WORTSCHATZFÖRDERUNG IN UNTERRICHT UND THERAPIE: REALE UND DIGITALE LERNWELTEN VERKNÜPFEN
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KARIN REBER, MÜNCHEN WORTSCHATZFÖRDERUNG IN UNTERRICHT UND THERAPIE: REALE UND DIGITALE LERNWELTEN VERKNÜPFEN ABSTRACT: Im Beitrag werden ausgehend vom Bausteine-Konzept Elaboration sowie zum (REBER/SCHÖNAUER-SCHNEIDER, 2018) Möglichkeiten der Wort- Abruf (4 und 5) mit schatzförderung mit digitalen Medien aufgezeigt. Anhand zweier ex- Schwerpunkt auf Ver- emplarischer Anwendungen werden Ideen für Speicherung und Abruf netzung realer und beschrieben und Tipps zur didaktisch-methodischen Umsetzung ge- digitaler Angebote (7). geben. Dabei wird Wert auf Vernetzung analoger und digitaler Lern- Abschließend werden welten gelegt. Am Ende finden sich weitere Anwendungen zur Wort- überblicksartig weitere schatzförderung: Kreativ-Software/Apps, Angebote mit fertigen Inhal- Bereiche mit Beispiel- ten sowie Tools zur Erzählförderung. Software/Apps ge- nannt. SCHLÜSSELBEGRIFFE: Sprachförderung, reale und digitale Medien, Spielentwicklung, Sprachentwicklung, Medienkompetenzentwick- lung, Wortschatzförderung, Elaboration, Abruf, semantisch-lexika- 2 Speicherung von lisch, Sprachtherapie Wortschatz im Gehirn 1 Einstieg Im Gehirn wird Wortwissen idealerweise viel- Digitale Medien halten aktuell immer mehr fältig vernetzt abgespeichert (AITCHISON, Einzug in die Lebenswelten von Kindern und 2011): Je mehr Aspekte zu einem Wort ver- Jugendlichen, aber auch von Erwachsenen. fügbar sind und je vernetzter es mit anderen Um uns herum finden sich wie selbstver- Einträgen im Gehirn ist, desto sicherer kann es ständlich verschiedenste Formen, und im be- abgerufen werden. Abb. 1 zeigt die modell- ruflichen Bereich sind Medienkompetenzen hafte Struktur eines Worteintrags im mentalen Voraussetzung für die Berufswahl. Auch im Lexikon (REBER/SCHÖNAUER-SCHNEIDER, sprachheilpädagogischen Unterricht oder in 2018) anhand des relativ abstrakten Beispiels der Sprachtherapie lassen sie sich vielfältig „Freundschaft“ sowie mögliche Förderideen: einsetzen. Ideen dazu soll der hier vorliegen- Zu sieben Aspekten sind im Idealfall Infor- de Beitrag am Beispiel Wortschatzförderung mationen verfügbar, die teilweise die Form geben: Anfangs werden dazu Grundlagen der (graphemisch, morphologisch, phonologisch), Wortschatzförderung beschrieben (1 und 2). teilweise den Inhalt (prozedural, episodisch, Abschnitt 3 geht auf grundlegende Prinzipien semantisch) spezifizieren. Der syntaktische zum Einsatz digitaler Medien in diesem Be- Aspekt hat eine Brückenfunktion zwischen reich ein. Dann folgen Umsetzungsideen zur Form und Inhalt, da der Gebrauch im Satz den 2/21 5
BEITRAG Abb. 1: Modell eines Worteintrags im mentalen Lexikon am Beispiel „Freundschaft“ (aus REBER/WILDEGGER- LACK, 2020, 62; in Anlehnung an REBER/SCHÖNAUER-SCHNEIDER, 2018) Bedeutungsrahmen aufspannt (z. B. wird „die Wortschatzproblematik, desto weniger Be- Freundschaft“ als Nomen und nicht als Verb griffe sollten auf einmal neu eingeführt wer- gebraucht; nicht: „er freundschaftet“). den und desto häufiger sollte der/die Lernen- de die Gelegenheit haben, das Wort wirklich selbst aktiv zu benutzen, nicht nur zu hören. 3 Prinzipien und Bausteine Hilfreich sind Angebote in allen Modalitäten der Wortschatzförderung (Sprechen, Schreiben, Lesen, Hören) und Ver- knüpfungen mit allen Sinnen (Sehen, Hören, Um Wörter derart vielfältig zu vernetzen, soll- Riechen, Schmecken, Fühlen). Da der Artikel te Wortschatzförderung (fächer-) übergrei- im Deutschen nicht regelhaft ist, sollte dieser fendes Prinzip sein: Idealerweise sollte man immer mit angeboten werden (KANNENGIE- themenorientiert vorgehen und sich an einem SER, 2019, REBER/SCHÖNAUER-SCHNEI- Leitthema (z. B. aus dem Sachunterricht, der DER, 2018, RUPP, 2013, WILDEGGER-LACK, Lektüre, aber auch aus anderen Fächern) ori- 2011). entieren. Bezieht man kindliche Interessen ein, steigern Motivationseffekte die Effektivi- Methodisch kann z. B. nach den Baustei- tät der Förderung: Z. B. merken sich selbst Kin- nen zur Wortschatzförderung vorgegangen der mit Wortschatzproblemen Wortungetüme werden (REBER/SCHÖNAUER-SCHNEIDER, wie „Tyrannosaurus Rex“. Je komplexer die 2018, Tab. 1): 6 2/21
Karin REBER ■ Wortschatzförderung in Unterricht und Therapie Exemplarische Bausteine Erläuterung zur Wortschatzförderung Modellieren und Eine optimierte Modellsprache hilft den Kindern, das neue Impulse Wort wahrzunehmen: Langsam sprechen, laut und deutlich, störungsübergreifend Pause vor dem Wort etc. Außerdem eignen sich Modellie- rungs- und Impulstechniken Metasprache Reflektieren über Wortschatz: Erklärungen, Visualisierungen, Umsetzung in Handlungen, Schrift verwenden, mit Wortbau- steinen arbeiten Handlungsbegleitendes Wortschatz handlungsbegleitend nutzen und damit in sinn- Sprechen vollen Kontexten prototypisch verwenden Elaboration Lemma Bedeutung und Form eines Wortes bei neuen Wörtern erar- und Lexem beiten, vgl. Modell Abb. 1, wobei v. a. der semantische und phonologische Aspekt zentral sind Abruftraining Geschwindigkeit, Genauigkeit und Stabilität der A brufprozesse verbessern, z. B. anfangs durch erhöhte Verwendungshäufig- keit des Wortes, Abrufhinweise („cues“) als Hilfen, verschie- störungsspezifisch / Wortschatz dene Abrufkontexte Strategietraining Neben spezifischem Wortwissen (vgl. 1 und 2) Metawissen zum Wortschatzlernen anbieten, z. B. Strategien des eigen- ständigen Wortschatzerwerbs wie Nachfragen, Verwenden von Speicherstrategien Wortbedeutung im Vernetzung mit anderen Wörtern im Lexikon: z. B. über Wort- Kontext: Wortfelder felder (sinnähnliche Wörter, z. B. Wortfeld gehen: laufen, und Kollokationen spazieren, …), Kollokationen (Wörter, die häufig miteinander vorkommen: Papagei, sprechen, bunt, Schnabel), semanti- sche Relationen (z. B. Gegenteil: hoch – tief) Fachbegriffe Bewusster Umgang mit Fachsprache, z. B. Fachbegriffe klären und in Wortspeichern verfügbar machen (z. B. Fachsprache Mathematik) Rahmenhandlungen, Einbetten der Wortschatzförderung in Rahmenhandlungen Rituale (z. B. Lektüre) oder Rituale (z. B. „Wort des Tages“) Tab. 1: Bausteine der Wortschatzförderung (nach REBER/SCHÖNAUER-SCHNEIDER, 2018) 4 Wortschatzförderung digital: Grundlegende Prinzipien sätzlich mediendidaktische, entwicklungs- so- wie spielpsychologische Aspekte zu beachten Möchte man Wortschatzförderung nun mit (REBER & WILDEGGER-LACK, 2020, 41 ff., Hilfe digitaler Medien umsetzen, gilt es zu- Tab. 2): 2/21 7
BEITRAG Prinzipien zum Erläuterung Medieneinsatz Die Welt mit allen Entwicklungspsychologisch betrachtet beginnen Kinder in den ersten Sinnen erfassen Jahren mit enaktiven (realen) Erfahrungen. Später lernen sie Modelle bzw. Abbildungen verstehen (ikonisch). Sprache als symbolische Erfah- rung ist eine abstrakte Form (EIS-Prinzip nach BRUNER et al. (1971)). Das bedeutet: Damit Kinder ihre Welt begreifen können, sollte mit re- alen Erfahrungen mit allen Sinnen (Sehen, Hören, Schmecken, Riechen, Fühlen) begonnen werden. Wiederholungen Offen sein, wenn Kinder ein Spiel oder eine Hörgeschichte immer wieder zulassen einfordern, denn damit bieten sich vertiefte Speichermöglichkeiten. In der Therapie suchen Kinder oft Rituale und freuen sich auf wiederkeh- rende, schon bekannte Spielformate: Es muss nicht immer alles neu sein! Kinder spielen und Entwicklungsgemäße Spielangebote machen, also je nach Alter oder Wort- lernen schatzerwerbsphase Explorations-, Symbol-, Rollen- oder Regelspiel. Achtung: Erwachsene bevorzugen aufgrund ihrer eigenen Entwicklungs- phase immer intuitiv Regelspiele. Bewusst auch Symbol- oder Rollenspiel gemäß Entwicklungsalter nutzen (WILDEGGER-LACK, 2011)! Digitale Medien Erst bei der gemeinsamen Nutzung von Medien entsteht Kommunikati- immer gemeinsam on über das Tun. Allein mit einem mobilen Gerät sprechen Kinder nicht nutzen und verinseln! Bilderbücher bzw. Beim dialogischen Betrachten gelingt es durch Impulse (statt geschlosse- Medien dialogisch ner Fragen), die Sprechanteile der Kinder zu erhöhen und wertzuschätzen. betrachten Auch digitale Medien sollten wie Bilderbücher dialogisch genutzt werden. Kindern gute Gerade Anfänger tendieren bei der Nutzung digitaler Medien dazu, Sprachmodelle Interaktionen auf die Technik (z. B. „Tipp mal da!“) statt auf den Inhalt geben („Was könnte der Eisbär jetzt machen?“) zu beziehen und dabei zu mo- dellieren (MIOSGA, 2018). Reales und digi- Es empfiehlt sich, mit einer multisensoriellen Lernerfahrung mit realen tales Lernen ver- Gegenständen zu beginnen, und bei der Vertiefung eines Inhalts dann netzen digitale Medien einzusetzen, um die Medienrealität des Alltags (aus rea- len und digitalen Medien) sinnvoll zu nutzen und abzubilden. Während z. B. Alltagsgegenstände das Anknüpfen an eigene Erfahrungswelten ermöglichen, öffnen digitale Medien evtl. Zugänge zu besonderen Phä- nomenen (z. B. virtuelle Reise durch den Körper, auf den Mond), die sich dann auch mit handlungsbegleitendem Sprechen erschließen lassen. Vorbild bei der Im Alltag gutes Mediennutzungsverhalten vorleben, also z. B. während Mediennutzung des Sprechens Blickkontakt mit Kindern halten statt auf dem Handy zu sein daddeln oder in den Computer zu schauen. Tab. 2: Checkliste Medieneinsatz mit Beschreibung der Prinzipien (ausführlich in REBER & WILDEGGER- LACK, 2020, S. 41 ff.) 8 2/21
Karin REBER ■ Wortschatzförderung in Unterricht und Therapie Wie könnte man diese Prinzipien des Medien verändert, erweitert und an eigene Lernwege einsatzes nun im Bereich Wortschatz umset- adaptiert werden. Multimediale Elemente sind: zen? Im Folgenden werden dazu Beispiele • Bilder: fertige oder selbst gemachte Fotos, digitaler Medien vorgestellt und Anwendungs- Formen, Karten; Bildmaterial muss vor der ideen aufgezeigt. Dabei wurde versucht, die- Verwendung nicht extra als Kopie vorhan- se kriteriengeleitet auszuwählen (vgl. Bewer- den sein tungsnetz nach REBER & WILDEGGER-LACK, • Text: getippt oder mit digitalem Stift per 2020, kostenfreier Download zum Buch; Hand geschrieben, als digitale Datei verlinkt STARKE/MÜHLHAUS, 2018) bzw. darauf zu • Ton: Aussprache des Wortes, Wort im Satz achten, digitale Medien v. a. dort einzusetzen, oder Erzählung zum Wort, passendes Ge- wo sie für die Umsetzung sprachlicher För- räusch derziele Vorteile bringen (vgl. REBER, 2018). • Video: von der Interaktion mit dem Gegen- Weitere Ideen finden sich in REBER & WILD stand, vom Objekt in einer Aktion, von der EGGER-LACK, (2020). Exemplarisch wurden die Handlung mit dem Objekt etc. Bausteine Elaboration und Abruf ausgewählt. Eine Beispielseite aus dem digitalen Wort- schatzportfolio zum Thema „Wiese“ zeigt Abb. 2: In Anlehnung an das Modell des mentalen 5 Wortschatz elaborieren: Speicherung Lexikons wurden die sieben Aspekte der Wort- am Beispiel digitale Bücher schatzförderung hier digital mit Hilfe der App „Book Creator“ (RED JUMPER LIMITED 2020) Zentraler Baustein im Bereich Wortschatz umgesetzt. Außerdem lassen sich die Her- ist die Elaboration bzw. Speicherung neu- kunftssprachen der Kinder leicht integrieren. er Wörter. Prinzipiell sollte man gemäß der Grundhal- Das Besondere an digitalen Portfolios bzw. digitalen tung „Wörter sind Schätze“ Büchern („E-Books“) ist, dass diese nicht nur wie Lernende dazu anregen, herkömmliche Bücher Text und Bild enthalten kön- „Wortschätze“ zu sammeln nen, sondern zusätzlich auch Ton und Video. (vgl. auch Therapiekonzept des „Wortschatzsammlers“, MOTSCH et al., Praxistipp: Können Kinder noch nicht so gut 2015). Eine methodische Umsetzungsidee sind tippen, kann die Spracherkennung des Geräts Wortschatz-Portfolios. Klassisch sind das Hef- genutzt werden. Tippt man bei ausgeklappter te, in die man die Wörter zu Projekten sam- Tastatur das Mikrofon an, kann man diktie- melt, also z. B. zum Sachunterricht, zu Lektü- ren und das Gerät erkennt automatisch die ren, zum Alltag. Sie können aber auch digital Wörter. Dazu muss besonders genau ge- umgesetzt werden: Das Besondere an digitalen sprochen werden (phonologischer Aspekt, Portfolios bzw. digitalen Büchern („E-Books“) (Abb. 3, S. 10). ist, dass diese nicht nur wie herkömmliche Bü- cher Text und Bild enthalten können, sondern Das ausgeklappte Menü (Abb. 3) zeigt einen zusätzlich auch Ton und Video. Dadurch ent- Teil der multimedialen Möglichkeiten der ver- halten sie neben Schriftsprache auch Lautspra- wendeten App. Diese wurde gewählt, da sie che direkt. Sie können flexibel immer wieder auf allen Plattformen verfügbar ist (iOS oder 2/21 9
BEITRAG Abb. 2: Digitales Wortschatz-Portfolio, erstellt mit der App „Book Creator“ (RED JUMPER LIMITED 2020): Verschiedene Aspekte der Wortschatzförderung wurden digital umgesetzt (vgl. REBER & WILDEGGER-LACK, 2020, 63) Web-App im Browser) und z. B. über eine „Adaptable Books“ nach Dr. Michael KIRCH Vorlesefunktion verfügt. Die Bedienung ist so und Prof. Dr. HAUCK-THUM, https://www. einfach, dass sowohl die Lehrperson als auch adaptablebooks.com). die Lernenden selbst Bücher erstellen und/oder erweitern Auf diese Weise lassen sich individuelle digitale Bü- können (Abb. 4). Auf diese cher erstellen, die sich an die Fähigkeiten der Kinder Weise lassen sich individuelle anpassen und ihre Lernwege abbilden. digitale Bücher erstellen, die sich an die Fähigkeiten der Kinder anpassen Book Creator ist eine „Kreativ-Anwendung“ und ihre Lernwege abbilden (vgl. Konzept bzw. „Kreativ-App“: Er bietet die Möglichkeit, verschiedenste Inhalte kreativ umzusetzen: Nutzer*innen können Inhalte zu beliebigen Themenfeldern bzw. Lehrplaninhalten aller Jahrgangsstufen oder sprachtherapeutischen Schwerpunkten gestalten. Ein paar Ideen: • Sachunterricht: Die Lehrkraft hat einen Abb. 3: Diktieren statt tippen mit Hilfe der Sprach Fachtext zur Kläranlage in verschiede- erkennung des mobilen Geräts, meist zu finden nen Schwierigkeitsgraden vorbereitet, für über die Tastatur und in allen Apps auf dem Gerät nutzbar, da es sich um eine Betriebssystem-Funkti- schwache Leser*innen teilweise mit Vor- on handelt lesepassagen. Die Fachbegriffe sind mit 10 2/21
Karin REBER ■ Wortschatzförderung in Unterricht und Therapie Abb. 4: Das Wortschatzportfolio passt sich an seine Lerner*innen an: Kinder haben ihre Beobachtungen zum Löwenzahn-Zeitraffer-Video versprachlicht und aufgenommen (App „Book Creator“, RED JUMPER LIMITED 2020) Bildern oder Erklärungen bzw. Hörbildern gestellt („Mein Obst ist rot, wächst am Bo- erläutert. Es gibt Rätsel und vielleicht sogar den und schmeckt ganz süß“ und dann ein eingebettete, interaktive Aufgaben (tech- Erdbeerbild auf der nächsten Seite). nisch umsetzbar über den -Tag). • Deutsch: Nach einer Schullandheimfahrt Praxistipp: Beispiele für digitale Bücher zur einen Comic schreiben, das Geschehen in Sprach- und Schriftsprachförderung finden Fotos umsetzen und mit Sprechblasen ver- sich im Projekt „digitales Bücherregal“: Im sehen. Rahmen eines Schulentwicklungsprojekts der • Wortschatz Berufe bzw. Berufsvorberei- Regierung von Oberbayern unter der Lei- tung: Dokumentieren des eigenen Prakti- tung von Layana MAYER-LENGSFELD und kums in einem digitalen Buch. Dr. Karin REBER entstanden hier freie, digita- • Wortschatz Obst und Gemüse: In der le Bücher, die man online lesen, Sprachtherapie und daheim wird gemein- teilweise sogar verändern und sam ein digitales Obst- und Gemüsebuch weiterschreiben kann: https://karin-reber.de/2019/11/10/ erstellt: Z. B. wird Obst fotografiert, werden projektdigitales-buecherregal Videos von der Zubereitung und vom Ver- zehr eingefügt, persönliche Assoziationen Folgende Prinzipien zum Medieneinsatz lassen als Tonaufnahmen hinzugefügt (z. B. „Ich sich bei digitalen Büchern besonders gut um- liebe Bananen, weil …“) oder auch Rätsel setzen (Tab. 3): 2/21 11
BEITRAG Prinzipien zum Erläuterung Medieneinsatz Die Welt mit allen Obwohl es sich um digitalen Medieneinsatz handelt, müssen die Kin- Sinnen erfassen der v. a. beim Erstellen eigener Bücher auch direkt mit Realgegenstän- den handeln, besonders beim Erstellen von Fotos oder Videos. Gerade das Erstellen eigener Bücher ist oft sprachförderlicher als die Nutzung fertiger, da viele Absprachen kommunikatives Handeln erfordern. Wiederholungen Das Buch und seine Elemente können beliebig oft in eigenem Tempo zulassen mit eigenen Schwerpunkten genutzt werden. Kindliche Interessen Da die Bücher so leicht veränderbar sind, kann man z. B. Texte leicht an berücksichtigen die kindlichen Interessen, aber auch Fähigkeiten anpassen: Eine Lese- Geschichte kann z. B. in drei Schwierigkeitsstufen abgewandelt werden. Reales und digitales Gerade beim Dokumentieren von Beobachtungen und Entdeckungen Lernen vernetzen kann man das Tablet gut mitnehmen und kleine Reportagen „live“ aus der Natur drehen. Bei einem Ausflug sammeln die Kinder z. B. Pflanzen(teile), fotografieren sie und erstellen digitale Skizzen. Tab. 3: Mit digitalen Büchern gut umsetzbare Prinzipien des Einsatzes digitaler Medien 6 Abruftraining: Erhöhen der Abruf Rollenspiel, freies Unterrichtsgespräch) ver- häufigkeit am Beispiel Lernsoftware wendet werden. Im Gegensatz zum oft lang- und Lern-Apps weiligen Üben z. B. mit Arbeitsblättern, lassen sich Kinder durch Spiel und/oder digitale Me- Während digitale Bücher eine sehr offene di- dien besonders motivieren. gitale Lernumgebung bieten, die sich kreativ in vielen Bereichen einsetzen und vielfältig Ein Beispiel für eine derartige Lernsoftware zur Elaboration der sieben Modell-Aspekte bzw. Lern-App ist zabulo (REBER/STEIDL, (Abb. 1) nutzen lässt, kann man mit Lern- 2016/2020). Mit zabulo kann man individu- Apps „künstlich“ erzwingen, dass bestimm- elle Lernmaterialien selbst erstellen. Mit der te Wörter besonders häufig vorkommen. Als zabulo-Lernsoftware (Windows/Mac OS, enge Übungssituation vor Transferphasen er- Abb. 5) erstellt man lauben sie somit das fokussierte Arbeiten an • in der Material-Werkstatt (analoge) Ar- einem überschaubaren Wortschatz, und damit beitsblätter, Bild- und Wortkarten, Kartei- ein Abruftraining. Das Kind kann sich ganz auf karten oder einfache Regelspiele, das Wortfeld konzentrieren, da weitere kom- • in der Spiel-Werkstatt (analoge) Würfel-, munikative Anforderungen z. B. im kommuni- Glücks-, Karten- und Geschicklichkeitsspiele, kativ-pragmatischen Bereich in der Regel be- • in der Screening-Werkstatt (analoge) cur- grenzt sind. Nach einer solchen Übungsphase riculumsbasierte Lernstandsanalysen zum kann der Wortschatz dann auch in freieren Rechtschreiben, Leseverstehen und Wort- kommunikativen Situationen (z. B. Einkaufs- schatz und 12 2/21
Karin REBER ■ Wortschatzförderung in Unterricht und Therapie Abb. 5: Erstellen eines Schüttelwörter-Spiels mit der Computerspiel-Werkstatt der Software zabulo (REBER/ STEIDL, 2016): Abruftraining und schreiben im Wortfeld „Obst und Gemüse“ • in der Computerspiel-Werkstatt kleine, di- telwörter“). Dann sucht man mit Hilfe lingu- gitale Computerspiele zum Lesen, Schrei- istischer Suchfunktionen Begriffe aus, z. B. ben und zur Sprachförderung, z. B. Schüt- bestimmte Wortfelder (hier z. B. „Obst und telwörter, Wörterjagd, Blitzlesen, Lesema- Gemüse“), lautgetreue Wörter, Silbenstruk- schine, Silben- oder Lautdetektiv. turen (z. B. „maximal 2 Silben“) oder gram- Mit der zabulo-App (iOS) kann man direkt am matikalische Aspekte (z. B. nur „Nomen“) zu Tablet (iPad) schnell individuelle Apps zusam- finden. Als dritten Schritt wählt man geeigne- menstellen und auch ohne WLAN, Dateitrans- te Begriffe. Diese werden dann automatisch fer etc. per QR-Code mit anderen teilen. in der jeweiligen Spielform zu einem analo- Um ein Material zu erstellen, wählt man zu- gen oder digitalen Spiel angeordnet, und per nächst eine passende Spielform (z. B. „Schüt- nachträglicher Veränderung der Spielform- 2/21 13
BEITRAG Computerspiel „Schüttelwörter“ Computerspiel „Wörterjagd“ Bildkarten & AB Spiel „Wörtertreppe“ Spiel „Wörter versenken“ Spiel „Flipper“ Abb. 6: Die gewählten Begriffe aus dem Wortfeld „Obst und Gemüse“ in verschiedenen analogen und digi- talen Spiel- und Übungsformen aus der Software zabulo (REBER/STEIDL, 2016) Auswahl immer wieder anders kombiniert: verschiedenen Übungsformen und dadurch z. B. die gewählten lautgetreuen Obst- und in unterschiedlichen Modalitäten und Kon- Gemüsebegriffe zunächst als Schüttelwör- texten: ter-Computerspiel, dann als Wörterjagd- • analog und digital, Computerspiel, zu analogen Bildkarten oder • mündlich und schriftlich, einem klassischen Arbeitsblatt, aber auch zu • rezeptiv und produktiv. analogen Regelspielen wie „Wörtertreppe“, Sie benutzen das Wort sehr oft eigenaktiv. Je- „Wörter versenken“ oder „Flipper“. Die Neu- des Spiel ist dabei durch vielfältige Einstellun- anordnung der Begriffe ist nur ein Klick, ver- gen noch einmal an die Bedürfnisse anpassbar schiedene Übungsformen sind in Sekunden (z. B. automatische Sprachausgabe, Anzei- hergestellt (Abb. 6). gedauer, Artikel anzeigen). Je nach Übungs- Die Kinder üben auf diese Weise ein be- form werden andere semantisch-lexikalische stimmtes Set an Begriffen hochfrequent in Schwerpunkte gesetzt (Tab. 4). 14 2/21
Karin REBER ■ Wortschatzförderung in Unterricht und Therapie Schüttelwörter Die Kinder müssen das Wort aktiv benennen und es dann aus Einzelbuch- (vgl. Abb. 6) staben nochmal zusammensetzen. Dabei wird die phonologische Durchglie- derung vertieft (mitsprechen beim Schreiben). Wörterjagd Die Kinder lesen das Wort und müssen es dann möglichst schnell im Bild- (vgl. Abb. 6) salat finden, während die Zeit abläuft. Ziel ist es, möglichst viele Wörter zu schaffen, einen Rekord aufzustellen. Während des Suchens sprechen sich die Kinder das Wort automatisch permanent leise vor, auch als Gedächtnis- stütze. Dabei wird es elaboriert. Bildkarten und Mit den Bildkarten kann man z. B. den Abruf über Zwillingspaare-Spiele trai- Arbeitsblatt nieren. Das klassische Arbeitsblatt übt die handschriftliche Umsetzung und (vgl. Abb. 6) ist z. B. auch gut als Hausaufgabe einsetzbar. Im Wortschatzportfolio-Heft könnte es gesammelt werden. Wörtertreppe In diesem klassischen Würfel-Brettspiel DÜRFEN die Kinder das Wort auf- schreiben, wenn sie auf ein Bild kommen – bei Kindern mit großen Abruf- problemen könnte man auch statt der Bilder die Wörter vorgeben. Bei einer Treppe steigt man auf, bei einem Fallschirm ab. Sieger ist, wer am Ende die meisten Wörter gesammelt hat (Wörtersieger), wer als erster am Ziel ist (Würfelsieger), wer am besten korrigiert hat (Korrigiersieger, es gibt auch ein Lösungsblatt) etc. Alle Kinder sollen Sieger werden können! Wörter versenken Bei diesem analogen Spiel tragen die Kinder (ähnlich wie bei „Schiffe ver- senken“) eine bestimmte, vereinbarte Wörterzahl in ihr oberes Gitter ein. Im unteren müssen sie die Wörter des/der Spielpartner*in herausfinden, in- dem sie Kästchen aufrufen (z. B. „B4“ – „ja, da ist ein B“). Bei diesem Spiel halten die Kinder die Wortgruppe permanent im Arbeitsgedächtnis und ru- fen die Wörter immer wieder ab. Beim Herausfinden der Treffer werden sie durchgliedert und elaboriert, auch auf orthographischer Ebene. Flipper Eine Umsetzung der Wörter als Geschicklichkeitsspiel bietet Flipper: Mit zwei Flohchips schnippst man möglichst auf ein Bild, das man dann auf- schreiben DARF. Trifft der dritte Chip durch ein Loch in der Kartonwand („2x“), DARF man das Wort sogar zweimal aufschreiben. Dabei wird es aktiv abgerufen, und dann beim Schreiben – am besten leise mitsprechen – phonologisch und orthographisch elaboriert. Sieger ist, wer die meisten Wörter geschrieben hat. Tab. 4: Analoge und digitale Lernspiele und Übungsformen zum gewählten Wortfeld aus der Software zabulo (REBER/STEIDL, 2016) Zusammenfassend kann man sagen, dass sich sem Setting besonders gut umsetzen lassen folgende Prinzipien zum Medieneinsatz in die- (Tab. 5): 2/21 15
BEITRAG Prinzipien zum Erläuterung Medieneinsatz Wiederholungen Durch die Fokussierung auf einen engen Zielwortschatz schaffen es zulassen auch Kinder mit großen Abrufschwierigkeiten, den Abruf genügend oft zu üben, um Wörter in den Alltag zu generalisieren. Kindliche Interessen Da der Wortschatz individuell zusammengestellt werden kann, kön- berücksichtigen nen Wörter ausgewählt werden, die für das Kind wichtig sind oder bei denen es gerade dringend Übung benötigt. Kinder spielen und Durch spielerische Formate sowie auch digitale Angebote steigt die lernen Motivation für das Lernen. Digitale Medien immer Die Medien werden als Sprechanlass eingesetzt, so dass Kommu- gemeinsam nutzen nikation möglich ist. Für Gespräche über das Wort (Metasemantik) hält man immer wieder inne. Gemeinsam kann entweder mit einem Erwachsenen (Lehrkraft, Therapeut*in, Eltern) oder einem Kind sein. Medien dialogisch Auch bei Lernspielen und Lern-Apps sollte man nicht nur die Wörter betrachten benennen, sondern auch immer wieder Fragen stellen, erzählen zum Wort, vielleicht auch schwere Wörter in ein Merkheft mitnotieren etc. Medien sind Sprechanlass! Kindern gute Die anfangs oft üblichen technischen Interaktionen sollte man zu- Sprachmodelle geben gunsten inhaltlicher vermeiden (MIOSGA, 2018). Reales und digitales Digitale Medien sind v. a. am Ende einer Lernphase bzw. zur Übung Lernen vernetzen und Generalisierung sinnvoll (WILDEGGER-LACK, 2011). Tab. 5: Mit zabulo (REBER/STEIDL, 2016/2020) gut umsetzbare Prinzipien des Einsatzes digitaler Medien 7 Didaktisch-methodische Umsetzung: rungen sind wertvoll zu Beginn einer Lern- Kombination realer und digitaler phase (z. B. Sortierspiele mit echtem Obst Medien und Gemüse): Die Kinder können Eigen- schaften mit allen Sinnen erleben, fühlen Da auch in der Realität nicht nur digitale Medien und damit hantieren. Auch Modelle wie in unserem Alltag zu finden sind, ist es sinnvoll, in Holzspielzeug im Kaufladen sind für solche Unterricht und Therapie die Medienarten eben- haptischen Eindrücke wichtig (enaktives so sinnvoll zu kombinieren und verschiedene Lernen). Zugänge anzu bieten (WIL- DEGGER-LACK 2011). In der Da auch in der Realität nicht nur digitale Medien didaktischen Planung hilft das in unserem Alltag zu finden sind, ist es sinnvoll, in EIS-Prinzip nach BRUNER et Unterricht und Therapie die Medienarten ebenso al. (1971): sinnvoll zu kombinieren und verschiedene Zugänge • Situationen mit echten, anzubieten. dreidimensionalen Erfah- 16 2/21
Karin REBER ■ Wortschatzförderung in Unterricht und Therapie • In einem zweiten Schritt könnten Spiele sieren, sondern bewusst weiter beim Inhalt und Übungen auf symbolischer Ebene fol- zu bleiben (nicht: „Klick mal da, was passiert gen, d. h. zweidimensionale Umsetzungen da?“, sondern: „Hast du schon mal Erdbee- analoger und digitaler Art. Idealerweise ren gegessen? Wie schmecken die?“) und sollte die Vorstellung und Begriffsbildung so auch Wörter mit anderen zu vernetzen. noch durch Abbildungen unterstützt werden (iko- Wenn Kinder alleine vor einem digitalen Gerät sitzen, nisch). bleiben sie erst einmal stumm: In dieser Situation • Auf abstrakter Stufe kann gibt es keinerlei natürliche kommunikative Notwen- auch nur in der Vorstel- digkeit zum Sprechen. lung mit Wortschatz han- tiert werden (z. B. Spiel „Ich denke mir ein Studien zeigen z. B. beim Vergleich von Bil- Tier, das hat einen langen Hals“ oder Lesen derbuchsituationen, die entweder mit einem eines Lesetextes ohne Bilder) (symbolisch). Buch oder mit einem Tablet digital stattfin- den, dass gerade Eltern gerne eher zu tech- Idealerweise sollten auch digitale Lernspiele nischen Interaktionen tendieren (MIOSGA, und -Apps zu zweit und nie allein genutzt 2018). werden, denn wenn Kinder alleine vor einem digitalen Gerät sitzen (das gilt auch für analo- ge Medien!), bleiben sie erst einmal stumm: 8 Weitere Ideen zur Wortschatz In dieser Situation gibt es keinerlei natürliche förderung mit digitalen Medien kommunikative Notwendigkeit zum Sprechen. Zu zweit dagegen kann man über das Wort Im Folgenden sollen noch einige weitere Tools sprechen („Hast du schon einmal eine Banane genannt werden, die sich im Sinne der oben ausgeführten Vorgehenswei- Interaktionen nicht auf die Technik fokussieren, sen und Prinzipien sinnvoll in sondern bewusst weiter beim Inhalt bleiben. Therapie und Unterricht zur Wortschatzförderung einset- gegessen?“, „Wie schmeckt die?“) und v. a. zen lassen. Tab. 6 zeigt dabei Kreativ-Apps, Abrufhilfen geben: also digitale Angebote, bei denen Inhalte • semantischer Abrufhinweis: „Die hat eine selbst modifiziert und ergänzt werden können, Schale“, „Affen lieben sie!“ z. B. durch eine Autorenfunktion. • phonologischer Abrufhinweis: „eine B…“, „eine Ba…“ Praxistipp: Schöne learningapps zur Sprach- förderung entstanden durch einen Arbeits- Partner*in kann die Lehrperson, ein Elternteil kreis des Staatsinstituts für Schulqualität und oder auch ein anderes Kind sein. In Studien Bildungsforschung in Bayern. haben sich dazu heterogene peer-groups als Eine Übersicht findet sich unter: https://www.isb.bayern.de/foerder- sinnvoll erwiesen (STITZINGER, 2018). schulen/foerderschwerpunkte/spra- Bei digitalen Spielen ist es zudem wichtig, che/learning_apps_zur_sprachfoer- derung Interaktionen nicht auf die Technik zu fokus- 2/21 17
BEITRAG Software / App Förderaspekte (Schwerpunkte) Beschreibung Beispielidee morphologisch phonologisch graphemisch syntaktisch semantisch prozedural episodisch Learning x x x x (x) x Eigene Übungen erstellen oder Interaktives apps.org fertige nutzen in vielfältigsten Kreuzworträt- (LEARNING Übungsformaten: z. B. Zu- sel zu Wörtern APPS 2020) ordnung auf Bild, Lückentext, der Lektüre Web-App/alle Kreuzworträtsel, Paare-Spiel, Betriebssys- Wortgitter, M illionenspiel … teme Besonderheiten: auf allen Platt- formen, da webbasiert, nur online nutzbar, Lernapps anderweitig per einbettbar Bitsboard x x x x (x) Eine Zusammenstellung von Wör- Eigenes Lernkarten tern („board“) in 26 Übungsfor- „board“ zum (HAPPY men nutzen: z. B. als Lernkarten, Kernwort- MOOSE APPS Memory, Wörter lesen in ver- schatz einer 2020) schiedensten Formen, Wortsalat, Lektüre, eines iOS Wörter nachspuren, Suchsel, Bilderbuchs, Bingo, Kreuzworträtsel, … Eigene eines Projekts „boards“ können sehr einfach, erstellen oder auch von den Kindern selbst, erstellen las- zum Klassenwortschatz angelegt sen werden: Begriff fotografieren, aufschreiben (mit Artikel!) und einsprechen. Besonderheiten: offline nutzbar, sehr viele Mini-Spiele, sehr einfa- che Bedienung TinyTap x x x x x Interaktive Lernaktivitäten selbst Situationsbild (TINYTAP LTD. erstellen und weitergeben: Ein mit Wort- 2020) Bild mittels verschiedener Akti- schatz aus iOS, Android; vitäten (z. B. Suchaufgaben, Ge- dem Alltag Nutzen: Alle räusche, Puzzle, Schreibaufgabe) oder Wim- Betriebsysteme in ein Lernspiel verwandeln. Auf melbild mit (Web-App) diese Weise entstehen Suchauf- Suchaufgaben gaben, Rätsel aber auch Benenn- animieren aufgaben, die per Spracherken- (z. B. Wo ist nung ausgewertet werden. In der Hund?) Gestaltungspaketen stehen fer tige Bildelemente zu Verfügung, 18 2/21
Karin REBER ■ Wortschatzförderung in Unterricht und Therapie Software / App Förderaspekte (Schwerpunkte) Beschreibung Beispielidee morphologisch phonologisch graphemisch syntaktisch semantisch prozedural episodisch so dass ästhetisch ansprechende Spiele entstehen. Es können aber auch eigene Bilder eingefügt werden. Besonderheiten: offline nutzbar, einziges System mit Aktivität „be- nennen“ und Spracherkennung, komplexe Interaktionen erstellbar Tipp: Marina Ruß hat hochwer- tige Logopädie-Apps für dieses System erstellt und in der Biblio- thek veröffentlicht. Futaba CG x x x (x) Wettrate-Spiel für 1–4 Spieler Ein semantisch- (Classroom (an einem Gerät!!!) erstellen: lexikalisches Games) Eine Frage wird angezeigt (als Feld in der (INKIDS Text oder Bild). Wer als erste*r Gruppe üben, EDUCATION die Antwort findet, bekommt z. B. Alltags- LLC 2016) den Punkt. Sieger*in ist der*die wortschatz iOS Spieler*in mit den meisten Punk- Schulsachen: ten. Nur die App-Variante Class- Bild „Spitzer“ room Games (CG) hat ein Auto- wird angezeigt, rensystem, mit dem man selbst die Kinder müs- Spiele erstellen kann. sen „der Spit- Besonderheiten: vier zer“ finden/ Spieler*innen an einem Tablet, lesen und mög- echtes motivierendes Wettrate- lichst schnell Spiel antippen. Tab. 6: Apps und Software zur Wortschatzförderung mit modifizierbaren Inhalten (Kreativ-Apps) 2/21 19
BEITRAG Tab. 7 nennt Apps und Software, die fertige Zusammenstellungen enthalten. Software / App Förderaspekte (Schwerpunkte) Beschreibung morphologisch phonologisch graphemisch syntaktisch semantisch prozedural episodisch MULTIDINGSDA x x x x Elaboration von Wortschatz in Wortfeldern: (LEHRMITTEL- Zu jedem Wortfeld (z. B. „Im Haus“) stehen VERLAG ZÜRICH, verschiedene Übungsformen zur Wahl, die mit 2017) Hilfe eines Situationsbildes bearbeitet werden iOS, Windows (z. B. hören, Wörter suchen, Sätze verstehen, Wortkarten oder Sprechblasen platzieren, tippen, …) Besonderheiten: Grundwortschatz mit 600 Wörtern in 40 Themenfeldern, 14 Sprachen Lexico Verstehen (x) x x x Sprachtherapeutische App zum Training des 1 (PAPPY GMBH Sprachverständnisses auf Wort- und Satzebene 2019) zu verschiedenen Themen (z. B. Berufe), Wort- iOS arten (z. B. Verben, Präpositionen) und seman- tischen Relationen (z. B. Gegensätze) (vgl. auch weitere Apps der Firma im App-Store). Besonderheiten: Sprachtherapeutische Förde- rung des Sprachverständnisses mit Hilfe von semantischen Minimalpaaren, App in acht Sprachen erhältlich Tab. 7: Apps und Software zur Wortschatzförderung mit fertigen Inhalten Darüber hinaus gibt es je nach semantisch-le- DER KLEINEN FORSCHER (z. B. „Fridas Fahr- xikalischer Zielsetzung auch Angebote zu ein- rad“, o. J.), die viele naturwissenschaftliche zelnen Themenbereichen, die gar nicht speziell Themen aufgreifen. Teilweise visualisieren zur Wortschatzförderung konzipiert wurden, Apps Phänomene (z. B. die Atmung, histo- die sich aufgrund der verwendeten Fachspra- rische Orte, Mondlandung), die anders gar che und didaktisch-methodischen Gestaltung nicht zugänglich wären. aber sehr gut einsetzen las- sen. Oftmals kommen diese Teilweise visualisieren Apps Phänomene, die anders auch aus dem Sachunter- gar nicht zugänglich wären. richt. Ein schönes Beispiel für den Umgang mit Fachwortschatz sind „Der Schließlich sei noch auf Anwendungen zur Er- menschliche Körper“ (TINYBOP INC. 2020, zählförderung verwiesen, die sich gut eignen, iOS) oder die Apps von der STIFTUNG HAUS um den eingeführten Wortschatz in alltagsna- 20 2/21
Karin REBER ■ Wortschatzförderung in Unterricht und Therapie hen Situationen anzuwenden. Dabei handelt es tagstransfer. Auf diese Weise entstehen eigene, sich um digitale Medien für freiere Sprach- und kreative Medienprodukte wie Filme. Empfeh- Kommunikationskontexte, also für den All- lenswerte Apps in diesem Bereich zeigt Tab. 8: Software / App Förderaspekte (Schwerpunkte) Beschreibung Beispielideen morphologisch phonologisch graphemisch syntaktisch semantisch prozedural Puppet Pals x x x episodisch x x Mit Puppet Pals kann man Geschichten zum HD Director’s ganz leicht aus abfotografier- jeweiligen Wort- Pass (POLIS- ten Figuren und Hintergrün- feld erfinden und HED PLAY LLC den kleine, animierte Erklärvi- aufnehmen: 2018) deos erstellen. Während man Bewerbungsge- iOS die Figuren über den Bild- spräch, Lesetext schirm zieht, spricht man die nachspielen, In- Redeteile ein. Per Aufnahme- terviews führen, funktion entsteht ein digitaler Fantasiewelten Puppentheater-Film oder historische Welten ChatterPix x x x x x Mit ChatterPix fotografiert Personen und Kids (DUCK man einen beliebigen Alltags- Dinge sprechen DUCK MOOSE gegenstand, zeichnet einen lassen: 2020) Mund ein und nimmt per Mi- Politiker, Tiere iOS krofon auf, was man diesem und Pflanzen Gegenstand „in den Mund zum Klimaschutz, legen“ möchte. Der Mund Fahrrad stellt wird dann passend animiert, seine Bestandteile es entsteht ein Video. vor Tab. 8: Apps und Software zur Wortschatzförderung zur Gestaltung freierer Sprach- und Kommunikations- kontexte im Sinne der Erzählförderung mit dem Ziel Alltagstransfer Praxistipp: Eine ständig aktualisierte Übersicht mit vielen Tipps auch zu weiteren Sprachebe- nen und Förderbereichen findet sich in der App- Liste „Apps für Schule und Therapie“ (REBER/ KAISER-MANTEL, 2020). Der Schwerpunkt dieser Zusammenstellung liegt auf Sprache, Sprachförderung und Sprachtherapie. Die Übersicht gibt es als kostenlosen Download unter https://karin-reber.de/2018/10/28/appliste 2/21 21
BEITRAG 9 Ausblick BRUNER, J. S./OLVER, R. R./GREENFIELD, P. M./ AEBLI, H. & JUZI, G. (1971). Studien zur ko- gnitiven Entwicklung: Eine kooperative Unter- Es lohnt, sich die Welt der digitalen Medien suchung am „Center for Cognitive Studies“ der zu erkunden, gerade weil sie „nicht mehr weg Harvard-Universität (1. Aufl.). Stuttgart: Klett. geht“ und Kinder unweigerlich mit ihr im All- GLÜCK, Ch. W./SPREER, M. (2017): Zur Bildungs- tag in Kontakt kommen. Reflektiert in Unter- relevanz semantisch-lexikalischer Störungen. richt und Therapie eingebunden lassen sich Sprache-Stimme-Gehör, 2, 39, S. 81–85. viele Ansatzpunkte für semantisch-lexikalische KANNENGIESER, S. (2019): Sprachentwicklungs- Förderangebote z. B. zur Elaboration, zum Ab- störungen: Grundlagen, Diagnostik und Therapie (4. Auflage). München: Urban & Fischer. ruftraining oder zur Vernetzung von Wörtern MIOSGA, Ch. (2018): Sprach- und Bildungshori- finden. In der Praxis hat es sich bewährt, selbst zonte erweitern durch responsive Strategien von an einem Punkt einzusteigen, der für die eigene pädagogischen Fachkräften – Zum Nutzen von multimodalen Interaktions- Es lohnt, sich die Welt der digitalen Medien zu er- analysen für die Gestaltung kunden, gerade weil sie „nicht mehr weg geht“ didaktischer Interaktionen. In: JUNGMANN, T., GIERSCH- und Kinder unweigerlich mit ihr im Alltag in Kontakt NER, B., MEINDL, M., SAL- kommen. LAT, S. (Hrsg.): Sprach- und Bildungshorizonte. Wahrneh- Arbeit spannend erscheint und Lust macht. Es ist men – Beschreiben – Erweitern. Idstein: Schulz- nicht sinnvoll, sich der Illusion hinzugeben, erst Kirchner, S. 139–145. einmal alles lernen zu wollen, um dann anzufan- MOTSCH, H.-J./MARKS, D. & ULRICH, T. (2015): gen, denn der Bereich entwickelt sich so schnell, Wortschatzsammler. Evidenzbasierte Strategie- dass das nicht möglich ist. Besser fährt der, der therapie lexikalischer Störungen im Kindesalter. München: Reinhardt. sich selbst auf den Weg des/der Lernenden be- REBER, K. (2017): Prävention von Lese- und Recht- gibt, genauso wie es die Kinder tun. Kommt schreibstörungen im Unterricht. Systematischer man einmal nicht weiter, sei hier die lernend- Schriftspracherwerb von Anfang an. München: fragende Grundhaltung besonders empfohlen: Reinhardt. Der*die nette Kolleg*in oder eine anonyme REBER, K. (2018): Digitale Bildung im Förder- Videoplattform, in der man nach Tipps suchen schwerpunkt Sprache: Das Potential neuer Me- dien nutzen. In: JUNGMANN, T., GIERSCHNER, kann, bieten viele Impulse. Wertvolle Hilfen bei B., MEINDL, M., SALLAT, St. (Hrsg.): Sprach- und der Auswahl geeigneter Angebote bieten Kri- Bildungshorizonte. Wahrnehmen – Beschreiben – terienraster bzw. Bewertungsmodelle (REBER, Erweitern. Tagungsband zum Bundeskongress der 2018, REBER/WILDEGGER-LACK, 2020), aber Deutschen Gesellschaft für Sprachheilpädagogik auch evidenzbasierte Vorgehensweisen (STAR- in Rostock. Idstein: Schulz-Kirchner, S. 302–309. KE/MÜHLHAUS, 2018). In diesem Sinne: Wer- REBER, K./KAISER-MANTEL, H. (2020): Apps für den Sie lernend, packen Sie es an! Schule und Therapie. Sonderpädagogik –Inklusi- on – Förderschwerpunkt Sprache – Sprachthera- pie. https://karin-reber.de/2018/10/28/appliste Literatur (2.11.2020). AITCHISON, J. (2011): Wörter im Kopf: Eine Ein- REBER, K./SCHÖNAUER-SCHNEIDER, W. (2018): führung in das mentale Lexikon. Tübingen: M. Bausteine sprachheilpädagogischen Unterrichts. Niemeyer. München: Reinhardt. 22 2/21
Karin REBER ■ Wortschatzförderung in Unterricht und Therapie REBER, K./WILDEGGER-LACK, E. (2020): Sprach- cation.com/futaba-classroom-games-for-kids förderung mit Medien: Von real bis digital. Wis- (2.11.2020) senswertes für Eltern, Pädagogen und Thera- LEARNINGAPPS (2020) (alle Betriebssysteme): lear- peuten. Idstein: Schulz-Kirchner. ningapps.org. https://learningapps.org RUPP, S. (2013): Semantisch-lexikalische Störungen LEHRMITTELVERLAG ZÜRICH (2017) (Windows, bei Kindern: Sprachentwicklung: Blickrichtung Wort- iOS): MULTIDINGSDA. https://www.lmvz.ch/ schatz. Praxiswissen Logopädie. Springer, Berlin. schule/multidingsda (2.11.2020) STARKE, A./MÜHLHAUS, J. (2018): App-Einsatz PAPPY GMBH (2019) (iOS): Lexicon Verstehen 1. in der Sprachtherapie: Die Nutzung evidenzba- http://lexico.ch/de/apps (2.11.2020) sierter und ethisch orientierter Strategien für die POLISHED PLAY LLC (2018) (iOS): Puppet Pals HD Auswahl von Applikationen. Forum Logopädie, 2, Director’s Pass. http://www.polishedplay.com/ 32, S. 22–26. puppetpals1 (2.11.2020) STITZINGER, U. (2018): Sprachliche Modelle in der REBER, K./STEIDL, M. (2016/2020) (Windows, Inklusion – Wie wirksam sind diese? In: In: JUNG- Mac OS, iOS): Computerprogramm/Lern-App MANN, T., GIERSCHNER, B., MEINDL, M., SAL- zabulo. Lernmaterialien mit System. Paedalogis LAT, St. (Hrsg.): Sprach- und Bildungshorizonte. (5. Aufl./1.Aufl.). Weiden. https://www.paedalo- Wahrnehmen – Beschreiben – Erweitern. Ta- gis.com/index.php/zabulo (2.11.2020) gungsband zum Bundeskongress der Deutschen RED JUMPER LIMITED (2020) (alle Betriebs sys Gesellschaft für Sprachheilpädagogik in Rostock. teme): Book Creator. https://bookcreator.com Idstein: Schulz-Kirchner, S. 103–109. (2.11.2020) WILDEGGER-LACK, E. (2011). Therapie von kind- STIFTUNG HAUS DER KLEINEN FORSCHER (o.J.) lichen Sprachentwicklungsstörungen (3–10 Jah- (alle Betriebssysteme): Fridas Fahrrad. htt- re). München: Reinhardt. ps://apps.apple.com/de/app/fridas-fahrrad/ id901850611 bzw. https://www.meine-forscher- Erwähnte Software/Apps welt.de/spiel/fridas-fahrradwerkstatt (weitere DUCK DUCK MOOSE (2020) (Android, iOS): Chat- Apps vgl. App-Store oder über https://www. terPix Kids. http://www.duckduckmoose.com/ meine-forscherwelt.de) (2.11.2020) educational-iphone-itouch-apps-for-kids/chat- TINYBOP INC. (2020) (iOS): Der menschliche Kör- terpixkids (2.11.2020) per. https://tinybop.com/apps/the-human-body HAPPY MOOSE APPS (2020) (iOS): Bitsboard Lern- (2.11.2020) karten. https://learningapps.org TINYTAP LTD. (2020) (erstellen: Android, iOS, nut- INKIDS EDUCATION LLC (2016) (iOS): Futa- zen: alle Betriebssysteme): TinyTap – Kids Lear- ba CG (Classroom Games). http://inkidsedu- ning Games. https://www.tinytap.it 2/21 23
BEITRAG Kontaktadresse: Dr. Karin REBER, München Homepage: http://www.karin-reber.de E-Mail: mail@karin-reber.de Daten zur Person Karin REBER: Sprachheillehrerin (Sprachheilpädagogik, Informatik) und akademische Sprachthe- rapeutin (Sprachheilpädagogin M.A.), aktuell tätig in der Schulaufsicht in Oberbayern in den Be- reichen digitale Bildung sowie im Förderschwerpunkt Sprache. Berufserfahrung als Sonderschul- lehrerin, Akademische Rätin an der Universität, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschung, Sprachtherapeutin, Referentin in der Schulaufsicht, Seminarleiterin für die Ausbildung von Studien- referendaren, Autorin, Fortbildnerin und in der Softwareentwicklung. 24 2/21
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