Die Entwicklung der Ansprüche an die gesetzliche Rentenversicherung bis zum Jahr 2020 - ifo Institut
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Aktuelle Forschungsergebnisse 13 Die Entwicklung der Ansprüche an die gesetzliche Rentenversicherung bis zum Jahr 2020 Stefan Krenz und Wolfgang Nagl* Problemstellung Absicherung über Transfers von Familienangehörigen nicht berücksichtigt werden kann. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und der damit einhergehenden Alterung der Gesellschaft in Ostdeutschland ist es unerlässlich, sich insb. mit der Rentenberechnung Einkommenslage der älteren Bevölkerung auseinander zu setzen. Dies gilt umso mehr, als vielfach vermutet Die Leistungen der GRV berechnen sich aus dem Pro- wird, dass aufgrund unterbrochener Erwerbsbiographien dukt aus Rentenfaktor (RF), Zugangsfaktor (ZF), Renten- und insgesamt niedriger beitragspflichtiger Einkommen wert (RW) und Entgeltpunkten (EGP): für die Zukunft ein gravierendes Problem der Altersarmut entstehen könnte. Im Folgenden soll der Frage nachge- monatliche Rente = RF · ZF · RW · EGP gangen werden, inwieweit diese Befürchtungen eine em- pirische Basis haben. Konkret soll die Frage beantwortet Der Rentenfaktor bestimmt die Rentenhöhe je nach Ren- werden, wie sich die Situation der Neurentner in den tenart (Altersrente, Erwerbsminderungsrenten, Erziehungs- Jahren 2020–2022 im Vergleich zur Situation der Neu- renten, Witwenrenten, Waisenrenten). Bei der im Folgen- rentner 2004–2006 darstellt. den untersuchten Regelaltersrente innerhalb der GRV ist Die wichtigste Einkommensquelle im Alter ist dabei der Rentenfaktor gleich eins. Der Zugangsfaktor be- nach wie vor die gesetzliche Rentenversicherung (GRV). stimmt die Rentenhöhe in Abhängigkeit vom Zugangs- So gibt die Studie Altersvorsorge in Deutschland 20051 zeitpunkt. Bei Renteneintritt im Regelalter (derzeit: den Anteil der Leistungen der GRV für Frauen und Män- 65 Jahre2) ist der Zugangsfaktor gleich eins. Im Falle ner in Ostdeutschland aktuell mit über 90 % am gesam- eines früheren Renteneintritts wird der Zugangsfaktor um ten Nettoalterseinkommen an. In Westdeutschland liegt einen Wert von 0,003 je Monat gekürzt, sodass sich bei der Anteil hingegen lediglich bei ca. 80 % bei Männern einem um fünf Jahre vorgezogenen Renteneintritt ein und ca. 85 % bei Frauen. Die betriebliche und private Rentenabschlag von 18 % ergibt. Für jeden Monat in Be- Säule der Altersvorsorge gewinnen danach zwar auch in schäftigung nach der Regelaltersgrenze erhöht sich der Ostdeutschland an Bedeutung, spielen aber für die Zugangsfaktor um 0,005. Der Rentenwert bestimmt den Rentnergenerationen der nächsten Jahre noch eine un- Wert eines Entgeltpunktes in Euro. Der Rentenwert ist tergeordnete Rolle. Neben den geringeren Einkommen ebenso wie der Rentenfaktor und der Zugangsfaktor ge- (und dadurch bedingt einer geringeren Ersparnisbildung) setzlich festgelegt.3 Anders hingegen die Entgeltpunkte: sind für die meisten künftigen Rentner immer noch die Diese bestimmen sich, abgesehen von diversen (hier prägenden DDR-Arbeitsbiographien (mit niedrigen Anrei- nicht näher berücksichtigten) Sonderregelungen (z. B. zen und Möglichkeiten zur privaten Vermögensbildung) Anrechnung von Kindererziehungszeiten, Grundwehr- und die geringere Verbreitung betrieblicher Alterssiche- dienst, Ausbildungszeiten), aus dem Verhältnis des Jah- rungssysteme ausschlaggebend. resbruttoentgeltes eines Arbeitnehmers4 zum durch- Die Analyse der künftigen Rentenansprüche be- schnittlichen Bruttojahresentgelt aller Arbeitnehmer: schränkt sich deshalb im Folgenden auf die Ansprüche Bruttojahresentgelt an die gesetzliche Rentenversicherung. Eine zusätzliche EGP = durchschnittliches Bruttojahresentgelt Analyse der betrieblichen und privaten Renteneinkom- men ist aufgrund fehlender Daten nicht möglich. Gerade Insbesondere die hohe Arbeitslosigkeit seit 1990 führte aber in Ostdeutschland, mit dem hohen Anteil der ge- dazu, dass viele Menschen in Ostdeutschland nur ge- setzlichen Rentenversicherung am Nettoalterseinkom- ringe Anwartschaften in der GRV erwerben konnten. men, lässt sich hierdurch eine gute Annäherung an die tatsächlichen Rentenansprüche der Neurentner erreichen. Die individuelle Einkommenssituation kann hiervon aller- * Stefan Krenz und Wolfgang Nagl sind Doktoranden in der Niederlassung dings abweichen, da insbesondere auch die materielle Dresden des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung. ifo Dresden berichtet 2/2009
14 Aktuelle Forschungsergebnisse Zwar ist auch der Bezug von Leistungen der Arbeits- sind. Die erste Kohorte umfasst somit die Jahrgänge losenversicherung grundsätzlich mit dem Erwerb von 1939–1941, während sich die zweite Kohorte aus den Rentenanwartschaften verknüpft, doch sind diese im Jahrgängen 1955–1957 zusammensetzt. Alle Individuen Regelfall niedrig. So werden während des Bezugs von aus dem Datensatz, deren Beschäftigungs- bzw. Leis- Arbeitslosengeld I 80 % des letzten Bruttoentgelts ren- tungsbezugshistorie kürzer als fünf Jahre ist, wurden tenwirksam angerechnet. Drastischer stellt sich die entfernt. Diese rechnerische Korrektur wurde vorgenom- Situation beim Arbeitslosengeld II (ALG) dar. Hier wird men, um aus dem Datensatz Selbstständige und Beam- eine Berechnungsgrundlage von 205 € zugrunde gelegt, te zu eliminieren. Diese erwerben zu Beginn ihrer Er- sodass pro Jahr ALG-II-Bezug lediglich ca. 0,1 Entgelt- werbsbiographie zwar häufig noch Entgeltpunkte und punkte erworben werden. sind insoweit in der hier verwendeten Statistik vorhan- Bei gegebener Höhe des Rentenfaktors und des den; sind aber neben den Leistungen aus der gesetzli- Rentenwerts ist die monatliche Rente eines Versicherten chen Rentenversicherung auch noch anderweitig abge- somit von der Höhe der individuell erzielten Entgeltpunk- sichert. Ihre Einbeziehung als Versicherte der GRV würde tezahl sowie dem individuellen Rentenzugangsalter dazu führen, dass die Rentenansprüche insgesamt zu abhängig. Die Obergrenze der pro Jahr erreichbaren niedrig ausgewiesen werden. Zudem werden Rentenan- Entgeltpunkte bestimmt sich durch die Beitragsbemes- sprüche erst ab einer Mindestversicherungsdauer von sungsgrenze5. fünf Jahren ausgezahlt. Methodisches Vorgehen Ergebnisse für Ostdeutschland Um die oben aufgeworfenen Fragen zu beantworten, soll Zunächst erfolgt eine ausbildungs- und geschlechtsspe- im Folgenden die Verteilung der Entgeltpunkte der Neu- zifische Analyse, wobei die Verteilung der Entgeltpunkte rentner 2004–2006 mit denen in den Jahren 2020–2022 in graphischer Form dargestellt wird. Dabei wird die Häu- verglichen werden. Um sich von der Durchschnittswert- figkeitsverteilung der Entgeltpunkte dargestellt. Eine Um- betrachtung zu lösen und ein differenzierteres Bild zu rechnung in Rentenansprüche erfolgt nicht, da Anpas- zeichnen, werden geschlechts- und ausbildungsspezifi- sungen des Rentenwertes bis zum Jahr 2020 nicht ohne sche Entgeltpunkteverteilungen berechnet. Dabei erfolgt ein gewisses Maß an Unsicherheit prognostiziert werden eine Differenzierung nach drei Bildungsklassen. Als hoch können und weil die ausgewiesenen Verteilungen sich qualifiziert gelten alle Personen, die eine Hochschule dadurch ohnehin nicht ändern würden. oder Fachhochschule erfolgreich abgeschlossen haben. Neben der graphischen Darstellung werden auch Unabhängig von dem erreichten Schulabschluss werden wichtige statistische Kenngrößen zum Vergleich heran- alle Personen ohne Berufsausbildung als niedrig qualifi- gezogen. Konkret werden der Mittelwert, die Standard- ziert eingestuft. Hat eine Person, unabhängig von der abweichung und die drei Quartilsgrenzen ausgewiesen. besuchten Schule, erfolgreich eine Berufsausbildung ab- Dabei erfolgt stets der Vergleich der Jahrgänge 1939– geschlossen, gilt sie als mittel qualifiziert. 1941 mit den Jahrgängen 1955–1957. Um das präsen- Der Betrachtung liegen die Datensätze IABS-R04 tierte Ergebnis besser einordnen zu können, ist in jeder des INSTITUTS FÜR ARBEITSMARKT- UND BERUFSFORSCHUNG Abbildung eine vertikale Linie eingezogen, die das Grund- und die Versichertenkontenstichprobe 2005 (VSKT 2005) sicherungsniveau bei 30 Entgeltpunkten darstellt. 30 Ent- des Forschungsdatenzentrums der DEUTSCHEN RENTEN- geltpunkten entsprechen aktuell (2008) 700,20 € in Ost- VERSICHERUNG zugrunde. Die Basis der Berechnungen bil- deutschland und 796,80 € in Westdeutschland. Die det die IABS-R04 Stichprobe, da diese tagesgenaue und gesetzte Grenze soll eine Orientierungshilfe bieten, auch verlaufsbezogene Daten einer großen Grundgesamtheit wenn das Grundsicherungsniveau im Alter bedarfsabhän- (2 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten) be- gig individuell variiert. Tabelle 1 liefert einen Überblick über reitstellt. Sie deckt für Ostdeutschland den Zeitraum von die Stichprobenzusammensetzung für Ostdeutschland. 1992–2004 ab. Um die Rentenansprüche für die Zeit da- vor abbilden zu können, wurde die IABS-R04 mit Daten der VSKT 2005 angereichert. Die Prognose von 2005– Mittleres Ausbildungsniveau 2020 basiert auf dem von 1992–2004 beobachteten Be- schäftigungsmuster in der IABS-R04.6 Die Gruppe der Mittelqualifizierten stellt den weit größ- Die Verteilungen der erworbenen Entgeltpunkte wer- ten Anteil der ostdeutschen Bevölkerung, weshalb diese den für diejenigen Jahrgänge berechnet, die in den Jah- hier zuerst betrachtet wird (vgl. Tab. 1). Auch steht die- ren 2004–2006 bzw. 2020–2022 jeweils 65 Jahre alt se Schicht in einem besonderen Fokus, da in der ifo Dresden berichtet 2/2009
Aktuelle Forschungsergebnisse 15 Tabelle 1: Stichprobenumfang Männer und Frauen Ostdeutschland 1939 –1941 1955 –1957 Qualifikations- niveau Männer Frauen Männer Frauen Niedrig 350 (7,32 %) 613 (10,9 %) 433 (6,26 %) 470 (7,1 %) Mittel 3.477 (72,74 %) 4.129 (73,42 %) 5.244 (75,87 %) 5.007 (75,59 %) Hoch 529 (11,07 %) 381 (6,77 %) 676 (9,78 %) 684 (10,33%) Keine Angabe 424 (8,87 %) 501 (8,91 %) 559 (8,09 %) 463 (6,99 %) Summe 4.780 (100,00 %) 5.624 (100,00 %) 6.912 (100,00 %) 6.624 (100,00 %) Quellen: IAB, Berechnungen des ifo Instituts. gesellschaftlichen Diskussion oft von einem vermehrten wird auch diese Gruppe in Zukunft ein ausreichend hohes Armutsrisiko der „Mittelschicht“ gesprochen wird. Versorgungsniveau aufweisen. Hier und im Folgenden soll die Situation der beiden Neurentnerkohorten geschlechtsspezifisch dargestellt werden. Die älteren Jahrgänge werden durch die dunkle- b) Frauen re Farbe abgebildet, die jüngeren durch die hellere. Die Situation der ostdeutschen Frauen dieser Bildungs- gruppe stellt sich auf den ersten Blick ähnlich dar. Die a) Männer Verteilung wird auch hier deutlich breiter; anders als bei den Männern steigt aber der Mittelwert der Rentenan- Bei den mittel qualifizierten ostdeutschen Männern wird sprüche leicht an; der Median bleibt weitgehend unver- die Entgeltpunkteverteilung der jüngeren Kohorte im Ver- ändert. Allerdings verschiebt sich die unterste Quartils- gleich zu der älteren deutlich breiter. Dies zeigt sich in der grenze nach links. Diese Verschiebung könnte bei den um den Faktor zwei steigenden Standardabweichung. Frauen etwas häufiger durch den Wechsel in Nicht- Das durchschnittliche Rentenniveau wird tendenziell sin- Erwerbstätigkeit begründet sein, da diese seltener in ken; der Mittelwert und die 50-%-Quantilsmarke liegen in Selbstständigkeit wechseln7 und auch die Quote der Ver- den Jahren 2020–2022 jeweils um etwa acht Entgelt- beamtungen unter der der Männer liegt. Eine genauere Be- punkte niedriger als in den Jahren 2004–2006. Auffällig trachtung der Daten zeigt, dass Frauen nach der Wende ist aber vor allem der Rückgang der 25-%-Quantilsgren- oft weniger durchgängige Erwerbsbiographien aufwei- ze um über 12 Entgeltpunkte (vgl. Abb. 1). sen und weit häufiger geringfügiger Beschäftigung nach- Worauf sind diese Veränderungen zurückzuführen? gehen. Allerdings gelingt es seit der Wiedervereinigung Der leichte Anstieg des oberen Quartils lässt sich durch auch einer größeren Zahl von Frauen, mehr Entgeltpunkte die nach dem Mauerfall verbesserten Verdienstmög- zu erwerben. Möglich wurde dies durch die stärkere Lohn- lichkeiten von gut qualifizierten Fachkräften erklären. Den differenzierung, die sich im Zuge der marktwirtschaft- deutlichen Abfall des unteren Quartils kann man lichen Umgestaltung nach der Wende ergeben hat. zunächst überwiegend der gestiegenen Arbeitslosigkeit Alles in allem liegen die von Frauen dieser Qualifika- und den daraus resultierenden niedrigen Rentenansprü- tionsstufe durch Erwerbsarbeit erhaltenen Entgeltpunk- chen zuschreiben. Es gilt aber zu berücksichtigen, dass te niedriger als bei den Männern. Allerdings werden die schlechte Rentensituation dieser Personen nicht aus- Frauen häufig darüber hinaus auch Entgeltpunkte für schließlich in Arbeitslosigkeit begründet ist, sondern Kindererziehungszeiten zugeschrieben. Diese sind aus auch durch Veränderungen in den persönlichen Lebens- datentechnischen Gründen nicht durchgehend in den umständen verursacht sein kann, die zu einem Wegfall Grafiken berücksichtigt. Insoweit lässt sich aus der Ver- der Rentenversicherungspflicht geführt hat (z. B. den teilung der Entgeltpunkte aus Erwerbstätigkeit nicht Wechsel in den Beamtenstatus, die Selbstständigkeit ohne Weiteres ein erhöhtes Armutsrisiko für Frauen able- oder die Nicht-Erwerbstätigkeit). Soweit dies der Fall ist, sen, zumal diese häufig auch aufgrund einer familiären ifo Dresden berichtet 2/2009
16 Aktuelle Forschungsergebnisse Abbildung 1: Verteilung der Entgeltpunkte: Mittleres Ausbildungsniveau der Männer in Ostdeutschland 0,08 0,07 0,06 Relative Häufigkeit 0,05 0,04 0,03 0,02 0,01 0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 Entgeltpunkte 1939–1941 1955–1957 Referenzlinie Standard- Jahrgänge Mittelwert 25-%-Quantil 50-%-Quantil 75-%-Quantil abweichung 1939–1941 44,69 6,93 39,81 44,37 49,51 1955–1957 36,86 12,25 27,55 36,28 44,24 Quellen: IAB, FDZ-RV, Berechnungen des ifo Instituts. oder partnerschaftlichen Entscheidung einen geringeren der beiden Kohorten – bei einer auch hier deutlichen Fokus auf ihre persönliche Karriere legen, aber über ihren Zunahme der Streuung um ca. 13 Entgeltpunkte – auf Lebenspartner abgesichert sein dürften (vgl. Abb. 2). etwa 26 Entgeltpunkte (vgl. Abb. 3). Noch gravierender sinkt die 50-%-Quantilsgrenze um 14 Entgeltpunkte auf 24,21 Entgeltpunkte. Diese Niedriges Ausbildungsniveau Zahlen beschreiben somit eine Situation, in der der männliche, niedrig qualifizierte Durchschnittsrentner 2020– Im niedrigsten Ausbildungsniveau bildet die Rente aus 2022 eine gesetzliche Rente unter der Höhe der Grund- der gesetzlichen Rentenversicherung die beste Annähe- sicherung bezieht und mehr als die Hälfte aller Leis- rung an die tatsächliche Einkommenssituation, da gera- tungsbezieher dieser Gruppe dementsprechend auf de diese Ausbildungsschicht selten privat vorsorgt bzw. ergänzende Sozialleistungen angewiesen sein wird, so- vorsorgen kann und durch die oft nicht zusammenhän- weit keine anderweitige Einkommensabsicherung vor- genden Erwerbsbiographien selten an betrieblichen Ren- handen ist. Die Anzahl der Personen mit 40 oder mehr tenprogrammen partizipiert. Allerdings befindet sich nur Entgeltpunkten liegt bei der Kohorte der Jahrgänge ein kleiner Teil der ostdeutschen Neurentner in dieser 1939–1941 bei 43 %, während er bei den Jahrgängen Gruppe. 1955–1957 nur noch 14 % beträgt. Hier spiegelt sich neben der höheren Betroffenheit von Arbeitslosigkeit insb. auch die abnehmende Bedeutung der in der DDR a) Männer erworbenen Rentenanwartschaften in der jüngeren Ko- horte wider. Außerdem ist zu erkennen, dass diese Grup- Der Blick auf die Verteilung im untersten Ausbildungsni- pe zu Zeiten der DDR ein ähnliches Lohnniveau aufwies veau offenbart eine deutliche Verschlechterung der allge- wie mittel qualifizierte Männer. Nach der Wiedervereini- meinen Rentensituation. Der Mittelwert sinkt im Vergleich gung gestaltete sich die Arbeitsmarktsituation jedoch ifo Dresden berichtet 2/2009
Aktuelle Forschungsergebnisse 17 Abbildung 2: Verteilung der Entgeltpunkte: Mittleres Ausbildungsniveau der Frauen in Ostdeutschland 0,07 Relative Häufigkeit 0,06 0,05 0,04 0,03 0,02 0,01 0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 Entgeltpunkte 1939–1941 1955–1957 Referenzlinie Standard- Jahrgänge Mittelwert 25-%-Quantil 50-%-Quantil 75-%-Quantil abweichung 1939–1941 29,95 8,04 24,48 29,75 35,49 1955–1957 31,76 12,65 21,71 29,28 40,83 Quellen: IAB, FDZ-RV, Berechnungen des ifo Instituts. Abbildung 3: Verteilung der Entgeltpunkte: Niedriges Ausbildungsniveau der Männer in Ostdeutschland 0,08 0,07 Relative Häufigkeit 0,06 0,05 0,04 0,03 0,02 0,01 0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 Entgeltpunkte 1939–1941 1955–1957 Referenzlinie Standard- Jahrgänge Mittelwert 25-%-Quantil 50-%-Quantil 75-%-Quantil abweichung 1939–1941 39,46 8,39 33,27 38,46 44,57 1955–1957 26,41 11,46 18,15 24,21 33,37 Quellen: IAB, FDZ-RV, Berechnungen des ifo Instituts. ifo Dresden berichtet 2/2009
18 Aktuelle Forschungsergebnisse hier weitaus schwieriger und die Lohneinbußen waren Entgeltpunkten Anlass zur Sorge geben. Die linke Flan- höher. Der Wechsel in den Beamtenstatus scheint ver- ke der u-förmigen Verteilung ist aber nicht etwaiger Ar- nachlässigbar, da keine Berufsausbildung absolviert wur- beitslosigkeit von Hochqualifizierten geschuldet, sondern de, diese aber typischerweise Voraussetzung für den erklärt sich auch durch den Wechsel von vielen Hoch- Einstieg in eine Beamtenlaufbahn ist. qualifizierten in die Selbstständigkeit oder in den Be- amtenstand. b) Frauen b) Frauen Die Rentensituation der niedrig qualifizierten Frauen in Ostdeutschland stellt sich 2020 noch drastischer dar Für hoch qualifizierte Frauen stellt sich die Situation ähn- (vgl. Abb. 4). Die Verteilung der Entgeltpunkte ist denen lich dar wie bei den hoch qualifizierten Männern. Auch der Männer ähnlich, allerdings auf noch niedrigerem Ni- hier lässt sich eine leicht u-förmige Verteilung der Ent- veau. Alle statistischen Kenngrößen verschlechtern sich geltpunkte bei den Jahrgängen 1955–1957 und eine im Kohortenvergleich. Frauen dieses Ausbildungsniveaus glockenförmige Verteilung bei den Jahrgängen 1939– wechseln sehr selten in Selbstständigkeit, sondern wan- 1941 erkennen (vgl. Abb. 6). Die statistischen Kenn- dern meistens in die stille Reserve ab, um ihre Arbeits- größen liegen zwar unter denen der Männer, aber 2020– kraft bei einer besseren Arbeitsmarktlage wieder anzu- 2022 immer noch auf hohem Niveau. Bei der jungen bieten. Insgesamt werden 2020–2022 etwa 82 % aller Kohorte liegt der Mittelwert bei rund 45 Entgeltpunkten, niedrig qualifizierten Frauen der Jahrgänge 1955–1957 der untere Quartilswert bei 32, der mittlere bei 48 und unter 30 Entgeltpunkte aufweisen. Überraschenderwei- der obere Quartilswert bei 60 Entgeltpunkten. Erklären se ist dies der einzige Wert, der sich im Kohortenver- lässt sich dies analog zu den Männern. Auch hier spielt gleich mit den Jahrgängen 1939–1941 kaum verändert. der Wechsel in den Beamtenstatus oder in die Selbst- 2004 wiesen ebenfalls etwa 80 % aller Frauen im untersten ständigkeit eine wichtige Rolle. Qualifikationssegment weniger als 30 Entgeltpunkte auf. Gesamtbewertung Hohes Ausbildungsniveau Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Beschäfti- Die beste Absicherung im Alter erwartet man bei den gungs- und damit auch die Rentensituation 2020–2022 Hochqualifizierten. Zum einen ist es ihnen möglich, durch im Vergleich zu 2004–2006 heterogener wird. Die ihre gute Ausbildung hohe Arbeitseinkommen in lücken- Arbeitsmarktentwicklung nach der Wiedervereinigung losen Erwerbsbiographien zu erzielen und damit einen schlägt sich in der Entgeltpunkteverteilung über alle Bil- überdurchschnittlich hohen gesetzlichen Rentenanspruch dungsklassen hinweg deutlich nieder. Entscheidender zu erwerben. Zum anderen betreiben Hochqualifizierte Faktor für die persönliche Situation am Arbeitsmarkt und auch oft noch private Altersvorsorge und partizipieren an somit auch für die gesetzliche Rentenversicherung ist betrieblichen Rentenprogrammen. das Bildungsniveau. Hoch qualifizierte Arbeitnehmer mit Während die Niedrigqualifizierten aus rentenanwart- Hochschul- oder Fachhochschulabschluss können ihre schaftlicher Sicht die homogenste Gruppe sind, stellen Situation im Vergleich zu früheren Jahrgängen evtl. sogar die Personen mit hohem Ausbildungsniveau die hetero- verbessern. Gleiches gilt für gut ausgebildete männliche genste Gruppe dar. Fachkräfte des mittleren Ausbildungsniveaus. Ganz anders stellt sich die Situation für niedrig qualifizierte Arbeitnehmer dar. Da die Angehörigen dieser Gruppe a) Männer besonders häufig von Arbeitslosigkeit betroffen waren und sind, erwerben sie auch nur geringe Rentenan- Die Verteilung der Entgeltpunkte verändert sich im Ko- sprüche. hortenvergleich drastisch von einer glocken- zu einer u- Neben dem Einfluss der Bildung auf die Höhe der förmigen Verteilung (vgl. Abb. 5). Während der Mittelwert Rentenanwartschaften zeigen sich auch signifikante ge- nahezu identisch bleibt und die 50-%-Quantilsgrenze schlechtsspezifische Unterschiede. Frauen erwerben in leicht ansteigt, geht die untere Quartilsgrenze um fast allen Bildungsschichten weniger Entgeltpunkte als Män- 11 Entgeltpunkte zurück, während die obere um fast ner. Auch wenn dies teilweise darauf zurückzuführen ist, 11 Entgeltpunkte ansteigt. Eigentlich müsste der drasti- dass in dieser Analyse Kindererziehungszeiten nicht sche Rückgang des unteren Quartilwerts auf 36,95 durchgehend berücksichtigt sind (die allerdings für die ifo Dresden berichtet 2/2009
Aktuelle Forschungsergebnisse 19 Abbildung 4: Verteilung der Entgeltpunkte: Niedriges Ausbildungsniveau der Frauen in Ostdeutschland 0,12 0,10 Relative Häufigkeit 0,08 0,06 0,04 0,02 0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 Entgeltpunkte 1939–1941 1955–1957 Referenzlinie Standard- Jahrgänge Mittelwert 25-%-Quantil 50-%-Quantil 75-%-Quantil abweichung 1939 –1941 24,08 6,21 20,22 25,02 28,42 1955–1957 23,22 9,19 16,65 21,11 28,22 Quellen: IAB, FDZ-RV, Berechnungen des ifo Instituts. Abbildung 5: Verteilung der Entgeltpunkte: Hohes Ausbildungsniveau der Männer in Ostdeutschland 0,14 0,12 Relative Häufigkeit 0,10 0,08 0,06 0,04 0,02 0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 Entgeltpunkte 1939–1941 1955–1957 Referenzlinie Standard- Jahrgänge Mittelwert 25-%-Quantil 50-%-Quantil 75-%-Quantil abweichung 1939–1941 51,52 6,21 47,82 51,66 55,51 1955–1957 51,88 18,28 36,95 56,09 66,40 Quellen: IAB, FDZ-RV, Berechnungen des ifo Instituts. ifo Dresden berichtet 2/2009
20 Aktuelle Forschungsergebnisse Abbildung 6: Verteilung der Entgeltpunkte: Hohes Ausbildungsniveau der Frauen in Ostdeutschland 0,09 0,08 Relative Häufigkeit 0,07 0,06 0,05 0,04 0,03 0,02 0,01 0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 Entgeltpunkte 1939–1941 1955–1957 Referenzlinie Standard- Jahrgänge Mittelwert 25-%-Quantil 50-%-Quantil 75-%-Quantil abweichung 1939 –1941 42,31 8,46 38,39 43,27 47,63 1955–1957 45,76 16,12 31,85 48,50 59,61 Quellen: IAB, FDZ-RV, Berechnungen des ifo Instituts. vor 1992 geborenen Kinder auch nur höchstens einen isolierter Betrachtung ein erhöhtes Altersarmutsrisiko Entgeltpunkt pro Kind ausmachten), spiegeln sich hier- haben, verschwindet dies oft bei gemeinsamer Be- in vor allem die geringere Beteiligung der Frauen am Er- trachtung. Grund hierfür ist, dass der Grundsicherungs- werbsleben einerseits und ihre geringeren Einkommen bedarf eines Ehepaares geringer ausfällt als die Summe andererseits wider. zweier Individuen. Begründet ist dies zu einem großen Um die Gesamtbewertung zu komplettieren, soll ab- Teil in der gemeinsamen Wohnung. Ein realistischer schließend die Situation der Männer und Frauen in Ost- Wert, unter dem ein Ehepaar einem erhöhten Alters- deutschland unabhängig von der jeweiligen Bildungs- armutsrisiko ausgesetzt ist, liegt bei 48 Entgeltpunkten. schicht dargestellt werden (vgl. Abb. 7 und 8). In Ostdeutschland entspricht dies aktuell (2008) etwa Der Kohortenvergleich aller ostdeutschen Männer offen- 1.120 €. Es wird deutlich, dass zusammen 48 Entgelt- bart eine deutliche Verringerung der Rentenanwartschaf- punkte auch erreicht werden können, wenn beide indivi- ten. Sowohl der Mittelwert als auch alle Quantilswerte duell weniger als 30 Entgeltpunkte erworben haben. der Neurentner der Jahre 2020–2022 liegen unter denen Zum einen hat ein Großteil aller ostdeutschen Neurentner der Jahre 2004–2006. Die augenscheinliche Verbreite- der Jahre 2020–2022 nur knapp unter 30 Entgeltpunkte. rung der Verteilung der Rentenansprüche wird durch die Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass im Familien- um den Faktor zwei gestiegene Standardabweichung kontext nicht unbedingt beide Ehepartner derart geringe unterstrichen. Auch der Anteil der Männer mit weniger Entgeltpunktzahlen aufweisen; hierüber liegen bislang als 30 Entgeltpunkten nimmt dramatisch zu. So hatten keine Informationen vor. Es lässt sich aber eine negative lediglich 1,34 % der Neurentner 2004–2006 weniger als Korrelation der Rentenansprüche von zwei Ehepartnern 30 Entgeltpunkte. 2020–2022 liegt dieser Anteil dage- vermuten. So führt die familiäre Arbeitsteilung häufig gen bei 31,60 %. Um diesen drastischen Anstieg richtig dazu, dass lediglich ein Ehepartner voll am Erwerbsleben einzuordnen, sei hier nochmals darauf verwiesen, dass teilnimmt. ein eigener Rentenanspruch von weniger als 30 Entgelt- Ein weiterer Punkt, der in einer Altersarmutsdiskussion punkten nicht automatisch mit Altersarmut gleichzusetzen berücksichtigt werden muss, ist zudem die in dieser Si- ist. Vor allem die familiäre Absicherung darf nicht außer mulationsrechnung fehlende Erfassung von Ansprüchen Acht gelassen werden. Auch wenn zwei Ehepartner bei aus betrieblicher oder privater Vorsorge. Auch wenn der ifo Dresden berichtet 2/2009
Aktuelle Forschungsergebnisse 21 Abbildung 7: Verteilung der Entgeltpunkte: Alle Ausbildungsniveaus der Männer in Ostdeutschland 0,09 0,08 0,07 Relative Häufigkeit 0,06 0,05 0,04 0,03 0,02 0,01 0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 Entgeltpunkte 1939–1941 1955–1957 Referenzlinie Standard- Jahrgänge Mittelwert 25-%-Quantil 50-%-Quantil 75-%-Quantil abweichung 1939 –1941 45,15 7,47 39,85 44,86 50,80 1955–1957 38,07 14,21 27,25 36,71 46,10 Quellen: IAB, FDZ-RV, Berechnungen des ifo Instituts. Abbildung 8: Verteilung der Entgeltpunkte: Alle Ausbildungsniveaus der Frauen in Ostdeutschland 0,07 0,06 Relative Häufigkeit 0,05 0,04 0,03 0,02 0,01 0 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 Entgeltpunkte 1939–1941 1955–1957 Referenzlinie Standard- Jahrgänge Mittelwert 25-%-Quantil 50-%-Quantil 75-%-Quantil abweichung 1939 –1941 30,35 8,89 24,32 29,74 36,21 1955–1957 32,54 13,72 21,61 29,47 42,02 Quellen: IAB, FDZ-RV, Berechnungen des ifo Instituts. ifo Dresden berichtet 2/2009
22 Aktuelle Forschungsergebnisse durchschnittliche Anteil dieser beiden Säulen der Alters- Rentenniveau im Bereich der niedrig qualifizierten und in vorsorge um das Jahr 2020 lediglich bei 15 % liegen Teilen der mittel qualifizierten Arbeitnehmer, während die wird, würde die Einbeziehung wohl bei vielen Personen hoch und die oberen zwei Drittel der mittel qualifizierten das Altersarmutsrisiko verschwinden lassen, weil viele Männer eine solide Alterseinkommensbasis aus der ge- Individuen relativ knapp unter der Grenze von 30 Ent- setzlichen Rentenversicherung haben. Frauen erwerben in geltpunkten liegen. jeder Bildungsschicht relativ wenige Entgeltpunkte. Grund Die Situation der Neurentner 2020–2022 lässt sich hierfür ist die im Westen weit geringere Erwerbstätigkeit aber keinesfalls auf die Bestandsrentner übertragen. Die der Frauen. Allerdings lässt sich auch bei den Frauen ein obige Analyse zeigt deutlich, dass Personen der Kohorte deutlicher Zusammenhang zwischen dem Bildungsstand 2004–2006 fast nie ein erhöhtes Altersarmutsrisiko auf- und den erreichten Entgeltpunkten festhalten. Im Unter- weisen. Viele dieser Personen leben auch 2020 noch, schied zu Ostdeutschland ist das Bild der Verteilungen sodass zwar eine generelle Zunahme des Risikos der der beiden betrachteten Kohorten sehr ähnlich. Altersarmut konstatiert, aber nicht von einem flächen- Im Vergleich zu Ostdeutschland stellt sich die Situa- deckenden Altersarmutsproblem aller Rentner 2020 ge- tion in Westdeutschland sowohl 2004–2006 als auch sprochen werden kann. 2020–2022 heterogener dar. Statistisch belegt wird dies Das Bild aller ostdeutschen Frauen ist dagegen ein durch die höhere Standardabweichung und den höheren völlig anderes. Zwar nimmt auch hier die Breite der Ver- Variationskoeffizienten. Auch in der Projektion der jünge- teilung signifikant zu, allerdings sinkt im Kohortenver- ren Kohorte sind die durch starke Kontinuität geprägten gleich lediglich die 25-%-Quantilsgrenze ab, alle anderen Beschäftigungszeiten in der ehemaligen DDR ausschlag- statistischen Kenngrößen bleiben aber annähernd gleich gebend für die höhere Homogenität der Ansprüche an oder werden größer. Die negativen Effekte der gestiege- die gesetzlichen Rentenversicherung: Während Arbeits- nen Arbeitslosigkeit nach der Wiedervereinigung scheinen losigkeit in Westdeutschland seit Mitte der 1970er Jahre im Aggregat besser durch ebenfalls gestiegene Verdienst- ein verbreitetes Phänomen darstellt, sind ostdeutsche möglichkeiten kompensiert werden zu können. Auch der Arbeitnehmer erst seit der Wiedervereinigung hiervon Anteil der Frauen mit weniger als 30 Entgeltpunkten betroffen. Dies schlägt sich entsprechend auch in den bleibt konstant. So betrug der Rentenanspruch 2004– Erwerbsbiographien westdeutscher Versicherter nieder. 2006 bei 51,39 % aller Frauen weniger als 30 Entgelt- Die Zeit in der ehemaligen DDR ist auch dafür verant- punkte. Bis 2020–2022 bleibt dieser Anteil mit 51,36 % wortlich, dass in Ostdeutschland die Mittelwerte höher weitgehend konstant. sind und die Quartilswerte in allen Ausbildungsniveaus in beiden Kohorten enger zusammen liegen als in West- deutschland. Exemplarisch für mittel qualifizierte Män- Vergleich der Rentensituation zwischen ner sind die statistischen Kenngrößen in Tabelle 2 gegen- Ostdeutschland und Westdeutschland übergestellt. Weiterhin auffällig ist im Ost-West-Vergleich die Tat- Bei der Betrachtung der westdeutschen Rentensituation8 sache, dass die Entgeltpunkteverteilungen der Frauen lässt sich, zumindest bei den Männern, die gleiche sich in beiden Landesteilen stark voneinander unter- Hauptdeterminante für die gesetzliche Rentensituation scheiden. In Ostdeutschland sind die Verteilungen der feststellen wie in Ostdeutschland: Bildung. Auch in Frauen denen der Männer in der jeweiligen Ausbildungs- Westdeutschland zeigt sich ein niedrigeres gesetzliches gruppe sehr ähnlich. Im Westen hingehen sind diese bei Tabelle 2: Statistischer Vergleich: Mittel qualifizierte Männer in Ost- und Westdeutschland Standard- Jahrgänge Mittelwert 25-%-Quantil 50-%-Quantil 75-%-Quantil abweichung 1939–1941 (Ost) 44,69 6,93 44,37 49,51 39,81 1939–1941 (West) 40,97 12,57 41,67 50,21 31,54 1955–1957 (Ost) 36,86 12,25 36,28 44,24 27,55 1955–1957 (West) 39,52 21,23 40,69 55,14 21,41 Quellen: IAB, FDZ-RV, Berechnungen des ifo Instituts. ifo Dresden berichtet 2/2009
Aktuelle Forschungsergebnisse 23 den Frauen über alle Qualifikationsgruppen hinweg Spuren. In fernerer Zukunft wird sich dies auch in der gleichförmig und sehr unterschiedlich zu den Verteilun- Rentensituation niederschlagen. Ganz deutliche Unter- gen der Männer. So zeigt sich bei den westdeutschen schiede zeigen sich gerade im Vergleich der Frauen in Frauen in jeder Bildungsschicht eine linkssteile und Ost- und Westdeutschland. Die viel geringere Erwerbs- rechtsschiefe Verteilung. Diese Verteilung ist wohl Resul- neigung der westdeutschen Frauen führt direkt auch zu tat der geringeren Erwerbsbeteiligung der Frauen in geringeren (originären) Rentenanwartschaften. Westdeutschland. Während sich 2020 die Entgeltpunkteverteilungen der Frauen im Ost-West-Vergleich auch weiterhin stark Literatur unterscheiden, ist bei den Männern in allen Qualifika- tionsniveaus eine Angleichung der Verteilungen im Osten DEUTSCHE INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER (Hrsg.) (2009): an die im Westen zu beobachten. Weiterhin lässt sich www.dihk.de/index.html?/inhalt/themen/starthilfe/ festhalten, dass sich die Form der Verteilung im Westen unternehmensgruendung/frauenandenstart/hinter- im Kohortenvergleich nicht geändert hat, während im grund.html (Abruf 10. 03. 2009). Osten die kürzere DDR-Historie in den Erwerbsbiogra- DEUTSCHE RENTENVERSICHERUNG BUND (Hrsg.) (2007): Alters- phien der jüngeren Kohorten doch deutliche Spuren hin- vorsorge in Deutschland 2005, DRV-Schriften: Bd. 75, terlässt. Sonderausgabe der DRV, München. KRENZ, STEFAN und NAGL, WOLFGANG (2009): A Fragile Pil- lar: Statutory Pensions and the Risk of Old-age Pover- Fazit ty in Germany, in Vorbereitung. NAGL, WOLFGANG (2008): Zur Angleichung der Renten- Die Untersuchung der Entgeltpunkteverteilung in Ost- werte in Ost- und Westdeutschland, ifo Dresden be- und Westdeutschland zeigt, dass Personen der unters- richtet 06/2008, S. 35–37. ten Ausbildungsschicht geringe gesetzliche Altersrenten aufweisen, wohingegen gut und sehr gut qualifizierte Ar- beitnehmer durch die gesetzliche Rentenversicherung eine solide Grundbasis für ihr Alterseinkommen schaffen. 1 Vgl. DEUTSCHE RENTENVERSICHERUNG BUND (2007). 2 Ab 2012 erfolgt eine schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze bis Bildung lässt sich somit als maßgeblicher Faktor für die 2031 auf 67 Jahre. Höhe der gesetzlichen Rentenanwartschaften identifizie- 3 Der Rentenwert beläuft sich derzeit in Ostdeutschland auf 23,34 € je ren. Entgeltpunkt (Westdeutschland: 26,56 €). Der ostdeutsche Satz wurde dabei entsprechend der Differenz zwischen den Nettolöhnen in Ost- und Im Geschlechtervergleich fällt auf, dass Frauen ten- Westdeutschland niedriger angesetzt und stellt insoweit keine Schlech- denziell niedrigere gesetzliche Rentenanwartschaften er- terstellung ostdeutscher Rentner dar. Um die Teilhabeäquivalenz zu ge- währleisten, werden die Einkommen in Ostdeutschland entsprechend reichen als Männer. Hierbei sei aber auch erwähnt, dass aufgewertet. Eine ausführliche Darstellung und Einordnung der Renten- keine Mutterschafts- oder Kindererziehungszeiten be- wertdiskussion findet sich in NAGL (2008). 4 Um das unterschiedliche Lohnniveau in Ost- und Westdeutschland aus- rücksichtigt wurden. zugleichen, werden die ostdeutschen Jahresentgelte, bevor sie in Relati- Im Ost-West-Vergleich zeigt es sich, dass im Schnitt on mit dem gesamtdeutschen Durchschnitt gesetzt werden, mit einem in allen Ausbildungsklassen in Ostdeutschland etwa Aufwertungsfaktor multipliziert. Dieser bemisst sich als Quotient aus dem durchschnittlichen west- und ostdeutschen Bruttojahresentgelt. gleich viel oder mehr Entgeltpunkte erworben wurden als Aktuell beträgt dieser 1,1827 (vorläufiger Wert für 2008 nach Angaben in Westdeutschland. Dies beruht darauf, dass auch im der DEUTSCHEN RENTENVERSICHERUNG). 5 Aktuell (2009) liegt die Beitragsbemessungsgrundlage bei 64.800 € im Jahr 2020 noch die langen kontinuierlichen Beschäfti- Westen und 54.600 € im Osten. 6 Eine ausführliche Beschreibung des methodischen Vorgehens findet gungszeiten in der DDR nachwirken, während in West- sich bei KRENZ und NAGL (2009). deutschland diskontinuierliche Erwerbsläufe bereits seit 7 Die DEUTSCHE INDUSTRIE- UND HANDELSKAMMER (2009) weist den Anteil der Mitte der 1970er Jahre durchaus häufig sind. Nichtsdes- Frauen an allen Selbstständigen mit 29 % aus. 8 Das IFO INSTITUT hat, um einen entsprechenden Vergleichsmaßstab zu totrotz hinterlässt die schlechte ostdeutsche Arbeits- finden, eine zu Ostdeutschland analoge Untersuchung der westdeut- marktentwicklung nach der Wiedervereinigung deutliche schen Situation durchgeführt. ifo Dresden berichtet 2/2009
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