Die Grundkonzeption von "mathe 2000" für den Mathematikunterricht der Grundschule

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Die Grundkonzeption von „mathe 2000“
      für den Mathematikunterricht der Grundschule

Das Projektgruppe „mathe 2000“ hat sich zum Ziel gesetzt, das Mathematiklernen vom
Kindergarten bis zum Abitur aus einem Guss zu entwickeln. Inhaltliche Leitidee ist die
Auffassung von Mathematik als Wissenschaft von Mustern.

Bei der Ausfüllung dieser Leitidee für die Grundschule wird bewusst an gute
Traditionen der Grundschuldidaktik angeknüpft. Im Mittelpunkt stehen die zentralen
Inhalte der Arithmetik (Einspluseins, Einmaleins, halbschriftliches Rechnen, schriftliche
Rechenverfahren) und deren Anwendungen auf das Sachrechnen. Unter der Devise
„Weniger ist mehr“ wird zurückgegriffen auf bewährte Anschauungsmittel
(Wendeplättchen, Zwanzigerfeld, Hundertertafel, Stellentafel, Zahlenstrahl) und dazu
passende Neuentwicklungen (Wendekarten, Poster zum Einspluseins und Einmaleins,
Rechenstrich, Tausenderbuch). Den weitaus größten Raum nehmen Angebote zum
Üben einschließlich eines systematischen Kopfrechenkurses („Blitzrechnen“) ein.
Die Ergebnisse der modernen Gehirnforschung zeigen, dass die eine Hälfte unseres
Gehirns mehr auf die Verarbeitung von Zahlen und Zeichen, die andere mehr auf
geometrische Formen und Bilder spezialisiert ist. Um beide Hälften zu aktivieren wird
die Geometrie besonders gepflegt. Sie bildet einen stufenübergreifenden Lehrgang. Dies
kommt auch der Arithmetik und dem Sachrechen zugute, denn in beiden Bereichen
werden geometrische Formen und bildliche Darstellungen vielfach benutzt
(Punktmuster, Zahlenstrahl, Diagramme, Situationsskizzen usw.)

               Lernen als „aktives Knüpfen von Wissensnetzen“

In einem wesentlichen Punkt weicht das Konzept von „mathe 2000“ bewusst von der
traditionellen Praxis ab: Früher hat man Lernen aufgefasst als das Nachbauen einer
Mauer, bei der nach einem vorgegebenen, genau überwachten Plan Baustein neben
Baustein, Schicht auf Schicht gesetzt und sorgfältig darauf geachtet wird, keinen
Baustein auszulassen, weil Lücken den Einsturz der Mauer bedeuten könnten. Heute
weiß man, dass Lernen von Natur aus anders verläuft: Es besteht im aktiven
Fortknüpfen und Umstrukturieren von Netzen aus Wissenselementen und Fertigkeiten.
Lücken an einer Stelle sind keineswegs ein Hindernis für den Ausbau eines Netzes an
einer anderen Stelle. Sie werden im Laufe des Lernprozesses geschlossen, indem über
die Lücken hinweg „Wissensfäden“ gespannt und an den schon festeren Teilen des
Netzes verankert werden.
Der Natur des Lernens gemäß ist der Lernprozess bei der Auseinandersetzung mit
einem Stoffgebiet immer individuell. Es ist unmöglich, ihn klein- und gleichschrittig zu
steuern. Kinder kommen am besten voran, wenn sie eigene Wege gehen und ihr Tempo
selbst bestimmen dürfen. Nur dann können sie auch ihr Vorwissen optimal einsetzen.
Auch die Reihenfolge, in der das einzelne Kind „Wissensfäden“ in sein Netz einknüpft,
variiert von Kind zu Kind und darf auch variieren. Durch den sozialen Austausch mit
der Lehrkraft und mit anderen Kindern wird ja dafür gesorgt, dass trotz aller
individuellen Unterschiede während des Lernprozesses am Ende gemeinsames Wissen
vorhanden ist, das von verschiedenen Kindern natürlich unterschiedlich beherrscht wird.

Die Anleitung zu eigenständigem Lernen bedeutet aber nicht, dass die Kinder sich
selbst überlassen bleiben. Im Gegenteil: Die Lehrperson ist als „Kommunikator“ voll
gefordert bei der Orientierung über die Lernaufgaben und deren Strukturierung, bei der
gemeinsamen Besprechung der Lösungen und Lösungswege, bei der Vertiefung von
Einsichten, der prägnanten Zusammenfassung des Gelernten und der Herstellung von
Querbeziehungen.
Im Folgenden wird die Grundkonzeption von „mathe 2000“ ausführlicher dargestellt.

        Konzentration des Stoffes auf tragende Grundideen
                                                     Ich vertrete zwei pädagogische Prinzipien:
                                                     1. Unterrichte nicht zu viele Gegenstände.
                                                     2. Behandle das, was du behandelst, gründlich.
                                                                                     A. N. Whitehead

Da die Unterrichtszeit begrenzt ist, muss der Stoff auf diejenigen Grundideen der
Arithmetik, der Geometrie und des Sachrechnens konzentriert werden, die für die
Umwelterschließung und für ein Verständnis der Fachstruktur unerlässlich sind. Die in
der Tabelle auf S. 3 aufgelisteten Grundideen der Arithmetik reichen bis in die
Sekundarstufe und setzen sich in Grundideen der Algebra fort. Die Grundideen der
Geometrie reichen bis zum Ende der Sekundarstufe I. Die Tabelle macht deutlich, dass
die Bereiche Arithmetik und Geometrie und der Bereich „Größen und Sachrechnen“
aufeinander bezogen sind. Dem Wesen der Mathematik als „reiner“ und „angewandter“
Wissenschaft entsprechend sind die „Strukturorientierung“ und die „Anwendungs-
orientierung“ zwei Seiten ein und derselben Medaille.

       Spiralige Entwicklung der Grundideen über die Stufen hinweg

Die Grundideen werden nach dem Spiralprinzip schlüssig entwickelt, d. h., der
Unterricht greift sie immer wieder auf, vertieft sie und führt sie in den folgenden Stufen
weiter. Z. B. wird die Idee „Zahlenreihe“ im ersten Schuljahr durch die
„Zwanzigerreihe“ verkörpert und in den folgenden Schuljahren zur „Hunderterreihe“,
zum „Tausenderstrahl“ und schließlich zum „Zahlenstrahl“ ausgebaut. Entsprechend ist
die Idee „Zehnersystem“ im ersten Schuljahr durch das „Zwanzigerfeld“, im zweiten
durch die „Hundertertafel“, im dritten durch das „Tausenderbuch“ und im vierten durch
das „Millionbuch“ repräsentiert.
Im Konzept von „mathe 2000“ ist auch die Geometrie bewusst lehrgangsartig
aufgebaut. Z. B. findet sich die Grundidee „Formen zusammensetzen“ in den ersten
beiden Schuljahren im Legespiel „Tangram“, im dritten Schuljahr im Zusammensetzen
von Quadraten zu Fünflingen und Würfelnetzen und im dritten und vierten Schuljahr im
Zusammensetzen von Würfeln zu Würfelgebäuden.

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Grundideen der Arithmetik                        Grundideen der Geometrie

1. Zahlreihe                                   1. Formen und ihre Konstruktion
Die natürlichen Zahlen bilden eine Reihe, von Der dreidimensionale Anschauungsraum wird
der Abschnitte beim Zählen durchlaufen werden. von Formgebilden unterschiedlicher Dimension
                                               bevölkert (Punkten, Linien, Flächen und
                                               Körpern), die sich auf vielfältige Weise
2. Rechnen, Rechengesetze, Rechenvorteile      konstruktiv erzeugen lassen.
Mit den natürlichen Zahlen kann man nach 2. Operieren mit Formen
bestimmten Gesetzen mündlich, halbschriftlich Geometrische Gebilde lassen sich bewegen
und schriftlich vorteilhaft rechnen. Der (verschieben, drehen, spiegeln…), verkleinern,
Zahlbereich wird später unter Beibehaltung der vergrößern, zerlegen, überlagern…, wodurch
Rechengesetze erweitert durch Bruchzahlen und Beziehungen hergestellt werden.
negative Zahlen.
3. Zehnersystem                                  3. Koordinaten
Das Zahlsystem ist dekadisch gegliedert, wobei   Zur Lagebeschreibung von Punkten können auf
sich die Tausenderstruktur periodisch            Linien, Flächen und im Raum
wiederholt. Außerdem ist der Zehner in zwei      Koordinatensysteme eingeführt werden, welche
Fünfer gegliedert.                               die Grundlage für die analytische Geometrie und
                                                 für die graphische Darstellung von Funktionen
                                                 bilden.
4. Rechenverfahren                               4. Maße
Schriftliche Rechenverfahren führen das          Längen, Flächen, Volumina und Winkel lassen
Rechnen mit Zahlen auf das Rechnen mit           sich nach Vorgabe von Maßeinheiten messen.
einstelligen Zahlen zurück (Ziffernrechnen).     Aus vorgegebenen Maßen lassen sich andere
Diese Verfahren sind automatisierbar und         nach verschiedenen Formeln berechnen (z.B.
können von Rechengeräten übernommen              Inhaltsformeln).
werden.

5. Arithmetische Gesetzmäßigkeiten und           5. Geometrische Gesetzmäßigkeiten und
Muster                                           Muster
Mit Zahlen kann man aufgrund bestimmter          Geometrische Gebilde und ihre Maße können in
Eigenschaften        und      Beziehungen        vielfältiger Weise in Beziehung gesetzt werden,
Gesetzmäßigkeiten, Formeln, Muster               so dass Gesetzmäßigkeiten und Muster
(„Strukturen“) erzeugen, deren tiefere           („Strukturen“) entstehen, deren tiefere
Zusammenhänge in arithmetischen Theorien         Zusammenhänge in geometrischen Theorien
systematisch entwickelt werden (Zahlentheorie,   systematisch entwickelt werden (euklidische
Kombinatorik).                                   Geometrie der Ebene und des Raumes,
                                                 kombinatorische Geometrie usw.).

 6. Zahlen in der Umwelt                          6. Formen in der Umwelt
 Zahlen lassen sich vielfältig                    Reale Gegenstände können mit Hilfe
 verwenden als Anzahlen,                          geometrischer Begriffe (angenähert)
 Ordnungszahlen, Maßzahlen,                       beschrieben werden. In der Technik werden
 Operatoren und Codes.                            Verfahren entwickelt um geometrische
                                                  Formen herzustellen, die bestimmten
                                                  Zwecken genügen. Künstler setzen
                                                  geometrische Formen zur Weckung
                                                  ästhetischer Empfindungen ein.

                        7. Übersetzung in die Zahl- und Formensprache
 Sachsituationen lassen sich mit Hilfe arithmetischer (und geometrischer) Begriffe in die Zahlen-
 (und Formen-) Sprache übersetzen, mit Hilfe arithmetischer (und geometrischer) Verfahren lösen
 und aus der Lösung können praktische Folgerungen gezogen werden.

                    Grundideen Größen und Sachrechnen

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Parallele Verfolgung inhaltlicher und allgemeiner Lernziele

Bei der Zielsetzung muss man zwei Ebenen unterscheiden:
1. inhaltliche Lernziele, die Wissen und Fertigkeiten beschreiben,
2. allgemeine Lernziele, die sich auf Grundprozesse des mathematischen Arbeitens
   beziehen.

Inhaltliche Lernziele sind z. B. das Einspluseins, das Einmaleins, die schriftlichen
Rechenverfahren, Konstruktionen mit Zirkel und Lineal oder die Umrechnung von
Größeneinheiten. Allgemeine Lernziele, die dem Mathematiklernen von der
Grundschule bis zur Universität zugrunde liegen, wurden von Heinrich Winter in
folgenden Tätigkeiten erfasst:

1. Mathematisieren, d. h. reale Situationen in die Sprache der Mathematik übersetzen,
   mit Mitteln der Mathematik Lösungen bestimmen und das Ergebnis für die reale
   Situation interpretieren,
2. Explorieren, d. h. Situationen probierend erforschen, Beziehungen und Strukturen
   entdecken, Strukturen erfinden, kreative Ideen entwickeln,
3. Argumentieren, d. h. mathematische Sachverhalte begründen,
4. Formulieren, d. h. mathematische Sachverhalte und Einsichten mündlich und
   schriftlich beschreiben.

Inhaltliche Kenntnisse schaffen eine gute Basis für die Förderung allgemeiner Lernziele
und umgekehrt. Insofern bedingt jede Lernzielebene die andere. Ein wichtiger
Unterschied muss aber sorgfältig beachtet werden: Während sich bei inhaltlichen
Lernzielen vorzeigbare Erfolge in einem begrenzten Zeitraum erzielen lassen, stellen
sich Fortschritte bei den allgemeinen Lernzielen nur langfristig und nur dann ein, wenn
mit Geduld und Beharrlichkeit an ihnen gearbeitet wird. Dies ist besonders wichtig,
wenn die Eingangsvoraussetzungen der Kinder im Entdecken, Beschreiben und
Begründen von Strukturen sehr niedrig sind, was in einem ungünstigen Umfeld häufig
vorkommt.

          Besonderer Akzent im Bereich der inhaltlichen Lernziele:
                     Der verbindliche Blitzrechenkurs

Innerhalb der arithmetischen Lernziele ist ein Grundbestand von Wissenselementen und
Fertigkeiten besonders ausgewiesen, den die Kinder abschließend auswendig lernen
müssen. Zur Grundlegung und Automatisierung dieses Grundbestandes dient der
„Blitzrechenkurs“, der im Abschnitt „Produktives Üben“ genauer besprochen wird.
Dieser Kurs spielt im Konzept eine tragende Rolle.

Besonderer Akzent im Bereich der allgemeinen Lernziele: Denkerziehung

Zur gezielten Förderung der allgemeinen Lernziele wurden in das Konzept
Schnüffelaufgaben (Symbolfigur: „schnüffelnder Igel“), „Expeditionen ins Zahlenreich“
und eine „Denkschule“ aufgenommen. „Schnüffelaufgaben“ sollen die Kinder in
besonderer Weise zum Experimentieren, Überlegen und Sprechen anregen. Da es
verschiedene Lösungsansätze und -wege gibt und die Kinder sich an die Lösung

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„heranschnüffeln“ können, sind diese Aufgaben für alle Kinder zugänglich – im
Gegensatz zu Knacknüssen, Knobelaufgaben, Denksportaufgaben etc.
Besondere Formen der Erforschung von Mustern, auch in organisatorischer Hinsicht,
stellen „Expeditionen ins Zahlenreich“ und die „Denkschule“ dar. „Expeditionen ins
Zahlenreich“ sind so konstruiert, dass gleichzeitig Fertigkeiten des Blitzrechenkurses
geübt und Muster erforscht werden und der Konkurrenzdruck vermieden wird.
Die „Denkschule“ umfasst pro Schuljahr 10 schlichte, materialbezogene Spiele, die zu
den inhaltlichen Themen in nur losem Bezug stehen.

     Der fachliche Rahmen: Mathematik als Wissenschaft von Mustern

Mathematik wird als „Wissenschaft von (schönen) Mustern“ aufgefasst, die man
interaktiv erforschen, fortsetzen und erfinden kann. Aus diesem Grund spielen im
Konzept arithmetische und geometrische Gesetzmäßigkeiten und Muster eine zentrale
Rolle. Muster dienen auch als Nährboden für die allgemeinen Lernziele
Mathematisieren, Explorieren, Argumentieren und Formulieren, und über schöne
Muster können die Kinder auch die Ästhetik der Mathematik und den im besten Sinn
spielerischen Umgang mit Mathematik erfahren. Es bedarf dazu keiner zusätzlichen
Inhalte, denn die Erforschung von Mustern lässt sich, wie weiter unten gezeigt wird, mit
dem Üben der klassischen Inhalte organisch verbinden.
Die Fachstruktur prägt auch die Gliederung und den Aufbau der Inhaltsbereiche.
Innerhalb dieses Rahmens können sich die Kinder frei bewegen, wie es der im Wesen
der Mathematik liegenden Offenheit entspricht: „mathe 2000“ verkörpert eine Öffnung
vom Fach aus.

                Aktiv-entdeckendes und soziales Lernen
                                      Nicht Leitung und Rezeptivität, sondern Organisation und
                                      Aktivität ist es, was das Lehrverfahren der Zukunft kennzeichnet.
                                                  Johannes Kühnel, Neubau des Rechenunterrichts, 1916

Das für die Konzeption zentrale didaktische Prinzip des aktiv-entdeckenden und
sozialen Lernens gründet sich auf aktivistische Lerntheorien, insbesondere die
genetische Psychologie des Schweizer Psychologen Jean Piaget, ist aber auch
fundamental mit der Mathematik verbunden. Heinrich Winter hat dieses Prinzip
prägnant formuliert:

  „Den Aufgaben und Zielen des Mathematikunterrichts wird in besonderem Maße
  eine Konzeption gerecht, in der das Mathematiklernen als ein konstruktiver,
  entdeckender Prozess aufgefasst wird. Der Unterricht muss daher so gestaltet
  werden, dass die Kinder möglichst viele Gelegenheiten zum selbsttätigen Lernen in
  allen Phasen eines Lernprozesses erhalten.
  Die Aufgabe des Lehrers besteht darin, herausfordernde Anlässe zu finden und
  anzubieten, ergiebige Arbeitsmittel und produktive Übungsformen bereitzustellen
  und vor allem eine Kommunikation aufzubauen und zu erhalten, die dem Lernen
  aller Kinder förderlich ist.“

Aktiv-entdeckendes und soziales Lernen verlangt eine ständige Durchdringung
inhaltlicher und allgemeiner Lernziele und lässt sich daher nicht in einem

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kleinschrittigen Unterricht verwirklichen, in dem der Stoff Häppchen für Häppchen
vermittelt wird und die Lösungswege sowie die äußere Form der Lösung anhand von
Musteraufgaben festgelegt sind. Erforderlich ist die ganzheitliche Behandlung von
Rahmenthemen, z.B. des Einspluseins und Einmaleins.

               Ganzheitliche Behandlung von Rahmenthemen
                         in mehreren Durchgängen

Rahmenthemen müssen immer in mehreren Durchgängen erarbeitet werden. Die ersten
Durchgänge dienen der Orientierung und Einführung, die weiteren der Übung,
Vertiefung und Ergänzung. Bei arithmetischen Rahmenthemen steht am Schluss immer
die Automatisierung.
Jedes Kind kann bei diesem Vorgehen an seine individuellen Voraussetzungen
anknüpfen und hat Zeit sein Wissensnetz von Durchgang zu Durchgang zu erweitern
und zu festigen. Lücken im Wissensnetz sind keinesfalls ein Hindernis für sinnvolle
Arbeit im nächsten Durchgang. Da der Lernprozess die Lernziele immer wieder neu und
von einer anderen Seite aus ansteuert, gibt es für die Kinder genügend Möglichkeiten
um ihre Lücken allmählich zu schließen. Die arithmetischen Grundfertigkeiten werden
außerdem im Blitzrechenkurs, der sich kontinuierlich durch das ganze Schuljahr zieht,
ständig wiederholt. Es besteht kein Grund zur Sorge, dass Kinder „abgehängt“ werden.

  Beispiel: Einspluseins
  1. Durchgang: Additive Situationen aus der Umwelt
  2. Durchgang: Intensive Behandlung des Einspluseins am Zwanzigerfeld
  3. Durchgang: Strukturierte Übungen an „Zahlenmauern“ und „Rechendreiecken“.
  4. Durchgang: Vertiefung des Einspluseins an der Einspluseins-Tafel
  5. Durchgang: Automatisierung.

Der ganzheitliche Zugang unterscheidet sich grundlegend von der traditionellen
Methode, bei welcher jedes Stoffhäppchen erst dann „abgehakt“ wird, wenn es bei
(möglichst) allen Kindern (einigermaßen) „sitzt“. Für Lehrerinnen und Lehrer, die zum
ersten Mal nach dem neuen Konzept unterrichten, kostet es daher Mut und
Überwindung, trotz anscheinender Lücken bei Kindern im Unterricht weiterzugehen,
wie es das neue Konzept verlangt. Wenn dieser Mut nicht aufgebracht wird, sind
Schwierigkeiten und Misserfolge vorprogrammiert: Ganzheitliche Themen sperren sich
gegen eine Häppchen-Behandlung.

               Vorteile der ganzheitlichen Behandlung

Lernen in Ganzheiten ist für die Kinder nicht etwa schwerer, sondern leichter, wie die
englische Psychologin Margaret Donaldson festgestellt hat:

  „Es scheint eine weit verbreitete Meinung zu sein, man dürfe Kinder anfangs nicht
  mit der Komplexität eines Stoffgebietes konfrontieren, da sie komplizierte
  Sachverhalte unmöglich bewältigen könnten. Ich teile diese Ansicht nicht. Die
  Ursache für diesen Irrtum liegt m. E. darin, dass zwei grundverschiedene Dinge
  nicht auseinander gehalten werden, nämlich eine ganzheitliche, grobe Übersicht
  über das Stoffgebiet einerseits und die Beherrschung aller seiner Einzelheiten

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andererseits. Die Kinder benötigen natürlich geraume Zeit um alle möglichen
  Einzelheiten zu lernen. Es ist aber keine Frage, dass ihnen das leichter fällt, wenn sie
  über die Gesamtheit der anstehenden Lernaufgaben richtig vorinformiert sind.“

Durch die ganzheitlichen Zugänge zu Rahmenthemen wird das bewährte Prinzip „Vom
Leichten zum Schweren“ keinesfalls aufgehoben. Es wird nur anders realisiert als
traditionell üblich. Beim Einspluseins z. B. sind nicht nur die Aufgaben im Fünfer- oder
Sechserraum leicht, sondern z. B. auch Verdopplungsaufgaben wie 5 + 5, 6 + 6 und 10
+ 10 oder Aufgaben wie 14 + 1, 14 + 2. Es ist daher sehr sinnvoll, solche Aufgaben
frühzeitig in das Knüpfen des Netzes „Einspluseins“ einzubeziehen und als
Ankerpunkte für andere Aufgaben zu nutzen.
Lernen in Ganzheiten trägt auch ganz wesentlich zur Zieltransparenz bei: Die Kinder
können sich während ihres Lernprozesses klar machen, was sie schon können, wo sie
noch Schwierigkeiten haben und was sie noch lernen müssen, und sie sehen das Ende
des Lernprozesses ab.
Der ganzheitliche Zugang wird dadurch unterstützt, dass grundsätzlich nur Arbeitsmittel
verwendet werden, die eine Gesamtübersicht über die Aufgaben ermöglichen. Beim
Einspluseins z. B. sind dies das Zwanzigerfeld und die Einspluseinstafel.

                         Zone der nächsten Entwicklung

Ganzheitliche Themen weisen über sich hinaus und verlocken zu
Grenzüberschreitungen. Z. B. werden die Kinder vom Einspluseins ausgehend auch
über 20 hinaus rechnen wollen. Dies ist zugelassen und sogar erwünscht. Wie der
russische Pychologe Lew Vygotskij in seiner kritischen Auseinandersetzung mit Piaget
überzeugend dargelegt hat, muss der Unterricht stets die „Zone der nächsten
Entwicklung“ anpeilen. Dies bedeutet aber nicht, dass Grenzüberschreitungen eigens
thematisiert werden müssten. Es genügt, sie als Denkanstöße wirken zu lassen. Wichtig
ist, dass keine Abschottung im Sinne von „Das dürfen wir noch nicht rechnen!“
vorgenommen wird.

        Anleitung der Kinder zum selbstständigen Umgang mit den
                             Lernangeboten

Grundvoraussetzung für lebenslanges Lernen ist die Fähigkeit Texte eigenständig
erschließen zu können. Auch im Mathematikunterricht muss diese Fähigkeit, die ein
wesentlicher Aspekt eigenverantwortlichen Lernens ist, entwickelt werden. Die Kinder
sollen grundsätzlich immer selbst versuchen, sich ein Bild von den Lernaufgaben zu
machen. Die Lehrperson sollte sich möglichst nur auf Verständnishilfen beschränken,
z.B. die Vorgabe konventioneller Sprechweisen, Schreibweisen und zeichnerischer
Darstellungen. Im Klassengespräch können die verbleibenden Unklarheiten
anschließend beseitigt werden. Im Interesse des selbstständigen Arbeitens sollte auch
das Auffinden und Aufschreiben von Lösungen im Rahmen der fachlich notwendigen
Vorgaben so weit wie möglich den Kindern überlassen bleiben. Dabei dürfen und sollen
sie ihre eigenen Wege gehen.

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Der Umgang mit Fehlern

Der belehrende Unterricht strebt an, die Lernenden zur fehlerlosen Reproduktion
vorgemachter Verfahren zu programmieren. Von diesem Standpunkt aus ist eine
möglichst genaue Beobachtung der Lernfortschritte des einzelnen Kindes gemessen an
den vorgegebenen Verfahren wünschenswert, damit Fehler sofort „diagnostiziert“ und
„ausgemerzt“ werden können. Entsprechend besteht ein großes Interesse an möglichst
wirksamen Rezepten zur „Fehlertherapie“. Die Jahrhunderte langen Erfahrungen mit
dem belehrenden Unterricht zeigen, dass dieser Weg, so verlockend er ist, nicht zum
Ziel führt. „Von außen“ kommt man dem Lernprozess und den dabei auftretenden
Fehlern nicht bei, ganz abgesehen davon, dass es für die Lehrkraft in einer Klasse mit
20 bis 30 Kindern gar nicht möglich ist, die Lernprozesse der einzelnen Kinder genau
zu verfolgen. Der Traum von Lernpsychologen, Computer könnten die Diagnose und
Therapie von Fehlern übernehmen, ist bis heute ein Traum geblieben.
In der Konzeption des aktiv-entdeckenden Unterrichts wird mit Fehlern anders
umgegangen: Die Kinder erhalten zuerst einmal Zeit und Raum, um sich selbst an neuen
Aufgaben zu versuchen, alleine oder im Austausch mit anderen Kindern. Auf diese
Weise können sie die notwendige Verbindung zu ihrem Vorwissen am besten herstellen.
Bei diesen ersten Versuchen werden auch Fehler auftreten, denn es gehört zum Wesen
des Lernens Fehler zu machen, zu erkennen und zu korrigieren. Die Kinder brauchen
natürlich eine Rückmeldung zu Fehlern, die sie selbst nicht erkennen. Rezepte zur
Fehlervermeidung gehen aber am Problem vorbei. Wie durch empirische Befunde
vielfach bestätigt wurde, steckt hinter einem „Fehler“ in aller Regel eine sinnvolle
Überlegung, die sich aus einem anderen oder (noch) unzureichenden Verständnis des
jeweiligen Sachverhalts ergibt. Die Rückmeldung muss daher in erster Linie auf die
Herstellung eines Verständniszusammenhangs abzielen. Damit werden die Kinder
besser befähigt, von sich aus Fehler zu vermeiden, als durch von außen mitgeteilte
Rezepte zur Fehlervermeidung, deren blinde Befolgung selbst eine Fehlerquelle ist.
Nicht zu vergessen ist auch, dass sich Überlegungen, die auf den ersten Blick als
„falsch“ erscheinen, bei näherem Hinsehen nicht selten als richtig herausstellen,
insbesondere dann, wenn das Kind einen Aufgabentext anders interpretiert hat als bei
der Aufgabenstellung intendiert.

              Notwendigkeit eines fachlichen Rahmens

Zu welchen Leistungen Kinder bei der Erarbeitung eigener Lösungswege
(„Eigenproduktionen“) fähig sind, wurde empirisch in eindrucksvoller Weise
nachgewiesen. Diese Befunde gehören zu den stärksten Argumenten für das Prinzip des
aktiv-entdeckenden Lernens. Aus diesen Befunden darf aber nicht gefolgert werden,
Kinder könnten „sich“ die Mathematik am besten „alleine“ erarbeiten und würden dabei
von Fachstrukturen nur gestört. Der amerikanische Bildungsphilosoph und Pädagoge
John Dewey hat schon zu Anfang des 20. Jahrhunderts klargestellt, dass aktiv-
entdeckende Lehr-/Lernformen einen geeigneten fachlichen Rahmen voraussetzen:

  Reformpädagogen erwarten vom Kind, dass es Erkenntnisse aus seinem eigenen
  Geist heraus „entwickelt“ und für sich ausarbeitet ohne „fachliche
  Rahmenbedingungen“ zu benötigen. Aus dem Nichts kann aber nichts entwickelt
  werden. Entwicklung heißt nicht, dass dem kindlichen Geist irgendetwas entspringt,
  sondern dass substanzielle Fortschritte gemacht werden, und das ist nur möglich,

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wenn eine geeignete fachliche Umgebung zur Verfügung steht. Die Kinder müssen
  zwar von sich aus arbeiten, aber wie sie arbeiten, wird fast ganz von der
  Lernumgebung und dem Stoff, an dem sie sich üben, abhängen.

Der Erfolg des Mathematikunterrichts von der Grundschule bis zum Abitur steht und
fällt damit, dass das Prinzip des aktiv-entdeckenden und sozialen Lernens organisch zu
fachlichen Grundideen und allgemeinen Lernzielen in Beziehung gesetzt wird. Wenn
die Kinder in der Mathematik wirklich weiterkommen wollen, dürfen sie nicht bei ihren
individuellen Ideen stehen bleiben, sondern müssen sich in die bewährten
Fachstrukturen einarbeiten und diese gemäß der im Fach liegenden Offenheit produktiv
nutzen. Dies wird dadurch wesentlich unterstützt, dass die Lernangebote fachlich
schlüssig strukturiert sind. Die Kinder gelangen insbesondere nicht von sich aus zu
einem Verständnis typisch „theoretischer“ Aspekte der Mathematik (z. B. der Erfassung
der Allgemeingültigkeit von Rechengesetzen, der Abstraktheit von Begriffen oder der
zwingenden Logik einer mathematischen Argumentation), sondern müssen im
Unterricht dazu angeregt werden.

                      Entwicklung von Bewusstheit

Die für Lehrerinnen und Lehrer vielleicht überhaupt bedeutsamste Aufgabe besteht
darin, die Kinder zur Wahrnehmung der Besonderheiten der Mathematik, zur Steuerung
ihres Lernprozesses und zur Übernahme eigener Verantwortung für ihre Lernfortschritte
zu erziehen. Die Lehrkraft muss dazu mit den Kindern z.B. über die grundsätzliche
Freiheit von Rechenwegen, über Schwierigkeiten beim Lernen und ihre Überwindung,
über den Nutzen der Zusammenarbeit, über den Sinn des Kopfrechnens, über gelungene
selbstständige Leistungen, usw. sprechen.
Die Entwicklung von Bewusstheit verlangt Geduld und Beharrlichkeit, weil sich der
Erfolg bei der Mehrheit der Kinder naturgemäß nur langfristig einstellt. Je mehr
Bewusstheit die Kinder aber für ihre Lernprozesse entwickeln und je mehr sie sich für
ihr Lernen verantwortlich fühlen, desto mehr wird die Lehrkraft entlastet. Insofern liegt
es in ihrem ureigenen Interesse, die Bewusstheit der Kinder für ihr Lernen zu fördern.

  Sparsamkeit in Demonstrations- und Arbeitsmitteln, bildlichen
     Darstellungen und Fachausdrücken: Weniger ist mehr
Anschauungs- und Arbeitsmittel wirken weder unmittelbar noch unmissverständlich.
Vielmehr müssen sich die Kinder erst in sie einarbeiten. Dies kostet Zeit. Angesichts
des engen Zeitrahmens verbietet es sich daher, eine große Zahl von Materialien zu
verwenden. Im Projekt „mathe 2000“ wurde das Problem der Auswahl von
Demonstrations- und Anschauungsmitteln auf folgende Weise gelöst: Genau diejenigen
Materialien wurden ausgewählt, welche die mathematischen Grundideen am besten
verkörpern. Da diese Grundideen den gesamten Unterricht durchziehen, ist gewähr-
leistet, dass auch die entsprechenden Materialien durchgehend benutzt werden können.
Der ständige Gebrauch ist die beste Voraussetzung dafür, dass Zahl-dar-stellungen in
Zahl-vor-stellungen übergehen und die Grundlage für denkendes Rechnen bilden.
Aus den gleichen Gründen werden auch bildliche und symbolische Darstellungen sowie
Sprechweisen und Fachausdrücke auf die wirklich grundlegenden beschränkt, die

                                           9
weiterführende Bedeutung haben. Besondere Aufmerksamkeit erfahren dabei
grundlegende Strukturen zur Ordnung von Daten: Tabellen, Listen, Baum- und
Flussdiagramme.

                    Richtige Nutzung der Darstellungsformen

Im Sinne des aktiv-entdeckenden und sozialen Lernens sind konkrete Materialien,
bildliche und symbolische Darstellungen nicht als Hilfsmittel der Belehrung, sondern
als Hilfen für das Lernen in der Hand der Schüler aufzufassen. Die Kinder sollen daher
angeregt werden, sie nach eigenem Ermessen für ihre Zwecke einzusetzen.
Das Konzept von „mathe 2000“ verbindet die Nutzung konkreter Materialien
(„enaktiv“), Zeichnungen („ikonisch“) und formaler Darstellungen („symbolisch“) mit
der ganzheitlichen Behandlung von Rahmenthemen. Der gesamte Zwanzigerraum wird
zuerst mit Material „unterfüttert“. Die Kinder benützen bei ihren Rechnungen zwanglos
Material und bildliche Darstellungen. Auf diesem Boden können sich formale
Schreibweisen in Ruhe entwickeln („Prinzip der fortschreitenden Schematisierung“).
Ein zu früher Übergang zum formalen Rechnen ist Gift für das Verständnis und wird im
Rahmen von „mathe 2000“ bewusst vermieden.
Auf zwei Punkte muss dabei besonders geachtet werden:
1. Mit der Einführung formaler Darstellungen verlieren konkrete Materialien und Bilder
keineswegs ihre Bedeutung. Ganz im Gegenteil: Sie behalten ihren Nutzen, wenn es
um das Verstehen, Beschreiben und Mitteilen von Lösungswegen, das Aufzeigen von
Beziehungen zwischen Aufgaben und Lösungen, das Lösen kombinatorischer Aufgaben
oder um die Modellierung von Sachsituationen geht. Den Kindern macht man dies am
besten deutlich, indem man insbesondere Plättchen im Unterricht selbst mit der größten
Selbstverständlichkeit verwendet und den Kindern erklärt, warum das nützlich ist. Auf
diese Weise lässt sich das unter Kindern (und besonders Eltern!) verbreitete Vorurteil,
die Verwendung von Plättchen sei ein Stigma für mangelnde Rechenkompetenz, am
wirkungsvollsten ausräumen. Letztendlich muss aber jedem Kind die Freiheit
zugestanden werden die verschiedenen Darstellungsmittel individuell zu nutzen.
2. Der handelnde Umgang mit Mathematik ist keineswegs nur auf „enaktive“
Darstellungen beschränkt, sondern bezieht sich genauso auf „ikonische“ und
„symbolische“ Darstellungen. Immer geht es um ein Operieren, unabhängig davon, ob
mit konkreten Objekten (z.B. Plättchen), anhand bildlicher Darstellungen (z.B. an der
Zahlenreihe) oder mit Symbolen (z.B. Zahlzeichen) operiert wird.

                                    Produktives Üben
              Insgesamt lässt sich somit die These vertreten, dass Ziel und Organisation des Übens im Rahmen
              eines Konzepts des Lernens durch gelenkte Entdeckung weitaus besser aufgehoben sind als im …
              Konzept des belehrenden Unterrichts, insofern entdeckend geübt und übend entdeckt wird.
                                                             Heinrich Winter, Begriff und Bedeutung des Übens

Dem Üben kommt im Unterricht mit Recht die größte Bedeutung und der größte Raum
zu. Aus diesem Grund steht das Üben auch im Zentrum von „mathe 2000“.
Traditionelle Übungsformen reichen im Rahmen des aktiv-entdeckenden Lernens aber
bei weitem nicht aus. Benötigt werden darüber hinaus produktive Übungsformen, d.h.
Übungsformen, bei denen die Übung inhaltlicher Lernziele mit der Förderung der
allgemeinen Lernziele verbunden ist.

                                                  10
Übungsformate für produktive Übungen

Für produktive Übungen besonders geeignet sind „Übungsformate“, die auf
mathematischen Strukturen beruhen. Diese Übungsformate sind so etwas wie
Formulare, die man unterschiedlich ausfüllen kann. In „mathe 2000“ werden in der
Grundschule vor allem folgende Übungsformate benutzt : „Schöne Päckchen“, „Schöne
Päckchen?“, „Zahlenhäuser“, „Zahlenmauern“, „Rechendreiecke“, „Zauberquadrate“,
„Zauber-dreiecke“, „Zahlenraupen“. Diese wenigen, aber sehr reichhaltigen
Übungsformate ziehen sich durch alle Schuljahre. Ein Kunterbunt von Übungsformen,
die jeweils neu eingeführt werden müssten, nur vorübergehende Bedeutung hätten und
letztlich nur Ballast wären, wird absichtlich vermieden.

Übungsformate kann man nicht nur für Aufgaben mit willkürlich eingetragenen Zahlen,
sondern für Aufgabenserien mit Mustern nutzen. Dadurch ist oft eine gute Kontrolle der
Ergebnisse gegeben.
Beispiel: Bei dem Übungsformat „Zahlenmauern“ lernen die Kinder im 1. Schuljahr
zuerst, wie aus den eingetragenen Zahlen die restlichen Zahlen zu berechnen sind. Diese
Übung ist noch ganz traditioneller Natur. Von anderem Charakter ist die Aufgabe, alle
Mauern zu finden und auszurechnen, die man mit den Grundsteinen 3, 4, 5 bilden kann.
Wenn die Mauern ausgerechnet sind, stechen Muster ins Auge:

                  16                               17                       15
            7          9                   8            9           8                7
        3        4          5          3       5            4   5           3            4

                  16                                                            15
                                               17
            9          7                                                7            8
                                           9            8
        5        4          3         4        5            3   4               3        5

1. Die Decksteine 15, 16 und 17 treten je zweimal auf.
2. Mauern mit gleichen Decksteinen unterscheiden sich durch Vertauschung
der äußeren Steine.
3. Wenn der mittlere Grundstein am größten ist, ergibt sich der größte
Deckstein.
Die Kinder können diese Muster beschreiben und versuchen zu erklären,
warum das so ist. Dadurch werden die allgemeinen Lernziele Explorieren,
Argumentieren und Formulieren gefördert.

                Die „Unerschöpflichkeit“ produktiver Übungsformen

Natürlich können die Kinder auch selbst andere, insbesondere größere Grundsteine
wählen, und nachrechnen, ob „es da auch so ist.“ Wer möchte kann auch Zahlen im
Zweierabstand als Grundsteine wählen, z.B. 2, 4 und 6, und alle sechs möglichen
Mauern berechnen oder die Grundzahlen beliebig wählen. Statt dreier verschiedener

                                                   11
Zahlen können drei gleiche oder zwei gleiche Zahlen und eine dritte Zahl gewählt
werden, usw.
Die Aufgabe ist ein Musterbeispiel dafür, wie Lehrer und Kinder aus einem einzigen
Aufgabentyp ihren individuellen Präferenzen entsprechend selbst eine beliebige Zahl
strukturgleicher Aufgaben bilden können.

         Automatisierendes Üben: Der verbindliche Blitzrechenkurs

Aktiv-entdeckendes Lernen und die Automatisierung von Wissenselementen und
Fertigkeiten sind keine Gegensätze, sondern bedingen einander: Aktiv-entdeckendes
Lernen schafft die Verständnisgrundlage, die für die Automatisierung notwendig ist,
und umgekehrt bildet automatisiertes Wissen die notwendige Grundlage für aktiv-
entdeckende Lernprozesse auf der nächst höheren Stufe.
Da sich die Kinder nicht beliebig viel merken können, muss genau überlegt werden,
welche Wissenselemente und Fertigkeiten wirklich grundlegend sind, und diese müssen
dann gezielt geübt und automatisiert werden. Im Projekt „mathe 2000“ wurde ein
systematisch aufgebauter Blitzrechenkurs entwickelt, der im „Handbuch produktiver
Rechenübungen“ beschrieben ist. Dieser Kurs besteht aus 10 Übungen pro Schuljahr
und deckt diejenigen Wissenselemente und Fertigkeiten ab, die später gedächtnismäßig
sofort abrufbar sein müssen.
Die Stellung des „Blitzrechenkurses“ im Konzept kann man durch folgenden Vergleich
mit dem Erlernen eines Musikinstruments beschreiben: Die Übungen des
„Blitzrechenkurses“ entsprechen den Finger- und Tonleiterübungen. Die Erforschung
von Mustern in produktiven Übungen, bei Zahlexpeditionen oder der Denkschule usw.
ist dem Spielen schöner Musikstücke vergleichbar.
Vor einem Missverständnis muss dringend gewarnt werden: Der Blitzrechenkurs ist
kein bloßer Kurs zum Auswendiglernen von Rechensätzen. Alle Blitzrechenübungen
werden vielmehr ganz bewusst auf einer breiten Anschauungsgrundlage und unter
Nutzung von Beziehungen entwickelt. Sie zielen auf die Entwicklung von
Zahlvorstellungen und auf Verständnis. Dementsprechend wird jede Blitzrechenübung
in zwei Phasen geübt: Die Grundlegungsphase dient der Verankerung der Übung in
grundlegenden Zahldarstellungen, die nachfolgende Automatisierungsphase d e r
Festigung und „blitzschnellen“ Abrufbarkeit der entsprechenden Wissenselemente und
Fertigkeiten. Ein zu früher Übergang von der Grundlegung zur Automatisierung ist für
den Lernprozess schädlich und muss unbedingt vermieden werden.

Da der Blitzrechenkurs arbeitsintensiv ist, kann ihn die Lehrkraft nicht im einzelnen mit
den Kindern durchführen, sondern muss sich auf das Management beschränken, d.h. sie
muss Kinder anleiten, eigenverantwortlich zu üben, und sie muss die Mithilfe der Eltern
organisieren. Der Förderkurs „Mündliches Rechnen in Kleingruppen“ ist dabei eine
große Hilfe.
Angesichts des Nachdrucks, der beim Blitzrechnen auf die Entwicklung von Zahlen-
und Rechenverständnis gelegt wird, ist die flüssige Beherrschung der Übungen des
Kurses ein guter Indikator für das Erreichen der grundlegenden inhaltlichen Lernziele.
Daher zahlt es sich aus, wenn die Lehrkraft den Fortschritt der Kinder beim
Blitzrechnen ständig im Auge behält. Es empfiehlt sich, die Beherrschung jeder Übung
in einem „Blitzrechenpass“ festzuhalten. Damit bekommt jedes Kind eine individuelle
Rückmeldung über seinen Lernstand. Die zwei Teilprüfungen für jede einzelne Übung
(in geziemendem zeitlichen Abstand voneinander) sowie für die Abschlussprüfung über

                                           12
den gesamten Kurs können zeitsparend in Gruppen abgelegt werden. Die Kinder können
sich vorher gegenseitig testen und entscheiden, wann sie sich zu einer Prüfung melden.

         Mitarbeit von „Blitzrechen-Trainern“ beim Blitzrechenkurs

Der Blitzrechenkurs erzielt dann seine optimale Wirkung, wenn es gelingt, nicht nur die
Kinder, sondern auch Eltern oder andere Bezugspersonen von der Notwendigkeit und
Wichtigkeit des Kurses zu überzeugen. Lehrer, Kinder und Eltern müssen die Übungen
bewusst als ständiges „Fitnessprogramm“ verstehen und konsequent durchführen.
Bereits beim ersten Elternsprechtag sollte dieser wichtige Punkt geklärt (und damit
gleichzeitig die Mitarbeit der Eltern in sinnvolle Bahnen gelenkt werden): Die Eltern
sollten in das Konzept des Kurses eingeführt werden, den Unterschied zwischen
Grundlegung und Automatisierung verstehen und lernen, wie zu üben ist. Anschließend
sollten sie dafür gewonnen werden, ihren Kindern im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe
als „Blitzrechen-Trainer“ zur Verfügung zu stehen. Die Unterstützung beim
Blitzrechnen ist bei solchen Eltern kein Problem, die von sich aus an den
Lernfortschritten ihrer Kinder teilnehmen und die nötige Zeit aufbringen können. Für
Kinder, bei denen diese Voraussetzung nicht gegeben ist, muss unbedingt ein anderer
„Blitzrechen-Trainer“ gefunden werden, der sich für den Blitzrechenkurs
mitverantwortlich fühlt, z. B. ein älteres Geschwister oder ein(e) andere(r)
Verwandte(r), ein(e) Mitschüler(in), ein(e) Mitarbeiter(in) bei der Ganztagsbetreuung,
oder Betreuer bei der Hausaufgabenhilfe.

         Die Förderung von Kindern mit unterschiedlichen
      Voraussetzungen nach dem Prinzip von der natürlichen
                         Differenzierung

                       Ich glaube an den sozialen Lernprozess, und darum trete ich für die heterogene
                       Lerngruppe ein … [Sie] umfasst Schüler verschiedener Niveaus, die an einer Aufgabe
                       – jeder auf der ihm eigenen Stufe – zusammenarbeiten …
                                  Hans Freudenthal, Vorrede zu einer Wissenschaft vom Mathematikunterricht

Bei der üblichen „äußeren“ bzw. „inneren“ Differenzierung wird eine Klasse in
Teilgruppen aufgespalten, die zu dem Unterrichtsthema unterschiedlich schwere
Aufgaben erhalten und sie auf unterschiedlichen Niveaus und mit unterschiedlichen
Mitteln lösen. Dies ist eine Differenzierung von der Lehrkraft aus, da sie den Kindern
die Aufgaben und die Bearbeitungsform zuweist. Im Sinne des aktiv-entdeckenden und
sozialen Lernens bietet sich darüber hinaus eine Differenzierung vom Kind aus an: Die
gesamte Lerngruppe erhält einen Arbeitsauftrag, der den Kindern Wahlmöglichkeiten
bietet. Da diese Form der Differenzierung beim „natürlichen Lernen“ außerhalb der
Schule eine Selbstverständlichkeit ist, spricht man von „natürlicher Differenzierung“.

Das Prinzip von der natürlichen Differenzierung ist von besonderer Bedeutung für die
Lösung der wohl größten pädagogischen Herausforderung, vor der die Grundschule
steht: die Heterogenität der Lernvoraussetzungen. Die traditionelle Antwort auf diese

                                               13
Herausforderung besteht darin, am "Punkt Null" zu beginnen und den Wissenserwerb
der Kinder auf einem unteren bis mittleren Niveau klein- und gleichschrittig zu
normieren. Dieser Ansatz, bei dem die Bedürfnisse der leistungsstarken Kinder völlig
ignoriert werden, wurde und wird auch heute noch damit verteidigt, dass er den
schwachen Kindern besonders entgegenkomme. Nach neuen Erkenntnissen ist das ein
gründlicher Irrtum. Auch schwache Kinder lernen am besten, wenn sie ihre
Lernprozesse so weit wie möglich selbst steuern können. Auch pädagogische Gründe
sprechen daher für das Prinzip des aktiv-entdeckenden und sozialen Lernens, wie es im
Konzept von „mathe 2000“ realisiert ist. Die Kinder können die reichhaltigen
Lernangebote einschließlich des Blitzrechenkurses im Sinne der natürlichen
Differenzierung nach ihren individuellen Voraussetzungen und Möglichkeiten selber
nutzen. Auf diese Weise werden alle Kinder bei der Bearbeitung gemeinsamer Themen
zusammengehalten. Sowohl Kinder mit Lernschwierigkeiten als auch leistungsstarke
Kinder können aus dem Unterricht heraus gefördert werden. Spezielle zusätzliche
Förderprogramme für schwächere oder begabte Kinder sind - abgesehen von
Extremfällen - unnötig. Wie erfolgreich dieser Weg ist, wenn er konsequent beschritten
wird, zeigen die Erfahrungen unter unterschiedlichsten Bedingungen: Das Konzept
findet einerseits wachsenden Zuspruch bei Sonderschulen für Lernbehinderte und dient
andererseits als Anregung für die Förderung mathematisch besonders begabter Kinder.
Es besteht kein Grund zur Sorge, dass die mit aktiv-entdeckendem Lernen verbundene
natürliche Differenzierung zu einem Auseinanderfallen der Klasse führen könnte: Durch
verbindliche Lernziele, insbesondere den Blitzrechenkurs, wird dafür gesorgt, dass trotz
aller individuellen Unterschiede während des Lernprozesses am Ende ein ausreichender
gemeinsamer Wissensbestand vorhanden ist.

          Der „alternative Ansatz“ zur Förderung von Kindern mit
                            Lernschwierigkeiten

In der alternativen Medizin gelten diejenigen Heilmittel als besonders wertvoll, die
nicht spezifisch auf eine bestimmte Körperfunktion wirken, sondern auf die allgemeine
Stärkung des gesamten Organismus zielen entsprechend dem schon im Altertum
erkannten Grundsatz: „Eure Heilmittel seien Nahrungsmittel, und eure Nahrungsmittel
seien Heilmittel.“ Entsprechend besteht der „alternative Ansatz“ zur Förderung von
Kinder mit Lernschwierigkeiten nicht in spezifischen „Fördermaßnahmen“, sondern in
einer unspezifischen Förderung, die organisch in das Konzept integriert ist.
Lernschwierigkeiten können damit an der Wurzel erfasst werden. Folgende Punkte
wirken sich bei dem „alternativen Ansatz“ positiv aus:

1. Durch eine geeignete Förderung schon im Kindergartenalter lassen sich
Lernschwierigkeiten vermeiden oder zumindest abmildern. Hierfür stehen die in „mathe
2000“ entwickelten Matrerialien für die Frühförderung zur Verfügung. In
Zusammenarbeit der Grundschulen mit den Kindergärten können damit bereits im
Vorfeld wichtige Grundlagen gelegt werden.

2. Die im Projekt „mathe 2000“ konsequent verfolgte Konzentration auf Grundideen der
Arithmetik und Geometrie, die Beschränkung auf wenige grundlegende Anschauungs-
und Arbeitsmittel und auf eine kleine Zahl wiederkehrender Übungsformate sowie die
Benutzung einer schlichten Sprache sind didaktische Maßnahmen, die gerade den

                                          14
schwächeren Kindern das Lernen erleichtern. Der Förderbedarf wird damit generell
reduziert.

3. Die Grundlegung der Blitzrechenübungen stellt für sich genommen ein in den
Unterricht eingebettetes Förderprogramm für Kinder mit Lernschwierigkeiten dar, auf
das gezielte schulische und außerschulische Fördermaßnahmen unmittelbar
zurückgreifen können. Der Förderkurs „Mündliches Rechnen in Kleingruppen“ bietet
sich hier in besonderer Weise an. Mit seiner Hilfe lässt sich sicherstellen, dass bei der
außerschulischen Förderung dem Unterricht unmittelbar zugearbeitet wird.

4. Die Behandlung der Rahmenthemen in mehreren Durchgängen bietet Kindern mit
Lernschwierigkeiten die Möglichkeit, ihr Wissensnetz individuell aufzubauen und
Wissenslücken allmählich zu schließen. Kein Kind wird „abgehängt“.

5. Die Freigabe der Lernwege und des Lerntempos sowie die bei der Bearbeitung von
Aufgaben gewährten Spielräume helfen, den Erfolgs- und Konkurrenzdruck zu
reduzieren. Die Kinder können eher zeigen, was sie können. Bei dem traditionell klein-
und gleichschrittigen Vorgehen mit fest vorgegebenen Aufgaben und der damit
verbundenen Lernkontrolle von außen, werden schwächere Kinder ständig einem
Vergleich mit leistungsstarken Kindern ausgesetzt, was auf Dauer ihrer Motivation
schadet und sie zur mechanischen Reproduktion vorgemachter Rezepte verleitet.

6. Beim aktiv-entdeckenden Lernen werden alle Kinder in Aktivitäten des
Mathematisierens, Explorierens, Argumentierens und Formulierens einbezogen. Diese
Förderung im Bereich der allgemeinen Lernziele wirkt sich auch bei Kindern mit
Lernschwierigkeiten günstig auf den Erwerb inhaltlicher Lernziele aus. Es kommt auch
keineswegs selten vor, dass Kinder, die Schwierigkeiten im Rechnen haben, gute Ideen
bei der Erforschung, Beschreibung und Begründung von Mustern entwickeln und auf
diesem Gebiet Erfolgserlebnisse haben.

7. Beachtet werden muss schließlich auch, dass lernschwache Kinder oft in einer
Umgebung aufwachsen, die nur wenige Anregungen bietet. Die Erfahrung lehrt, dass
”die Guten die Schwachen mitziehen”. Daher ist es sehr wichtig, lernschwache Kinder
in anregenden Kontakt zu anderen Kindern zu bringen, wofür der aktiv-entdeckende
Unterricht ganz andere Möglichkeiten bietet als der traditionelle Unterricht.

Literaturhinweis: E.Ch. Wittmann, Ein alternativer Ansatz zur Förderung „rechenschwacher“ Kinder.
(abrufbar von der „mathe 2000“-Website http://www.uni-dortmund.de/mathe2000, Stichwort:
Publikationen)

                       Die Förderung leistungsstarker Kinder

Die in „mathe 2000“ entwickelten Lernumgebungen enthalten viele produktive
Aufgaben, die über die Übung von Fertigkeiten hinaus Optionen zur selbstständigen
Fortsetzung, Variation und Erfindung arithmetischer und geometrischer Muster bieten.
In einzelne Aufgaben sind Muster eingebaut, die sogar bis in die höhere Mathematik
hineinreichen.
Leistungsstarke Kinder können dieses „unerschöpfliche Aufgabenangebot“ für ihre
speziellen Interessen nutzen und sich in Variation der vorgegebenen Themen
mathematische Inseln selbstständig erarbeiten. Eine Förderung dieser Kinder ist somit

                                               15
ebenfalls aus dem normalen Stoff heraus möglich. Diese Besonderheit sollte den
Kindern bewusst gemacht werden, damit sie das Potenzial der Lernangebote voll
ausschöpfen und sich dabei mathematisch ausleben können.

                        Unterricht in gemischten Klassen

Kinder bringen heute in höherem Maße als früher unterschiedliche Vorerfahrungen,
Vorkenntnisse und Einstellungen mit. Sie unterscheiden sich in ihrer Auffassungsgabe,
im Lerntempo und in der Fähigkeit zum Transfer des Gelernten. Diese Unterschiede
können, wie oben beschrieben, durch natürliche Differenzierung in erheblichem
Umfang aufgefangen werden. In Klassen, die wegen geringer Schülerzahlen oder aus
pädagogischen Gründen altersgemischt zusammengesetzt sind, reicht dieses Prinzip
aber nicht aus. Dem sehr unterschiedlichen Entwicklungsstand entsprechend müssen
Lerngruppen gebildet werden, die an unterschiedlichen Stellen des Curriculums
arbeiten. Bei der Organisation der Lernaktivitäten dieser Lerngruppen zeigt das Konzept
seine ganze Stärke:

1. Der transparente, modulare Aufbau einerseits und die Förderung einer aktiv-
entdeckenden Lernhaltung andererseits unterstützen in ihrer Verbindung das folgende
Klassenmanagement: Jede Lerngruppe wird jeweils in einen Themenblock eingeführt
und angeleitet, die Aufgaben möglichst selbstständig zu bearbeiten.

2. Jeder Zahlenraum wird in folgender Sequenz behandelt: Orientierung, Einführung
von Rechenwegen an einem komplexen Beispiel, einfache Aufgaben, Übergang von
einfachen zu schweren Aufgaben, vertiefende Übungen, ergänzende Übungen,
Blitzrechenübungen. Weiter kehrt eine kleine Zahl von Übungsformaten
(Zahlenmauern, Rechendreiecke, Päckchen, usw.) ständig wieder. In der Geometrie und
im Sachrechnen werden ebenfalls einige wenige Grundideen über die Schuljahre hin
entfaltet. Durch diese sich ständig wiederholenden inhaltlichen Strukturen wird der
Erklärungsbedarf in beträchtlichem Maße reduziert.

3. Die systematisch wiederkehrenden Lernstrukturen ermöglichen und erleichtern auch
den Übergang von einer Lerngruppe zu einer anderen und den Austausch zwischen den
Gruppen. Insbesondere ist es möglich ein und dieselbe Übung mit jeweils
unterschiedlich großen Zahlen von der gesamten Klasse bearbeiten zu lassen. In dieser
Weise können von Zeit zu Zeit sogar Kinder höherer Klassen mit Kindern aus unteren
Klassen zusammengeführt werden.
Beispiel: Die im Abschnitt „Produktives Üben“ beschriebene Übung mit Zahlenmauern
kann ebenso mit Grundsteinen aus dem Hunderter- oder Tausenderraum durchgeführt
werden.

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Lern- und Leistungskontrollen
                                       Kinder werden nicht dadurch größer, dass man sie ständig misst.
                                                                                           Anonymus

Eltern, Lehrer und Schulbehörden möchten aus unterschiedlichen Gründen wissen,
welche Voraussetzungen ein Kind zur Schule mitbringt, welche Fortschritte es im
Verlauf von Lernprozessen macht und inwieweit die Ziele am Ende von Schuljahren
oder Schulstufen erreicht worden sind. Die Kinder möchten auch selbst wissen, was sie
gelernt haben und wo sie stehen. Auf den verschiedenen Ebenen spiegelt sich das
Problem der Lern- und Leistungskontrolle aber in unterschiedlicher Weise wider, wobei
zwei unterschiedliche Aspekte zum Tragen kommen: Diagnose und Beurteilung
(Benotung). Diese Aspekte werden oft nicht genau getrennt, was nicht nur deshalb
geschieht, weil „Diagnose“ freundlicher klingt als „Benotung“ , sondern weil sich diese
Aspekte auch schwer trennen lassen: Auch Lernzielkontrollen am Ende der Behandlung
eines Stoffabschnitts, die zur Leistungsfeststellung dienen, haben eine diagnostische
Funktion. Aus ihnen lassen sich wichtige Informationen entnehmen, welche wichtigen
Kenntnisse im weiteren Unterricht noch besonders mitgeübt werden müssen.

                                   Eingangstests

Vor Beginn einer neuen Schulstufe werden Eingangstests benutzt, um sich ein erstes
Bild von den Kindern zu machen, den eventuell nötigen Förderbedarf einzuschätzen
oder über die Zuordnung zu bestimmten Lerngruppen zu entscheiden. Für den
Schuleintritt ist die Feststellung elementarer Kenntnisse über Zahlen und Formen
wichtig. Mit dem auf die arithmetischen Grundideen zugeschnittenen Eingangstest
(„GI-Test Arithmetik“) lässt sich feststellen, welche Kenntnisse über Zahlen
(Zahlbegriff, strukturierte Anzahlerfassung) ein Kind mitbringt.

                             Standortbestimmungen

Vor der Behandlung eines Rahmenthemas sollte eine Standortbestimmung durchgeführt
werden. Dabei wird den Kindern zuerst an Beispielen klar gemacht, um welche
Aufgaben es geht, und die Kinder werden dann aufgefordert, Aufgaben dieser Art, „die
sie schon können“, schriftlich zu bearbeiten.
Als Ortungsaufgaben für den ganzheitlichen Einstieg im ersten Schuljahr bieten sich z.
B. folgende Aufgaben an, die zuvor an entsprechenden Beispielen erläutert werden
müssen:

– Schreibe die Zahlen der Reihe nach auf, soweit du möchtest.
– Schreibe große Zahlen und die größte Zahl auf, die du schon kennst.
– Male die Würfelbilder der Zahlen auf.
– Male zu einigen Zahlen Mengen mit so vielen Dingen, wie die Zahl angibt.
– Schreibe deine Telefonnummer, Hausnummer oder eine andere Nummer auf.

Die Analyse dieser „Eigenproduktionen“ liefert wertvolle Anhaltspunkte für den
weiteren Unterricht.

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