Ein Jahrestag zum Schämen - Die Gewerkschaft - VPOD
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Februar 2021 Das VPOD-Magazin erscheint 10-mal pro Jahr Die Gewerkschaft Schweizerischer Verband des Personals öffentlicher Dienste Ein Jahrestag zum Schämen 50 Jahre Frauenstimmrecht – warum so spät, warum 1971? Corona und kein Ende: Personal in VPOD-Branchen weiterhin extrem belastet
Der digitale Schweizer Pass soll mit Der digitale Schweizer Pass soll dem E-ID-Gesetz privatisiert werden. zukünftig von Versicherungen und Digitaler Schweizer Pass Das wollen wir verhindern. Banken herausgegeben werden. Passeport numérique suisse Argumente gegen dieses Gesetz: Diese Aufgabe gehört nicht in die Passaporto digitale svizzero Passaport svizzer digital Hände von privaten Unternehmen. Digitaler Pass ist Service Public Swiss digital passport Die Herausgabe eines digitalen Passes ist eine staat- liche Aufgabe, die unter demokratische Kontrolle gehört. Die E-ID würde in Zukunft für Gesundheitsda- ten, bei Abstimmungen sowie bei der E-Steuer- Stimmen Sie am rechnung eingesetzt. 7. März NEIN zum Datenschutz bleibt ungenügend E-ID-Gesetz Jede Nutzung der E-ID wird bei den Konzernen zentral gespeichert. Dadurch entsteht das Potential für Missbrauch. Der einzige wirksame Datenschutz ist es, auf die Erhebung dieser Daten zu verzichten. Zwängerei statt Freiwilligkeit Insbesondere ältere Menschen befürchten, dass ihnen die E-ID durch die privaten Unternehmen Komitee NEIN zum E-ID-Gesetz aufgezwungen wird. Deshalb lehnen die Senioren- Gegen die Privatisierung der E-ID engagieren sich im Organisationen der Schweiz die Vorlage ab. überparteilichen BürgerInnen-Komitee Mitglieder der CVP, BDP, EVP, FDP, Grünen, Piratenpartei, SP und SVP. Weitere Informationen auf www.e-id-referendum.ch www.e-id-referendum.ch – info@e-id-referendum.ch Abstimmung über das E-ID-Gesetz Bund wird zum Datenlieferant Vertrauen der Bevölkerung fehlt Mit einem digitalen Pass soll es möglich werden, sich im Inter- Mit der Kommerzialisierung des digitalen Passes wird der Gemäss repräsentativen Umfragen wollen über 80 Prozent net auszuweisen. Dieser ist vergleichbar mit der Identitätskar- Bund zu einem Datenlieferanten degradiert. Das Bundesamt der Bevölkerung den digitalen Pass nicht von Firmen, te im realen Leben. Das Parlament hat beschlossen, dass für Polizei würde dafür eigens eine neue Personendatenbank sondern vom Staat beziehen. Das Vertrauen in private Unter- zukünftig Konzerne den digitalen Schweizer Pass herausgeben schaffen, um privaten Konzernen die persönlichen Daten der nehmen fehlt. sollen. An die Stelle der Passbüros würden Unternehmen wie Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung zu stellen. Wer soll die E-ID ausstellen? Banken und Versicherungen treten und unsere sensiblen Hinter der SwissSign Group, welche die E-ID herausgeben will, 81% Staat Daten verwalten. stehen Banken, Versicherungen, Krankenkassen und staatsna- 2% Unternehmen Am 7. März stimmt die Schweiz über das E-ID-Gesetz ab. Bitte he Betriebe. Möchten Sie Ihren digitalen Schweizer Pass von 7% spielt keine Rolle stimmen Sie mit NEIN, um diesen gefährlichen Entscheid des diesen Unternehmen? 10% weiss ich nicht Parlaments zu korrigieren! Quelle: Digital Democracy Lab, Universität Zürich, 2019, digdemlab.io Kantone lehnen das Gesetz ab Der digitale Pass gehört Acht Kantone verwehren dem E-ID-Gesetz ihre Unterstüt- zung, weil sie die Herausgabe von Ausweisen als staatliche nicht in die Hände Kernaufgabe erachten. von Konzernen! Für ein NEIN engagieren sich: Sibylle Berg, Mitglied des BürgerInnen-Komitee «NEIN zur E-ID», Zürich Digitale Gesellschaft, Public Beta, Campax, Grundrechte.ch, Internet Society Switzerland, Schweizerischer Gewerk- schaftsbund, Schweizer Seniorenrat, Schweizer Verband für Unser Engagement gegen das E-ID-Gesetz Seniorenfragen, Vereinigung aktiver Senioren- und Selbsthilfe- ist nur dank vielen Kleinspenden möglich. organisationen der Schweiz, Syndicom, VPOD & WeCollect. www.e-id-referendum.ch/spenden IBAN CH10 0900 0000 1537 2188 0
Editorial und Inhalt | VPOD Themen des Monats 5 Der Bankschalter ist kein Passbüro Nein zur Privatisierung der E-ID am 7. März 6 Partnerwechsel für Fortgeschrittene Mitbestimmung beim Pensionskassenwechsel – aber wie? 7 Endlich! Der VPOD begrüsst die jüngsten Corona-Massnahmen Christoph Schlatter und stellt weitere Forderungen ist Redaktor des VPOD-Magazins 8–9 Das Personal muss gesund bleiben Corona beschäftigt die VPOD-Branchen weiterhin und Die Scheibe weiterhin in unterschiedlichster Weise Seine Mutter lebt irgendwo anders. Ganz langsam hat sie sich verab- schiedet von der Welt, in der sie verkehrte. Als der Vater den Alltag mit 10–11 Ungebrochene Motivation ihr auch mit Hilfe der Spitex nicht mehr meistern konnte, fand sich ein Eine Umfrage im Sozialbereich zeigt die schwere Belas- Platz in einer Pflegeabteilung. Heute geht der Sohn dort zu Besuch. tung und das hohe Engagement des Personals Den ganzen Tag hat es geschneit. Still liegt das Heim. So still war es noch nie, im Foyer ist sonst Betrieb. Heute nicht. 2. und 3. Stock in 13–19 Dossier: 50 Jahre Frauenstimmrecht Quarantäne, sagt ein Schild. Seine Mutter wohnt im 4.; man werde sie «Unfertige Demokratie»: Interview mit der Historikerin herunterbringen. Am Eingang muss er Fieber messen, Hände desinfi- Fabienne Amlinger zieren, Formular ausfüllen wie immer. Aber diesmal ist ihm ein fixes Ein langer Kampf in Bildern und Plakaten Zeitfenster zugewiesen, 45 Minuten. Und zu trinken gibt es nichts. Auf Augenhöhe: Das Stimmrecht für alle, die hier leben! Die Mutter pflegt kaum mehr zu sprechen. Jedenfalls selten längere Catherine Silberschmidt blättert in Erinnerungen Sätze als: Ja. Wobei nicht immer sicher ist, ob Ja nicht womöglich, je nach Kontext, Nein bedeutet. Oder: Weiss nicht. Oder: Ist nicht wich- 21 Ferien in Quarantänien? tig. Wie es in ihrer Welt aussieht und was dort geschieht, kann oder Quarantäne zulasten Zeitsaldo? Die Stadt Zürich lenkt ein mag sie nicht berichten. Aber auf eine seltsam stille Weise wirkt sie zufrieden. Meistens jedenfalls. Ihm wird ein Tisch gleich beim Eingang zugewiesen. Der Tisch wird Rubriken mittig durch eine senkrechte Scheibe geteilt. Auf jeder Seite ein Stuhl, auf seiner ein Blümlein. Jetzt tritt die Mutter am Arm der Betreuerin 4 Gewerkschaftsnachrichten aus dem Lift. Er winkt ihr zu. Das ist ja fast wie im Gefängnis, scherzt 12 Aus den Regionen und Sektionen er. Ja, nicht wahr, leider, lacht die Betreuerin. Und fragt die Mutter, ob sie den Besuch da kenne. Ja, mein Sohn, sagt die Mutter leise. 20 Sunil Mann: Epidemisches Epidemiologenaufkommen Sie müssen die Maske auch im Sitzen anbehalten, sagt die Aufsicht. Auch seine Mutter bekommt wieder eine umgebunden. Sie sitzen 22 Wirtschaftslektion: Strukturwandel in Aufschwung verlegen sich gegenüber. Was er seit dem letzten Besuch erlebt hat, ist in zwei Minuten erzählt. Früher hätte er ihr vielleicht eine Hand auf den Arm 23 Wettbewerb: VIP gelegt. Man hätte Fotos angeschaut. Zusammen in den Kaffeetassen 24 VPOD aktuell gerührt, das stiftet ebenfalls Gemeinsamkeit. Mit Maske vor der Nase und Scheibe dazwischen ist alles schwieriger. Hinter beiden Masken 25 Hier half der VPOD: Status quo ante Velounfall eine ganze Welt. Aber hinter jeder eine andere. Er nimmt ein Buch aus seiner Tasche und schlägt es auf. Es ist eines 26 Solidar Suisse: Misshandelt und abgeschoben der Bücher, die Mutter seinerzeit den Kindern vorgelesen hat, als Gu- tenachtgeschichte in Fortsetzungen. Heute liest er vor. Er liest ihr das 27 Menschen im VPOD: Gabriela Kuhn Thöny, Buch zurück, sozusagen. Die Schrift verschwimmt vor seinen Augen. Pflegeexpertin für Notfallpflege, Chur Natürlich, er muss die Brille aufsetzen. Jetzt ist es wie im Fernsehen. Er ist im Fernsehen. Sie davor. Die Scheibe ist zwischen ihnen. Schon wieder verschwimmen ihm die Buchstaben. Die Geschichte Redaktion /Administration: Postfach, 8036 Zürich rührt ihn. Oder ist es die Situation? Die ist schwierig für alle, auch Telefon 044 266 52 52, Telefax 044 266 52 53 fürs Personal. Die tun, was sie können. Oder mehr. Nr. 1, Februar 2021 Beim Abschied will ihm die Mutter die Hand geben. Kurz vor der E-Mail: redaktion@vpod-ssp.ch | www.vpod.ch Scheibe hält sie in der Bewegung inne. Erscheint 10-mal pro Jahr Nächstes Mal liest er weiter auf Seite 23. Februar 2021 3
VPOD | Gewerkschaftsnachrichten Wenig ausgelastete SBB: Wer zahlt? Erfolgreiche Postfinance: Wer befiehlt? dafür aufbauen, so wie sie es in ihrem GAV verankert haben. Den Arbeitgebern nützt es, wenn dadurch die erforderlichen Fachkräfte zur Verfügung stehen; die Arbeitnehmenden profitieren von einer Standortbestimmung und von erwachsenengerechten Angeboten, et- wa im Umgang mit CNC-Maschinen. Ein Pilotlehrgang hat bereits im Herbst letzten Jahres begonnen. | unia/slt Coiffure-GAV allgemeinverbindlich Unia und Syna sowie der Branchenverband Coiffure Suisse freuen sich, dass der Bundesrat den GAV für das Coiffeurgewerbe allgemein- verbindlich erklärt hat. Gegen 12 000 Beschäftigte sind ihm nun un- terstellt. Der neue GAV ist seit 1. Januar in Kraft; ab 2022 ist eine Erhö- hung der Mindestlöhne ab dem 5. Berufsjahr vorgesehen. Bewährt hat sich laut den Sozialpartnern die ausgeweitete Kontrolltätigkeit in der Branche. Auch das Corona-Schutzkonzept habe sich als tauglich er- wiesen; seine Umsetzung habe weiterhin oberste Priorität. | unia/syna VPOD Luftverkehr warnt vor Grenzschliessung Der VPOD Luftverkehr wendet sich gegen die von den Präsidentin- nen und Präsidenten der Bundesratsparteien sowie von GLP und Grünen erhobene Forderung nach Test- und gleichzeitiger Quaran- Postfinance darf nicht privatisiert werden tänepflicht an der Schweizer Grenze. Der Forderung, in welcher der Der SGB sieht im Vorschlag, Postfinance zu privatisieren, einen «un- VPOD Luftverkehr «reinen politischen Aktionismus» sieht, fehle jede verhohlenen Frontalangriff auf den Service public in diesem Land». Evidenz. Absurd sei es, auch Personen in Quarantäne zu stecken, die Postfinance, eine Volksbank mit fast 3 Millionen Kundinnen und aus Ländern mit niedrigerer Inzidenz anreisen. Würde das Geforderte Kunden, gehört der Allgemeinheit und hat einen gesetzlichen Grund- umgesetzt, ergäbe sich ein Chaos an den Grenzen, und es käme zu versorgungsauftrag. Dieser würde bei einer Privatisierung untermi- «Massenentlassungen in unvorstellbarem Ausmass». | vpod niert; zudem würde so der gesamte Postkonzern gespalten. Die Post funktioniert heute nur über ihr in sich geschlossenes Geschäftsmo- SEV stimmt SBB-Sparmassnahmen zu dell mit seinen Synergieeffekten. Wenn sich der Bund zurückzöge, Die SBB und die Personalverbände (unter ihnen der SEV) haben ein müsste die Grundversorgung im Zahlungsverkehr per Konzessions- Sparpaket ausgehandelt, das den Folgen der Corona-Pandemie Rech- vergabe sichergestellt werden – was weniger wirtschaftlich wäre und nung trägt. Die Finanzlage der SBB ist angespannt. Für die Bereiche dem Personal schadete. Die Lösung der Probleme mit Postfinance Infrastruktur, Regionalverkehr und Güterverkehr trägt der Bund die liegt woanders. Seit der Finanzkrise muss das Unternehmen die für Einnahmeausfälle mit; das Loch im Fernverkehr und bei den Immobi- alle Grossbanken geltenden Too-big-to-fail-Vorgaben der Finma ein- lien müssen die SBB selber stopfen. Die Sozialpartner kamen überein, halten, ohne aber im Bereich der Kreditvergabe einen vergleichbaren lediglich 0,3 Prozent der Lohnsumme für Lohnmassnahmen bereitzu- Spielraum zu besitzen. Mit der Aufhebung des Hypothekarkreditver- stellen statt 0,9 Prozent. Einmalige Leistungen für sehr gute Personal- bots und mit einer Kapitalgarantie analog jener der Kantonalbanken beurteilung werden für 2020 nicht ausbezahlt, hingegen soll es 2021 ei- wäre Postfinance mehr geholfen als mit dem Hauruckprogramm des ne ausserordentliche Einmalprämie geben. | sev (Foto: toxawww/iStock) Bundesrats, das Profit in private Taschen leitet. | sgb/slt Endlich: Lohnersatz für Tieflöhne aufgestockt Neuqualifizierung durch MEM-Passerelle 4.0 Der SGB begrüsst die Aufstockung des Lohnersatzes für Geringver- In der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie gibt es einen grossen dienende in Kurzarbeit. Im Covid-19-Gesetz werden jetzt Löhne bis Bedarf an Um- und Neuqualifizierung für erwachsene Beschäftigte, 3470 Franken garantiert; Löhne bis 4340 Franken erhalten mehr als nicht zuletzt wegen der Digitalisierung. Mit der Gründung der MEM- die geltenden 80 Prozent Kurzarbeitsentschädigung. Richtig so: Leute Passerelle 4.0 wollen die Sozialpartner gemeinsam neue Angebote mit kleinen Löhnen sind von der Pandemie speziell betroffen. | sgb 4 Februar 2021
Eidgenössische Volksabstimmung | VPOD Nein zur Privatisierung der elektronischen Identitätskarte Der Bankschalter ist kein Passbüro Es braucht eine elektronische ID, aber nicht so eine. Abgesehen von den Datenrisiken: Die Privatisierung hoheitlicher Handlungen ist demokratiepolitisch inakzeptabel. | Text: Reto Wyss, SGB (Foto: thamerpic/iStock) Im Internet werden heute Einkäufe getätigt, gen betrifft, die gemeinhin – und zu Zahlungen abgewickelt und Behördengänge Recht – an ein offizielles Ausweisdo- gemacht. Dabei werden fortwährend sensib- kument gestellt werden. le personenspezifische Daten verarbeitet und Die Herausgabe eines Passes ist ei- gespeichert. Wo solcher Austausch in der ne hoheitliche Kernaufgabe. Nur der realen Welt geschieht, müssen wir uns aus- Staat oder eine von ihm legitimierte weisen: am Postschalter, im Zug, am Zoll, auf Behörde kann und darf sie wahrneh- Ämtern. Digital hat die Ausweispflicht heute men. Der Markt hat hier nichts zu grosse Lücken, was dazu führt, dass viele Pro- suchen. Doch genau dies sieht das zesse nicht sicher ausgestaltet sind und ande- E-ID-Gesetz vor: Gemäss diesem wä- re elektronisch gar nicht angeboten werden, ren private Firmen die Herausgeber obwohl dies technisch kein Problem wäre. der E-ID. Sie würden den «Pass» aus- stellen, ihn vermarkten und als An- Bedarf ist unbestritten sprechpartner für Bürgerinnen und Der Bedarf nach einer nutzerfreundlichen Bürger auftreten. Das Passbüro auf und vertrauenswürdigen elektronischen der Bank oder im Supermarkt? Der Identifizierung (E-ID) ist also gegeben. Eine Bund darf jedenfalls gemäss Gesetz E-ID übernimmt online die gleiche Funkti- keine E-ID anbieten. Demokratiepo- on wie ein amtlicher Ausweis beim Abholen litisch ist das nicht hinnehmbar. So eines eingeschriebenen Briefes oder beim sieht das auch eine überwältigende Abschliessen eines Mobilfunkvertrags. Sie Mehrheit der Bevölkerung: Gemäss ist das digitale Äquivalent zur Identitätskarte. einer repräsentativen Umfrage von Sehr schade ist deswegen, dass die von Bun- Demoscope wollen 87 Prozent der desrat und Parlament erarbeitete Form der Leute die E-ID vom Staat und nur E-ID ihrem Namen nicht gerecht wird: Sie ist gerade 2 Prozent von einer privaten zwar «E», aber leider nicht «ID». Zumindest Firma beziehen. Grossbank als Passbüro? Nein danke. nicht, was die hohen Vertrauensanforderun- Kartenfarbe ist egal Beworben wird die Vorlage einerseits mit ten geht. Gemäss Gesetz dürfen diese Daten der «Wahlfreiheit». Das erscheint wenig ver- von den privaten Anbietern zwar nicht kom- Nein zum Verhüllungsverbot lockend: Ob die Karte nun Mobiliar-rot oder merziell verwendet werden. Aber generell Sind ein paar wenige – meist aus Tourismus- Vaudoise-grün ist – sie muss exakt dieselben gilt: Je mehr Schnittstellen, desto höher das gründen (also derzeit gar nicht . . .) in der Schweiz Funktionen wahrnehmen können. Doch Missbrauchspotenzial – auch wenn die Ab- weilende – vollverschleierte Musliminnen eine nicht einmal zu dieser Wahlfreiheit würde sichten gut sind. Bedrohung für die Sicherheit? (Kaum.) Ist der es kommen, denn das Monopol steht hinter Bürgerinnen sind keine Konsumentinnen. geknechteten, die Verhüllung ablehnenden Frau den Kulissen längst bereit: mit der «Swiss Ein elektronischer Ausweis muss staatlich geholfen, wenn ihr die Polizei den Nikab vom Ge- Sign Group». Mit Annahme des E-ID-Geset- zur Verfügung gestellt werden; nur darauf sicht reisst? (Sie wird einfach das Haus nicht mehr zes würde dieses Konsortium – getragen von vertraut die Bevölkerung. Das bedeutet nicht, verlassen können.) Auch das Argument, dass man einer breiten Unternehmensallianz aus Ban- dass der Bund zwingend alles selbst entwi- auf «unseren Strassen» Gesicht zeigt, hat sich in ken, Versicherungen und Krankenkassen – ckeln muss (auch wenn die ETH das prob- den letzten Monaten verflüchtigt. Und überhaupt: den Markt schnell beherrschen. Konkurrenz lemlos könnte). Ein Nein am 7. März macht Kleiderregeln gehören nicht in die Verfassung – könnten ihnen am ehesten noch finanzkräf- den Weg frei für eine vertrauenswürdige, darum Nein zur Initiative für ein Verhüllungsver- tige Techgiganten aus dem Ausland machen, staatlich herausgegebene E-ID. Dass das geht, bot. – Zum Freihandelsabkommen mit Indone- also Apple, Amazon oder Google – allesamt beweist Schaffhausen: Dort ist schon seit Jah- sien haben die Gewerkschaften Stimmfreigabe nicht besonders vertrauenswürdig, wenn es ren eine durch den Kanton herausgegebene beschlossen. | vpod um den Umgang mit sensiblen Personenda- Karte erfolgreich im Einsatz. Februar 2021 5
VPOD | Berufliche Vorsorge Mitbestimmungsrecht beim Wechsel der Pensionskasse wahrnehmen – bloss wie? Partnerwechsel für Fortgeschrittene Vielleicht gibt es gute Gründe für einen Wechsel der Pensionskasse. So oder so ist der Einbezug des Personals keine nette Geste, sondern Pflicht. Das PK-Netz hat einen 5-Phasen-Plan erstellt, mit dem man sicher durch das Verfahren navigiert. | Text: Eliane Albisser, PK-Netz (Foto: tolgat/iStock) Das Schweinchen der Offerten-Bedingungen», Phase III: «Erste gehört uns: Personal-/Peko-Infoveranstaltung», Phase IV: Beim PK-Wechsel «Meinungsbildung», Phase V: «Zweite Perso- entscheidet das Personal mit! nal-/Peko-Infoveranstaltung». Egal wie das Zustimmungsverfahren aus- gestaltet wird: Um das Einverständnis des Personals nachweisen zu können, müssen Arbeitgeber den Prozess sorgfältig dokumen- tieren (etwa indem sie den Fahrplan schrift- lich festhalten, einen Kriterienkatalog mit den Bedingungen erstellen, Infoveranstaltun- gen protokollieren, die eingehenden Offerten schriftlich und nachvollziehbar mit dem ak- tuellen Anschluss vergleichen usw.). An ge- wissen Orten ist der Anschluss an die Pensi- onskasse im GAV geregelt. Wenn in solchen Fällen ein Wechsel im Raum steht, muss zwingend mit der zuständigen Gewerkschaft Die zweite Säule ist eine komplexe Materie. elementar – nicht nur wegen der rechtlichen Kontakt aufgenommen werden. Ausserdem Auch die Frage, wann ein Wechsel der Pensi- Vorschriften. Die paritätische Entscheidfin- empfiehlt das PK-Netz, im GAV festzuhalten, onskasse sinnvoll ist, lässt sich nicht pauschal dung schafft Vertrauen und damit eine solide dass ein Wechsel der Pensionskasse in jedem beantworten. Klar ist aber: Ein Wechsel muss Basis für eine breit abgestützte neue Vorsor- Fall vom Personal abgesegnet werden muss. wohlüberlegt sein, und der Entscheid dazu gelösung. Das 5-Phasen-Modell des PK-Netzes Der direkte Einbezug der Beschäftigten er- muss gemeinsam getroffen werden. Arbeitge- gewährleistet die sichere Navigation durch das höht die Legitimität des Entscheides. ber sind verpflichtet, das Einverständnis des Verfahren. Es unterscheidet Phase I: «Wech- pk-netz.ch/event/wechsel-der-vorsorgeeinrichtung-unter-der- Personals einzuholen (Art. 11 Abs. 3bis BVG). sel steht im Raum», Phase II: «Festlegung lupe-2/ «Aktive Rolle» Kürzlich hat das Bundesgericht den Gesetzes- artikel konkretisiert: Beim Wechsel der Pen- Auf die Nase gefallen sionskasse steht den Arbeitnehmenden ein Das erwähnte Bundesgerichtsurteil ist deshalb BVK bringe. Doch dann zeigte sich, dass die Kos- echtes Mitbestimmungsrecht zu. Es reicht so wichtig, weil die im Gesetz verankerte Mitwir- ten für den Wechsel falsch angegeben waren: Die- nicht, das Personal nur zu orientieren, es hat kungspflicht bisher sehr stiefmütterlich behan- se betrugen nicht 1,22 Millionen Franken, sondern eine «aktive Rolle» zu spielen. Die Arbeitneh- delt wurde. Viele Arbeitgeber setzten sich darü- rund das Doppelte! Dumm nur, dass der Berater, menden müssen deshalb frühzeitig über alle ber hinweg oder drohten gar ihren Angestellten der für die Gemeinde die Kosten des Wechsels be- relevanten Kriterien verfügen. Fehlt ihre Zu- mit Entlassung, wenn sie dem PK-Wechsel nicht rechnet hatte, gleichzeitig PK-Experte der Sam- stimmung, ist die Kündigung des Anschluss- zustimmen wollten, so geschehen im Jahr 2015 in melstiftung Profond war. In der Folge gab es ein vertrages ungültig. Die Arbeitnehmenden der Musikschule Dielsdorf. Hickhack: Der Gemeinderat erklärte den Volksent- können einen Wechsel also verweigern, wenn Es gibt aber auch Arbeitgeber, die bei einem PK- scheid wegen Grundlagenirrtums für nichtig und schlechte Konditionen auf dem Tisch liegen. Wechsel selber auf die Nase gefallen sind. So die teilte mit, nun doch bei der BVK bleiben zu wol- Dem Arbeitgeber sind dann die Hände ge- Gemeinde Erlenbach. Auf Antrag des Gemeinde- len. Der Bezirksrat Meilen entschied dann aber, bunden (vgl. BGE 9C_409/2019). rates entschied die Gemeindeversammlung im dass der Entscheid der Gemeindeversammlung Nur wenn sich das Personal eine Meinung Herbst 2016, den Anschlussvertrag bei der BVK zu – trotz massiv höherer Kosten – nicht rückgängig bilden kann, ist es imstande, einen fundier- kündigen und zur Personalvorsorge Profond zu gemacht werden dürfe. Fazit: Es liegt auch im ten Entscheid zu fällen. Aus diesem Grund ist wechseln. Begründet wurde dieser Entscheid mit Interesse des Arbeitgebers, einen allfälligen PK- die Einhaltung des Zustimmungsverfahrens Einschnitten, die der neue Vorsorgeplan 2017 der Wechsel sorgfältig anzugehen. | Jorge Serra 6 Februar 2021
Corona und kein Ende | VPOD Der VPOD begrüsst die Zielrichtung der jüngsten Massnahmen und stellt weitere Forderungen Endlich! Der Bundesrat geht mit den jüngsten Entscheiden zum Lockdown in die richtige Richtung: Eindämmung der Pandemie. Für den VPOD gibt es aber noch Nachbesserungsbedarf. Der SGB verlangt insbesondere eine bessere soziale Abfederung der Massnahmen (siehe Kasten). | Text: VPOD (Foto: Christoph Schlatter) Es ist dringend nötig, die Pandemie beitgeber etwas anderes behaupten. einzudämmen und die Fallzahlen zu Weiter fordert der VPOD seit Beginn senken, ganz besonders angesichts der Pandemie den Schutz nament- der drohenden Explosion der Infekti- lich des Gesundheitspersonals und onen durch Virus-Mutationen. Dafür ein Monitoring von dessen Gesund- braucht es starke, sofortige und lan- heitszustand. Bis heute existieren desweit einheitliche Massnahmen, keine Daten zu den Auswirkungen sagt der VPOD. Die letzten Wochen der Pandemie auf die am stärksten und Monate haben gezeigt: Es nützt betroffenen Berufsgruppen. nichts, wenn der eine Kanton die Lä- Der VPOD bekämpft weiterhin die den schliesst und die Leute dafür in Praxis einiger Kantonsärztinnen und den Nachbarkanton in den Ausverkauf Arbeitgeber, Gesundheitspersonal reisen. aus der Quarantäne oder sogar mit bestätigter Infektion zur Arbeit zu Wichtige Punkte fehlen zwingen. Dieses Vorgehen, das von Das Durcheinander von zu zahmen Spitälern, Spitex-Organisationen und Massnahmen in 26 Farbnuancen ver- Altersheimen geübt wird, erhöht le- mag die Pandemie nicht namhaft ein- diglich die Risiken und befeuert die zudämmen. Der Blick nach England Pandemie. und Irland zeigt, was uns in wenigen Das Personal in der ersten Reihe des Wochen erwartet, wenn das Trödeln Service public, das seit Monaten unter und Laborieren mit lauwarmen Mass- riesigen physischen und psychischen nahmen fortgesetzt wird. Insofern Belastungen steht, muss endlich an- begrüsst es der VPOD, dass der Bun- gemessen entschädigt werden – dies desrat deutlich stärkere Einschränkun- eine weitere dringende Forderung gen verfügt hat, auch wenn diese im Rien ne va plus: Der VPOD begrüsst des VPOD. Die Beschäftigten sind Vergleich zu anderen europäischen die neuen Massnahmen gegen Corona. müde und ausgelaugt; sie benötigen Ländern noch immer milde ausfallen. jetzt eine Perspektive: Politik und Dennoch fehlen wichtige Punkte. So Arbeitgeber müssen zeigen, dass sie müssen die Kosten für Homeoffice gewillt sind, die seit Langem bekann- vom Arbeitgeber getragen werden, ten Probleme wie den bedenklichen auch wenn der Bundesrat oder die Ar- Personalmangel endlich anzugehen. SGB: Verschärfung sozial abfedern Der SGB verlangt, dass die Massnahmen zur KMU speziell aus der Gastronomie die Krise nicht Wie vom SGB verlangt, hat der Bundesrat endlich Eindämmung der Pandemie stärker abgefedert überleben. (wieder) Massnahmen zum Schutz der gefährde- werden. Begrüssenswert ist der lang geforderte Mit der Teilschliessung ist es für Arbeitslose noch ten Arbeitnehmenden getroffen. Damit werden erleichterte Zugang zu den Härtefalllösungen. schwieriger geworden, wieder eine Stelle zu fin- diese spezifisch geschützt, ohne diskriminiert zu Damit gelten Unternehmen in Branchen, deren den. Es drohen mehr Aussteuerungen. Das trifft werden. Dazu soll wie im Frühjahr eine Kaskade Tätigkeit direkt untersagt wird, per se als Härte- besonders ältere Arbeitslose; in dieser Gruppe hat von Massnahmen dienen, an deren Ende – wenn fall. Es bleibe aber fraglich, ob das Mittel des Här- die Arbeitslosigkeit weiter zugenommen. Deshalb keine andere Lösung passt – die Dispensation per tefallfonds wirklich schnell genug wirke, schreibt braucht es dringend eine Verlängerung der An- Attest und der Lohnersatz durch die EO stehen. der SGB. Entscheidend: das Tempo in den Kanto- zahl Taggelder sowie der Rahmenfristen in der Zusätzlich müssen Risikopersonen aber explizit nen. Wenn es dort zu langsam geht, werden viele Arbeitslosenversicherung. vor Kündigung geschützt werden. | sgb Februar 2021 7
VPOD | Corona und kein Ende Corona beschäftigt die VPOD-Branchen weiterhin und weiterhin in unterschiedlichster Weise Das Personal muss gesund bleiben Bald ein Jahr Corona! Immer neue Themen erfordern vom VPOD Positionierung oder Kampf; es geht um Gesundheitsschutz, Lohn, Finanzierung – und um Perspektiven für «danach». Hier der Stand der Dinge in ausgewählten Branchen, die auf sehr verschiedene Weise betroffen sind. Gesundheit: Bekenntnis zur Langzeitpflege und zur Impfung der Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren le Verbesserungen. Handlungsbedarf besteht bei und verlangt, dass der Gesundheitsschutz für der unzureichenden Finanzierung und bei den das Personal höchste Priorität erhält. Denn oh- teilweise prekären Arbeitsbedingungen. Gerade ne ausreichend gesundes Personal läuft in der die Langzeitpflege ist besonders dramatisch von Langzeitpflege gar nichts. Personalmangel betroffen. Ohne baldige Ver- Unter anderem müssen Klientinnen, Bewohner besserung der Arbeitsbedingungen, der Löhne und Mitarbeitende einen prioritären Zugang zu sowie der Karrierechancen wird sich der Pflege- Corona-Tests erhalten. Auf keinen Fall darf positiv notstand weiter verschärfen und grosse volks- getestetes oder in Quarantäne befindliches Per- wirtschaftliche und gesellschaftliche Schäden sonal zur Arbeit aufgeboten werden. Weitere For- verursachen. Der VPOD empfiehlt allen Ange- derungen betreffen die Personalressourcen: Die stellten in der Langzeitpflege, sich in den Betrie- Mitarbeitenden sollen geschont werden, indem ben zusammenzuschliessen und gemeinsam die bei Engpässen systematisch zusätzliches Personal Durchsetzung der Grundsätze einzufordern. eingestellt und das Pflegepersonal von fachfrem- Noch grösser ist der Kreis der Organisationen, der Arbeit entlastet wird. Nur im absoluten Not- die sich auf ein Positionspapier zu den Impfun- fall sollen Studierende und FaGe-Lernende der gen geeinigt haben: Neben den oben Genannten letzten Ausbildungsphase zum Einsatz kommen. bekunden auch H+ Spitäler Schweiz, AvenirSo- Oft gerät in den Hintergrund, dass Corona nicht Eine gewisse Entlastung verspricht man sich von cial und die Unia ihr Vertrauen in das Schweizer nur in den Intensivstationen wütet, sondern be- der Reaktivierung von Pensionierten, von Wie- Zulassungsverfahren und in die zugelassenen sonders auch die Langzeitpflege betrifft. Kurz dereinsteigerinnen und von der Aufstockung von Impfstoffe. Diese dienen dem Selbstschutz und vor Weihnachten haben sich die wichtigsten Ar- Teilzeitpensen; diese zusätzlichen Kräfte müssen sollten dem Personal zur Verfügung stehen, wo- beitgeberverbände der Langzeitpflege (Curaviva, aber zu gleichen Bedingungen angestellt sein wie bei die individuellen Entscheide pro oder contra Spitex Schweiz, Senesuisse und ASPS) mit Be- die angestammten. Den Beizug von Armee-, Zi- Impfung zu respektieren sind. rufsverbänden und Gewerkschaften (VPOD, SBK vilschutz- und Zivildienstangehörigen sehen die Von einer Anordnung von Covid-19-Impfungen und Syna) über wichtige Grundsätze im Umgang Organisationen ebenfalls als Möglichkeit. raten die Verbände ab. Die Impfung soll wäh- mit dem Personal verständigt. Ihr Appell richtet Des Weiteren fordern sowohl Arbeitnehmenden- rend der Arbeitszeit stattfinden. | vpod (Foto: sich ans BAG und die Schweizerische Konferenz als auch Arbeitgeberseite langfristige strukturel- covop58/iStock) Nahverkehr: Das Frieren hat ein Ende Zumindest bei den Zürcher Verkehrsbetrieben VBZ hat das Frieren in der Pause ein Ende. Mit der voll- ständigen Schliessung der Gastronomie entfiel für die Stadtzürcher Chauffeurinnen und Wagenführer ja die Möglichkeit, sich bei den 40- bis 60-minü- tigen Pausen in einem Restaurant aufzuwärmen. Das betraf jene Pausen, die nicht in einem der Depots stattfinden, sondern an den Bahnhöfen Enge und Altstetten und bei der ETH. Inzwischen haben die VBZ reagiert und an den neuralgischen Punkten geheizte Räume in ehemaligen Restau- rants oder Containern angemietet. Der VPOD ist erleichtert; er hätte sonst zur Selbsthilfe gegriffen. | vpod (Foto: Rafael_Wiedenmeier/iStock) 8 Februar 2021
Corona und kein Ende | VPOD Bildung: Schliessung der obligatorischen Schule als allerletztes Mittel Die Fallzahlen müssen massiv sinken, daran be- um lernen. Sollte eine Umstellung steht kein Zweifel. Trotzdem sieht der VPOD die auf Fernunterricht aus Pande- Schliessung der obligatorischen Schulen, insbe- miegründen unumgänglich sein, sondere auf den unteren Stufen, nur als aller- müssen die Schulen trotzdem of- letztes Mittel der Pandemiebekämpfung und als fen bleiben für jene Kinder, die zu- Bestandteil eines vorübergehenden kompletten hause nicht die nötige Ausstattung Lockdowns an. Die Schulschliessungen im vergan- haben oder in schwierigen Verhält- genen Frühjahr hatten einen sehr hohen Preis. Ein nissen leben. Es braucht entspre- Teil der Schülerinnen und Schüler konnte die ent- chende Betreuungsstrukturen in standenen Defizite bis heute nicht aufholen, und den Schulen. die psychischen und sozialen Folgen der mehr- Der VPOD stellt fest, dass die Lehr- wöchigen Isolation sind bis heute gross. Psychi- personen seit Schuljahresbeginn atrische Ambulanzen und Kliniken berichten über auch mit dem Präsenzunterricht einen massiven Anstieg von jugendlichen Patien- einer enormen Belastung ausge- tinnen und Patienten. Deutlich wurde inzwischen setzt sind. Immer wieder sind Schülerinnen und ist daher nicht erstaunlich, dass viele Lehrperso- auch, dass trotz hohem Einsatz der Lehrpersonen Schüler in Quarantäne und müssen parallel zum nen über Erschöpfungszustände berichten und die Lernzeit der Kinder während der Schulschlies- Normalunterricht auf dem Laufenden gehalten am Rande ihrer Kräfte sind. Nötig ist die klare sung stark gesunken ist. Befürchtet werden le- werden. Einige haben noch Defizite aus dem ver- Anerkennung dieser ausserordentlichen Leistung, benslängliche Folgen für die Betroffenen. gangenen Schuljahr, dazu kommen die Sorge um nötig ist aber auch konkrete Entlastung. Daher sollte – ehe man die obligatorische Schule die eigene Gesundheit, fehlende Stellvertretungen Technische (Luftfilter, CO2-Messgeräte) und me- schliesst – das Konzept von Vertiefungswochen bei Krankheit oder Quarantäne der Lehrpersonen, dizinische Massnahmen (Schnelltests und priori- vor oder nach den Frühjahrsferien umgesetzt die wöchentlich mögliche Änderung der Massnah- tärer Zugang zu Impfungen) sollen weitere Ent- werden, bei denen die Schülerinnen und Schüler men sowie die Angst und der Druck von Eltern in spannung bringen, hofft der VPOD. | vpod (Foto: eine oder zwei Wochen zuhause im Selbststudi- Bezug auf die Bildungsaussichten ihrer Kinder. Es macroart/photocase.de) Luftverkehr: «Krisen-GAV» in Zürich – bald auch in Genf? hereinkommen. Die Ge- wieder Gewinne schreibt. Der «Krisen-GAV» tritt werkschaften setzen auf während des laufenden Jahres gestaffelt in Kraft eine Verhandlungslösung und umfasst rund 1500 Beschäftigte am Zürcher unter Führung der kanto- Flughafen. Neben dem VPOD sind auf Arbeitneh- nalen Schlichtungsstelle merseite der KV und SEV-Gata am Abschluss be- CRCT: Diese schlägt vor, teiligt, der zugleich einen neuen Sozialplan und ein temporäres «Krisenab- sozialverträgliche Veränderungen bei der Pensi- kommen» abzuschliessen onskasse bringt. und gleichzeitig die Ver- Mit Blick auf die Zeit nach Corona hat der VPOD handlungen über die Er- Luftverkehr ein Positionspapier erarbeitet, das neuerung des GAV wieder auch die SP unterstützen soll. Demnach soll die aufzunehmen. Massenfliegerei «ohne Rücksicht auf Mensch und Eine ähnliche Vereinba- Umwelt» der Vergangenheit angehören. Wenn an rung wurde am Flughafen den Flughäfen soziale Standards verbindlich sind, Zürich unterzeichnet: Mit etwa mit einer GAV-Pflicht, und wenn die exter- Den Swissport-Beschäftigten am Genfer Flug- Zustimmung zum «Krisen-GAV» zeigen sich die nen Kosten des Luftverkehrs internalisiert wer- hafen drohen eine Erhöhung der Arbeitszeiten Mitarbeitenden von Swissport Zürich bereit, sich den, werden die Tickets teurer. Wenn daher dann und massive Lohnkürzungen (bis 1200 Franken an der Bewältigung der Krise zu beteiligen – weniger geflogen wird, nützt das dem Klima. Es im Monat). Den GAV und den Sozialplan hat das durch temporären Verzicht auf Ferien und Lohn dürfe aber nicht sein, dass am Ende die Beschäf- Unternehmen gekündigt. Jetzt setzt es den Mit- sowie durch erhöhte flexible Einsatzbereitschaft. tigten die Zeche zahlen müssen. Das Papier for- arbeiterinnen und Mitarbeitern das Messer auf Durchschnittlich werden die Beschäftigten wäh- dert einen Beitritt der Schweiz zur «Social Agenda die Brust: Wer bis 28. Januar (nach Drucklegung rend der Krise auf etwa 150 Franken pro Monat in Aviation», der sich bereits Belgien, Dänemark, dieses Magazins) nicht zustimme, werde entlas- verzichten. Damit sollen Arbeitsplätze und das Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande sen. Diese Demontage trifft eine Berufsgrup- Überleben des Flughafendienstleisters gesi- und Portugal angeschlossen haben. Für die Be- pe, die schon bisher für sehr harte Arbeit sehr chert werden. Für die Mitarbeitenden ist klar, wältigung der aktuellen Krise verlangt das Papier schlecht bezahlt wurde. Mit 3873 Franken brutto dass ihr Entgegenkommen sie umso stärker am unter anderem, dass gesundheitlich bedingte Ein- kann man in Genf nicht leben. Erst recht nicht, Unternehmensgewinn beteiligen wird, sobald und Ausreisebestimmungen international harmo- wenn wegen Kurzarbeit nur 80 Prozent davon Swissport Zürich die Krise überstanden hat und nisiert werden. | vpod (Foto: Eric Roset) Februar 2021 9
VPOD | Corona und kein Ende Eine Umfrage im Sozialbereich zeigt die anhaltend schwere Belastung und das hohe Engagement des Personals Ungebrochene Motivation Die Belastung in sozialen Einrichtungen ist enorm. Die VPOD-Umfrage zur zweiten Corona-Welle zeigt, dass vorbestehender Personalmangel vielerorts noch verschärft wurde. Dennoch sind die Beschäftigten des Sozialbereichs mit Engagement bei der Sache. | Text: Christoph Schlatter der Umfrage war das konsequente Testen von Die Maskenpflicht in Innenräumen wird Die Distanz von 1,5 Metern kann bei Personal und Klientinnen bzw. Bewohnern umgesetzt und eingehalten meiner Arbeit eingehalten werden. noch die Ausnahme. Lediglich 15 Prozent ga- ben an, dass es in ihrem Betrieb regelmässige Tests gibt. (Zur Impfung wurden keine Fra- gen gestellt, weil eine solche beim Start der Umfrage noch nicht verfügbar war.) Personalmangel und die Folgen Die Frage «Gibt es in deinem Betrieb Perso- nalmangel?» haben 44 Prozent mit Ja beant- wortet. Unter diesen sagt eine überwiegende Mehrheit (62 Prozent), dass dieser Mangel bereits vor Corona bestanden hat, aber durch Ja Weitgehend Ja Weitgehend die Pandemie verschärft wurde. Nur 19 Pro- Teilweise Nein Teilweise Nein zent geben an, dass ausschliesslich Covid-19 – also damit zusammenhängende Ausfälle Die Corona-Pandemie betrifft den Sozialbe- gen zeigt sich, dass der Abstand von andert- etwa wegen Krankheit oder Quarantäne – reich anhaltend stark, vor allem Einrichtun- halb Metern an vielen Orten nicht eingehalten den Mangel bewirkt haben. 18 Prozent sehen gen, in denen die Klientinnen und Klienten wird (oder nicht eingehalten werden kann). 49 diesbezüglich keine Veränderung zu vorher: wohnen oder tagsüber verweilen. Dies geht Prozent sagen, die Distanz werde wenigstens Es hatte und hat zu wenig Leute. Als ein mas- aus einer Umfrage hervor, an der sich 658 weitgehend eingehalten, 28 Prozent sagen: sives Problem erscheint in der Umfrage der Personen aus der Deutschschweiz beteiligt teilweise, 23 Prozent verneinen überhaupt. Umgang mit Zeitkonti. Die einen kämpfen haben, schwergewichtig aus den Bereichen Trotzdem kann konstatiert werden: Auf Sei- mit Überstunden, die sie nicht oder nicht «Kinderbetreuung» und «Wohnheime für ten der Arbeitgeber ist seit dem Frühling 2020 in der geforderten Frist abbauen können, je- Menschen mit Unterstützungsbedarf». (Eine viel Arbeit geleistet worden. So hat sich die La- mand hat «120 Überstunden in 6 Monaten» praktisch deckungsgleiche Erhebung hat der ge bezüglich Schutzmaterial, das in der ersten VPOD zeitlich versetzt auch in der Romandie Welle gerade im Sozialbereich überall Man- Gibt es in deinem Betrieb regelmässige gemacht; die Auswertung dieser Daten steht gelware war, entspannt. Auch bestehen prak- Covid-19-Tests? noch aus.) Das Charakteristikum der Branche tisch flächendeckend Schutzkonzepte, und ein spiegelt sich im Ergebnis überdeutlich: Prak- überwiegender Teil der Antwortenden gibt an, tisch niemand kann ins Homeoffice auswei- die betriebsinterne Ansprechperson für deren chen; 80 Prozent der Antwortenden arbeiten Durchsetzung zu kennen. durchwegs im Betrieb, nur 18 Prozent haben Noch immer aber gibt es Hausaufgaben für einzelne Tage, an denen sie von zuhause aus die Arbeitgeber; zumindest war das in der tätig sein können; 2 Prozent (mutmasslich in Zeit um Weihnachten so, die von der Umfra- beratenden Berufen Tätige) machen durch- ge abgebildet wird. Namentlich punkto Infor- wegs Homeoffice. mation und Schulung des Personals besteht Luft nach oben. Klare Stellvertreterregelun- Luft nach oben gen bei Ausfällen in ihrem Betrieb sind nur Erhoben wurde unter anderem, wie gut die bei 43 Prozent der Antwortenden bekannt, Ja, für Klientinnen und Klienten Schutzvorschriften in den Betrieben aus Sicht von einem Notfallplan bei massenhaften Ab- Ja, für das Personal der Mitarbeitenden umgesetzt sind. Die Mas- senzen wissen 29 Prozent. Und unter jenen, Ja, für Personen aus beiden Gruppen kenpflicht in Innenräumen wird der Umfrage die direkt mit Covid-19-Infizierten zu tun ha- Nein zufolge gemäss 93 Prozent der Antwortenden ben, wurden lediglich 41 Prozent spezifisch Weiss nicht umgesetzt oder weitgehend umgesetzt. Hinge- dafür geschult. Mindestens zum Zeitpunkt 10 Februar 2021
Corona und kein Ende | VPOD gemacht, jemand anderes «in einem Monat Ferienguthaben aus dem Vorjahr einfach im 50 Plusstunden». Andere sind unverschuldet Lockdown untergingen, ist nicht in Ordnung. Gründe für den Personalmangel ins Minus gefallen, weil Betriebsteile zeitwei- Trotz all dieser Schwierigkeiten: Das Perso- se geschlossen waren. An gewissen Orten gibt nal im Sozialbereich ist erstaunlich robust es beides parallel: «Niemand hat den Durch- und vor allem: ungebrochen motiviert. Die blick. Alle sind im Plus oder im Minus und Aussage «Übers Ganze gesehen bin ich mit wissen nicht, wie auf null kommen.» meiner Arbeitssituation zufrieden» wurde von 20 Prozent «vollkommen», von 54 Pro- Paradoxe Beurteilung? zent «eher» bejaht. Nur ein gutes Viertel ist Besonders schwierig gestalten sich die Ver- (eher) unzufrieden. Vergleicht man dieses hältnisse dort, wo der Aufbau von Überstun- Ergebnis mit der 2019 – vor Corona – im ge- den «normal» ist, weil man damit verlängerte samten Verband durchgeführten Umfrage, Ferien oder Studienabwesenheiten «voraus- wo die wörtlich gleiche Frage gestellt wurde, bezahlt». Solche Systeme sind angesichts von zeigt sich: Die Zufriedenheit unter den Be- Covid-19 (Dauernd Mitarbeitende in Isolation oder Quarantäne) Corona total aus der Balance geraten. Über- schäftigten des Sozialbereichs ist sogar leicht Der Mangel bestand schon vorher haupt muss das Thema Jahresarbeitszeit gewachsen. Paradox? Nicht unbedingt! Es Beides (Personalmangel hat sich verschärft) nochmals neu angeschaut werden: Einige gibt dazu zwei Erklärungsversuche: Zum ei- Anderes Arbeitgeber haben das Modell benützt, um nen erweist sich die Arbeit im Sozialbereich die extremen Schwankungen einer Jahrhun- im Gegensatz zu jener in anderen Branchen dertkrise telquel auf die Arbeitnehmenden – Gastronomie oder Kultur zum Beispiel – als Situation als speziell erfüllend empfunden abzuwälzen. Das kann nicht im Sinne der relativ krisensicher. Zum anderen ist nach- werden kann, Menschen zu unterstützen, die Erfinderin sein. Auch dass nicht bezogene vollziehbar, dass es gerade in der aktuellen Unterstützung benötigen. Notfalls privater Verzicht Im Zweifel stellen die Beschäftigten des Sozialbereichs ihre eigenen Bedürfnisse zugunsten der Menschen zurück, die ihnen anvertraut sind. Wie schwierig die Umsetzung der Corona-Massnahmen im Sozialbereich ist, illustriert die Umfrage ebenfalls deutlich. | Text: Christoph Schlatter (Foto: David-W-/photocase.de) Die freien Textfelder der VPOD-Erhebung 2020/21 men sollte, aber das ist oft nicht umsetzbar.» Auch oder das gemeinsame Richten und Essen des gestatten einen nahen Einblick in die Schwierig- im Behindertenbereich ist die Distanz teilweise Zvieris. «Der normale Alltag ist nicht mehr der- keiten, mit denen die Kolleginnen und Kollegen schwierig: «Die Klienten halten sich aufgrund selbe ohne die Rituale», klagt jemand. Zudem im Sozialbereich seit bald einem Jahr zu kämpfen ihrer kognitiven Fähigkeiten nicht dran bzw. ver- leiden auch die Kontakte mit Angehörigen, sei es haben. Die Maske etwa ist ein Hindernis für das stehen nicht, warum es wichtig ist, Abstand zu das kurze Gespräch zwischen Tür und Angel mit Verständnis, für den Aufbau von Beziehungen, halten.» Jedenfalls sorgen die Einschränkungen Eltern, die ihre Kita-Kids holen oder bringen, sei für pädagogische Interventionen. «Nach meinem oft für Missverständnisse und Gereiztheit, für es im Behinderten- oder Betagtenbereich wegen Empfinden nehmen die Kinder mich nicht mehr «Unsicherheit, Rückzug, Unverständnis, Angst, zeitweiser Besuchsverbote. so sehr ernst; sie finden, wir sehen lustig aus mit Ärger, Frustration». Dennoch spricht aus vielen Voten auch ein ge- der Maske», schreibt jemand. Jemand anderes: «Nicht zu singen, ist total schwer!», tönt es aus wisser Pragmatismus: «Wir konnten in den ver- «Vielen fremdsprachigen Kindern bereitet das der Kita. Dort und in der Arbeit mit Menschen mit gangenen Monaten die Hygiene-, Distanz- und verminderte Verständnis grosse Mühe.» Infolge Beeinträchtigung spielen Routinen eine wichtige Maskenpflicht mit allen zu Betreuenden sehr gut Maske erschwerte Kommunikation wird auch für Rolle, sei es das morgendliche Begrüssungslied einüben.» «Unterdessen haben sich alle daran ge- andere Konstellationen festgehalten, etwa wenn wöhnt.» «Es geht besser als gedacht.» «Da gehen Hörbehinderte beteiligt sind, aber auch dort, wo wir gemeinsam durch, ohne zu jammern.» – Die «die meisten Menschen, die zu mir in Beratung vielleicht eindrücklichste Erkenntnis aus der Er- kommen, Deutsch nicht als Muttersprache haben». hebung ist, dass zahlreiche Kolleginnen und Kol- Die Wahrung von anderthalb Metern Abstand ist legen bewusst ihr privates Leben noch über die oft nicht machbar. Die Beschäftigten haben un- behördlichen Vorschriften hinaus reduzieren, um terschiedliche und differenzierte Strategien ent- die ihnen anvertrauten Menschen nicht in Gefahr wickelt, damit umzugehen: «Ausser beim Trösten zu bringen. Ein Beispiel: «Ich habe mich komplett wird geschaut, dass die Kinder auch Abstand eingeschränkt, sehe schon seit Monaten wieder zu uns haben», heisst es. Oder: «Ich arbeite mit keine Freund*innen mehr, oder wenn, dann nur Kindern mit einer Behinderung. Diese kommen draussen für einen Spaziergang mit Abstand oder trotzdem nahe und brauchen diese Nähe.» Oder: via Video-Calls.» Ein anderes Votum: «Ich verzich- «Ich weiss, dass ich Kinder nicht in den Arm neh- te total auf meinen ‹eigenen› Freundeskreis.» Februar 2021 11
VPOD | Aus den Regionen und Sektionen Umkleiden ist Arbeitszeit – in Solothurn . . . . . . und in der Stadt Zürich. Aber wie? duziert sich je nach Anstellungsgrad. Das entspricht 2 Minuten am Anfang und 2 Minuten am Ende des Diensts. Eine Intensivpflege- fachperson kommt damit unmöglich hin; zudem sind die Gebäu- de teilweise weitläufig. Der VPOD findet diese Abgeltung realitäts- fremd, knauserig und ein fatales Signal im Angesicht der Pandemie. Er wird sich gegen diese mickrige Pauschale entschieden wehren. | (Foto: Keystone/Ennio Leanza) Umkleidezeit auch in Solothurn gefordert Auch die Angestellten der Solothurner Spitäler SOH fordern eine angemessene Entschädigung der Zeit, die sie für das obligatorische Umziehen vor Dienstantritt im Spital benötigen. Ihre Forderung: eine Zeitgutschrift von 10 Minuten pro Dienst oder 4 zusätzliche freie Tage pro Jahr. Der SOH-Geschäftsleitung wurden 916 Postkarten mit der Forderung übergeben. Diese grosse Zahl zeigt, dass die Geschäftslei- tung nun eine Lösung präsentieren muss, welche von den Mitarbei- tenden akzeptiert wird. Der VPOD erwartet nun, dass die Spitaldirek- tion die Anliegen endlich ernst nimmt und einen Vorschlag bringt, der vom Personal akzeptiert wird. | vpod (Foto: vpod) Zürich: Keine Billigmusik Musiklehrpersonen arbeiten zu viel. Das hat eine vom MuV.vpod in Basel: Flexiblere Kinderbetreuung Auftrag gegebene Arbeitszeitstudie der GFS Zürich aufgedeckt. Zwar Die VPOD-Gruppe am Universitätsspital Basel hat für ihre Petition hat die Musikbildung in der Bevölkerung starken Rückhalt – im Be- «Flexible Kinderbetreuung zur Entlastung des Gesundheitspersonals» rufsalltag der Musiklehrerinnen und Musiklehrer schlägt sich das aber in nur zwei Monaten 750 Unterschriften gesammelt. Jetzt liegen die nicht nieder. Gemäss Erhebung arbeiten Musiklehrpersonen im Kan- Forderungen beim Regierungsrat der beiden Halbkantone. Sie neh- ton Zürich bei einer 100-Prozent-Anstellung im Schnitt jedes Jahr 128 men ein Problem auf, das sich in der Pandemie noch verschärft hat: Stunden bzw. 3 Wochen zu viel. Die Löhne decken nur einen Bruch- Im Gesundheitswesen arbeiten viele Eltern und Alleinerziehende teil der Kosten für Infrastruktur, Instrumente, Weiterbildung, Material in Teilzeit. Selbst wenn sie es wollten, können sie ihr Pensum nur und Üben; sie sind flexibel und schwanken mit den Anmeldezahlen; schwer ausbauen, weil keine Betreuung für die Kinder zur Verfügung oft müssen Kleinstpensen an mehreren Schulen kombiniert werden. steht; das Angebot ist nicht auf die Bedürfnisse von Schichtarbeiten- Das führt zu grossem Reiseaufwand, der nicht abgerechnet werden den ausgerichtet. Diesem Missstand soll jetzt abgeholfen werden. Da- kann. Mit der Umsetzung der Musikschulinitiative hat die Bildungsdi- mit die Umsetzung den Lebensrealitäten der Betroffenen entspricht, rektion jetzt die Gelegenheit, die Bedingungen für die Musiklehrkräfte braucht es eine Delegation der Basis im Umsetzungsgremium. | vpod zu verbessern und zu harmonisieren. Der MuV.vpod fordert unter an- derem fixe Pensen und eine einheitliche Pensionskasse. | vpod Bund: Handlungsbedarf ganz oben Die alle 3 Jahre durchgeführte umfassende Personalbefragung beim Umkleidezeit: Stadt Zürich knausert Bund hat gezeigt, dass die Angestellten mit Eifer und Engagement bei Den Grundsatz hat die Stadt Zürich anerkannt: Umkleidezeit ist Ar- der Sache sind – nur die oberste Führung lässt zu wünschen übrig. beitszeit. Auf Druck des VPOD muss sie die bisherige Praxis aufge- Dass es dem Bundespersonal ernst ist, zeigt die hohe Rücklaufquote ben, wonach sich etwa die Angestellten der beiden Stadtspitäler und von 72 Prozent. Auch die Werte für Commitment, Identifikation und der Pflegezentren vor der Arbeit umziehen müssen, während in ande- Einsatz sind überdurchschnittlich. Der grösste Schwachpunkt ist wie ren Bereichen die Uhr bereits vorher zu laufen beginnt. Im Sommer bei früheren Umfragen die oberste Leitung: Dringliche Probleme wer- beschloss der Stadtrat, die konkrete Ausgestaltung den Dienstabtei- den zu oft nicht angegangen, abteilungsübergreifende Zusammenar- lungen zu überlassen. Jetzt wird den Beschäftigten im Triemli- und beit wird zu wenig gefördert. Der VPOD wird diese Ergebnisse mit im Waidspital und jenen der Pflege- und Alterszentren verkündigt: Bundesrat Maurer und dem Eidgenössischen Personalamt ergebnis- Es gibt eine Pauschale von 60 Franken pro Monat; der Betrag re- orientiert diskutieren. | vpod 12 Februar 2021
Dossier: 50 Jahre Frauenstimmrecht Interview mit der Historikerin Fabienne Amlinger, die zum Frauenstimmrecht forscht «Demokratie ist nie ‹fertig›» Die Historikerin Fabienne Amlinger forscht zum Frauenstimmrecht in der Schweiz. Warum kam es so spät? Und warum kam es dann doch? Das VPOD-Magazin sprach mit ihr ausserdem über die erste Generation Politikerinnen und über den Gender Gap an der Urne. | Interview: Christoph Schlatter (Foto: Universität Bern [Vera Knöpfel]) VPOD-Magazin: Obwohl du das sicher schon oft erzählt hast, musst «Die Schweizerinnen du auch mir die unvermeidliche Frage mussten ihr Stimmrecht beantworten: Wie kommt es, dass in der Schweiz das Frauenstimmrecht auf allen drei Staatsebenen soooo spät erst eingeführt wurde? erkämpfen.» Fabienne Amlinger: Du hast recht, im Zu- sammenhang mit dem Jahrestag muss ich das derzeit ständig erklären. Die Kurzfas- für mündig erklärt. Hat die Schweiz sung: Eine – aber nicht die einzige – Ursa- diese beiden Züge verpasst, weil sie in che ist das politische System der Schweiz, die die Kriege nicht direkt involviert war? Tatsache, dass das Frauenstimmrecht von Im Unterschied zu anderen Ländern kamen den Männern an der Urne «gewährt» wer- fast alle Schweizer Wehrmänner nach dem den musste. Allerdings waren auch die poli- Krieg wieder heim. Schneller als anderswo tischen Eliten lange Zeit wenig interessiert. drängten sie damit auch die weibliche Er- 1959, bei der ersten nationalen Abstimmung, werbsbeteiligung zurück, die im Krieg auf- gab es zwar im Parlament eine befürworten- grund der abwesenden Männer angestiegen de Mehrheit – aber wohl nur deshalb, weil die war. Auch hat das Frauenstimmrecht natür- meisten National- und Ständeräte von einem lich eine Rolle gespielt in jenen Ländern, sicheren Volks-Nein ausgingen, das dann die nach verlorenen Kriegen eine Demokra- prompt auch eintrat. Der Föderalismus trug tie (wieder) installieren mussten und die im das seine zur Verzögerung bei; die Schwei- Frauenstimmrecht auch ein Mittel sahen, sich zerinnen mussten sich ihr Stimmrecht ja auf als moderne, geläuterte Staaten darzustellen. Fabienne Amlinger. allen drei Staatsebenen erkämpfen. Das gilt für Italien nach dem Faschismus, Dass es 1971 auf der nationalen Ebene klappte, für Deutschland und Österreich 1918, gen wie des Frauenstimmrechts gar nicht könnte aber auch mit einer geänderten Taktik wo morsche Monarchien abgelöst bedürfe. der Frauen zu tun haben. Zuvor waren sie als wurden. Während die Schweiz . . . In der Dynamik, die den Umschwung Bittstellerinnen aufgetreten; im Rahmen des . . . während die Schweiz diese historische brachte, nimmt die Diskussion über die Aufbruchs von 1968 griffen sie zunehmend Notwendigkeit nicht empfand, weil «man» ja Europäische Menschenrechtskonvention zu konfrontativen Formen des Protests. schon «immer» eine Demokratie gewesen ist. eine zentrale Rolle ein. Oder? Die meisten Historikerinnen und Historiker Bekanntlich fand die ganze Kultur des Repu- Auf jeden Fall. Diese Debatte war ein Kataly- anerkennen diesen Zusammenhang, den ich blikanismus seit der französischen Revoluti- sator. Der Druck auf die Schweiz stieg in den ebenfalls für wichtig erachte. Es gab in bür- on trotz Gleichheitspostulat ohne die Frauen 1960er Jahren laufend an. Bundesräte klag- gerlichen Kreisen eine grosse Angst vor Extre- statt. In der Schweiz resultierte aus der Ver- ten, man müsse sich im Ausland ja langsam mismus; man fürchtete, dass eine weitere Ver- knüpfung mit dem Gründungsmythos eine schämen, die Schweiz werde wegen des feh- zögerung des Frauenstimmrechts die Frauen besonders perfide Konstellation: Natürlich lenden Frauenstimmrechts zunehmend zum in die Arme radikaler Gruppierungen treiben sind auch auf dem Rütli bzw. in Schillers Tell Gespött. Und die Befürworterinnen haben re- würde. So gab man ihnen lieber die «Beruhi- lauter Männer zugange, aber die Stauffache- alisiert, dass ihnen die geplante Ratifizierung gungspille» Frauenstimmrecht. Aber natürlich rin hält Rat mit ihrem Mann und steht ihm der Europäischen Menschenrechtskonvention gehört auch zum Bild, dass zwischen den bei- bei, sie übt indirekten eine Trumpfkarte in die den Abstimmungen mehrere Kantone, zuerst politischen Einfluss aus. «Das Stimmrecht war auch Hand gibt – und dass sie, Waadt, Neuenburg und Genf, das kantonale So wurde das Bild konst- wenn sie diesen «Stich» Frauenstimmrecht eingeführt hatten. ruiert, dass die «Schwei- eine ‹Beruhigungspille›, die nicht machen, wohl auf Die meisten Länder haben die Frauen zerfrau» von jeher etwas man aus Angst vor Radi längere Zeit keine solche entweder direkt nach dem Ersten oder zu sagen habe und solch kalisierung verabreichte.» Chance mehr bekom- aber am Ende des Zweiten Weltkriegs neumodischer Erfindun- men. So wurde in den Februar 2021 13
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