Klimaschutz auf Kurs bringen - Wie eine CO2-Bepreisung sozial ausgewogen wirkt - Agora Verkehrswende
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Impressum Klimaschutz auf Kurs bringen Wie eine CO2-Bepreisung sozial ausgewogen wirkt ERSTELLT VON AUTOREN Agora Verkehrswende Dr. Carl-Friedrich Elmer (Agora Verkehrswende) www.agora-verkehrswende.de Thorsten Lenck (Agora Energiewende) info@agora-verkehrswende.de Benjamin Fischer (Freie Universität Berlin) Agora Energiewende Ruth Blanck, Dr. Katja Schumacher (Öko-Institut) www.agora-energiewende.de info@agora-energiewende.de Anna-Louisa-Karsch-Str. 2 | 10178 Berlin DANKSAGUNG T +49 (0)30 700 14 35-000 F +49 (0)30 700 14 35-129 Wir danken Kerstin Meyer (Agora Verkehrswende), Matthias Deutsch, Mara Marthe Kleiner und Alexandra Öko-Institut e. V. Langenheld (Agora Energiewende), Prof. Dr. Viktor Büro Berlin | Schicklerstrasse 5–7 | 10179 Berlin Steiner (FU Berlin) sowie Dr. Wiebke Zimmer, Dr. Veit www.oeko.de Bürger, Johanna Cludius und Konstantin Kreye (Öko- Institut) für ihre Mitarbeit. Wir bedanken uns ebenso Freie Universität Berlin bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Projekt- Professur für Empirische Wirtschaftsforschung und Begleitkreises für ihre fachliche Expertise und hilfrei- Wirtschaftspolitik chen Kommentare. Boltzmannstr. 20 | 14195 Berlin PROJEKTLEITUNG Dr. Carl-Friedrich Elmer Projektleiter Verkehrsökonomie carl-friedrich.elmer@agora-verkehrswende.de Unter diesem QR-Code steht diese Publikation als PDF zum Download Thorsten Lenck zur Verfügung. Projektleiter Marktdesign und Erneuerbare Energienr thorsten.lenck@agora-energiewende.de Titelbild: stock.adobe.de/Mario Hagen Version: 1.2 Bitte zitieren als: Veröffentlichung: August 2019 Agora Verkehrswende und Agora Energiewende (2019): 25-2019-DE Klimaschutz auf Kurs bringen: Wie eine CO2-Bepreisung 160/02-S-2019/DE sozial ausgewogen wirkt.
Zentrale Ergebnisse Ein CO2-Preis ist das Fundament einer wirksamen und kosteneffizienten Klimapolitik. limaverträgliche Alternativen werden durch einen CO2-Preis attraktiver und klima K schädigender Energieverbrauch teurer. Bisher existiert ein Preis für den Ausstoß klimaschä- digender Gase nur für die vom Europäischen Emissionshandelssystem erfassten Treibhaus- gas-Quellen aus der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie, nicht jedoch für die erheblichen CO2-Mengen aus dem Verkehrs- und Wärmesektor. Ein CO2-Preis auch in diesen Sektoren schafft wirtschaftliche Anreize zur Emissionsminderung durch Investitio- nen in klimaschonende Technologien und Verhaltensanpassungen. Bei Rückverteilung der Einnahmen aus dem CO2-Preis lassen sich sozial unausgewogene Verteilungswirkungen weitestgehend vermeiden. Ein CO2-Preis führt bei den privaten Haushalten zunächst zu Mehrausgaben für Mobilität und Wärme. Bei einem Preis von 50 Euro je Tonne CO2 wird beispielsweise Benzin um circa 14 Cent je Liter teurer, Heizöl um knapp 16 Cent je Liter und Erdgas um etwa 1,2 Cent je Kilowattstunde. Die Rückverteilung erfolgt mittels einer „Klimaprämie“ von 100 Euro pro Kopf und Jahr sowie einer Strom- steuersenkung von rund 2 Cent je Kilowattstunde. Haushalte mit niedrigem Energiever- brauch werden durch eine solche Reform unter dem Strich entlastet, während Haushalte mit hohem Energieverbrauch und Treibhausgasausstoß höhere Kosten zu tragen haben. Untere und mittlere Einkommensgruppen erhalten im Durchschnitt mehr Geld zurück als sie für ihren – vergleichsweise geringen – CO2-Ausstoß zahlen. Durch eine gleichzeitige Umwandlung der Entfernungspauschale in ein Mobilitätsgeld werden auch Pendelnde mit niedrigem und mittlerem Einkommen mehrheitlich entlastet. Für Haushalte im ländlichen Raum treten keine nennenswerten systematischen Zusatz- belastungen durch die CO2-Bepreisung auf. Durch die an jeden ausgezahlte Klimaprämie profitieren insbesondere größere Haushalte und damit Familien. Auch die meisten Mieter- haushalte zählen zu den Gewinnern. Ein Ausgleichsfonds für stark betroffene Haushalte ergänzt das Reformmodell. Trotz Rückverteilung der Einnahmen verbleiben auch in den unteren und mittleren Einkom- mensgruppen noch Haushalte, denen signifikante Zusatzkosten entstehen. Hierfür wird ein aus den CO2-Einnahmen gespeister Ausgleichsfonds in Höhe von etwa 300 Millionen Euro aufgesetzt, durch den diese Belastungen effektiv begrenzt werden können. Prioritärer Ansatzpunkt zur Unterstützung betroffener Haushalte sollten allerdings ziel- 5 gerichtete Programme sein, durch die klimaschonendes Verhalten und eine dauerhafte Minderung des Energieverbrauchs ermöglicht und gefördert werden. Dazu zählen bei- spielsweise Anreizprogramme für klimaeffizientes Heizen und Bauen, Informations- und Beratungsprogramme oder Investitionen in den öffentlichen Verkehr. Hierdurch werden Treibhausgas-Ausstoß und finanzielle Belastung der privaten Haushalte gleichermaßen reduziert. Ein CO2-Preis ist somit nur ein – unverzichtbarer – Baustein einer effektiven und sozial ausgewogenen Klimaschutzstrategie. 3
Inhalt 01 | Z usammenfassung 5 02 | D er Klimawandel erfordert schnelles und energisches Handeln 6 er CO2-Preis bildet das neue 03 | D Fundament der Klimapolitik 7 04 | R ichtig ausgestaltet ist der CO2-Preis sozialverträglich 9 05 | E ntlastung schaffen durch Förderung klimaschonenden Verhaltens 19 irkung eines CO2-Preises auf 06 | W ausgewählte Beispielhaushalte 21 07 | A nhang I Ergänzende Auswertungstabellen 25 08 | A nhang II Methodik 29 4
01 | Zusammenfassung Ein CO2-Preis auch in den Sektoren Verkehr und Wärme verteilt. Einerseits gibt es auch in den einkommens- ist unverzichtbarer Bestandteil einer erfolgreichen starken Gruppen Begünstigte, nämlich jene mit gerin- Klimaschutzpolitik. Er verteuert CO2-intensive Konsum gem Ressourcenverbrauch; andererseits können auch muster und begünstigt jene Konsumenten, die sich einkommensschwache Haushalte aufgrund ihrer spezifi- vergleichsweise klimafreundlich verhalten. Um Wirkung schen Lebensumstände und eines hohen Energiever- zu entfalten, sollte der Einstiegspreis nicht unter 50 Euro brauchs eine merkliche Belastung erfahren. Deswegen je Tonne CO2 liegen. Die CO2-orientierte Erhöhung der sollte die Einführung eines CO2-Preises von Maßnahmen bereits existierenden Energiesteuern auf Benzin, Diesel, begleitet werden, die hier zielgenau Abhilfe schaffen. Heizöl und Erdgas ist schnell und bürokratiearm umsetz- bar, da sie auf das bestehende Steuersystem zurück- Dabei sollten Maßnahmen Priorität haben, die ein- greift. Durch Änderung der Steuersätze im bestehenden kommensschwache Haushalte gezielt und dauerhaft Energiesteuergesetz mit Beschluss noch in diesem Jahr vor steigenden Energie- und CO2-Preisen schützen, kann der CO2-Preis bereits im nächsten Jahr Wirkung insbesondere durch Programme zur Senkung des Ener- entfalten. Mittelfristig kann dann geprüft werden, die gieverbrauchs. Erweist sich dies als kurzfristig nicht Steuervariante der CO2-Bepreisung durch einen momen- umsetzbar oder nicht ausreichend, können Kompensa- tan als Alternativsystem diskutierten Emissionshandel, tionszahlungen aus dem einzurichtenden Ausgleichs- der einer deutlich längeren Umsetzungszeit bedarf, fonds an betroffene Haushalte sozial unausgewogene abzulösen. Wirkungen verhindern. Pauschalisierende Kompensa- tionsmechanismen wie beispielsweise eine generelle Die CO2-Bepreisung lässt sich sozial ausgewogen umset- Anhebung der Entfernungspauschale oder eine regionale zen. Dazu werden die bei den privaten Haushalten erziel- Differenzierung der Klimaprämie sind weniger treff ten Steuermehreinnahmen von etwa 11,3 Milliarden Euro sicher hinsichtlich der Abfederung tatsächlicher sozialer (inklusive Mehrwertsteuer) durch separate Regelungen Unwuchten und könnten überdies die Lenkungswirkung vollständig an diese zurückverteilt. Im Saldo fließen dem des CO2-Preises unterminieren. Staat keine zusätzlichen Mittel aus den privaten Haus- halten zu. Die Rückverteilung erfolgt über eine Kombi- nation aus einer einheitlichen Pro-Kopf-Auszahlung Zu diesem Papier („Klimaprämie“) und einer Stromsteuersenkung, ergänzt um einen Ausgleichsfonds für stark betroffene Haus- Das vorliegende Kurzpapier entstand im Rahmen eines halte. Hierdurch können soziale Schieflagen vermieden Projekts von Agora Verkehrswende und Agora Energie- werden. wende mit dem Öko-Institut und der Freien Universität Berlin. Es analysiert die kurzfristigen Verteilungswir- Bezieher niedriger und mittlerer Einkommen sowie kungen einer CO2-Bepreisung auf die privaten Haushalte Haushalte mit Kindern gehören im Durchschnitt zu den und macht Vorschläge zur sozialverträglichen Ausge- Begünstigten einer solchen CO2-Bepreisung, während staltung. Ein gesondertes Augenmerk liegt dabei auf einkommensstarke und Ein-Personen-Haushalte durch- solchen Gruppen, die in der öffentlichen Wahrnehmung schnittlich eine sehr moderate Zusatzbelastung erfahren. oft als besonders betroffen gelten (wie z. B. Pendelnde Pendlerhaushalte und Haushalte in ländlichen Räumen und Haushalte in ländlichen Gegenden). Im Rahmen werden – entgegen landläufiger Erwartung – nicht in des Projekts erfolgt auch eine Analyse des Beitrags der substanziellem Maße belastet. Wird die gegenwärtige CO2-Bepreisung zur Erreichung der Emissionsziele im Entfernungspauschale aufkommensneutral zu einem Verkehrssektor und zu seiner Einbettung in das klimapo- einkommensunabhängigen Mobilitätsgeld weiterentwi- litische Instrumentenportfolio, die zu einem späteren ckelt, dann gehören Pendelnde in unteren und mittleren Zeitpunkt veröffentlicht wird. Einkommensgruppen sogar zu den Gewinnern. Allerdings sind die effektiven Be- und Entlastungswir- kungen innerhalb der verschiedenen Gruppen heterogen 5
02 | D er Klimawandel erfordert schnelles und energisches Handeln Die Begrenzung der durch menschliche Aktivitäten ver- 55 Prozent sinken. Hierzu wurden im Klimaschutzplan ursachten Erderwärmung gehört zu den größten politi- 2050 sektorale Emissionsziele gesetzt: Der Verkehrssek- schen Herausforderungen. Mit dem Pariser Klimaabkom- tor soll seine Emissionen bis 2030 auf 95 bis 98 Mio. Ton- men wurde auf internationaler Ebene beschlossen, die nen CO2-Äquivalente begrenzen, der Gebäudebereich auf globale Erwärmung auf deutlich unter 2°C, möglichst auf 70 bis 72 Mio. Tonnen (Abb. 1 und 2). Im Vergleich zu 2018 1,5°C, zu begrenzen. Für Deutschland strebt die Bundes- haben beide Sektoren ihre Emissionen damit um etwa 40 regierung weitgehende Treibhausgasneutralität bis Mitte Prozent zu vermindern. Diese Ziele, das zeigen verschie- des Jahrhunderts an. Bis zum Jahr 2030 sollen die Treib- dene Projektionen, werden mit den bereits umgesetzten hausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um mindestens bzw. geplanten Maßnahmen weit verfehlt. Treibhausgasemissionen des Gebäudesektors 2005 bis 2018 sowie Zielpfad 2021 bis 2030 Abbildung 1 200 Sektorziel 2030 Gebäude: 162 -41 % ggü. 2018 154 149 151 -4 Mio. t CO2e p. a. 140 139 150 132 130 128 126 126 125 122 120 119 119 117 112 [Mio. t CO2e] 107 102 97 92 100 87 70–72 82 77 Herausforderung: 50 Trend 2005–2018: Steigerung um 52 % ggü. Minderung von 3 Mio. t CO2e p. a. Trend der letzten Jahre 0 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2018* 2020 2022 2024 2026 2028 2030 Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors 2005 bis 2018 sowie Zielpfad 2021 bis 2030 Abbildung 2 200 Sektorziel 2030 Verkehr: -41 % ggü. 2018 168 165 163 162 160 161 -5 Mio. t CO2e p. a. 161 159 158 156 155 155 154 153 153 153 152 149 142 150 136 130 123 117 95–98 111 104 [Mio. t CO2e] 100 Herausforderung: Trend 2005–2018: die Stagnation in eine Minderung Stagnation der Emissionen von über 3 % p. a. verwandeln 50 0 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2018* 2020 2022 2024 2026 2028 2030 Personenverkehr Güterverkehr UBA 2019, KBA 2019, sowie eigene Berechnungen; *vorläufig 6
03 | Der CO2-Preis bildet das neue Fundament der Klimapolitik Um die drohende klimapolitische Zielverfehlung und Agora Verkehrswende haben sich daher in ihrem abzuwenden, muss der bestehende Instrumentenmix Impulspapier „15 Eckpunkte für das Klimaschutzgesetz“ erweitert werden. Dazu gehört auch die CO2-Beprei- dafür ausgesprochen, kurzfristig einen CO2-Aufschlag sung im Verkehrs- und Wärmesektor. Der CO2-Preis auf die Energiesteuer einzuführen. Des Weiteren soll erhöht die relative Wirtschaftlichkeit klimaschonender geprüft werden, mittelfristig einen nationalen, sektoralen Technologien und Verhaltensweisen. Damit hat er eine Emissionshandel aufzusetzen, der die Steuervariante Anreizwirkung auf alle relevanten Hebel zur Emissions- ablösen könnte. minderung: technische Innovationen, Investitionen in energieeffiziente Gebrauchsgüter, Energieträgerwechsel und Anpassung von Nutzungsroutinen. Einstiegspreis in 2020 von 50 Euro je Tonne CO2 Eine CO2-orientierte Energiesteuer Als CO2-Preis für das Jahr 2020 wird ein Wert von anpassung ist einfacher und schneller 50 Euro je Tonne CO2 vorgeschlagen; er gilt sowohl für den Gebäude- als auch den Verkehrssektor. Darüber hin- realisierbar als ein Emissionshandels- aus erfolgt im Jahr 2020 der Einstieg in die schrittweise system Angleichung des Dieselsteuersatzes an den Steuersatz auf Benzin über sechs Jahre (mit einem ersten Schritt von Grundsätzlich lässt sich eine CO2-Bepreisung mit Men- +3,1 Ct/Liter); diese Angleichung geht mit einer schritt- gen- oder Preisinstrumenten umsetzen. Bei Emissions- weisen Absenkung der Kraftfahrzeug-Steuer für Diesel- handelssystemen wird die Menge erlaubter CO2-Emis- fahrzeuge auf das Niveau von Benzinern einher. sionen politisch festgelegt; der Preis je ausgestoßener Hierdurch steigen die Energie-Steuersätze um folgende Tonne CO2 bildet sich dann im Markt. Bei einer Steuer Werte: wird der Preis je Tonne CO2 politisch festgelegt, während die dadurch erreichte CO2-Reduktion von den Marktre- Verkehr aktionen bestimmt wird. Beide Ansätze zählen gleicher- Benzin (Super): 11,8 Cent je Liter maßen zu den marktwirtschaftlichen Instrumenten. Diesel: 16,3 Cent je Liter Für eine Mengensteuerung müsste für die Bereiche Wärme und Verkehr ein neues Emissionshandelssystem Wärme aufgesetzt werden, wodurch sich der notwendige zeit- Heizöl: 13,2 Cent je Liter liche Vorlauf und der bürokratische Aufwand deutlich Erdgas: 1,0 Cent je Kilowattstunde erhöht. Setzt man den CO2-Preis hingegen als Kompo- nente im bestehenden Energiesteuerrecht um, müssen Bei einem CO2-Preis von 50 Euro pro Tonne ist bei nur die Energiesteuersätze auf Benzin, Diesel, Heizöl und gleichbleibendem Energieverbrauch mit einem zusätz- Erdgas erhöht werden; der Abwicklungsaufwand ändert lichen Steueraufkommen allein im Bereich der privaten sich dadurch nicht. Bei Rückgriff auf das bestehende Haushalte von 9,5 Milliarden Euro (exklusive Mehr- Energiesteuersystem ist die Einführung des CO2-Prei- wertsteuer) zu rechnen. Die Gesamteinnahmen aus ses daher deutlich schneller realisierbar als mittels der CO2-Bepreisung der Sektoren Verkehr und Wärme, eines Emissionshandelssystems.1 Agora Energiewende inklusive gewerblicher Verbraucher, lägen bei etwa 15,5 Milliarden Euro. 1 Vgl. hierzu auch: Matthes, F. C. (2019). Ein Emissionshan- delssystem für die nicht vom EU ETS erfassten Bereiche: Praktische Umsetzungsthemen und zeitliche Erfordernisse. Rückverteilung der Einnahmen Studie im Auftrag von Agora Energiewende. Berlin, August 2019. Sowie: Klinski, S., Keimeyer, F. (2019). Zur verfas- Das bei den privaten Haushalten eingenommene zusätz- sungsrechtlichen Zulässigkeit eines CO2-Zuschlags zur liche Aufkommen aus dem CO2-Preis sollte an die Bürger Energiesteuer. Rechtswissenschaftliches Gutachten. Berlin, zurückverteilt werden – um sozial unausgewogene Ver- August 2019. teilungswirkungen zu vermeiden und die breite gesell- 7
| 03 | Der CO2-Preis bildet das neue Fundament der Klimapolitik schaftliche Akzeptanz der CO2-Bepreisung zu erhöhen. sind, während bei Haushalten mit hohem Einkommen Haushalte mit geringem Einkommen verbrauchen eine höhere Kostentragfähigkeit angenommen wird. durchschnittlich zwar absolut gesehen weniger Energie als Haushalte mit hohem Einkommen und haben dadurch einen niedrigeren CO2-Ausstoß, prozentual geben sie Weiterentwicklung der Pendler aber einen überdurchschnittlich großen Anteil ihres pauschale zu einem Mobilitätsgeld Einkommens für Energie aus. Ohne einen ausgewogen gestalteten Rückverteilungsmechanismus würden sie Um Pendelnde mit geringem und mittlerem Einkommen daher überproportional belastet. zu entlasten, werden die genannten Rückverteilungs- mechanismen um eine aufkommensneutrale Reform der Klimaprämie Entfernungspauschale ergänzt: Sie wird zu einem soge- Werden die Einnahmen gleichmäßig an die Bürger nannten Mobilitätsgeld weiterentwickelt. Die derzeitige zurückverteilt, dann profitieren von der CO2-Beprei- Entfernungspauschale von 30 Cent je Entfernungskilo- sung besonders diejenigen, die wenig CO2 ausstoßen – meter reduziert das zu versteuernde Einkommen. Dem- also gerade auch einkommensschwächere Haus- entsprechend profitieren einkommensstarke Haushalte halte. Wesentliche Komponente des vorgeschlagenen mit hohem (Grenz-)Steuersatz – auch bei identischen Rückverteilungsmodells ist daher eine einheitliche Pendelkosten – stärker von der bisherigen Entfernungs- Pro-Kopf-Auszahlung, eine sogenannte Klimaprämie pauschale als Haushalte mit niedrigem Einkommen, bei in Höhe von 100 Euro, die jeder Bewohnerin und jedem denen die Entlastung durch die Entfernungspauschale Bewohner Deutschlands zufließt. relativ niedrig ausfällt. Mit Einführung eines Mobilitäts- gelds wird allen Pendelnden die gleiche Summe je Entfer- Stromsteuersenkung nungskilometer von der Steuerschuld abgezogen, so dass Ergänzt wird die Klimaprämie von eine Senkung der die Entlastung unabhängig vom individuellen Steuersatz Stromsteuer von derzeit 2,05 Cent auf den europarecht- ist. Das Mobilitätsgeld wird mit 10 Cent je Entfernungs- lichen Mindeststeuersatz von 0,1 Cent je Kilowattstunde. kilometer so gewählt, dass die steuerliche Gesamtent- Während von der Klimaprämie größere Haushalte stärker lastung der Pendelnden weitestgehend konstant bleibt; profitieren, entlastet die Stromsteuersenkung insbe- es müssen deshalb keine Einnahmen aus dem CO2-Preis sondere kleinere Haushalte, so dass sich beide Rücker- zugeführt werden. Um Steuerausfälle zu vermeiden, wird verteilungsmechanismen gut ergänzen. Ein verringerter zugleich der Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1.000 auf Strompreis fördert außerdem Technologien zur Sek- 500 Euro abgesenkt und – zur Begrenzung des adminis- torenkopplung, die für die Energiewende zunehmend trativen Aufwands – ein Mobilitätsgeldpauschbetrag von wichtiger werden, z.B. Wärmepumpen und Elektroautos. 150 Euro eingeführt. Eine Senkung des Strompreises könnte grundsätzlich zu Rebound-Effekten beim Verbrauch führen, weswegen die Reduzierung des Stromsteuersatzes von Effizi- enz-Maßnahmen begleitet werden sollte. Ausgleichsfonds Zudem wird ein Ausgleichsfonds in Höhe von 300 Mil- lionen Euro eingerichtet. Aus diesem werden Kompen- sationszahlungen für besonders betroffene Haushalte finanziert. Zentrale Anspruchskriterien sollten die durch den CO2-Preis entstehende Belastung relativ zum ver- fügbaren Einkommen und die wirtschaftliche Leistungs- fähigkeit sein. Für die vorliegenden Berechnungen wurde angenommen, dass Haushalte mit niedrigem und mittle- rem Einkommen bei einer Belastung von mehr als einem Prozent ihres Netto-Einkommens anspruchsberechtigt 8
04 | Richtig ausgestaltet ist der CO2-Preis sozialverträglich Der CO2-Preis soll den CO2-Ausstoß vermindern, indem Pendelnden (mit geringen bis niedrigen Einkommen) und die Haushalte ihren Verbrauch fossiler Energieträger Haushalten in ländlichen Gegenden statt. und damit ihre Kosten durch klimaschonendes Verhalten reduzieren. Diese Wirkung entfaltet sich bereits kurz- fristig, aber vorwiegend in mittlerer und längerer Frist, Niedrige und mittlere Einkommen wenn eine größere Zahl von Anpassungsoptionen zur werden entlastet Verfügung steht. Zur Abschätzung der kurzfristigen Ein- nahme- und Verteilungswirkungen ist es daher üblich, Sortiert man die Bevölkerung nach ihrem bedarfsge- die derzeitigen Verbrauchswerte ohne Verhaltensände- wichteten Nettoeinkommen2 und teilt sie in zehn gleich rung zugrunde zu legen. Dieser Annahme eines unverän- große Gruppen, erhält man zehn sogenannte Einkom- derten Energieverbrauchs folgen auch die nachfolgenden mensdezile. Die unteren Dezile umfassen jene Haushalte Darstellungen der kurzfristigen Reformwirkungen. mit den geringsten Einkommen, die oberen Dezile die einkommensstärksten Haushalte. Bei einem CO2-Preis Die Auswertung der Verteilungswirkungen zeigt, von 50 Euro je Tonne in Verbindung mit dem aufgezeig- dass ein mit Bedacht ausgestaltetes Reformmodell aus ten Rückverteilungsmodell zeigt sich (Abb. 3): Lediglich CO2-Bepreisung und Einnahmenrückverteilung sozial bei den drei einkommensstärksten Dezilen reduziert sich ausgewogen sein kann. So erfahren untere und mittlere das verfügbare Einkommen im Durchschnitt durch die Einkommensgruppen im Durchschnitt eine finanzi- Reform leicht, während die sieben Dezile darunter im elle Netto-Entlastung, während moderate Belastungen Durchschnitt entlastet werden. (typischerweise weniger als 0,5 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens) vor allem bei einkommensstar- ken Haushalten mit vergleichsweise höherem CO2-Aus- 2 Gemeint ist hier das Nettoäquivalenzeinkommen nach der stoß anfallen. Überdies findet keine Benachteiligung von international üblichen Bedarfsskala („neue OECD-Skala“). Mittlere prozentuale Änderung des verfügbaren Einkommens durch die Reform Abbildung 3 2 Änderung des Einkommens [%] 1 + 0,52 + 0,34 0,33 0,25 0,22 0,14 0,06 -0,05 0 -0,21 -0,31 -0,50 -1 -0,66 -0,79 -0,74 -0,91 -0,88 -0,93 -0,89 -0,86 -0,95 -2 1. Dezil 2. Dezil 3. Dezil 4. Dezil 5. Dezil 6. Dezil 7. Dezil 8. Dezil 9 Dezil 10. Dezil ohne Rückverteilung mit Rückverteilung Eigene Auswertung basierend auf Mikrosimulationsanalysen mit dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), v33. 9
| 04 | Richtig ausgestaltet ist der CO2-Preis sozialverträglich Ursächlich für diese progressive Wirkung des CO2-Prei- Bei Haushalten mit eher geringen Einkommen, die – wie ses mit Einnahmenrückverteilung ist die Tatsache, dass aufgezeigt – vergleichsweise wenig Kraftstoffe und Hei- der CO2-Austoß (pro Kopf) mit dem Einkommen ansteigt zenergie verbrauchen, übersteigt die Rückzahlung somit (Abb. 4). Der höhere CO2-Ausstoß pro Person in einkom- mehrheitlich die unmittelbaren Mehrkosten durch den mensstarken Haushalten ist vor allem auf einen höheren CO2-Preis. Überdies profitieren Haushalte mit niedrigem Verbrauch von Benzin und Diesel zurückzuführen. Die und mittlerem Einkommen von der Umwandlung der 10 Prozent der reichsten Haushalte haben im Mittel Entfernungspauschale zu einem Mobilitätsgeld. einen mehr als viermal so hohen CO2-Ausstoß durch den Verbrauch von Benzin und Diesel wie die 10 Prozent der Grundsätzlich gilt zwar, dass es innerhalb jeder Einkom- Haushalte mit dem niedrigsten Einkommen. Sowohl die mensgruppe erhebliche Schwankungen bei der Vertei- höhere Pkw-Ausstattung als auch längere zurückgelegte lungswirkung gibt, wie Abb. 5 zeigt. In den unteren und Wegstrecken tragen zum hohen Kraftstoffverbrauch mittleren Einkommensgruppen überwiegt aber eindeutig einkommensstarker Haushalte bei. die Zahl der netto-begünstigten Haushalte. Insgesamt profitieren 56 Prozent aller Haushalte von dem analy- Zudem sind die CO2-Emissionen durch den Strom- und sierten Reformmodell aus CO2-Preis und Rückverteilung. Wärmeverbrauch bei den Haushalten in den zwei oberen Bei 9 Prozent der Haushalte führt die Reform zu einem Einkommensdezilen höher als bei den übrigen Haushal- Netto-Plus von mehr als einem Prozent des verfügbaren ten, deren durchschnittlicher CO2-Ausstoß unabhängig Einkommens. vom Einkommen auf sehr ähnlichem Niveau bleibt. Eine wesentliche Ursache für den höheren Wärmeenergie- Zu einer Belastung von mehr als einem Prozent des ver- verbrauch der Haushalte mit hohem Einkommen ist ihre fügbaren Einkommens kommt es bei rund 6 Prozent der größere Pro-Kopf-Wohnfläche. Haushalte; Zusatzkosten in Höhe von mehr als drei Pro- zent treten bei weniger als 0,5 Prozent der Haushalte auf. Mittleres Pro-Kopf-Haushaltsnettoeinkommen und CO2-Emissionen pro Person durch Abbildung 4 Verbrauch von Strom, Wärme und Kraftstoffen 4,5 4,2 CO2-Emissionen pro Person und pro Jahr [t] 4,0 3.549 € 3,7 3,5 3,5 3,3 3,2 1,9 2,9 3,0 3,0 1,6 2,7 2,6 1,5 2,4 1,2 1,3 2.277 € 2,5 0,9 1,0 0,7 0,4 0,6 2,0 1.861 € 1,4 1,4 1,4 1,4 1,4 1.591 € 1,5 1.382 € 1,6 1.221 € 1,5 1.075 € 1,4 1,4 1,4 1,0 917 € 779 € 602 € 0,5 0,6 0,6 0,6 0,6 0,6 0,6 0,6 0,6 0,7 0,7 0,0 1. Dezil 2. Dezil 3. Dezil 4. Dezil 5. Dezil 6. Dezil 7. Dezil 8. Dezil 9. Dezil 10. Dezil Kraftstoffe Wärme Haushaltsstrom mittleres Pro-Kopf-Einkommen je Monat Eigene Auswertung basierend auf Mikrosimulationsanalysen mit dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), v33. 10
Agora Verkehrswende und Agora Energiewende | 04 | Richtig ausgestaltet ist der CO2-Preis sozialverträglich Verteilungswirkungen nach Einkommensstatus Abbildung 5 0,3 2,7 0 Anteile an allen Haushalten [%] 0 0 2,0 1,6 0 0,9 0,7 0 0 0,5 0,2 0 0 0 6,9 0 5,6 5,4 5,6 5,3 4,8 4,7 0 4,2 3,3 0 1,6 2,1 2,8 2,9 3,2 3,1 3,4 3,5 1,0 4,4 5,3 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 6,7 0,5 0,5 0,4 0,1 0,7 0 1. Dezil 2. Dezil 3. Dezil 4. Dezil 5. Dezil 6. Dezil 7. Dezil 8. Dezil 9. Dezil 10. Dezil Veränderung des Haushaltsnettoeinkommens entlastet mit mehr als 3 % entlastet mit 1–3 % entlastet bis 1 % belastet bis 1 % belastet mit mehr als 1 %, ausgleichsfondsberechtigt belastet mit 1–3 % belastet mit mehr als 3 % Eigene Auswertung basierend auf Mikrosimulationsanalysen mit dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), v33. Zahlungen aus dem Ausgleichsfonds sind hierbei relative Entlastung für Alleinerziehende durchschnittlich allerdings noch nicht berücksichtigt; durch den Aus- sogar höher ausfällt (Tab. 1 in Anhang I). Alleinerzie- gleichsfonds lässt sich die Zahl bzw. das Ausmaß negativ hende ebenso wie Familien mit zwei und mehr Kindern betroffener Haushalte stark verringern. Mit der aus dem werden im Mittel mit 0,25 Prozent ihres verfügbaren CO2-Preis gespeisten finanziellen Ausstattung des Fonds Einkommens entlastet. Diese Netto-Entlastung liegt können alle Haushalte mit niedrigem und mittlerem Ein- darin begründet, dass der Energiebedarf in der Regel nur kommen so entlastet werden, dass die Netto-Minderung unterproportional mit der Zahl der Haushaltsmitglieder ihres verfügbaren Einkommens auf ein Prozent begrenzt ansteigt, während gleichzeitig jedem Haushaltsmitglied – wird. Damit reduziert sich der Anteil der Haushalte mit auch den Kindern – die volle Klimaprämie zusteht. einer Belastung von mehr als einem Prozent des verfüg- baren Einkommens auf rund ein Prozent aller Haushalte, Ein-Personen-Haushalte und Paare ohne Kinder, die in die allesamt nicht im niedrigen und mittleren Einkom- der Regel auf einer größeren Fläche pro Kopf leben und menssegment liegen. einen höheren Pro-Kopf-Energieverbrauch aufweisen, werden im Schnitt leicht zusätzlich belastet. Doch auch auf kleine Haushalte kommen nur geringe Zusatzkosten Haushalte mit Kindern profitieren zu, da sie relativ stärker von der Absenkung der Strom- steuer profitieren als große Haushalte. So beschränkt Neben einer systematischen Besserstellung von Haus- sich die Netto-Belastung selbst bei Ein-Personen-Haus- halten mit (unter)durchschnittlichem Einkommen, zählen halten im Durchschnitt auf 0,1 Prozent ihres verfügbaren Haushalte mit Kindern grundsätzlich zu den Begüns- Einkommens. tigten eines CO2-Preises mit dem gewählten Rück- verteilungsmodell (Abb. 6). Dies gilt sowohl für Paare als auch für Alleinerziehende mit Kindern, wobei die 11
| 04 | Richtig ausgestaltet ist der CO2-Preis sozialverträglich Verteilungswirkungen nach Haushaltszusammensetzung Abbildung 6 keine Kinder im Haushalt: 79 % aller Haushalte mindestens ein Kind im Haushalt: 21 % aller Haushalte (von allen Haushalten 38 % belastet, 41 % entlastet) (von allen Haushalten 6 % belastet, 15 % entlastet) Anteile an allen Haushalten [%] 0,3 5,1 0 1,6 0 14,8 16,4 0,7 0 0 0 1,1 8,1 3,2 0 3,2 0 1,6 0,7 0,1 2,5 2,3 0,2 0,1 7,0 9,7 0 2,5 15,1 1,0 0,1 2,4 untere mittlere obere untere mittlere obere Einkommen Einkommen Einkommen Einkommen Einkommen Einkommen Veränderung des Haushaltsnettoeinkommens entlastet mit mehr als 3 % entlastet mit 1–3 % entlastet bis 1 % belastet bis 1 % belastet mit mehr als 1 %, ausgleichsfondsberechtigt belastet mit 1–3 % belastet mit mehr als 3 % Eigene Auswertung basierend auf Mikrosimulationsanalysen mit dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), v33. Auch bei den Pendlern gibt es viele Pendelnde mit eher geringem Einkommen (1.-3. Dezil) und Gewinner mit mittlerem Einkommen (4.-8. Dezil) gehören hingegen mehrheitlich zu den Gewinnern; in beiden Gruppen liegt Pendelnden, die mit dem Pkw zur Arbeit fahren, entste- der Anteil der Netto-Entlasteten bei etwa 60 Prozent (Abb. hen durch den CO2-Preis zunächst erhöhte Kosten für 7). Dieser Effekt ist neben der grundsätzlich progressi- den Arbeitsweg. In der Gesamtwirkung des analysierten ven Wirkung des gewählten Rückverteilungsmodells CO2-Bepreisungsmodells werden Pendler-Haushalte wesentlich auf die Reform der Entfernungspauschale hin dennoch nicht in substanziellem Maße belastet; dies gilt zu einem Mobilitätsgeld zurückzuführen. Ferner zählen gerade für jene mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Haushalte, in denen der Arbeitsweg bei unter 20 km liegt oder in denen gar nicht gependelt wird, im Mittel ebenfalls Insgesamt werden Pendelnde mit einem einfachen zu den Profiteuren eines CO2-Preises mit Rückverteilung. Arbeitsweg (d.h. Fahrdistanz zwischen Wohnort und Arbeitsstätte) von mehr als 20 km nur sehr moderat Würde man – anstelle einer Umstellung zu einem Mobi- zusätzlich belastet: Ihre durchschnittliche Netto-Be- litätsgeld – die Entfernungspauschale erhöhen, ließen lastung nach Rückverteilung entspricht 0,21 Prozent sich die Belastungen gerade für jene Pendelnden mit ihres verfügbaren Einkommens (Tab. 2 in Anhang I). vergleichsweise niedrigem Einkommen nicht adäquat Trotz der im Durchschnitt leichten Zusatzbelastung zählt kompensieren. Eine generelle Erhöhung der Entfernungs- mit 44 Prozent fast die Hälfte dieser Pendelnden zu den pauschale würde außerdem die angestrebte Lenkungs- Netto-Begünstigten des Reformmodells. Bei den negativ wirkung des CO2-Preises konterkarieren, da sie Anreize betroffenen Pendelnden handelt es sich überwiegend um zu längeren Arbeitswegen und stärkerer Zersiedelung Haushalte mit hohem Einkommen. Allgemein finden sich liefert. Sowohl aus ökologischen als auch sozialen Überle- Haushalte mit größeren Pendeldistanzen verstärkt in den gungen ist daher die vorgeschlagene (aufkommensneut- höheren Einkommensgruppen. rale) Umgestaltung zu einem Mobilitätsgeld vorteilhafter. 12
Agora Verkehrswende und Agora Energiewende | 04 | Richtig ausgestaltet ist der CO2-Preis sozialverträglich Verteilungswirkungen nach Pendelstatus Abbildung 7 kein Pendler > 20 km: 85 % aller Haushalte mind. 1 Pendler > 20 km: 15 % aller Haushalte (von allen Haushalten 35 % belastet, 49 % entlastet) (von allen Haushalten 9 % belastet, 7 % entlastet) 0 Anteile an allen Haushalten [%] 1,7 0 5,9 20,3 17,5 0 0 0 0 0,3 0,5 0 3,9 0 0,5 4,3 0,4 1,0 2,6 4,0 7,4 8,0 0,1 0,7 0,8 15,1 0,3 0,1 2,4 0 1,9 untere mittlere obere untere mittlere obere Einkommen Einkommen Einkommen Einkommen Einkommen Einkommen Veränderung des Haushaltsnettoeinkommens entlastet mit mehr als 3 % entlastet mit 1–3 % entlastet bis 1 % belastet bis 1 % belastet mit mehr als 1 %, ausgleichsfondsberechtigt belastet mit 1–3 % belastet mit mehr als 3 % Eigene Auswertung basierend auf Mikrosimulationsanalysen mit dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), v33. Wohnfläche und Sanierungszustand Noch deutlicher als für den spezifischen Wärmever- bestimmen die Wärmekosten brauch zeigt sich ein Zusammenhang zwischen der Wohnfläche pro Kopf und dem Risiko einer Netto-Be- Mit Blick auf die Wärmekosten spielen die Heizungsart lastung durch die CO2-Bepreisung (Abb. 9). Haushalte, und insbesondere der energetische Zustand des Hauses die auf großer Fläche pro Kopf wohnen, sind deutlich sowie die Wohnfläche (pro Kopf) eine zentrale Rolle für häufiger von spürbaren Zusatzkosten betroffen: Von den die Verteilungswirkungen der CO2-Bepreisung (Tab. 3 ca. 6 Prozent aller Haushalte, bei denen sich durch die in Anhang I). Haushalte mit einem geringen Wärmee- Reform das verfügbare Einkommen (vor Zahlungen aus nergieverbrauch je Quadratmeter – aufgrund von besser dem Ausgleichsfonds) um mehr als 1 Prozent reduziert, gedämmten Gebäuden sowie eines effizienten Heizungs- wohnt deutlich mehr als die Hälfte auf einer Wohnfläche typs – zählen weit überwiegend zu den Begünstigten der von mehr als 70 qm pro Kopf – obwohl der Anteil von Reform (Abb. 8). Bewohner von Mehrfamilienhäusern Haushalten mit großer Pro-Kopf-Wohnfläche an den profitieren dabei – neben einer kleineren Wohnfläche Gesamthaushalten nur bei einem Viertel liegt. pro Kopf und einer geringeren Verbreitung von Ölhei- zungen – von geringeren Wärmeverlusten als solche in Die Wohnfläche ist unter anderem auch deshalb ein freistehenden Ein- und Zweifamilienhäusern. Wohnt ein zentraler Indikator für das Belastungsrisiko, da die Haushalt hingegen in einem älteren, unsanierten Haus Eigenschaften große Wohnfläche und Ölheizung positiv mit einer Ölheizung, die vergleichsweise hohe spezifi- korreliert sind; d.h. Haushalte mit Ölheizung weisen im sche CO2-Emissionen aufweist, dann ist der Energiever- Mittel auch eine überdurchschnittlich große Wohnfläche brauch und CO2-Ausstoß je Quadratmeter Wohnfläche – auf – sowohl je Haushalt als auch pro Kopf. Eine große und damit das Kostenrisiko – hoch. Dementsprechend Wohnfläche pro Kopf findet sich verstärkt in kleinen treten spürbare Netto-Belastungen in solchen Haushal- Haushalten, insbesondere Ein-Personen-Haushalten, ten häufiger auf. und in den oberen Einkommensgruppen. Familien und 13
| 04 | Richtig ausgestaltet ist der CO2-Preis sozialverträglich Verteilungswirkungen nach Wärmeverbrauch pro qm Abbildung 8 gering./mittl. Wärmeverbr. pro qm: 71 % aller Haushalte hoher Wärmeverbrauch pro qm: 29 % aller Haushalte (von allen Haushalten 28 % belastet, 43 % entlastet) (von allen Haushalten 16 % belastet, 13 % entlastet) 1,9 0 Anteile an allen Haushalten [%] 0,3 5,0 18,9 0 12,5 1,2 0 0 0,4 0 4,0 0 5,5 5,6 0 0,8 4,6 3,2 3,5 1,3 6,2 0,5 1,3 8,5 11,5 1,0 0,1 0,6 0,1 1,5 untere mittlere obere untere mittlere obere Einkommen Einkommen Einkommen Einkommen Einkommen Einkommen Veränderung des Haushaltsnettoeinkommens entlastet mit mehr als 3 % entlastet mit 1–3 % entlastet bis 1 % belastet bis 1 % belastet mit mehr als 1 %, ausgleichsfondsberechtigt belastet mit 1–3 % belastet mit mehr als 3 % Eigene Auswertung basierend auf Mikrosimulationsanalysen mit dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), v33. Verteilungswirkungen nach Wohnfläche pro Kopf Abbildung 9 Wohnfläche < 70 qm pro Kopf: 75 % aller Haushalte Wohnfläche ≥ 70 qm pro Kopf: 25 % aller Haushalte (von allen Haushalten 26 % belastet, 49 % entlastet) (von allen Haushalten 18 % belastet, 7 % entlastet) 0 Anteile an allen Haushalten [%] 0,2 1,7 5,5 21,5 16,1 0 0 0,1 0 4,0 0 0,6 0 1,9 0,7 3,0 0,9 2,6 4,5 5,1 1,6 6,8 7,5 0,5 0,9 10,8 0,6 1,6 0,1 0,1 1,0 untere mittlere obere untere mittlere obere Einkommen Einkommen Einkommen Einkommen Einkommen Einkommen Veränderung des Haushaltsnettoeinkommens entlastet mit mehr als 3 % entlastet mit 1–3 % entlastet bis 1 % belastet bis 1 % belastet mit mehr als 1 %, ausgleichsfondsberechtigt belastet mit 1–3 % belastet mit mehr als 3 % Eigene Auswertung basierend auf Mikrosimulationsanalysen mit dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), v33. 14
Agora Verkehrswende und Agora Energiewende | 04 | Richtig ausgestaltet ist der CO2-Preis sozialverträglich Verteilungswirkungen für Mieter und Eigentümer Abbildung 10 Wohnen im Eigentum: 45 % aller Haushalte Wohnen zur Miete: 55 % aller Haushalte (von allen Haushalten 26 % belastet, 19 % entlastet) (von allen Haushalten 18 % belastet, 37 % entlastet) 0,1 Anteile an allen Haushalten [%] 5,1 1,3 0 1,0 0 14,6 13,7 10,8 0 0 1,1 0,1 3,4 3,0 0 0 1,9 3,1 4,7 3,7 1,6 8,3 7,0 0,5 10,6 0,9 0,1 0,9 0,6 0,1 1,7 untere mittlere obere untere mittlere obere Einkommen Einkommen Einkommen Einkommen Einkommen Einkommen Veränderung des Haushaltsnettoeinkommens entlastet mit mehr als 3 % entlastet mit 1–3 % entlastet bis 1 % belastet bis 1 % belastet mit mehr als 1 %, ausgleichsfondsberechtigt belastet mit 1–3 % belastet mit mehr als 3 % Eigene Auswertung basierend auf Mikrosimulationsanalysen mit dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), v33. Haushalte mit eher niedrigem Einkommen wohnen Der ländliche Raum erfährt keine hingegen auf weniger Fläche je Person. Zwar ist auch der signifikante Mehrbelastung energetische Sanierungsstatus in einkommensstärkeren Haushalten tendenziell besser, doch dieser kostensen- Beim Vergleich städtischer und ländlicher Kreise kende Effekt wird oftmals durch die größere Wohnfläche lassen sich keine signifikanten Unterschiede in der überkompensiert. Verteilungswirkung erkennen (Abb. 11 sowie Tab. 4 in Anhang I): Der CO2-Preis mit Rückverteilung führt im Ferner zeigt sich, dass die Verteilungswirkung des Durchschnitt weder in städtischen noch in ländlichen CO2-Preises für Mieter-Haushalte günstiger ausfällt Kreisen zu nennenswerten Netto-Belastungen. als für Eigentümer-Haushalte (Abb. 10).3 Dies liegt zum einen an einer im Durchschnitt kleineren Wohnfläche Selbst bei stärker disaggregierter Betrachtung zeigen sich pro Person und einem geringeren Anteil von Ölheizun- weiterhin nur sehr geringe Unterschiede: Haushalten in gen, zum anderen auch daran, dass Mieterhaushalte Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern entstehen oftmals geringere Kraftstoffausgaben (bspw. aufgrund durch den CO2-Preis durchschnittliche Netto-Kosten in eines niedrigeren Pendleranteils) aufweisen. Höhe von knapp einem Tausendstel ihres verfügbaren Einkommens. Umgekehrt werden Haushalte in Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern mit einem Tausends- tel ihres verfügbaren Einkommens entlastet. 3 Nichtsdestotrotz gibt es weiterhin widersprüchliche Anreize Auf der einen Seite verfügen Haushalte in ländlichen für Mieter und Vermieter hinsichtlich einer Verringerung Gebieten über eine größere Wohnfläche – sowohl absolut des Energieverbrauchs. Das sogenannte Mieter-Vermie- als auch pro Kopf – und häufiger über eine vergleichs- ter-Dilemma gilt es insofern zukünftig zu adressieren. weise CO2-intensive Ölheizung, sodass sie eine Verteue- 15
| 04 | Richtig ausgestaltet ist der CO2-Preis sozialverträglich Verteilungswirkungen nach Regionstyp Abbildung 11 städtischer Kreis: 69 % aller Haushalte ländlicher Kreis: 31 % aller Haushalte (von allen Haushalten 29 % belastet, 39 % entlastet) (von allen Haushalten 14 % belastet, 17 % entlastet) 1,6 0 0,2 4,5 Anteile an allen Haushalten [%] 0 16,6 0,1 0,7 12,6 0 1,7 7,9 0 3,9 0 5,4 0 0,9 2,9 3,1 4,8 6,1 0,3 1,0 9,0 0,1 1,5 11,6 0,9 0,8 0,1 1,7 untere mittlere obere untere mittlere obere Einkommen Einkommen Einkommen Einkommen Einkommen Einkommen Veränderung des Haushaltsnettoeinkommens entlastet mit mehr als 3 % entlastet mit 1–3 % entlastet bis 1 % belastet bis 1 % belastet mit mehr als 1 %, ausgleichsfondsberechtigt belastet mit 1–3 % belastet mit mehr als 3 % Eigene Auswertung basierend auf Mikrosimulationsanalysen mit dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP), v33. rung des Wärmebezugs stärker trifft. Überdies weisen sie Mit Blick auf die Heizkosten spielt, wie aufgezeigt, der eine höhere Pkw-Zahl und eine etwas höhere durch- energetische Zustand des Hauses, die Heizungsart sowie schnittliche Pendeldistanz auf. Auf der anderen Seite überdies die Wohnfläche (pro Kopf) eine wichtige Rolle. profitieren sie im Vergleich zur städtischen Bevölkerung Diese Faktoren sind im Auge zu behalten, wenn es darum stärker von der Umstellung auf das Mobilitätsgeld sowie geht, CO2-Emissionen zu reduzieren und potenzielle sozi- von der Klimaprämie, da sie tendenziell in Haushalten ale Härten zu erkennen, die es politisch abzufedern gilt. mit größerer Personenzahl leben. Im Ergebnis fällt die Netto-Wirkung für städtische und ländliche Räume sehr Allerdings können sich einzelne dieser Faktoren gegen- ähnlich aus. seitig – zumindest teilweise –ausgleichen, weshalb eine singuläre Betrachtung für die Gesamtbelastung wenig aussagekräftig ist. Beispielsweise ist die durch- Kostenfaktoren können sich schnittliche Haushaltsgröße Pendelnder größer als bei ausgleichen Nicht-Pendelnden, wodurch sie relativ stark von der Klimaprämie profitieren. Die insgesamt sozial ausge- Wie zuvor dargestellt, lassen sich bei der Auswertung der wogene Verteilungswirkung des vorgestellten CO2-Be- Verteilungswirkungen Faktoren identifizieren, die einen preisungsmodells lässt sich neben der Ausgestaltung des wesentlichen Einfluss darauf haben, ob die CO2-Be- Rückverteilungsmechanismus sowie der Umstellung auf preisung für einen (einkommensschwachen) Haushalt ein Mobilitätsgeld auch auf den Ausgleich verschiedener eher zu einer Netto-Entlastung oder zu einer Netto-Be- „Risikofaktoren“ zurückführen. lastung führt. So können Haushalte insbesondere dann eine erhebliche Netto-Zusatzbelastung erfahren, wenn Dieses ausgleichende Zusammenspiel ist auch ein Grund sie weite Wege – zur Arbeit und weiteren notwendi- dafür, dass sich bestimmte, in der öffentlichen Dis- gen Tätigkeiten – mit dem Pkw zurücklegen (müssen). kussion sehr präsente Haushaltstypen in der Realität 16
Agora Verkehrswende und Agora Energiewende | 04 | Richtig ausgestaltet ist der CO2-Preis sozialverträglich nur vergleichsweise selten finden. Prototypisch sind hier stark belastete einkommensschwache unsanierte Pendelnde (auf dem Land) zu nennen. Tatsächlich verfügen Pendlerhaushalte im Mittel über ein deut- lich überdurchschnittliches Einkommen, weisen eine überdurchschnittliche Haushaltsgröße auf und haben im Mittel einen unterdurchschnittlichen Wärmeverbrauch je Quadratmeter, was an geringerer Anwesenheit in der Wohnung und einem häufig besseren Sanierungszustand liegen kann. Selbstredend gibt es solche Haushalte, denen aus der CO2-Bepreisung eine – in Relation zu Ihrem Einkommen – hohe Belastung entsteht, doch ihre Zahl ist nicht hoch. Für sie gilt es gezielte Ausgleichsmaßnahmen anzubieten; sie können jedoch keinen grundsätzlichen Einwand gegen eine klug ausgestaltete CO2-Bepreisung begründen. Letztlich sind somit einzelne Haushaltscharakteristika – wie der Pendelstatus, das verfügbare Einkommen oder der Wohnort – ungeeignet, um Härtefälle zu erkennen. Dementsprechend sollten Entlastungsmaßnahmen auch nicht pauschal bei solchen Charakteristika ansetzen. Es ist vielmehr eine Gesamtschau der haushaltsspezifischen Umstände, deren Zusammenspiel und der daraus resul- tierenden tatsächlichen Belastungswirkung notwendig, um über das Erfordernis und die Ausgestaltung von Aus- gleichs- und Anpassungsmaßnahmen zu entscheiden. 17
| 04 | Richtig ausgestaltet ist der CO2-Preis sozialverträglich 18
05 | E ntlastung schaffen durch Förderung klimaschonenden Verhaltens Der CO2-Preis mit Rückverteilung benachteiligt syste- Verkehr matisch weder einkommensschwache Haushalte noch Bürger Pendelnde oder Bewohner ländlicher Räume. Dies gilt bei • Kraftstoffsparende Fahrweise Betrachtung der jeweils durchschnittlichen Wirkungen • Bildung von Fahrgemeinschaften der CO2-Bepreisung. Innerhalb der jeweiligen Gruppen • Umstieg auf Bahn, öffentlichen Personennahverkehr sind die Verteilungseffekte allerdings durchaus hetero- und Fahrrad gen. So finden sich auch unter den Beziehern eher nied- • Arbeiten von zuhause (Home-Office) riger Einkommen Haushalte mit einem hohen Energie- • Anschaffung eines emissionsarmen/-freien Pkw verbrauch, denen durch den CO2-Preis eine substanzielle • Wohnortwahl Zusatzbelastung entsteht. Um hieraus resultierenden Politik sozialen Härten vorzubeugen, sind maßgeschneiderte • Schaffung eines qualitativ und quantitativ hochwer- Lösungen zu entwickeln. tigen Angebots im öffentlichen Personennahverkehr • Sozial ausgewogene Anreize zur Anschaffung emissi- Ziel einer effektiven und sozial ausgewogenen Klimapo- onsarmer/-freier Pkw (bspw. über ein Bonus-Malus- litik muss es sein, den Energieverbrauch der privaten System) Haushalte und damit ihre Verletzbarkeit durch steigende • Förderung des Aufbaus von Lade-Infrastruktur Energie- und CO2-Preise zu verringern. Somit sollten • Verbesserte Rahmenbedingungen für Home-Office Ansätze, die den spezifischen Energiebedarf dauerhaft und emissionsarme Dienstreisen mindern, oberste Priorität haben. Eine diesbezüg- • Ausbau Schienen- und Fahrrad-Infrastruktur lich hohe Eignung weist die Förderung von investiven • Schaffung bezahlbaren Wohnraums in städtischen Maßnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs auf. Regionen und entlang von Schienenpendelstrecken Da davon auszugehen ist, dass höhere Einkommen eher über die finanziellen Ressourcen verfügen, um Investi- Wärme tionen in klimaschonende Alternativen zu tätigen (z. B. Bürger Elektroauto, energetische Gebäudesanierung), ist hierbei • Warmwassereinsparung (Sparduschkopf, Duschen ein besonderes Augenmerk auf einkommensschwache statt Baden, Händewaschen mit Kaltwasser) Haushalte zu legen. Ebenso trägt die Schaffung alterna- • Inanspruchnahme Energieberatung tiver Mobilitätsangebote zu einer verringerten Kos- • Programmierbare Thermostate einbauen ten- und Klimabelastung bei. Auch Programme, die das • Hydraulischer Abgleich Heizungssystem, Heizungs- Nutzungsverhalten adressieren, können einen wichtigen rohre dämmen, Warmwasserspeicher dämmen Beitrag leisten. Nachfolgend werden einige der vielfälti- • Solarthermie, Tausch der Heizungspumpe, gen Ansätze und Hebel aufgeführt, die Bürgern und Poli- Heizkesseltausch tik zur Verfügung stehen, um den Energieverbrauch in • Energetische Sanierung Gebäudehülle (Außenwände, den Bereichen Verkehr und Wärme zu reduzieren. Einige Dach/oberste Geschossdecke, Bodenplatte/Keller, dieser Maßnahmen werden auch gegenwärtig schon Fenster) umgesetzt; sie sollten verstetigt und verstärkt werden. Politik • Informations- und Beratungsprogramme zum Energiesparen (Heizen und Warmwasser); geförderte Energieberatung zur sofortigen Umsetzung niedrig- schwelliger Maßnahmen; • Stärkung der Nutzung gebäudeindividueller Sanie- rungsfahrpläne • Abschaffung der Förderung fossiler Heizkessel, Verbot von Heizöl- und Erdgaskesseln • Steuerliche Anreize zur energetischen Gebäudesanie- rung • Programm zum lebenssituationsangepasstem Wohnen 19
| 05 | Entlastung schaffen durch Förderung klimaschonenden Verhaltens Wo eine Reduktion des Energieverbrauchs kurz- und mittelfristig nicht umsetzbar oder nicht hinreichend ist, sind direkte Zahlungen aus dem Ausgleichfonds an besonders betroffene Haushalte angezeigt. Die Anspruchsberechtigung sollte sich möglichst an der individuellen Betroffenheit eines Haushalts orientieren. Pauschalisierende Kompensationsmaßnahmen – so zeigt die vorliegende Analyse – wie eine generelle Anhebung der Entfernungspauschale oder eine regionale Differen- zierung der Klimaprämie wirken weniger zielgerichtet und erscheinen in verteilungspolitischer Sicht nicht sinnvoll; stattdessen könnten sie neue Ungerechtigkei- ten schaffen und überdies die Lenkungswirkung des CO2-Preises unterminieren. 20
06 | W irkung eines CO2-Preises auf ausgewählte Beispielhaushalte Um die zuvor skizzierten Verteilungseffekte greifbarer zu machen, werden nachfolgend die Wirkungen für aus- gewählte Beispielhaushalte dargestellt. Die Ergebnisse bilden mittlere Wirkungen auf den jeweiligen Haus- haltstyp ab. Angesichts der beschriebenen Heterogenität innerhalb der verschiedenen Haushaltsgruppen kann die Be- bzw. Entlastungswirkung im Einzelfall merklich von den mittleren Werten abweichen, weswegen auch die Verteilungen innerhalb der jeweiligen beispielhaften Haushaltstypen angegeben sind. Dennoch zeigen die Auswertungen auf, welche Gruppen tendenziell vom vor- gestellten CO2-Bepreisungsmodell eher profitieren oder negativ betroffen sind. Bei der Auswahl der Beispiel- haushalte wurden auch gerade solche Haushaltstypen berücksichtigt, die als potenzielle Härtefälle gelten. 21
Auswirkung des CO2-Preises auf verschiedene Haushalte * * * * Beispielhaushalt Pärchen, Single, erwerbstätig, alleinerziehend, mind. 1 Kind, Pärchen, mind. 1 erwerbstätig, mind. 1 erwerbstätig, obere Einkommenshälfte, erwerbstätig, pendelnd, „unsaniert“, zur Miete, Ölheizung, auf dem Land in der Stadt „unsaniert“, in der Stadt untere Enkommenshälfte Wohnen Stadt/Land * * * Mieter * Wohnfläche Mieter/Eigentümer 109 m2 70 m2 oder 84 m2 81 m2 Wärmeverbrauch je m2 hoch mittel hoch * hoch * Mobilität * (Fahrzeug/Pendler >20 km) mtl. Haushaltsnettoeinkommen 3.657 Euro 2.662 Euro 2.192 Euro 3.774 Euro mtl. Haushaltsnettoäquivalänzeinkommen € 2.438 Euro € 2.662 Euro € 1.438 Euro € 2.516 Euro * * 70 75 36 71 Perzentil Haushaltsnetto- äquivalänzeinkommen € € € € CO2-Fußabdruck (pro Kopf) CO2 4,9 t /Jahr CO2 5,4 t /Jahr CO2 3,7 t /Jahr CO2 3,8 t /Jahr 70 39 75 49 CO2-Perzentil CO2 CO2 CO2 CO2 Anteil an allen Haushalten, davon 7% 1% 5% 1% 2% 4% 3% 4% 4% 4% entlastet mit mehr als 3 % 25% 26% entlastet mit 1–3 % 31% entlastet bis 1 % 47% 1,5 % aller 7,3 % aller 0,1 % aller 1,4 % aller belastet bis 1 % Haushalte Haushalte Haushalte Haushalte belastet mit mehr als 1 % 42% ausgleichsfondberechtigt 70% belastet mit 1–3 % 67% 57% belastet mit mehr als 3 % entlastet bis 1% entlastet > 1% entlastet bis 1% belastet bis 1% entlastet > 1% entlastet bis 1% belastet bis 1% entlastet > 1% belastet entlastet bis 1% bis 1% entlastet > 1% belastet bis 1% belastet > 1% belastet > 1% ausgleichsfondsberechtigt belastet > 1% ausgleichsfondsberechtigt ausgleichsfondsberechtigt belastet > 1% ausgleichsfondsberechtigt Veränderung des Nettoeinkommens -0,3 % -0,3 % -0,2 % 0,0 % 219 + 10,57 €/Monat - 4,30 €/Monat 200 200 - 7,58 €/Monat - 0,81 €/Monat 91 100 87 74 69 58 66 38 22 15 2 0 1 -10 -52 76 -91 -129 126 153 221 214 213 Wirkung auf die Haushaltskasse ** in Euro/Jahr 229 287 Ausgaben für Kraftstoff Ausgaben für Wärme Ausgaben für Strom Pro-Kopf-Prämie Umstellung auf Mobilitätsgeld Ausgleichsfonds Nettoeffekt Ausgaben für Kraftstoff Ausgaben für Wärme Ausgaben für Strom Pro-Kopf-Prämie Umstellung auf Mobilitätsgeld Ausgleichsfonds Nettoeffekt Ausgaben für Kraftstoff Ausgaben für Wärme Ausgaben für Strom Pro-Kopf-Prämie Umstellung auf Mobilitätsgeld Ausgleichsfonds Nettoeffekt Ausgaben für Kraftstoff Ausgaben für Wärme Ausgaben für Strom Pro-Kopf-Prämie Umstellung auf Mobilitätsgeld Ausgleichsfonds Nettoeffekt Agora Verkehrswende / Agora Energiewende * Auswahlkriterium für Beispielhaushalte ** basierend auf Durchschnittswerten von 30 Haushalten rund um das Median-Haushaltsnettoäquivalenzeinkommen der Gruppe
Auswirkung des CO2-Preises auf verschiedene Haushalte * * * * Beispielhaushalt Rentner, alleinlebend, Rentnerpaar, Familie, mind. 1 Kind, Familie, mind. 1 Kind, geringes Einkommen, mind. 1 Auto, in der Stadt pendelnd, „unsaniert“, mind. 1 erwerbstätig, auf dem Land untere Einkommenshälfte in der Stadt Wohnen Stadt/Land * * * Wohnfläche Mieter/Eigentümer 77 m2 102 m2 oder 97 m2 115 m2 Wärmeverbrauch je m2 mittel mittel hoch * hoch Mobilität * * (Fahrzeug/Pendler >20 km) mtl. Haushaltsnettoeinkommen 981 Euro 2.083 Euro 3.081 Euro 4.957 Euro mtl. Haushaltsnettoäquivalänzeinkommen € 981 Euro € 1.389 Euro € 1.342 Euro € 2.182 Euro * * 13 32 29 64 Perzentil Haushaltsnetto- äquivalänzeinkommen € € € € CO2-Fußabdruck (pro Kopf) CO2 3,7 t /Jahr CO2 2,7 t /Jahr CO2 3,1 t /Jahr CO2 2,2 t /Jahr 13 30 86 68 CO2-Perzentil CO2 CO2 CO2 CO2 Anteil an allen Haushalten, davon 1% 6% 1% 1% 8% 7% 3% 1% 8% 15% 16% entlastet mit mehr als 3 % entlastet mit 1–3 % 29% entlastet bis 1 % 3,3 % aller 5,3 % aller 0,1 % aller 48% 9,2 % aller belastet bis 1 % Haushalte 41% Haushalte 43% Haushalte Haushalte 62% belastet mit mehr als 1 % 28% ausgleichsfondberechtigt 40% 42% belastet mit 1–3 % belastet mit mehr als 3 % entlastet bis 1% entlastet > 1% entlastet bis 1% belastet bis 1% entlastet > 1% entlastet bis 1% belastet bis 1% entlastet > 1% entlastet bis 1% belastet bis 1% entlastet > 1% belastet bis 1% belastet > 1% belastet > 1% ausgleichsfondsberechtigt belastet > 1% ausgleichsfondsberechtigt belastet > 1% ausgleichsfondsberechtigt ausgleichsfondsberechtigt Veränderung des Nettoeinkommens +0,2 % +0,2 % +0,2 % +0,4 % +17,68 €/Monat 404 406 +6,02 €/Monat +3,60 €/Monat +2,21 €/Monat +212 200 125 100 99 93 65 +72 39 +27 +43 32 13 11 1 4 0 0 31 93 92 118 130 Wirkung auf die Haushaltskasse ** 213 in Euro/Jahr 244 316 Ausgaben für Kraftstoff Ausgaben für Wärme Ausgaben für Strom Pro-Kopf-Prämie Umstellung auf Mobilitätsgeld Ausgleichsfonds Nettoeffekt Ausgaben für Kraftstoff Ausgaben für Wärme Ausgaben für Strom Pro-Kopf-Prämie Umstellung auf Mobilitätsgeld Ausgleichsfonds Nettoeffekt Ausgaben für Kraftstoff Ausgaben für Wärme Ausgaben für Strom Pro-Kopf-Prämie Umstellung auf Mobilitätsgeld Ausgleichsfonds Nettoeffekt Ausgaben für Kraftstoff Ausgaben für Wärme Ausgaben für Strom Pro-Kopf-Prämie Umstellung auf Mobilitätsgeld Ausgleichsfonds Nettoeffekt Agora Verkehrswende / Agora Energiewende
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