Die Überflieger Die arabische Fluggesellschaft Emirates gilt als erfolgreichste der Welt und will traditionelle Riesen wie Lufthansa oder British ...
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Wirtschaft L U F T FA H R T Die Überflieger Die arabische Fluggesellschaft Emirates gilt als erfolgreichste der Welt und will traditionelle Riesen wie Lufthansa oder British Airways nun endgültig in den Schatten stellen. Das funktioniere nur dank massiver Subventionen, schimpft die Konkurrenz. Doch so einfach ist es nicht. s gibt nur wenige Top-Manager, die bai einst berühmt gemacht hat. Doch in bauen. Die Chefs der Nachbar-Airlines E von ihrem Schreibtisch aus in die Zukunft des eigenen Unterneh- mens blicken können. Emirates-Präsident der Krise der vergangenen zwei Jahre konnte das kleine Emirat nur knapp die Staatspleite abwenden. Die monströsen Etihad aus Abu Dhabi und Qatar Airways haben zusammen fast genauso viele Flug- zeuge bestellt. Tim Clark, 63, ist einer von ihnen. Immobilienpläne haben dem Land Mil- „Das geht völlig an deren Bedarf Vor seinem verglasten Büro im obers- liardenschulden beschert. Vieles muss vorbei“, warnt Wolfgang Mayrhuber, bis ten Stock der Firmenzentrale am Flug- nun verscherbelt werden. 31. Dezember 2010 Lufthansa-Chef, „da hafen Dubai wächst ein graublau schim- Die wertvollste Perle bei einem Aus- erwächst eine sehr ernste Bedrohung für mernder Stahlkoloss in die Höhe. Wenn verkauf im Übermorgenland: 49 Prozent die deutsche und gesamte europäische die neue Abfertigungshalle für den A380 von Emirates, die längst zu den ertrag- Luftfahrt.“ Ein anderer Konzernmanager Ende 2012 fertig ist, sollen dort bis zu 20 reichsten und größten Airlines der Welt sieht es noch düsterer: „Das sind Monster- solcher Riesenjets gleichzeitig andocken. aufgeschlossen hat – und noch mehr will. Airlines, die dank der Unterstützung Emirates betreibt schon 15 Maschinen des „Willkommen bei Dubais Aerotropolis durch ihre Regierungen über nahezu un- XXL-Typs, hat weitere 75 bestellt und für die Welt“, ist auf riesigen Plakaten begrenzte finanzielle Mittel verfügen“, will noch mehr davon kaufen. an dem Mega-Airport zu lesen. 160 Mil- empört er sich über die vermeintlichen Fährt Clark von der hauseigenen Me- lionen Passagiere sollen auf dem Areal Quersubventionen aus dem Ölgeschäft. tro-Haltestelle bis zur Endstation und da- pro Jahr einmal abgefertigt werden, drei- Doch Mayrhuber und seine Kollegen nach noch ein paar Kilometer mit dem mal so viel wie zurzeit in Frankfurt am sind auch Zeugen und zugleich Opfer ei- Taxi, kann er schon heute den künftigen Main. Von gigantischen Transparenten ner Umwälzung im internationalen Luft- Sitz seiner Airline besichtigen: den neuen grüßt Dubais Herrscher Mohammed Bin verkehr geworden, die sie selbst viel zu Großflughafen Dubai World Central. Emi- Raschid Al Maktum: „Wir verwandeln un- lange unterschätzt haben. Bislang entfal- rates will zwar erst 2022 dorthin umzie- sere Träume in greifbare Realität.“ len noch rund 60 Prozent des weltweiten hen. Doch bereits jetzt führen achtspuri- Aus Sicht europäischer Wettbewerber Luftverkehrs auf Europa und Nordame- ge, von Palmen gesäumte Straßen zu dem wie Lufthansa, British Airways oder Air rika. Die selbsternannten Platzhirsche der 140 Quadratkilometer großen Wüsten- France/KLM ist das, was in Dubai und Branche auf beiden Seiten des Atlantiks Areal. den angrenzenden Emiraten gerade pas- haben davon in der Vergangenheit gut Es wird der größte Flughafen der Welt siert, eher ein Alptraum. Allein Emirates gelebt, vielleicht ein bisschen zu gut. sein – und es klingt zunächst wie das will bis 2020 seine Flotte von aktuell 155 Denn seit Indien oder China im Zuge Echo jenes alten Größenwahns, der Du- auf dann rund 400 Langstreckenjets aus- der Globalisierung massiv an Bedeutung 58 D E R S P I E G E L 1 / 2 0 1 1
Emirates-Stewardessen vor einem A380 „Das sind Monster-Airlines“ Dem Briten Tim Clark wurde bereits vor 20 Jahren klar, welche Chancen die- ses sogenannte Hub-and-Spoke-System vor allem seinem Arbeitgeber bot. Der hieß schon damals Emirates, war zu die- sem Zeitpunkt allerdings noch winzig. Clark erkannte, dass Dubai im Gegensatz zu Frankfurt, Paris oder Amsterdam auf der Weltkarte nahezu ideal positioniert ist. Fast alle Flugziele sind von dem Scheichtum aus in rund zehn Stunden er- reichbar. Um seinen Radius noch weiter auszu- dehnen, bestellte Clark bei Boeing eigens Modelle, die auch sogenannte Ultralang- strecken in bis zu 18 Stunden ohne Zwi- schenstopp bewältigen können. Nun brauchte der Brite nur noch die MARC-STEFFEN UNGER dazugehörigen Verkehrsrechte. Vor allem Regierungen in Großbritannien, Deutsch- land und Italien gewährten sie Emirates zunächst vergleichsweise großzügig, weil die Aufsteiger-Airline in ihren ersten Jah- gewinnen, werden Verbindungen dorthin Fluglinien. Welche Airline wie oft mit ren eine Art Exotenbonus genoss. immer wichtiger. „Wo früher nur einer welchen Maschinen wohin fliegen darf, Auch Staaten wie Indien oder afrika- reisen wollte, sind es heute 10 000“, ist in bilateralen Verträgen zwischen den nische Länder erteilten der Golf-Airline schwärmt Emirates-Boss Clark. Dubai Ländern noch heute penibel geregelt. in der Folge weitreichende Start- und liegt für die neue Kundschaft zentral: Ni- Großzügigere Bestimmungen gelten Landelizenzen. Ihre eigenen Fluggesell- gerianische Händler beispielsweise flie- seit einigen Jahren unter anderem inner- schaften waren viel zu klein, um die gen über das Emirat nach Shanghai oder halb der EU oder im Transatlantik- 9 Hongkong, um dort Billigwaren zu erste- verkehr mit den USA. Dort dürfen die hen, die sie in der Heimat teuer verkau- Airlines weitgehend frei entscheiden, wel- fen. Umgekehrt haben die Chinesen gro- che Städte sie in den Partnerländern oder 8,8 ßes Interesse an Geschäftskontakten in auf dem US-Kontinent an- 22,3 8 Afrika, weil sie vom Rohstoffreichtum steuern. des Kontinents profitieren wollen. Auch Fluglinien wie die Luft- Die größten brasilianische Unternehmen wünschen hansa, British Airways oder Fluggesellschaften zum Vergleich: sich mehr und bessere Verbindungen. Air France nutzten in der nach geflogenen Kilometern „Das Epizentrum der weltweiten Ver- Vergangenheit ein Hintertür- in Millionen , 2009 * kehrsströme verlagert sich im 21. Jahr- chen, um trotzdem zu wach- 1. Emirates............. 118284 hundert, und zwar komplett und für im- sen und ihrer heimischen 6,7 2. Lufthansa ............. 118264 6 mer“, prophezeit Clark. Bevölkerung attraktive Ver- Während große Industriekonzerne die bindungen in alle Welt 3. Air France .............. 116711 ** Emirates Geschäftsjahr 2009/ 2010 Folgen der Globalisierung früh erkannten zu bieten, die sogenannte 4. British Airways .....109402 (zum 31.03.2010), Lufthansa 2009 und sich in den aufstrebenden Schwellen- sechste Freiheit im interna- 5. Singapore Airlines .. 81552 5 ländern positionierten, änderte sich bei tionalen Luftverkehr. Sie er- den einstigen Staatslinien Europas zu- laubt zum Beispiel der Luft- * Passagierkilometer international; Gewinn 721 Quelle: IATA in Mio. € –112 nächst nur wenig. Sie verlegten sich bis hansa, Passagiere von Kairo vor kurzem eher darauf, angeschlagene nach Warschau zu transpor- 4 Konkurrenten zu übernehmen oder Alli- tieren, wenn auf dem Weg eine Mitarbeiter 28686 anzen mit Wettbewerbern zu schmieden. Zwischenlandung daheim im Jahresdurchschnitt 112 320 Auch das starre Rechtssystem behin- erfolgt, etwa in Frank- 3,8 derte die internationale Expansion der furt oder München. 3 Passagiere 27,5 in Millionen 76,5 2,4 2 Flotte 142 2,0 Zahl der Flugzeuge 722 1 Der Goliath vom Golf bestellte Lang- 196 streckenflugzeuge 56 Emirates-Umsatz in Mrd. Euro 0 Manager Clark 2000/01 2003/04 2005/06 2007/08 2009/10** CHRISTIAN THIEL / IMAGO D E R S P I E G E L 1 / 2 0 1 1 59
MARTIN / LAIF Einkaufsmeile im Flughafen Dubai: „Der Kuchen wächst immer weiter, und jeder kann ein Stück davon abbekommen“ wachsende globale Nachfrage zu bewäl- rates allerdings bei einem Großteil seiner Business-Kunden flache Kabinenbetten tigen. Arbeitnehmer für die Unterbringung und und sogar einen Limousinen-Abholser- Gemeinsam mit seinem Chef, Scheich Gesundheitsversorgung auf. vice. „Die bieten alles an, was gut und Ahmed Bin Said Al Maktum, Onkel von Die Unternehmensberatung Arthur D. teuer ist“, stöhnt ein hochrangiger Luft- Regent Mohammed, wusste Clark die Little hat errechnet, dass die Kosten von hansa-Manager, „so etwas geht in Europa neuen Flugrechte geschickt zu nutzen. Emirates wohl um knapp ein Drittel nied- gar nicht.“ Mit seinen 155 Jets bedient das Unterneh- riger liegen als bei den meisten europäi- Mayrhubers Nachfolger Christoph men heute über hundert Ziele auf allen schen Wettbewerbern. Doch das allein er- Franz wirft Emirates vor, gezielt Passa- Kontinenten. Zwar sind Clarks Maschi- klärt nicht, weshalb die arabische Flug- giere abzuziehen, um die eigenen Flug- nen vor allem in den USA und Südame- linie solche Erfolge feiert. zeuge zu füllen. In einem Lobby-Papier rika bislang eher spärlich vertreten. Aber Anders als etwa die Lufthansa muss der Lufthansa ist von „aggressivem Ver- dafür baut das Unternehmen ja seine Flot- Emirates kein kostspieliges Kurzstrecken- drängungswettbewerb“ die Rede. Clark te aus, unter anderem mit A380-Jets. netz betreiben, um den Bedarf im eige- hält dagegen: „Alle machen das, nur uns Der Erfolg der arabischen Staats-Air- nen Land abzudecken. Eine durchschnitt- soll dieses Recht verweigert werden?“ line macht die europäische Konkurrenz liche Auslastung der Maschinen von über Der Emirates-Manager kann die Auf- inzwischen nicht nur nervös, sondern 18 Stunden pro Tag, wie sie Emirates er- regung um das Vordringen seiner Airline auch aggressiv. In verdächtig gleichlau- reicht, ist für die europäischen Konkur- ohnehin nicht verstehen. „Der Kuchen tenden Erklärungen drängt sie ihre Re- renten unerreichbar. wächst immer weiter“, sagt er, „und jeder gierungen, Emirates keine zusätzlichen Hinzu kommt: Ein Nachtflugverbot kann ein Stück davon abbekommen.“ Flugrechte zu gewähren. wie an den meisten deutschen Flughäfen Es ist trotzdem ein ungleicher Kampf, Besonders erbittert tobt die Abwehr- gibt es in Dubai nicht. Selbst morgens um der zwischen den etablierten Airlines und schlacht zurzeit in Deutschland. Hier will drei oder vier Uhr wandern deshalb Tou- den neuen Überfliegern aus den Golf- die Lufthansa mit allen Mitteln verhin- risten oder Geschäftsreisende durch die staaten tobt. Auf der einen Seite stehen dern, dass Emirates neben Frankfurt, lichten Hallen am Airport auf der Suche die Verteidiger eines Systems, das sich München, Düsseldorf und Hamburg auch nach ihrem Anschlussflug oder einem mit Betriebsräten, Gewerkschaften und Berlin sowie Stuttgart ansteuern darf. Schnäppchen in den edlen Geschäften. Nachtflugverboten längst arrangiert hat, Kontrahenten wie die Lufthansa wer- Letztlich sind es die Kunden, die den weil das alles zum Selbstverständnis eu- fen allen drei arabischen Airlines vor, Erfolg sichern. Bei welcher Airline aus ropäischer Unternehmenskultur zählt. massiv von staatlichen Finanzhilfen zu Old Europe kann man sonst aus 600 Ra- Auf der anderen Seite demonstrieren profitieren. Clark weist den Vorwurf weit dio- und 150 TV-Kanälen wählen? Im Ge- reiche Scheichs und Top-Manager aus al- von sich. „Wenn mir einer nachweist, dass gensatz zur Lufthansa offeriert Emirates ler Welt, dass Luftverkehr auch ohne sol- ich nur einen Euro Subventionen bekom- che lästigen Beschränkungen stattfinden men habe, trete ich am nächsten Tag zu- kann, wenn es – wie in Dubai – die örtli- rück“, wehrt sich der Brite. chen Gegebenheiten erlauben. Das arabische Airline-Trio hängt sicher Die deutsche Großindustrie hat ähn- nicht direkt am Tropf der Scheichs. Aber liche Erfahrungen längst gemacht und in es kommt wohl nicht ganz ohne indirekte aller Welt Ableger errichtet, oft gegen Hilfen aus. Weil Flughäfen, Flugsicherung den erbitterten Widerstand der Stamm- und Verkehrsbehörden eng kooperieren belegschaft zu Hause. Der Luftfahrtbran- und oft sogar unter einheitlicher Führung che steht diese Entwicklung noch bevor. stehen, sind die Gebühren deutlich nied- Der frühere Lufthansa-Chef und heu- riger als an europäischen Flughäfen. tige Aufsichtsratsvorsitzende Jürgen We- Heftig kritisiert wird von Europas Trai- ber hat das offenbar erkannt: „Ich kann KAMRAN JEBREILI / AP ditions-Airlines auch, dass Dubai keine mir ernsthaft vorstellen, dass die Lufthan- Unternehmen- oder Einkommensteuern sa eines Tages ein global aufgesteller Kon- erhebt, somit niedrigere Löhne zahlen zern mit Zweigfirmen in aller Welt sein kann und massenhaft billige Arbeitskräfte wird“, sagte er zuletzt im kleinen Kreis. beschäftigt aus Ländern wie Indien oder Dubai-Regent Scheich Mohammed (M.) Proteste der Gewerkschaften blieben dies- Pakistan. Das stimmt. Dafür kommt Emi- Keine zusätzlichen Flugrechte gewähren mal aus. DINAH DECKSTEIN 60 D E R S P I E G E L 1 / 2 0 1 1
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