Die deutsche chemische Industrie in den bundesländern 2030 nordrhein-Westfalen - ChemCologne
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die deutsche chemische Industrie in den bundesländern 2030 nordrhein-Westfalen Regionalergebnisse der VCI-Prognos-Studie
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Einleitung S. 4 Die zukünftigen Rahmenbedingungen S. 5 Die Entwicklung der deutschen Bundesländer S. 12 Die chemische Industrie in Nordrhein-Westfalen S. 16 3
Einleitung Einleitung Die vorliegende Untersuchung basiert auf der VCI-Prognos Studie „Die deutsche chemische Industrie 2030“, die der Ver- band der Chemischen Industrie (VCI) Anfang 2013 veröffent- licht hat1. Im Rahmen der Studie wurden vier Szenarien berechnet. Das „Basisszenario“, das Szenario„zerrissene Wertschöpfungs- ketten“, das Szenario „globale Wachstumsschwäche“ sowie ein Szenario, das ein „innovationsfreundliches Umfeld“ betrachtet. Beim sogenannten „Basisszenario“ handelt es sich um die nach Meinung der Experten wahrscheinlichste Ent- wicklung. In der vorliegenden Studie wird das für Gesamtdeutsch- land erstellte Basisszenario auf die einzelnen Bundesländer heruntergebrochen. Dabei wurde die Struktur der VCI-Lan- desverbände berücksichtigt. So wurden die neuen Bundes- länder und Berlin in der Region „Nordost“ zusammengefasst. Die Region „Nord“ umfasst im weiteren Verlauf der Studie die Bundesländer Bremen, Hamburg, Niedersachen sowie Schleswig Holstein. Das Saarland wurde auf Grund seiner Größe mit Rheinland-Pfalz zur Region „Mitte“ zusammenge- fasst. Das Basisszenario unterstellt auf globaler Ebene, dass die Staatsschuldenkrisen in den Vereinigten Staaten, Japan und Europa durch eine behutsame, aber konsequente Konsolidie- rung allmählich entschärft werden, es China unter anderem durch den Aufbau eines Sozialsystems gelingt, den privaten Konsum zu stärken und die Politik weltweit der Versuchung widersteht, die heimische Wirtschaft durch protektionistische Maßnahmen vom globalen Wettbewerb abzuschotten. Auf nationaler Ebene wird im Basisszenario unter anderem erwartet, dass weitere Anstrengungen unter- nommen werden, um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirt- schaftsstandortes Deutschland aufrechtzuerhalten. Dazu zählen moderate Erfolge bei der Migration von Fachkräften, eine höhere Erwerbsbeteiligung und die Verbesserung der schulischen Bildung. Für die Energiepreise wurde ein mode- rater Anstieg unterstellt, der nach den seinerzeit vorlie- genden Erkenntnissen über die Energiewende am wahr- scheinlichsten erschien. In politischer Sicht wird im Basisszenario erwartet, dass die Konsolidierung der Staats- haushalte gelingt und die Wirtschaftspolitik auf den Erhalt der Wertschöpfungsketten und die Stärkung des Industrie- netzwerkes setzt. 1 VCI-Prognos Studie „Die deutschen chemische Industrie 2030“: https://extranet.vci.de/Die-Branche/chemie-2030/ Seiten/VCI-Prognos-Studie--Die-deutsche-chemische-Indus- trie-2030.aspx 4
Die zukünftigen Rahmenbedingungen Die zukünftigen Rahmenbedingungen Wie sich die Chemische Industrie in Deutschland insgesamt Globale demografische Entwicklung und in den einzelnen Bundesländern bis zum Jahr 2030 entwi- Dynamik und Divergenz prägen die weltweiten demogra- ckelt, wird maßgeblich von den Entwicklungen der weltwirt- fischen Entwicklungen im 21. Jahrhundert. Nach Schätzungen schaftlichen und der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedin- der UN wird die Weltbevölkerung im Laufe der nächsten 20 gungen mitbestimmt. Treiber für die wirtschaftliche Jahre von heute sieben Milliarden auf 8,3 Milliarden Men- Entwicklung sind Megatrends, die nicht zwangsläufig ökono- schen anwachsen. Die demografischen Prozesse in dieser Zeit mischer Natur sein müssen. Im Folgenden werden daher verlaufen regional sehr unterschiedlich. In den Entwicklungs- zunächst die Annahmen zu den zentralen Treibern (Megat- und Schwellenländern wird die Bevölkerung dynamisch rends) aufgezeigt, bevor die hieraus resultierende Entwick- wachsen. 2030 werden dort rund sieben Milliarden Menschen lung der Weltwirtschaft und der deutschen Wirtschaft bis bzw. 85 Prozent der Weltbevölkerung leben. Der Anteil der 2030 dargestellt wird. Menschen, die in Industrieländern leben, nimmt dagegen bis 2030 ab, wenngleich die Bevölkerung auch dort zunimmt, Die globalen Megatrends als zentrale Treiber allerdings mit geringerer Dynamik. Zwar steigt in den USA die Eckpfeiler der Basisprognose sind die Megatrends Demo- Bevölkerung dank einer regen Zuwanderung kräftig. In den grafie, Technologie und Humankapital, Energie und Res- übrigen Industrieländern wächst die Bevölkerungszahl aber sourcen, Umwelt und Klima sowie Staatsfinanzen. Annahmen nur noch leicht. In Deutschland, Russland und Japan werden zur Entwicklung dieser zentralen Treiber wurden auf Grund- zukünftig sogar weniger Menschen leben. lage vergangener Trends, sich abzeichnender aktueller Ent- wicklungen und Expertise aus VCI-Mitgliedsunternehmen, Eine steigende Lebenserwartung führt außerdem dazu, den Kundenindustrien und dem Bundesverband der deut- dass die Weltbevölkerung altern wird. Heute leben 760 Milli- schen Industrie getroffen. Der Modellapparat der Prognos onen Menschen auf der Erde, die älter als 60 Jahre sind. Bis AG sorgt dabei für die innere Konsistenz der erstellten Prog- zum Jahr 2030 wird sich diese Zahl nahezu verdoppeln. Vor nose. allem in den Industrieländern wird die Bevölkerung stark Abb. 1: WELTBEVÖLKERUNG WÄCHST – LEBENSERWARTUNG STEIGT absolute Bevölkerung 2030 in Millionen schnell 49,2 Bevölkerung altert 1.379,0 87,7 232,8 37,6 38,9 19,4 127,3 136,3 17,6 49,9 367,8 121,2 70,5 1.524,9 79,3 10,8 langsam 50,1 70,4 64,6 11,6 47,7 Bevölkerung schrumpft Bevölkerungsveränderung 2011–2030 in Prozent pro Jahr Bevölkerung wächst In allen Ländern steigt die Lebenserwartung und damit der Anteil der Personen über 65 Jahre. Zudem schrumpft in Japan, Russland, Polen und Deutschland die Bevölkerung. Quelle: Vereinte Nationen 2010 5
Die zukünftigen Rahmenbedingungen altern, während in den Entwicklungs- und Schwellenländern je Barrel bis zum Jahr 2030 unterstellt (in Preisen von 2010). der Anteil älterer Menschen kaum steigt. China bildet hier Inflationiert mit der Preisentwicklung des Bruttoinlandspro- infolge seiner Ein-Kind-Politik eine Ausnahme. Dort wird die dukts der USA ergibt sich ein nominaler Preis von 243 US- Bevölkerung in etwa so schnell altern wie in den Industrielän- Dollar je Barrel in 2030. dern. Die Verteuerung wichtiger Rohstoffe bremst die weltwirt- Das globale Bevölkerungswachstum ist ein zentraler schaftliche Dynamik. Nur rohstoffreiche Länder können profi- Wachstumstreiber für die Weltwirtschaft, denn die weltweite tieren. Hierzu zählen neben den USA, Brasilien und Russland Nachfrage nach Nahrung, Gütern und Dienstleistungen wird vor allem die Golfstaaten und einige afrikanische Staaten. spürbar steigen. Auch das Arbeitskräfteangebot wächst. Anderen Ländern wird hingegen Kaufkraft entzogen. Allerdings fällt der Zuwachs hier aufgrund der gleichzeitigen Daneben setzen steigende Rohstoffpreise Anreize zu einer Alterung der Weltbevölkerung weniger stark aus. Dabei noch ressourceneffizienteren Produktion und zur Herstellung werden nicht alle Regionen der Welt von der demografischen von Produkten, mit deren Hilfe Ressourcen eingespart Entwicklung in gleichem Maße profitieren können. Die werden können. Vielerorts wird dieser Effekt durch politische Wachstumsimpulse werden in den Schwellenländern jedoch Rahmensetzung verstärkt, sodass im Prognosezeitraum die deutlich stärker sein. Jedoch können auch die Industrieländer Ressourceneffizienz weltweit steigt. durch zunehmende Exporte, durch Importe von Vorleis- tungen und durch die Einwanderung von Fachkräften aus den Umwelt und Klima aufstrebenden Volkswirtschaften profitieren. Der Bevölke- Der politische und gesellschaftliche Stellenwert der Nach- rungsrückgang und die rasche Alterung wirken in Deutsch- haltigkeit wird spürbar steigen. In nahezu allen Ländern land jedoch wachstumshemmend. werden in Zukunft Emissionen von Treibhausgasen bzw. die Umweltbelastungen begrenzt. Dabei bleiben aber das Technologie und Humankapital Bewusstsein und das Anspruchsniveau in den Weltregionen Weitere wichtige Treiber für die weltwirtschaftliche Ent- unterschiedlich. Die Umweltstandards in den Industrieländern wicklung sind der technologische Fortschritt und eine werden auch zukünftig höher und die Klimaschutzpolitik ehr- Zunahme des Wissens. Die technologische Entwicklung steigt geiziger sein als in den Schwellenländern. Deutschland und im Prognosezeitraum stetig. Die Folgen sind eine Zunahme Europa bleiben Vorreiter im Klimaschutz. Durch Emissions- der Arbeitsproduktivität und der Ressourceneffizienz sowie handel, Energiesteuern und die Förderung Erneuerbarer bessere Güter und Dienstleistungen. Die Industrieländer – Energien werden die Energiepreise in Europa stärker steigen allen voran die USA, Japan und Deutschland – bleiben die als in anderen Regionen. In Deutschland fällt der Anstieg Innovationsmotoren der Weltwirtschaft. Doch einige Schwel- wegen der Energiewende besonders hoch aus. Da die glo- lenländer, wie beispielsweise China, holen kräftig auf. Innova- balen Divergenzen bestehen bleiben, begünstigt dies die tionen werden sich künftig immer schneller verbreiten und so Produktion in Ländern mit geringeren Umwelt- und Klima- das Wachstum der Weltwirtschaft fördern. schutzauflagen. Für die Basisprognose haben wir die gel- tenden Beschlusslagen unterstellt. Dies berücksichtigt auch Die Unternehmen werden in Zukunft noch stärker als die Ausnahmeregelungen für die energieintensiven Indust- heute auf das Wissen ihrer Mitarbeiter angewiesen sein. Das rien. Bildungssystem wird dadurch zum wichtigen Standortfaktor. Deutschland verfügt dabei auch zukünftig über eine gute Verstärkte Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz Hoch- und Fachhochschulausbildung, und die betriebliche bremsen das wirtschaftliche Wachstum. Andererseits werden Ausbildung sichert die Qualifizierung zukünftiger Fachkräfte. Anreize zu einer nachhaltigen Produktion und zur Herstellung Zudem erhöht sich hierzulande im Prognosezeitraum die Bil- von „Umweltschutzgütern“ gesetzt. Dies beschleunigt in dungsbeteiligung und die Weiterbildung wird gestärkt. einigen Branchen das Wachstum. Die chemische Industrie Zusätzliches Potenzial ergibt sich aus der stärkeren Integra- kann von dieser Entwicklung profitieren. In einigen Anwen- tion von Frauen und älteren Personen in den Arbeitsmarkt. dungen und Kundenbranchen erwarten wir basierend auf Eine moderate Zuwanderung von Fachkräften wird in den bestehenden Trends einen zunehmenden Anteil von Vorleis- kommenden Jahren die deutsche Leistungsfähigkeit stärken. tungen aus der Chemie (z.B. Gebäudedämmung oder Leicht- baukonzepte und Elektroantriebe in der Automobilindustrie). Energie und Ressourcen Ressourcen wie Boden, Wasser, fossile und mineralische Konsolidierung der Staatsfinanzen Rohstoffe sowie Energie stehen nicht unbegrenzt zur Verfü- In den hoch verschuldeten Ländern Europas wird der ein- gung. Aufgrund des globalen Bevölkerungs- und Wirtschafts- geschlagene Kurs der fiskalischen Konsolidierung prinzipiell wachstums werden Ressourcen in den kommenden 20 Jahren beibehalten und letztendlich auch erfolgreich sein. Griechen- relativ knapper. Daran ändert auch die Erschließung neuer land bleibt Mitglied der Eurozone. Insgesamt ist zu erwarten, Lagerstätten (Shale-Gas, Tiefseebohrungen) kaum etwas. Da dass in den betroffenen Ländern die Konsolidierungspläne die steigende Nachfrage auf ein begrenztes Angebot trifft, ist zeitlich gestreckt werden und die politische Stabilität auf- anzunehmen, dass die Preise für Energie und Rohstoffe rechterhalten werden kann. Auch die USA werden konsoli- zukünftig weiter steigen. Für unsere Berechnungen haben wir dieren, wenngleich zurückhaltender als Europa. Insgesamt gemäß dem „current-policies-scenario“ der Internationalen hemmt der Konsolidierungszwang das Wirtschaftswachstum Energie Agentur (IEA) einen Ölpreisanstieg auf 135 US-Dollar der nächsten Jahre und schränkt zudem die finanz- und wirt- 6
Die zukünftigen Rahmenbedingungen schaftspolitischen Spielräume der Industrieländer – gerade in – darunter Deutschland und Italien – mit einem deutlich nied- Europa – spürbar ein. rigeren Wachstum zufrieden geben müssen. Die Entwicklung der Weltwirtschaft Diese unterschiedlichen Wachstumsgeschwindigkeiten Die deutsche Chemieindustrie ist stark exportorientiert verändern die ökonomische Landkarte. Chinas Anteil am und ihre Unternehmen sichern durch ihre internationale Auf- Welt-BIP steigt von heute rund 9 Prozent bis 2030 auf 17 Pro- stellung die Produktion in Deutschland. Insofern ist die welt- zent. Auch Brasiliens Gewicht wächst. Der Bedeutungsgewinn wirtschaftliche Entwicklung wesentlicher Faktor für die Ent- der Schwellenländer geht primär zulasten von West-Europa wicklungsmöglichkeiten der deutschen Chemie. und Japan, während die USA ihren Anteil und ihre führende Position für die Weltwirtschaft bis 2030 aufrechterhalten Weltwirtschaft insgesamt können. Der US-Dollar bleibt die globale Leitwährung. Damit Der Welthandel wird in den kommenden 20 Jahren nicht bleiben die USA weiterhin ein attraktives Ziel für die internati- mehr so dynamisch wachsen wie in den zurückliegenden onalen Kapitalmärkte. Dekaden, in denen der Beitritt des ehemaligen Ostblocks und Chinas in den Weltmarkt den Handel befeuerten. Seine Ursächlich für das verlangsamte Wachstum in West- Bedeutung als Wachstumstreiber der Weltwirtschaft wird Europa wird neben dem geringen Bevölkerungswachstum daher abnehmen. Trotz ungünstigerer Rahmenbedingungen und der spürbaren Alterung vor allem die dämpfende Wir- wird die Weltwirtschaft im Prognosezeitraum mit 3,0 Prozent kung der fiskalischen Konsolidierung sein. Zwischen den ein- pro Jahr genauso dynamisch wachsen wie vor der Krise. zelnen Mitgliedsländern wird es allerdings weiterhin deutliche Ursächlich hierfür ist die starke Gewichtszunahme der Schwel- Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung geben. lenländer, die auch in der Zukunft ein höheres Wachs- tumstempo aufweisen und mit ihrem steigenden Gewicht das Auch in China zeichnet sich trotz anhaltend hoher Wachs- globale Expansionstempo stützen. Die wirtschaftliche Ent- tumsraten im Prognosezeitraum eine Verlangsamung der wirt- wicklung einzelner Länder ist von erheblichen Divergenzen schaftlichen Dynamik ab. Chinas bisheriges Wachstumsmo- geprägt. Während sich das Wirtschaftswachstum in den dell stößt an seine Grenzen. Die alternde chinesische meisten Ländern abschwächt, finden die USA langfristig zu Bevölkerung wirkt sich schon in den kommenden Jahren ihrer alten Stärke zurück. Auch Brasilien gewinnt dank seiner dämpfend auf das Wachstum aus. Darüber hinaus zeigen sich Rohstoffbasis und einer günstigen demografischen Entwick- mit einer sinkenden Nachfragedynamik aus den Industrielän- lung an wirtschaftlicher Dynamik. Trotz Wachstumsabschwä- dern, abnehmendem Lohnvorteil, wachsenden Umweltprob- chung expandieren China und Indien weiterhin überaus dyna- lemen, Sättigungstendenzen beim Kapazitätsaufbau und misch, während sich Japan und einige europäische Länder einer realen Aufwertung des Renminbi Grenzen des export- Abb. 2: Wachstum schwächt sich ab Abb. 3: Konsolidierung kostet Wachstum Durchschnittliche Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts in ausgewählten pro Jahr Ländern, Index 2007 = 100 120 2,9 % USA 2,8 % 115 9,9 % Portugal China 6,5 % 110 1,1 % Japan 1995 – 2008 1,3 % 105 2011 – 2030 Groß - britannien Spanien Deutsch- 1,6 % 100 land 1,3 % Italien Schwellen- 6,0 % 95 länder 5,3 % 90 Industrie- 2,5 % länder 2,2 % Griechenland 85 3,0 % Welt 3,0 % 80 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 Im Vergleich zur Vordekade verlangsamt sich in nahezu allen Die Konsolidierungsbemühungen werden mittelfristig das Ländern das Wirtschaftswachstum. Dank des Anteilsgewinns Wachstum hemmen. Bis 2020 werden aber alle europäischen der dynamischeren Schwellenländer bleibt aber das weltweite Krisenländer, bis auf Griechenland, ihr Vorkrisenniveau wieder Wachstum genauso stark wie in der Vergangenheit. überschritten haben. 7
Die zukünftigen Rahmenbedingungen getriebenen Wachstums Chinas. Die Volksrepublik sieht sich Die Produktion beider Wirtschaftszweige wird bis 2030 um demnach in den kommenden 20 Jahren mit großen Heraus- rund 4,5 Prozent pro Jahr ausgedehnt. Die globale Dynamik forderungen (massive Alterung der Bevölkerung auf Grund ergibt sich vor allem aus dem hohen und weiter wachsenden der Ein-Kind-Politik, Aufrechterhaltung der politischen Stabi- Produktionsanteil Chinas. Im Textilgewerbe legt Chinas Anteil lität bei geringerem Wachstum, Aufbau sozialer Sicherungs- am Weltmarkt von etwa 48 auf 66 Prozent und bei Gummi- systeme) konfrontiert, die sie jedoch meistern kann. Durch und Kunststoffwaren von 22 auf 43 Prozent zu. Der einen Wechsel des Wachstumsparadigmas vom Export zu Maschinen- und Fahrzeugbau wird bis 2030 weltweit jährlich mehr Binnennachfrage wird die Bedeutung Chinas als Konsu- um 3,9 bzw. 3,5 Prozent wachsen. Die globale Chemieproduk- mentenmarkt zunehmen. tion steigt mit durchschnittlich 4,5 Prozent etwas dynami- scher. Dies ist unter anderem auf eine steigende Chemiein- Weltweite Branchenentwicklung tensität bei den Kunden zurückzuführen. Die höchste Die Nachfragestrukturen auf den globalen Märkten Dynamik weist trotz einer leichten Verlangsamung die Elekt- werden sich in den kommenden 20 Jahren verändern. In den rotechnik mit einer durchschnittlichen jährlichen Steigerungs- Schwellenländern wird die Nachfrage überwiegend vom rate von 5,1 Prozent auf. Sie kann ihren globalen Bedeutungs- Bevölkerungswachstum und zunehmenden Wohlstand vorsprung damit ausweiten. getragen. In den Industrieländern verändert sich die Nach- frage durch neue Anforderungen hinsichtlich einer stei- Wertschöpfungsketten werden internationaler, die inter- genden Energieeffizienz, eines zunehmenden Umweltbe- nationale Arbeitsteilung wird weiter zunehmen. Insbesondere wusstsein der Konsumenten, des Einsatzes regenerativer in Asien nimmt die Verflechtung zwischen den Volkswirt- Energien und einer alternden Bevölkerung. Die Partizipation schaften weiter zu. In diesen Ländern wächst die Industrie neuer Käufergruppen am globalen Konsum und die verän- dynamisch. Viele Nationen haben aus der globalen Wirt- derte Nachfragestruktur erfordern weiteren Kapazitätsaufbau schaftskrise den Schluss gezogen, dass ein industrieller Kern in der Industrie. Die industrielle Wertschöpfung wird bis 2030 essentieller Bestandteil einer Volkswirtschaft ist. In Nordame- auf globaler Ebene mit 4,0 Prozent pro Jahr stärker wachsen rika und Europa gelingt es daher besser als in den vorange- als in der Vergangenheit und sogar etwas schneller als die gangen Dekaden, industrielle Aktivitäten zu halten und die Gesamtwirtschaft, die mit rund 3,0 Prozent pro Jahr zunimmt. Industrie sogar teilweise wieder zu revitalisieren – der Trend Die globale Branchenstruktur bleibt weitgehend kons- zu mehr Dienstleistungen kann jedoch nicht vollends tant. Die kundennahen Industrien wie die Herstellung von gestoppt werden. Die Industrieländer werden sich zuneh- Gummi- und Kunststoffwaren sowie das Textil- und Beklei- mend auf hochwertige Produkte konzentrieren und die wei- dungsgewerbe können ihr Wachstum leicht beschleunigen. tere Verschiebung der Wertschöpfung Richtung Asien und Abb. 4: INDUSTRIEPRODUKTION STEIGT BIS 2030 UM Abb. 5: Schwellenländer bauen Industrieanteil 4 PROZENT PRO JAHR aus Globales Wachstum der Branchen in Prozent pro Jahr; Wertschöpfung nach Wirtschaftssektoren in den Industrie- und Wachstumsbeitrag Chinas in Prozent, 2011–2030 Schwellenländern Elektrotechnik Landwirtschaft Produzierendes Gewerbe Dienstleistung 60 +5,1 Chemie 61 +4,5 Gummi- und Kunststoffwaren 59 +4,5 Textil-/Bekleidungs- 50,4 % 53,9 % gewerbe 81 +4,4 66,3 % Metalle 75,5 % 68 +4,3 Industrie insg. 54 +4,0 Maschinenbau 57 +3,9 37,7 % Fahrzeugbau 34 +3,5 39,9 % Glas und Keramik 43 +3,3 31,5 % 23,1 % Papier- und 56 +2,9 Anteil 11,9 % Druckgewerbe 2,2 % 1,4 % 6,2 % China Ernährung 26 +2,7 1995 2030 1995 2030 Industrieländer Entwicklungsländer Die Industrialisierung schreitet voran. Global wächst die In den Industrieländern setzt sich der Trend zu mehr Dienst Industrie etwas dynamischer als die Gesamtwirtschaft. In den leistung und weniger Industrie fort. Dagegen bauen die meisten Branchen ist der Wachstumsbeitrag Chinas hoch. Im Schwellenländer ihren Industrieanteil an der gesamten Textilbereich kommt das Wachstum zu mehr als 80 Prozent aus Wertschöpfung im Prognosezeitraum noch weiter aus. China. 8
Die zukünftigen Rahmenbedingungen Lateinamerika damit verlangsamen. Die Verschiebung der Deutsche Branchenentwicklung industriellen Wachstumszentren in die Schwellenländer hält Dass Deutschland trotz der beschriebenen demografi- bis 2030 an, jedoch mit deutlich geringerem Tempo als noch schen Entwicklung vergleichsweise positive langfristige in der letzten Dekade. Wachstumsperspektiven hat, ist u.a. auf den starken industri- ellen Kern zurückzuführen. Deutschland bleibt ein beliebter Die Entwicklung in Deutschland Standort für die Industrieproduktion. Rund 21 Prozent der deutschen Wertschöpfung stammen auch zukünftig aus der Gesamtwirtschaft Industrie. Zum Vergleich: In Frankreich sinkt der Anteil bis Deutschland zeichnet sich derzeit durch wirtschaftliche 2030 auf 10 Prozent, und in den USA bleibt er mit rund 14 Pro- Stabilität aus und steht im Vergleich zu vielen anderen Län- zent auf niedrigem Niveau. dern des Euroraums gut da. Im Zeitraum bis 2030 wird die deutsche Wirtschaft jedoch nur noch um 1,3 Prozent pro Jahr Im Unterschied zu anderen Volkswirtschaften zeichnet wachsen. sich die deutsche Industrielandschaft durch eine erfolgreiche Mischung aus mittelständischen Betrieben sowie großen Der Beitrag der Exportwirtschaft zum Bruttoinlandspro- Unternehmen aus. Deutsche Industrieprodukte sind aufgrund dukt wird im Vergleich zum heutigen Wert abnehmen. Ursäch- ihrer hohen Qualität im In- wie im Ausland gleichermaßen lich ist der hohe Anteil Europas an den deutschen Exporten. wettbewerbsfähig. Das bedeutet deutsche Industrieunter- Denn im Prognosezeitraum wächst der Europäische Markt nehmen profitieren einerseits von einer wachsenden Nach- schwächer, als die insgesamt dynamischer wachsende Welt- frage aus den Schwellenländern, andererseits jedoch auch wirtschaft. Mit einem Wachstumsbeitrag von 34 Prozent bleibt von Nachfrageimpulsen im Inland. Zudem herrscht in der Außenbeitrag aber eine zentrale Stütze des deutschen Deutschland ein starker Industrieverbund, das heißt jede Wachstums. Zusätzliche Impulse kommen aus der Binnen- deutsche Branche profitiert direkt auch von dem Erfolg der nachfrage: Der Private Konsum wird unter anderem infolge anderen Branche. Dies ermöglicht die gemeinsame Entwick- einer Reallohnsteigerung von 1,4 Prozent pro Jahr künftig lung komplexer Lösungen. Die Entwicklung der Wertschöp- einen höheren Wachstumsbeitrag leisten. Sein Anteil am jähr- fungsketten belegt, dass trotz zunehmender Internationalisie- lichen Wirtschaftswachstum steigt im Prognosezeitraum auf rung nach wie vor ein Großteil der Vorleistungen aus dem 42 Prozent. Vom Staatskonsum geht im Zuge anhaltender Inland bezogen werden. Konsolidierungsbemühungen hingegen nur noch ein schwa- cher Wachstumsimpuls aus. Treiber der deutschen Industrieproduktion sind starke Leitbranchen, die ihre hohe Wettbewerbsfähigkeit auf den Bremsend auf die wirtschaftliche Dynamik Deutschlands Weltmärkten behaupten werden. Zu den Leitbranchen zählen wirkt zudem der fortschreitende demografische Wandel. Die neben der chemischen Industrie der Fahrzeugbau, der deutsche Bevölkerung schrumpft und altert spürbar. Die Zahl Maschinenbau, die Elektrotechnik sowie die Gummi- und der in Deutschland lebenden Menschen wird bis zum Jahr Kunststoffverarbeitung. Die Leitbranchen wachsen in den 2030 um rund 2,3 Millionen auf 79,3 Millionen sinken. Mit kommenden 17 Jahren mit 1,8 Prozent pro Jahr und damit einem Rückgang von 6,4 Millionen geht die Zahl der Men- dynamischer als das übrige Verarbeitende Gewerbe. Trotz der schen im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren Gemeinsamkeit einer überdurchschnittlichen Dynamik unter- besonders stark zurück. Der Rückgang des Arbeitsangebotes scheiden sich auch die industriellen Leitbranchen in ihrer wird nur teilweise durch Zuwanderung ausgeglichen. Insbe- zukünftigen Entwicklung. Für die Herstellung von Gummi- sondere in der Phase nach 2020 sinkt das Arbeitskräftepoten- und Kunststoffwaren bedeutet ein durchschnittliches zial durch das Ausscheiden der Babyboomer-Generation aus Wachstum von 1,8 Prozent pro Jahr eine spürbare Verlangsa- dem Erwerbsleben deutlich. Trotz eines Rückgangs der mung gegenüber dem Zeitraum 2000 bis 2008 (3,4 Prozent Arbeitslosenquote auf 3,7 Prozent bis 2030 und steigender pro Jahr). Die wachsende Nachfrage aus den Schwellenlän- Erwerbstätigenquoten, besonders in den älteren Bevölke- dern zeigt sich in einem Bedeutungsgewinn des Exports für rungsgruppen, übt die Verknappung des Arbeitskräftepoten- die Branche. Für den deutschen Maschinenbau bedeutet die zials Druck auf Preise und Löhne aus. Der steigende Reallohn zukünftig Wachstumsdynamik von durchschnittlich 1,8 Prozent geht mit einer Steigerung der Arbeitsproduktivität einher, pro Jahr ebenfalls eine Verlangsamung gegenüber der Vorde- sodass Deutschland weiter wettbewerbsfähig bleibt. Die kade (2,2 Prozent pro Jahr). In der Exportentwicklung der durchschnittliche jährliche Arbeitszeit steigt von aktuell 1.400 beiden Branchen zeigen sich zudem weitere Gemeinsam- auf 1.500 Stunden pro Jahr. keiten: China gewinnt als Abnehmer deutscher Maschinen- bauerzeugnisse spürbar an Bedeutung. Als Folge steigt die Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen sind damit die Bedeutung des Exports für den Erfolg des deutschen Maschi- entscheidenden Determinanten, um die in den kommenden nenbaus im Prognosezeitraum an. Dies gilt weitestgehend Jahren zunächst weiter steigende Wettbewerbsfähigkeit auch für den deutschen Fahrzeugbau, wenngleich die USA deutscher Produkte zu erklären. Ab Mitte dieses Jahrzehnts das wichtigste Zielland für deutsche Fahrzeugexporte bleiben bedingt die Beschleunigung des Lohn- und Preiswachstums werden. In der Vergangenheit (2000–2008) ist der deutsche jedoch, dass der relative reale Wechselkurs Deutschlands Fahrzeugbau mit einer jährlichen Rate von durchschnittlich 3,7 nicht mehr weiter sinkt. Dies dämpft die vergleichsweise hohe Prozent wesentlich dynamischer gewachsen, als für die Exportperformance Deutschlands. Der deutsche Handelsbil- Zukunft vorhergesagt (1,8 Prozent). Die deutsche Elektro- anzüberschuss wird daher zukünftig sinken. technik macht im Jahr 2030 rund 16 Prozent der gesamten 9
Die zukünftigen Rahmenbedingungen deutschen Industrieproduktion aus. War die Elektrotechnik in Global wird die Chemieproduktion in den Schwellenlän- der Vergangenheit (2000–2008) mit einem durchschnittlichen dern deutlich schneller wachsen als in den Industrieländern. Wachstum von 5,1 Prozent pro Jahr die mit Abstand dyna- Neue Produktionskapazitäten werden auch zukünftig in Regi- mischste Industriebranche, nähert sich ihr Wachstum im Prog- onen mit starkem Nachfragewachstum aufgebaut. In der Län- nosezeitraum an das der übrigen deutschen Leitbranchen an, derstruktur zeigt sich im Prognosezeitraum dennoch eine bleibt mit 1,9 Prozent pro Jahr jedoch leicht überdurchschnitt- relative Konstanz. Nur China kann als Folge seiner massiv stei- lich. genden Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen weitere Anteile an der globalen Produktion hinzugewinnen. Der Entwicklung der deutschen Chemie Bedeutungszuwachs geht im Wesentlichen gleichmäßig zu Wer wissen möchte, wie sich die chemische Industrie in Lasten der Industrieländer. Trotz eines Anteilsverlusts bleiben Deutschland in den kommenden 20 Jahren entwickelt, sollte die USA, Japan und Deutschland bedeutende Chemieprodu- den Blick auch auf die globale Chemieentwicklung richten. zenten. Die USA dürften dabei künftig verstärkt von der Die zunehmende Internationalisierung lässt eine isolierte Län- Shale-Gas-Produktion und einem dynamischen Wachstum derbetrachtung nicht mehr zu. Die weltweite Nachfrage nach der heimischen Kunden profitieren. chemischen Erzeugnissen wächst im Prognosezeitraum mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von 4,5 Prozent Die Bundesrepublik ist und bleibt im Prognosezeitraum stärker als in der vergangenen Dekade (3,8 Prozent) und einer der wenigen Nettoexporteure von chemischen Erzeug- damit auch stärker als die globale Produktion von Industrie- nissen und bleibt damit auch viertwichtigster Chemiepro- gütern (4,0 Prozent). Das Nachfragewachstum wird dabei von duzen weltweit. Trotz steigendem Wettbewerbsdruck kann zwei Trends getrieben. Zum einen steigt die Nachfrage aus sich die deutsche Chemie mit ihren innovativen Spezialchemi- den Schwellenländern. Dort spielen die wachsende Bevölke- kalien auf den globalen Chemiemärkten behaupten. Im Inland rung und der zunehmende Wohlstand der Mittelschicht eine bleibt sie wichtiger Zulieferer und Innovationsmotor für treibende Rolle. Zum anderen wächst die Chemienachfrage andere Wirtschaftszweige. Bis 2030 wird die deutsche Che- auch in den Industrieländern. Dort findet weniger ein Volu- mieproduktion jährlich um 1,8 Prozent und damit dynamischer menwachstum statt als vielmehr eine Nachfrageverschiebung als die deutsche Industrie oder die Gesamtwirtschaft zugunsten hochwertiger und hochpreisiger innovativer Che- wachsen. Mit dem hohen globalen Chemiewachstum kann sie mikalien. Zudem steigt in einigen Kundenbranchen die Che- aber nicht Schritt halten. mieintensität. Im „Auto der Zukunft“ werden beispielsweise durch Elektromobilität und Leichtbau mehr Spezialchemika- Die deutsche Chemieindustrie profitiert auch zukünftig lien benötigt. vom hohen weltweiten Nachfragewachstum. Die Chemieex- Abb. 6: Chemieproduktion wandert nach China Abb. 7: Konzentration auf Spezialchemikalien Jährliches Wachstum der Weltchemieproduktion und Anteile Jährliches Wachstum der deutschen Chemieproduktion; ausgewählter Länder in Prozent; 2011–2030 Anteile der Chemiesparten + 1,8 % Pharma 19,5 % + 4,5 % Spezialchemie China +7,1 % Basischemie 47 % 19,5 % 46,6 % 12 % USA +3,3 % 43,3 % 29 % 7% Japan +2,3 % 3% Deutschland +1,8 % 15 % 11 % Rest Industrieländer 6% 20 % +2,5 % 33,9 % 37,2 % 29 % Rest Schwellenländer 10 % +4,0 % 11 % 2011 2030 2011 2030 China kann als Folge seiner massiv steigenden Nachfrage nach Die deutsche Chemieindustrie fokussiert sich zunehmend auf chemischen Erzeugnissen weitere Anteile an der globalen Spezialchemikalien. Dennoch bleibt der Produktionsverbund Produktion hinzugewinnen. Der Bedeutungszuwachs geht im erhalten. Deutschland produziert die notwendigen Basischemi- Wesentlichen zulasten der Industrieländer. kalien auch zukünftig in Chemieparks und an modernen Verbundstandorten. 10
Die zukünftigen Rahmenbedingungen porte Deutschlands steigen bis zum Jahr 2030 im Durch- schnitt um 2,6 Prozent pro Jahr. Im Inland steigt die Nach- frage nach chemischen Erzeugnissen nur um 1,6 Prozent pro Jahr. Dies hat zur Folge, dass die Exportabhängigkeit im Pro- gnosezeitraum zunimmt. Wurden im Jahr 2011 noch 52 Pro- zent der Gesamtproduktion für das Ausland hergestellt, sind es zum Ende des Prognosezeitraums bereits 60 Prozent. Zu den wichtigsten Kunden gehören mit Frankreich, Italien und Belgien heute ausschließlich europäische Länder. Bis 2030 steigen jedoch die Exporte nach China kräftig, sodass die Volksrepublik mit einem Exportanteil von 8 Prozent zukünftig der zweitwichtigste Abnehmer für deutsche Chemieprodukte sein wird. Gleichwohl bleibt die Exportstruktur auch in Zukunft stark auf Europa fokussiert. Die deutsche Chemische Industrie ist heute breit aufge- stellt. Rund 37 Prozent der Produktion entfallen auf Basische- mikalien. Spezialchemikalien, darunter Farben, Pflanzen- schutzmittel, Spezialkunststoffe und Konsumchemikalien, stellen mit 43 Prozent den größten Anteil an der deutschen Chemieproduktion. Die restlichen 20 Prozent sind Pharmazeu- tika. Zukünftig kommt es zu einer zunehmenden Spezialisie- rung innerhalb der deutschen Chemie. Die Basischemie ver- liert Anteile, weil sie aufgrund hoher Energiekosten sowie durch den Aufbau moderner Produktionskapazitäten in den Schwellenländern Wettbewerbsfähigkeit einbüßen wird. Demgegenüber gewinnen forschungsintensive und höher- wertige Spezialchemikalien Produktionsanteile hinzu. Der Wissensvorsprung der deutschen chemischen Industrie sichert auch zukünftig die Wettbewerbsposition bei den Spe- zialchemikalien. Das deutsche Chemiewachstum der Zukunft ist damit in erster Linie ein wertgetriebenes. Das Volumenwachstum findet hingegen überwiegend in den Schwellenländern statt. Die deutsche chemische Industrie wird trotz dieses Struktur- wandels auch 2030 noch diversifiziert und auf sämtlichen Fer- tigungsstufen vertreten sein. 11
Die Entwicklung der deutschen Bundesländer Die Entwicklung der deutschen Bundesländer Die auf den vorhergehenden Seiten skizzierten Entwick- industriellen Wertschöpfung in den 41 anderen Ländern lungen legen zu großen Teilen die Wachstumsperspektiven des Prognos-Weltmodells gewichtet mit der bundes- der Chemischen Industrie in den deutschen Bundesländern landspezifischen Struktur der Handelspartner im Aus- fest. gangsjahr der Prognose. Nachfolgend werden die methodische Vorgehensweise Im AA Modell entscheiden zwei Faktoren darüber, ob der pri- für die Prognose der Bundesländer skizziert und im weiteren vate Konsum in einem Bundesland stärker oder schwä- Verlauf die Ergebnisse im Überblick vorgestellt. Ab Seite 16 cher wächst als im Bundesdurchschnitt. Zum einen ist hier wird detailliert die zukünftige Bundesland- bzw. Regionen- die relative Exportdynamik des Bundeslandes maßgeb- Entwicklung erläutert. lich, welche über die entsprechenden Beschäftigungs- und Einkommenseffekte für Konsumnachfrage sorgt. Zum Vorgehensweise anderen ist ein Konvergenzfaktor implementiert, der eine Im Kontext dieser Studie stellen die gesamtdeutschen – langsame – Angleichung des Pro-Kopf-Konsums zwi- Entwicklungen die Rahmenvorgaben für die einzelnen Bun- schen den Bundesländern bewirkt bzw. einer Divergenz desländer dar. Dies bedeutet, dass die aggregierte zukünf- entgegenwirkt. Dieser Faktor imitiert somit die Transfer- tige Dynamik der Bundesländer mit der gesamtdeutschen zahlungen zwischen den Bundesländern. identisch ist. Aufgrund abweichender Rechenstände insbe- sondere der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung sind die Das AA Wachstum des staatlichen Konsums in einem Bun- einzelnen Niveaugrößen (Summe Bundesländer vs. Gesamt- desland wird durch seine Bevölkerungsentwicklung deutschland) nicht immer identisch. bestimmt. Basis der Berechnungen ist das Bundesländermodell der Die AA Investitions- und Importdynamik resultiert aus der Prognos AG. Für die einzelnen Bundesländer ist die zukünf- Veränderung der obigen Verwendungskomponenten. tige Bevölkerungsentwicklung durch die 12. Koordinierte Bevölkerungsfortschreibung des Statistischen Bundesamtes Durch das Modell wird sichergestellt, dass die aggre- gegeben (Variante „1W2“)2. Diese Prognose beinhaltet unter gierte Dynamik der Verwendungskomponenten in den Bun- anderem eine Netto-Zuwanderung von 200.000 Personen pro desländern der gesamtdeutschen entspricht. Jahr. Das „Herzstück“ des Modells bilden länderspezifische Input-Output-Tabellen, welche eine konsistente Verknüpfung Das beschriebene Verfahren dient dazu, bundeslandspe- der Verwendungskomponenten des Bruttoinlandsproduktes zifische Abweichungen vom Durchschnittswachstum der Bun- (Konsum, Investitionen, Ex- und Importe) mit der Produktion desländer zu bestimmen. Wenn beispielsweise der staatliche und Wertschöpfung der einzelnen Wirtschaftsbereiche Konsum Gesamtdeutschlands gedämpft wird, so ist dieser sicherstellen. negative Impuls auch beim staatlichen Konsum in den Bun- desländern zu registrieren, in den Ländern mit einer ver- Die Ableitung der einzelnen Verwendungskomponenten gleichsweise günstigeren Bevölkerungsentwicklung jedoch baut hierbei aufeinander auf: schwächer. Die AA Dynamik der Entwicklung des Exports eines Bundes- 2 https://www.destatis.de/bevoelkerungspyramide/, Variante landes ergibt sich aus der zukünftigen Veränderung der 1W2 Tab. 1: Wichtige Kennzahlen nach Bundesländern / Regionen Durchschnittliches Wachstum in Prozent pro Jahr, 2011–2030 Bruttowertschöpfung Produktion Erwerbstätige Bevölkerung BIP Industrie Chemie Industrie Chemie Industrie Chemie Baden-Württemberg 0,0 % 1,4 % 1,4 % 1,8 % 1,6 % 2,1 % – 1,1 % – 0,6 % Bayern 0,1 % 1,5 % 1,4 % 1,8 % 1,7 % 2,1 % – 1,0 % – 0,5 % Hessen 0,0 % 1,5 % 1,3 % 1,7 % 1,5 % 1,8 % – 1,0 % – 0,7 % Nordrhein-Westfalen – 0,2 % 1,3 % 1,1 % 1,6 % 1,3 % 1,8 % – 1,1 % – 0,7 % Mitte – 0,2 % 1,2 % 1,1 % 1,5 % 1,3 % 1,7 % – 1,3 % – 0,8 % Nord – 0,1 % 1,1 % 0,9 % 1,3 % 1,1 % 1,5 % – 1,4 % – 1,0 % Nordost – 0,5 % 0,9 % 0,9 % 1,4 % 1,1 % 1,6 % – 1,4 % – 0,9 % Deutschland – 0,1 % 1,3 % 1,2 % 1,6 % 1,4 % 1,8 % – 1,1 % – 0,6 % 12
Die Entwicklung der deutschen Bundesländer Abb. 8: Bayerns Bevölkerung wächst leicht Abb. 9: Chemie wächst schneller als Industrie Veränderung der Bevölkerung und des Bruttoinlandsprodukts Veränderung der Industrie- und Chemieproduktion in Prozent in Prozent pro Jahr, 2011 bis 2030 pro Jahr, 2011 bis 2030 1,6% 2,1% Bayern Baden-Württemberg Bayern Veränderung Chemieproduktion (inkl. Pharma) % p.a. Hessen 2,0% 1,5% Baden- 1,9% Württemberg Hessen 1,4% 1,8% NRW Veränderung BIP % p.a. NRW Gesamt-Deutschland Mitte 1,3% 1,7% + 1,8 % p.a. Gesamt-Deutschland Nordost Mitte + 1,3 % p.a. 1,6% 1,2% Nord Nord 1,5% 1,1% 1,4% 1,0% 1,3% Nordost 1,2% 0,9% Gesamt-Deutschland 1,1% Gesamt-Deutschland: - 0,1 % p.a. + 1,4 % p.a. 0,8% 1,0% -0,5% -0,4% -0,3% -0,2% -0,1% 0,0% 0,1% 0,2% 1,0% 1,1% 1,2% 1,3% 1,4% 1,5% 1,6% 1,7% 1,8% 1,9% 2,0% 2,1% Veränderung Bevölkerung % p.a. Veränderung Industrieproduktion % p.a. Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der In allen Regionen wächst die Chemie- und Pharmaproduktion Bevölkerungsentwicklung und dem Wirtschaftswachstum in deutlich schneller als die Produktion im Verarbeitenden den Bundesländern und Regionen. Gewerbe. Mittels der Input-Output-Tabellen lassen sich anschlie- ßend Produktion und Bruttowertschöpfung der Wirtschafts- bereiche bestimmen. Die Zahl der Erwerbstätigen in den ein- Abb. 10: NRW ist wichtiger Wachstums zelnen Wirtschaftsbereichen hängt maßgeblich von deren treiber für die deutsche CHemie Wertschöpfung ab. Das Modell stellt erneut sicher, dass die Wachstumsbeiträge der Bundesländer zur gesamt- deutschen Chemieproduktion aggregierte Dynamik mit der gesamtdeutschen identisch ist. Die In- und ausländische Industrieproduktion ist ein wei- terer wichtiger Treiber für die Nachfrage nach Chemikalien. 29% NRW 1,8% Insofern hängt das Wachstum der Chemieproduktion der ein- zelnen Sparten in den Bundesländern unmittelbar davon ab. 17% Mitte 1,7% Die dafür notwendigen Annahmen wurden in Experten- Workshops für die Vorgängerstudie breit diskutiert und fest- gelegt. Dabei wurden auch wichtige Kundenindustrien der 13% Hessen 1,8% Chemie einbezogen. Baden - 12% 2,1% Württemberg Die Ergebnisse im Überblick Das Wirtschaftswachstum in den Bundesländern wird 11% Bayern 2,1% wesentlich durch die relative Bevölkerungsdynamik, die Han- delsstruktur im Ausgangsjahr sowie durch die bestehende 10% Nord-Ost 1,6% Industriestruktur im jeweiligen Bundesland bestimmt. In 8% Nord 1,5% Abbildung 8 wird der positive Zusammenhang zwischen 2011- 2030 Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum deutlich. Spitzen- reiter der Prognose ist hinsichtlich der Veränderung des Brut- Rund 70 Prozent des gesamtdeutschen Anstiegs der toinlandprodukts Bayern, auf den nächsten Plätzen folgen Chemieproduktion von jährlich 1,8 Prozent bis 2030 Hessen und Baden-Württemberg. Schlusslichter sind vor werden von fünf Bundesländern getragen. allem die ostdeutschen Länder (Region Nordost), wobei hin- sichtlich des Pro-Kopf-Wachstums Sachsen-Anhalt (Rang 1), 13
Die Entwicklung der deutschen Bundesländer Sachsen (Rang 3) und Thüringen (Rang 5) weit vorne zu finden zur (gestrichelten) 45°-Linie fällt für Nordrhein-Westfalen und sind. die ostdeutschen Länder besonders hoch aus. Hier ist die Chemische Industrie vergleichsweise schwach durch die ins- Wesentliche Zielgröße dieser Studie ist die Produktions- gesamt zurückhaltende industrielle Dynamik betroffen; eine menge der Chemischen Industrie und der Sparten „Basis- günstige Exportstruktur wird zu dieser relativ positiven Ent- chemie“, „Fein- und Spezialchemie“ sowie „Pharma“. Die wicklung beitragen. gesamtdeutschen Werte aus der Vorgängerstudie geben den Rahmen für die aggregierten Einzelgrößen der Bundesländer Die Ergebnisse im Detail vor. Im weiteren Verlauf der Studie wird die industrielle Aus- gangsstruktur eines Bundeslandes bzw. einer Region mit fol- Der Vorgängerstudie zufolge wird die deutsche Industrie- gender Grafik illustriert (siehe Abbildung 11). produktion bis 2030 mit 1,4 Prozent p.a. wachsen, während die Chemische Industrie mit einem leicht höheren Wachstum Die horizontale Position der Kugel gibt an, in welchem von 1,8 Prozent p.a. an Bedeutung gewinnt. Die durch das Maße die entsprechende Industriebranche in dem jeweiligen Bundesländermodell vorgenommene Differenzierung dieser Bundesland im Verhältnis zum Anteil der Branche im Bundes- Wachstumsraten nach Bundesländern zeigt ein ähnliches Bild durchschnitt im Ausgangsjahr der Prognose über- bzw. unter- wie in Abbildung 8: Bayern, Baden-Württemberg, und Hessen repräsentiert ist. Im obigen Beispiel ist der Fahrzeugbau z.B. weisen ein überdurchschnittliches Wachstum auf, während um ca. 5 Prozentpunkte stärker in der Beispielregion vertreten NRW im bundesdeutschen Durchschnitt liegt und die übrigen als im Bundesdurchschnitt. Länder unterdurchschnittlich wachsen (vgl. Abbildung 9). Die Position auf der vertikalen Ebene hingegen zeigt an, Rund 70 Prozent des gesamtdeutschen Anstiegs der Che- ob die betreffende Branche auf Bundesebene stärker oder mieproduktion bis 2030 werden von den fünf Bundesländern schwächer als die gesamte bundesweite Industrieproduktion Nordrhein-Westfalen (29,0 %-Punkte), Rheinland-Pfalz inkl. wächst. Die vertikalen Positionen sind somit in jeder der fol- Saarland (17,2 %-Punkte), Hessen (13,3 %-Punkte) sowie genden Bundesländergrafiken identisch. Baden-Württemberg (11,8 %-Punkte) getragen. Im Beispiel ergibt sich für den gesamtdeutschen Fahr- Abbildung 9 macht auch deutlich, dass in jedem Bundes- zeugbau ein um ca. 0,4 Prozentpunkte stärkeres Produktions- land bzw. jeder Region die Chemie stärker wächst als die wachstum als für die Industrie insgesamt. gesamte Industrieproduktion. Der entsprechende Abstand Abb. 11: Ein hoher Anteil von Leitbranchen wirkt sich positiv auf das Wachstum aus Abweichungen in Prozentpunkten vom durchschnittlichen Industriewachstum in Deutschland (2011–2030) und der Produktionsstruktur, absolute Größe der Produktion im Jahr 2011 1,5% geringer Anteil Gewinner hoher Anteil Gewinner 1,0% Abweichung Durschnittswachstum Industrie 0,5% 0,0% -0,5% -1,0% -1,5% -2,0% -2,5% geringer Anteil Verlierer hoher Anteil Verlierer -3,0% -8,0% -6,0% -4,0% -2,0% 0,0% 2,0% 4,0% 6,0% 8,0% 10,0% 12,0% Abweichung Produktionsstruktur vom Bundesdurchschnitt Die horizontale Position der Kugel gibt an, in welchem Maße eine Industriebranche in dem betrachteten Bundesland im Verhältnis zum Anteil der Branche im Bundesdurchschnitt im Ausgangsjahr der Prognose über- bzw. unterrepräsentiert ist. Die vertikale Position zeigt an, ob die betreffende Branche auf Bundesebene stärker oder schwächer als die gesamte bundesweite Industrieproduktion wächst. 14
Die Entwicklung der deutschen Bundesländer Der Durchmesser einer Kugel zeigt die absolute Größe Im gezeigten Beispiel kann das entsprechende Bundes- der Produktion der betreffenden Branche im jeweiligen Bun- land positiv von der vergleichsweisen hohen Wachstumsdy- desland im Jahre 2011 auf. namik der Industrie in Osteuropa und „Rest of World“ profi- tieren. Hier sind unter anderem die dynamisch wachsenden Teilt man nun die Grafik entlang der beiden Null-Achsen Schwellenländer in Asien und Lateinamerika zu nennen. in vier Quadranten auf, werden die bundesland- bzw. regions- spezifischen Vor- und Nachteile der Industriestruktur im Aus- gangsjahr 2011 deutlich: konzentrieren sich die Kugeln im rechten oberen Quadranten, so sind in dem Bundesland die- jenigen Branchen überproportional vertreten, von denen ein überdurchschnittlich Produktionswachstum erwartet wird. In der Folge hat dies auch positive Effekte auf die wirtschaft- liche Entwicklung im betreffenden Bundesland. Andersherum ergibt sich ein Bremseffekt, wenn in einem Bundesland eine hohe Konzentration von Branchen vorliegt, die im Bundesdurchschnitt vergleichsweise langsam wachsen. In der obigen Grafik ist dies beispielsweise bei der Papierin- dustrie der Fall. Darüber hinaus werden so genannte „Klum- penrisiken“ deutlich, d.h. eine Konzentration der industriellen Struktur einer Region auf ein oder zwei Wachstumsgewinner. In einer zweiten Grafik (siehe Abbildung 12) für die ein- zelnen Bundesländer wird deren aktuelle Handelspartner- struktur (2011) der zu erwarteten Dynamik der industriellen Wertschöpfung der Handelspartner in den Jahren 2011 bis 2030 gegenübergestellt. Auf diese Weise können die zukünf- tigen Exportperspektiven der einzelnen Bundesländer visuali- siert werden. Abb. 12: Nähe zu Wachstumsmärkten positiv Wachstum der Wertschöpfung in der Industrie 2011–2030, Anteile an Exporten 2011 40% 35% Anteil an Land-/Regionexporten in 2011 West-EU 30% 25% ROW 20% 15% Ost-EU 10% Süd-EU USA China 5% Nord-EU Japan 0% 0,0% 1,0% 2,0% 3,0% 4,0% 5,0% 6,0% Veränderung der industriellen Wertschöpfung, 2011-2030 in % p.a. Eine starke Verknüpfung mit dynamisch wachsenden Märkten wirkt sich positiv auf das Wachstum der Chemieindustrie aus. 15
Nordrhein-Westfalen Die chemische Industrie in Nordrhein-Westfalen Das Wichtigste in Kürze an der bundesweiten Erwerbsbevölkerung wird sich dennoch Nordrhein-Westfalen nimmt sowohl bezogen auf seine leicht auf knapp 22 % erhöhen. Bevölkerung als auch seine Wirtschaftsleistung unter den deutschen Bundesländern mit großem Abstand die Spitzen- Parallel zu den demografischen Veränderungen wird sich position ein. Historisch bedingt hat die Erzeugung und Verar- auch die Zahl der Erwerbstätigen in der Gesamtwirtschaft um beitung von Metall hier ein großes Gewicht, aber auch die 0,6 Mio. auf 8,2 Mio. verringern. Den stärksten Rückgang Chemische Industrie und der Maschinenbau sind in der Indus- erwarten wir in der Industrie (-310.000), gefolgt vom Dienst- trie des Landes stark vertreten. Die Bevölkerung wird hier leistungssektor (-234.000). Insgesamt wird die Erwerbstätig- stärker als in Gesamtdeutschland schrumpfen. Hinsichtlich keit in NRW geringfügig schwächer schrumpfen als im Bun- seiner wirtschaftlichen Entwicklung erwarten wir bis 2030 für desgebiet. Nordrhein-Westfalen eine Wachstumsentwicklung, die weit- gehend der des Bundes entspricht. In der Konsequenz wird die Arbeitslosigkeit deutlich zurückgehen: Für 2030 erwarten wir in Nordrhein-Westfalen Bevölkerung und Arbeitsmarkt eine Arbeitslosenzahl von 340.000 Personen, was einer Nordrhein-Westfalen stellt mit seinen 17,8 Mio. Einwoh- Abnahme um 390.000 Personen gegenüber heute entspricht. nern rund 22 % der Gesamtbevölkerung Deutschlands und ist damit das bevölkerungsreichste Bundesland. Etwa 11,8 Mio. Ökonomische Ausgangssituation Personen in Nordrhein-Westfalen befinden sich im erwerbsfä- Die gesamte Wirtschaftsleistung Nordrhein-Westfalens higen Alter. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung des Landes entwickelte sich zwischen 1995 bis 2011 mit einer Zuwachsrate entspricht der entsprechenden Relation in Gesamtdeutsch- von knapp 1,2 % p.a. unterdurchschnittlich. Dies ist im land. Wesentlichen auf die sehr schwache Entwicklung der Indus- trie zurück zu führen, deren Wertschöpfung in 2011 nur unwe- Den Bevölkerungsvorausberechnungen zufolge wird die sentlich höher lag als 1995. Ein Blick auf die einzeljährliche Gesamtbevölkerung bis 2030 um 0,6 Mio. Personen sinken Entwicklung zeigt, dass diese Stagnation Folge des Krisen- (-0,2 % p.a.). Die Erwerbsbevölkerung schrumpft um etwas jahres 2009 ist, in dem die Wertschöpfung gegenüber dem mehr als 1,4 Mio. Personen (-0,7 % p.a.) und damit deutlich Vorjahr um 23 % einbrach und bis 2011 nicht wieder das Vor- stärker als die Gesamtbevölkerung in NRW. Der Anteil NRWs krisenniveau erreichen konnte. Die Dienstleistungen hin- Abb. 13: die Chemie und der Maschinenbau spielen in Nordrhein-Westfalen eine groSSe Rolle Abweichungen in Prozentpunkten vom durchschnittlichen Industriewachstum in Deutschland (2011–2030) und der Produktionsstruktur, absolute Größe der Produktion im Jahr 2011 1,5% geringer Anteil Gewinner hoher Anteil Gewinner 1,0% Abweichung Durschnittswachstum Industrie 0,5% 0,0% -0,5% -1,0% -1,5% -2,0% -2,5% geringer Anteil Verlierer hoher Anteil Verlierer -3,0% -15,0% -10,0% -5,0% 0,0% 5,0% 10,0% Abweichung Produktionsstruktur vom Bundesdurchschnitt Die chemische Industrie und der Maschinenbau haben in NRW ein hohes Gewicht. Beide Branchen gehören in der Prognose zu den Wachstumsgewinnern und treiben so das Wachstum der gesamten Industrie an. Nachteilig für das Land ist der hohe Anteil an wachstums- schwachen Branchen wie der Metallerzeugung und -verarbeitung sowie der Nahrungsmittelindustrie. 16
Nordrhein-Westfalen Tab. 2: Wichtige Kennzahlen für Nordrhein-Westfalen Absolutwerte, Anteile und durchschnittliche jährliche Wachstumsraten 2011–2030 Bevölkerung und Arbeitsmarkt (in Millionen) 2011 2030 Prozent pro Jahr Bevölkerung Gesamt 17,8 17,2 – 0,2 % Bevölkerung 15-64 Jahre 11,8 10,3 – 0,7 % Erwerbstätige 8,8 8,2 – 0,4 % Bruttoinlandsprodukt und Verwendung (in Mrd. €) 2011 2030 Prozent pro Jahr Bruttoinlandsprodukt (BIP) 0,5 0,7 1,3 % BIP pro Kopf (in 1.000 Euro) 30,2 40,0 1,5 % Privater Konsum 0,3 0,4 0,9 % Staatlicher Konsum 0,10 0,11 0,4 % Investitionen 0,08 0,09 1,1 % Veränderung in Anteil Branchen an Gesamtdeutschland (in Prozent) 2011 2030 Prozentpunkten Industrie Insgesamt 20,1% 19,7% – 0,4 % Chemische Industrie 28,3% 28,3% 0,0 % Gummi-/Kunststoffe 19,1% 19,2% 0,1 % Metallerzeugung/-erzeugnisse 36,0% 36,5% 0,5 % Elektroindustrie 14,9% 14,9% 0,0 % Maschinenbau 22,3% 22,3% 0,0 % Fahrzeugbau 9,0% 9,0% 0,0 % sonstige Industrie 22,9% 22,9% 0,0 % gegen lagen mit ihrem Wertschöpfungswachstum höher als Prognose bis 2030 im Bundesdurchschnitt. Besonders der Handel und die Ver- Die Wirtschaftsleistung Nordrhein-Westfalens wird kehrsdienstleistungen ragten hierbei heraus. unserer Prognose zufolge bis zum Jahr 2030 mit 1,3 % p.a. wachsen. Diese Rate entspricht annähernd der des Bundes- Seiner Bevölkerungsgröße entsprechend belegt das Bun- durchschnitts und ist zugleich leicht höher als in der Vergan- desland die Spitzenpositionen bei den absoluten Niveaus von genheit. Der Anteil des Landes an der bundesweiten Wirt- Wertschöpfung und Beschäftigung in den meisten Wirt- schaftsleistung verharrt damit auf dem aktuellen Niveau von schaftszweigen. Trotz dieser absoluten Größe blieb im Zeit- 22 %. Wie auch im Bund werden in Nordrhein-Westfalen die raum 1995 bis 2011 der Beitrag NRWs zum Wachstum der Dienstleistungen eine um 0,2 Prozentpunkte höhere Wachs- gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung im Bund unter dem tumsperformance bis 2030 zeigen als die Industrie. Beim Beitrag Bayerns. Bruttoinlandsprodukt pro Kopf kann das Bundesland seine Position gegenüber dem Bundesdurchschnitt leicht aus- Beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und der Erwerbstäti- bauen. genproduktivität liegt das Bundesland leicht über dem Bun- desdurchschnitt. Auffallend ist das vergleichsweise niedrige Wie schon bei den meisten anderen Kenngrößen weist Niveau der Produktivität im Fahrzeugbau, welche ein Fünftel Nordrhein-Westfalen auch bei den Exporten sowohl 2011 als unter dem Bundesdurchschnitt liegt und hierdurch die lang- auch 2030 das höchste Niveau auf: Der Wachstumsbeitrag fristige Wachstumsentwicklung dämpft. der Landesexporte zu denen des Bundes liegt zwischen 2011 und 2030 bei 25 %. Hinsichtlich der Dynamik fallen die Eine vorteilhafte Eigenschaft der Industriestruktur Nord- Exporte des Bundeslandes jedoch unterdurchschnittlich aus, rhein-Westfalens ist das vergleichsweise hohe Gewicht der was im Wesentlichen eine Folge der vergleichsweise ungüns- Chemischen Industrie und des Maschinenbaus. Die beiden tigen Industriestruktur ist. Branchen gehören in unserer Prognose zu den Wachstumsge- winnern und treiben entsprechend das gesamte Industrie- Bei der Industrieproduktion des Landes erwarten wir wachstum in dem Bundesland an. Nachteilig für das Land ist einen Zuwachs von 1,3 % p.a., was leicht unter der Dynamik der hohe Anteil an Wachstumsverlierern wie die Metallerzeu- des Bundes liegt. Wachstumsspitzenreiter in NRW sind die gung und -verarbeitung sowie die Nahrungsmittelindustrie. Elektroindustrie und der sonstige Fahrzeugbau, die allerdings Zusätzliche Wachstumsimpulse könnte der zukünftige Ausbau im Vergleich zu Gesamtdeutschland unterdurchschnittlich der Fahrzeugindustrie generieren, die hier allerdings nur ver- vertreten sind. Gut ein Drittel des bundesweiten Produktions- gleichsweise schwach vertreten ist. wachstums der Chemie bis 2030 wird von den nordrhein- 17
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