2019 2020 Zeit für Mee(h)r Innovation
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Herausgeber Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie Hamburg und Rostock www.bsh.de Redaktion Dr. Jörg Beecken, Dr. Katja Broeg, Dr. Birgit Klein, Dr. Jens-Georg Fischer, Oliver Kaus, Dr. Liliane Rossbach, Dr. Stefan Schmolke, Jens Schröder-Fürstenberg, Dr. Andreas Weigelt V.i.S.d.P. Susanne Kehrhahn-Eyrich Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Satz und Druck BSH in Rostock Alle Rechte vorbehalten.
3 Vorwort Nutzung und Schutz der Meere vereinbar zu machen, ist eine Kernaufgabe des BSH als zentraler maritimer Behörde in Deutschland. Diese Vereinbarkeit war nie zuvor so wichtig wie heute. Nicht nur hat das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Dringlichkeit von mehr Schutz von Klima, Umwelt und Ozeanen in den letzten bei- den Jahren exponentiell zugenommen. Sondern es hat sich auch die Notwendig- keit, die Meere zu nutzen, kaum jemals deutlicher gezeigt. Die Aufrechterhaltung einer funktionierenden, sicheren und nachhaltigen weltweiten Handelsschiff- fahrt hat sich in Zeiten von Corona als essentiell für die Sicherstellung internatio- naler Handelsströme erwiesen. Gleich zeitig wurde auch deutlich, dass das Erreichen der Klimaziele bis 2050 nicht möglich sein wird, wenn die Meere nicht auch zur Gewinnung alternativer Ener- gien, derzeit insbesondere Wind, genutzt werden können. Anhebung des Deckels für die Gewinnung Auch wenn im März 2020 SARS-CoV-2 zu von Offshore-Windenergie, Umsetzung einem Lockdown des öffentlichen Lebens des Open-Data-Gesetzes, Ausbau der führte, kam es keineswegs zu einem Lock- Messungen von Schiffsemissionen, Inbe- down im BSH! Wir haben unsere Arbeits- triebnahme des neuen Vermessungs-, weise im Rekordtempo umgestellt: Wracksuch- und Forschungsschiffes Innerhalb von vier Wochen stellte unsere (VWFS) ATAIR, Unterwasserschall-Monito- IT-Abteilung für rund 600 Kolleginnen und ring, ein Round Table zu Biofouling und Kollegen die technischen Möglichkeiten die Entdeckung des Wracks eines vor zum mobilen Arbeiten und damit zum 170 Jahre gesunkenen Schiffs – das sind Homeoffice bereit. Die Infrastruktur lief nur ein paar der neuen Themen, die uns in ebenso hervorragend wie die Wahrneh- den beiden letzten Jahren beschäftigten, mung eines Großteils der BSH-Aufgaben die vielfach abteilungsübergreifend bear- aus dem Homeoffice, mit Ausnahmen zum beitet wurden und die wir Ihnen in diesem Beispiel bei den Schiffsbesatzungen oder Bericht vorstellen möchten. den Beschäftigten im Labor. Ich hoffe, die Lektüre inspiriert Sie, sich Die Bilanz der Jahre 2019/2020 war unter weiterführende Informationen auf unserer diesen Umständen beeindruckend, zumal, Homepage anzusehen. wie Sie unserem Jahresbericht entnehmen können, vom BSH eine Reihe neuer Auf- gaben wahrgenommen wurde. Dr. Karin Kammann-Klippstein Präsidentin und Professorin
4 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Das BSH und seine Abteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Kurz zusammengefasst – die Jahre 2019 und 2020 im BSH . . . . . . . . . . . 7 Die maritime Branche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Nationale Maritime Sicherheitsübung RACOON 2020 – #gemeinsam #stark #global . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Schiffsemissionsmessungen in der Luft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Biofouling: Mobile Lebensräume für invasive Arten und Problem für den Klimaschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Eine zukünftige Botschafterin der Meere – das neue VWFS ATAIR . . . . 28 Entwicklungen im Bereich Nautische Hydrographie in den Jahren 2019/2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Projekt ImoNav – Integration von hochaufgelösten marinen Geodaten in Elektronische Navigationssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 VWFS DENEB findet archäologisch wertvolles Wrack in der Kadetrinne . . . . 36 Deutscher und britischer hydrographischer Dienst kooperieren bei Seekarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Neue Aufgaben in der Offshore-Windenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Interdisziplinär forschen am Knotenpunkt von P olitik, Wirtschaft und Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 BMVI-Expertennetzwerk – „Wissen, Können, Handeln“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 29. Meeresumwelt-Symposium widmete sich aktuellen Entwicklungen in maritimer Forschung und Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Schallmonitoring-Projekt „JOMOPANS“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Ausbau des ARGO-Programms – „ARGO 2025“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Das BSH – Maritimer Dienstleister im Dienst für Schifffahrt und Meer . 49 Pressemitteilungen 2019 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Pressemitteilungen 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Daten und Fakten 2019/2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Das BSH und seine Abteilungen 5 Das BSH und seine Abteilungen Meereskunde Dr. Bernd Brügge „Nordsee, Ostsee, Meer – Meereskunde! Wir forschen, überwachen, analysieren, bewerten, geben Antworten zum Zustand der Meeresum- welt und warnen vor Sturmfluten und bei Eisbedeckung. Dazu nutzen wir Schiffe, automatische Dauermessstationen, autonome Messsysteme, Labore, Satelliten, Ozeanmodelle und Datenbanken. Der ständige Aus- tausch und die Zusammenarbeit mit anderen Arbeitsgruppen im In- und Ausland belebt unsere Arbeit.“ Nautische Hydrographie Thomas Dehling „Die Hydrographie, also die Vermessung der Meere, die Suche nach Wracks und die Herstellung von Seekarten ist Voraussetzung für den Schutz und die (nachhaltige) Nutzung des Meeres. Unsere fünf eigenen Schiffe bilden dafür eine hochmoderne und umweltfreundliche Vermes- sungs- und Forschungsplattform.“ Ordnung des Meeres Dr. Nico Nolte „Klimaschutz und die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende auf dem Meer ist die große und herausfordernde Aufgabe der Abteilung Ordnung des Meeres. Nachhaltige Planung ist dabei der Kompass: Nutzung und Schutz des Meeres müssen in Einklang gebracht und Konflikte zwischen verschiedenen Interessen gelöst werden. Das führt häufig zu spannenden und lebhaften Diskussionen!“
6 Das BSH und seine Abteilungen Schifffahrt Jörg Kaufmann „So facettenreich wie das BSH insgesamt bietet auch die Abteilung Schifffahrt einen bunten Strauß unterschiedlichster Aufgaben, alle ver- eint über dem gemeinsamen Nenner, Schifffahrt modern, sicher und umweltfreundlich zu ermöglichen und umgesetzt von tollen und enga- gierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.“ Zentralabteilung Rainer Fröhlich Unterstützen ist unsere Aufgabe – in juristischen, haushalterischen und personellen Fragen und Anforderungen, in der strategischen Entwick- lung und durch die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der IT-Infrastruktur mit dem Herzstück unserer Arbeit, dem einzigen Rechen- zentrum einer Bundesbehörde, das mit dem Blauen Engel für Energie- effizienz ausgezeichnet wurde.
Kurz zusammengefasst – die Jahre 2019 und 2020 im BSH 7 Kurz zusammengefasst – die Jahre 2019 und 2020 im BSH 2019 und 2020 waren für das BSH spannende Jahre. Sie brachten unter anderem wesentliche In Umsetzung des Open-Data-Gesetzes Neuerungen im Bereich Offshore-Wind- stellte das BSH 2019 mehr als 350 Daten- energie. Neben der 2019 erfolgten Fort- sätze aus den Bereichen Seevermessung, schreibung des Flächenentwicklungs- Ozeanographie und Meereschemie mit plans als zentralem Planungsinstrument einem Datenvolumen von über zwei Tera- für die Nutzung der Windenergie auf See byte unter anderem über das GeoSeaPor- gab die vom BSH in Hamburg ausgerich- tal bereit. Durch Standardisierung des tete internationale Konferenz maritimer Gesamtprozesses und Automatisierung Raumplanerinnen und Raumplaner „Con- der Arbeitsabläufe legten unsere Fach- necting Seas“ den Startschuss für eine leute gleichzeitig eine Basis für den grenzüberschreitende Raumordnung in zukünftigen kontinuierlichen Veröffentli- Nord- und Ostsee. Das BSH definierte chungsprozess offener Daten, wie auch zudem den Untersuchungsrahmen für die Open-Data-Strategie des Bundesmi- die Voruntersuchung und Strategische nisteriums für Verkehr und digitale Infra- Umweltprüfung von Flächen, die der struktur (BMVI) ihn vorsieht. Flächenentwicklungsplan für die Offshore- Windenergie vorsieht. 2020 starteten die Der Ausbau des Schiffsabgasmessnetzes seit 2017 in der Zuständigkeit des BSH ging auch 2019 zügig voran. Es fanden liegenden Voruntersuchungen dieser erste Messungen mit einer mobilen Station Flächen. Im Laufe des Jahres übernahm auf einem Schiff der Bundespolizei statt. das BSH dann zusätzliche und zum Teil Auch im Rahmen dieser Messungen neue Aufgaben im Bereich der Offshore- bestätigten sich die Ergebnisse der seit Windenergie, die ihm durch Änderung des 2015 stattfindenden Messungen: 99 Pro- Gesetzes zur Entwicklung und Förderung zent der Schiffe fahren mit regelkonformen der Windenergie auf See (WindSeeGe- Treibstoff. setz), insbesondere durch die Anhebung des sogenannten Deckels auf 20 GW, Das Abkommen über die Zusammenarbeit zugewiesen wurden. Im Dezember 2020 bei der Bekämpfung der Verschmutzung erließ das BSH die erste Verordnung zur der Nordsee durch Öl (Agreement for Eignungsfeststellung von Flächen für die Cooperation in Dealing with Pollution of Gewinnung von Windenergie auf See. the North Sea by Oil – Bonn Agreement) Dr. Nico Nolte, Abteilungsleiter Ordnung der Meere, Schiffsabgasmessungen des BSH an der Elbe in Wedel diskutiert den Raumordnungsplan Nordsee
8 Kurz zusammengefasst – die Jahre 2019 und 2020 im BSH unterstützt diese Entwicklung. 2019 Beeindruckende Bilanz 2020 beschlossen seine Mitgliedstaaten anläss- lich dessen 50jährigen Bestehens eine Die Bilanz des Jahres 2020 war beeindru- Erweiterung des Geltungsbereiches. Das ckend. Bonn-Agreement wird zukünftig auch auf Schiffsabgase angewandt. Damit werden Mit hohen Erwartungen starteten die Luftemissionen gemäß Annex VI der inter- Probefahren unseres neuen Vermes- nationalen MARPOL-Konvention und der sungs-, Wracksuch- und Forschungsschif- EU-Schwefelrichtlinie im gesamten fes (VWFS) ATAIR in der Nordsee. Die Anwendungsbereich des Agreements Prüfung des Fahrverhaltens des größten erfasst. Mit der Aufnahme Spaniens wird Schiffes der BSH-Flotte und das Testen der wichtigste Schifffahrtsweg zwischen der meereskundlichen und nautisch-hyd- der Nordsee und dem Mittelmeer über rographischen Einrichtungen und Techno- den Golf von Biskaya zukünftig durch ein logien standen ebenso auf der Agenda gemeinsames, länderübergreifend koordi- der Fahrten wie der Nachweis, ob die niertes System zur Vorsorge, Überwa- geräuscharme ATAIR wirklich so leise ist chung und Schadensbekämpfung wie erwartet. Sie ist es. Der Übergang von geschützt. Der Fokus soll nun, so die der „alten“ ATAIR auf die „neue“ ATAIR ist Mitgliedsstaaten, auf die zunehmenden für die Besatzung ein Riesenschritt von Belastungen der Meeresumwelt durch einem analogen zu einem digitalen Schiff. Paraffin gerichtet werden. Die Internatio- nale Seeschifffahrtsorganisation (Interna- Zunehmend digital wird auch die Überwa- tional Maritime Organisation – IMO) berei- chung der Schiffsemissionen. In diesem tet verschärfte Einleitvorschriften vor. Das Jahr startete auf Initiative des BSH ein BSH arbeitet an Methoden, an Hand derer zukünftig die Herkunft des Paraffins nach- weisbar werden soll. BSH und Corona Im März 2020 führte dann das „Severe Acute Respiratory Syndrome Corona virus 2“ (SARS-CoV-2) zu einem Lock- down des öffentlichen Lebens. Seitdem schränkt es als Corona-Pandemie das private und dienstliche Leben erheblich ein. Zu einem Lockdown im BSH kam es trotz- dem nicht! Im März 2020 stellte das BSH seine Arbeitsweise im Rekordtempo um: Innerhalb von vier Wochen stellte unsere IT-Abteilung für rund 600 Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten bereit. Die Infrastruktur lief hervorragend und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellten sich innerhalb kürzester Zeit auf die geän- derten Umstände ein.
Kurz zusammengefasst – die Jahre 2019 und 2020 im BSH 9 internationaler Feldversuch mit diversen Bei einem weiteren unserer Projekte, verfügbaren Messtechnologien. Wissen- ImoNav-Integration von hochaufgelösten schaftlerinnen und Wissenschaftler aus marinen Geodaten in elektronische Navi- Dänemark, Schweden, den Niederlanden gationssysteme, wurden umfangreiche und Deutschland maßen an unserem Datenbestände des BSH mit Tiefendaten Standort in Wedel mit unterschiedlichen und ozeanographischen Informationen Technologien Luftemissionen von Schwe- der Schifffahrt verschnitten und in aufbe- fel-, Stickoxid- und Partikeln derselben reiteter Form digital bereitgestellt. Für eine Schiffe unter identischen Umgebungsbe- sichere Navigation ist die tatsächliche dingungen. Zum Einsatz kamen dabei Wassertiefe, also die Verknüpfung hoch- auch Drohnen, die für diese Messungen in aufgelöster Bathymetriedaten mit aktuel- die Emissionen hineinfliegen. Nun steht len Wasserständen, von besonderer die Harmonisierung und Standardisierung Bedeutung. Ziel ist ein dauerhafter innova- der Daten an. tiver Navigationsdienst für stark befahrene Seewasserstraßen wie Elbe und Weser. Da immer deutlicher wird, wie stark auch Schallemissionen die marine Fauna beein- Auf weitere wichtige Themen geht der trächtigen, kooperierten wir auch in die- Jahresbericht ebenfalls ein: so zum Bei- sem Bereich zunehmend mit Nordsee spiel auf den vom BSH initiierten Round anrainerstaaten, so zum Beispiel beim Table mit Industrie, Wissenschaft, Verwal- Aufbau eines Monitoringprogramms zum tung und Verbänden zu Biofouling, also Messen und Überwachen von Hinter- den Bewuchs an Schiffsrümpfen, der zur grundschall im Wasser. Einschleppung invasiver Arten führt, der in der zweiten Runde 2020 digital stattfand. Auch die schon lange für 2020 mit starker Pressebeteiligung geplante übergreifende Sicherheitsübung mit der Bundespolizei konnte im Oktober tatsächlich noch unter Einhaltung strenger Hygienevorschriften und mit überwiegend digitaler Beteiligung der Presse durchgeführt werden. Die Besatzung des Vermessungs-, Wracksuch- und Forschungsschiffes DENEB hat bei einer der auch 2020 ohne Unterbrechung weiter durchgeführten Vermessungs- und Wracksuchfahrten ein besonderes Wrack gefunden – den Schaufelraddampfer FRIEDRICH FRANZ II, der vor über 170 Jahren gesunken war. Und seit Oktober 2020 kooperieren wir mit dem britischen hydrographischen Dienst UKHO bei der Herstellung und dem Ver- trieb von Seekarten im A0-Format. Nun sehen wir in ein spannendes Jahr 2021, das für uns im BSH auch stark von den Arbeiten im Rahmen der UN-Dekade der Ozeanforschung für nachhaltige Ent- wicklung geprägt sein wird. Das neue Vermessungs-, Wracksuch- und Forschungsschiff ATAIR legt zur ersten Reise ab
10 Die maritime Branche Die maritime Branche Nach Schätzungen setzt die deutsche maritime Branche, in der direkt oder indi- rekt rund 40 0000 Arbeitsplätze verankert sind, jährlich rund 50 Milliarden Euro um. Damit gilt sie als einer der wichtigsten Wirtschaftszweige der Bundesrepublik Deutschland. Die maritime Branche ist breit gefächert. Eine sehr gute Position im internationalen Sie setzt sich aus Material-, Komponen- Markt nehmen die deutschen Werften im ten- und Systemanbietern zusammen – Bau von Passagierschiffen ein. Rund 97 und den Werften als „Systemintegratoren“. Prozent der Aufträge der deutschen Werf- Hinzu kommen Dienstleistungsunterneh- ten betrafen Kreuzfahrtschiffe, Yachten, men. Eine moderne, im internationalen Fähren und RoRo-Schiffe. Die restlichen Wettbewerb stark positionierte, vor allem drei Prozent betreffen den Bau von Spe- auf Hochtechnologie spezialisierte Schiff- zialschiffen, wie zum Beispiel Offshore- bau- und Schiffbauzulieferindustrie, inter- Erbauer-Schiffe, Forschungs- und Marine- national führende Reedereien und ein schiffe. großer Dienstleistungssektor bilden zusammen das maritime Cluster Deutsch- Als besonders stark gilt die deutsche lands. maritime Branche in der Herstellung klima- und umweltfreundlicher Produkte Die maritime Wirtschaft ist weitgehend und Technologien für die Schifffahrt – mittelständisch geprägt und trägt – in Green Shipping –, die Einträge in die vielen Bereichen als Technologieführerin Meeresumwelt und Emissionen reduzie- – direkt und indirekt zur deutschen Wert- ren, Energie effizienter nutzen, Betriebs- schöpfung bei. So liegt der Anteil der kosten senken und damit den wachsen- mittelständischen Industrie an den den Anforderungen an Klimaschutz und Gesamtumsätzen der maritimen Branche Luftreinhaltung gerecht werden. bei rund 16,5 Milliarden Euro. Deutsche Werften und maritime Maschinen- und Auch die maritime Zulieferindustrie ist Anlagenbauer beschäftigen rund 81 000 vorrangig mittelständisch geprägt. In der Menschen in Deutschland. deutschen Schiffbauzulieferbranche und der Offshore-Zulieferindustrie erwirtschaf- Heute liegt der Anteil des deutschen ten rund 400 Unternehmen mit rund Schiffsbaus am Weltmarkt – betrachtet 63 500 Beschäftigten einen Gesamtum- nach dem Wert der Auftragseingänge – satz von rund 11 Milliarden Euro. Bayern bei rund 20 Prozent. Das entspricht mehr und Baden-Württemberg erwirtschaften als 50 Prozent des Anteils des europäi- jeweils 21 Prozent des Umsatzes, Schles- schen Schiffsbaus. wig-Holstein und Nordrhein-Westfalen jeweils rund 11 Prozent, Hamburg rund 10 Prozent des Umsatzes. Deutsche Werften sind auf den Bau von Spezialschif- fen spezialisiert
Die maritime Branche 11 Die Situation der Schifffahrt Die Schifffahrt ist ein Kernbereich der maritimen Branche wie auch der Weltwirt- schaft insgesamt. Rund 90 Prozent des Welthandels erfolgt auf dem Seeweg. Rund ein Drittel der weltweiten Schiffsbe- wegungen haben als Abfahrts- und Ziel- hafen einen europäischen Hafen. Nord- und Ostsee gehören zu den häufigsten und am dichtesten befahrenen Meeren der Welt. Auch Deutschland mit seinen rund 20 wichtigen Seehäfen ist ein bedeu- tender maritimer Standort. Die wirtschaft- liche Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland als große Exportnation ist in wesentlichem Maße von dem Zugang zu Rund 90 Prozent den Weltmeeren und von der Bewegungs- Am 31. Dezember 2020 befanden sich des Welthandels erfolgt über den freiheit auf der hohen See abhängig. Rund 1844 Handelsschiffe im Eigentum deut- Seeweg jeder zweite Arbeitsplatz in der deutschen scher Reedereien. Das entspricht einem Wirtschaft hängt vom Export ab. Der Marktanteil von knapp fünf Prozent an der Warenexport macht rund 40 Prozent des Welthandelsflotte. Damit stellt Deutsch- Bruttoinlandsproduktes aus. Rund 60 Pro- land die fünftgrößte Flotte der Welt. Die zent der Warenexporte und der überwie- Kapazität der deutschen Containerschiffs- gende Anteil der Rohstoffimporte erfolgen flotte für Standardcontainer entspricht über den See- und Wasserweg. 16,4 Prozent der weltweiten Kapazität. Damit ist sie die größte Containerschiffs- flotte der Welt. Deutsche Reedereien beschäftigen rund 480 000 Menschen. Von ihnen arbeiten 86 000 direkt in Deutschland. Mit über 30 Milliarden Euro tragen die Reedereien zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöp- fung bei. Sie zahlen 1,2 Milliarden Euro an Steuern und Sozialleistungen. Etwa 84 Prozent der deutschen Handels- flotte fahren unter ausländischen Flaggen. 46 Prozent führen Flaggen der Bundesre- publik oder anderer EU-Staaten. Insge- samt führen 290 Schiffe die deutsche Flagge. 2016 hat die Bundesregierung gemein- sam mit den Bundesländern ein Gesamt- paket zur Stärkung der Wettbewerbsfähig- keit der Deutschen Flagge geschnürt, um damit eine qualitativ hochwertige Ausbil- dung und Beschäftigung am Schifffahrts- 290 Schiffe führen die deutsche Flagge
12 Die maritime Branche standort Deutschland zu erhalten und Gesamtpaket der Bundesregie- maritimes Know-how in Deutschland zu rung zur Steigerung der Attrakti- sichern. Das Paket beinhaltet für seefah- vität der deutschen Flagge auf rendes Personal 100 Prozent Lohnsteuer- dem Prüfstand Einbehalt, eine passgenaue Erstattung der Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Die Bundesregierung hat das Gesamtpa- Sozialversicherung und eine Anpassung ket evaluiert, um eine Grundlage für die der Nationalitätenvorgaben in der Schiffs- Entscheidung über eine Fortsetzung der besetzungsverordnung. Neben diesem Regelungen zu schaffen, die ansonsten Paket werden Ausbildungszuschüsse für Ende 2020 beziehungsweise Mitte 2021 Schiffsmechanikerinnen und Schiffsme- ausgelaufen wären. chaniker (32 000 Euro), Nautische und Technische Offiziersassistentinnen und Die passgenaue Erstattung der Arbeitge- Offiziersassistenten (16 000 Euro bzw. beranteile zur Sozialversicherung – Auf- 21 000 Euro) gezahlt. gabe des BSH im Rahmen des Gesamt- pakets – bewirkt zusammen mit den Darüber hinaus hat die Bundesregierung anderen Bausteinen eine Reduzierung der weitere Maßnahmen zur Steigerung der Personalkosten, die mit der Führung der Attraktivität der deutschen Flagge ergrif- deutschen Flagge verbunden sind. In fen. Dazu gehört die Abschaffung der Bezug auf die politischen Ziele wurde die Visa-Pflicht für Nicht-EU-Seeleute für ihre Effektivität der Maßnahmen als gut bewer- Tätigkeit an Bord von deutschflaggigen tet. Jedenfalls muss angenommen wer- Schiffen, die Angleichung der deutschen den, dass ohne die Maßnahmen die Zahl Arbeits- und Ruhezeitvorgaben auf See- der unter deutscher Flagge fahrenden schiffen an die internationalen Standards, Schiffe stark und in kurzer Zeit zurückge- der Wegfall doppelter Kontrollen im hen würde. Arbeitsschutzbereich, das Bereitstellen Deutsche zahlreicher Serviceangebote auf Die Vorgaben der Lohnnebenkosten-För- Flagge www.deutsche-flagge.de, die Einführung derrichtlinie des BMVI setzt ebenfalls das einer maritimen 24/7-Hotline der deut- BSH um. Die Förderung erfolgt zurzeit im schen Flaggenstaatverwaltung sowie die Rahmen des deutschen Zuwendungs- komplette Umstellung von Papier-Schiffs- rechts. Hieraus ergibt sich das zwingende zeugnissen auf digitale, sogenannte Erfordernis des zweistufigen Verfahrens E-Zeugnisse. mit Beantragung der Förderung im Prog- nosemodell und anschließender Abrech- Auch wenn die Anzahl der Schiffe der nung im Verwendungsnachweisverfahren. deutschen Handelsflotte und der Schiffe Dieses aktuelle Verfahren zur Beantra- unter deutscher Flagge rückläufig ist, ist gung der Lohnnebenkostenförderung wird seit Einführung des Gesamtpakets 2016 wegen seiner Komplexität kritisch bewer- ein Trend zur Stabilisierung der Zahl der tet. Eine wesentliche Vereinfachung Schiffe unter deutscher Flagge zu erken- könnte ein Systemwechsel zu einer Nicht- nen. Im Vergleich zum Jahr 2016 ist der erhebung oder Befreiung von Sozialver- Anteil der deutschen Flagge an Schiffen, sicherungsabgaben für Seeleute sein. Die die in deutschen Seeschiffsregistern abschließende Bewertung der Evaluierung registriert sind, bis 2020 gestiegen, durch die Bundesregierung und damit obwohl die Gesamtzahl an Schiffen unter auch die Entscheidung über die zukünf- deutscher Flagge gesunken ist. Der tige Ausgestaltung der LNK-Förderung Anteil von Schiffen unter deutscher Flagge steht jedoch noch aus. der deutschen Handelsschiffe ist von 12,5 Prozent Ende 2016 auf 15,7 Prozent Ende 2020 gestiegen. Der Bestand an ausgeflaggten Schiffen ist deutlich stärker zurückgegangen.
Die maritime Branche 13 Corona-Pandemie und maritime Strategisches Thema Klima- und Wirtschaft Umweltschutz Seit Beginn des Jahres 2020 hält das Klimaschutz- und Umweltauflagen stehen „Severe Acute Respiratory Syndrome trotz der Corona-Pandemie auf der strate- Coronavirus 2“ (SARS-CoV-2) die Welt in gischen Agenda der Reedereien. 82 Pro- Atem. Im März 2020 stufte die Weltge- zent sehen als ihre wichtigste Aufgabe die sundheitsorganisation die Verbreitung des Umrüstung der Schiffe an, um die Aufla- Virus als Pandemie ein. Weltweit kam es gen zum Schutz der Umwelt und des zu einem Lockdown, Mitte März auch in Klimas zu erfüllen. Dazu beitragen könn- Deutschland, verbunden auch mit der ten auch im Zuge der Pandemie zur Ver- Schließung zahlreicher Grenzen. fügung gestellte Finanzmittel, die an eine Verwendung zur Förderung der Nachhal- Dennoch konnten 51 Prozent der Reede- tigkeit geknüpft waren. reien ihre Ladung pünktlich löschen. Die Seeschifffahrt trug in großem Umfang zur Bereits im April 2018 hat die Internationale Aufrechterhaltung des Welthandels und Seeschifffahrtsorganisation (International zur Grundversorgung der Bevölkerung Maritime Organization – IMO) mit dem bei. Nur 14 Prozent der Reedereien muss- Beschluss ihres Meeresumweltausschus- ten einzelne Schiffe unter Quarantäne ses für einen Emissionsminderungspfad stellen. Insgesamt hat sich jedoch der bis zum Jahr 2050 eine wichtige Weichen- Schiffsverkehr um 40 Prozent reduziert. stellung getroffen. Die Minderung der Treibhausgas-Emissionen um mindestens In den letzten Monaten des Jahres 2020 50 Prozent bis 2050 im Verhältnis zu 2008 hat sich der Markt für Reedereien gut sowie das Anstreben einer vollständigen entwickelt. Die Frachtraten sind erheblich Dekarbonisierung stehen im Einklang mit gestiegen. Die Schiffe sind ausgelastet den Pariser Klimazielen. und am Markt herrscht ein Mangel an Leercontainern. 13 Prozent der Reede- Ergänzend zur IMO-Strategie hat die Inter- reien werden dennoch Bauaufträge ver- nationale Schifffahrts-Kammer (Internatio- schieben. 60 Prozent der Reedereien nal Chamber of Shipping – ICS) einen gehen davon aus, dass die wirtschaftli- Fonds zur Entwicklung nachhaltiger chen Folgen der Corona-Pandemie zu Schiffsantriebe vorgeschlagen. In den weiteren Unternehmenszusammenschlüs- nächsten zehn Jahren sollen durch sen führen werden. Abgabe auf verbrauchten Treibstoff fünf Milliarden Dollar in diesen Fonds investiert werden. Die damit finanzierte Forschungs- organisation „International Maritime Research and Development Board“ soll an alternativen Kraftstoffen wie Wasserstoff, Ammoniak und synthetischem Schiffsdie- sel sowie an Technologien wie der Brenn- stoffzelle und Batterieantrieben forschen. Der Verkehrshaushalt der Bundesrepublik Deutschland stellt 1,5 Milliarden Euro für die Schifffahrt zur Verfügung – unter ande- rem für die Förderung von alternativen Schiffsantrieben. Die Schifffahrt sieht Nachhaltigkeit als strategisches Thema an
14 Die maritime Branche Schwierige Situation der See- Am 14. April 2020 hatte die Europäische leute Kommission Leitlinien zum Schutz der Gesundheit, zur Rückkehr und zur Rege- Über 1,2 Millionen Seeleute weltweit sor- lung der Reise von Seeleuten, Fahrgästen gen dafür, dass der Schiffsverkehr läuft, und anderen Personen an Bord von Schif- dass Güter, Medikamente und Nahrungs- fen veröffentlicht. Einige Länder wie zum mittel geliefert werden können – kurzum: Beispiel Deutschland, Großbritannien, dass die Wirtschaft funktioniert. In Zeiten Dänemark und Frankreich erlauben Crew- von Corona kann der reguläre Besat- wechsel. Die IMO hat gemeinsam unter zungswechsel für monatlich rund 100 000 anderem mit der ICS ein Protokoll für Seeleute aufgrund von Reisebeschrän- einen sicheren Crewwechsel auf Basis der kungen häufig nicht mehr stattfinden. Empfehlungen der Weltgesundheitsorga- Rund 400 000 Seeleute sitzen auf Schiffen nisation entwickelt. Dennoch ist eine fest. Entweder dürfen sie in den Hafen- Lösung für regelmäßige Crewwechsel städten nicht an Land oder sie dürfen noch immer nicht in Sicht. wegen der Gefahr einer Infektion nicht in ihre Heimatländer einreisen. Auch die Aufgrund der Corona-Pandemie sind keine Reduktion des internationalen Flugver- Besichtigungen an Bord, keine Lehrgänge kehrs erschwert vielen Seeleuten die und keine Behördengänge für Zeugnisver- Heimkehr. Manche Seeleute sind bereits längerungen möglich. Der Generalsekretär weit über ein Jahr an Bord. Das birgt für der IMO, Kitak Lim, hatte alle Nationen diese Menschen physische und psychi- aufgefordert, die Verfahren zum Beispiel sche Gefahren und stellt dadurch auch im Rahmen von Zeugnisverlängerungen eine Gefahr für die Sicherheit von Schiff, für Schiffe und Besatzungen so zu gestal- Ladung und Umwelt dar. Die ausbleiben- ten, dass der Betrieb der Schiffe aufrecht- den Crewwechsel haben umgekehrt auch erhalten werden kann. Deutschland, wie für die Seeleute, die ihre Kolleginnen und auch viele andere Staaten, ist dieser Auf- Kollegen auf den Schiffen nicht ablösen forderung nachgekommen und hat unbü- können, schwere wirtschaftliche Folgen. rokratisch die Verlängerung von Befähi- Das Einkommen entfällt. Insbesondere in gungs- und Schiffszeugnissen festgelegt. ärmeren Ländern verlieren Familien damit Auch die Hafenstaatkontrollregime für die Existenzgrundlage. Europa (Paris Memorandum of Understan- ding – Paris MoU) akzeptieren die abge- laufenen Dokumente bis auf Weiteres. Wegen Corona müssen viele Seeleute an Bord bleiben
Nationale Maritime Sicherheitsübung RACOON 2020 – #gemeinsam #stark #global 15 Nationale Maritime Sicherheitsübung RACOON 2020 – #gemeinsam #stark #global Der Anschlag auf das World Trade Center im September 2001 zeigte erschreckend deutlich und erschreckend überraschend, dass ein Staat durch Terrorismus ver- wundbar ist. Der Anschlag löste eine neue Sicherheitsdoktrin aus. Die Weltge- meinschaft entwickelte ein Gefahrenabwehrsystem, das sich darauf konzentriert, die gesamte Berufsschifffahrt vor terroristischen Angriffen zu schützen. Für die maritime Gefahrenabwehr ist in Deutschland das BSH verantwortlich. 2002, ein Jahr nach dem Anschlag, berief Stufen gestaffelt sind. Eine Analyse der die internationale Seeschifffahrtsorganisa- Risiken von Schiff und Hafenanlage, eine tion (International Maritime Organisation international gültige Zertifizierung des – IMO) eine diplomatische Konferenz zu Sicherheitssystems sowie Maßnahmen dem Thema „Schutz der Seeschifffahrt vor zur Ausbildung des beteiligten Personals terroristischen Angriffen“ ein. Ein interna- einschließlich Übungen gehören zu weite- tionales Regelwerk sollte die Schifffahrt ren wichtigen Regelungen. Die Zuständig- zukünftig vorbeugend vor terroristischen keiten und Pflichten der verschiedenen Anschlägen schützen. 2004 trat das Kapi- Beteiligten, darunter der Vertragsregierun- tel XI-2 „Besondere Maßnahmen zur Ver- gen, Unternehmen, Schiffskapitäninnen besserung der Gefahrenabwehr in der und Schiffskapitäne und Hafenanlagen Schifffahrt“ des Übereinkommens zum sind klar definiert. Schutz des menschlichen Lebens auf See (International Convention for the Safety of 2004 setzte die EU die Vorgabe mit der Life at Sea – SOLAS) in Kraft. SOLAS ist Verordnung Nr. 725/2004 um. Die europäi- ein internationaler Schiffsicherheitsvertrag, schen Regelungen gehen in einigen kein Regelwerk für die Häfen. Unter die- Bereichen über die Vorgabe der IMO sem Aspekt ist die Einbeziehung der hinaus. Um die Sicherheit in der Seeschiff- Hafenanlagen, die die Schnittstelle zwi- fahrt zu erhöhen und unterschiedliche schen Schiff und Land bilden, in Kapitel Auslegungen der europäischen Mitglied- XI-2 von SOLAS ein bemerkenswerter staaten zu verhindern, schreibt die EU Schritt. Die IMO erarbeitete darüber hin- unter anderem Regelungen, die die IMO aus umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen, lediglich empfiehlt, verbindlich vor. Eine die im „Internationalen Code für die nationale Behörde soll für die Gefahrenab- Gefahrenabwehr auf Schiffen und in wehr auf Schiffen und in Hafenanlagen Hafenanlagen (ISPS-Code)“ zusammen- verantwortlich sein. Noch im gleichen gefasst sind. Beide Regelungen sind für Jahr, 2004, erhielt das BSH, zuständig für die Errichtung eines globalen Systems für Schifffahrtsfragen des ISPS-Codes, die die Gefahrenabwehr im Seeverkehr unver- Aufgabe der Gefahrenabwehr. Das BSH zichtbar. ist unter anderem für die Prüfung der Gefahrenabwehrpläne an Bord der Die Regelungen definieren Maßnahmen Schiffe, die Ausstellung des Internationa- zum Schutz gegen Angriffe auf Schiffe len Schiffssicherheitszertifikat (ISSC) und und auf Hafenanlagen. Dazu gehören zum die Durchführung von Übungen zur Beispiel Kontrollen beim Zugang, Ver- Abwehr einer maritimen Gefahrenlage schluss von sensiblen Bereichen und ein zuständig. Die Zuständigkeit für die Gefahrenalarmsystem. Weiter sehen sie Hafenanlagen in Deutschland liegt hin- ein Paket aktiver und passiver Maßnah- gegen bei den Bundesländern. men zur Gefahrenabwehr vor, die in drei
16 Nationale Maritime Sicherheitsübung RACOON 2020 – #gemeinsam #stark #global Verwaltungsvereinbarung regelt ISPS-Code. Gemeinsam mit der Bundes- Zusammenarbeit polizei entwickelt das BSH wechselnde Bedrohungsszenarien, stellt in Zusam- Rechtliche Grundlage für die Übungen ist menarbeit mit einer Reederei ein Schiff § 11 Absatz 3 Satz 1 der Verordnung zur bereit und koordiniert die Übungen. Trai- Eigensicherung von Seeschiffen zur niert und optimiert werden insbesondere Abwehr äußerer Gefahren (SeeEigen- die Schnittstellen, die durch die Wahrneh- sichV). Ein zentraler Baustein für die mung der zugewiesenen gesetzlichen Bewältigung einer maritimen Gefahren- Zuständigkeiten durch die Behörden lage ist die enge Abstimmung zwischen entstehen. Dazu zählen Kommunikations- der Besatzung eines angegriffenen Schif- wege, aber auch das Ineinandergreifen fes und den Sicherheitsbehörden des unterschiedlicher Strukturen und Ablauf- Bundes und der Bundesländer. Aus die- prozesse. sem Grund schlossen das BSH und die Bundespolizei eine Verwaltungsvereinba- Die Bundespolizei überprüft im Rahmen rung, die die Zusammenarbeit im Bereich dieser Übungen insbesondere ihre Ein- der Gefahrenabwehr auf See regelt. Sie satzkonzepte. Sie fördert die Handlungs- bildet die Grundlage für eine dauerhafte sicherheit bei deren Umsetzung und Kooperation mit praktischen Übungen zur bereitet mögliche bundesländerübergrei- maritimen Gefahrenabwehr. Seit 2016 fende Antiterroreinsätze vor. Mit solchen finden regelmäßig gemeinsame Nationale Übungen gewinnen die beteiligten Ein- Maritime Sicherheitsübungen mit wech- satzkräfte, in der Regel die GSG 9 als selnden Bedrohungsszenarien statt. Diese Spezialeinheit der Bundespolizei, aber behördenübergreifenden Übungen dienen auch die Spezialeinsatzkräfte der Bundes- der Erhöhung der Krisen- und Reaktions- länder, der Flugdienst der Bundespolizei fähigkeit zur gemeinsamen und professio- sowie die Bundespolizei See, immer mehr nellen Bewältigung maritimer Sonderla- Erfahrungen in der Bewältigung maritimer gen. Gefahrenlagen und bauen ihre maritimen Fähigkeiten gezielt aus. Die gemeinsame Ein wesentliches Ziel der Nationalen Mari- Beobachtung und Analyse der Übung timen Sicherheitsübungen ist die regelmä- durch BSH, Bundespolizei und Einsatz- Fast-Roping wird das ßige Überprüfung der Systeme zur Gefah- kräfte der Bundesländer sind dafür wich- Abseilen von einem renabwehr in der Seeschifffahrt nach dem tige Grundlagen. Hubschrauber genannt
Nationale Maritime Sicherheitsübung RACOON 2020 – #gemeinsam #stark #global 17 Dreitägige Nationale Maritime Sicherheitsübung 2020 wurde die Nationale Maritime Sicher- heitsübung erstmals statt an einem Tag über drei Tage durchgeführt. Als weiteres Novum klärte eine intensive Informations- kampagne in Presse und sozialen Medien die Öffentlichkeit über diese Übungen auf. Vom 19. bis zum 21. Oktober 2020 übten Bundespolizei und BSH in der Lübecker Bucht den Einsatz in einer maritimen Gefahrenlage. Das RoPax-Fährschiff NILS HOLGERSSON wurde für die Übung ein- gesetzt. Der Fährsektor gilt als besonders empfindlich. Fähren liegen oftmals nur kurz im Hafen und bewältigen einen umfangreichen Ladungsumschlag in kurzer Zeit. Die Transporte von Personen, Fahrzeugen und Gütern stellen eine Ein Bundespolizst sicherheitstechnische Herausforderung Das Szenario 2020 übt den Einsatz an Bord für die Besatzungen der Schiffe und das Personal in den Hafenanlagen dar. Die Die NILS HOLGERSSON – 191 Meter lang, geographische Lage der Lübecker Bucht 30 Meter breit, Platz für rund 740 Passa- machte sie zu einem geeigneten Übungs- giere, Konferenzräume, Lounge, Kino, gebiet. Darüber hinaus führte der gewählte Spielkasino und Einkaufsmöglichkeiten Einsatzort nicht zu Behinderungen des sowie rund 2600 Lademeter für Fahrzeuge Seeverkehrs. – ist unterwegs von Travemünde nach Trelleborg. Terroristen haben das Schiff Im Einsatz waren die GSG 9, die Bundes- gekapert. Der Kapitän schickt über das polizei See sowie die Fliegerstaffel der Alarmsystem zur Gefahrenabwehr (Ship Bundespolizei. Geübt und optimiert wur- Secuity Alert System – SSAS) einen ver- den an Bord bewährte Verfahren zur deckten Alarm an die Zentrale Kontakt- Lösung einer terroristischen Bedrohungs- stelle (Point of Contact – PoC), dass die lage. Die Einsatzkräfte erprobten aber Sicherheit der NILS HOLGERSSON auch neue Methoden des Zugriffs. Nach bedroht oder beeinträchtigt ist. Die zustän- jeder Übungseinheit analysierten die dige Stelle für Notrufe für Schiffe unter Teams den Ablauf. Verbesserungen wur- deutscher Flagge oder in deutschen den im nächsten Übungsdurchlauf umge- Gewässern informiert die Sicherheitskräfte setzt. der Bundespolizei. Sie gehören zur GSG 9. Die RoPax-Fähre Nils Holgersson war als ziviles Schiff für die Übung im Einsatz
18 Nationale Maritime Sicherheitsübung RACOON 2020 – #gemeinsam #stark #global Ihre Aufgabe ist die Befreiung der Besat- Diese Informationen sind unverzichtbar für zung, der Passagiere und des Schiffes. die unerkannte Annäherung der Polizei. Die Annäherung sowie entschlossenes Neben drei Helikoptern der Fliegerstaffel Vorgehen und die Überraschung der aus Fuhlendorf waren an der Übung die Terroristen sind der Schlüssel zur Bewälti- Bundespolizeischiffe BAMBERG und BAD gung solcher sogenannten polizeilichen BRAMSTEDT im Einsatz. Die BAMBERG Sonderlagen. Das gilt unabhängig davon, ist eines der Polizeischiffe des neuen ob ein terroristischer Angriff an Bord eines Typs P-86. Sie ist 86 Meter lang, hat eine Flugzeuges oder – wie in diesem Übungs- 19-köpfige Besatzung und läuft dank ihres szenario – auf einer Fähre erfolgt. Die dieselelektrischen Antriebs 21 Knoten. Sie Spezialeinheit kann auf unterschiedlichen hat ein Landedeck für den größten Hub- Wegen an Bord kommen: Eine Möglichkeit schrauber der Bundespolizei SUPER ist, wie in der Übung, das Fast-Roping, PUMA. Der Helikopter ist 16 Meter lang, also das ungesicherte Herabgleiten an kann bis zu 21 Personen transportieren, einem Seil aus dem Polizeihubschrauber. erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von Denkbar ist auch ein Zugriff aus einem 310 km/h und hat eine Reichweite von der hochmotorisierten Einsatzboote. 870 Kilometern. Das Schiff ist mit der hochmodernen Navigations- und Sensor- Die Zusammenarbeit bewährt sich: Die technik ausgestattet, die Behördenfahr- Prozesse an Bord griffen reibungslos zeuge heute zur Wahrnehmung ihrer ineinander, die Kommunikation zwischen polizeilichen Aufgaben benötigen. Das allen beteiligten Einheiten einschließlich neue Polizeischiff ermöglicht erstmals der Schiffsbesatzung funktionierte. Diese eine Operation allein von See aus. Übungen gemeinsam mit den Einsatzkräf- ten der Polizei ermöglichen der Reederei, die eigenen Gefahrenabwehrmaßnahmen Schnelles klares Briefing der für die Schiffe mit Hilfe von polizeilicher Sicherheitskräfte ist unverzicht- Expertise zu verbessern. Die Schiffsfüh- bar rung kann damit selbst sicherer handeln, bis die Polizeikräfte eintreffen. Die Gefahrenabwehr auf See stellt die maritimen Einheiten vor besondere Her- ausforderungen. Der Blick von einem Schiff auf die umliegenden Gewässer ist frei. Damit sind die Anforderungen an eine unentdeckte Annäherung deutlich höher als an Land. Schlechtwetterlagen mit Sturm, starken Wellen und gefährlichen Strömungen können Annäherung und Entern des Schiffes erheblich erschweren. Hinzu kommt: Jedes Schiff ist baulich anders. Soweit die Situation es zulässt, schildern Besatzungsmitglieder den Spezialkräften die Lage, kommunizieren die Besonder- heiten, die ihnen aufgefallen sind. Dazu zählen zum Beispiel die Anzahl der Terro- risten sowie deren Aufenthaltsort und Bewaffnung. Einsatzkräfte sondieren die Lage an Bord des zivilen Schiffes
Schiffsemissionsmessungen in der Luft 19 Schiffsemissionsmessungen in der Luft Seit 2014 misst das BSH den Anteil von Schwefel in Schiffsemissionen. Begonnen hat die zentrale maritime Behörde mit einer einzelnen, mit der Universität Bremen, entwickelten Messstation. Ende 2020 besteht das Messnetz aus drei festen und einer mobilen Station sowie der neuen Messstation auf der ATAIR und diese wird kontinuierlich ausgebaut und weiterentwickelt. Rund 55 000 Schiffe sind auf den Welt- Datenerhebungen lässt sich der Zustand meeren unterwegs. Zu den verkehrs- der Meere umfassend erkennen und reichsten Gebieten zählen Nord- und verstehen. Das ist eine Kernvorausset- Ostsee. So passieren beispielsweise zung, um auf einen guten Umweltzustand den Nord-Ostsee-Kanal, die weltweit am der Meere hinzuwirken. stärksten befahrene künstliche Wasser- straße, jährlich rund 30 000 Schiffe. Im Seit dem 1. Januar 2020 liegt weltweit die Großen Belt in der Ostsee wird für 2030 zulässige Höchstgrenze für den Anteil der Transit von rund 80 000 Schiffen im von Schwefel in Schiffskraftstoffen bei Jahr erwartet. 0,50 Prozent. Für Nord- und Ostsee als Schwefelemissionsüberwachungsgebiet Um Gefahren, die unter anderem auch (Sulphur Emission Control Area – SECA) von Schiffen für die Meeresumwelt und die gilt bereits seit 1. Januar 2015 der Grenz- Küsten ausgehen, zu analysieren und zu wert von 0,10 Prozent. SECAs sind Son- überwachen, verfolgt das BSH seit Jahren derzonen der Schifffahrt mit besonders eine Monitoringstrategie, die satelliten-, niedrigen Schwefelgrenzwerten, die von schiffs- und stationsgestützte Beobach- der IMO festgelegt wurden. Mit der Verrin- tungen zusammenführt. Dazu gehören gerung der Schwefelkonzentration in der unter anderem die Daten aus dem euro- Atmosphäre soll neben dem Schutz der päischen Erdbeobachtungssystem Küstenanwohner vor allem auch die wei- COPERNICUS, aus dem BSH-Messnetz tere Versauerung der Meere gestoppt automatisch registrierender Stationen in werden. Seit dem 1. Januar 2021 sind der Deutschen Bucht und der westlichen Nord- und Ostsee auch Stickoxidemis- Ostsee, MARNET sowie die Daten aus sionskontrollgebiete (Nitrous Oxide Emis- den Monitoringfahrten der BSH Vermes- sion Control Area – NECA), ebenfalls sungs-, Wracksuch- und Forschungs- festgelegt von der IMO. schiffe in Nord- und Ostsee. Mit diesen Eine Drohne fliegt für Messungen in die Schiffsemis- sionen hinein
20 Schiffsemissionsmessungen in der Luft Überwachung von Einträgen aus Bereits 2014 hat das BSH in Zusammen- der Luft gewinnt an Bedeutung arbeit mit der Universität Bremen im Rahmen des vom BSH finanzierten Neben den Einträgen von belastenden Forschungsprojektes MeSMarT Stoffen von der Landseite geraten zuneh- (www.mesmart.de) in Wedel an der Elbe mend auch Einträge aus der Luft in die eine Messstation aufgebaut, die den Meere in den Fokus der Untersuchungen. Anteil von Schwefel in der Abgasfahne Ein verhältnismäßig junger Untersu- von vorbeifahrenden Schiffen misst. Heute chungsbereich sind die Auswirkungen verfügen wir über ein Messnetz aus bisher von Schiffsabgasemissionen auf die drei ortsfesten Stationen. Neben Wedel Meere, die über die Luft in das Meerwas- messen Messstationen, sogenannte ser eindringen. Sniffer, in Bremerhaven und Kiel. Ein weiterer Messplatz soll in Rostock entste- Die internationale Staatengemeinschaft hat hen. Darüber hinaus richtete das BSH auf diese Entwicklung reagiert. In den eine mobile, landbasierte Messstation ein, letzten Jahren sanken sukzessive die die seit September 2020 in Wedel im Grenzwerte für den Anteil von Schwefel in Probetrieb ist. Neben Schwefel erfassten Schiffskraftstoffen. Im Oktober 2019 wurde die Stationen unter anderem auch Stick- anlässlich des 50jährigen Bestehens des stoffoxide. Außerdem werden meteorologi- Bonn Agreements auch die Zusammen- sche Daten ermittelt und mit IS-Empfän- arbeit der Nordsee- und Nordostatlantikan- gern die Schiffsbewegungen vor den rainerstaaten im Rahmen von MARPOL VI Stationen aufgezeichnet. Eine weitere in das Übereinkommen aufgenommen. Station wird auf dem 2020 übernommenen Mit dem Bonn Agreement haben sich die neuen VWFS ATAIR Schiffsabgase über Anrainerstaaten zu einer Zusammenarbeit Nord- und Ostsee messen. im Rahmen von Ölverschmutzungen und nun auch Luftverschmutzungen verpflich- Die Daten werden erhoben und automa- tet. Damit kooperieren die Vertragsstaaten tisch analysiert. Bei unzulässigen Abwei- sowohl im Bereich der Kontrolle der Einhal- chungen von den Grenzwerten in Schiffs- tung der Vorgaben und Grenzwerte aus abgasen sendet das System eine Mail an IMO-Abkommen und EU-Recht als auch die Wasserschutzpolizei. Das verursa- bei der Aufdeckung und Bekämpfung von chende Schiff wird über das Identifika- Luftverschmutzungen durch Schiffe. tionssystem AIS und die Wetterdaten ermittelt. Im nächstmöglichen Hafen nimmt die Wasserschutzpolizei zur Veri- fizierung der Messergebnisse Kraftstoff- proben. Probemessungen von Schiffsab- gasen auf Polizeischiff Vom 6. bis 11. Juni 2019 installierte das BSH vorübergehend ein Schiffsabgas- messgerät (Sniffer) auf einem Schiff der Bundespolizei-See. Das Schiff war im Bereich der Kadetrinne in der deutschen Ostsee für die normale Polizeiarbeit ein- gesetzt. Im Rahmen dieses Einsatzes führte es auch Abgasmessungen von Im Labor vor Ort wurden die Messungen ausgewertet
Schiffsemissionsmessungen in der Luft 21 Aufbau der niederländischen Messstation Forschungsteams aus Schweden, Dänemark und den Niederlanden beteiligten sich an den Schiffsemissionsmessungen Schiffen durch. Um verschiedene Einsatz- Emissionsverhalten auswirkt. Deswegen szenarien zu erproben, fuhr es unter- hat das BSH seine Messungen an der schiedliche Manöver. Ziel der einwöchi- Station in Wedel inhaltlich um Aerosol-, gen Erprobung war es, herauszufinden, also Ultrafeinstaubmessungen erweitert. ob die Schiffe der Bundespolizei und deren Aufgabengebiet potentiell für die MARPOL-VI Überwachung des Schiffver- Internationale Vergleichsmessun- kehrs in Nord- und Ostsee mittels Fern- gen mit unterschiedlichen Syste- messtechnik geeignet sind, was sich men grundsätzlich bestätigte. Insgesamt über- prüften BSH und Bundespolizei mit dem Auf Initiative des BSH fand zwischen dem Sniffer rund 100 Abgasfahnen. Auch in 7. September bis 15. Oktober 2020 dieser Untersuchung zeigte sich, dass gemeinsam mit wissenschaftlichen Teams über 99 Prozent der untersuchten Abgas- aus Schweden, den Niederlanden und fahnen auf die regelkonforme Nutzung Dänemark im Rahmen des SCIPPER-Pro- von Treibstoff hinweisen. jektes die erste internationale Vergleichs- kampagne zur Messung von Schiffsabga- Aber Schwefel ist nicht die einzige Subs- sen in Wedel bei Hamburg statt. tanz, die zu Verschmutzungen im mariti- men Umfeld führt. Aus diesem Grund Ziel der Kampagne war es, die Emissio- arbeitet das BSH im Rahmen eines von nen derselben Schiffe mit verschiedenen der Europäischen Union geförderten derzeit verfügbaren Messtechniken und Projektes – „Shipping Contributions to -strategien bei denselben Umgebungsbe- Inland Pollution Push for the Enforcement dingungen zu messen. Dadurch soll die of Regulations (SCIPPER); www.scipper- Meldung auffälliger Schiffe international project.eu“ – mit 17 weiteren internationa- besser harmonisiert werden. Das BSH len Projektpartnern im Bereich der Atmo- und die anderen Projektpartner aus den sphärenforschung und Luftüberwachung Niederlanden, Schweden und Dänemark zusammen. Untersucht werden die Aus- setzten dabei fünf Sniffer, ein LASER- wirkungen von Schiffsabgasen auf die Spektrometer, drei Ultrafeinstaub-Messge- marine Umwelt, aber vor allem auch auf räte und differentielle optische Absorp- die Hafenstädte und Küstengebiete. Von tions-Spektroskopie (DOAS)-Techniken besonderem Interesse sind neben Luft- ein. Zusätzlich wurden vom 14. bis emissionen von Schwefel auch Stickoxid- 18. September zwei Drohnen eingesetzt, und Partikelemissionen der Schiffe. Bei um über der Elbe direkt in die Abgasfahne Letzteren ist derzeit noch unklar, wie sich von Schiffen zu fliegen und die Werte zu der Einsatz alternativer Kraftstoffe auf das messen.
22 Schiffsemissionsmessungen in der Luft Die Sniffer untersuchten über 520 zuge- können, wurden während der Messkam- ordnete Abgasfahnen von mehr als 250 pagne auch künstliche Abgasfahnen mit verschiedenen Schiffen. Eine Drohne flog bekannter Zusammensetzung erzeugt. Zur in 65 Abgasfahnen von 53 verschiedenen Durchführung statistischer Analysen vor- Schiffen und analysierte ihre Zusammen- handener Daten im Rahmen dieses Pro- setzung. Auch die Wasserschutzpolizei jekts stellt das BSH seine Messdaten Hamburg unterstützte die Vergleichs- umfassend zur Verfügung. In einem weite- messkampagne und zog 55 Kraftstoff ren Schritt werden aus den international proben von 32 ausgewählten Schiffen. erhobenen Daten Emissions- und Ausbrei- tungsmodelle weiterentwickelt und vali- Auch während der Messkampagne zeigte diert. sich, dass die Schiffe ganz überwiegend mit regelkonformem Treibstoff fahren. Das BSH nutzt in dem Projekt gewonnene Erkenntnisse, um Werkzeuge zu entwi- Um die verschiedenen eingesetzten Mess- ckeln, mit denen die Einhaltung von Emis- systeme noch besser vergleichen zu sionsgrenzen durchgesetzt werden kann. Zum Einsatz kamen auch differentielle optische Absorptionsspektroskopie-Techniken
Biofouling: Mobile Lebensräume für invasive Arten und Problem für den Klimaschutz 23 Biofouling: Mobile Lebensräume für invasive Arten und Problem für den Klimaschutz Es ist ein Naturgesetz: Alles, was ins Wasser eintaucht, wird von seinen Bewoh- nern sofort als neuer Lebensbereich erobert. Mikroorganismen bilden die Grund- lage für weitere Besiedlung durch Algen bis hin zu Seepocken und Muscheln. Am Ende steht ein komplettes Habitat, das auch nicht festwachsenden Arten wie Flohkrebsen und Krabben ein neues Zuhause bietet. Bilden sich solche Gemeinschaften an Schiffen und Booten, werden sie von diesen zu entfernten Ufern und Gegenden getragen, die sie ohne menschliche Hilfe nie erreicht hätten. In diesen Reisegrup- pen befinden sich auch Arten, die, wenn sie im Zielhafen „von Bord“ gehen, das Potential haben, immense und zum Teil irreparable Schäden zu verursachen. Diese Arten verhalten sich „invasiv“, Auch diese indem sie Ökosysteme, Gesundheit und gebietsfremde Krabbenart findet Wirtschaft schädigen. Sie nehmen heimi- am Schiffsrumpf schen Arten die Nahrungsgrundlagen, eine Mitfahrgele- gestalten Habitate um, verstopfen Kühl- genheit systeme, verursachen toxische Algenblü- ten, überwuchern Aquakulturanlagen oder zerstören Konstruktionen und Uferschutz. In Deutschland fungiert das BSH als zuständige Behörde für die Verhinderung der Einschleppung und Verbreitung nicht- einheimischer Arten durch Schiffe. Dieser Aufgabe widmet es sich mit voller Kraft in wissenschaftlichen Forschungsprojekten und nationalen, regionalen und internatio- nalen Gremien, im Rahmen von Ressort- 2020 in der forschung und mit der Bildung von und Ostsee entdeckter der Teilnahme an Informations- und Inno- Röhrenwurm vationsnetzwerken. im Ballastwasser oder an Schiffsrümpfen und ihren Nischen haben sie sich nach Vermeidung von Biofouling von und nach in Nord- und Ostsee angesie- höchstem ökologischen als auch delt und verursachen nicht selten Prob- von ökonomischem Interesse leme. Nachdem für das Ballastwasser durch das Inkrafttreten des internationalen Sie erscheinen auf dem ersten Blick wie Ballastwasserübereinkommens jetzt ein natürliche Bewohner unserer Meere. Krab- Management vorgeschrieben ist, das den ben mit wolligen Scheren, Krebstierchen, Eintrag von gefährlichen Arten verhindern die wie kleine Gespenster erscheinen, soll, liegt die Aufmerksamkeit nun ver- die schillernde Meerwalnuss, Kalkwürmer mehrt auf dem Schiffsbewuchs, dem mit eindrucksvollem Tentakelkranz oder Biofouling, als Einschleppungs- und Ver- schöne Muscheln – und sie gehören breitungsweg dieser gebietsfremden dennoch oft nicht hierher. Als Mitreisende Arten.
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