Die faule Prinzessin Aufruf zum Müßiggang - Begleitmaterial zur Produktion

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Die faule Prinzessin Aufruf zum Müßiggang - Begleitmaterial zur Produktion
Begleitmaterial zur Produktion

                        Die faule Prinzessin
                       Aufruf zum Müßiggang

nach einem Märchen der Gebrüder Grimm

katinka theater_projekte & DSCHUNGEL WIEN

Uraufführung
ERZÄHLTHEATER MIT LIVE-ZEICHNUNGEN/ 55 MINUTEN / AB 6 JAHREN

Begleitinformationen erstellt von Anna-Lena Rode und katinka theater_projekte

ANSPRECHPERSON für Informationen, Anmeldung und Kartenreservierung
Pädagogische Einrichtung, Kulturvermittlung / Mag. Christina Bierbaumer
MO. - FR. 09:00 - 17:00 / FON +43.1.522 07 20 -18 / FAX +43.1.522 07 20 -30 /
C.BIERBAUMER@DSCHUNGELWIEN.AT / WWW.DSCHUNGELWIEN.AT
Die faule Prinzessin Aufruf zum Müßiggang - Begleitmaterial zur Produktion
INHALTSVERZEICHNIS

1. Spieltermine und Kontakt                                     3

2. Konzept                                                      4
   2.1  Inszenierungsansatz                                     4

3. Cast und Crew                                                5

4. Hintergrundinformationen zum Thema Müßiggang                 7
   4.1   Definitionen                                           8
   4.2   Zitate                                                 9

5. Materialien für den Unterricht                               10
  5.1      Spiele und Übungen zur Vorbereitung                  10
  5.2      Nachbereitung                                        12
  5.3      Gedicht
           Der Spinnerinnen-Chor                                12
   5.4     Lieder zum Stück
           Den Kopf in den Wolken                               13
           Faul sein ist wunderschön                            14
           Spinne, spinne...                                    15

6. Weiterführende Literatur                                     16

7. Anhang                                                       17

   •     Das Märchen Die drei Spinnerinnen der Gebrüder Grimm   17
   •     Vom Flachs zu Leinen                                   19
   •     Zeitungsartikel zum Thema Leistungsdruck               22
   •     Kärtchen für die Sortierübung                          24
   •     Malvorlagen für das Malspiel                           25

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Die faule Prinzessin Aufruf zum Müßiggang - Begleitmaterial zur Produktion
1. Spieltermine 2011

Mi. 12. Okt.                        14:30h

Do. 13. Okt.         10:00h

Fr. 14. Okt.         10:00h         14:30h

Di. 18. Okt.         10:00h

Spielort       DSCHUNGEL WIEN, MQ Museumsplatz 1, 1070 Wien

Preise         SchülerIn (Klasse)        € 5,00
               Begleitpersonen           freier Eintritt

Weitere Informationen und Kartenreservierung unter:
Mag. Christina Bierbaumer
MO. - FR. 09:00 - 17:00 / +43.1.522 07 20 -18
c.bierbaumer@dschungelwien.at

Die KünstlerInnen von katinka theater_projekte bieten ergänzend zur
Inszenierung ein Vermittlungs-Programm für junge ZuschauerInnen und
Schulklassen an, um eine nachhaltige Beschäftigung mit den Themen des
Stücks anzuregen.
Das Team steht Ihnen gerne für weitere Informationen über Vor- und
Nachbereitungsmöglichkeiten zur Verfügung. Wenden Sie sich bitte an
folgende Kontaktperson:

Susi Muller / theater_katinka@gmx.at / 0664 2362602

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Die faule Prinzessin Aufruf zum Müßiggang - Begleitmaterial zur Produktion
2. Konzept

Ausatmen, Innehalten, Loslassen, Treiben Lassen, Entspannen – solche Begriffe sind
bei einem Lebensrhythmus, der sich an Terminkalender hält und in Leveln vorwärts
drängt zu Sehnsuchtswörtern geworden. Wettbewerb, Profilbildung und Leistung
prägen unser Streben und das Alltagsleben der Kinder. Grund genug, darüber
nachzudenken, was es heißt, nichts zu tun.

In dem Volksmärchen Die drei Spinnerinnen macht es ein Mädchen vor: Es
widersetzt sich dem Leistungsdruck und den Forderungen, die seine Mutter ihm
stellt. Es weiß, dass es die Prüfung, die die Königin ihm stellt, nicht bestehen wird.
Es tut nichts, es geht müßig... .
So eröffnen sich Umwege und Nischen... Drei seltsame Weiber bieten ihre Hilfe
an... Und die Kunst des Nichtstuns macht das Mädchen zur glücklichen Prinzessin.

Das Stück „Die faule Prinzessin“ nimmt das Grimmsche Märchen als Grundlage für
eine Auseinandersetzung mit den positiven Aspekten des Faulseins. Wie im Märchen
wird dabei erzählt, wie inspirierend und beglückend das Nichtstun sein kann.

Die Kernzielgruppe sind Kinder im Alter von 6 bis 10 Jahren, ein Alter, in dem sie
unter anderem auch durch den Schuleintritt, verstärkt mit einem hohen
Leistungsanspruch konfrontiert sind. Sie lernen in einem Bildungssystem zu
funktionieren, das nicht immer Raum für Einzigartigkeit und langsame Entwicklung
lässt. Zuhause sieht es oft nicht anders aus: Von einer Freizeitaktivität geht es auf
zur nächsten und potentielle Mußestunden werden vor dem Bildschirm verbracht.
Das Stück versteht sich als Einladung zum Müßiggehen und richtet sich sowohl an
Kinder als auch an erwachsene Erziehungsberechtigte aus dem privaten oder
schulischen Umfeld.

2.1 Inszenierungsansatz

Es wird ein Stück gezeigt, bei dem das "Sich-Treiben-Lassen" im Mittelpunkt des
Geschehens steht.
Eine Schauspielerin und ein Schauspieler sind gemeinsam auf der Bühne. Sie
erzählen das Märchen und schlüpfen dabei in die unterschiedlichen Figuren. Das
Potential des ziellosen Tuns wird durch assoziativ entstehende Live-Zeichnungen,
Sprachspiele und musikalische Elemente erlebbar. Die Verwandlung der Bühne, der
offene Umgang mit Kostümteilen als Symbol für Figuren und das gemeinsame
Zeichnen legen den kreativen Prozess des Theaterspielens offen.

Die Fabel des Märchens bleibt in den Grundzügen erhalten. So kann den jüngsten
ZuschauerInnen eine zauberhafte Geschichte erzählt werden, dem älteren und
erwachsenen Publikum erschließt sich die Aktualität des Themas:
Leistungsanspruch und Frühförderungswahnsinn gegenüber Selbstbestimmtheit und
Müßiggang.

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3. CAST & CREW
katinka theater_projekte wurde im Januar 2011 gegründet und besteht im Kernteam aus
Ina Theißen und Katrin Artl. Beide sind Absolventinnen der Alanus-Hochschule für Kunst
und Gesellschaft und sehen den Schwerpunkt ihrer Arbeit in der Auseinandersetzung mit
Sprache auf der Bühne.
Neben diesem Schwerpunkt arbeitet katinka mit KünstlerInnen aus den Bereichen Musik
und bildender Kunst zusammen, wodurch sich immer wieder neue Produktionsteams
zusammenfinden.
katinka steht für zeitgenössisches Theater, das dem Zuschauer Raum für eigene Gedanken
und Interpretationsansätze lässt, egal ob Kind, Jugendlicher oder Erwachsener. Die
Inszenierungen sind Versuche, verschiedene Kunstformen in einem Bühnenereignis zu
verbinden.

Regie: Katrin Artl

                 Katrin Artl wurde 1976 in Salzburg geboren, nach ihrer Lehre als
                 Gärtnerin machte sie zunächst eine Ausbildung zur
                 Waldorflehrerin. Seit ihrem Diplomabschluss im Fach
                 Sprachgestaltung/Schauspiel 2001 ist sie als Theaterpädagogin und
                 Regisseurin im Kinder- und Jugendtheaterbereich tätig.
                 Seit zwei Jahren ist Katrin Artl zurück in Österreich. Sie arbeitet
                 derzeit für die Junge Burg Wien, gehört zum Leitungsteam des
                 Theaters bodiendsole in Hallein und verwirklicht freie Projekte
                 mit katinka.

Bühne und Illustrationen: Kerstin Rajnar_frau mag rosa pink

Kerstin Rajnar wuchs in Graz auf und absolvierte zunächst die
HTBLVA für Kunst und Design Graz, sowie das Studium für
Bühnen- und Kostümbild an der Kunstuniversität Graz. Für ihre
Illustrationen und Installationen erhielt sie Preise und
Auszeichnungen.
Kerstin Rajnar lebt in Wien und Graz. Sie arbeitet freischaffend in
den Bereichen Theater, Video, Design, Illustration und Kunst. Zur
Zeit ist sie als artist in residence in Judenburg tätig und hat für
katinka Bühnenbild, Video und das Zeichenkonzept entworfen.

Dramaturgie: Philipp Scholze

                 Philipp Scholze wurde 1979 in Wien geboren. Er studierte
                 Deutsche Philologie und Geschichte an der Universität Wien.
                 Die Theaterarbeit begann für ihn als Regieassistent für Theater-,
                 Operette- und Opernproduktionen in Nieder-, Oberösterreich und
                 Wien. Am Landestheater Niederösterreich war er in den letzten
                 Jahren als Regieassistent, Schauspieler und Dramaturg tätig.
                 Derzeit schreibt Philipp Scholze an seiner Dissertation in
                 Philosophie. Er lebt in der Nähe von Gmünd und ist Hausmann und
                 Vater zweier Kinder.

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Theatervermittlung: Susi Muller

                   Susi Muller wurde 1984 in Luxemburg geboren. Sie schloss ihr
                   Studium der Bildungswissenschaften mit Schwerpunkt
                   Schulpädagogik ab. Im September 2011 beendete sie ihre
                   Ausbildung zur Theaterpädagogin am Institut angewandtes
                   Theater in Wien. In den letzten Jahren sammelte sie mit
                   Workshops und Projekten in Schulklassen praktische Erfahrungen.
                   Derzeit ist Susi Muller als Parkbetreuerin im 5. Bezirk tätig.
                   Für katinka hat sie bei den Endproben assistiert und wird das
                   theaterpädagogische Begleitprogramm abwickeln.

DarstellerInnen:

Ina Theißen // Rolle: Mädchen

                   Ina Theißen wuchs in Aachen (D) auf, wo sie auch ihre ersten
                   Erfahrungen im Bereich Schauspiel sammelte. Nach dem Abschluss
                   ihrer Ausbildung im Bereich Sprachgestaltung/Schauspiel
                   absolvierte sie an der Universität der Künste in Berlin den
                   Masterstudiengang Theaterpädagogik. Ina Theißen lebt seit 2008
                   in Wien. Neben ihrer theaterpädagogischen Tätigkeit beschäftigt
                   sie sich als Erzählerin mit Darstellungsformen in Wort und Bild.
                   Sie ist freiberuflich als Theaterpädagogin, Schauspielerin,
                   Sprachgestalterin und Regisseurin tätig.

Jürgen Knittl // Rollen: Mutter, Königin, Prinz

                    Jürgen Knittl wurde 1982 in Wien geboren und beendete seine
                    Schulzeit an einer Tourismus-Fachschule. Nach einiger
                    Berufserfahrung in der Gastronomie entschied er sich für ein
                    Schauspielstudium. Er machte seinen Abschluss 2007 am Gustav-
                    Mahler-Konservatorium und ging anschließend nach Deutschland.
                    Er spielte am Blauen Theater des Schubert-Konservatoriums Wien
                    und in Kinderstücken, Komödien und Musicals an Theatern im
                    Raum Köln, wie etwa dem Theater am Schlachthof Neuss. Seit
                    Sommer 2011 ist Jürgen Knittl zurück in Wien.

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4. Hintergrundinformationen zum Thema Müßiggang

Faulheit hat etwas Anachronistisches. Sie ist nicht zeitgemäß in unserer
Gesellschaft des raschen Wandels. Faule Menschen machen sich kaum noch
bemerkbar: Der träge und in sich ruhende Taugenichts, die müde junge Frau, selbst
der Alte, der verloren vor seinem Gläslein sitzt - sie alle scheinen einer
vergangenen Welt anzugehören, einer Welt der wir früher im Märchen begegnet
sind, wovor uns die Mutter oder der Lehrer mit erhobenem Zeigefinger warnten.

In der Kulturgeschichte galt die Faulheit über Jahrtausende als Laster. Sie gehörte
sogar zu den sieben Todsünden - als  oder eben Trägheit, die auch die
Stumpfheit von Geist und Herz einschloss. Seit der Vertreibung aus dem Paradies ist
der Mensch angehalten die Welt zu bestellen, auch wenn ihn dies Arbeit, Mühe und
Sorgen kostet. Doch nicht nur die jüdisch-christliche Tradition setzte Warnungen
und Verbote.
Seit der frühen Moderne ist es geradezu Pflicht geworden den Verstand und die
Kraft der Muskeln in Bewegung zu halten. Mit dem Konzept des Fortschritts war der
faule Mensch sozusagen der Anarchist und Verweigerer, der für andere das falsche
Beispiel gab. Zum Gegentypus wurde der , ein unternehmungslustiger
Zeitgenosse mit wenig Schlaf und viel Veränderungswillen.
Andererseits pflegte die Antike noch ein durchaus ambivalentes Verhältnis zum
Nichtstun. Das , die Muße in Würden, war durchaus
geschätzt: jedenfalls für Philosophen und innerlich freie Männer. Sie konnten damit
ihre Unabhängigkeit gegenüber den Geschäften des Alltags demonstrieren. Was von
außen her als Faulheit wahrgenommen werden mochte - das stille Für-sich-sein -
war aber gerade Aktivität: Das Nachdenken über Lebensfragen und andere höhere
Themen.
Noch im Mittelalter hatte die Faulheit einen gewissen Charme der Unschuld. Faule
Menschen waren in der Regel weder bösartig noch streitsüchtig, belästigten andere
nicht, beanspruchten weniger Lebensraum als rasende Aktivisten und zettelten
keine Kriege an. Anderseits waren sie - meistens weder nüchtern noch wachsam -
bequeme Opfer für die Versuchungen des Teufels.
Erst die Neuzeit setzt den Faulen unter einen Generalverdacht. Er ist auf andere
angewiesen, die für ihn das tun, was ihm nicht in den Sinn oder gar unter die
Hände kommt - und solcher Egoismus gilt als schädlich. Das Sprichwort vom
Müßiggang, der aller Laster Anfang sei, erweist sich in unserer beschleunigten
Lebenswelt als wahr - der Faulpelz allerdings als die Laus im Pelz.

Faulheit war auch noch einfacher, als die Lebenswelt weniger Ablenkung bot. Sie
galt damals als die Schwester der Langeweile: Wo nicht viel Neues geschah, war es
schwierig tüchtig zu sein. Heute sind faule Menschen eher rar. Das heißt nicht, dass
es nicht manche Zeitgenossen gibt die sich gerne in ihr Schneckenhaus der Trägheit
zurückziehen. Aber das sich laufend erneuernde Angebot im Bereich der
elektronischen Medien macht den Faulpelzen das Nichtstun schwierig. Es wäre zu
anstrengend, auf alle Verführer der digitalen, virtuellen Allgegenwärtigkeit zu
verzichten. Auch ist es schwer vorstellbar, dass sich die Faulheit bei den Jüngeren
zu einem Zustand von  mausern könnte.

Vgl. Dr. Hans-Dieter Vontobel

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4.1 Definitionen

Der Müßiggang
Der Müßiggang ist das Aufsuchen der Muße, was soviel bedeutet wie das
entspannte, von Pflichten freie Ausleben und nicht die Erholung von besonderen
Stresssituationen oder körperlichen Belastungen. Er geht z. B. mit geistigen
Genüssen oder leichten vergnüglichen Tätigkeiten einher, kann jedoch auch das
reine Nichtstun bedeuten. (Wikipedia)

Die Muße
Mit Muße bezeichnet man die Zeit, die eine Person nach eigenem Wunsch nutzen
kann um sich zu erquicken und zu erbauen, etwa seiner Muse oder den Musen
frönend.
Nicht alle Freizeit ist gleichzeitig auch Muße, da viele Freizeitaktivitäten indirekt
von Fremdinteressen bestimmt werden. (Wikipedia)

Die Faulheit
Faulheit ist der mangelnde Wille eines Menschen zu arbeiten oder sich
anzustrengen. Die verschiedenen Interpretationen der Faulheit reichen von einer
allgemeinen Tendenz des Menschen zur Ruhe bis hin zu einem schlechten Charakter
des Einzelnen. Daher hat der Begriff ebenso unterschiedliche Bedeutungen und
kann das Einfordern gerechter Erholung meinen oder aber als Sbis zum Schimpfwort
gebraucht werden. (Wikipedia)

Das Spinnen
Spinnen ist nicht nur eine Bezeichnung für die Tätigkeit der Garnherstellung
sondern steht auch für fantasieren beim Erzählen und im Wahn.
(Vgl. Aussagen wie: „Du spinnst ja!“)

Die Mythologie des Spinnens
Das Spinnen spielt vielfach eine Rolle im Mythos und wird etlichen
Schicksalsgöttinnen zugewiesen. Spinnen und Weben gelten als Erfindungen der
Göttin Athene. Die sterbliche Arachne, die die Göttin in der Kunst des Spinnens und
Weben übertreffen wollte, wurde zur Strafe in eine Spinne verwandelt. Arachnida
ist noch heute der wissenschaftliche Name der Spinnentiere.
In der germanischen Mythologie spinnen die Nornen, die Schicksalsfäden der
Menschen.
In den Märchen gilt das Spinnen meist als Ausweis von Fleiß oder inneren
Reifungsvorgängen und fungiert oft als Heiratsprobe der Frau.

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4.2 Zitate und Sprichworte

„Wir haben viel zu wenig Muße: Zeit, in der nichts los ist. Das ist die Zeit, in
der die Einsteins, die kreativen Forscher, ihre Entdeckungen machen. Der
Betrieb und die Routine sind uninteressant und kontraproduktiv.
(Beherzigen sollten wir das und uns heute einmal Zeit nehmen, gemeinsam
kreativ zu sein ...)”
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„Müßiggang ist allen Geistes Anfang.”
                                                                                Franz Werfel

„Müßiggang ist aller Laster Anfang.“
                                                                                   Sprichwort

„Wer keine Muße kennt, lebt nicht.“
                                                                       Sprichwort aus Sizilien

„Eine gewisse Anzahl von Müßiggängern ist notwendig zur Entwicklung einer
höheren Kultur."
                                                                          Miguel de Unamuno

„Fleiß ist die Wurzel aller Hässlichkeit.“
                                                                                 Oscar Wilde

„Schließlich sind Faulheit und Müßiggang nicht das Gegenteil von Arbeit,
sondern die Voraussetzung für poetisches Verhalten.“
                     Joachim Schultz und Gerhard Köpf in: Lob der Faulheit, Insel Taschenbuch

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5. Materialien für den Unterricht

5.1 Spiele und Übungen zur Vorbereitung

Die Kenntnis des Märchens der Gebrüder Grimm ist keine Voraussetzung, um das
Theaterstück zu verstehen. Möchten Sie jedoch ihre Kinder intensiver auf den
Vorstellungsbesuch vorbereiten, empfehlen wir Ihnen und der Klasse, das Märchen
zu lesen.

In der Vorbereitung der Kinder auf den Vorstellungsbesuch empfehlen wir Ihnen
zwei Schwerpunkte: Zum einen die Sicht der Kinder auf die Geschichte und deren
Übertragung in den eigenen Alltag, zum anderen die Umsetzung des Inhalts in
Erzählungen, Zeichnungen und Szenisches Spiel.

Erzählerische Mittel der Theaterinszenierung

Um das Märchen „Die faule Prinzessin“ auf die Bühne zu bringen, werden
verschiedene künstlerische Mittel genutzt: Es wir erzählt, illustriert, gezeichnet,
und Theater gespielt.

Lesen sie mit den Kindern einen Ausschnitt des Märchens:
Als sie ins Schloß gekommen waren, führte die Königin das Mädchen hinauf zu drei
Kammern, die lagen von unten bis oben voll vom schönsten Flachs.
“Nun spinn mir diesen Flachs”, sprach sie, “und wenn du es fertigbringst, so sollst du
meinen ältesten Sohn zum Gemahl haben; bist du gleich arm, so acht ich nicht darauf,
dein unverdroßner Fleiß ist Ausstattung genug.” Das Mädchen erschrak innerlich, denn es
konnte den Flachs nicht spinnen, und wär's dreihundert Jahre alt geworden und hätte
jeden Tag vom Morgen bis Abend dabeigesessen. Als es nun allein war, fing es an zu
weinen. Es saß drei Tage, ohne die Hand zu rühren...
Am dritten Tage kam die Königin, und sah, daß noch nichts gesponnen war. Aber das
Mädchen entschuldigte sich damit, daß es vor großer Betrübnis über die Entfernung aus
seiner Mutter Haus noch nicht hätte anfangen können. Das ließ sich die Königin gefallen,
sagte aber beim Weggehen: “Morgen mußt du mir anfangen zu arbeiten.”

A) Lassen sie die Kinder in Kleingruppen (2 - 5) die Handlung der Geschichte in
eigenen Worten für die Klasse nacherzählen.
Was verändert sich, je nachdem, wer sie erzählt?
Ermutigen sie die Kinder auch Anleihen zu ihrem Alltag zu finden: Was wäre heute
eine Prüfung für die Arbeitsleistung? Was wäre eine Fleißaufgabe, die sie selbst nie
bewältigen könnten?

B) Wie könnte man diesen Teil des Märchens in Form eines Bilderbuchs
darstellen?
Für die Stationen der Handlung können mehrere Bildmotive ausgewählt werden
(z.B.: ein prächtiges Schloss // eine Kammer, in der Arbeit wartet // das Mädchen
allein // was dem Mädchen in den drei Tagen so durch den Kopf geht // die zweite

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Begegnung mit der Königin). Die Motive werden unter den Kindern aufgeteilt und
gemeinsam wird ein Bilderbuch gemalt oder gezeichnet.

C) Das Märchen kann nun in kleinen Szenen nachgespielt werden.
Wer möchte die Königin spielen, wer das Mädchen? Kann man die Geschichte auch
mit einem Buben und einer Königin spielen? Besetzt die Rolle der Königin mit einem
Jungen!

Zum Weitermalen
Im Anhang finden Sie Vorlagen mit Malmotiven aus der Inszenierung „Die faule
Prinzessin“. Die Kinder können nun, ähnlich wie es das Mädchen im Stück macht,
die Motive durch freies Zeichnen und Malen ergänzen und weiterentwickeln und
dabei ihrer Fantasie freien Lauf lassen.

Arbeit und Müßiggang – Begriffe sortieren
Die Kinder werden in Kleingruppen von ca. 10 Personen eingeteilt und erhalten
zehn Kärtchen, auf denen unterschiedliche Begriffe stehen. Nun werden sie
aufgefordert, diese in eine Reihenfolge zu bringen. Dabei sollen sie mit der für sie
anstrengendsten Tätigkeit beginnen und mit dem Begriff enden, der ihnen am
meisten Spaß macht. Die aufgelegten Reihen der Kleingruppen werden
anschließend gemeinsam betrachtet und besprochen.

Ziel ist es, dass sich die Kinder mit ihrem Freizeitverhalten auseinander setzen,
indem sie miteinander ins Gespräch kommen. Dies kann die Kinder sensibilisieren
zu hinterfragen, was sie freiwillig machen, was sie zum Beispiel mit Aussicht auf
Belohnung tun und was sie als lästige Pflicht empfinden bzw. unter Zwang
ausführen.
Wichtig dabei ist, dass es kein richtig oder falsch gibt, da jedes Kind natürlich die
jeweiligen Tätigkeiten unterschiedlich einstuft.

Im Anhang finden Sie einige Vorschläge mit Begriffen zum Ausschneiden.

Arbeit und Müßiggang – Gespräch
Für ein Klassengespräch vor bzw. nach dem Vorstellungsbesuch können folgende
Fragen als Anregung dienen:

Was ist freie Zeit für euch?
Was ist Arbeit?

Sollte man jemanden dafür, dass er sich eine Geschichte ausdenkt, bezahlt?
Warum?
Könnte man „einmal das Stiegenhaus putzen“ auch aus Vergnügen tun? Warum
nicht?

Habt ihr schon mal mit Arbeit Geld verdient?
Wenn es nicht ums Geld verdienen geht, warum könnte man sonst arbeiten?

Wann hattet ihr zuletzt richtig viel Zeit?

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In welcher Situation bummelt ihr gern? Was ist das Schöne daran?
Bei welchen Gelegenheiten habt ihr das Gefühl euch zu langweilen? Wie fühlt sich
das an?

5.2 Nachbereitung

Nach dem Vorstellungsbesuch empfiehlt es sich, das Gesehene nochmals mit den
Kindern zu reflektieren:
An welche Szene erinnern sie sich noch am meisten? Warum?
Was war anders, als sie es sich vorgestellt haben?
Was war anders als im Märchen?
Wann wurden Zeichnungen eingesetzt und was bedeuteten sie?
Wie haben die Kinder die beiden Darsteller erlebt: als Erzählerfigur, als Mädchen
und Mutter bzw. Königin oder Prinz, als Mann und Frau?

Gerne kommen wir auch zu Ihnen in die Schule, um mit den Kindern über das Stück
zu sprechen.

5.3 Gedicht: Der Spinnerinnen-Chor von Auguste Möder

Drauß wirbelt der Schnee,
und er wirbelt gar kraus,
heimlich im schützenden Haus.

Nun drehe dich, Spindel,
nur zu, immer zu:
Surrsu, Surresu
Surresu, surresu.

Hell auf im Kamine das Feuer erglüht,
Und singet und knistert und Funken
Versprüht.

Nun drehe dich, Spindel,
nur zu, immer zu:
Surrsu, Surresu
Surresu, surresu.

Zirp‘, zirpe, lieb‘ Heimchen,
du Holdchen gar wert,
Das Frieden und Glück
Unserm Hause beschert.

                                                                                    12
Nun drehe dich, Spindel,
nur zu, immer zu:
Surrsu, Surresu
Surresu, surresu.
Purr, purr,
stimmt die Mieze
behaglich mit ein
Und schnurret und surret
Und spinnet gar fein.
Nun drehe dich, Spindel,
nur zu, immer zu:
Surrsu, Surresu,
surresu, surresu.

Euch lehrt‘ es die Holle,
gelt Mieze? – Miau.
Gar gut ist euch Katzen
Die spinnende Frau.

Nun drehe dich, Spindel,
nur zu, immer zu:
Surrsu, Surresu
Surresu, surresu.

5.4 Lieder

Den Kopf in den Wolken
Text: nach Joachim Ringelnatz / Musik: eigene Vertonung

Such dir ein Plätzchen das niemand weiß
Und einen Käfer der dich begleitet
Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß
Das durch den sonnigen Himmel schreitet.

Versteck dich faul in der Fülle der Gräser
Laß dich von der Sonne beschenken
Sei ein müßiger Lippenbläser
Und laß dich von Melodien lenken.

Laß die Gedanken ins Blau sich versenken
Schau in das streunende Wolkengezupf
Vergiss dich - Es soll dein Denken
Nicht weiter reichen, als ein Grashüpferhupf.

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Faul sein ist wunderschön
Text: Astrid Lindgren / Musik: Georg Riedel

Faul sein ist
wunderschön, denn die Arbeit hat noch Zeit.
Wenn die Sonne scheint und die Blumen blühn,
ist die Welt so schön und weit.
Faulsein ist wunderschön, liebe Mutter glaub' es mir.
Wenn ich wiederkomm', will ich fleißig sein,
ja das versprech' ich Dir.
Trall-la-la-lalallaaaaaaaa, die Mutter backt den Kuuuchen.
Der schmeckt dem Faulpelz gut,
genauso wie dem Fleißgen.
Ja, ja, ja Faul sein ist wunderschön, ooohob mit ob ohne Geld.
Wer's nicht glaubt, der soll zuuhur Schule gehn', wir ziehen in
die Welt.
Trall-la-la-lalallaaaaaaaa, die Mutter backt den Kuuuchen.
Der schmeckt dem Faulpelz gut,
genauso wie dem Fleißgen.
Ja, ja, ja Faul sein ist wunderschön, viiiehl schöner als der Fleiß.
Dieeehie Luft ist blau, deeer Wald ist grün,
und der kleine Onkel, der ist weiß.

                                                                       14
Spinn, spinn, meine liebe Tochter

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6. Weiterführende Literatur

6.1 Müßiggang

Dischner, Gisela: Wörterbuch des Müßiggängers, Edition Sirius.

Hesse, Hermann: Die Kunst des Müßiggangs, Suhrkamp Verlag.

Jung, Jochen: Lob der Faulheit?, Residenzverlag.

Schultz, Joachim/Köpf, Gerhard, Lob der Faulheit, Insel Verlag.

6.2 Zum Spinnen

Carl, Franz: Vom Flachs zum Leinen, Landesverlag Linz.

Fasse, Marianne: Rund um Flachs und Leinen. Sprichwörter und Redensarten,
Volksglaube und Brauchtum, Gedichte, Lieder und Märchen aus der Spinnstube,
Aschendorff Verlag.

Grillenfeld, Josef: Aus Flachs wird Leinen. Der lange Weg einer alten Pflanze,
http://www.jahrbuch-vulkaneifel.de/VT/hjb1994/hjb1994.94.htm, 13.06.2011.

6.3 Arbeit und Müßiggang in der Erziehung

Bettelheim, Bruno: Kinder brauchen Märchen, dtv.

Buzyn, Etty: Lasst mir doch Zeit zum Träumen, Herder Verlag.

Hodgkinson,Tom: Leitfaden für faule Eltern, Rowohlt Verlag.

6.4 Literatur für Kinder

Grimm, Jakob und Wilhem: Der faule Heinz, in: Kinder- und Hausmärchen.

Grimm, Jakob und Wilhelm: Die wahre Braut, in: Kinder- und Hausmärchen.

Gunnesch, Irene/Stöllinger, Heide: Faule Frieda, Jungbrunnen Verlag.

Leonni, Leo: Frederick, Beltz Verlag.

Shaw, Elizabeth: Bettina bummelt, Kinderbuchverlag.

Weeber, Jochen/Reichel, Anja: Hühner dürfen sitzen bleiben, Pattloch Verlag.

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7. Anhang

Die drei Spinnerinnen
Ein Märchen der Gebrüder Grimm

Es war ein Mädchen faul und wollte nicht spinnen, und die Mutter mochte sagen,
was sie wollte, sie konnte es nicht dazu bringen. Endlich überkam die Mutter
einmal Zorn und Ungeduld, daß sie ihm Schläge gab, worüber es laut zu weinen
anfing. Nun fuhr gerade die Königin vorbei, und als sie das Weinen hörte, ließ sie
anhalten, trat in das Haus und fragte die Mutter, warum sie ihre Tochter schlüge,
daß man draußen auf der Straße das Schreien hörte. Da schämte sich die Frau, daß
sie die Faulheit ihrer Tochter offenbaren sollte, und sprach: “Ich kann sie nicht
vom Spinnen abbringen, sie will immer und ewig spinnen, und ich bin arm und kann
den Flachs nicht herbeischaffen.” Da antwortete die Königin: “Ich höre nichts
lieber als spinnen und bin nicht vergnügter, als wenn die Räder schnurren. Gebt mir
Eure Tochter mit ins Schloß, ich habe Flachs genug, da soll sie spinnen, soviel sie
Lust hat.” Die Mutter war's von Herzen gerne zufrieden, und die Königin nahm das
Mädchen mit.
Als sie ins Schloß gekommen waren, führte sie es hinauf zu drei Kammern, die
lagen von unten bis oben voll vom schönsten Flachs.
“Nun spinn mir diesen Flachs”, sprach sie, “und wenn du es fertigbringst, so sollst
du meinen ältesten Sohn zum Gemahl haben; bist du gleich arm, so acht ich nicht
darauf, dein unverdroßner Fleiß ist Ausstattung genug.” Das Mädchen erschrak
innerlich, denn es konnte den Flachs nicht spinnen, und wär's dreihundert Jahre alt
geworden und hätte jeden Tag vom Morgen bis Abend dabeigesessen. Als es nun
allein war, fing es an zu weinen und saß so drei Tage, ohne die Hand zu rühren. Am
dritten Tage kam die Königin, und als sie sah, daß noch nichts gesponnen war,
verwunderte sie sich, aber das Mädchen entschuldigte sich damit, daß es vor großer
Betrübnis über die Entfernung aus seiner Mutter Haus noch nicht hätte anfangen
können. Das ließ sich die Königin gefallen, sagte aber beim Weggehen: “Morgen
mußt du mir anfangen zu arbeiten.”
Als das Mädchen wieder allein war, wußte es sich nicht mehr zu raten und zu helfen
und trat in seiner Betrübnis vor das Fenster. Da sah es drei Weiber herkommen,
davon hatte die erste einen breiten Plattfuß, die zweite hatte eine so große
Unterlippe, daß sie über das Kinn herunterhing, und die dritte hatte einen breiten
Daumen. Die blieben vor dem Fenster stehen, schauten hinauf und fragten das
Mädchen, was ihm fehlte. Es klagte ihnen seine Not, da trugen sie ihm ihre Hilfe an
und sprachen: “Willst du uns zur Hochzeit einladen, dich unser nicht schämen und
uns deine Basen heißen, auch an deinen Tisch setzen, so wollen wir dir den Flachs
wegspinnen, und das in kurzer Zeit.”
“Von Herzen gern”, antwortete es, “kommt nur herein und fangt gleich die Arbeit
an.”
Da ließ es die drei seltsamen Weiber herein und machte in der ersten Kammer eine
Lücke, wo sie sich hinsetzten und ihr Spinnen anhuben. Die eine zog den Faden und
trat das Rad, die andere netzte den Faden, die dritte drehte ihn und schlug mit
dem Finger auf den Tisch, und sooft sie schlug, fiel eine Zahl Garn zur Erde, und
das war aufs feinste gesponnen. Vor der Königin verbarg sie die drei Spinnerinnen
und zeigte ihr, sooft sie kam, die Menge des gesponnenen Garns, daß diese des
Lobes kein Ende fand. Als die erste Kammer leer war, ging's an die zweite, endlich

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an die dritte, und die war auch bald aufgeräumt. Nun nahmen die drei Weiber
Abschied und sagten zum Mädchen: “Vergiß nicht, was du uns versprochen hast, es
wird dein Glück sein.”
Als das Mädchen der Königin die leeren Kammern und den großen Haufen Garn
zeigte, richtete sie die Hochzeit aus, und der Bräutigam freute sich, daß er eine so
geschickte und fleißige Frau bekäme, und lobte sie gewaltig.
“Ich habe drei Basen”, sprach das Mädchen, “und da sie mir viel Gutes getan
haben, so wollte ich sie nicht gern in meinem Glück vergessen. Erlaubt doch, daß
ich sie zu der Hochzeit einlade und daß sie mit an dem Tisch sitzen.” Die Königin
und der Bräutigam sprachen: “Warum sollen wir das nicht erlauben?” Als nun das
Fest anhub, traten die drei Jungfern in wunderlicher Tracht herein, und die Braut
sprach: “Seid willkommen, liebe Basen.”
“Ach”, sagte der Bräutigam, “wie kommst du zu der garstigen Freundschaft?”
Darauf ging er zu der einen mit dem breiten Plattfuß und fragte: “Wovon habt Ihr
einen solchen breiten Fuß?”
“Vom Treten”, antwortete sie, “vom Treten.” Da ging der Bräutigam zur zweiten
und sprach: “Wovon habt Ihr nur die herunterhängende Lippe?”
“Vom Lecken”, antwortete sie, “vom Lecken.”
Da fragte er die dritte: “Wovon habt Ihr den breiten Daumen?”
“Vom Fadendrehen”, antwortete sie, “vom Fadendrehen.” Da erschrak der
Königssohn und sprach: “So soll mir nun und nimmermehr meine schöne Braut ein
Spinnrad anrühren.” Damit war sie das böse Flachsspinnen los.
ENDE

                                                                                  18
Vom Flachs zu Leinen

Flachs blüht in der zweiten Hälfte des Monats Mai bis Anfang Juni. Die Blüten sind
weiß oder hellblau. Der vollreife Flachs wird nicht gemäht, sondern mit der Hand
einschließlich Wurzeln ausgerauft(ausgerissen), damit die bis in die Wurzeln
reichenden Fasern vollständig gewonnen werden können. Der vollreife Flachs hat
eine Länge zwischen 80 cm und 120 cm.

Es beginnt damit, dass der Flachs entsamt werden muss. Dazu dient ein
Riffelkamm, ein langes Brett, das mit einer Menge Eisenstiften bestückt ist. Durch
diese Eisenstifte wird dann der Flachs hindurchgezogen. Dabei zerbrechen die
Samenkapseln und der Samen fällt heraus.

Die Flachsfasern bestehen aus Faserbündelchen. Sie haften durch eine leimartige
Substanz besonders fest aneinander und an dem sie umgebenden Gewebe. Um nun
eine Abscheidung der holzigen Teile vom Bast zu ermöglichen, wird der Flachs auf
einer Wiese zum Taurösten ganz dünn ausgelegt. Durch den nächtlichen Tau mit
nachfolgendem Abtrocknen am Tag wird der Stängel brüchig. Dadurch löst sich der
Bast später besser heraus. Im Spätherbst, wenn die Feldarbeit beendet ist, wird der
Flachs gedörrt. Das geschieht in der Brächkaul, einem massiven Mauerwerk von
etwa zwei Metern im Quadrat. In der Vorderwand gibt es eine Öffnung für die
Feuerstelle. Abgedeckt ist die Brächkaul mit starken Knüppeln, auf denen das
Flachs zum Dörren gelegt wird.

Beim Brechen wird eine Handvoll Flachs auf die Holzbank gelegt und das Oberteil
auf und ab bewegt, dadurch wird der Flachs zwischen die Stege gedrückt, wobei
die holzigen Bestandteile des Stängels zerbrochen und größtenteils abgelöst
werden.

Die Anschlussbehandlung bildet das Schwingen mit Schwinge und Schwingstock.
Beim Schwingen wird der Flachs über den Schwingstock gelegt und mit der
Schwinge geklopft und geschlagen. Dabei trennen sich die gelockerten Holzteile
endgültig von den Fasern.

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Das Hecheln

                            Die Hechel ist ein kammartiges Werkzeug mit
                            Nagelspitzen und dient zum Kämmen von Flachs. Man
                            unterscheidet anhand der Dichteordnung der Nägel
                            Grob- und Feinhechel. Je feiner der Flachs gehechelt
                            wird, desto wertvoller ist das daraus gesponnene Garn
                            und der Leinenschatz.
                            Mit viel Geschick und Ausdauer kämmten die Frauen
                            die letzten noch verbliebenen „Schäbenreste“
                            (Holzreste) aus dem Gespinst. Gleichzeitig erfolgte die
                            Trennung der Fasern nach ihrer Qualität.

Das Spinnen
                            Die Spinnstube war während der Wintermonate der
                            Mittelpunkt des geselligen Lebens der erwachsenen
                            Dorfjugend. […]

                            Beim Spinnen kommt es zunächst auf ein
                            zweckmäßiges Spinnrad an. Das Spinnen mit dem
                            Spinnrad unterschied sich von dem Spinnen mit der
                            Handspindel im Wesentlichen dadurch, dass die
                            Bildung des Fadens und die Aufwicklung desselben
                            gleichzeitig vor sich gehen.

Spinnen mit dem Spinnrad

Das Spinnrad ist ein technisches Hilfsmittel zum Verspinnen von Fasern zur
späteren weiteren Verarbeitung (z. B. Weben, Stricken). Beim Verspinnen werden
lose Fasern durch gleichzeitiges Verdrehen und Auseinanderziehen zu einem Faden
verarbeitet.
Die spinnende Person setzt das Schwungrad über den Fußantrieb in Bewegung. Die
Umdrehung des Rades überträgt sich auf den Spinnflügel. Der Unterschied im
Innen-Umfang von Schwungrad und Wirtel bedingt die sogenannte Übersetzung.
Eine Übersetzung z.B. von 1:5 bedeutet, dass ein Tritt eine volle Drehung des
Schwungrades und gleichzeitig 5 Umdrehungen des Spinnflügels hervorruft. Die
Aufgabe des Spinnflügels ist es, die Fasern miteinander zu verdrehen und
gleichzeitig auf die Spule aufzuwickeln. Die Fertigkeit der spinnenden Person
besteht dabei darin, soviel Fasern aus dem Faservorrat freizugeben, wie für die
Dicke des gewünschten Fadens erforderlich ist und soviel Drall in den Faden zu
leiten, wie für den gewünschten Drehungsgrad (Festigkeit) erforderlich ist. Dafür
müssen gleichzeitig drei Geschwindigkeiten aufeinander abgestimmt werden,
nämlich wie schnell man tritt, auszieht und in den Spinnflügel einlaufen lässt. Das

                                                                                 20
Schwungrad wird mit der rechten Hand gedreht. Die linke Hand zieht gleichzeitig
den Faservorrat in einem Winkel von 45° zur Spindelausrichtung zurück. Die
spinnende Person kann einen so langen Faden spinnen, wie ihr Arm nach hinten
reicht. Dabei muss die Geschwindigkeit, mit der der Drall in die Fasern einläuft,
mit der Geschwindigkeit abgestimmt werden, mit der die Hand zurückgezogen
wird. Der entstandene Faden muss anschließend manuell auf die Spindel
aufgewickelt werden.

Information zusammengestellt aus folgenden Texten

Fasse, Marianne: Rund um Flachs und Leinen. Sprichwörter und Redensarten, Volksglaube und
Brauchtum, Gedichte, Lieder und Märchen aus der Spinnstube, Aschendorff Verlag: Münster 2003.
Grillenfeld, Josef: Aus Flachs wird Leinen. Der lange Weg einer alten Pflanze,
http://www.jahrbuch-vulkaneifel.de/VT/hjb1994/hjb1994.94.htm, 13.06.2011.
Wikipedia „Spinnen“ und „Spinnrad“

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Wenn übermotivierte Eltern ihren Kindern schaden
Artikel vom 19.09.2009 „Die Welt“

Zwischen Geigenstunde, Frühenglisch und Schulaufgaben: Aus Sorge um die
Zukunftschancen ihrer Kinder setzen immer mehr Eltern den Nachwuchs
einem ungeheuren Leistungsdruck aus. Davon profitiert eine ganze
Förderindustrie. Doch die Kleinen leiden. Experten halten das für eine
bedenkliche Fehlentwicklung.
Wenn Konstantin von den vergangenen Sommerferien an der Nordsee erzählt,
geht ein Strahlen über sein Gesicht. „Das Schönste war, dass wir immer ohne
die Eltern rausgehen konnten“, sagt der Siebenjährige. Mit dem Bollerwagen
war der Berliner Junge mit seinen Geschwistern auf Juist unterwegs, spielte
mit anderen Kindern mal Pferdekutsche, mal Detektiv, kletterte auf Bäume
oder picknickte.

Leistungsdruck für Kinder
Dass Kinder allein durch die Straßen ziehen, unbeaufsichtigt von
Erwachsenen und ohne professionelle Animation, war in früheren
Generationen normal – und signalisierte keineswegs Vernachlässigung. Heute
sieht der Alltag der Kleinen ganz anders aus. Der Terminkalender der
wohlbehüteten Sprösslinge ist voll. Zwischen Musikunterricht, Sportverein,
Frühenglisch und Nachhilfestunden bleibt wenig Zeit für Spontaneität. Und
unbeaufsichtigt sind sie ohnehin nie, denn überall ist das Mama-Taxi dabei.
Weil Eltern für ihre Kinder die besten Startbedingungen schaffen wollen,
stehen Familien heute unter einem nie dagewesenen Leistungsdruck. Schon
Babys im Alter von wenigen Monaten geraten in die Mühle der
Förderpädagogik. Babyschwimmen, Mozart-Beschallung, Pekip-Krabbelgruppe
und die Suche nach der idealen Kita: Vor Stress wissen viele Mütter – seltener
sind es die Väter – oft nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht. Und immer
stellen sie sich die bange Frage: „Entwickelt sich mein Kind auch gut genug?“
Experten sehen in dem Versuch zur Optimierung der Kinder eine bedenkliche
Fehlentwicklung. Von einer „Überkontrolle“ durch Eltern und andere
Betreuungspersonen spricht der Kinderpsychologe und Buchautor Wolfgang
Bergmann. „Die so geförderten Kinder werden in einen enormen
Leistungsdruck gezwungen“, warnt er. Dies diene keineswegs der Entfaltung
der Persönlichkeiten, vielmehr drohe eine Verarmung ihrer Fähigkeiten – und
im schlimmsten Fall könnten gar seelische und gesundheitliche Schäden die
Folge sein. (...)

Und raus bist du
Reportage vom 19.04.2010, „Focus“

Zwischen Leistungsdruck und Versagensangst: Wenn jetzt die
Übertrittszeugnisse verteilt werden, sind Viertklässler am Ende der Kräfte.
Ihre Eltern auch. Einblicke in den deutschen Schulwahnsinn.

                                                                              22
Jonathans (Namen aller Kinder geändert) Kindheit endete womöglich am 15.
September 2009. Er war neun Jahre alt, und es war sein erster Tag als
Viertklässler der Münchner Grundschule an der Ostpreußenstraße.

Sieben Monate später beugt sich Jonathan am Küchentisch der Familie K.
über sein Mathe-Heft. Die feinen dunkelblonden Haare verbergen sein blasses
Gesicht, Finger mit abgekauten Nägeln krampfen sich um den Füller. Seine
Mutter Andrea mischt in der Küchenecke rasch einen Spätzleteig zusammen.
Bei einem Haushalt mit fünf Kindern muss jede Bewegung effektiv sein. „Ein
Elefantenjunges wiegt mit drei Jahren so viel wie 17 Pfleger“, murmelt
Jonathan so lange vor sich hin, bis seine Mutter doch an den Tisch kommt
„Ach, Jona, das stimmt doch so nicht!“, sagt Andrea K. mit dieser Spur
Genervtheit in der Stimme, über die sie sich später wieder ärgern wird, und
korrigiert die Rechnung. Linus, dritte Klasse, erledigt zügig seine Aufgaben.
„Ich bin nicht so gut wie mein Bruder“, sagt Jonathan leise. „Ich komme nur
auf die Realschule.“ Er zögert, blickt auf sein Heft. „Wenn ich es überhaupt
schaffe.“

Es schaffen. Kürzer kann man das Ziel am Ende der Grundschulzeit nicht
ausdrücken. Am ersten Tag nach den Sommerferien beginnt für viele
Viertklässler ein Marathon bis zum Wechsel auf eine weiterführende Schule.
Wenn Jonathan sein Übertrittszeugnis erhält, wird er allein in den drei
relevanten Fächern Mathematik, Deutsch sowie Heimat- und Sachunterricht
(HSU) 26 Proben geschrieben haben. Nur vier Schulwochen werden offiziell
frei von Klassenarbeiten gewesen sein. Tests in Religion und Musik sowie
mündliche Prüfungen sind in diesen vom Kultusministerium verordneten
Erholungsphasen trotzdem erlaubt. (...)

                                                                          23
Kärtchen für das Sortierspiel
Kärtchen bitte ausschneiden:

         Mistkübel ausleeren           Fangen spielen

  auf kleine Geschwister aufpassen
                                       Haustier füttern

             fernsehen                  ein Bild malen

               turnen                am Computer spielen

            Schwimmen                Zimmer aufräumen

          ein Lied erfinden              lesen üben

             abwaschen                   Musik hören

                                                           24
Zum
Weitermalen

Illustration: Kerstin Rajnar_frau mag rosa pink © 2011
katinka theater_projekte

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Illustration: Kerstin Rajnar_frau mag rosa pink © 2011
katinka theater_projekte

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Illustration: Kerstin Rajnar_frau mag rosa pink © 2011
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