Die deutsche chemische Industrie in den bundesländern 2030 nordrhein-Westfalen - ChemCologne

 
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Die deutsche chemische Industrie in den bundesländern 2030 nordrhein-Westfalen - ChemCologne
die deutsche chemische Industrie
in den bundesländern 2030
nordrhein-Westfalen
Regionalergebnisse der VCI-Prognos-Studie
Die deutsche chemische Industrie in den bundesländern 2030 nordrhein-Westfalen - ChemCologne
Auftraggeber: Verband der Chemischen Industrie e. V.
    Auftragnehmer: Prognos AG

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Die deutsche chemische Industrie in den bundesländern 2030 nordrhein-Westfalen - ChemCologne
Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Einleitung                                                 S. 4

Die zukünftigen Rahmenbedingungen                          S. 5

Die Entwicklung der deutschen Bundesländer                S. 12

Die chemische Industrie in Nordrhein-Westfalen            S. 16

                                                                      3
Die deutsche chemische Industrie in den bundesländern 2030 nordrhein-Westfalen - ChemCologne
Einleitung

        Einleitung
    Die vorliegende Untersuchung basiert auf der VCI-Prognos
    Studie „Die deutsche chemische Industrie 2030“, die der Ver-
    band der Chemischen Industrie (VCI) Anfang 2013 veröffent-
    licht hat1.

    Im Rahmen der Studie wurden vier Szenarien berechnet. Das
    „Basisszenario“, das Szenario„zerrissene Wertschöpfungs-
    ketten“, das Szenario „globale Wachstumsschwäche“ sowie
    ein Szenario, das ein „innovationsfreundliches Umfeld“
    betrachtet. Beim sogenannten „Basisszenario“ handelt es sich
    um die nach Meinung der Experten wahrscheinlichste Ent-
    wicklung.

        In der vorliegenden Studie wird das für Gesamtdeutsch-
    land erstellte Basisszenario auf die einzelnen Bundesländer
    heruntergebrochen. Dabei wurde die Struktur der VCI-Lan-
    desverbände berücksichtigt. So wurden die neuen Bundes-
    länder und Berlin in der Region „Nordost“ zusammengefasst.
    Die Region „Nord“ umfasst im weiteren Verlauf der Studie die
    Bundesländer Bremen, Hamburg, Niedersachen sowie
    Schleswig Holstein. Das Saarland wurde auf Grund seiner
    Größe mit Rheinland-Pfalz zur Region „Mitte“ zusammenge-
    fasst.

        Das Basisszenario unterstellt auf globaler Ebene, dass die
    Staatsschuldenkrisen in den Vereinigten Staaten, Japan und
    Europa durch eine behutsame, aber konsequente Konsolidie-
    rung allmählich entschärft werden, es China unter anderem
    durch den Aufbau eines Sozialsystems gelingt, den privaten
    Konsum zu stärken und die Politik weltweit der Versuchung
    widersteht, die heimische Wirtschaft durch protektionistische
    Maßnahmen vom globalen Wettbewerb abzuschotten.

        Auf nationaler Ebene wird im Basisszenario unter
    anderem erwartet, dass weitere Anstrengungen unter-
    nommen werden, um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirt-
    schaftsstandortes Deutschland aufrechtzuerhalten. Dazu
    zählen moderate Erfolge bei der Migration von Fachkräften,
    eine höhere Erwerbsbeteiligung und die Verbesserung der
    schulischen Bildung. Für die Energiepreise wurde ein mode-
    rater Anstieg unterstellt, der nach den seinerzeit vorlie-
    genden Erkenntnissen über die Energiewende am wahr-
    scheinlichsten erschien. In politischer Sicht wird im
    Basisszenario erwartet, dass die Konsolidierung der Staats-
    haushalte gelingt und die Wirtschaftspolitik auf den Erhalt
    der Wertschöpfungsketten und die Stärkung des Industrie-
    netzwerkes setzt.

    1
      VCI-Prognos Studie „Die deutschen chemische Industrie
    2030“: https://extranet.vci.de/Die-Branche/chemie-2030/
    Seiten/VCI-Prognos-Studie--Die-deutsche-chemische-Indus-
    trie-2030.aspx

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Die deutsche chemische Industrie in den bundesländern 2030 nordrhein-Westfalen - ChemCologne
Die zukünftigen Rahmenbedingungen

  Die zukünftigen Rahmenbedingungen
Wie sich die Chemische Industrie in Deutschland insgesamt              Globale demografische Entwicklung
und in den einzelnen Bundesländern bis zum Jahr 2030 entwi-        Dynamik und Divergenz prägen die weltweiten demogra-
ckelt, wird maßgeblich von den Entwicklungen der weltwirt-    fischen Entwicklungen im 21. Jahrhundert. Nach Schätzungen
schaftlichen und der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedin-      der UN wird die Weltbevölkerung im Laufe der nächsten 20
gungen mitbestimmt. Treiber für die wirtschaftliche           Jahre von heute sieben Milliarden auf 8,3 Milliarden Men-
Entwicklung sind Megatrends, die nicht zwangsläufig ökono-    schen anwachsen. Die demografischen Prozesse in dieser Zeit
mischer Natur sein müssen. Im Folgenden werden daher          verlaufen regional sehr unterschiedlich. In den Entwicklungs-
zunächst die Annahmen zu den zentralen Treibern (Megat-       und Schwellenländern wird die Bevölkerung dynamisch
rends) aufgezeigt, bevor die hieraus resultierende Entwick-   wachsen. 2030 werden dort rund sieben Milliarden Menschen
lung der Weltwirtschaft und der deutschen Wirtschaft bis      bzw. 85 Prozent der Weltbevölkerung leben. Der Anteil der
2030 dargestellt wird.                                        Menschen, die in Industrieländern leben, nimmt dagegen bis
                                                              2030 ab, wenngleich die Bevölkerung auch dort zunimmt,
Die globalen Megatrends als zentrale Treiber                  allerdings mit geringerer Dynamik. Zwar steigt in den USA die
    Eckpfeiler der Basisprognose sind die Megatrends Demo- Bevölkerung dank einer regen Zuwanderung kräftig. In den
grafie, Technologie und Humankapital, Energie und Res-        übrigen Industrieländern wächst die Bevölkerungszahl aber
sourcen, Umwelt und Klima sowie Staatsfinanzen. Annahmen      nur noch leicht. In Deutschland, Russland und Japan werden
zur Entwicklung dieser zentralen Treiber wurden auf Grund-    zukünftig sogar weniger Menschen leben.
lage vergangener Trends, sich abzeichnender aktueller Ent-
wicklungen und Expertise aus VCI-Mitgliedsunternehmen,             Eine steigende Lebenserwartung führt außerdem dazu,
den Kundenindustrien und dem Bundesverband der deut-          dass die Weltbevölkerung altern wird. Heute leben 760 Milli-
schen Industrie getroffen. Der Modellapparat der Prognos      onen Menschen auf der Erde, die älter als 60 Jahre sind. Bis
AG sorgt dabei für die innere Konsistenz der erstellten Prog- zum Jahr 2030 wird sich diese Zahl nahezu verdoppeln. Vor
nose.                                                         allem in den Industrieländern wird die Bevölkerung stark

   Abb. 1: WELTBEVÖLKERUNG WÄCHST – LEBENSERWARTUNG STEIGT

                                                                                                            absolute Bevölkerung 2030 in Millionen
          schnell

                                                                      49,2
         Bevölkerung altert

                                                                                    1.379,0
                                                                                                                                   87,7

                                                                                                                                   232,8
                                                               37,6
                                                                                                                         38,9
                                                                                                                19,4
                                 127,3                                                                                             136,3
                                                                                              17,6

                                                                      49,9                                                         367,8
                                                    121,2
                                                                                                     70,5
                                                                                                                                                1.524,9
                                                               79,3
                                                                             10,8
          langsam

                                                                                                     50,1      70,4
                                                                                              64,6
                                                                             11,6                                               47,7

         Bevölkerung schrumpft             Bevölkerungsveränderung 2011–2030 in Prozent pro Jahr                       Bevölkerung wächst

   In allen Ländern steigt die Lebenserwartung und damit der Anteil der Personen über 65 Jahre. Zudem schrumpft in Japan,
   Russland, Polen und Deutschland die Bevölkerung.
   Quelle: Vereinte Nationen 2010

                                                                                                                                                          5
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Die zukünftigen Rahmenbedingungen

    altern, während in den Entwicklungs- und Schwellenländern         je Barrel bis zum Jahr 2030 unterstellt (in Preisen von 2010).
    der Anteil älterer Menschen kaum steigt. China bildet hier        Inflationiert mit der Preisentwicklung des Bruttoinlandspro-
    infolge seiner Ein-Kind-Politik eine Ausnahme. Dort wird die      dukts der USA ergibt sich ein nominaler Preis von 243 US-
    Bevölkerung in etwa so schnell altern wie in den Industrielän-    Dollar je Barrel in 2030.
    dern.
                                                                           Die Verteuerung wichtiger Rohstoffe bremst die weltwirt-
        Das globale Bevölkerungswachstum ist ein zentraler            schaftliche Dynamik. Nur rohstoffreiche Länder können profi-
    Wachstumstreiber für die Weltwirtschaft, denn die weltweite       tieren. Hierzu zählen neben den USA, Brasilien und Russland
    Nachfrage nach Nahrung, Gütern und Dienstleistungen wird          vor allem die Golfstaaten und einige afrikanische Staaten.
    spürbar steigen. Auch das Arbeitskräfteangebot wächst.            Anderen Ländern wird hingegen Kaufkraft entzogen.
    Allerdings fällt der Zuwachs hier aufgrund der gleichzeitigen     Daneben setzen steigende Rohstoffpreise Anreize zu einer
    Alterung der Weltbevölkerung weniger stark aus. Dabei             noch ressourceneffizienteren Produktion und zur Herstellung
    werden nicht alle Regionen der Welt von der demografischen        von Produkten, mit deren Hilfe Ressourcen eingespart
    Entwicklung in gleichem Maße profitieren können. Die              werden können. Vielerorts wird dieser Effekt durch politische
    Wachstumsimpulse werden in den Schwellenländern jedoch            Rahmensetzung verstärkt, sodass im Prognosezeitraum die
    deutlich stärker sein. Jedoch können auch die Industrieländer     Ressourceneffizienz weltweit steigt.
    durch zunehmende Exporte, durch Importe von Vorleis-
    tungen und durch die Einwanderung von Fachkräften aus den         Umwelt und Klima
    aufstrebenden Volkswirtschaften profitieren. Der Bevölke-              Der politische und gesellschaftliche Stellenwert der Nach-
    rungsrückgang und die rasche Alterung wirken in Deutsch-          haltigkeit wird spürbar steigen. In nahezu allen Ländern
    land jedoch wachstumshemmend.                                     werden in Zukunft Emissionen von Treibhausgasen bzw. die
                                                                      Umweltbelastungen begrenzt. Dabei bleiben aber das
    Technologie und Humankapital                                      Bewusstsein und das Anspruchsniveau in den Weltregionen
        Weitere wichtige Treiber für die weltwirtschaftliche Ent-     unterschiedlich. Die Umweltstandards in den Industrieländern
    wicklung sind der technologische Fortschritt und eine             werden auch zukünftig höher und die Klimaschutzpolitik ehr-
    Zunahme des Wissens. Die technologische Entwicklung steigt        geiziger sein als in den Schwellenländern. Deutschland und
    im Prognosezeitraum stetig. Die Folgen sind eine Zunahme          Europa bleiben Vorreiter im Klimaschutz. Durch Emissions-
    der Arbeitsproduktivität und der Ressourceneffizienz sowie        handel, Energiesteuern und die Förderung Erneuerbarer
    bessere Güter und Dienstleistungen. Die Industrieländer –         Energien werden die Energiepreise in Europa stärker steigen
    allen voran die USA, Japan und Deutschland – bleiben die          als in anderen Regionen. In Deutschland fällt der Anstieg
    Innovationsmotoren der Weltwirtschaft. Doch einige Schwel-        wegen der Energiewende besonders hoch aus. Da die glo-
    lenländer, wie beispielsweise China, holen kräftig auf. Innova-   balen Divergenzen bestehen bleiben, begünstigt dies die
    tionen werden sich künftig immer schneller verbreiten und so      Produktion in Ländern mit geringeren Umwelt- und Klima-
    das Wachstum der Weltwirtschaft fördern.                          schutzauflagen. Für die Basisprognose haben wir die gel-
                                                                      tenden Beschlusslagen unterstellt. Dies berücksichtigt auch
        Die Unternehmen werden in Zukunft noch stärker als            die Ausnahmeregelungen für die energieintensiven Indust-
    heute auf das Wissen ihrer Mitarbeiter angewiesen sein. Das       rien.
    Bildungssystem wird dadurch zum wichtigen Standortfaktor.
    Deutschland verfügt dabei auch zukünftig über eine gute               Verstärkte Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz
    Hoch- und Fachhochschulausbildung, und die betriebliche           bremsen das wirtschaftliche Wachstum. Andererseits werden
    Ausbildung sichert die Qualifizierung zukünftiger Fachkräfte.     Anreize zu einer nachhaltigen Produktion und zur Herstellung
    Zudem erhöht sich hierzulande im Prognosezeitraum die Bil-        von „Umweltschutzgütern“ gesetzt. Dies beschleunigt in
    dungsbeteiligung und die Weiterbildung wird gestärkt.             einigen Branchen das Wachstum. Die chemische Industrie
    Zusätzliches Potenzial ergibt sich aus der stärkeren Integra-     kann von dieser Entwicklung profitieren. In einigen Anwen-
    tion von Frauen und älteren Personen in den Arbeitsmarkt.         dungen und Kundenbranchen erwarten wir basierend auf
    Eine moderate Zuwanderung von Fachkräften wird in den             bestehenden Trends einen zunehmenden Anteil von Vorleis-
    kommenden Jahren die deutsche Leistungsfähigkeit stärken.         tungen aus der Chemie (z.B. Gebäudedämmung oder Leicht-
                                                                      baukonzepte und Elektroantriebe in der Automobilindustrie).
    Energie und Ressourcen
        Ressourcen wie Boden, Wasser, fossile und mineralische        Konsolidierung der Staatsfinanzen
    Rohstoffe sowie Energie stehen nicht unbegrenzt zur Verfü-             In den hoch verschuldeten Ländern Europas wird der ein-
    gung. Aufgrund des globalen Bevölkerungs- und Wirtschafts-        geschlagene Kurs der fiskalischen Konsolidierung prinzipiell
    wachstums werden Ressourcen in den kommenden 20 Jahren            beibehalten und letztendlich auch erfolgreich sein. Griechen-
    relativ knapper. Daran ändert auch die Erschließung neuer         land bleibt Mitglied der Eurozone. Insgesamt ist zu erwarten,
    Lagerstätten (Shale-Gas, Tiefseebohrungen) kaum etwas. Da         dass in den betroffenen Ländern die Konsolidierungspläne
    die steigende Nachfrage auf ein begrenztes Angebot trifft, ist    zeitlich gestreckt werden und die politische Stabilität auf-
    anzunehmen, dass die Preise für Energie und Rohstoffe             rechterhalten werden kann. Auch die USA werden konsoli-
    zukünftig weiter steigen. Für unsere Berechnungen haben wir       dieren, wenngleich zurückhaltender als Europa. Insgesamt
    gemäß dem „current-policies-scenario“ der Internationalen         hemmt der Konsolidierungszwang das Wirtschaftswachstum
    Energie Agentur (IEA) einen Ölpreisanstieg auf 135 US-Dollar      der nächsten Jahre und schränkt zudem die finanz- und wirt-

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Die deutsche chemische Industrie in den bundesländern 2030 nordrhein-Westfalen - ChemCologne
Die zukünftigen Rahmenbedingungen

schaftspolitischen Spielräume der Industrieländer – gerade in     – darunter Deutschland und Italien – mit einem deutlich nied-
Europa – spürbar ein.                                             rigeren Wachstum zufrieden geben müssen.

Die Entwicklung der Weltwirtschaft                                    Diese unterschiedlichen Wachstumsgeschwindigkeiten
     Die deutsche Chemieindustrie ist stark exportorientiert      verändern die ökonomische Landkarte. Chinas Anteil am
und ihre Unternehmen sichern durch ihre internationale Auf-       Welt-BIP steigt von heute rund 9 Prozent bis 2030 auf 17 Pro-
stellung die Produktion in Deutschland. Insofern ist die welt-    zent. Auch Brasiliens Gewicht wächst. Der Bedeutungsgewinn
wirtschaftliche Entwicklung wesentlicher Faktor für die Ent-      der Schwellenländer geht primär zulasten von West-Europa
wicklungsmöglichkeiten der deutschen Chemie.                      und Japan, während die USA ihren Anteil und ihre führende
                                                                  Position für die Weltwirtschaft bis 2030 aufrechterhalten
Weltwirtschaft insgesamt                                          können. Der US-Dollar bleibt die globale Leitwährung. Damit
    Der Welthandel wird in den kommenden 20 Jahren nicht          bleiben die USA weiterhin ein attraktives Ziel für die internati-
mehr so dynamisch wachsen wie in den zurückliegenden              onalen Kapitalmärkte.
Dekaden, in denen der Beitritt des ehemaligen Ostblocks
und Chinas in den Weltmarkt den Handel befeuerten. Seine              Ursächlich für das verlangsamte Wachstum in West-
Bedeutung als Wachstumstreiber der Weltwirtschaft wird            Europa wird neben dem geringen Bevölkerungswachstum
daher abnehmen. Trotz ungünstigerer Rahmenbedingungen             und der spürbaren Alterung vor allem die dämpfende Wir-
wird die Weltwirtschaft im Prognosezeitraum mit 3,0 Prozent       kung der fiskalischen Konsolidierung sein. Zwischen den ein-
pro Jahr genauso dynamisch wachsen wie vor der Krise.             zelnen Mitgliedsländern wird es allerdings weiterhin deutliche
Ursächlich hierfür ist die starke Gewichtszunahme der Schwel-     Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung geben.
lenländer, die auch in der Zukunft ein höheres Wachs-
tumstempo aufweisen und mit ihrem steigenden Gewicht das              Auch in China zeichnet sich trotz anhaltend hoher Wachs-
globale Expansionstempo stützen. Die wirtschaftliche Ent-         tumsraten im Prognosezeitraum eine Verlangsamung der wirt-
wicklung einzelner Länder ist von erheblichen Divergenzen         schaftlichen Dynamik ab. Chinas bisheriges Wachstumsmo-
geprägt. Während sich das Wirtschaftswachstum in den              dell stößt an seine Grenzen. Die alternde chinesische
meisten Ländern abschwächt, finden die USA langfristig zu         Bevölkerung wirkt sich schon in den kommenden Jahren
ihrer alten Stärke zurück. Auch Brasilien gewinnt dank seiner     dämpfend auf das Wachstum aus. Darüber hinaus zeigen sich
Rohstoffbasis und einer günstigen demografischen Entwick-         mit einer sinkenden Nachfragedynamik aus den Industrielän-
lung an wirtschaftlicher Dynamik. Trotz Wachstumsabschwä-         dern, abnehmendem Lohnvorteil, wachsenden Umweltprob-
chung expandieren China und Indien weiterhin überaus dyna-        lemen, Sättigungstendenzen beim Kapazitätsaufbau und
misch, während sich Japan und einige europäische Länder           einer realen Aufwertung des Renminbi Grenzen des export-

    Abb. 2: Wachstum schwächt sich ab                                 Abb. 3: Konsolidierung kostet Wachstum
    Durchschnittliche Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts        Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts in ausgewählten
    pro Jahr                                                          Ländern, Index 2007 = 100
                                                                      120
                            2,9 %
          USA
                           2,8 %
                                                                      115
                                                    9,9 %                                                                    Portugal
        China
                                          6,5 %                       110

                  1,1 %
        Japan                                     1995 – 2008
                   1,3 %                                              105
                                                  2011 – 2030                                      Groß -
                                                                                                  britannien              Spanien
     Deutsch-      1,6 %                                              100
      land        1,3 %
                                                                                                                          Italien
    Schwellen-                          6,0 %                         95
      länder                        5,3 %
                                                                      90
     Industrie-          2,5 %
       länder          2,2 %                                                                                         Griechenland
                                                                      85
                            3,0 %
          Welt
                            3,0 %                                     80
                                                                            2007   2009   2011   2013    2015    2017    2019

    Im Vergleich zur Vordekade verlangsamt sich in nahezu allen       Die Konsolidierungsbemühungen werden mittelfristig das
    Ländern das Wirtschaftswachstum. Dank des Anteilsgewinns          Wachstum hemmen. Bis 2020 werden aber alle europäischen
    der dynamischeren Schwellenländer bleibt aber das weltweite       Krisenländer, bis auf Griechenland, ihr Vorkrisenniveau wieder
    Wachstum genauso stark wie in der Vergangenheit.                  überschritten haben.

                                                                                                                                        7
Die deutsche chemische Industrie in den bundesländern 2030 nordrhein-Westfalen - ChemCologne
Die zukünftigen Rahmenbedingungen

    getriebenen Wachstums Chinas. Die Volksrepublik sieht sich                             Die Produktion beider Wirtschaftszweige wird bis 2030 um
    demnach in den kommenden 20 Jahren mit großen Heraus-                                  rund 4,5 Prozent pro Jahr ausgedehnt. Die globale Dynamik
    forderungen (massive Alterung der Bevölkerung auf Grund                                ergibt sich vor allem aus dem hohen und weiter wachsenden
    der Ein-Kind-Politik, Aufrechterhaltung der politischen Stabi-                         Produktionsanteil Chinas. Im Textilgewerbe legt Chinas Anteil
    lität bei geringerem Wachstum, Aufbau sozialer Sicherungs-                             am Weltmarkt von etwa 48 auf 66 Prozent und bei Gummi-
    systeme) konfrontiert, die sie jedoch meistern kann. Durch                             und Kunststoffwaren von 22 auf 43 Prozent zu. Der
    einen Wechsel des Wachstumsparadigmas vom Export zu                                    Maschinen- und Fahrzeugbau wird bis 2030 weltweit jährlich
    mehr Binnennachfrage wird die Bedeutung Chinas als Konsu-                              um 3,9 bzw. 3,5 Prozent wachsen. Die globale Chemieproduk-
    mentenmarkt zunehmen.                                                                  tion steigt mit durchschnittlich 4,5 Prozent etwas dynami-
                                                                                           scher. Dies ist unter anderem auf eine steigende Chemiein-
    Weltweite Branchenentwicklung                                                          tensität bei den Kunden zurückzuführen. Die höchste
         Die Nachfragestrukturen auf den globalen Märkten                                  Dynamik weist trotz einer leichten Verlangsamung die Elekt-
    werden sich in den kommenden 20 Jahren verändern. In den                               rotechnik mit einer durchschnittlichen jährlichen Steigerungs-
    Schwellenländern wird die Nachfrage überwiegend vom                                    rate von 5,1 Prozent auf. Sie kann ihren globalen Bedeutungs-
    Bevölkerungswachstum und zunehmenden Wohlstand                                         vorsprung damit ausweiten.
    getragen. In den Industrieländern verändert sich die Nach-
    frage durch neue Anforderungen hinsichtlich einer stei-                                     Wertschöpfungsketten werden internationaler, die inter-
    genden Energieeffizienz, eines zunehmenden Umweltbe-                                   nationale Arbeitsteilung wird weiter zunehmen. Insbesondere
    wusstsein der Konsumenten, des Einsatzes regenerativer                                 in Asien nimmt die Verflechtung zwischen den Volkswirt-
    Energien und einer alternden Bevölkerung. Die Partizipation                            schaften weiter zu. In diesen Ländern wächst die Industrie
    neuer Käufergruppen am globalen Konsum und die verän-                                  dynamisch. Viele Nationen haben aus der globalen Wirt-
    derte Nachfragestruktur erfordern weiteren Kapazitätsaufbau                            schaftskrise den Schluss gezogen, dass ein industrieller Kern
    in der Industrie. Die industrielle Wertschöpfung wird bis 2030                         essentieller Bestandteil einer Volkswirtschaft ist. In Nordame-
    auf globaler Ebene mit 4,0 Prozent pro Jahr stärker wachsen                            rika und Europa gelingt es daher besser als in den vorange-
    als in der Vergangenheit und sogar etwas schneller als die                             gangen Dekaden, industrielle Aktivitäten zu halten und die
    Gesamtwirtschaft, die mit rund 3,0 Prozent pro Jahr zunimmt.                           Industrie sogar teilweise wieder zu revitalisieren – der Trend
         Die globale Branchenstruktur bleibt weitgehend kons-                              zu mehr Dienstleistungen kann jedoch nicht vollends
    tant. Die kundennahen Industrien wie die Herstellung von                               gestoppt werden. Die Industrieländer werden sich zuneh-
    Gummi- und Kunststoffwaren sowie das Textil- und Beklei-                               mend auf hochwertige Produkte konzentrieren und die wei-
    dungsgewerbe können ihr Wachstum leicht beschleunigen.                                 tere Verschiebung der Wertschöpfung Richtung Asien und

       Abb. 4: INDUSTRIEPRODUKTION STEIGT BIS 2030 UM                                         Abb. 5: Schwellenländer bauen Industrie­anteil
       4 PROZENT PRO JAHR                                                                     aus
       Globales Wachstum der Branchen in Prozent pro Jahr;                                    Wertschöpfung nach Wirtschaftssektoren in den Industrie- und
       Wachstumsbeitrag Chinas in Prozent, 2011–2030                                          Schwellenländern

            Elektrotechnik                                                                       Landwirtschaft       Produzierendes Gewerbe       Dienstleistung
                                                       60                           +5,1

                   Chemie                         61                         +4,5
               Gummi- und
          Kunststoffwaren                         59                         +4,5
       Textil-/Bekleidungs-                                                                                                           50,4 %       53,9 %
                  gewerbe                                    81           +4,4
                                                                                                     66,3 %
                   Metalle                                                                                         75,5 %
                                                   68                     +4,3

            Industrie insg.                  54                        +4,0

            Maschinenbau                     57                       +3,9
                                                                                                                                      37,7 %
             Fahrzeugbau           34                              +3,5                                                                            39,9 %

         Glas und Keramik           43                         +3,3                                  31,5 %
                                                                                                                   23,1 %
               Papier- und
                                        56                  +2,9                 Anteil                                               11,9 %
            Druckgewerbe                                                                              2,2 %         1,4 %                           6,2 %
                                                                                 China
                Ernährung     26                       +2,7                                           1995           2030              1995          2030
                                                                                                         Industrieländer                Entwicklungsländer

       Die Industrialisierung schreitet voran. Global wächst die                              In den Industrieländern setzt sich der Trend zu mehr Dienst­
       Industrie etwas dynamischer als die Gesamtwirtschaft. In den                           leistung und weniger Industrie fort. Dagegen bauen die
       meisten Branchen ist der Wachstumsbeitrag Chinas hoch. Im                              Schwellen­länder ihren Industrieanteil an der gesamten
       Textilbereich kommt das Wachstum zu mehr als 80 Prozent aus                            Wertschöpfung im Prognosezeitraum noch weiter aus.
       China.

8
Die zukünftigen Rahmenbedingungen

Lateinamerika damit verlangsamen. Die Verschiebung der          Deutsche Branchenentwicklung
industriellen Wachstumszentren in die Schwellenländer hält          Dass Deutschland trotz der beschriebenen demografi-
bis 2030 an, jedoch mit deutlich geringerem Tempo als noch      schen Entwicklung vergleichsweise positive langfristige
in der letzten Dekade.                                          Wachstumsperspektiven hat, ist u.a. auf den starken industri-
                                                                ellen Kern zurückzuführen. Deutschland bleibt ein beliebter
Die Entwicklung in Deutschland                                  Standort für die Industrieproduktion. Rund 21 Prozent der
                                                                deutschen Wertschöpfung stammen auch zukünftig aus der
Gesamtwirtschaft                                                Industrie. Zum Vergleich: In Frankreich sinkt der Anteil bis
    Deutschland zeichnet sich derzeit durch wirtschaftliche     2030 auf 10 Prozent, und in den USA bleibt er mit rund 14 Pro-
Stabilität aus und steht im Vergleich zu vielen anderen Län-    zent auf niedrigem Niveau.
dern des Euroraums gut da. Im Zeitraum bis 2030 wird die
deutsche Wirtschaft jedoch nur noch um 1,3 Prozent pro Jahr          Im Unterschied zu anderen Volkswirtschaften zeichnet
wachsen.                                                         sich die deutsche Industrielandschaft durch eine erfolgreiche
                                                                 Mischung aus mittelständischen Betrieben sowie großen
     Der Beitrag der Exportwirtschaft zum Bruttoinlandspro-      Unternehmen aus. Deutsche Industrieprodukte sind aufgrund
dukt wird im Vergleich zum heutigen Wert abnehmen. Ursäch- ihrer hohen Qualität im In- wie im Ausland gleichermaßen
lich ist der hohe Anteil Europas an den deutschen Exporten.      wettbewerbsfähig. Das bedeutet deutsche Industrieunter-
Denn im Prognosezeitraum wächst der Europäische Markt            nehmen profitieren einerseits von einer wachsenden Nach-
schwächer, als die insgesamt dynamischer wachsende Welt-         frage aus den Schwellenländern, andererseits jedoch auch
wirtschaft. Mit einem Wachstumsbeitrag von 34 Prozent bleibt von Nachfrageimpulsen im Inland. Zudem herrscht in
der Außenbeitrag aber eine zentrale Stütze des deutschen         Deutschland ein starker Industrieverbund, das heißt jede
Wachstums. Zusätzliche Impulse kommen aus der Binnen-            deutsche Branche profitiert direkt auch von dem Erfolg der
nachfrage: Der Private Konsum wird unter anderem infolge         anderen Branche. Dies ermöglicht die gemeinsame Entwick-
einer Reallohnsteigerung von 1,4 Prozent pro Jahr künftig        lung komplexer Lösungen. Die Entwicklung der Wertschöp-
einen höheren Wachstumsbeitrag leisten. Sein Anteil am jähr- fungsketten belegt, dass trotz zunehmender Internationalisie-
lichen Wirtschaftswachstum steigt im Prognosezeitraum auf        rung nach wie vor ein Großteil der Vorleistungen aus dem
42 Prozent. Vom Staatskonsum geht im Zuge anhaltender            Inland bezogen werden.
Konsolidierungsbemühungen hingegen nur noch ein schwa-
cher Wachstumsimpuls aus.                                            Treiber der deutschen Industrieproduktion sind starke
                                                                 Leitbranchen, die ihre hohe Wettbewerbsfähigkeit auf den
     Bremsend auf die wirtschaftliche Dynamik Deutschlands       Weltmärkten behaupten werden. Zu den Leitbranchen zählen
wirkt zudem der fortschreitende demografische Wandel. Die        neben der chemischen Industrie der Fahrzeugbau, der
deutsche Bevölkerung schrumpft und altert spürbar. Die Zahl Maschinenbau, die Elektrotechnik sowie die Gummi- und
der in Deutschland lebenden Menschen wird bis zum Jahr           Kunststoffverarbeitung. Die Leitbranchen wachsen in den
2030 um rund 2,3 Millionen auf 79,3 Millionen sinken. Mit        kommenden 17 Jahren mit 1,8 Prozent pro Jahr und damit
einem Rückgang von 6,4 Millionen geht die Zahl der Men-          dynamischer als das übrige Verarbeitende Gewerbe. Trotz der
schen im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren          Gemeinsamkeit einer überdurchschnittlichen Dynamik unter-
besonders stark zurück. Der Rückgang des Arbeitsangebotes scheiden sich auch die industriellen Leitbranchen in ihrer
wird nur teilweise durch Zuwanderung ausgeglichen. Insbe-        zukünftigen Entwicklung. Für die Herstellung von Gummi-
sondere in der Phase nach 2020 sinkt das Arbeitskräftepoten- und Kunststoffwaren bedeutet ein durchschnittliches
zial durch das Ausscheiden der Babyboomer-Generation aus         Wachstum von 1,8 Prozent pro Jahr eine spürbare Verlangsa-
dem Erwerbsleben deutlich. Trotz eines Rückgangs der             mung gegenüber dem Zeitraum 2000 bis 2008 (3,4 Prozent
Arbeitslosenquote auf 3,7 Prozent bis 2030 und steigender        pro Jahr). Die wachsende Nachfrage aus den Schwellenlän-
Erwerbstätigenquoten, besonders in den älteren Bevölke-          dern zeigt sich in einem Bedeutungsgewinn des Exports für
rungsgruppen, übt die Verknappung des Arbeitskräftepoten- die Branche. Für den deutschen Maschinenbau bedeutet die
zials Druck auf Preise und Löhne aus. Der steigende Reallohn zukünftig Wachstumsdynamik von durchschnittlich 1,8 Prozent
geht mit einer Steigerung der Arbeitsproduktivität einher,       pro Jahr ebenfalls eine Verlangsamung gegenüber der Vorde-
sodass Deutschland weiter wettbewerbsfähig bleibt. Die           kade (2,2 Prozent pro Jahr). In der Exportentwicklung der
durchschnittliche jährliche Arbeitszeit steigt von aktuell 1.400 beiden Branchen zeigen sich zudem weitere Gemeinsam-
auf 1.500 Stunden pro Jahr.                                      keiten: China gewinnt als Abnehmer deutscher Maschinen-
                                                                 bauerzeugnisse spürbar an Bedeutung. Als Folge steigt die
     Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen sind damit die    Bedeutung des Exports für den Erfolg des deutschen Maschi-
entscheidenden Determinanten, um die in den kommenden            nenbaus im Prognosezeitraum an. Dies gilt weitestgehend
Jahren zunächst weiter steigende Wettbewerbsfähigkeit            auch für den deutschen Fahrzeugbau, wenngleich die USA
deutscher Produkte zu erklären. Ab Mitte dieses Jahrzehnts       das wichtigste Zielland für deutsche Fahrzeugexporte bleiben
bedingt die Beschleunigung des Lohn- und Preiswachstums          werden. In der Vergangenheit (2000–2008) ist der deutsche
jedoch, dass der relative reale Wechselkurs Deutschlands         Fahrzeugbau mit einer jährlichen Rate von durchschnittlich 3,7
nicht mehr weiter sinkt. Dies dämpft die vergleichsweise hohe Prozent wesentlich dynamischer gewachsen, als für die
Exportperformance Deutschlands. Der deutsche Handelsbil- Zukunft vorhergesagt (1,8 Prozent). Die deutsche Elektro-
anzüberschuss wird daher zukünftig sinken.                       technik macht im Jahr 2030 rund 16 Prozent der gesamten

                                                                                                                                  9
Die zukünftigen Rahmenbedingungen

     deutschen Industrieproduktion aus. War die Elektrotechnik in            Global wird die Chemieproduktion in den Schwellenlän-
     der Vergangenheit (2000–2008) mit einem durchschnittlichen          dern deutlich schneller wachsen als in den Industrieländern.
     Wachstum von 5,1 Prozent pro Jahr die mit Abstand dyna-             Neue Produktionskapazitäten werden auch zukünftig in Regi-
     mischste Industriebranche, nähert sich ihr Wachstum im Prog-        onen mit starkem Nachfragewachstum aufgebaut. In der Län-
     nosezeitraum an das der übrigen deutschen Leitbranchen an,          derstruktur zeigt sich im Prognosezeitraum dennoch eine
     bleibt mit 1,9 Prozent pro Jahr jedoch leicht überdurchschnitt-     relative Konstanz. Nur China kann als Folge seiner massiv stei-
     lich.                                                               genden Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen weitere
                                                                         Anteile an der globalen Produktion hinzugewinnen. Der
     Entwicklung der deutschen Chemie                                    Bedeutungszuwachs geht im Wesentlichen gleichmäßig zu
          Wer wissen möchte, wie sich die chemische Industrie in         Lasten der Industrieländer. Trotz eines Anteilsverlusts bleiben
     Deutschland in den kommenden 20 Jahren entwickelt, sollte           die USA, Japan und Deutschland bedeutende Chemieprodu-
     den Blick auch auf die globale Chemieentwicklung richten.           zenten. Die USA dürften dabei künftig verstärkt von der
     Die zunehmende Internationalisierung lässt eine isolierte Län-      Shale-Gas-Produktion und einem dynamischen Wachstum
     derbetrachtung nicht mehr zu. Die weltweite Nachfrage nach          der heimischen Kunden profitieren.
     chemischen Erzeugnissen wächst im Prognosezeitraum mit
     einer durchschnittlichen jährlichen Rate von 4,5 Prozent                 Die Bundesrepublik ist und bleibt im Prognosezeitraum
     stärker als in der vergangenen Dekade (3,8 Prozent) und             einer der wenigen Nettoexporteure von chemischen Erzeug-
     damit auch stärker als die globale Produktion von Industrie-        nissen und bleibt damit auch viertwichtigster Chemiepro-
     gütern (4,0 Prozent). Das Nachfragewachstum wird dabei von          duzen weltweit. Trotz steigendem Wettbewerbsdruck kann
     zwei Trends getrieben. Zum einen steigt die Nachfrage aus           sich die deutsche Chemie mit ihren innovativen Spezialchemi-
     den Schwellenländern. Dort spielen die wachsende Bevölke-           kalien auf den globalen Chemiemärkten behaupten. Im Inland
     rung und der zunehmende Wohlstand der Mittelschicht eine            bleibt sie wichtiger Zulieferer und Innovationsmotor für
     treibende Rolle. Zum anderen wächst die Chemienachfrage             andere Wirtschaftszweige. Bis 2030 wird die deutsche Che-
     auch in den Industrieländern. Dort findet weniger ein Volu-         mieproduktion jährlich um 1,8 Prozent und damit dynamischer
     menwachstum statt als vielmehr eine Nachfrageverschiebung           als die deutsche Industrie oder die Gesamtwirtschaft
     zugunsten hochwertiger und hochpreisiger innovativer Che-           wachsen. Mit dem hohen globalen Chemiewachstum kann sie
     mikalien. Zudem steigt in einigen Kundenbranchen die Che-           aber nicht Schritt halten.
     mieintensität. Im „Auto der Zukunft“ werden beispielsweise
     durch Elektromobilität und Leichtbau mehr Spezialchemika-              Die deutsche Chemieindustrie profitiert auch zukünftig
     lien benötigt.                                                      vom hohen weltweiten Nachfragewachstum. Die Chemieex-

        Abb. 6: Chemieproduktion wandert nach China                         Abb. 7: Konzentration auf Spezialchemikalien­
        Jährliches Wachstum der Weltchemieproduktion und Anteile            Jährliches Wachstum der deutschen Chemieproduktion;
        ausgewählter Länder in Prozent; 2011–2030                           Anteile der Chemiesparten

                                                                                            + 1,8 %                       Pharma
                                                                                                       19,5 %
                               + 4,5 %                                                                                    Spezialchemie
                                                  China   +7,1 %                                                          Basischemie
                                         47 %

                                                                                   19,5 %
                                                                                                       46,6 %

                                         12 %     USA +3,3 %
                                                                                   43,3 %
                    29 %                 7%       Japan +2,3 %
                                         3%       Deutschland +1,8 %
                    15 %
                        11 %                      Rest Industrieländer
               6%                        20 %
                                                  +2,5 %                                               33,9 %
                                                                                   37,2 %
                    29 %
                                                  Rest Schwellenländer
                                         10 %     +4,0 %
                    11 %
                    2011                 2030                                       2011                2030

        China kann als Folge seiner massiv steigenden Nachfrage nach        Die deutsche Chemieindustrie fokussiert sich zunehmend auf
        chemischen Erzeugnissen weitere Anteile an der globalen             Spezialchemikalien. Dennoch bleibt der Produktionsverbund
        Produktion hinzugewinnen. Der Bedeutungszuwachs geht im             erhalten. Deutschland produziert die notwendigen Basischemi-
        Wesentlichen zulasten der Industrieländer.                          kalien auch zukünftig in Chemieparks und an modernen
                                                                            Verbundstandorten.

10
Die zukünftigen Rahmenbedingungen

porte Deutschlands steigen bis zum Jahr 2030 im Durch-
schnitt um 2,6 Prozent pro Jahr. Im Inland steigt die Nach-
frage nach chemischen Erzeugnissen nur um 1,6 Prozent pro
Jahr. Dies hat zur Folge, dass die Exportabhängigkeit im Pro-
gnosezeitraum zunimmt. Wurden im Jahr 2011 noch 52 Pro-
zent der Gesamtproduktion für das Ausland hergestellt, sind
es zum Ende des Prognosezeitraums bereits 60 Prozent. Zu
den wichtigsten Kunden gehören mit Frankreich, Italien und
Belgien heute ausschließlich europäische Länder. Bis 2030
steigen jedoch die Exporte nach China kräftig, sodass die
Volksrepublik mit einem Exportanteil von 8 Prozent zukünftig
der zweitwichtigste Abnehmer für deutsche Chemieprodukte
sein wird. Gleichwohl bleibt die Exportstruktur auch in
Zukunft stark auf Europa fokussiert.

     Die deutsche Chemische Industrie ist heute breit aufge-
stellt. Rund 37 Prozent der Produktion entfallen auf Basische-
mikalien. Spezialchemikalien, darunter Farben, Pflanzen-
schutzmittel, Spezialkunststoffe und Konsumchemikalien,
stellen mit 43 Prozent den größten Anteil an der deutschen
Chemieproduktion. Die restlichen 20 Prozent sind Pharmazeu-
tika.

     Zukünftig kommt es zu einer zunehmenden Spezialisie-
rung innerhalb der deutschen Chemie. Die Basischemie ver-
liert Anteile, weil sie aufgrund hoher Energiekosten sowie
durch den Aufbau moderner Produktionskapazitäten in den
Schwellenländern Wettbewerbsfähigkeit einbüßen wird.
Demgegenüber gewinnen forschungsintensive und höher-
wertige Spezialchemikalien Produktionsanteile hinzu. Der
Wissensvorsprung der deutschen chemischen Industrie
sichert auch zukünftig die Wettbewerbsposition bei den Spe-
zialchemikalien.

    Das deutsche Chemiewachstum der Zukunft ist damit in
erster Linie ein wertgetriebenes. Das Volumenwachstum
findet hingegen überwiegend in den Schwellenländern statt.
Die deutsche chemische Industrie wird trotz dieses Struktur-
wandels auch 2030 noch diversifiziert und auf sämtlichen Fer-
tigungsstufen vertreten sein.

                                                                                                     11
Die Entwicklung der deutschen Bundesländer

       Die Entwicklung der deutschen Bundesländer
     Die auf den vorhergehenden Seiten skizzierten Entwick-               industriellen Wertschöpfung in den 41 anderen Ländern
     lungen legen zu großen Teilen die Wachstumsperspektiven              des Prognos-Weltmodells gewichtet mit der bundes-
     der Chemischen Industrie in den deutschen Bundesländern              landspezifischen Struktur der Handelspartner im Aus-
     fest.                                                                gangsjahr der Prognose.

          Nachfolgend werden die methodische Vorgehensweise               Im
                                                                         AA   Modell entscheiden zwei Faktoren darüber, ob der pri-
     für die Prognose der Bundesländer skizziert und im weiteren          vate Konsum in einem Bundesland stärker oder schwä-
     Verlauf die Ergebnisse im Überblick vorgestellt. Ab Seite 16         cher wächst als im Bundesdurchschnitt. Zum einen ist hier
     wird detailliert die zukünftige Bundesland- bzw. Regionen-           die relative Exportdynamik des Bundeslandes maßgeb-
     Entwicklung erläutert.                                               lich, welche über die entsprechenden Beschäftigungs-
                                                                          und Einkommenseffekte für Konsumnachfrage sorgt. Zum
     Vorgehensweise                                                       anderen ist ein Konvergenzfaktor implementiert, der eine
         Im Kontext dieser Studie stellen die gesamtdeutschen             – langsame – Angleichung des Pro-Kopf-Konsums zwi-
     Entwicklungen die Rahmenvorgaben für die einzelnen Bun-              schen den Bundesländern bewirkt bzw. einer Divergenz
     desländer dar. Dies bedeutet, dass die aggregierte zukünf-           entgegenwirkt. Dieser Faktor imitiert somit die Transfer-
     tige Dynamik der Bundesländer mit der gesamtdeutschen                zahlungen zwischen den Bundesländern.
     identisch ist. Aufgrund abweichender Rechenstände insbe-
     sondere der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung sind die            Das
                                                                         AA   Wachstum des staatlichen Konsums in einem Bun-
     einzelnen Niveaugrößen (Summe Bundesländer vs. Gesamt-               desland wird durch seine Bevölkerungsentwicklung
     deutschland) nicht immer identisch.                                  bestimmt.

         Basis der Berechnungen ist das Bundesländermodell der            Die
                                                                         AA   Investitions- und Importdynamik resultiert aus der
     Prognos AG. Für die einzelnen Bundesländer ist die zukünf-           Veränderung der obigen Verwendungskomponenten.
     tige Bevölkerungsentwicklung durch die 12. Koordinierte
     Bevölkerungsfortschreibung des Statistischen Bundesamtes            Durch das Modell wird sichergestellt, dass die aggre-
     gegeben (Variante „1W2“)2. Diese Prognose beinhaltet unter      gierte Dynamik der Verwendungskomponenten in den Bun-
     anderem eine Netto-Zuwanderung von 200.000 Personen pro         desländern der gesamtdeutschen entspricht.
     Jahr. Das „Herzstück“ des Modells bilden länderspezifische
     Input-Output-Tabellen, welche eine konsistente Verknüpfung           Das beschriebene Verfahren dient dazu, bundeslandspe-
     der Verwendungskomponenten des Bruttoinlandsproduktes           zifische Abweichungen vom Durchschnittswachstum der Bun-
     (Konsum, Investitionen, Ex- und Importe) mit der Produktion     desländer zu bestimmen. Wenn beispielsweise der staatliche
     und Wertschöpfung der einzelnen Wirtschaftsbereiche             Konsum Gesamtdeutschlands gedämpft wird, so ist dieser
     sicherstellen.                                                  negative Impuls auch beim staatlichen Konsum in den Bun-
                                                                     desländern zu registrieren, in den Ländern mit einer ver-
        Die Ableitung der einzelnen Verwendungskomponenten           gleichsweise günstigeren Bevölkerungsentwicklung jedoch
     baut hierbei aufeinander auf:                                   schwächer.

       Die
      AA    Dynamik der Entwicklung des Exports eines Bundes-        2
                                                                      https://www.destatis.de/bevoelkerungspyramide/, Variante
        landes ergibt sich aus der zukünftigen Veränderung der       1W2

        Tab. 1: Wichtige Kennzahlen nach Bundesländern / Regionen
        Durchschnittliches Wachstum in Prozent pro Jahr, 2011–2030

                                                         Bruttowertschöpfung            Produktion               Erwerbstätige

                              Bevölkerung      BIP       Industrie       Chemie    Industrie    Chemie       Industrie    Chemie

        Baden-Württemberg           0,0 %       1,4 %        1,4 %         1,8 %       1,6 %         2,1 %     – 1,1 %     – 0,6 %
        Bayern                      0,1 %       1,5 %        1,4 %         1,8 %       1,7 %         2,1 %     – 1,0 %     – 0,5 %
        Hessen                      0,0 %       1,5 %        1,3 %         1,7 %       1,5 %         1,8 %     – 1,0 %     – 0,7 %
        Nordrhein-Westfalen       – 0,2 %       1,3 %        1,1 %         1,6 %       1,3 %         1,8 %     – 1,1 %     – 0,7 %
        Mitte                     – 0,2 %       1,2 %        1,1 %         1,5 %       1,3 %         1,7 %     – 1,3 %     – 0,8 %
        Nord                      – 0,1 %       1,1 %        0,9 %         1,3 %       1,1 %         1,5 %     – 1,4 %     – 1,0 %
        Nordost                   – 0,5 %       0,9 %        0,9 %         1,4 %       1,1 %         1,6 %     – 1,4 %     – 0,9 %
        Deutschland               – 0,1 %       1,3 %        1,2 %         1,6 %       1,4 %         1,8 %     – 1,1 %     – 0,6 %

12
Die Entwicklung der deutschen Bundesländer

    Abb. 8: Bayerns Bevölkerung wächst leicht                                                        Abb. 9: Chemie wächst schneller als Industrie
    Veränderung der Bevölkerung und des Bruttoinlandsprodukts                                        Veränderung der Industrie- und Chemieproduktion in Prozent
    in Prozent pro Jahr, 2011 bis 2030                                                               pro Jahr, 2011 bis 2030
                             1,6%                                                                                                                      2,1%
                                                                                       Bayern                                                                          Baden-Württemberg             Bayern

                                                                                                  Veränderung Chemieproduktion (inkl. Pharma) % p.a.
                                                                           Hessen                                                                      2,0%
                             1,5%
                                                                                Baden-                                                                 1,9%
                                                                                Württemberg                                                                                                 Hessen
                             1,4%
                                                                                                                                                       1,8%
                                                                                                                                                                              NRW
    Veränderung BIP % p.a.

                                                                NRW                                                                                                                                  Gesamt-Deutschland
                                                                                                                                                                    Mitte
                             1,3%                                                                                                                      1,7%                                          + 1,8 % p.a.
                                                                          Gesamt-Deutschland                                                                        Nordost
                                                                  Mitte   + 1,3 % p.a.                                                                 1,6%
                             1,2%                                                                                                                                   Nord
                                                                       Nord                                                                            1,5%
                             1,1%                                                                                                                      1,4%

                             1,0%                                                                                                                      1,3%
                                        Nordost
                                                                                                                                                       1,2%
                             0,9%
                                                                      Gesamt-Deutschland                                                               1,1%                         Gesamt-Deutschland:
                                                                      - 0,1 % p.a.                                                                                                  + 1,4 % p.a.
                             0,8%                                                                                                                      1,0%
                                -0,5%   -0,4%     -0,3%   -0,2%    -0,1%   0,0%     0,1%   0,2%                                                           1,0% 1,1% 1,2% 1,3% 1,4% 1,5% 1,6% 1,7% 1,8% 1,9% 2,0% 2,1%
                                                   Veränderung Bevölkerung % p.a.                                                                                  Veränderung Industrieproduktion % p.a.

    Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der                                               In allen Regionen wächst die Chemie- und Pharmaproduktion
    Bevölkerungsentwicklung und dem Wirtschaftswachstum in                                           deutlich schneller als die Produktion im Verarbeitenden
    den Bundesländern und Regionen.                                                                  Gewerbe.

    Mittels der Input-Output-Tabellen lassen sich anschlie-
ßend Produktion und Bruttowertschöpfung der Wirtschafts-
bereiche bestimmen. Die Zahl der Erwerbstätigen in den ein-                                                                                                   Abb. 10: NRW ist wichtiger Wachstums­
zelnen Wirtschaftsbereichen hängt maßgeblich von deren                                                                                                        treiber für die deutsche CHemie
Wertschöpfung ab. Das Modell stellt erneut sicher, dass die                                                                                                   Wachstumsbeiträge der Bundesländer zur gesamt-
                                                                                                                                                              deutschen Chemieproduktion
aggregierte Dynamik mit der gesamtdeutschen identisch ist.

    Die In- und ausländische Industrieproduktion ist ein wei-
terer wichtiger Treiber für die Nachfrage nach Chemikalien.                                                                                                                         29%               NRW      1,8%

Insofern hängt das Wachstum der Chemieproduktion der ein-
zelnen Sparten in den Bundesländern unmittelbar davon ab.

                                                                                                                                                                                    17%               Mitte    1,7%
    Die dafür notwendigen Annahmen wurden in Experten-
Workshops für die Vorgängerstudie breit diskutiert und fest-
gelegt. Dabei wurden auch wichtige Kundenindustrien der                                                                                                                             13%               Hessen     1,8%
Chemie einbezogen.
                                                                                                                                                                                                      Baden -
                                                                                                                                                                                    12%                                 2,1%
                                                                                                                                                                                                      Württemberg
Die Ergebnisse im Überblick
     Das Wirtschaftswachstum in den Bundesländern wird                                                                                                                              11%               Bayern     2,1%
wesentlich durch die relative Bevölkerungsdynamik, die Han-
delsstruktur im Ausgangsjahr sowie durch die bestehende                                                                                                                             10%               Nord-Ost     1,6%

Industriestruktur im jeweiligen Bundesland bestimmt. In                                                                                                                             8%                Nord     1,5%
Abbildung 8 wird der positive Zusammenhang zwischen
                                                                                                                                                                               2011- 2030
Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum deutlich. Spitzen-
reiter der Prognose ist hinsichtlich der Veränderung des Brut-
                                                                                                                                                              Rund 70 Prozent des gesamtdeutschen Anstiegs der
toinlandprodukts Bayern, auf den nächsten Plätzen folgen                                                                                                      Chemieproduktion von jährlich 1,8 Prozent bis 2030
Hessen und Baden-Württemberg. Schlusslichter sind vor                                                                                                         werden von fünf Bundesländern getragen.
allem die ostdeutschen Länder (Region Nordost), wobei hin-
sichtlich des Pro-Kopf-Wachstums Sachsen-Anhalt (Rang 1),

                                                                                                                                                                                                                               13
Die Entwicklung der deutschen Bundesländer

     Sachsen (Rang 3) und Thüringen (Rang 5) weit vorne zu finden                                                           zur (gestrichelten) 45°-Linie fällt für Nordrhein-Westfalen und
     sind.                                                                                                                  die ostdeutschen Länder besonders hoch aus. Hier ist die
                                                                                                                            Chemische Industrie vergleichsweise schwach durch die ins-
          Wesentliche Zielgröße dieser Studie ist die Produktions-                                                          gesamt zurückhaltende industrielle Dynamik betroffen; eine
     menge der Chemischen Industrie und der Sparten „Basis-                                                                 günstige Exportstruktur wird zu dieser relativ positiven Ent-
     chemie“, „Fein- und Spezialchemie“ sowie „Pharma“. Die                                                                 wicklung beitragen.
     gesamtdeutschen Werte aus der Vorgängerstudie geben den
     Rahmen für die aggregierten Einzelgrößen der Bundesländer                                                              Die Ergebnisse im Detail
     vor.                                                                                                                      Im weiteren Verlauf der Studie wird die industrielle Aus-
                                                                                                                            gangsstruktur eines Bundeslandes bzw. einer Region mit fol-
         Der Vorgängerstudie zufolge wird die deutsche Industrie-                                                           gender Grafik illustriert (siehe Abbildung 11).
     produktion bis 2030 mit 1,4 Prozent p.a. wachsen, während
     die Chemische Industrie mit einem leicht höheren Wachstum                                                                   Die horizontale Position der Kugel gibt an, in welchem
     von 1,8 Prozent p.a. an Bedeutung gewinnt. Die durch das                                                               Maße die entsprechende Industriebranche in dem jeweiligen
     Bundesländermodell vorgenommene Differenzierung dieser                                                                 Bundesland im Verhältnis zum Anteil der Branche im Bundes-
     Wachstumsraten nach Bundesländern zeigt ein ähnliches Bild                                                             durchschnitt im Ausgangsjahr der Prognose über- bzw. unter-
     wie in Abbildung 8: Bayern, Baden-Württemberg, und Hessen                                                              repräsentiert ist. Im obigen Beispiel ist der Fahrzeugbau z.B.
     weisen ein überdurchschnittliches Wachstum auf, während                                                                um ca. 5 Prozentpunkte stärker in der Beispielregion vertreten
     NRW im bundesdeutschen Durchschnitt liegt und die übrigen                                                              als im Bundesdurchschnitt.
     Länder unterdurchschnittlich wachsen (vgl. Abbildung 9).
                                                                                                                               Die Position auf der vertikalen Ebene hingegen zeigt an,
         Rund 70 Prozent des gesamtdeutschen Anstiegs der Che-                                                              ob die betreffende Branche auf Bundesebene stärker oder
     mieproduktion bis 2030 werden von den fünf Bundesländern                                                               schwächer als die gesamte bundesweite Industrieproduktion
     Nordrhein-Westfalen (29,0 %-Punkte), Rheinland-Pfalz inkl.                                                             wächst. Die vertikalen Positionen sind somit in jeder der fol-
     Saarland (17,2 %-Punkte), Hessen (13,3 %-Punkte) sowie                                                                 genden Bundesländergrafiken identisch.
     Baden-Württemberg (11,8 %-Punkte) getragen.
                                                                                                                               Im Beispiel ergibt sich für den gesamtdeutschen Fahr-
         Abbildung 9 macht auch deutlich, dass in jedem Bundes-                                                             zeugbau ein um ca. 0,4 Prozentpunkte stärkeres Produktions-
     land bzw. jeder Region die Chemie stärker wächst als die                                                               wachstum als für die Industrie insgesamt.
     gesamte Industrieproduktion. Der entsprechende Abstand

           Abb. 11: Ein hoher Anteil von Leitbranchen wirkt sich positiv auf das Wachstum aus
           Abweichungen in Prozentpunkten vom durchschnittlichen Industriewachstum in Deutschland (2011–2030) und der Produktionsstruktur,
           absolute Größe der Produktion im Jahr 2011
                                                   1,5%
                                                               geringer Anteil Gewinner                                                                           hoher Anteil Gewinner
                                                   1,0%
        Abweichung Durschnittswachstum Industrie

                                                   0,5%

                                                   0,0%

                                                   -0,5%

                                                   -1,0%

                                                   -1,5%

                                                   -2,0%

                                                   -2,5%
                                                               geringer Anteil Verlierer                                                                          hoher Anteil Verlierer
                                                   -3,0%
                                                       -8,0%    -6,0%            -4,0%     -2,0%           0,0%            2,0%           4,0%             6,0%   8,0%            10,0%    12,0%
                                                                                                   Abweichung Produktionsstruktur vom Bundesdurchschnitt

           Die horizontale Position der Kugel gibt an, in welchem Maße eine Industriebranche in dem betrachteten Bundesland im Verhältnis zum
           Anteil der Branche im Bundesdurchschnitt im Ausgangsjahr der Prognose über- bzw. unterrepräsentiert ist. Die vertikale Position zeigt an,
           ob die betreffende Branche auf Bundesebene stärker oder schwächer als die gesamte bundesweite Industrieproduktion wächst.

14
Die Entwicklung der deutschen Bundesländer

    Der Durchmesser einer Kugel zeigt die absolute Größe                                                          Im gezeigten Beispiel kann das entsprechende Bundes-
der Produktion der betreffenden Branche im jeweiligen Bun-                                                   land positiv von der vergleichsweisen hohen Wachstumsdy-
desland im Jahre 2011 auf.                                                                                   namik der Industrie in Osteuropa und „Rest of World“ profi-
                                                                                                             tieren. Hier sind unter anderem die dynamisch wachsenden
     Teilt man nun die Grafik entlang der beiden Null-Achsen                                                 Schwellenländer in Asien und Lateinamerika zu nennen.
in vier Quadranten auf, werden die bundesland- bzw. regions-
spezifischen Vor- und Nachteile der Industriestruktur im Aus-
gangsjahr 2011 deutlich: konzentrieren sich die Kugeln im
rechten oberen Quadranten, so sind in dem Bundesland die-
jenigen Branchen überproportional vertreten, von denen ein
überdurchschnittlich Produktionswachstum erwartet wird. In
der Folge hat dies auch positive Effekte auf die wirtschaft-
liche Entwicklung im betreffenden Bundesland.

    Andersherum ergibt sich ein Bremseffekt, wenn in einem
Bundesland eine hohe Konzentration von Branchen vorliegt,
die im Bundesdurchschnitt vergleichsweise langsam wachsen.
In der obigen Grafik ist dies beispielsweise bei der Papierin-
dustrie der Fall. Darüber hinaus werden so genannte „Klum-
penrisiken“ deutlich, d.h. eine Konzentration der industriellen
Struktur einer Region auf ein oder zwei Wachstumsgewinner.

    In einer zweiten Grafik (siehe Abbildung 12) für die ein-
zelnen Bundesländer wird deren aktuelle Handelspartner-
struktur (2011) der zu erwarteten Dynamik der industriellen
Wertschöpfung der Handelspartner in den Jahren 2011 bis
2030 gegenübergestellt. Auf diese Weise können die zukünf-
tigen Exportperspektiven der einzelnen Bundesländer visuali-
siert werden.

    Abb. 12: Nähe zu Wachstumsmärkten positiv
    Wachstum der Wertschöpfung in der Industrie
    2011–2030, Anteile an Exporten 2011

                                             40%

                                             35%
    Anteil an Land-/Regionexporten in 2011

                                                        West-EU

                                             30%

                                             25%

                                                                     ROW
                                             20%

                                             15%                  Ost-EU

                                             10%
                                                      Süd-EU         USA
                                                                                              China
                                             5%
                                                                     Nord-EU
                                                       Japan
                                             0%
                                               0,0%     1,0%      2,0%     3,0%   4,0%     5,0%       6,0%
                                                      Veränderung der industriellen Wertschöpfung,
                                                                  2011-2030 in % p.a.

    Eine starke Verknüpfung mit dynamisch wachsenden
    Märkten wirkt sich positiv auf das Wachstum der
    Chemieindustrie aus.

                                                                                                                                                                           15
Nordrhein-Westfalen

       Die chemische Industrie in Nordrhein-Westfalen
     Das Wichtigste in Kürze                                                                                            an der bundesweiten Erwerbsbevölkerung wird sich dennoch
          Nordrhein-Westfalen nimmt sowohl bezogen auf seine                                                            leicht auf knapp 22 % erhöhen.
     Bevölkerung als auch seine Wirtschaftsleistung unter den
     deutschen Bundesländern mit großem Abstand die Spitzen-                                                                 Parallel zu den demografischen Veränderungen wird sich
     position ein. Historisch bedingt hat die Erzeugung und Verar-                                                      auch die Zahl der Erwerbstätigen in der Gesamtwirtschaft um
     beitung von Metall hier ein großes Gewicht, aber auch die                                                          0,6 Mio. auf 8,2 Mio. verringern. Den stärksten Rückgang
     Chemische Industrie und der Maschinenbau sind in der Indus-                                                        erwarten wir in der Industrie (-310.000), gefolgt vom Dienst-
     trie des Landes stark vertreten. Die Bevölkerung wird hier                                                         leistungssektor (-234.000). Insgesamt wird die Erwerbstätig-
     stärker als in Gesamtdeutschland schrumpfen. Hinsichtlich                                                          keit in NRW geringfügig schwächer schrumpfen als im Bun-
     seiner wirtschaftlichen Entwicklung erwarten wir bis 2030 für                                                      desgebiet.
     Nordrhein-Westfalen eine Wachstumsentwicklung, die weit-
     gehend der des Bundes entspricht.                                                                                      In der Konsequenz wird die Arbeitslosigkeit deutlich
                                                                                                                        zurückgehen: Für 2030 erwarten wir in Nordrhein-Westfalen
     Bevölkerung und Arbeitsmarkt                                                                                       eine Arbeitslosenzahl von 340.000 Personen, was einer
         Nordrhein-Westfalen stellt mit seinen 17,8 Mio. Einwoh-                                                        Abnahme um 390.000 Personen gegenüber heute entspricht.
     nern rund 22 % der Gesamtbevölkerung Deutschlands und ist
     damit das bevölkerungsreichste Bundesland. Etwa 11,8 Mio.                                                          Ökonomische Ausgangssituation
     Personen in Nordrhein-Westfalen befinden sich im erwerbsfä-                                                             Die gesamte Wirtschaftsleistung Nordrhein-Westfalens
     higen Alter. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung des Landes                                                        entwickelte sich zwischen 1995 bis 2011 mit einer Zuwachsrate
     entspricht der entsprechenden Relation in Gesamtdeutsch-                                                           von knapp 1,2 % p.a. unterdurchschnittlich. Dies ist im
     land.                                                                                                              Wesentlichen auf die sehr schwache Entwicklung der Indus-
                                                                                                                        trie zurück zu führen, deren Wertschöpfung in 2011 nur unwe-
          Den Bevölkerungsvorausberechnungen zufolge wird die                                                           sentlich höher lag als 1995. Ein Blick auf die einzeljährliche
     Gesamtbevölkerung bis 2030 um 0,6 Mio. Personen sinken                                                             Entwicklung zeigt, dass diese Stagnation Folge des Krisen-
     (-0,2 % p.a.). Die Erwerbsbevölkerung schrumpft um etwas                                                           jahres 2009 ist, in dem die Wertschöpfung gegenüber dem
     mehr als 1,4 Mio. Personen (-0,7 % p.a.) und damit deutlich                                                        Vorjahr um 23 % einbrach und bis 2011 nicht wieder das Vor-
     stärker als die Gesamtbevölkerung in NRW. Der Anteil NRWs                                                          krisenniveau erreichen konnte. Die Dienstleistungen hin-

        Abb. 13: die Chemie und der Maschinenbau spielen in Nordrhein-Westfalen eine groSSe Rolle
        Abweichungen in Prozentpunkten vom durchschnittlichen Industriewachstum in Deutschland (2011–2030) und der Produktionsstruktur,
        absolute Größe der Produktion im Jahr 2011
                                                   1,5%
                                                                geringer Anteil Gewinner                                                                hoher Anteil Gewinner
                                                   1,0%
        Abweichung Durschnittswachstum Industrie

                                                   0,5%

                                                   0,0%

                                                   -0,5%

                                                   -1,0%

                                                   -1,5%

                                                   -2,0%

                                                   -2,5%
                                                                geringer Anteil Verlierer                                                               hoher Anteil Verlierer
                                                   -3,0%
                                                       -15,0%                    -10,0%                 -5,0%                          0,0%             5,0%                     10,0%
                                                                                            Abweichung Produktionsstruktur vom Bundesdurchschnitt

        Die chemische Industrie und der Maschinenbau haben in NRW ein hohes Gewicht. Beide Branchen gehören in der Prognose zu den
        Wachstumsgewinnern und treiben so das Wachstum der gesamten Industrie an. Nachteilig für das Land ist der hohe Anteil an wachstums-
        schwachen Branchen wie der Metallerzeugung und -verarbeitung sowie der Nahrungsmittelindustrie.

16
Nordrhein-Westfalen

   Tab. 2: Wichtige Kennzahlen für Nordrhein-Westfalen
   Absolutwerte, Anteile und durchschnittliche jährliche Wachstumsraten 2011–2030

    Bevölkerung und Arbeitsmarkt (in Millionen)                                     2011       2030        Prozent pro Jahr

     Bevölkerung Gesamt                                                              17,8       17,2                – 0,2 %
     Bevölkerung 15-64 Jahre                                                         11,8       10,3                – 0,7 %
     Erwerbstätige                                                                    8,8        8,2                – 0,4 %

    Bruttoinlandsprodukt und Verwendung (in Mrd. €)                                 2011       2030        Prozent pro Jahr

     Bruttoinlandsprodukt (BIP)                                                       0,5        0,7                  1,3 %
      BIP pro Kopf (in 1.000 Euro)                                                   30,2       40,0                  1,5 %
     Privater Konsum                                                                  0,3        0,4                  0,9 %
     Staatlicher Konsum                                                              0,10       0,11                  0,4 %
     Investitionen                                                                   0,08       0,09                  1,1 %
                                                                                                             Veränderung in
   Anteil Branchen an Gesamtdeutschland (in Prozent)                                2011       2030
                                                                                                            Prozentpunkten
     Industrie Insgesamt                                                        20,1%          19,7%                – 0,4 %
     Chemische Industrie                                                        28,3%         28,3%                   0,0 %
     Gummi-/Kunststoffe                                                             19,1%     19,2%                   0,1 %
     Metallerzeugung/-erzeugnisse                                               36,0%         36,5%                   0,5 %
     Elektroindustrie                                                           14,9%         14,9%                   0,0 %
     Maschinenbau                                                               22,3%         22,3%                   0,0 %
     Fahrzeugbau                                                                    9,0%       9,0%                   0,0 %
     sonstige Industrie                                                         22,9%         22,9%                   0,0 %

gegen lagen mit ihrem Wertschöpfungswachstum höher als               Prognose bis 2030
im Bundesdurchschnitt. Besonders der Handel und die Ver-           Die Wirtschaftsleistung Nordrhein-Westfalens wird
kehrsdienstleistungen ragten hierbei heraus.                   unserer Prognose zufolge bis zum Jahr 2030 mit 1,3 % p.a.
                                                               wachsen. Diese Rate entspricht annähernd der des Bundes-
     Seiner Bevölkerungsgröße entsprechend belegt das Bun- durchschnitts und ist zugleich leicht höher als in der Vergan-
desland die Spitzenpositionen bei den absoluten Niveaus von genheit. Der Anteil des Landes an der bundesweiten Wirt-
Wertschöpfung und Beschäftigung in den meisten Wirt-           schaftsleistung verharrt damit auf dem aktuellen Niveau von
schaftszweigen. Trotz dieser absoluten Größe blieb im Zeit-    22 %. Wie auch im Bund werden in Nordrhein-Westfalen die
raum 1995 bis 2011 der Beitrag NRWs zum Wachstum der           Dienstleistungen eine um 0,2 Prozentpunkte höhere Wachs-
gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung im Bund unter dem         tumsperformance bis 2030 zeigen als die Industrie. Beim
Beitrag Bayerns.                                               Bruttoinlandsprodukt pro Kopf kann das Bundesland seine
                                                               Position gegenüber dem Bundesdurchschnitt leicht aus-
     Beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und der Erwerbstäti- bauen.
genproduktivität liegt das Bundesland leicht über dem Bun-
desdurchschnitt. Auffallend ist das vergleichsweise niedrige       Wie schon bei den meisten anderen Kenngrößen weist
Niveau der Produktivität im Fahrzeugbau, welche ein Fünftel    Nordrhein-Westfalen auch bei den Exporten sowohl 2011 als
unter dem Bundesdurchschnitt liegt und hierdurch die lang-     auch 2030 das höchste Niveau auf: Der Wachstumsbeitrag
fristige Wachstumsentwicklung dämpft.                          der Landesexporte zu denen des Bundes liegt zwischen 2011
                                                               und 2030 bei 25 %. Hinsichtlich der Dynamik fallen die
     Eine vorteilhafte Eigenschaft der Industriestruktur Nord- Exporte des Bundeslandes jedoch unterdurchschnittlich aus,
rhein-Westfalens ist das vergleichsweise hohe Gewicht der      was im Wesentlichen eine Folge der vergleichsweise ungüns-
Chemischen Industrie und des Maschinenbaus. Die beiden         tigen Industriestruktur ist.
Branchen gehören in unserer Prognose zu den Wachstumsge-
winnern und treiben entsprechend das gesamte Industrie-            Bei der Industrieproduktion des Landes erwarten wir
wachstum in dem Bundesland an. Nachteilig für das Land ist     einen Zuwachs von 1,3 % p.a., was leicht unter der Dynamik
der hohe Anteil an Wachstumsverlierern wie die Metallerzeu- des Bundes liegt. Wachstumsspitzenreiter in NRW sind die
gung und -verarbeitung sowie die Nahrungsmittelindustrie.      Elektroindustrie und der sonstige Fahrzeugbau, die allerdings
Zusätzliche Wachstumsimpulse könnte der zukünftige Ausbau im Vergleich zu Gesamtdeutschland unterdurchschnittlich
der Fahrzeugindustrie generieren, die hier allerdings nur ver- vertreten sind. Gut ein Drittel des bundesweiten Produktions-
gleichsweise schwach vertreten ist.                            wachstums der Chemie bis 2030 wird von den nordrhein-

                                                                                                                               17
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