Die Betriebsratswahl im Spiegel der Rechtsprechung - Betriebspolitische HSI-Tagung

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Die Betriebsratswahl im Spiegel der Rechtsprechung - Betriebspolitische HSI-Tagung
Die Betriebsratswahl im
 Spiegel der Rechtsprechung

Betriebspolitische HSI-Tagung
                                      Dr. Maren Rennpferdt
    Berlin, 15. April 2021
                                Richterin am Bundesarbeitsgericht
Gerichtliche Bestellung eines Wahlvorstands
Der gerichtlichen Bestellung eines Wahlvorstands nach § 17a Nr. 4 BetrVG
iVm. § 17 Abs. 4 BetrVG steht es nicht entgegen, dass auf einer
Wahlversammlung nur ein Wahlgang durchgeführt wurde.
Kommt in einem ersten Wahlgang keine erforderliche Mehrheit zustande, ist
es zwar zulässig, einen oder ggf. mehrere weitere Wahlgänge durch-
zuführen, um den Wahlvorstand im Wege einer Wahl durch die Belegschaft
zu bestellen. Aus § 17 Abs. 4 BetrVG folgt aber nicht, dass die gerichtliche
Bestellung eines Wahlvorstands in einem solchen Fall die Durchführung
eines oder ggf. mehrerer weiterer Wahlgänge zwingend voraussetzt.
(BAG 20. Februar 2019 – 7 ABR 40/17 -)
Gerichtliche Bestellung eines Wahlvorstands
Beschließen die Teilnehmenden einer ordnungsgemäß einberufenen
Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands mehrheitlich eine Ver-
tagung dieser Versammlung mit der Folge, dass kein erster Wahlgang
zustande kommt, kann ohne Durchführung einer weiteren Wahlver-
sammlung die gerichtliche Bestellung eines Wahlvorstands nach § 17 Abs. 4
BetrVG betrieben werden.
(LAG Schleswig-Holstein 21. Januar 2020 – 3 TaBV 23/19, Rechtsbeschwerde
eingelegt unter dem Aktenzeichen - 7 ABR 26/20 -)
Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen
Der Wahlvorstand kann die Möglichkeit zur Einreichung von
Wahlvorschlägen am letzten Tag der Frist auf das Ende der Arbeitszeit im
Betrieb oder auf das Ende der Dienststunden des Wahlvorstands begrenzen,
wenn dieser Zeitpunkt nicht vor dem Ende der Arbeitszeit der Mehrheit der
Arbeitnehmer liegt.
(BAG 16. Januar 2018 – 7 ABR 11/16 – Rn. 22)
Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen
Die Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen endet am letzten Tag der
Zweiwochenfrist zu der Zeit, zu der unter Zugrundelegung der gewöhnlichen
Verhältnisse für den Wahlvorstand keine Möglichkeit zu einer
Kenntnisnahme mehr besteht.
Dies gilt auch dann, wenn im Wahlausschreiben keine Uhrzeit angegeben
ist, bis zu der Wahlvorschläge eingereicht werden können. Die Bekanntgabe
einer Uhrzeit wirkt nur deklaratorisch. Das Ende der Frist ergibt sich
unabhängig von der Angabe der Uhrzeit aus der Wahlordnung und den
Regeln für den Zugang von Willenserklärungen.
(LAG München 6. August 2019 – 9 TaBV 14/19 –, Rechtsbeschwerde
eingelegt unter dem Aktenzeichen 7 ABR 10/20, Termin: 28. April 2021)
Grundsatz der freien Wahl – Neutralität des
Wahlverfahrens
§ 11 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 WO legt nicht eine Mindestanzahl der in den
Stimmzetteln anzugebenen Bewerberinnen und Bewerber jeder
Vorschlagsliste fest, sondern bestimmt verbindlich, dass zwei, und zwar die
beiden an erster Stelle benannten Bewerberinnen und Bewerber jeder
Vorschlagsliste in den Stimmzetteln aufzuführen sind.
§ 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 WO ist eine wesentliche Wahlvorschrift. Verstößt
der Wahlvorstand hiergegen, indem er sämtliche Wahlbewerber der
jeweiligen Listen auf den Stimmzetteln aufführt, kann dies unter den
Voraussetzungen des § 19 BetrVG zur Anfechtung der Betriebsratswahl
führen.
(BAG 16. September 2020 – 7 ABR 30/19 – )
Grundsatz der freien Wahl – Neutralität des
Wahlverfahrens
Das Wahlverfahren muss den Grundsatz der Neutralität wahren. Dies
erfordert, dass nicht schon durch die Ausgestaltung des Wahlverfahrens in
einem bestimmten Sinne auf die Wahlberechtigten eingewirkt wird oder
eingewirkt werden kann.
(BAG 16. September 2020 – 7 ABR 30/19 –)
Grundsatz der geheimen Wahl
Nach § 11 Abs. 1 S. 2 WO erfolgt die Stimmabgabe bei der Betriebsratswahl durch
Abgabe von Stimmzetteln in den hierfür bestimmten Umschlägen. Nach § 12
Abs. 3 WO gibt die Wählerin oder der Wähler ihren oder seinen Namen an und
wirft den Wahlumschlag, in den der Stimmzettel eingelegt worden ist, in die
Wahlurne ein, nachdem die Stimmabgabe in der Wählerliste vermerkt worden ist.
Danach erfordert die Stimmabgabe die Verwendung von Wahlumschlägen, die
vom Wahlvorstand zur Verfügung zu stellen sind.
§ 11 Abs. 2 S. 2, § 12 Abs. 3 WO sind wesentliche Wahlvorschriften. Verstößt der
Wahlvorstand hiergegen, indem er die Stimmabgabe ohne Verwendung von
Wahlumschlägen durchführen lässt, kann dies unter den Voraussetzungen des
§ 19 BetrVG zur Anfechtung der Betriebsratswahl berechtigen.
(BAG 20. Januar 2021 – 7 ABR 3/20 -)
Grundsatz der geheimen Wahl
Nach dem Grundsatz der geheimen Wahl darf die Stimmabgabe des
Wählers keinem anderen bekannt werden. Dies dient dem Zweck, den
Wähler vor jeglichem sozialen Druck zu schützen. Dadurch wird sicher-
gestellt, dass jeder Arbeitnehmer seine Wahl in Ansehung der ihm
bekannten Tatsachen und Meinungen nach seiner freien Überzeugung
treffen kann.
Der Grundsatz der geheimen Wahl ist insbesondere durch das Verfahren
über die Stimmabgabe, den Wahlvorgang und die Stimmauszählung in §§ 11
ff. WO formalisiert und unabdingbar ausgestaltet.
(BAG 20. Januar 2021 – 7 ABR 3/20 -)
Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl - Öffnung der
Freiumschläge
Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl erfordert grds, dass Ort, Tag und
Zeit sämtlicher öffentlicher Kontrolle unterliegender Vorgänge im
Wahlverfahren rechtzeitig vorher bekannt gegeben werden.
Nach § 26 Abs. 1 WO hat der Wahlvorstand unmittelbar vor Abschluss der
Stimmabgabe in öffentlicher Sitzung die bis zu diesem Zeitpunkt
eingegangenen Freiumschläge zu öffnen. Besteht nur ein Wahllokal zur
persönlichen Abgabe der Stimmen, bedarf es keiner öffentlichen
Bekanntmachung von Zeit und Ort der Öffnung der im Rahmen der
Briefwahl eingegangenen Freiumschläge durch den Wahlvorstand.
(BAG 20. Mai 2020 – 7 ABR 42/18 – Rn. 17)
Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl - Öffnung der
Freiumschläge
§ 26 Abs. 1 WO gewährt dem Wahlvorstand eine Einschätzungsprärogative
im Hinblick auf den Zeitraum, den er voraussichtlich für die nach der
Vorschrift gebotenen Handlungen benötigen wird. Im Falle der Wahl-
anfechtung hat das Arbeitsgericht zu prüfen, ob sich die vom Wahlvorstand
angestellte Prognose noch innerhalb seines Beurteilungsspielraums
gehalten hat.
(BAG 20. Mai 2020 – 7 ABR 42/18 – Rn. 22)
Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl - Öffnung der
Freiumschläge
Beendet der Wahlvorstand die Aufgaben nach § 26 Abs. 1 WO mit oder
innerhalb weniger Minuten vor oder nach dem Ende der für die
Stimmabgabe vorgesehenen Zeit, begründet dies die Vermutung, dass die
Prognose hinreichend fundiert erstellt worden ist. Liegt zwischen dem Ende
der Öffnung der Freiumschläge und dem Abschluss der Stimmabgabe ein
längerer Zeitraum, folgt daraus nicht ohne weiteres, dass die Prognose
unzutreffend war. Im Wahlanfechtungsverfahren können vielmehr
Umstände dargelegt werden, aufgrund derer der Wahlvorstand
prognostizieren durfte, mit dem Öffnen der Freiumschläge so frühzeitig
beginnen zu müssen.
(BAG 20. Mai 2020 – 7 ABR 42/18 – Rn. 22)
Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl
Die Öffentlichkeit der Wahl ist Grundvoraussetzung für eine demokratische
Willensbildung. Sie sichert die Ordnungsmäßigkeit und Nachvollziehbarkeit
der Wahlvorgänge und schafft damit eine wesentliche Voraussetzung für
begründetes Vertrauen der Wähler in den korrekten Ablauf der Wahl.
Die grundsätzlich gebotene Öffentlichkeit im Wahlverfahren umfasst das
Wahlvorschlagsverfahren, die Wahlhandlung - in Bezug auf die
Stimmabgabe durchbrochen durch das Wahlgeheimnis - und die Ermittlung
des Wahlergebnisses.
(BAG 17. Mai 2017 – 7 ABR 22/15 – Rn. 40; 10. Juli 2013 - 7 ABR 83/11 - Rn.
18)
Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl
Das Gebot, die Auszählung in öffentlicher Sitzung vorzunehmen, soll
gewährleisten, dass selbst der Anschein von Manipulationen vermieden
wird. Dazu ist es nicht erforderlich, dem Wahlvorstand „über die Schulter
blicken“ zu können. Die Beobachtungsmöglichkeit dient der Kontrolle des
Auszählvorgangs durch die Öffentlichkeit, ohne damit eine vollständige
Rechtmäßigkeitskontrolle zu bezwecken. Die Beratung und Beschlussfassung
des Wahlvorstands bei der öffentlichen Stimmauszählung muss daher nicht
in dem Sinne öffentlich sein, dass die Anwesenden die Entscheidung in
jedem Fall zur Kenntnis nehmen können. Ein „Mitlesenkönnen“ ist daher
nicht erforderlich.
(BAG 24. Februar 2021 – 7 ABR 38/19 – Rn.; zur Aufsichtsratswahl vgl. BAG
17. Mai 2017 – 7 ABR 22/15 – Rn. 43)
Anfechtungsberechtigung – Einspruch gegen die
Wählerliste
Nach § 4 Abs. 1 WO können Einsprüche gegen die Richtigkeit der Wähler-
liste mit Wirksamkeit für die Betriebsratswahl nur vor Ablauf von zwei
Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens beim Wahlvorstand schriftlich
eingelegt werden.
Ein Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste nach § 4 Abs. 1 WO ist
nicht Voraussetzung dafür, in einem späteren Wahlanfechtungsverfahren die
Aufnahme nicht Wahlberechtigter in die Wählerliste rügen zu können.
(BAG 2. August 2017 – 7 ABR 42/15 –)
Anfechtungsberechtigung – Einspruch gegen die
Wählerliste – Betriebsrätestärkungsgesetz-RefE
Dem § 19 wird folgender Absatz 3 angefügt:
„3. Die Anfechtung durch die Wahlberechtigten ist ausgeschlossen, soweit
sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist und nicht zuvor
aus demselben Grund ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der
Wählerliste eingelegt wurde. Dies gilt nicht, wenn die anfechtenden
Wahlberechtigten an der Einlegung eines Einspruchs gehindert waren.
Die Anfechtung der Wahl durch den Arbeitgeber ist ausgeschlossen, soweit
sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist und diese
Unrichtigkeit auf seinen Angaben beruht.“
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