mehr Friedenspolitik, weniger Armee 20 Der Bund kurz erklärt 2020 | Direkte Demokratie
len Werte (z. B. gleichgeschlechtliche Partnerschaft). (National- und Ständerat) eine Parteistärke von mehr als Mitteparteien arbeiten je nach Thema mit linken oder mit 10%: SVP (24%), SP (20%), FDP (17%), CVP (15%) und rechten Parteien zusammen. Grüne (13%). Diese Parteien sind im Bundesrat vertreten, Die Parteienlandschaft der Schweiz besteht aus vielen mit Ausnahme der Grünen, die erstmals bei den Parla- Parteien, von denen auf Bundesebene keine die Mehrheit mentswahlen 2019 eine Wählerstärke über 10% erreich- hat. Fünf Parteien erreichen in der Bundesversammlung ten. tte Rechts D EMOKRATIE Was heisst «rechts»? • Freiheit und Selbstverantwortung, Staat greift nur zur Not ein • Interessen der Arbeitgeber im Vordergrund • Freies Unternehmertum, ökonomische Anreize • Starke Landesverteidigung 21
Die zwölf Parteien auf Bundesebene PARTEIEN IN KÜRZE In der Legislatur 2019 – 2023 setzt sich der Nationalrat aus zwölf Parteien zusammen. Fünf davon sind auch im Ständerat vertreten, vier im Bundesrat. Die Parteien auf Bundesebene sind hier kurz vorgestellt. Die Reihen- folge entspricht der Anzahl Sitze in der Bundesver- sammlung. SVP Schweizerische Volkspartei Parteipräsident Ständerat Nationalrat Bundesrat Gründungsjahr 1971 (BGB 1917) Albert Rösti (bis März 2020) 24,0% 6 53 2 www.svp.ch 13 40 D EMOKRATIE SP Sozialdemokratische Partei der Schweiz Parteipräsident Ständerat Nationalrat Bundesrat Gründungsjahr 1888 Christian Levrat (bis April 2020) 19,5% 9 39 2 www.sp-ps.ch 3 6 25 14 1 1 FDP FDP.Die Liberalen Parteipräsidentin Ständerat Nationalrat Bundesrat Gründungsjahr 1894 (Fusion 2009) Petra Gössi 16,7% 12 29 2 www.fdp.ch 1 11 10 19 1 1 CVP Christlichdemokratische Volkspartei Parteipräsident Ständerat Nationalrat Bundesrat Gründungsjahr 1912 Gerhard Pfister 15,4% 13 25 1 www.cvp.ch 4 9 7 18 Grüne Grüne Partei der Schweiz Parteipräsidentin Ständerat Nationalrat Gründungsjahr 1983 Regula Rytz (bis April 2020) 13,4% 5 28 www.gruene.ch 4 1 17 11 Ein Mitglied des Nationalrats gehört keiner Partei an 22 Der Bund kurz erklärt 2020 | Direkte Demokratie («parteilos»).
glp Grünliberale Partei Schweiz Parteipräsident Nationalrat Gründungsjahr 2007 Jürg Grossen 6,5% 16 www.grunliberale.ch 8 8 BDP Bürgerlich-Demokratische Partei der Schweiz Parteipräsident Nationalrat Gründungsjahr 2008 Martin Landolt 1,2% 3 www.bdp.info 1 2 EVP Evangelische Volkspartei der Schweiz Parteipräsidentin Nationalrat Gründungsjahr 1919 Marianne Streiff-Feller 1,2% 3 www.evppev.ch 2 1 D EMOKRATIE EDU Eidgenössisch-Demokratische Union Parteipräsident Nationalrat Gründungsjahr 1975 Hans Moser 0,4% 1 www.edu-schweiz.ch LdT Lega dei Ticinesi I LE G ES A DEI TICIN Nationalrat Gründungsjahr 1991 0,4% 1 www.lega-dei-ticinesi.ch PdA Partei der Arbeit der Schweiz Parteipräsident Nationalrat Gründungsjahr 1944 Gavriel Pinson 0,4% 1 www.pda.ch solidaritéS Parteipräsidentin Nationalrat Gründungsjahr 1992 Jocelyne Haller 0,4% 1 www.solidarites.ch Prozentualer Sitzanteil in der Bundesversammlung (National- und Ständerat), gerundet 23
Legislative PARLAMENT PARLAMEN T 24 Der Bund kurz erklärt 2020 | Parlament
National- und Ständerat 26 Vernetzung mit der Welt 33 Das Parlament in Zahlen 27 Parlamentsdienste 34 Organisation der Räte 28 Verteilung der Kommissionssitze 35 Mechanik des Parlaments 31 Weg zu einem neuen Gesetz 36 Milizparlament 32 Parlamentsgebäude 38 PARLAMEN T Am 2. Dezember 2019 wurden die neu gewählten National- rätinnen und Nationalräte im Plenum vereidigt. 25
Zwei Räte – ein Parlament NATIONAL- UND STÄNDERAT Eine Vertretung von Volk und Kantonen Vereinigte Bundesversammlung Das Schweizer Parlament, die Legislative, besteht aus zwei Die Vereinigte Bundesversammlung tagt im Nationalrats- Kammern, die einander gleichgestellt sind und sich doch saal. Während die Mitglieder des Nationalrats an ihren an- unterscheiden: Im Nationalrat, der Grossen Kammer, sit- gestammten Plätzen sitzen, nehmen die Ständerätinnen zen die Volksvertreterinnen und -vertreter, im Ständerat, und Ständeräte an der Rückwand des Saals ihre nach Kan- der Kleinen Kammer, die Kantonsvertreterinnen und -ver- ton angeordneten Sitze ein. Die Leitung hat der oder die treter. Zusammen bilden die beiden Kammern die Verei- jeweilige Vorsitzende des Nationalrats inne. Er oder sie nigte Bundesversammlung. Die 246 Parlamentsmitglieder wird deshalb als höchster Schweizer oder höchste Schwei- stehen für die unterschiedlichen Sprachgemeinschaften, zerin bezeichnet. Parteien, Interessen, Weltanschauungen und Regionen der Schweiz. Zweikammersystem Die 200 Nationalrätinnen und Nationalräte repräsentie- PARLAMEN T ren die rund acht Millionen Einwohnerinnen und Einwoh- Ein Zweikammersystem ist keine Selbstverständlichkeit – ner der Schweiz – jedes Nationalratsmitglied vertritt also in vielen Ländern gibt es nur eine Parlamentskammer. Wo rund 42 000 Personen. Am grössten ist die Zürcher Dele- es zwei Kammern gibt, hat in der Regel die «grosse» Kam- gation mit 35 Mitgliedern. Da gemäss Bundesverfassung mer, die meist eine Volksvertretung ist, mehr zu sagen als jeder Kanton Anspruch auf mindestens einen Nationalrats die «kleine», die oft die Regionen vertritt. In der Schweiz sitz hat, entsendet auch Appenzell Innerrhoden mit seinen ist das anders: Beide Räte haben dieselben Kompetenzen, 16 000 Einwohnerinnen und Einwohnern einen Volksver- sie behandeln dieselben Geschäfte auf dieselbe Art. Das treter nach Bern. gilt auch für Budgetfragen. Abwechslungsweise berät der eine oder der andere Rat ein Geschäft zuerst. Beide Räte Die 46 Mitglieder des Ständerats repräsentieren ihren müssen übereinstimmende Beschlüsse fassen, damit diese Kanton bzw. Stand. Es sind je zwei pro Kanton, wobei es gültig sind. Auch die einzelnen Mitglieder des Ständerats auch hier eine Ausnahme gibt: Die Kantone Obwalden, und des Nationalrats haben dieselben Rechte: Jeder und Nidwalden, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Appenzell jede kann Gesetzesentwürfe oder Aufträge an den Bundes- Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden entsenden als rat einreichen. ehemalige Halbkantone nur je einen Vertreter. Die Mitglie- der des Ständerats werden in direkter Wahl bestimmt. Wegen der unterschiedlichen politischen Zusammenset- zung kommen die Kammern oft nicht zu denselben Ent- National- und Ständerat tagen in der Regel getrennt, scheidungen. Dabei hat auch die Grösse eines Rats ihren gewisse Geschäfte behandeln sie als Vereinigte Bundes Einfluss: Die 46 Mitglieder des Ständerats können sich zu versammlung jedoch gemeinsam. Dazu gehören unter jedem Geschäft spontan äussern, während für die 200 Mit- anderem die Wahl der Mitglieder des Bundesrats und glieder des Nationalrats eine komplexe Redeordnung gilt, der Bundesgerichte. Die Bundesversammlung übt damit – die spontane Voten kaum zulässt. Deshalb ist es im Stän- unter Vorbehalt der Rechte von Volk und Ständen – die derat einfacher als im Nationalrat, mit guten Argumenten oberste Gewalt im Bund aus. Das ist eine Schweizer Beson- eine Abstimmung zu beeinflussen. derheit: Im Unterschied zu anderen Ländern wählt in der Schweiz das Parlament die Regierung und das oberste Bis ein Gesetz in beiden Kammern völlig gleichlautend be- Gericht. Die Entscheide des Parlaments kann kein Gericht schlossen ist, vergeht oft einige Zeit. Wenn es aber einmal überprüfen. Ausserdem kann das Parlament nicht vor beschlossen ist und die Hürde eines eventuellen Referen Ablauf einer Legislatur aufgelöst werden. dums genommen hat, hat es auch Bestand. Weitere Informationen zum Parlament: www.parlament.ch 26 Der Bund kurz erklärt 2020 | Parlament
Auf einen Blick DAS PARLAMENT IN ZAHLEN Altersgruppen in der Schweizer Frauen und Männer im Parlament Bevölkerung und im Parlament 18 – 30 31 – 40 41 – 50 51 – 60 61 – 70 71+ 1972 1988 2004 2020 200 180 160 % in der Bevölkerung 140 120 % im Parlament 100 80 60 40 20 0 SR NR SR NR SR NR SR NR PARLAMEN T Frauen Männer Stärke der Fraktionen im Parlament Nationalrat Ständerat 31 SVP 16 SP 29 Mitte-Fraktion Grüne 39 FDP-Liberale GLP 13 55 12 9 30 7 5 Film «Erklär mir das Parlament»: www.parlament.ch > Über das Parlament > Wie funktioniert das Parlament? > Film 27
Gewählt – was nun? ORGANISATION DER RÄTE Organe des Parlaments In jeder grösseren Gruppe bedarf es Regeln, so auch im Für die Ratsmitglieder ist es eine schwierige Aufgabe, sich National- und Ständerat: Jedem Ratsmitglied wird ein Sitz- in der Überfülle der Geschäfte, die oft auch eher technische platz zugeteilt, wobei Mitglieder der gleichen Partei in der Fragen behandeln, eine fundierte Meinung zu bilden. Be- Regel beieinander sitzen. An der ersten Sitzung der neuen vor die Geschäfte in den Rat kommen, werden sie deshalb Legislatur wählt jeder Rat seinen Vorsitz und die Mitglie- in den Fraktionen diskutiert: Man versucht, sich auf ein- der des Ratsbüros. Der Ratspräsident oder die Ratspräsi- heitliche Positionen festzulegen, die von den Fraktions dentin leitet die Ratssitzungen. Er oder sie wird dabei vom mitgliedern dann im Rat sowie gegenüber den Medien und Ratssekretariat unterstützt. der Öffentlichkeit vertreten werden. Die Ratsmitglieder stimmen jedoch ohne Weisungen: Es ist jedem Ratsmit- Die Mitglieder einer Partei oder gleichgesinnter Parteien glied freigestellt, bei den Abstimmungen im Rat von der formieren sich zu Fraktionen. Zur Bildung einer Fraktion Fraktionsmeinung oder der Position eines Kantons oder sind mindestens fünf Mitglieder aus einem Rat erforder- eines Verbands abzuweichen. PARLAMEN T lich. Im Nationalrat haben bei den allermeisten Geschäften nur Mitglieder einer Fraktion das Recht zu sprechen. Zu- Die Kommissionen bieten Raum, um ausführliche und dem ist dort die Fraktionszugehörigkeit Voraussetzung, vertiefte Diskussionen zu führen, Sachfragen zu klären, um in einer Kommission Einsitz nehmen zu können. Nur Fachleute der Verwaltung, Expertinnen und Experten und wer einer Fraktion angehört, kann also wirksam Politik be- die betroffenen Kreise anzuhören und sich mit den Bun- treiben. Parteien mit weniger als fünf Parlamentsmitglie- desrätinnen und Bundesräten auszutauschen. Sie sind dern bemühen sich deshalb um Anschluss an eine Fraktion. aber auch der Ort, wo ausprobiert werden kann, ob be- Sie werden umgekehrt aber auch umworben. Je grösser stimmte Ideen über Parteigrenzen hinweg mehrheitsfähig nämlich eine Fraktion ist, desto mehr Kommissionssitze sind. stehen ihr zu und desto grösser ist ihr Einfluss im Rat. Sessionsdaten 2020 30.11. – 18.12. Sommer Frühling 2.3 .– 20.3. 2.6. – 19.6. 7.9. – 25.9. Herbst Winter Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. Wahl Präsident/inNationalrat und Ständerat 2021 30.11.2020 Wahl Bundespräsident/in und Vizepräsident/in des Bundesrats 2021 9.12.2020 28 Der Bund kurz erklärt 2020 | Parlament
Zuständigkeiten Die Hauptaufgabe des Parlaments ist es, Gesetze zu be- schliessen. Das Spektrum erstreckt sich vom Ausland- schweizergesetz bis zum Zivildienstgesetz, von Fragen des Allianzen Naturschutzes bis zum Autobahnbau, vom Kriegsmaterial- gesetz bis zur Friedensförderung. Allein bringt keine Fraktion ein Geschäft durch; um zu gewinnen, braucht es Allianzen. Meist teilt sich Das Parlament ist aber auch zuständig für: das Parlament bei strittigen Vorlagen in ein eher bür- • die Freigabe von finanziellen Mitteln (Budget) und die gerliches und ein eher linkes Lager. Damit entschei- Genehmigung der Staatsrechnung des Bundes; det letztlich die politische Mitte über Ja oder Nein, • die Aufsicht über Bundesrat, Verwaltung und Bundes je nachdem, auf welche Seite sie sich schlägt. Ab und gerichte; zu kommt es allerdings auch zu einer sogenannt • die Wahl der Mitglieder des Bundesrats und der Bundes- unheiligen Allianz: Die linke – SP und Grüne – und PARLAMEN T gerichte sowie des Bundeskanzlers; die rechte Ratsseite – SVP – spannen zusammen, um • völkerrechtliche Verträge, für deren Abschluss nicht der eine Vorlage mit vereinten Kräften, aber aus teils völ- Bundesrat zuständig ist, und lig entgegengesetzten Motiven, grundlegend zu ver- • für die Beziehungspflege zu ausländischen Parlamenten. ändern oder gar abzulehnen. Nationalratspräsidentin 2019/20 Ständeratspräsident 2019/20 Isabelle Moret FDP-Liberale / Waadt seit 2006 im Nationalrat Hans Stöckli Sozialdemokratische Partei SP / Bern seit 2011 im Ständerat Informationen zur Nationalratspräsidentin Informationen zum Ständeratspräsidenten Isabelle Moret: Hans Stöckli: www.parlament.ch > Organe > Nationalrat > www.parlament.ch > Organe > Ständerat > Präsidentin Präsident 29
SITZVERTEILUNG NATIONALRAT PARLAMEN T Wer sitzt wo? Interaktive Darstellung auf www.parlament.ch > Organe > Sitzordnung SITZVERTEILUNG STÄNDERAT Fraktionen SVP Grüne SP FDP-Liberale Mitte-Fraktion GLP 30 Der Bund kurz erklärt 2020 | Parlament
Wie man sein Anliegen ein- und durchbringt MECHANIK DES PARLAMENTS Parlamentarische Instrumente Kommissionen Jedes Mitglied von National- und Ständerat kann mit ei- Manch einer staunt vielleicht ob der halbleeren Säle von nem sogenannten Vorstoss die Einführung neuer Verfas- National- und Ständerat. Wenn ein Geschäft im Rat behan- sungsbestimmungen und Gesetze oder deren Änderung delt wird, ist ein Grossteil der parlamentarischen Arbeit beantragen. Es kann Bundesrat und Verwaltung auch jedoch schon gemacht und viele Vorentscheide sind getrof- Berichte in Auftrag geben oder Auskünfte von ihnen ver- fen. Das geschieht in den Kommissionen; dort werden die langen. meisten Geschäfte vorberaten. Jeder Vorstoss bedeutet, dass Bundesrat und Verwaltung Es gibt neun Sachbereichskommissionen, die sich vor Abklärungen treffen und Stellung nehmen müssen, bevor allem mit der Vorberatung von Gesetzen befassen. Ihnen in der zuständigen Kommission und im Rat darüber bera- sind bestimmte Themenkreise wie Verkehr, Rechtsfragen, ten und entschieden wird. Aussen- oder Sozialpolitik usw. zugeordnet. Zusätzlich Damit Vorstösse weiterverfolgt werden, braucht es Mehr- gibt es die Finanzkommission und die Geschäftsprüfungs- PARLAMEN T heiten: in den vorberatenden Kommissionen, in einem kommission, die sich mit den Bundesfinanzen und der oder gar in beiden Räten. Da Vorstösse aber meistens poli- Geschäftsführung von Bundesrat und Verwaltung befassen tisch umstrittene Themen behandeln, ist es nicht selbstver- und diese überwachen. ständlich, dass dies gelingt. In speziellen Fällen kann eine Parlamentarische Untersu- chungskommission (PUK) bestimmte Vorgänge und Berei- Die parlamentarischen Instrumente werden rege genutzt: che untersuchen. 1996 reichte jedes Ratsmitglied im Schnitt 3,6 Vorstösse ein. 2009 waren es 9,4, danach sank die Zahl wieder leicht Im Gegensatz zu den Sitzungen von National- und Stände- auf 8 Vorstösse pro Ratsmitglied im Jahr 2011. In den letz- rat sind Kommissionssitzungen nicht öffentlich – die ver- ten Jahren stieg die Anzahl der Vorstösse stetig an. Nach traulichen Beratungen sollen eine offenere Diskussion 2018 (9,6 Vorstösse), stellte das Jahr 2019 mit 10,3 Vor- unter den Mitgliedern ermöglichen. Die Kommissionen stössen pro Ratsmitglied einen erneuten Höhepunkt dar. informieren die Medien aber nach ihren Sitzungen über die Ergebnisse. Den Kommissionen des Nationalrats gehören je 25 Mitglie- der an, denjenigen des Ständerats je 13. Ihre Zusammen- setzung richtet sich nach der Stärke der Fraktionen. Mit einer parlamentarischen Initiative kann ein Ratsmitglied vorschlagen, dass das Parlament selber Die Kommissionen im Detail: ein Gesetz erlässt, indem es die Idee oder gleich den www.parlament.ch > Organe > Kommissionen Gesetzesentwurf formuliert. Mit einer Motion kann das Ratsmitglied den Ball dem Bundesrat zuspielen und verlangen, dass dieser gesetzgeberisch tätig wird. Mit einem Postulat wird der Bundesrat lediglich be- auftragt zu prüfen, ob ein Gesetzes- oder Beschlusstext Film «Zimmer 286»: vorzulegen oder eine Massnahme zu treffen sei, wäh- Kommissionsarbeit hinter verschlossenen Türen: www.parlament.ch > Organe > Kommissionen > rend eine Interpellation vom Bundesrat Auskunft Links > Film über Angelegenheiten des Bundes verlangt. 31
Vom Arbeitsplatz ins Bundeshaus MILIZPARLAMENT Teilzeitmandat Das Schweizer Parlament ist ein sogenanntes Milizparla- ment: Seine Mitglieder widmen zwar ihrem Parlaments- mandat viel Zeit, die meisten gehen jedoch weiterhin einer Geregeltes Einkommen beruflichen Tätigkeit nach. Wegen dieser hohen Arbeits- belastung gibt es Stimmen, die das Milizsystem hinter Gesetz und Verordnung regeln die Bezüge der Parla- fragen und – auch wegen der steigenden Anzahl und der mentarierinnen und Parlamentarier: thematischen Vielfalt der Geschäfte – ein Berufsparlament fordern. Dem wird entgegengehalten, Teilzeitparlamenta- • Das Jahreseinkommen für die Vorbereitung der rierinnen und -parlamentarier seien volksnäher und könn- Ratsarbeit beträgt 26 000 Franken. ten aufgrund ihrer beruflichen Erfahrungen wertvolles • Pro Sitzungstag im Rat, in der Fraktion oder in Fachwissen in die Diskussionen einbringen. Kommissionen wird ein Taggeld von 440 Franken entrichtet. PARLAMEN T Die Ratsmitglieder verbringen viele Tage in Bern. Zur Prä- • Die Jahresentschädigung für Personal- und Sach senz während der Sessionen sind noch die Sitzungstage in ausgaben beläuft sich auf 33 000 Franken. den Kommissionen zu rechnen. Die Mitglieder des Natio- • Dazu kommen Entschädigungen für Mahlzeiten, nalrats sitzen in ein bis zwei, diejenigen des Ständerats in Reise- und Übernachtungskosten. drei bis vier Kommissionen. Das bedeutet, dass die Natio- • Ein Ratsmitglied, das einen Rat präsidiert oder nalrätinnen und Nationalräte an weiteren 30 bis 50 Tagen ein Vizepräsidium innehat, erhält eine zusätzli- und die Ständerätinnen und Ständeräte an 40 bis 70 Tagen che Entschädigung. in die Bundesstadt reisen müssen. Neben diesem Einkommen und den Spesenentschä- digungen erhalten die Ratsmitglieder einen Beitrag Berufliche Vielfalt an die berufliche Vorsorge. Auf dem Einkommen sind AHV/IV/EO/ALV- Zwar geben bereits rund 18 Prozent der Nationalräte bzw. Beiträge zu leisten; das Einkommen der Ratsmitglie- 40 Prozent der Ständeräte an, Berufspolitiker zu sein, die der ist zudem zu versteuern. meisten Parlamentarier sind aber auch noch anderweitig Auf Entschädigungen sind keine Sozialbeiträge zu aktiv. Dabei reicht das Berufsspektrum von der Ärztin oder leisten, sie sind steuerfrei. der Anwältin über den Handwerker und den Unternehmer bis hin zum Verbandspräsidenten. Aber auch Bauern, Ban- www.parlament.ch > Organe > Bezüge ker und Gemeindepolitikerinnen nehmen Einsitz im Parla- ment. 32 Der Bund kurz erklärt 2020 | Parlament
Parlamentarische Diplomatie VERNETZUNG MIT DER WELT Es ist zwar der Bundesrat, der die Schweiz nach aussen ver- Der Bundesrat konsultiert seither die für die Aussenpolitik tritt und für auswärtige Angelegenheiten zuständig ist, zuständigen Kommissionen bei vielen Vorhaben. Ausser- auch indem er Verträge aushandelt und ratifiziert. Er hat dem wirkt die Bundesversammlung in internationalen dabei aber die Mitwirkungsrechte der Bundesversamm- parlamentarischen Versammlungen mit und pflegt die lung zu wahren und ihr Verträge zur Genehmigung zu un- Beziehung zu ausländischen Parlamenten. Die parlamen- terbreiten. tarische Aussenpolitik ermöglicht es den zuständigen Organen (Ratspräsidien, Kommissionen, ständigen oder In den vergangenen Jahrzehnten kam es auf wirtschaftli- nicht ständigen Delegationen) und Mitgliedern des Parla- cher Ebene stetig zu einer Intensivierung der internationa- ments, eigene aussenpolitische Erfahrungen zu sammeln len Zusammenarbeit, womit auch die Zahl der Staatsver- und Zugang zu Informationen aus erster Hand zu erhalten. träge stieg. Da sich diese Staatsverträge in der Regel auf Ferner ermöglicht die parlamentarische Aussenpolitik die das innerstaatliche Recht auswirken, ging mit dieser Ent- Mitgestaltung und Einflussnahme auf die politische Arbeit PARLAMEN T wicklung der Wunsch des Parlaments einher, als Legislative in den interparlamentarischen Organisationen, die Vertre- möglichst früh in den Verhandlungsprozess eingebunden tung der Schweizer Interessen an internationalen parla- zu sein. Seit der Jahrtausendwende ist die Aussenpolitik mentarischen Treffen, die Etablierung einer zur Regie- somit ein Feld der Kooperation zwischen Exekutive und rungsebene ergänzenden Kommunikationsebene sowie Legislative. den Aufbau eines parlamentarischen Beziehungsnetzes. Die ehemalige Nationalratspräsidentin begrüsst den Parla mentspräsidenten der Mongolei in der Schweiz. Besuch des ehemaligen Ständeratspräsidenten in Portugal 33
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