Die Energiewende im Norden - Chancen und Risiken für die Metropolregion Hamburg als Produktionsstandort - HWWI

Die Seite wird erstellt Armin Schlegel
 
WEITER LESEN
Die Energiewende im Norden - Chancen und Risiken für die Metropolregion Hamburg als Produktionsstandort - HWWI
Die Energiewende im Norden
Chancen und Risiken für die Metropolregion Hamburg
als Produktionsstandort

Meine Bank heißt Haspa.
Die Energiewende im Norden - Chancen und Risiken für die Metropolregion Hamburg als Produktionsstandort - HWWI
Inhaltsverzeichnis

Impressum

Herausgeber:         Hamburger Sparkasse AG
                     Unternehmenskommunikation
                     Wikingerweg 1
                     20537 Hamburg
                     www.haspa.de

Bei Rückfragen:      Marcus-Andree Schoene
                     Telefon 040 35 79-36 26
                     marcus-andree.schoene@haspa.de

Verfasser:		                  Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut
		                            gemeinnützige GmbH (HWWI)               Haftungsausschluss
		                            Tel.: +49 (0) 40 34 05 76-330
		                            Email: braeuninger@hwwi.org             Wir haben uns bemüht, alle in dieser Studie enthaltenen
                                                                      Angaben sorgfältig zu recherchieren und zu verarbeiten.
Autoren:             Prof. Dr. Michael Bräuninger, Leon Leschus,      Dabei wurde zum Teil auf Informationen Dritter zurückge-
                     Sebastian Schröer                                griffen. Einzelne Angaben können sich insbesondere
                                                                      durch Zeitablauf oder infolge von gesetzlichen Änderun-
Gestaltung:          www.mediengestaltung-doehren.de                  gen als nicht mehr zutreffend erweisen. Für die Richtig-
                                                                      keit, Vollständigkeit und Aktualität sämtlicher Angaben
Erhebung:            Hamburg, August 2011                             kann daher keine Gewähr übernommen werden.

2
Die Energiewende im Norden - Chancen und Risiken für die Metropolregion Hamburg als Produktionsstandort - HWWI
Einleitung

Inhaltsverzeichnis

Vorwort		                                                Seite 4

Der deutsche Energiebedarf im internationalen Kontext    Seite 5

Die Energieversorgung in Deutschland                     Seite 9

Die Energieversorgung der hamburgischen Wirtschaft      Seite 14

Fazit			                                                Seite 18

Literaturverzeichnis/Bildnachweise                      Seite 19

                                                                           3
Die Energiewende im Norden - Chancen und Risiken für die Metropolregion Hamburg als Produktionsstandort - HWWI
Vorwort

Vorwort

In Deutschland gibt es mittlerweile mehr Energieexperten als
Fußballexperten, heißt es. Kaum ein anderes Thema ist mit so viel
Emotionen besetzt und zugleich so komplex. Wenn Strom- und
Benzinpreise steigen, hat jeder eine Meinung, und die deutsche
Energiewende hat die Diskussion noch weiter angeheizt.

Auch bei der mittelständischen Wirtschaft steht das Thema Energie
wieder ganz oben auf der Agenda. Kostenentwicklung und Versor-
gungssicherheit sind zum zentralen Faktor geworden. Das gilt vor
allem für das verarbeitende Gewerbe mit seinem überdurchschnitt-
lich hohen Bedarf. Nicht selten ist es hier der Energiepreis der über
die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells entscheidet.

Diese Entwicklung stellt auch unsere Firmenkundenberater vor
große Herausforderungen. Sie müssen gemeinsam mit ihren Kun-
den Entscheidungsgrundlagen schaffen und diese kontinuierlich
überprüfen. Der Risikofaktor Energiepreis sollte aber nicht die
Chancen überdecken, die sich aus der Energiewende ergeben. Die
Hamburger Unternehmer haben dies schon längst erkannt. 80
Prozent von ihnen glauben, dass sich der Atomausstieg positiv
auf die Konjunktur auswirken wird.

Wir sprechen heute immer häufiger über Investitionen in Energie-
effizienz oder dezentrale Versorgungskonzepte. Unsere Branchen-
kompetenz-Center Industrie/Produktion und Energie/Umwelt rücken
weiter zusammen. Höchste Zeit, auch unseren strategischen Partner,
das HWWI, zu bitten, einen Blick in die Statistiken zu werfen, und die
Chancen und Risiken der Energiewende genauer auszuleuchten.

Diese Studie soll einen Beitrag zur konstruktiven Diskussion und
Entscheidungsfindung leisten.

Frank Brockmann
Firmenkundenvorstand
Hamburger Sparkasse AG

4
Der deutsche Energiebedarf im internationalen Kontext

Der deutsche Energiebedarf
im internationalen Kontext.
Schwellen- und Entwicklungsländer treiben                            braucher abgelöst. Im Jahre 2000 war der Energieverbrauch in
die Nachfrage                                                        China noch halb so groß wie in den USA. Die weitere Entwicklung
                                                                     des Weltenergieverbrauchs wird stark davon abhängen, mit wel-
Der weltweite Energieverbrauch hat sich seit 1965 mit einer Zu-      cher Intensität sich der Erholungsprozess der weltweiten Kon-
nahme von über 218 % mehr als verdreifacht. Der Anstieg des          junktur fortsetzt.
Weltenergieverbrauchs verringerte sich jedoch im Zeitablauf von
3 % in den siebziger Jahren auf 1,2 % in den neunziger Jahren.       Den größten Anteil am Energieverbrauch hat heute Erdöl. Im Lau-
Ein Grund für diese Verlangsamung war die Reaktion auf die Ver-      fe der sechziger Jahre hat Öl Kohle als wichtigsten Energieträger
teuerung und Verknappung der Energieträger in Form von Ein-          abgelöst. Mitte der siebziger Jahre erreichte Öl seinen höchsten
sparungs- und Substitutionsbemühungen. Im ersten Jahrzehnt          Anteilswert und trug knapp die Hälfte zum kommerziellen Welt-
des neuen Jahrtausends erhöhte sich die Rate allerdings wieder       energieverbrauch bei. Mittlerweile hat sich der Ölanteil auf etwa
auf 2,4 %, weil in den Entwicklungsländern der Energieverbrauch      33,5 % vermindert, während der Kohleverbrauch, der noch zur
deutlich zunahm. Die Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009          Jahrtausendwende unter ein Viertel gesunken war, heute mit fast
führte erstmals seit der Ölkrise Anfang der 80er-Jahre zu einem      30 % wieder stark zugelegt hat. Während Erdgas seinen Anteil am
rückläufigen Energieverbrauch. Jedoch stieg im Zuge der Kon-         Energieverbrauch im Laufe der Zeit auf knapp ein Viertel bis 2010
junkturerholung 2010 die globale Energienachfrage um kräftige        gesteigert hat, nahmen die Erneuerbaren Energien kräftig zu und
5,6 % an. Dies war der höchste prozentuale Anstieg seit 1973.        erreichten einen Anteil von etwa 8 %. Damit haben sie sich seit
Während der Konsum in den OECD-Ländern um 3,5 % anstieg, er-         1990 absolut gesehen um 81 % erhöht. Die Atomkraft trug im
höhte sich die chinesische Energienachfrage 2010 um 11,2 %.          Jahr 2010 6,5 % zum weltweiten Primärenergiemix bei.
Damit hat China die USA als den größten weltweiten Energiever-

   Abbildung 1 Weltweiter Energiemix im Zeitverlauf
 Mtoe
14000

12000

10000

 8000

 6000

 4000

 2000

     0
     1965           1970        1975           1980       1985           1990          1995         2000          2005          2010

                           Öl            Gas                 Kohle                    Kernenergie                 Übrige

Quellen: BP (2011); HWWI.

                                                                                                                                       5
Der deutsche Energiebedarf im internationalen Kontext

    Abbildung 2 Deutscher Anteil am weltweiten Primärenergieverbrauch

     Mtoe

     18000

     16000

     14000

     12000

     10000

      8000

      6000

      4000

      2000                        2,77 %                                   1,85 %                                    1,42 %
          0
                                   2008                                     2020                                     2030
                                                           Welt*                                  Deutschland**

* New Policies Scenario   ** Basisszenario 2010 A   Quellen: BMU (2010); International Energy Agency (2010); HWWI.

In den nächsten Jahren ist davon auszugehen, dass sich aufgrund               Wettbewerb um sichere Energieversorgung
eines fortschreitenden starken Wirtschaftswachstums in den                    verschärft sich weiter
Schwellenländern und der ansteigenden Weltbevölkerung die En-
                                                                              Der Wettbewerb um die Energie wird auf den internationalen
ergienachfrage deutlich erhöhen wird. So geht die Energy Infor-
                                                                              Märkten weiter zunehmen. Dabei wird die Versorgungssicherheit
mation Administration (EIA, 2010) in ihrem Referenzszenario da-
                                                                              immer mehr in den Mittelpunkt rücken. Dies kann nur über die
von aus, dass bis zum Jahre 2030 der weltweite Energiebedarf um
                                                                              Diversifizierung des Energiebezugs gewährleistet werden.
40 % , bis 2035 sogar um 50 % ansteigen wird. Der deutsche An-
                                                                              Deutschland bezieht Rohöl aus den unterschiedlichsten Ländern.
teil am weltweiten Energieverbrauch wird dagegen von zurzeit
                                                                              Den größten Anteil seines Öls importiert Deutschland aus Russ-
etwa 2,8 % auf 1,4 % in 2030 sinken (vgl. Abbildung 2). Gründe
                                                                              land (34 %). Danach folgen die Importe in Höhe von insgesamt
hierfür sind die zunehmende Energieeffizienz in Deutschland und
                                                                              25,6 % aus den Ländern, die in der Nordsee Öl fördern: Großbri-
der rasant ansteigende Energiebedarf in den Schwellenländern.
                                                                              tannien, Norwegen und Dänemark. Die restlichen Ölimporte ver-
Die Internationale Energy Agency (IEA, 2010) schätzt, dass bis
                                                                              teilen sich auf mehrere Länder und liegen jeweils unter 10 %. Die
2035 der Anteil Chinas an der Energienachfrage von heute
                                                                              Diversifizierung der Importe ermöglichte es Deutschland ohne
17 % auf 22 % ansteigen wird. Auch in Indien wird in den näch-
                                                                              weiteres die seit Frühjahr 2011 ausgefallenen libyschen Ölimpor-
sten beiden Jahrzehnten der Energiekonsum kräftig zunehmen.
                                                                              te zu ersetzen. Bei Gas ist die Zahl der Lieferländer geringer. Sie
                                                                              ist auf bisher fünf Länder begrenzt, wobei Russland mit
Das Energieangebot wird es schwer haben mit der steigenden En-
                                                                              37 % den größten Anteil an den Gasimporten hat (vgl. Tabelle 1).
ergienachfrage in den nächsten Jahren Schritt zu halten. Die
Höhe des Rohölangebots wird stark durch die angewandten För-
dertechniken beeinflusst. Der technische Fortschritt führt zwar               Bedeutung des Energieträgers Gas nimmt zu
dazu, dass bereits genutzte Ölfelder besser und zuvor nicht ge-
                                                                              Zukünftig werden für Deutschland weitere Bezugsquellen von Gas
nutzte zusätzliche Lagerstätten rentabel ausgebeutet werden
                                                                              hinzukommen. So ist davon auszugehen, dass die deutsche Bio-
können. Auch steigende Energiepreise führen dazu, dass bei ge-
                                                                              gasproduktion weiter ausgedehnt wird. Biogas kann ohne größe-
gebenem Stand des technischen Wissens weitere Lagerstätten
                                                                              re Probleme in das bestehende heimische Gasnetz eingespeist
rentabel werden. Jedoch werden leichter zugängliche Ölfelder
                                                                              werden. Die Bundesregierung hat daher beschlossen, die Menge
immer stärker ausgeschöpft. Die Suche nach neuen Ölquellen
                                                                              an Biogas im deutschen Gasnetz bis zum Jahr 2020 auf sechs Mil-
verlagert sich damit zunehmend auf entlegenere Gebiete und er-
                                                                              liarden Kubikmeter zu erhöhen. Bis 2030 sollen die Menge an Bi-
folgt unter schwierigeren Bedingungen wie größere Bohrtiefen.
                                                                              ogas auf zehn Milliarden Kubikmeter steigen – das entspricht
Neben den Tiefseebohrungen wird der Abbau von Ölsanden, Öl-
                                                                              etwa 12 % des heutigen deutschen Gasverbrauchs in Deutsch-
schiefern und Schwerstöl von nord- und südamerikanischen La-
                                                                              land (vgl. Bundesnetzagentur 2011). Neben Biogas könnte auch
gerstätten immer mehr an Bedeutung gewinnen.
                                                                              Schiefergas als unkonventionelle Quelle eine steigende Bedeu-
                                                                              tung auf dem deutschen Gasmarkt einnehmen. Im Schiefer ist Gas

6
Der deutsche Energiebedarf im internationalen Kontext

       Tabelle 1 Rohöl- und Gasimporte Deutschlands nach Herkunftsländern 20101

      Lieferländer                                                         Öl                                                       Gas

                                                                 Mtoe                            %                        Mtoe                           %
      Aserbaidschan                                                3,7                         4,0                             –                          –

      Dänemark                                                     2,0                         2,1                            0,9                       1,2

      Großbritannien                                              13,1                        14,0                            2,4                       3,1

      Iran                                                         1,5                         1,6                             –                          –

      Kasachstan                                                   8,1                         8,7                             –                          –

      Libyen                                                       7,3                         7,8                             –                          –

      Niederlande                                                     –                           –                       20,1                         26,1

      Nigeria                                                      3,9                         4,2                             –                          –

      Norwegen                                                     8,9                         9,5                        25,1                         32,5

      Russland                                                    33,9                        36,3                        28,6                         37,1

      Syrien                                                       2,7                         2,9                             –                          –

      Übrige Länder                                                8,2                         8,8                             –                          –

      Insgesamt                                                   93,3                      100,0                             77                      100,0

1
    Vorläufig.   2
                     Einschließlich übrige EU-Staaten. Quellen: AG Energiebilanzen (2011); BP (2011); HWWI.

in kleinsten Poren und Bruchstellen eingeschlossen. Zuvor lohnte                          Einen weiterhin sehr großen Anteil am deutschen Energiemix hat
es sich nicht, diese Vorkommen zu erschließen. Doch mit dem                               Kohle. Während Gas einen Anteil von 22 % und Öl einen Anteil
technischen Fortschritt ist dies nun möglich. So kann die USA ei-                         von 33 % hat, haben Braun- und Steinkohle einen Anteil von
nen großen Teil ihres Gasverbrauchs mit Hilfe von Schiefergas de-                         23 %. Danach folgen noch die Atomenergie mit 11 % und die
cken. In Europa werden größere Vorkommen an Schiefergas in                                Erneuerbaren sowie sonstigen Energien mit 11 % (siehe Abbil-
Polen und den Niederlanden vermutet, aber auch in Deutschland                             dung 3). Die Frage nach der Versorgungssicherheit steht bei dem
werden größere Lagerstätten erforscht. Jedoch ist die Förderung                           Energierohstoff Kohle weniger im Vordergrund als dies bei Öl und
von Schiefergas problematisch, da dafür giftige Chemikalien in                            Gas der Fall ist, weil sie weltweit noch vergleichsweise häufig und
den Boden gepumpt werden müssen.                                                          auf verschiedenste Länder verteilt vorkommt. Steinkohle wird zu

Neben einer zunehmenden Verwendung von Bio- und Schiefergas
gilt es aber auch, die Bezugsquellen an fossilem Gas zu erweitern.                            Abbildung 3 Deutscher Energiemix 2010
Dies könnte durch den Aufbau von neuen Gasleitungen gesche-
hen, wie der Nord-Stream-Pipeline durch die Ostsee oder einer
                                                                                                                                          Mineralöl
Pipeline, die Gas aus Aserbaidschan, Turkmenistan sowie dem                                                  11 %
Nordirak nach Europa und Deutschland liefert. Dies erhöht den                                                                             Steinkohle
Wettbewerb genauso wie ein zunehmender Import von verflüs-                                         11 %                33 %
                                                                                                                                          Braunkohle
sigtem Erdgas (Liquefied Natural Gas), das beispielsweise aus
den arabischen Ländern kommen könnte. Die Diversifizierung bei                                                                            Erdgas
                                                                                                      22 %
der Gasbeschaffung wird also in Zukunft bei einer zunehmenden
                                                                                                                       12 %               Kernenergie
weltweiten Gasnachfrage zentral sein. Bis 2035 rechnet die IEA
                                                                                                                11 %
mit einem Anstieg der global nachgefragten Gasmenge von gut                                                                               Erneuerbare und
                                                                                                                                          sonstige Energieträger
40 % im Vergleich zum Jahr 2008 auf 4,5 Trillion Kubikmeter. Da-
mit ist Gas der Primärenergieträger, der innerhalb dieses Zeit-
raums im weltweiten Energiemix absolut am stärksten ansteigt.                             Quellen: AG Energiebilanzen (2011); Berechnungen HWWI.

                                                                                                                                                                   7
Der deutsche Energiebedarf im internationalen Kontext

72 % von Deutschland importiert, wohingegen Braunkohle als           Anstieg der verwendeten Atomenergie aus. So soll der Anteil von
einziger Energierohstoff vollständig aus dem eigenen Abbau           6 % im Jahre 2008 am Gesamtenergiemix auf knapp 8 % im Jahr
stammt.                                                              2030 ansteigen.

                                                                     Um die CO2-Emissionen zu reduzieren, ist in Deutschland, aber
Mit steigendem Aufwand zu den letzten Reserven
                                                                     auch weltweit das erklärte Ziel, die Erneuerbaren Energien wei-
Der Welt wird in den nächsten Jahrzehnten noch genügend Kohle        ter auszubauen. Dabei spielt zum einen der vermehrte Einsatz
zur Verfügung stehen. Im Vergleich zu Öl oder Gas ist Kohle der      von Biomasse, zum anderen der Ausbau von Wind- und Solare-
Energieträger mit der längsten Reichweite, die definiert ist durch   nergie eine wichtige Rolle. Der Wasserkraft, lange Zeit wich-
das Verhältnis der wirtschaftlich erschließbaren Reserven zum        tigste Regenerative Energie, wird hingegen kaum noch Ausbau-
aktuellen weltweiten Verbrauch. Sofern keine neuen Reserven          potenzial zugeschrieben. Zwar ist davon auszugehen, dass in
hinzukommen und der Verbrauch auf dem derzeitigen Niveau             absehbarer Zeit der Preis für Bioenergie durch den technischen
bleibt, reichen die globalen wirtschaftlich förderbaren Kohlevor-    Fortschritt weiter sinken und sie damit wettbewerbsfähiger ge-
räte etwa 119 Jahre. Die Reichweiten für die Ölreserven und die      genüber fossilen Energieträgern wird. Jedoch bleibt die Biomas-
Gasvorräte liegen dagegen bei etwa 46 Jahre bzw. 63 Jahre. Tat-      severfügbarkeit auf absehbare Zeit begrenzt. Der Einsatz von
sächlich sind weder Reserven noch die Förderung konstante Grö-       Biomasse für die Energieerzeugung sollte nicht in Konkurrenz
ßen. Der Umfang der Reserven ändert sich mit der Entdeckung          zur Nahrungsmittelproduktion stehen. In den nächsten Jahr-
neuer Quellen. Steigende Energiepreise erhöhen dabei den An-         zehnten wird die Weltbevölkerung stark wachsen und gleichzei-
reiz, nach neuen Feldern zu suchen.                                  tig der Wohlstand in bevölkerungsstarken Schwellenländern zu
                                                                     nehmen, so dass sich hier die Menschen vermehrt hochwertige
Jedoch beginnt auch bei Kohle, trotz der großen Vorkommen, der       Nahrungsmittel leisten können.
internationale Wettbewerb zuzunehmen. Die weltweite Nachfrage
nach Kohle wird aller Voraussicht nach weiter ansteigen. Gerade      Bei einer Betrachtung der CO2-Bilanz schneidet Bioenergie nicht
China wird seinen weiter wachsenden Energiebedarf mit Kohle          nur positiv ab. Zwar wird bei der Verbrennung von Biokraftstoffen
decken. China ist, obwohl größter Kohleproduzent, zum Nettoim-       nur so viel CO2 ausgestoßen, wie zuvor von der Pflanze aus der
porteur von Kohle geworden. Daraus bezieht es 70 % seines Ener-      Luft aufgenommen wurde, doch für die CO2-Bilanz muss die ge-
giebedarfs. Etwa 48 % der weltweiten Kohle hat China in 2010 ver-    samt Prozesskette der Erstellung der Biokraftstoffe beachtet wer-
braucht und damit zwei Drittel des weltweiten Nachfrageanstiegs      den. Wurden für den Anbau der Pflanzen, die zur Herstellung des
verantwortet. (vgl. BP 2011). Im Juli 2011 hat sich China den Zu-    Biokraftstoffes verwendet werden, Urwälder abgeholzt, wirkt sich
gang zu großen Kohlegebieten in der Mongolei gesichert (vgl.         dies besonders negativ auf die CO2-Bilanz aus. Zudem wird bei
Coalworld 2011). Wichtige weltweite Kohleexporteure sind Süd-        Transport und Umwandlung der Biomasse viel Energie benötigt,
afrika und Australien.                                               deren Einsatz mit einem CO2-Ausstoß verbunden ist. Biokraft-
                                                                     stoffe der sogenannten zweiten Generation, die sich aus Pflan-
                                                                     zenresten sowie schnellwachsenden Gräsern und Hölzern herstel-
Einsatz Erneuerbarer Energien
                                                                     len lassen, weisen eine gute CO2-Bilanz auf. Jedoch besteht in den
stößt noch an Grenzen
                                                                     nächsten Jahren bei den Biokraftstoffen der zweiten Generation
Jedoch entweichen bei der Verbrennung von Kohle zur Energie-         noch weiterer Forschungs- und Entwicklungsbedarf, um sie in
gewinnung weltweit große Mengen an CO2. Dies ist ein Problem         großen Mengen technisch herstellen zu können. Solarenergie
vor dem Hintergrund eines drohenden Klimawandels. Daher stellt       und Windkraft sind zwar CO2-neutral, allerdings nicht grundlast-
sich hier die Frage, wie sich der CO2-Ausstoß reduzieren lässt.      fähig. Deshalb müssen Backup-Kraftwerke bereitstehen, um die
Zum einen könnten die CO2-Emissionen verringert werden, indem        Schwankungen der Erneuerbaren Energie zu kompensieren. Aus
energieeffizientere Kohlekraftwerke weltweit zum Einsatz kämen.      diesem Grund ist der Einsatz von Wind- und Solarenergie mit
Zum anderen wäre eine Möglichkeit, vermehrt Erneuerbare Ener-        hohen Kosten verbunden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die
gien zu nutzen. Um hierbei voran zu kommen, ist sowohl der Aus-      Frage, wie eine Vorreiterrolle Deutschlands beim Einsatz Erneuer-
bau als auch weiterführende Forschung und Entwicklung neuer          barer Energien auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Technologien erforderlich. Für eine Übergangszeit könnte auch        Industrie wirkt.
CO2 im Erdboden gespeichert werden. Anreize für niedrigere
CO2-Emissionen könnte generell ein weltweiter Handel von CO2-
Emissionsrechten setzen. Atomkraft könnte zwar auch helfen, die
CO2-Emissionen zu reduzieren, aber in Deutschland ist aufgrund
der mit ihr verbundenen Risiken der Ausstieg beschlossen wor-
den. Für die weltweite Nachfrage geht die IEA jedoch von einem

8
Die Energieversorgung in Deutschland

Die Energieversorgung in Deutschland.

Struktur und Entwicklung des                                                       abgenommen. Auch die Kernenergie war 2010 mit 22,5 % (nach
Endenergieverbrauchs                                                               einem Anteil von 27,7 % im Jahr 1990) noch bedeutsam. Das stär-
                                                                                   kste Wachstum verzeichneten die Erneuerbaren Energien, deren
Der Endenergieverbrauch ist in Deutschland seit 1990 weitge-
                                                                                   Anteil 1990 nur 3,6 % betragen hatte und bis 2010 auf 16,5 %
hend stabil. Auch die Anteile der Sektoren haben sich seit 1990
                                                                                   gestiegen ist.
kaum verschoben. Die Industrie trug im Jahr 2009 mit ca. 26,5 %
zum Endenergieverbrauch bei.
                                                                                   Positive Mengeneffekte bei regenerativen
Hinsichtlich der Stromerzeugung kam es jedoch zu deutlichen                        Quellen erwartet
Veränderungen: Einerseits stieg die gesamte Erzeugung und an-                      Im Rahmen der Klimaschutzziele hat die Bundesregierung Aus-
derseits gab es spürbare Verschiebungen bei den Energieträgern.                    bauziele für die Erneuerbaren Energien beschlossen. Der Anteil
Trotz der Wirtschaftskrise seit dem Jahr 2009 ist in 2010 im Ver-                  der Erneuerbaren Energien soll schnell steigen und insbesondere
gleich zu 1990 13,6 % mehr Strom erzeugt worden. Mit 56,8 % im                     die fossilen Energieträger ersetzen. Obwohl aktuell kein umfang-
Jahr 2010 haben die fossilen Energieträger noch immer einen we-                    reiches Szenario besteht, das den jüngsten Beschluss zum be-
sentlichen Anteil. Allerdings hat die Bedeutung sowohl von Stein-                  schleunigten Ausstieg aus der Kernkraft berücksichtigt, dürfte
kohle (von 26 % im Jahr 1990 zu 19 % im Jahr 2010) als auch                        sich an den bestehenden Konzepten zum Ausbau der Erneuer-
Braunkohle (31 % zu 23 %) zu Gunsten von Erdgas (7 % zu 13 %)                      baren Energien nicht viel ändern.

    Abbildung 4 Struktur des Endenergieverbrauchs in Deutschland

         PJ
     10000

      9000

      8000

      7000

      6000

      5000

      4000

      3000

      2000

      1000

          0
              1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

                              Gewerbe, Handel, Dienstleistungen                 Haushalte            Verkehr              Industrie

Quellen: AG Energiebilanzen (2011); HWWI.

    Abbildung 5 Bruttostromerzeugung nach Energieträgern in Deutschland

       TWh
       700

       600

       500

       400

       300

       200

       100

          0
              1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

                 Erneuerbare Energien        Kernenergie          Übrige Brennstoffe        Erdgas     Mineralöl      Braunkohle      Steinkohle

Quellen: AG Energiebilanzen (2011); HWWI.

                                                                                                                                                   9
Die Energieversorgung in Deutschland

     Abbildung 6 Bruttostromerzeugung nach Energieträgern in Deutschland: Referenzszenario
       TWh
       650

       600

       550

       500

       450

       400

       350

       300

       250

       200

       150

       100

        50

         0
                          2008                   2020                     2030                   2040                  2050

                 Pumpspeicher    Heizöl    andere Brennstoffe    Erdgas     Braunkohle    Steinkohle    Kernenergie   erneuerbare Energien

Quellen: BMWi (2010); HWWI.

Da die Erneuerbaren Energien noch nicht wettbewerbsfähig sind,             der Endlichkeit der Ressourcen. Insofern ist mit sinkenden Kosten
führt ihre Förderung einerseits zu höheren Belastungen der                 des Ausbaus der Erneuerbaren Energien zu rechnen.
Stromkunden. Neben den direkten Subventionen zum Ausgleich
der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit sind weitere Kosten nötig,             Neben den ohnehin hohen Belastungen, die sich aus dem Ausbau
da die Erneuerbaren Energien aufgrund ihrer speziellen Eigen-              und der Integration der Erneuerbaren Energien ergeben, bedeu-
schaften, insbesondere die volatile Einspeisung und die man-               tet der jüngst beschlossene beschleunigte Ausstieg aus der
gelnde Grundlastfähigkeit, in die bestehenden Energiesysteme               Kernkraft eine zusätzliche enorme Herausforderung, solange der
integriert werden müssen. Da aber die Wettbewerbsfähigkeit der             Ausstieg mit verhältnismäßig geringen Abstrichen bei Wirtschaft-
Erneuerbaren Energien ständig steigt, sinken anderseits die Kos-           lichkeit, Versorgungssicherheit und Umweltverträglichkeit durch-
ten der Förderung und damit die Belastungen der Stromkunden                geführt werden soll.
kontinuierlich. Gleichzeitig steigen die Kosten der etablierten
Technologien, insbesondere der fossilen Energieträger, aufgrund            Zwar erzeugt die Kernenergie derzeit nur ca. 22,5 % des Stromes,
                                                                           jedoch hat sie eine darüber hinaus hohe Bedeutung für die Ener-
                                                                           gieversorgung. Erstens sind die für die Preisfindung an den Ener-
     Abbildung 7 G
                  rundlaststromversorgung
                                                                           giebörsen relevanten Kosten sehr gering, weshalb die Kernener-
                 in Deutschland 2010                                       gie einen wesentlichen Beitrag für geringe Strompreise leistet.
                                                                           Zweitens erfolgt die Stromerzeugung weitgehend emissionsfrei,
                                                                           was die Klimaschutzziele der Bundesregierung unterstützt. Drit-
                 6%                                                        tens ist die Kernenergie grundlastfähig, was neben den geringen
                                                                           Produktionskosten zu einer großen Auslastung der Kapazitäten
                                            Braunkohle                     führt. Daher trägt die Kernenergie mit derzeit 46 % zur Grundlast-
                                                                           versorgung bei und ist somit ein wichtiger Pfeiler für die Versor-
                          48 %              Kernenergie
          46 %                                                             gungssicherheit.
                                            Laufwasser

                                                                           Versorgungssituation angespannt
                                                                           aber beherrschbar
                                                                           Da die Erneuerbaren Energien derzeit nicht in der Lage sind, die
                                                                           Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müssten die Kernkraft-
Quellen: Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (2011); HWWI.     werke einerseits durch vorhandene fossile Kraftwerke ersetzt

10
Die Energieversorgung in Deutschland

werden, was die Treibhausgasemissionen und damit die Preise für       Atomausstieg heißt nicht zwangsläufig Preisanstieg
Emissionszertifikate steigen lässt. Andererseits wäre ein Ersatz
durch Importe machbar, stößt allerdings an technische Grenzen,        Seit der Liberalisierung der Energiemärkte sind die Preise für in-
da die Übertragungsnetze nicht entsprechend ausgebaut sind.           dustrielle Verbraucher leicht angestiegen. Im europäischen Ver-
                                                                      gleich verlief dieser Anstieg im Mittel jedoch unterproportional.
Die im Rahmen des Atom-Moratoriums sofort und endgültig vom           Während die deutschen Preise zur Jahrtausendwende noch über-
Netz genommenen sieben alten Kernkraftwerke und das ohnehin           durchschnittlich hoch waren in Europa, ist dieser Nachteil mittler-
abgeschaltete KKW Krümmel haben insgesamt eine Kapazität              weile ausgeglichen. Einer der Faktoren hierfür war der preisdämp-
von 8421 Megawatt Leistung. Diese Reduktion der Erzeugungs-           fende Effekt der Erneuerbaren Energien, die in Deutschland
kapazität ist in der Geschichte der deutschen Stromversorgung         überdurchschnittlich stark ausgebaut wurden. Weiterhin haben
beispiellos, weshalb es schwierig ist, verlässliche Voraussagen zu    sich die Kosten der deutschen Unternehmen durch massive Effi-
den Folgen zu treffen. Die bisherigen Erkenntnisse zeigen eine        zienzmaßnahmen gesenkt. Gleichzeitig muss festgehalten wer-
angespannte, allerdings beherrschbare Situation (BNetzA 2011),        den, dass ein internationaler Vergleich schwierig ist, da aus vielen
was auch auf die hohe Qualität der bestehenden Energiesysteme         Gründen die Streuung der Preise sehr hoch ist. Dafür sind neben
hindeutet.                                                            Effekten von Einkaufsmacht insbesondere politische Maßnahmen
                                                                      verantwortlich.

Emissionen werden zum Kostentreiber
                                                                      Die Preisbildung auf den Strommärkten ist äußerst komplex und
Mit der Bepreisung von Treibhausgasmissionen wird das Markt-          macht eine Prognose daher schwierig. Offensichtlich ist, dass
versagen hinsichtlich der externen Kosten der Energieerzeugung        kurzfristig sowohl der Ausbau der Erneuerbaren Energien als
korrigiert. Wie oben bereits angeführt, erzeugen Kernkraftwerke       auch der beschleunigte Ausstieg aus der Kernkraft Auswirkungen
den Strom weitgehend emissionsfrei. Andererseits hat Kohle, ins-      auf die Strompreise hat, da höhere Kosten entstehen, um die glei-
besondere Braunkohle, einen hohen Kohlenstoffanteil. Mit stei-        che Menge an Strom zu erzeugen. Dieser Mehraufwand geht je-
genden Zertifikatpreisen verliert Kohle also seinen Wettbewerbs-      doch nicht notwendigerweise mit dauerhaft höheren Stromprei-
vorteil gegenüber Erdgas und auch den Erneuerbaren Energien           sen einher. Da sich der Börsenpreis für Strom aus den Kosten für
hinsichtlich der Erzeugungskosten. Gleichzeitig bedeutet der          die letzte zusätzlich erstellte Stromeinheit bestimmt, ist er somit
beschleunigte Kernkraftausstieg jedoch auch höhere Treibhaus-         unabhängig von den Fixkosten bei der Stromerzeugung. Bei
gasemissionen, denn die Kernkraftwerke würden im Wesent-              Wind- und Solarenergie entstehen zwar hohe Fixkosten, jedoch
lichen von fossilen Kraftwerken ersetzt. Da die maximale Menge        kaum variable, weshalb sie die Strompreise dämpfen. Allerdings
von Treibhausgasemissionen in der EU aufgrund der Einsparziele        sind diese Erneuerbaren Energien nur rentabel, weil Teile der Fix-
begrenzt sind, führt der vermehrte Einsatz fossiler Energieträger     kosten durch die EEG-Umlage subventioniert werden. Diese Um-
daher zu steigenden Zertifikatpreisen, die ihrerseits die Strom-      lage ist jedoch nicht von den energieintensiven Industrien zu
preise erhöhen werden.                                                leisten.

    Abbildung 8 Strompreise für Industrie und Haushalte in Deutschland

     €/kWh

       0.16

       0.14

       0.12

       0.10

       0.08

       0.06

       0.04

       0.02

       0.00
                 2000        2001   2002       2003       2004       2005      2006          2007      2008      2009       2010
                                                      Haushalte                  Industrie

Quellen: Eurostat (2011); HWWI.

                                                                                                                                       11
Die Energieversorgung in Deutschland

     Abbildung 9 Strompreise für industrielle Verbraucher in Europa

     Tschechische
         Republik
      Vereinigtes
      Königreich
          Belgien

           Polen

     Deutschland

      Niederlande

       Schweden

       Frankreich

              EU

                0.00     0.01     0.02    0.03   0.04      0.05      0.06    0.07     0.08     0.09     0.10    0.11     0.12   €/kWh

                                   2010                 2005                 2000

Quellen: Eurostat (2011); HWWI.

Es muss zwischen der kurzfristigen Preisentwicklung, die mit der        werden. Verzögerungen hierbei bedeuten eine Gefährdung der
sofortigen Abschaltung der sieben älteren Kernkraftwerke einher-        Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Auch die langfristige Preis-
geht und der längerfristigen Entwicklung, die sich auf die endgül-      entwicklung ist sowohl vom Ausbau des Übertragungsnetzes in-
tige Abschaltung aller Kernkraftwerke bis zum Jahr 2022 sowie           nerhalb Deutschlands und in die anderen Staaten als auch von
dem parallelen Aufbau der Erneuerbaren Energien bezieht, unter-         der Integration der Erneuerbaren Energien in die bestehenden
schieden werden. Als Reaktion auf die Verkündung des beschleu-          Energiesysteme abhängig. Weiterhin sind Faktoren wie der Zubau
nigten Kernkraftausstieges und die sofortige Stilllegung der sie-       Erneuerbarer Energien sowie konventioneller Kapazitäten, die
ben älteren Kernkraftwerke ist es an den Energiebörsen zu               Entwicklung der Preise für Emissionszertifikate, die Energienach-
deutlichen Preissteigerungen gekommen, die anschließend je-             frage, die Energieeffizienz, politische Maßnahmen etc. bedeut-
doch wieder zurück gingen. Ähnlich verhielt es sich mit den Emis-       sam. Insgesamt sind die Wirkmechanismen so komplex, dass eine
sionszertifikaten. Der Rückgang der Preise ist einerseits durch         verlässliche Prognose, noch dazu über Zeiträume bis 2050 und
den preisgetriebenen Import zu erklären, der einen Teil der weg-        darüber hinaus, mit viel Unsicherheit behaftet ist.
gefallenen preisgünstigen Kapazitäten ersetzten konnte, und an-
dererseits durch die höhere Auslastung der bestehenden Kapazi-          Die vorhandenen Studien zeigen daher auch eine erhebliche
täten in Deutschland.                                                   Streuung in den Ergebnissen. Einige Untersuchungen gehen von
                                                                        drastischen Preissteigerungen bis 2050 aus. Dabei werden je-
                                                                        doch meist lineare Fortschreibungen verwendet, die sich häufig
Vorsicht vor dramatischen Kostenprognosen
                                                                        ex post als wenig robust erweisen. Andere Studien zeigen für die
Hinsichtlich der Versorgungssicherheit bezeichnet die Bundes-           mittlere Frist nur geringe Preissteigerungen. Beispielsweise geht
netzagentur die aktuelle Lage des Netzes als am Rande der Bela-         Knopf et al. (2011) nur von zwischenzeitlichen und verhältnismä-
stungsfähigkeit. Durch diverse Maßnahmen der Netzbetreiber              ßig geringen Preissteigerungen bis 2020 aus. Untersuchungen,
konnten Ausfälle jedoch verhindert werden (BNetzA 2011). Im             die mit bestehenden Modellen die Auswirkungen des Moratori-
kommenden Winter dürfte die Situation aufgrund der witterungs-          ums analysiert haben, sehen ebenso nur geringe Anstiege in den
bedingten Mehrnachfrage weiterhin angespannt bleiben. Damit             Börsenpreisen. Kemfert und Traber (2011) kalkulieren für das ge-
die Versorgung langfristig sichergestellt werden kann, muss der         samte Jahr 2011 eine Börsenpreiserhöhung um 6 %, was eine
Ausbau der Netze und der Speicherkapazitäten vorangetrieben             Steigerung um 1,5 % für die Haushalte bedeutet. Für Industrie-

12
Die Energieversorgung in Deutschland

kunden, die von der EEG-Umlage befreit sind, dürfte die Preisstei-   jedem Fall eine höhere Kostenbelastung der Unternehmen, die
gerung etwas höher ausfallen, da der preisdämpfende Effekt der       letztlich zu einem Verlust an internationaler Wettbewerbsfähig-
geringeren Umlage ausbleibt. Die Analyse von Kemfert und Tra-        keit führt. Allenfalls im Fall von hohen Anpassungskosten kön-
ber (2011) deckt sich bisher mit dem tatsächlichen Marktgesche-      nen Betriebe, die eine Anpassung gleichmäßig vornehmen, Vor-
hen. Betrachtet man diese moderaten Marktreaktionen auf das          teile gegenüber denen haben, die zunächst gar nicht und dann
kurzfristige Abschalten der sieben älteren Kernkraftwerke, kann      auf sprunghafte Änderungen reagieren.
mit einiger Vorsicht durchaus geschlussfolgert werden, dass die
langfristige Entwicklung ähnlich moderat verlaufen wird.
                                                                     Chancen für Industriebetriebe
                                                                     als Energiedienstleister
Energiewende birgt Wachstumspotenzial
                                                                     In der kurzen Frist können energieintensive Unternehmen mit
und Wettbewerbsvorteile
                                                                     der Erbringung von Systemdienstleistungen im Stromnetz neue
Abseits der potenziellen Kostensteigerungen ergeben sich aus         Einnahmequellen erschließen. Bisher haben im Wesentlichen
der Energiewende jedoch auch Wachstumspotenziale. In der lan-        Kraftwerke ihre Dienstleistungen auf den Märkten für Regel- und
gen Frist können die Produktivitätsgewinne allgemein und spezi-      Ausgleichsenergie angeboten. Die Bundesregierung prüft der-
ell die gesteigerte Energieeffizienz zu einer Verbesserung der       zeit, inwiefern die Zugangsbedingungen reformiert werden kön-
Wettbewerbsfähigkeit führen. Auf die vermutlichen Kostensteige-      nen, damit energieintensive Unternehmen auf diesen Märkten
rungen beim Energieeinkauf werden die Unternehmen mit Inves-         anbieten können (BMWi, BMU 2010). Diese könnten dann, soweit
titionen in erhöhte Produktivität und Energieeffizienz reagieren.    technisch möglich, zu einer Stabilisierung des Netzes beitragen
Unterstellt man, dass es in vielen anderen Ländern kurzfristig zu    und damit Einnahmen generieren.
keinen sprunghaften Kostensteigerungen kommt, diese langfri-
stig jedoch nachgeholt werden, kann sich daraus für die Deutsche     Mit zunehmender erneuerbaren Einspeisung und damit wachsen-
Industrie in einigen Jahren ein internationaler Wettbewerbsvor-      der Volatilität wächst auch der Bedarf nach Regel- und Ausgleichs-
teil ergeben, der sich einerseits auf niedrigeren Produktionsko-     energie, was insbesondere für energieintensive Unternehmen
sten und andererseits auf Wissen um Effizienzmaßnahmen be-           beträchtliche Einnahmen bedeuten könnte.
gründet.
                                                                     Weiterhin bietet sich aufgrund des sinkenden Energieangebots
Zum Teil wird die These vertreten, dass die deutsche Wirtschaft      insbesondere für Industrieunternehmen mit großem Werks-
aufgrund einer im internationalen Vergleich geringeren Ener-         gelände die Chance, ihrerseits Energielieferanten sowohl für den
gieintensität weniger von steigenden Strompreisen getroffen          Eigenbedarf als auch für andere zu werden. Neben kleinen kon-
wird als die ausländischen Konkurrenten. (Zur Diskussion des         ventionellen Anlagen gilt dies auch für die erneuerbaren Ener-
Zusammenhangs zwischen Energieintensität und konjunkturel-           gien, denn zukünftig wird das Erneuerbare-Energien-Gesetz
ler Reagibilität auf Energiepreisschocks vgl. Sachverständigen-      (EEG) den Eigenverbrauch ebenso fördern wie die Einspeisung in
rat, Jahresgutachten 2004/05, S. 157 ff.) Diese Argumentation        das öffentliche Netz.
ist jedoch unzulässig. Über lange Zeit hatte Deutschland auf-
grund der nationalen Komponente einen höheren Strompreis
als im übrigen Europa. Dies ist eine der Ursachen dafür, dass in
Deutschland die Produktionsstruktur auf weniger strominten-
sive Branchen verlagert wurde und/oder die hier ansässigen
Unternehmen auf weniger Strom verbrauchende Produktions-
technologien umgestellt haben. Die strukturellen und technolo-
gischen Anpassungen reduzieren zwar den direkten Kosten-
effekt höherer Strompreise etwas; in der Summe bleibt jedoch in

                                                                                                                                    13
Die Energieversorgung der hamburgischen Wirtschaft

Die Energieversorgung der
hamburgischen Wirtschaft.
Hamburg – Hochburg für die Steuerung, Planung                          wird, kann damit also gespeichert werden, was die Versorgungssi-
und Finanzierung der Energiewende                                      cherheit in Deutschland massiv erhöht und weiterhin zu Preissen-
                                                                       kungen führt. Noch eine weitere Leitung mit dem Namen „Nord.
Die hamburgische Wirtschaft wird in verschiedener Weise von der        Link“ ist in Planung und soll 2017 bzw. 2018 in Betrieb gehen.
Energiewende betroffen sein. Durch den Ausbau der Erneuer-
baren Energien entstehen Chancen. Insbesondere die Windener-           Insgesamt bestehen durch die Investitionen in neue Anlagen und
gie, speziell der Offshore-Bereich, spielt für die zukünftige Ener-    Netze Chancen für die Hamburger Industrie. Dem stehen jedoch
gieversorgung eine wesentliche Rolle. Die Produktionsstandorte         auch verschiedene Risiken gegenüber. Diese resultieren aus einer
für neue Windkraftanlagen werden an der norddeutschen Küste            höheren Belastung durch kurz- bis mittelfristig steigende Ener-
liegen, aber wahrscheinlich nicht in Hamburg. Dennoch bestehen         gie- und CO2-Kosten. Da Energierohstoffe global gehandelt wer-
auch für Hamburg Chancen, da sich hier Firmensitze von Wind-           den, ergeben sich nationale Differenzen allenfalls durch Steuern
kraftanlagenherstellern sowie Entwicklungsabteilungen befinden.        und Abgaben oder bei den Strompreisen aufgrund unterschied-
Darüber hinaus sind wichtige ökonomische Aufgaben mit Planung          licher nationaler Regulierungen. Regional gibt es hier keine unter-
und Finanzierung verbunden, die ebenfalls zum Teil in Hamburg          schiedliche Kostenbelastung. Dennoch haben die Energiepreise
zu Wertschöpfung und Beschäftigung führen.                             regional unterschiedliche Bedeutung, da die Wirtschaftsstruktur
                                                                       eine unterschiedliche Energieintensität impliziert und deshalb zu
Darüber hinaus könnte Hamburg bei der Planung und Finanzierung         einer regional unterschiedlichen Belastung der Wirtschaft führt.
des weiteren Netzausbaus eine wichtige Rolle spielen. Zurzeit sind
die Stromnetze ein wesentlicher Engpass beim Ausbau der Erneu-
                                                                       Verkehr verbraucht mehr als Industrie
erbaren Energien. Dies gilt insbesondere für die Übertragungs-
netze. Da die Erneuerbaren Energien, also vor allem die Windener-      Hamburger Unternehmen und Haushalte haben 2008 etwa
gie, witterungsabhängig sind, erzeugen sie Strom sehr volatil, nicht   180000 Terajoule an Energie verbraucht. Dies sind ca. 2 % des
konstant und vorwiegend nur an geografisch geeigneten Positi-          gesamtdeutschen Energiebedarfs. Dabei gehen fast 50 % des
onen. Daher werden entsprechende Netze benötigt, die den Strom         hamburgischen Energiebedarfs auf das Konto der Haushalte,
aus den dezentralen Erzeugungsorten aufnehmen und über weite           etwas über 30 % verbraucht der Verkehrssektor und knapp 20 %
Entfernungen weitgehend verlustarm transportieren können. Auf-         die Industrie. Betrachtet man Deutschland insgesamt, so ist der
grund der Auslegung auf große, zentrale Kraftwerke sind die Netze      Anteil der Industrie mit 27 % deutlich größer, der von Verkehr und
technisch derzeit nicht in der Lage, diese Aufgaben zu erfüllen.       Haushalten entsprechend kleiner.

                                                                       Abbildung 10 zeigt den Pro-Kopf-Verbrauch an Energie in Ham-
Energieüberschuss an Norddeutschlands Küsten
                                                                       burg und Deutschland. Dabei wird deutlich, dass der Energiever-
Wegen der technischen Restriktionen der Netze ist die Situation in-    brauch von Haushalten und Dienstleistungen in Hamburg pro
nerhalb Deutschlands sehr unterschiedlich zu beurteilen. Nord-         Kopf der Bevölkerung etwa auf dem, der des Verkehrs hingegen
deutschland kommt zukünftig eine besondere Bedeutung zu, da im
Norden, insbesondere vor den Küsten, die größte Menge erneuer-
                                                                           Abbildung 10 Energieverbrauch pro Kopf
baren Stroms erzeugt, gleichzeitig jedoch nur sehr wenig davon
selbst verbraucht wird. Insofern müssen die Netze in Norddeutsch-
                                                                           		           nach Sektoren 2008
land einerseits viel Strom aufnehmen und andererseits über große         GJ
Entfernungen in die Verbrauchszentren nach West- und Süd-
                                                                         120
deutschland weiterleiten können. Deshalb sind große Investitions-
vorhaben in Norddeutschland notwendig. Neben den Verteilnetzen           100
in der Fläche sind insbesondere die Übertragungsnetze für große
Distanzen und hohes Stromaufkommen bedeutsam. Gegenwärtig                 80
sind hiervon einige geplant. Beispielsweise die so genannte „Wind-
sammelschiene“, eine Höchstspannungsfreileitung zwischen                  60

Schwerin und Geesthacht, mit der vor allem eine Verbindung zu den
                                                                          40
Windkraftanlagen in und vor den Küsten von Mecklenburg-Vorpom-
mern und in Brandenburg hergestellt wird. Eine weitere geplante           20
Leitung von höchster Bedeutung ist die „NorGer“, eine Hochspan-
nungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) zwischen Deutschland und               0
Norwegen, die 2015 in Betrieb gehen soll. Diese Leitung ist inso-                        Hamburg                         Deutschland

fern von höchster Bedeutung, weil sie in beide Richtungen zu be-                  Haushalte + Dienstleistungen      Verkehr       Industrie
treiben ist und Zugang zu norwegischen Pumpspeicherkraftwerken
gewährt. Der überschüssige Strom, der in Deutschland erzeugt           Quellen: BMWi (2011); Länderkreis Energiebilanzen (2011); Berechnungen HWWI.

14
Die Energieversorgung der hamburgischen Wirtschaft

über dem bundesdeutschen Durchschnitt liegt. Der höhere Bedarf                Tabelle 2 zeigt den Energiebedarf der einzelnen Wirtschaftszweige
im Verkehrssektor dürfte dem Hafen und Logistik-Standort ge-                  innerhalb der Industrie. Der Darstellung nach verzeichneten die
schuldet sein. In der Industrie ist der Pro-Kopf-Verbrauch hinge-             Betriebe der Kokereien und der Mineralölverarbeitung den höchs-
gen deutlich geringer. Dies dürfte auf die spezifische Struktur der           ten Energieverbrauch (32,8 Mio. GJ oder 50 %), gefolgt vom
Industrie zurückzuführen sein.                                                Metallerzeugungs- und Metallbearbeitungsgewerbe (16 Mio. GJ
                                                                              oder 24 %). Die Nahrungs- und Futtermittel herstellenden Betriebe
                                                                              verbrauchten weitere 7,8 Mio. GJ, was einem Anteil von 12 % ent-
Hamburgs Energieeffizienz legt zu
                                                                              spricht. Um die Bedeutung des Faktors Energie für die Wirtschafts-
Im „Masterplan Industrie“ für Hamburg wird darauf hingewiesen,                zweige herauszuarbeiten, ist es sinnvoll, ihre Größe zu berücksich-
dass die regionalen Produktionskosten neben dem Arbeitskräfte-                tigen. Dies kann dadurch geschehen, dass der Energieverbrauch je
angebot weiterhin eine zentrale Rolle für die unternehmerische                Beschäftigten (Spalte 5) oder in Relation zum Umsatz (Spalte 7)
Standortwahl darstellen. In diesem Zusammenhang wird auch auf                 betrachtet wird. Bei der Mineralölverarbeitung wurden pro Be-
die Energiekosten hingewiesen (vgl. Dreyer et al. 2007). Vor die-             schäftigten 7600 GJ an Energie verbraucht. Im Bereich der Metall-
sem Hintergrund wird im Folgenden dargestellt, welche Wirt-                   erzeugung waren es fast 4600 GJ; über die Hälfte davon in Form
schaftszweige einen hohen Energiebedarf aufweisen. Insgesamt                  von Strom (etwa 250 GJ Strom je Beschäftigten). Dies impliziert
haben die 466 Hamburger Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes                  3,4 GJ an Strom je 1000 Euro Umsatz. Eine ähnlich hohe Relation
in Hamburg im Jahr 2009 einen Energieverbrauch von 65,7 Mio.                  an Energieverbrauch zum Umsatz gab es auch im Bereich der Ge-
Gigajoule (GJ) gemeldet. Damit wurden 7,5 % weniger Energie                   tränke- sowie der Nahrungs- und Futtermittelherstellung.
verbraucht als im Jahr zuvor. Bereits im Jahr 2008 ging der Ener-
gieverbrauch um 6,5 % zurück. Der wesentliche Grund für diesen,               Der hohe Energieverbrauch in der Grundstoffindustrie fällt we-
über zwei Jahre anhaltenden starken Rückgang dürfte vor allem                 sentlich in den zwei Hamburger Raffinerien an. Diese tragen 8 %
in der geringeren wirtschaftlichen Aktivität, bedingt durch die               zur nationalen Versorgung mit Mineralölprodukten bei. Entschei-
Wirtschaftskrise, liegen. Ein längerfristiger Vergleich ist für die           dend für die inländische Versorgung mit Mineralöl ist dabei, dass
Hamburger Daten nicht möglich, da es im Jahr 2006 zu einer ver-               Rohöl zwar fast vollständig importiert wird, die Weiterverarbei-
änderten Erfassung gekommen ist. Nimmt man jedoch die deut-                   tung jedoch im Inland erfolgt. Insofern ist Deutschland zurzeit
sche Industrie insgesamt als Maßstab, so hat sich die Energieeffi-            nicht von ausländischen Raffineriekapazitäten abhängig. Mit der
zienz seit 1990 um 14 % verbessert (vgl. BMWi, Energiedaten).                 Weiterverarbeitung von Rohöl sind erhebliche Wertschöpfungs-
                                                                              und Beschäftigungseffekte verbunden (vgl. Bräuninger, Leschus
                                                                              und Matthies 2010). Zudem steht der Mineralölsektor im natio-
Größter Energiehunger in der Grundstoffindustrie                              nalen und internationalen Wettbewerb. In diesem sind die Kosten
Wichtigste Energieträger für die Industrie in Hamburg waren die               für Rohstoffe weitgehend einheitlich. Sollten aber die Produk-
Mineralölprodukte, auf die gut 40 % des gesamten Energiever-                  tionskosten durch nationale oder regionale Auflagen deutlich
brauchs entfielen. Daneben spielten die Energieträger Erdgas                  über die der Konkurrenten steigen, würde dies einen Verlust an
(28 %) und Strom (25 %) weiterhin eine wichtige Rolle. Der Anteil             Wettbewerbsfähigkeit bedeuten, der auch zu einer Abwanderung
der Fernwärme und der übrigen Energieträger lag bei gut 5 %.                  der Branche führen kann. Das wäre mit einem Verlust von Wert-

    Abbildung 11 Energieverbrauch nach Energieträgern im Verarbeitenden Gewerbe in Hamburg 2009

   Mineralölprodukte

              Erdgas

               Strom

          Fernwärme

              Übrige

                                          5.000                10.000            15.000            20.000            25.000             30.000

                                                                                  TJ

Quellen: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein (2011); HWWI.

                                                                                                                                                 15
Die Energieversorgung der hamburgischen Wirtschaft

schöpfung und Beschäftigung in Hamburg verbunden. In Ham-              Metallindustrie mit größtem Strombedarf
burg sind in der Mineralölverarbeitung direkt über 4300 Personen
                                                                       Sehr viel stärker als die allgemein energieabhängige Industrie ist
beschäftigt. Dazu kommt eine indirekte Beschäftigung in ähnli-
                                                                       die stromabhängige Industrie von der nationalen und regionalen
chem Umfang im Bereich der Zulieferindustrie. Auch hier werden
                                                                       Energiepolitik abhängig. Am stärksten von den Stromkosten betrof-
wesentliche Teile der Beschäftigung in Hamburg und in der Me-
                                                                       fen ist der Wirtschaftszweig Metallerzeugung und -bearbeitung.
tropolregion anfallen. Dies zeigt sich auch darin, dass die Mineral-
                                                                       Aber auch die Erstellung von Nahrungs- und Futtermitteln sowie
ölverarbeitung nach dem sonstigen Fahrzeugbau (Schiffe und
                                                                       die von Getränken sind mit erheblichem Stromverbrauch verbun-
Flugzeuge) die am stärksten, in Norddeutschland konzentrierten
                                                                       den. Deshalb zählt der Energieverbrauch der einzelnen Unterneh-
Aktivitäten aufweist (vgl. Kowalewski, Reich und Stiller 2009).
                                                                       men zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren (vgl. Papadopoulos 2006).

Die Raffinerien liefern Vorprodukte für die Chemische Industrie
                                                                       Abbildung 12 zeigt, dass der Anteil der Energiekosten an den ge-
und die Kunststoffherstellung, die auch in diesen Wirtschafts-
                                                                       samten Kosten im Verarbeitenden Gewerbe insgesamt 2,4 % be-
zweigen zu einem hohen Einsatz von Energie, insbesondere in
                                                                       trägt. In einzelnen Branchen liegt er jedoch deutlich darüber. Die
Relation zum Umsatz, führen. In diesen Wirtschaftszweigen sind
                                                                       größte Bedeutung, mit einem Anteil von über 8 % an den Gesamt-
in Hamburg mehr als 3000, in der Metropolregion mehr als 30000
                                                                       kosten, haben die Energiekosten im Bereich der Metallerzeugung
Personen beschäftigt (vgl. Tabelle 2 und Metropolregion Ham-
                                                                       und -bearbeitung. Hier sind in Hamburg insbesondere die Kupfer-
burg 2011). Da mit der Lieferung von Vorprodukten häufig auch
                                                                       und Aluminiumindustrie betroffen. Andere besonders stromin-
Wissens- und Innovationstransfers verbunden sind, wäre eine
                                                                       tensive Branchen wie die Zement- oder Papierindustrie sind zwar
Abwanderung der Mineralölindustrie mit erheblichen negativen
                                                                       in Hamburg weniger vertreten, aber auch Nahrungsmittel- und
Effekten für andere Industriesektoren verbunden.
                                                                       Getränkeherstellung weisen überdurchschnittlich hohe Strom-
                                                                       kosten auf.

     Abbildung 12 Kostenanteil des Energieverbrauchs im Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland 2009

          Metallerzeugung und -bearbeitung

                  H. v. Glas, -waren, Keramik,
         Verarbeitung von Steinen und Erden

         H. v. Papier, Pappe und Waren daraus

               H. v. chemischen Erzeugnissen

                  H. v. Holz-, Flecht-, Korb- u.
                     Korkwaren (ohne Möbel)

                         Getränkeherstellung

            H. v. Nahrungs- und Futtermitteln

     H. v. Druckerzeugnissen, Vervielfältigung
              von Ton-, Bild- und Datenträgern

       Verarbeitendes Gewerbe und Bergbau
     sowie Gewinnung von Steinen und Erden

                                                   0       2                4                 6                 8                10
                                                                                    %

Quellen: Statistisches Bundesamt (2011); HWWI.

16
Die Energieversorgung der hamburgischen Wirtschaft

      Tabelle 2 E
                 nergieverbrauch des Verarbeitenden Gewerbes¹ in Hamburg 2009 nach ausgewählten
                Energieträgern und Wirtschaftszweigen

Wirtschaftszweig                                        Beschäftigte                                  Verbrauch

                                                                              Energie       Strom        Energie        Strom        Energie
                                                                              absolut      absolut   je Beschäf-   je Beschäf-      je Tsd. €
                                                                                                          tigten        tigten       Umsatz
                                                            Personen              GJ           GJ             GJ            GJ            GJ

    Verarbeitendes Gewerbe und Bergbau                        82 782   65 680 936       16 629 318          793            201            1,2
    sowie Gewinnung von Steinen und Erden

    H. v. Nahrungs- und Futtermitteln                          5 871    7 796 389        1 442 025        1 328            246             3

    Getränkeherstellung                                         525       709 588         159 111         1 352            303            3,3

    Herstellung von Holz-, Flecht-, Korb-                       165           15 936       13 198            97             80            0,3
    und Korkwaren (ohne Möbel)

    H. v. Papier, Pappe und Waren daraus                        265                 .      13 744              .            52              .

    Herstellung von Druckerzeugnissen,                         2 000      312 140         138 852           156             69            1,3
    Vervielfältigung von Ton-, Bild- und
    Datenträgern

    Kokerei und Mineralölverarbeitung                          4 316   32 822 355        2 443 064        7 605            566            1,3

    Herstellung v. chemischen Erzeugnissen                     3 269    2 314 929        1 180 105          708            361            2,2

    H. v. pharmazeutischen Erzeugnissen                         816           90 278       45 940           111             56            0,6

    H. v. von Gummi- und Kunststoffwaren                       3 114      976 059         337 165           313            108            1,9

    Herstellung von Glas, -waren, Keramik,                      771       289 015          42 348           375             55            1,4
    Verarbeitung von Steinen und Erden

    Metallerzeugung und -bearbeitung                           3 497   16 048 468        8 583 990        4 589          2 455            3,4

    Herstellung v. von Metallerzeugnissen                      1 799      117 373          71 394            65             40            0,5

    H. v. DV-Geräten, elektronischen und                       4 744      624 471         398 710           132             84            0,3
    optischen Erzeugnissen

    H. v. elektrischen Ausrüstungen                            1 492          80 422       31 415            54             21            0,2

    Maschinenbau                                              11 360      681 055         288 807            60             25            0,3

    Sonstiger Fahrzeugbau                                     14 833    1 104 619         565 124            74             38              .

    Herstellung von sonstigen Waren                            3 823      139 526          78 759            36             21            0,2

    Reparatur und Installation von                            15 341    1 056 343         518 321            69             34            0,3
    Maschinen und Ausrüstungen

    Übrige Wirtschaftszweige                                   4 781      452 874         277 246            95             58            0,2

1
    Betriebe mit im Allgemeinen 20 und mehr Beschäftigten
Quellen: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein (2011); HWWI.

                                                                                                                                           17
Fazit

Fazit.
Langfristig stabile Energiepreise und Klimaschutz erfordern den        Insgesamt bestehen durch die Investitionen in neue Anlagen und
Ersatz der fossilen durch Erneuerbare Energien. Der Anpassungs-        Netze Chancen für die Hamburger Industrie. Dem stehen ver-
bedarf wird in Deutschland weiter forciert durch den Beschluss         schiedene Risiken gegenüber, welche aus einer höheren Kosten-
des Ausstiegs aus der Kernenergie. Damit wird die erforderliche        belastung durch kurz- bis mittelfristig steigende Energie- und
Energiewende zu einer zentralen Herausforderung für Politik,           CO2-Kosten resultieren. Da Energierohstoffe global gehandelt
Wirtschaft und Gesellschaft. Energie ist nicht nur eine Vorausset-     werden, ergeben sich nationale Preisdifferenzen allenfalls durch
zung für die Befriedigung von Grundbedürfnissen wie Wärme und          Steuern und Abgaben oder bei den Strompreisen aufgrund unter-
Mobilität, sondern auch ein zentraler Produktionsfaktor für die        schiedlicher nationaler Regulierung. Regional sind die Energie-
Industrie. Somit beeinflusst die Energiepolitik nicht nur die Ko-      kosten gleich. Dennoch haben die Energiepreise regional unter-
sten für Verbraucher, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der        schiedliche Bedeutung, da eine heterogene Energieintensität der
Wirtschaft. Die Verfügbarkeit und der Preis von Energie gehören        Wirtschaftsstruktur zu ungleichen Belastungen der Wirtschaft
zu den entscheidenden Determinanten der Wettbewerbsfähig-              führt. Von den steigenden Energiepreisen sind in Hamburg neben
keit. Diese werden wesentlich auf internationalen Märkten festge-      den Raffinerien und der Metallerzeugung auch die Getränke- und
legt. Sofern nationale oder regionale Regelungen zu steigenden         die Nahrungsmittelherstellung besonders betroffen. Da diese
Energiepreisen führen, leidet die regionale Wettbewerbsfähigkeit       Branchen meist in globaler Konkurrenz stehen, sind sie entspre-
und die Standortqualität.                                              chend sensibel für höhere nationale Energiepreise.

Die hamburgische Wirtschaft wird in verschiedener Weise von der        Eine Chance für energieintensive Unternehmen besteht zukünftig
Energiewende beeinflusst. Insbesondere die Windenergie, spe-           in der Erbringung von Systemdienstleistungen im Stromnetz.
ziell der Offshore-Bereich, spielt für die zukünftige Energieversor-   Bisher haben im Wesentlichen Kraftwerke ihre Dienstleistungen
gung eine wesentliche Rolle. Die Produktionsstandorte für neue         auf den Märkten für Regel- und Ausgleichsenergie angeboten. Die
Windkraftanlagen werden vorrangig direkt an den Küsten entste-         Bundesregierung prüft derzeit, inwiefern die Zugangsbedingun-
hen. Dennoch bestehen für Hamburg Möglichkeiten, von der En-           gen reformiert werden können, damit energieintensive Unterneh-
ergiewende zu profitieren, da sich hier Firmensitze von Windkraft-     men dafür entlohnt werden, wenn sie zu einer Stabilisierung des
anlagenherstellern sowie Entwicklungsabteilungen befinden.             Netzes beitragen. Dies würde auch Einnahmen für die Industrie
Darüber hinaus sind wichtige ökonomische Aufgaben mit Pla-             generieren. Weiterhin können zukünftig Industrieunternehmen
nung und Finanzierung verbunden, die ebenfalls zum Teil in Ham-        ihrerseits zu Energielieferanten werden. Neben kleinen konven-
burg zur Wertschöpfung und Beschäftigung führen.                       tionellen Anlagen gilt dies auch für die Erneuerbaren Energien,
                                                                       denn zukünftig wird das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) den
Auch bei der Planung und Finanzierung des weiteren Netzaus-            Eigenverbrauch ebenso fördern wie die Einspeisung in das öffent-
baus könnte Hamburg eine wichtige Rolle spielen. Zurzeit sind          liche Netz.
die Stromnetze ein wesentlicher Engpass beim Ausbau der Erneu-
erbaren Energien. Dies gilt insbesondere für die Übertragungs-
netze. Da die Erneuerbaren Energien, vor allem jedoch die Wind-
energie, witterungsabhängig sind, erzeugen sie Strom sehr volatil
und vorwiegend an Positionen, an denen wenig Energie ver-
braucht wird.

18
Sie können auch lesen